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the world outside

Magister Magicae 9
von

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Medaillon

„Urnue! Gott sei Dank, da bist du ja!“, jauchzte Hedda, noch halb außer Atem vom Rennen. War lange her, daß sie so richtig Sport gemacht hatte.

Der Genius Intimus stand vor der Tür des Hausmeisters, der seine Wohnung im Erdgeschoss des Studentenwohnheims hatte, als sie ihn fand. Er drehte sich mit fragendem Blick zu ihr um. „Hi. Hast du mich gesucht?“

Hedda nickte und versuchte ihre Atemnot wieder in den Griff zu kriegen. „Soleil sagte, du wärst hier auf dem Kampus. Ich muss mit euch reden, mit Akomowarov und dir.“

Urnue schaute nochmal die geschlossene Tür vor seiner Nase an. „Ich wollte gerade zu eurem Hausmeister. Er muss mir sagen, wo ich die beiden Schläger aus dem Tee-Haus finde, weißt du?“

„Cord und Third Eye.“, kommentierte Hedda neunmalklug.

Urnue zeigte sich entsetzt. „Woher kennst DU die beiden denn?“

„Vom Hausmeister. Und um genau diese beiden geht es. Ich muss mit euch reden.“

„Na toll ... Wie auch immer, entweder ist der Herr von und zu Hausmeister nicht da, oder er will mir die Tür nicht aufmachen. Ich hoffe für ihn ersteres.“ Urnue wandte sich in aufrechter, selbstsicherer Haltung zum Gehen. „Komm doch mit, wenn ich ihn suche. Dann kannst du mir erzählen, was du auf dem Herzen hast. Zu Akomowarov kann ich dich leider nicht bringen. Der ist nicht hier.“

Hedda stimmte zu und schloss sich ihm an. Besser als nichts. Sie erzählte ihm also von Anfang an die gesamte Geschichte, wie der Hausmeister heimlich in Sewills Zimmer eingedrungen war, das Fluch-Medaillon gesucht hatte, welches sich inzwischen in Akomowarovs Besitz befand, wie sie mit ihm den Körper getauscht und Cord und Third Eye getroffen hatte, wie die beiden ihr von der Fluchumleitung erzählt hatten, und auch, daß das alles sehr offensichtlich mit dem Edelig-Mord zusammenhing. Mit eben jenem Ruppert Edelig, dessen Genius Intimus Urnue gewesen war.

Urnue hörte sich das alles geduldig an, zeigte an keiner Stelle irgendeine Regung, und schaute immerzu nur starr vor sich auf den Weg, während er neben Hedda herging. Er machte kaum noch den Eindruck, nach dem Hausmeister zu suchen, sondern wirkte eher, als folge er einem altbekannten Weg, den er schon längst blind fand. Als habe er schon ein konkretes Ziel im Sinn. „Dragomir hat auch schon vermutet, daß es mit dem Mord an Ruppert Edelig zusammenhängt.“

„Cord sagte, daß mit dem Fluch-Medaillon die Fluchumleitung erneuert werden muss. Und es ist ziemlich offensichtlich, daß der Fluch auf Sewill umgeleitet wurde, auch wenn das noch keiner so wortwörtlich ausgesprochen hat. Ihr Zustand sagt ja alles. Auf den Orkney-Inseln hat es angefangen. Und es ist die einzige Erklärung, warum die allesamt hier in Düsseldorf sind.“

„Nein. Dragomir ist der Grund, warum die hier in Düsseldorf sind. Jemand hat geplaudert und sie an die Polizei verpfiffen. Die sind auf der Suche nach Dragomir, weil sie glauben, er war´s. Das ist der einzige Grund, warum sie hier in Düsseldorf sind. Er ist Dozent an der Zutoro. Der einzige Ort, wo man ihn in die Finger bekommt. Um die Fluchumleitung hätten sie sich von überall auf der Welt kümmern können.“

„Hast du etwa Ahnung von Flüchen und Fluchumleitungen?“, hakte Hedda nach.

Urnue grinste. „Ich bin der Getreue von einem Magister Artificiosus Magicae der Fluch- und Verwunschwissenschaften. Da kriegt man schon das eine oder andere mit.“

„Okay ...“, schmunzelte das blonde Mädchen verstehend. „Das muss ein sehr aufregendes Leben sein, mit einem Mann wie ihm zu arbeiten. Er ist so ein Mysterium, keiner weiß irgendwas über ihn. Ist sicher total spannend, an so jemanden näher heranzukommen. Du weißt Sachen über ihn, die sonst keiner weiß, oder?“

„Schon. Er hat mir ALLES erzählt. Was immer ich wissen wollte, hat er mir bereitwillig ausgeplaudert. Über die Motus, über seine Arbeit dort und danach, bis ins Detail. Er lässt mich seine Gedanken, Emotionen und Aktivitäten wissen. Er lässt mich an seinem Wissen und Können teilhaben. Unsere Talente sind sehr ähnlich gelagert, weißt du? Bannkreise und Kampfzauber beherrschen wir beide.“, erzählte Urnue und klang dabei sehr nüchtern. Nicht wie ein kleiner Junge mit leuchtenden Augen, der das als großes Abenteuer ansah und es genoss. „Aber er gibt auch mir partu keine Fakten zu seiner eigenen Person. Nicht sein Geburtsdatum, nicht seine Herkunft, nicht das Wesen das in ihm steckt ... nichtmal einen Teil seines echten Namens. Er hat zwar diesen schicken, ellenlangen Namen, Victor Dragomir Raspochenko Akomowarov, aber der ist auch bloß Code.“

„Stimmt es, daß er einen Wohnsitz in Russland hat?“, blöffte Hedda. Sie hatte nichts dergleichen gehört. Das war nur geraten. Um seine Reaktion zu sehen.

Urnue kratzte sich nachdenklich am Kinn. „Ich weiß nicht, ob man das so sagen kann. Er hat einen Rückzugsort, ja, aber das ist kein gemeldeter Wohnsitz mit einer gültigen Postanschrift. Das ist ein Berg irgendwo mitten im tiefsten Gebirge. Da ist in alle Himmelsrichtungen einfach mal gar nichts. In dem Berg existieren weitreichende Höhlensysteme und ein unterirdischer See. Er hat sich diese Höhlen ganz wohnlich hergerichtet. Mir gefällt es da super, ich war schon dort. Aber ich könnte nichtmal sagen, ob das wirklich Russland war.“

„Wie seid ihr denn dort hingekommen?“

„Keine Ahnung. ... Ich ... Ich könnte dir weder den Weg beschreiben, noch den Standort auf ner Landkarte zeigen.“, stellte Urnue in einer Tonlage fest, als sei er selber überrascht darüber. „Ich bin mir nichtmal sicher, in welcher Richtung er liegt.“
 

Der alte, schmuddelige Hausmeister kam mit einer Gartenharke um die Hausecke geschlurkst und rannte beinahe in Urnue und Hedda hinein. Er fluchte erschrocken. Er war natürlich auch sofort entdeckt worden.

„He, Hausierer! Hier geblieben!“, rief Urnue.

Der Alte ließ die Harke fallen und wandte sich zur Flucht.

Urnue zischte irgendein lateinisches Wort, daß Hedda in der Hektik nicht richtig verstand, und streckte die Hand nach ihm aus.

Der Hausmeister stolperte, stürzte und schlug der Länge nach zu Boden. Unmöglich zu sagen, ob Urnues Zauber ihn getroffen hatte oder nicht. Und das war vermutlich auch die Absicht dahinter: Beweise minimieren. Wer wollte abstreiten, daß der verlotterte, notgeile Bock, der sich schon längst das Gehirn weggesoffen hatte, in seiner Panik über seine eigenen Füße geflogen war?

„Wohin so eilig, Freundchen? Dich brauch ich noch.“, stellte Urnue klar, als er neben dem Hausmeister in die Hocke ging, um zu sehen, ob er in Ordnung war, und ihm gegebenenfalls wieder hoch zu helfen.

„Ich hab nichts!“, wimmerte der Alte.

„Ich will ja auch nichts. Ich hab nur ein paar Fragen.“

„Ich weiß auch nichts!“

„Ich hab dich doch noch gar nichts gefragt. Aber wenn du schon vorbeugend solche Angst vor mir hast, bin ich sicher, daß du eine ganze Menge weißt!“

Hedda stand wie ein übergossener Pudel hilflos in der Gegend herum und hatte keinen blassen Schimmer, was sie tun sollte. Als Urnue sich von ihr verabschiedete, sie bat zu gehen, und den Hausmeister schließlich an der Jacke gekrallt vor sich her schob, nickte sie nur und ging wie in Trance ihrer Wege. Erst mit einiger Verzögerung wurde ihr klar, daß sie auch gern und berechtigterweise gehört hätte, was der Alte zu berichten hatte. Aber da war es zu spät. Da war Urnue schon mit ihm verschwunden und sie selbst bereits vor dem Hörsaal angekommen, um ihrer nächsten Vorlesung beizuwohnen. Die Mittagspause war vorbei.
 

Schlecht gelaunt schloss der Hausmeister seine Wohnung auf und bat Urnue herein. Notgedrungen. Eine Wahl hatte er ja nicht. Seine Hütte war die reinste Rümpelkammer. Urnue blieb fast der Mund offen stehen, als er eintrat. Die Wohnung sah so heruntergekommen aus wie er selbst und roch auch so. Alles war fleckig und staubig, in der Küchenzeile stapelte sich das benutzte Geschirr von Wochen, überall standen offensichtlich kaputte, halb zerlegte Gerätschaften herum. Der ganze Boden war förmlich ausgelegt mit den Tageszeitungen von mehreren Jahren. In jeder Ecke stapelten sie sich bündelweise. Jedes bisschen freie Ablagefläche war vollgestopft mit Unrat. Es war ein einziges, heilloses Chaos. Mittendrin stand Victor Dragomir Raspochenko Akomowarov, schnappte sich ein Buch aus einem Schrank, ließ die Seiten schnell mit dem Daumen durchblättern, warf es desinteressiert zu Boden – was hier sowieso keinen Unterschied machte – und griff nach dem nächsten. Er schien nichts konkretes gesucht zu haben, sondern sich nur die Zeit zu vertreiben, denn als er Urnue und den Hausmeister hereinkommen sah, ließ er den Bücherschrank augenblicklich links liegen.

Der Hausmeister wurde bleich. „A-Akomowarov.“, stellte er ganz richtig fest. „Wie seid Ihr in meine Wohnung gekommen, mein Herr?“

„Mein Herr?“, gab Victor lachend zurück. „Spar dir die Höflichkeiten, Hausierer. Ich weiß, daß du mir nicht wohlgesonnen bist. Und du musst es mir auch nicht glaubhaft machen. Wenn du´s wissen willst, ich bin unter deiner Tür durchgekrochen.“

„Mh.“, machte der Hausmeister nur. Unter seiner Wohnungstür war tatsächlich ein Spalt, der einem kleinen Wesen genug Platz zum Durchschlüpfen geboten hätte. Einer Fliege oder Spinne etwa. Er wusste, daß Akomowarov ein talentierter Gestaltwandler war. Eines der wenigen Dinge, die man überhaupt über ihn wusste. So winzige Formen wie die von Insekten nahm er allerdings nur sehr selten und sehr ungern an und behielt sie nicht länger bei als unbedingt notwendig, weil sie entsprechend leicht zu töten waren. Er wäre schon mehr als einmal fast mit einem Pantoffel erschlagen worden, als er in Gestalt einer Fliege Leute belauschen und ausspionieren wollte. Die Menschen hatten den penetranten, gottgegebenen Drang, jedwedes Ungeziefer in ihrer Umgebung immer sofort und nachhaltig zu beseitigen. Der alte Hausmeister wünschte fast, es wäre irgendwem gelungen.

„Ich höre, du behelligst junge Studentinnen, Hausierer?“, taktete Victor das Gespräch auf und ließ sich in einer runden, hoheitlich aussehenden Bewegung auf dem abgewetzten, löchrigen, fleckigen Sessel nieder. Es hatte etwas würdevolles, wie ein König, der sich auf seinem Thron darnieder setzte. Die Unterarme drapierte er eindrucksvoll links und rechts auf den Armlehnen.

„Wie das?“

„Wurdest du nicht im Zimmer einer gewissen Sewill Gaya aufgegriffen, in das du dir unberechtigt Zutritt verschafft hast?“, wollte Victor wissen. Ja, er hatte alles mitgehört, was Hedda seinem Getreuen Urnue berichtet hatte. Er war dabei gewesen, auch wenn Hedda ihn nicht gesehen hatte.

„Ich habe nur nach einer Kette gesucht. Von dem Mädchen wollte ich nichts.“, hielt der Hausmeister dagegen.

Victor griff in seine Manteltasche und holte das Fluch-Medaillon hervor. Hielt es ihm zwischen Daumen und Zeigefinger baumelnd vor die Nase.

Im Gesicht des Hausmeisters zuckte es, wenn auch zu schnell um die Emotion noch deuten zu können. Aber er hatte offensichtlich verstanden. Und ja, das war die Kette, die er suchte.

„Die gehört Cord. Die erkenne ich sofort wieder. Was willst du damit?“

„Äh ... sie ihm zurückbringen.“

Victor zog ein 'ah ja, das glaube ich dir auf´s Wort'-Gesicht und ließ das Amulett wieder in seiner Manteltasche verschwinden. Er schwieg.

Der Hausmeister schwieg ebenfalls.

Urnue genauso.

Eine ganze Weile lauerte gespenstige Stille im Raum.

Draußen vor dem Fenster gingen ein paar Studenten vorbei, die sich unterhielten.

„Herrgott nochmal, Hausierer, jetzt lass dir doch nicht jedes Wort aus der Nase ziehen! Nun rede schon! Was treibt ihr drei hier?“, bat Victor also irgendwann genervt.

„Was sollen wir treiben? Auf dem Medaillon liegt ein Fluch, der Cord und seinen Genius Intimus zu monströsen Missgeburten entstellt. Ich will ja nicht behaupten, daß sie ohne den Fluch wesentlich hübscher wären, aber du weißt, was ich meine. Sie haben einen Weg gefunden, den Fluch zu unterdrücken. Aber dieser Zauber muss regelmäßig erneuert werden, sonst verliert er irgendwann seine Wirkung. ... Aber wozu erzähle ich dir das? Das weißt du doch alles!“, gab der Hausmeister zu bedenken.

„Was hat das Gaya-Mädchen damit zu tun?“

„Weiß nicht!? Was hat sie denn damit zu tun?“, gab er unwissend zurück, als hielte er das für eine Fangfrage, deren Antwort Victor selbst doch wohl am besten wissen müsse.

„Willst du sagen, sie hat nichts damit zu tun?“

„Na, zumindest nicht mit dem Fluch von diesem Medaillon da.“, beharrte er.

Victor fuhr sich nachdenklich mit zwei Fingern die Lippenkonturen nach und überlegte fieberhaft, wie das alles ein Bild ergeben könnte. „Sie muss in dem Mord an Ruppert Edelig mit drinhängen. Irgendwie!“

Der Hausmeister kicherte albern. „Ach, haben etwa Cord und Third Eye den alten Edelig auf dem Gewissen?“ Amüsiert warf er einen Blick zurück zu Urnue, in dem Wissen, daß der mal Ruppert Edeligs Schutzgeist gewesen war. Das war also der Pappkamerad, der seinen Schützling nicht hatte beschützen können. Alter Schwede, das hätte er Cord und Third Eye gar nicht zugetraut. Urnue galt heutzutage als verdammt mächtiger Genius, auch ohne Victors Hilfe. Auch mit Urnue alleine legte man sich nicht gern an.

„Wo haben die beiden den Fluch her und wie genau unterdrücken sie ihn?“, fragte Victor weiter. Das musste einen Zusammenhang zwischen all dem ergeben. Es musste einfach! Er hatte ihn nur noch nicht gefunden.

„Keine Ahnung. Ich verstehe nichts von Flüchen. Du bist der Experte. Ich kann dir nur sagen, daß sie in Schottland einen Mhorag jagen wollten, aber der ist bei seiner Flucht von den Klippen gestürzt und ist umgekommen, bevor sie damit fertig waren, ihn zu verfluchen. Daher ist der Fluch auf sie zurückgefallen. Scheinbar kann man diesen Fluch irgendwie mit einem Zauber unterdrücken. Ich habe einen Kollegen hier, der mir den Zauber aus Gefälligkeit immer mal wieder erneuert, weil er denkt, das Ding würde mir gehören und der Fluch würde mir gelten.“

Victor holte die Kette abermals hervor und starrte sie lange grübelnd an. Was hatte er übersehen? Was nur?

Der Hausmeister zuckte mit den Schultern. „Ich will ehrlich sein. Cord und Third Eye sind Genii-Jäger. Sie waren sehr lange in Schottland aktiv und haben dort etliche Genii gefangen oder umgebracht. Das weißt du selber. Und Ruppert Edelig wurde von den Motus-Fratzen weltweit gesucht, nachdem das alles so hochgekocht ist. Also wenn Ruppert gerade geschäftlich dort unterwegs war und ihnen ins Netz gegangen ist, dann war es reiner Zufall. So wie ich das sehe, war dieses Gaya-Mädchen vielleicht sogar ein Opfer der beiden. Möglich. Aber mit dem Mord an Ruppert Edelig hat das nicht das geringste zu tun. Die einzige Schnittstelle zwischen beiden Fällen ist die Tatsache, daß das Mädchen in den Besitz dieses Fluch-Medaillons gekommen ist.“

Victor warf dem Hausmeister die Kette zu, welcher sie erschrocken auffing, und erhob sich dann aus seinem Sessel. „Da, bring sie den beiden wieder. Ich danke für die Informationen. Sollte ich noch irgendwas brauchen, hörst du wieder von mir.“, meinte er und spazierte aus der schmuddeligen Wohnung hinaus, ohne noch irgendwas darin eines näheren Augenscheins zu würdigen.

„Ja, davon gehe ich aus.“, grummelte der Alte.
 

Victor und Urnue stiefelten gemeinsam über den Kampus davon. Urnue warf dem Magister Artificiosus einen verstohlenen Seitenblick zu. Er überlegte, ob er das für sich behalten sollte. Wenigstens für den Moment. Solange, bis sie wieder unter vier Augen waren. Aber dann konnte er es doch nicht. „Dragomir?“

„Hm?“

„Vertraust du mir?“

Er schaute ihn fragend an. „Natürlich. Hast du den Eindruck, ich täte es nicht?“

„Wieso löschst und veränderst du dann mein Gedächtnis mit irgendwelchen Zaubern?“

Victor gab einen verstehenden Ton von sich und ließ kurz den Kopf hängen.

„Du hast mich schon mehrfach mit in deinen Berg genommen. Aber ich kann nicht sagen, wo der ist. Ich kann mich nicht an den Weg erinnern. Nichtmal wie wir überhaupt da hingekommen sind!“

„Wie bist du darauf gekommen? Der Bann hätte eigentlich verhindern sollen, daß du dir überhaupt einen Kopf über dieses Thema machst.“

„Deine Studenten haben mich danach gefragt.“

Victor zog erschrocken eine Augenbraue hoch. Diesen Teil des Gespräches hatte er offenbar gar nicht mehr mitgekriegt. Hatte er sich da schon auf den Weg zur Wohnung des Hausmeisters gemacht, um vor ihm dort anzukommen? „Die haben dich gefragt, wo mein Wohnsitz ist? Wieso wollen die das wissen?“

Urnue zuckte ratlos mit den Schultern. „Reine Neugier, nehme ich an. Weil du so ein Mysterium bist und keiner irgendwas über dich weiß. Hedda hat es nicht böse gemeint, wenn du das denkst. Sie wollte diese Info nicht für irgendwas verwenden.“

„Urnue, ich will nicht, daß du mit irgendjemandem über mich redest. Auch nicht mit diesen scheinbar so harmlosen Studenten.“, erinnerte Victor ihn ruhig. „Egal, was sie über mich wissen wollen. Das habe ich dich schon mehrmals gebeten.“

„Aber wieso veränderst du mein Gedächtnis!?“, wollte Urnue stur wissen.

„Genau darum. Damit du mit keinem über mich redest.“

„Hast du noch mehr aus meinem Kopf rauszensiert? Hast du schonmal in meiner Anwesenheit deine wahre Gestalt angenommen und es mich dann wieder vergessen lassen? Damit ich es keinem verraten kann?“

„Nein. Der Standort meines Berges ist das einzige, was ich aus deinem Gedächtnis gelöscht habe. Und bitte sei mir nicht böse deswegen. Es muss sein.“ Er war noch immer die Ruhe selbst. Urnue hatte ihn noch nie böse erlebt. Jedenfalls nicht gegenüber ihm, seinem Getreuen. „Du bist mir so wichtig und ich will dich so gern um mich haben, daß ich dich tatsächlich zu diesem Berg mitnehme. Dich dort wohnen lasse. Dich unbeaufsichtigt dort drin auf Erkundungstour gehen lasse. Ich vertraue dir. Andernfalls würde ich dich nichtmal von der Existenz dieses Berges wissen lassen, das weißt du. Und du weißt auch, warum ich keinem von diesem Berg erzähle. Du weißt, wer alles ein Interesse an mir hat. Auch wenn ich öffentlich als Dozent an einer Universität unterrichte und damit ganz gern mal drüber hinwegtäusche, wie gesucht ich bin. Das tue ich nur, weil diese Universität so gut geschützt ist, daß mich da drin schwerlich irgendjemand angreifen kann.“, rief er seinem Getreuen sachlich in Erinnerung.

Urnue nickte einsichtig. „Ja, ich weiß, du hast Recht. Tut mir leid.“

„Ich tue das nicht, um dich zu ärgern, Urnue. Oder um meinem Misstrauen Abhilfe zu leisten. Ich muss einfach sicher sein, daß du von nichts weißt, egal wem du in die Hände fällst. Ich gehe nicht davon aus, daß du freiwillig plauderst. Aber es gibt Mittel und Wege, um auch unwillige Informanten zum Reden zu bringen. Nicht, daß ich dir das wünschen würde.“

Wieder nickte Urnue. „Ist okay.“ Er verzog kurz den Mund zu einer unschlüssigen Schnute, als er das nächste Thema auswählte, das ihm am Herzen lag, und abwog, wie bald er es ansprechen sollte. Ach was, besser jetzt als gleich. „Wieso hast du diesen beiden Verbrechern, die Ruppert getötet haben, das Amulett zurückgegeben?“

„Das Amulett hat uns nichts genützt. Wir haben keine Verwendung dafür. Und sie glauben sowieso schon, daß ich ihnen ans Leder will. Lass sie ruhig in dem Glauben, daß sich die Wogen langsam wieder glätten. Sie werden ohnehin nicht mehr lange Freude an diesem Ding haben.“

Diese Aussage stellte Urnue zufrieden und er folgte Victor ohne weiteres Gefrage oder Genörgel vom Kampus. Victor hatte ihm versprochen, daß der Mord an Ruppert noch gesühnt werden würde. Und das hier klang schwer danach.

„Wir werden wieder bei Null anfangen müssen.“, seufzte Victor. „Was auch immer dieser Sewill Gaya fehlt, ist weder ein Fluch noch eine Fluchumleitung.“



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