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Bayrische Hitze

von

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I. Kochende Sehnsucht

Yes! Ich habe sie endlich fertig!!! Hennings und Heikos Story ist bereit für die große, weite Fanfiction-Welt xD

Alle von euch, die 'My love bite on your neck' gelesen haben, können es sicher kaum noch erwarten zu erfahren, wie die zwei sich kennengelernt haben, und was sich genau in der Küche zugetragen hat, nachdem Nic die beiden Blindgänger in die richtige Richtung geschubst hat.

Das werdet ihr auch gleich erfahren, aber erst, nachdem Henning euch von ihrem ersten Zusammentreffen berichtet hat.

Sechs Kapitel wird das gute Stück haben. Ich hoffe, das enttäuscht euch jetzt nicht. Aber ich verspreche, die beiden werden euch dafür noch entschädigen ;D
 

Leider notwendig zu erwähnen: Alle Rechte meiner Texte liegen allein bei mir. Meine Texte, mein Eigentum. Unerlaubte Veröffentlichungen, auch nur auszugsweise, auf anderen Plattformen oder Onlineshops sind verboten, und das mache ich Text-Dieben auch rechtlich begreiflich, falls es sein muss.

Also? Klauen is nicht. Und wie ich kürzlich erfahren habe, haben meine lieben Leser ihre Augen überall und berichten mir jeden dreisten Text-Diebstahl.

Auch ich werde in Zukunft besser aufpassen und genauer hinsehen, was einem auf digitalem Wege angeboten wird.
 

In diesem Sinne wünsche ich euch trotzdem viel Spaß beim Lesen.

Eure Fara
 


 

Bayrische Hitze
 


 

I. Kochende Sehnsucht
 

~Henning~

"Henning?"

"Ja?" Ich richtete mich auf und schaute hinaus in den Hotelflur. Mein Vater kam mit ausladenden Schritten auf mich zu. Dabei strahlte er über beide Ohren. "Na?", grinste ich bei seinem Anblick. "Was ist denn mit dir passiert?"

"Ich habe jemanden!", sagte er euphorisch.

"Echt?" Er nickte aufgeregt. "Das muss ja ein toller Koch sein, wenn er dich so zum strahlen bringt. Ist er gut?"

"Gut?" Mein Vater lachte auf. "Stell dir vor. Er hat sogar einen Stern!"

"Was?" Überrascht ließ ich die Bettdecke sinken, die ich gerade im Begriff war, frisch zu beziehen. "Und was will er dann bei uns?" Nichts gegen unser Hotel, aber wäre ich ein Sternekoch, ich würde mir andere Lokalitäten zum Kochen suchen. Kein kleines Hotel, versteckt im Herzen Bayerns.

Mein Vater zuckte mit den Schultern. "Ist doch egal! Er hat zur Probe gekocht, ich habe ihn gefragt, ob er bei uns anfangen möchte und er hat zugesagt!" Mein alter Herr war total aus dem Häuschen. "Stell dir vor!", schwärmte er. "Wir können unseren Gästen ab sofort eine Sterneküche bieten!"

"Wow." Ich war total geflasht. "Also wenn das Stimmt, und er bei uns bleibt, dann wäre das wirklich ein großes Ding."

"Sage ich doch! Und nun komm mit. Ich will ihn dir schnell vorstellen."

"Aber das Zimmer …" Ich zeigte auf das noch unfertige Bett.

"Ich habe Caroline angerufen. Sie ist schon unten und zieht sich um."

"Ach?" Das musste ja ein toller Koch sein, wenn mein Vater dafür extra Caroline herbestellt hatte, denn diese Woche war unser kleines Hotel nicht sehr ausgelastet.

"Ja ach! Komm mit!" Mein Vater stürmte voran.

"Also schön. Dann schaue ich mir den neuen Koch mal an." Ein Sternekoch in unseren bescheidenen Hallen. Wer hätte das gedacht?
 

Auf dem Weg nach unten begegnete uns Caroline. Sie lächelte mich an und nickte mir zu, schon war sie oben im Flur verschwunden.

Unten führte mich mein Vater ohne Umschweife in die Küche. Dort fiel mir sofort der großgewachsene Mann auf, der mit dem Rücken zu uns vor dem Herd stand. Er war am Putzen. Sehr löblich. "Heiko?" Das leise Kratzen, das der Putzschwamm auf dem Gasherd erzeugte, verstummte. "Ich möchte dir noch meinen Sohn Henning vorstellen, bevor du gehst."

Mit ausgestreckter Hand trat ich an unseren neuen Koch heran. Er legte den Schwamm weg, dann erst machte er Anstalten, sich zu mir umzudrehen. "Schön Sie kennen zu lernen", begrüßte ich ihn und wartete gespannt, endlich das Gesicht unseres neuen Sternekochs sehen zu dürfen.

"Hallo. Ich freue mich, hier arbeiten zu dürf… ehm … Hallo."

Stille.

Die Welt hörte plötzlich auf sich zu drehen.

Wir standen uns direkt gegenüber. Ich, immer noch meine rechte Hand ausgestreckt, und er, starrten uns an. Mein Herz schlug schnell und so laut, dass ich glaubte, jeder hier anwesende konnte es auch hören.

Heiko … Was für ein Mann!
 

Ich weiß nicht mehr genau, wie es danach weitergegangen ist. Das Nächste, an das ich mich erinnere, war mein Vater, der mir einen Teller und eine Gabel in die Hand drückte, mit der Bitte, doch mal zu probieren. Ich tat es. Es schmeckte gut, aber meine Geschmacksnerven interessierte das kaum.

Heiko … Nur er interessierte mich. Allein auf ihn waren all meine Sinne gerichtet.
 

Ich konnte meinen Blick nur schwer von ihm losreissen.

Seine Augen, so unglaublich tiefbraun, wie flüssige Schokolade. Sein Mund, so voll und glänzend rosa, als würden sie mich anflehen, sie zu küssen. Heiko war groß gewachsen, fast so groß wie ich, dunkelbraune Haare, ein Dreitagebart. Ich schätzte ihn auf Anfang, Mitte Dreißig. Genau mein Alter.

Dennoch … Es änderte nichts daran, dass ich mir derlei Gedanken nicht erlauben durfte. Damals wie heute nicht.

Nicht, wenn ich das Hotel irgendwann übernehmen wollte ...
 

Unser Hotel. Es ist kein großes Hotel. Viel mehr ein kleines Familienunternehmen, das mein Opa damals ins Leben gerufen hatte. Es liegt leicht abgelegen am nördlichsten Zipfel Niederbayerns. Direkt an einem wunderschönen kleinen See, umgeben von dunklen, hohen Tannen. Urig und gemütlich.

Damals bot das Haus, was nun mein Wohnhaus ist, Platz für nur 5 Gäste. Oben die Gästeräume, unten wohnte mein Großvater. Als mein Vater dann damals das Unternehmen von meinem Großvater übernommen hatte, nahm er einen Kredit auf, und hat damit das jetzige Hotel erbaut.

Ich bin hier groß geworden, habe im Hotel mitgeholfen, seit ich denken kann. Auch schon damals bei meinem Großvater. Deshalb liegt mir unser kleines Hotel auch so sehr am Herzen. Unser Familienunternehmen ist mein Leben. Sprichwörtlich.

Genau deshalb schwor ich mir damals, Heiko nur als Angestellten zu sehen und meiner Neigung, der ich mir schon so lange schmerzlichst bewusst bin, nicht nachzugeben. Weil ich meine Eltern stolz machen, und irgendwann unser Hotel an die nächste Generation übergeben möchte.
 

Viele von euch würden mich jetzt sicher als einen Feigling und Idioten bezeichnen, aber versucht ihr doch mal, in einem kleinen, katholischen Ort, wo jeder jeden kennt, euch zu outen!

Ich kann schon jetzt das Gespött hören, die Anfeindungen und das Gerede. Ich mag mir gar nicht vorstellen, was das für unser Hotel bedeuten würde! Ich will das nicht kaputt machen. Und ich will vor allem meine Eltern nicht enttäuschen. Sie haben so viel für mich getan, haben alles aufgebaut, was wir haben. Das kann ich doch nicht kaputt machen, bloß weil ich mich zu Männern hingezogen fühle! Beziehungsweise, zu einem ganz bestimmten Mann …

Nein! Nein, ich fühle mich nicht zu ihm hingezogen! 'Heiko …'
 

"Mist!" Ich schlage die Augen auf. Dunkelheit umgibt mich. Ein kurzer Blick auf meinen Wecker sagt mir, dass es schon drei Uhr durch ist. Das heißt, ich liege schon seit zwei Stunden wach in meinem Bett herum. 'Und das nur wegen denen!', knurre ich im Geiste.

Die, das sind unsere beiden neuen Gäste, sie sich kurzfristig für ein paar Nächte in unserem Hotel einquartiert haben. Eigentlich nichts ungewöhnliches, doch die beiden rauben mir noch meine letzten Nerven, die ich hartnäckig versuche, beieinander zu halten.

Ein schwules Pärchen. In unserem Hotel.

Zwar ist auch das nichts ungewöhnliches, aber die zwei … sie haben mich zum Grübeln gebracht. Besonders, weil sie erst gar keinen Hehl daraus machen, dass sie ein Paar sind.

Sie verstecken sich nicht, sitzen miteinander turtelnd am Tisch, halten Händchen und küssen sich sogar! Anscheinend scheren sie sich keinen Deut darum, was die anderen um sie herum darüber denken.
 

Ach verdammt! Ihr müsst mich ja für eine total verklemmte Schwuchtel halten, so, wie ich mich gerade über die zwei wirklich netten Männer auslasse. Aber ich kann nichts dafür. Ich weiß nicht, wie ich damit umgehen, mich in ihrer Gegenwart verhalten soll.

Natürlich weiß ich, dass das schon lange nichts mehr Außergewöhnliches ist, schwul oder lesbisch zu sein. Wir leben beileibe nicht abgeschnitten von der Außenwelt. Aber hier, an unserem idyllischen See, bekommt man sich manchmal so vor.
 

Ich bin hier total eingespannt, verlasse das Hotel manchmal wochenlang nicht. Das macht mir nichts aus, ich liebe meine Arbeit und mein Leben, aber hin und wieder ertappe ich mich bei dem Gedanken, einfach von hier abzuhauen.

Lange halten diese Gedanken jedoch nicht an. Nie im Leben würde ich meine Familie und meine Freunde, die im angrenzenden Ort leben, verlassen. Sie sind alles, was ich habe. Für keinen Preis der Welt würde ich das auf's Spiel setzen wollen.

'Ihr seid wirklich ein süßes Paar.'

Frustriert werfe ich die Bettdecke von mir.

Heiko und ich ein Paar. Wie kommt dieser Kerl nur darauf?

Genau das hat nämlich heute Abend einer der beiden zu mir gesagt.

War es etwa so offensichtlich, wie ich Heiko angesehen habe? Falls das so ist, habe ich ein mächtiges Problem. Nicht nur, dass andere davon etwas mitbekommen, dazu kommt, dass ich mich allem Anschein nach nicht mehr unter Kontrolle habe. Ergo könnten auch meine Eltern irgendwann Verdacht schöpfen, oder gar Heiko!
 

Mein Herz beginnt zu rasen. Allein die Vorstellung, Heiko könnte meine Blicke bemerken … Mir wird schlecht und ich wandere unruhig in meinem Zimmer herum.

Wenn Heiko mitbekommt, dass ich auf ihn stehe, wird er deshalb sicherlich kündigen wollen. Was dazu führt, dass er meinen Eltern bestimmt auch den Grund seiner Kündigung kund tut.

"Sie werden mich hochkant aus dem Haus werfen!"

Ich schlucke hart und knete meine kalt gewordenen Finger durch. So kann ich unmöglich schlafen!

Ich bin so aufgeregt, beinahe panisch, dass ich in eine Hose schlüpfe und in meine Turnschuhe steige. Joggen wird meine Nerven beruhigen. Und hoffentlich auch meine Gedanken verjagen, damit ich erschöpft und frei von irgendwelchen Vermutungen und Horrorvorstellungen, tot in mein Bett fallen kann.
 

***
 

Fünf Jahre ist Heiko nun schon bei uns. Am 4ten September stand er das erste Mal bei uns in der Küche.

Schlimm genug, dass ich noch den genauen Tag weiß, aber ich weiß sogar noch die Uhrzeit. Sie spielt keine Rolle, trotzdem stehe ich jedes Mal vor der großen Uhr in der Küche und spüre das schnelle Schlagen meines Herzens, wenn ich bemerke, dass es viertel vor zehn ist. So wie jetzt.

"Henning?"

"Ja?" Meine Mutter steckt ihren Kopf durch die Küchentür.

"Die Herrschaften aus Zimmer 34 würden gerne draußen Frühstücken. Machst du ihnen schnell einen Tisch fertig?"

"Sofort", antworte ich und drücke Leonard, einer unserer Aushilfen, die beiden Brotkörbe in die Hand, die ich gerade hinaus in den Frühstücksraum bringen wollte.

Zimmer 34. Unsere beiden Turteltäubchen wollen also draußen Frühstücken.

In meinem Bauch bildet sich ein faustgroßer Klumpen und ich widerstehe dem Drang, rüber zu Heiko zu schauen, der gerade damit beschäftigt ist, ein Omelett zu machen.

Stoisch richte ich den Blick auf die Küchentür während ich auf sie zugehe und die Küche verlasse.
 

Den Tisch habe ich schnell abgewischt und auch die Stühle sind fix an Ort und Stelle gerückt. Jetzt muss ich den Herrschaften nur noch Bescheid geben. Eine Aufgabe, die ich viel lieber einem anderen überlassen würde, doch das geht leider nicht. Hinterher würde es Fragen aufwerfen. Warum gerade ich dem schwulen Pärchen aus dem Weg gehe.
 

Als ich im Essensaal ankomme, muss ich nicht lange suchen, um die beiden zu finden. Sie stehen knutschend vor dem Buffet.

Das flaue Gefühl in meinem Magen breitet sich auf Arme und Beine aus. Mein Gesicht wird heiß. Ich merke kaum, wie ich einen Schritt auf den anderen folgen lasse. Ich kann die beiden einfach nur anstarren, sie beneiden, wie ungeniert sie miteinander umgehen, als würde es sie nicht kümmern, was andere über sie denken.

Tun sie sicherlich auch nicht. Sonst würden sie nicht so unverhohlen miteinander herumturteln.

Bevor mein Starren den anderen Gästen auffällt, räuspere ich mich, als ich neben ihnen zum stehen komme.

Überrascht drehen sie sich zu mir um. "Entschuldigen Sie, aber ich wollte nur Bescheid sagen, dass ich Ihnen draußen einen Tisch bereitgestellt habe." Ich mustere verlegen das Buffet. Ich weiß, es ist unhöflich, aber ich kann unmöglich einem von ihnen in die Augen schauen. In diese glasigen, lustverhangenen Augen …

"Oh. Danke", bedankt sich der, der mir gestern eine Beziehung mit Heiko unterstellt hat. Niclas heißt er, soweit ich mich erinnere. "Gehen wir Schatz?"

Die zwei ziehen an mir vorbei. Und was tue ich? Schaue ihnen nach und beneide sie so sehr, dass ich mich selbst dafür verachte, was ich doch für ein Feigling bin.
 

Das Gefühl wird auch nicht besser, als ich sie kurz darauf draußen sitzen sehe. Dieser Niclas telefoniert während die beiden wieder Händchen halten. 'Sie sehen so glücklich aus.'

Ich will das auch. Und je länger die zwei hier sind, und mir quasi das vorleben, was ich wahrscheinlich niemals bekommen werde, desto mehr will ich es.

Aber ist es das wert? Alles, was ich hier habe, auf's Spiel zu setzen, nur für den Hauch einer Chance, auch jemals so etwas wie die beiden zu haben?

"Henning?"

Erschrocken drehe ich mich um. Heiko! "Ja?"

"Ich bin erstmal fertig in der Küche. Kann ich schnell in die Stadt fahren?"

"Klar", segne ich ab.

"Soll ich was mitbringen?"

"Nein, danke. Es ist noch alles da."

"Okay. Dann bis nachher."

"Ja …" Er berührt kurz meinen linken Unterarm, was mein Herz dazu bringt, sich erst erschrocken zusammen zu krampfen, dann in dreifacher Geschwindigkeit weiter zu schlagen.

Das macht er so oft. Immer wieder berührt er mich. Beinahe wie zufällig. Wenn er wüsste, was ich für ihn empfinde, würde er das ganz sicher nicht mehr tun ...
 

Ich muss mich wirklich zusammennehmen und versuchen, wieder mehr Abstand zwischen uns zu bekommen. Eigentlich lief das all die vergangenen Jahre über ziemlich gut.

Wir hatten ein gutes kollegiales Verhältnis zueinander. Nicht mehr und nicht weniger. Nur, seit ein paar Monaten läuft unser kollegiales Miteinander langsam auf eine Freundschaft hinaus.

Ich weiß nicht, wie es dazu kommen konnte. Ehrlich nicht. Aber dieses Jahr im Frühling saß Heiko plötzlich abends bei mir im Wohnzimmer und schaute eine DVD mit mir.

Natürlich habe ich versucht, diese privaten Treffen so oft es ging abzublocken, aber ich bin auch nur ein Mann. Ich sehne mich mach seiner Nähe und kann nicht immer nein sagen, wenn er mich fragt, ob ich am Wochenende Zeit für einen Kinobesuch hätte. Meine Arbeit hier im Hotel ist zwar immer eine gute Ausrede, schließlich arbeite ich quasi rund um die Uhr, aber selbst ich habe ab und an freie Tage.

Auch die Ausrede, ich hätte eine Freundin, kann ich nicht vorschieben. Das mit mir und Linda ist schon lange vorbei. Und das ich immer noch Single bin, weiß eigentlich jeder.

Ich bekomme häufig Angebote von jungen Frauen aus dem Ort, und auch wenn es hervorragend wäre, eine Freundin als Ausrede zu haben, um Heiko wieder mehr aus dem Weg gehen zu können, so will ich mich nicht wieder in eine Beziehung stürzen, in der ich mich permanent verstellen muss. Sex mit Frauen habe ich schon lange abgehakt. Und wie soll das auch gehen, wenn man bei dem Anblick einer nackten Frau keinen hoch bekommt?
 

"Sind die beiden nicht süß?"

"Was?"

Wieder zucke ich erschrocken zusammen. Diesmal ist es meine Mutter, die wie aus heiterem Himmel neben mir steht und auf die Terrasse blickt. "Die beiden dort. Sie sind so verliebt." Sie meint das schwule Pärchen draußen.

Sie sind schon wieder dabei, sich eifrig anzuturteln. Ihren Blicken nach zu urteilen, sind sie kurz davor, sich aufzufressen.

"Findest du das nicht … unnatürlich?", frage ich sie angespannt. Ich habe meine Mutter noch nie darauf angesprochen, was sie von Homosexualität hält. Es kam auch nie zur Sprache. Warum auch?

"Nein. Wieso denn? Wo die Liebe eben hinfällt", lacht sie, tätschelt mir den Rücken und treibt mich wieder zur Arbeit an.

Verwirrt und nachdenklich lässt sich mich zurück.

'Wo die Liebe hinfällt.' Ob sie auch so denken würde, wenn sie wüsste, dass ich auch …?
 

***
 

Heute ist wieder ein wundervoll warmer Herbsttag. So warm, dass sich immer noch Leute aus der Umgebung an und in unseren kleinen See trauen.

Aus diesem Grund habe ich unseren kleinen mobilen Stand, aus dem wir Eis, Süßigkeiten und Getränke heraus verkaufen können, geschnappt, und stelle mich damit an den kleinen Strandabschnitt. Die Leute kaufen mehr, wenn sie nicht bis zum Hotel hinauf laufen müssen.

Sofort ist mein Stand gut besucht und umschwärmt von durstigen Kindern und Teenagern.

Erst passiert nichts Ungewöhnliches. Eben ein ganz normaler, sonniger Tag an unserem wunderschönen Bergsee, doch dann: "Hey. Bekomme ich eine Limo?" Ich habe ihn gar nicht kommen sehen. Niclas. Ohne seinen Partner.

"Ähm, klar", antworte ich. "Aber drinnen bekommen Sie die Getränke als Gast umsonst." Er soll weg gehen. Es ist mir unangenehm, dass er bei mir steht. Weil er etwas hat, das ich niemals haben werde. Und weil ich Angst habe, man könnte in seiner Gegenwart bemerken, dass ich auch ...

"Hm", macht er, überlegt und schaut hoch zum Eingang des Hotels, dann wieder zu mir. "Is mir zu weit. Wie viel kostet eine Flasche?"

Ich will ihm antworten, lasse es dann jedoch. Besser, ich gebe ihm eine Flasche. Dann geht er hoffentlich wieder. "Geht auf's Haus." Ich versuche freundlich zu lächeln, obwohl mir gar nicht danach ist.

"Uh. Danke", freut er sich, grinst mich an und schenkt mir einen Augenaufschlag. Was soll denn das jetzt? Er trinkt einen Schluck und leckt sich über die Lippen. Ich schaue schnell weg. "Lecker", höre ich ihn schmunzeln. Mir wird auf der Stelle heiß. Er soll endlich weggehen!
 

Hilflos schiele ich zu Niclas. Er erwidert den Blick, weshalb ich eilig den See mustere. Aber meine Neugier ist stärker, weshalb ich wieder rüber zu ihm blicke.

Wieso flirtet der Typ mit mir, obwohl er einen Freund hat? "Wo ist dein Freund?", frage ich ihn frei heraus.

"Arbeiten", seufzt Niclas und sieht dabei wirklich traurig aus.

Das sein Partner arbeiten muss, überrascht mich. "Arbeiten? Ihr macht gar keinen Urlaub?"

"Ich schon, aber Meilo muss bis heute Abend schuften."

"Wie schade. Dann musst du die Zeit allein totschlagen?"

"So ungefähr." Niclas schmunzelt und wirkt auf einmal ziemlich fröhlich. "Dafür haben wir morgen den ganzen Tag für uns."

"Schön …" Es muss so schön sein, wenn man jemanden hat … Automatisch versuche ich mir dieses Gefühl vorzustellen, als ich plötzlich eine mir nur allzu bekannte Gestalt oben an der Terrasse des Hotels erkenne. Heiko räumt die Tische ab. Für eine Millisekunde haben sich unsere Blicke getroffen. Sofort jagt mein Puls hoch. Jede Zelle in meine Körper scheint zu kribbeln.

"Er sieht gut aus. Zum Anbeißen." Was?!

Entsetzt fliegt mein Blick von Heiko zu diesem Niclas. Was hat er gerade über Heiko gesagt? Wehe, er versucht auch nur, ihn ... "Keine Sorge!", lacht er und hebt entwaffnend die Hände. "Ich bin glücklich vergeben. Ich nehme ihn dir schon nicht weg." Ich schlucke hart. Er hat mich durchschaut!
 

Mein Gesicht fängt an zu brennen. Das hätte nicht passieren dürfen! Wenn schon ein Fremder bemerkt, dass ich … Ich muss mich besser unter Kontrolle bekommen! Niemand darf jemals wieder von meinen Gefühlen etwas mitkriegen! Ich muss sie unterdrücken! Sonst ...

"Aber an deiner Stelle würde ich mich ranhalten. So einer wie er bleibt nicht lange unentdeckt." Äh … Wie bitte?

Wieder richte ich meine Aufmerksamkeit auf Heiko, der dabei ist, einen der Tische zu wischen. Ich frage mich, warum ausgerechnet er das tut. Normal kümmert er sich nicht ums Saubermachen außerhalb der Küche. Muss er auch nicht. Dazu sind schließlich wir und die Aushilfen da, aber noch mehr beschäftigt mich die Frage, ob Niclas recht hat.
 

Heiko sieht gut aus, daran besteht kein Zweifel. Sicher bemerken das auch andere. Ob er auch Angebote von Frauen aus dem Ort bekommt?

Als ich mir das vorstelle, wird mir schlecht. Nein, nicht schlecht. Mir wird richtig kotzübel! Was, wenn er plötzlich mit einer Freundin hier auftaucht? Was mache ich dann?

Heiko ist fertig mit dem Wischen der Tische. Er schüttelt den Lappen aus und sieht mich dabei geradewegs an. Ich würde es nicht ertragen, wenn er tatsächlich irgendwann mit einer festen Partnerin hier antanzen würde. Das würde mir das Herz brechen ...

"Du bist scharf auf ihn, richtig?", höre ich Niclas mich fragen. Verwirrt spüre ich, wie er mich am Arm berührt und mich dabei zuckersüß anlächelt.

Ich schlucke hart, während ich das immer stärker werdende Bedürfnis in mir verspüre, ihm von meinen Gefühlen zu Heiko zu erzählen. Als könne ich mich ihm gefahrlos anvertrauen.

"Ich ähm ... Also ich ... Ich mag ihn wirklich sehr. Schon seitdem er hier angefangen hat", gestehe ich ihm auch schon, ohne weiter darüber nachgedacht zu haben.

Unruhig starre ich Niclas an. Der sieht aus, als würde er gerade vor einem herannahenden Zug stehen, und nicht wegrennen können.

"Das heißt, du schmachtest ihm schon seit fünf Jahren hinterher?!", fragt er mich beinahe geschockt. Das er sich das gemerkt hat, wie lange Heiko schon bei uns ist. Gestern hat er mich danach gefragt.

Ich nicke schwach und fühle mich noch unwohler in meiner Haut, als sowieso schon. Tatsächlich fange ich sogar an mich zu schämen. Für ihn muss ich eine totale Lachnummer sein. Aber es ist auch einfach, wenn man, so wie er, zu sich und seinen Gefühlen stehen kann.

Klar weiß ich nicht, ob er das schon immer konnte, aber trotzdem.

"Uff!", macht Niclas und lässt die Schultern hängen. Zu meinem Erstaunen wirkt er nun nachdenklich.

"Ich weiß nicht so recht, wie ich es anstellen soll", erkläre ich hilflos. "Und er ... ich weiß nicht, ob er das gleiche für mich fühlt, wie ich für ihn." Nach dieser Beichte schlägt mein Herz wie verrückt. "Ich habe das noch keinem gesagt, weiß du?"

"Hattest du schon mal einen Freund?" Ich schüttle den Kopf. "Keinen?!" Und wieder komme ich mir wie der größte Versager auf der Welt vor.

Ich rase unaufhaltsam auf die Vierzig zu und hatte noch nie einen Freund.

"Ich hatte vor einigen Jahren mal eine Freundin. Wir sind zusammen in der Berufsschule gewesen und es hatte sich damals so ergeben." Beschämt zucke ich mit den Schultern.

"Oh." Ja, oh. Mehr muss man dazu auch nicht sagen, fürchte ich.
 

Oben hantiert Heiko immer noch an den Tischen herum. Ich kann gar nicht genau erkennen, was er da eigentlich tut. Jedenfalls sieht er immer wieder zu uns rüber.

Ich werde von Niclas abermals am Arm berührt. "Wie heißt dein süßer Koch eigentlich?"

"Heiko", antworte ich ihm und richte meine Aufmerksamkeit wieder auf meinen Gesprächspartner.

"Heiko und Henning ... Wenn das mal nicht passt." Niclas grinst, was höchst ansteckend ist. Aber er hat recht. Es würde passen … "Und wenn du mich fragst, er wartet nur darauf, dass du den ersten Schritt tust." Was? Sicher nicht! … Oder …?

"Ich weiß nicht …", murmle ich und beobachte Heiko erneut.

"Aber ich. Und ich kenne mich damit aus." Das glaube ich ihm sogar. Er hat auf jeden Fall schon viel mehr Erfahrung in diesen Dingen sammeln dürfen, als ich. Was nicht heißt, dass ich noch eine Jungfrau wäre! Ein, zwei Gelegenheiten hatten sich in meinem Leben schon ergeben, um mit anderen Männern in Kontakt zu kommen. Zwar nicht hier, dafür aber in der Stadt, die ich damals häufiger besuchte. Ganz anonym und ohne Gefahr zu laufen, dass meine Eltern, oder jemand, den ich kenne, davon Wind bekommen.

Nur seit ich voll im Hotel mit eingebunden bin, ergeben sich solche Treffen nicht mehr. Und seit Heiko hier arbeitet … Andere Männer interessieren und reizen mich erst recht nicht mehr.
 

Doch was ist, wenn Niclas recht hat? Wenn er etwas sieht, für das ich all die Jahre über blind gewesen bin? Könnte Heiko tatsächlich mehr empfinden, als bloß eine seichte Freundschaft?

Ich meine, er berührt mich ständig, nicht wahr? 'Aber das kann doch gar nicht sein!' Ja aber wenn doch? Dann verpasse ich vielleicht die Chance, das zu haben, was Niclas und sein Partner haben. 'Und meine Eltern? Das Hotel? Unser Ansehen?' Und was ist mit mir? Mit meinem Leben? Will ich mich wirklich mein restliches Leben lang zusammennehmen, mich verleugnen und lieber einsam bleiben, nur um alle anderen glücklich zu machen?

Seit ich Niclas mit seinem Partner zusammen gesehen habe, wie glücklich die beiden zusammen sind, und wie wenig es ihnen auszumachen scheint, was andere vielleicht von ihrer Beziehung halten könnten, will ich genau das auch haben. Und falls Heiko eventuell genauso empfinden würde, wie ich für ihn, und nur darauf wartet, dass ich den ersten Schritt mache, so, wie Niclas es gesagt hat, dann wäre er sicher genauso unglücklich, wie ich es gerade bin. Der Gedanke macht mich schier wahnsinnig! Heiko soll nicht unglücklich sein!

"Und wie stelle ich das an?", frage ich Niclas schlussendlich und schaue in dessen Gesicht. "Wie mache ich den ersten Schritt?"

Niclas' Mundwinkel wandern nach oben und er sieht mich beinahe schon verschwörerisch an. "Lächle ihn an, berühre ihn ganz zufällig, komm ihm einfach nahe. Dann geht alles ganz von selbst. Garantiert", sagt er zu mir.

Hm … So einfach soll das sein?
 

Plötzlich wird mir bewusst, wie surreal das alles hier gerade ist. Ich stehe hier, an unserem kleinen mobilen Getränkestand und erzähle einem Wildfremden von meinen Gefühlen zu Heiko, der zudem denken muss, dass ich ein nichts könnendes Landei bin, dass Angst davor hat, sich zu outen, was ja auch stimmt.

Ich lache auf und schüttle über mich selbst den Kopf. "Ich fasse es nicht, dass ich Ihnen das alles erzähle. Es tut mir leid", entschuldige ich mich bei ihm.

"Aber warum denn? Ich habe doch nachgefragt. Und ich bin immer froh, wenn ich helfen kann." Er streckt mir die Hand entgegen. "Und bitte, ich heiße Niclas."

Ich ergreife die mir dargebotene Hand und drücke sie fest. "Henning."
 

Ich war anscheinend so abgelenkt von unserem Gespräch, dass ich gar nicht bemerkt habe, dass Heiko auf einmal hinter Niclas steht. Er räuspert sich lautstark und sieht mich mit einer Mischung aus Missmut und Neugier an.

"Henning? Deine Mutter möchte, dass du rein kommst", teilt er mir mit einem für ihn sehr untypischen rauen Tonfall mit.

"Oh ... Ist gut. Danke. Übernimmst du kurz den Stand?"

"Mit dem größten Vergnügen", brummt Heiko, sieht jedoch Niclas an. Und das sind keine freundlichen Blicke. Was hat er denn? Es wird doch nichts im Hotel passiert sein?

Ich beeile mich, um hinauf zum Hotel zu kommen und gehe sofort auf die Suche nach meiner Mutter. Da sie nicht an der Rezeption ist, vermute ich sie hinten im Büro. Doch dort ist sie auch nicht.

Wieder vorn frage ich Doris, die heute die Rezeption besetzt, wo meine Mutter ist. "Sie ist weggefahren", antwortet sie mir. "Kuchen ausliefern."

"Seit wann?", will ich wissen.

"Schon seit einer Stunde."

"Ach so … Danke." Ich marschiere wieder raus.

Heiko hat mich angelogen! Aber warum?
 

Unten am Stand stelle ich ihn sofort zur Rede und frage, was das eben sollte. "Sie ist gar nicht da?" Heiko tut unschuldig, schafft es aber nicht, mich dabei anzuschauen. Ein eindeutiges Anzeichen dafür, dass er lügt.

"Nein. Und das schon seit einer Stunde."

Heiko atmet tief ein. "Tut mir leid. Sie hatte es mir vorhin schon gesagt, aber ich hatte es vergessen." Geknickt beißt er sich auf die Unterlippe. Das lenkt mich so sehr ab, dass ich das Thema gut sein lasse. Jeder kann mal was vergessen oder verschwitzen.

"Na gut", seufze ich. "Dann geh du ruhig wieder hoch. Du musst doch sicher wieder in die Küche." Heiko nickt und macht mir Platz, damit ich mich wieder an den Stand stellen kann. "Bis später." Wieder ein Tätscheln seinerseits. Diesmal an meinem unteren Rücken.

"Hmhm", mache ich bloß und kämpfe die aufkommende Gänsehaut nieder.*
 

***
 

Tut er das wirklich nur aus Freundlichkeit? Oder ist das einfach seine Art? Doch je länger ich darüber nachdenke, wird mir bewusst, ich habe in all den Jahren noch kein einziges Mal erlebt, dass er das bei anderen gemacht hat. Weder bei meinen Eltern, noch bei Kollegen. Nur mich bedenkt er immer wieder mit kleinen Berührungen.

Mir wird ganz heiß, wenn ich daran denke, dass Niclas mit seiner Behauptung vielleicht Recht gehabt hat.

Wartet Heiko wirklich nur auf ein Zeichen von mir?

Seufzend fahre ich mir durchs Haar.

Inzwischen denke ich über nichts anderes mehr nach, außer an Niclas' Worte. Selbst die Angst, was passieren würde, erführe jemand von meinen Gefühlen, spüre ich nur noch am Rande. Ich muss es einfach wissen!
 

Ich klappe den Laptop zu und lasse die Buchhaltung, Buchhaltung sein. Eigentlich brauche ich die gar nicht zu machen, da sie meine Mutter sowieso immer nachkontrolliert (da ist sie ein kleiner Kontrollfreak). Hin und wieder mache ich sie aber ganz gern, besonders, wenn ich dem Trubel vorn im Hotel für ein, zwei Stunden entkommen kann. Natürlich nur, wenn vorn nicht allzu viel los ist.
 

Schräg gegenüber des kleinen Büros liegt die Küche, in der Heiko sicherlich inzwischen dabei ist, alles für morgen vorzubereiten.

Dem ist tatsächlich so, denn als ich die Küche betrete, steht er vor der großzügigen Arbeitsplatte und schält Kartoffeln. Er ist ganz allein. Als wolle das Schicksal mir helfen. "Brauchst du Hilfe?" Ich stelle mich neben Heiko und betrachte den Berg Kartoffeln, den er neben sich liegen hat.

"Geht schon. Du weißt doch, dass bei beim Gemüse putzen gut abschalten kann. Für mich ist das wie Meditation", lacht er und greift sich die nächste Erdfrucht.

"Also soll ich wieder gehen?" Ich kann nicht verhindern, dass ich mich leicht enttäuscht anhöre. Eigentlich hatte ich gehofft, dass wir ein wenig Zeit miteinander verbringen könnten, damit ich vielleicht, also nur, falls es sich ergibt, Niclas' Rat in die Tat umsetzen könnte. Oder zumindest weitere Anzeichen dafür zu finden, dass Niclas recht mit seiner Behauptung hat.

"Nein!", poltert Heiko, guckt mich dann jedoch nervös an. "Also du kannst ruhig bleiben … Wenn du möchtest."

Mag sein, dass ich mich irre, oder durch das Gespräch vorhin mit Niclas in verkehrte Bahnen denke, aber könnte es sein, dass Heiko erschrocken darüber war, dass ich wieder gehen wollte?

"Das heißt, du willst mich bei dir haben?" Diese Frage kostete mich einiges an Überwindung, könnt ihr mir glauben. Mein Herz schlägt mir bis zum Hals.

"Wenn du magst", wiederholt Heiko und lächelt mich scheu an. "Aber ich warne dich. Es warten noch Sellerie, Karotten und Lauch darauf, kleingeschnitten zu werden."

"Solange es keine Zwiebeln sind", grinse ich und schnappe mir ein Messer.
 

Zuerst arbeiten wir stumm nebeneinander her. Den ersten Schritt machen, meinte Niclas. Aber wie?

Ratlos schiele ich rüber zu Heiko, der fröhlich eine Kartoffel nach der anderen schält. Hm … Ich sehe ja selten kitschige Schmachtfilme, aber in denen, die ich gesehen habe, kommen sich die Charaktere immer dann näher, wenn sie zum Beispiel plötzlich unverhofft zusammenstoßen, oder sich ihre Hände ganz zufällig berühren. Der Griff in die Kartoffelschüssel wäre so eine Gelegenheit, um ihn zufällig zu berühren. Ob das klappt?

Ich beschließe, gar nicht lange darüber nachzudenken, sondern einfach zu handeln. Und als Heiko sich wieder eine Kartoffel nimmt, tue ich das gleiche. Nur, dass ich keine Kartoffel greife, sondern Heikos Hand.
 

Schon halte ich sie in meiner. Mein Herz rast davon und ich bin so nervös, dass ich am ihm liebsten nachrennen würde, doch das tue ich nicht. Nicht dieses Mal!

"Ups", hauche ich nervös und schaue Heiko an. Der studiert unsere Hände, als wären sie ein spannender Film. "Falsche Kartoffel", sage ich unbeholfen, lasse Heikos Hand jedoch noch nicht los. Nicht, bevor er mich nicht ebenfalls ansieht.

"Scheint so", erwidert er, grinst leicht und dreht endlich seinen Kopf zu mir. Seine Mundwinkel wandern langsam nach unten, seine Augen fixieren mich angespannt.

Was nun? In den Schnulzenfilmen sieht es immer so leicht aus. Die beiden ineinander Verliebten nähern sich wie durch Geisterhand langsam an und küssen sich schließlich. Wieso tun wir das nicht? Muss einer erst den Anfang machen? Folgt der andere dann automatisch?
 

So doof es sich anhören mach, aber Augen zu und durch. Ich probiere es einfach aus, denn wenn ich es jetzt nicht tue, und wieder Zeit zum Nachdenken habe, werde ich sicher nie wieder den Mut dazu haben.

Heikos Pupillen weiten sich sofort, als ich mich zu ihm beuge.

Das ist doch ein gutes Zeichen, oder?

Ich werde mutiger und lasse Heiko nicht aus den Augen.

Er bleibt bewegungslos. Oder kommt mir das nur so vor?

Ich bekomme einen leichten Panikanfall, doch für einen Rückzieher ist es bereits zu spät, fürchte ich. Und ich will auch gar keinen Rückzieher machen. Glaube ich …

Mit angehaltener Luft komme ich Heikos Gesicht immer näher. Dieser rührt sich immer noch nicht, sondern starrt einfach nur zurück. Ich kann seinem Blick nicht mehr stand halten, schlucke hart und dann landet meine Aufmerksamkeit auf Heikos Lippen. So verdammt nahe …

Kurz bevor ich sie mit meinen berühre, verliere ich sie aus dem Blick. Aber das macht nichts. Ich weiß, dass sie noch immer da sind. So verführerisch rosig. So weich und sicher auch himmlisch köstlich. Ganz wie all die Gerichte, die er kochen kann. Nein. Sogar noch besser. Darauf verwette ich alles, was ich habe.

Und dann, plötzlich, sind sie da. Hauchzart spüre ich sie sanft gegen meine Lippen drücken.
 

Keine Ahnung, was dann genau geschieht. Auf einmal sind wir dabei, uns zu küssen.

Und ich habe auch keine Ahnung, ob Heiko den Kuss erwidert. Ich bin viel zu aufgeregt, um das genau sagen zu können. Ich küsse gerade Heiko!

Oh Gott!

Aber er erwidert den Kuss nicht, oder? Oder doch? Tut er es? Küsst er mich zurück?

Scheiße, was tue ich hier gerade?!

Kommando zurück!

Abbruch!

ABBRUCH!
 

Als hätte mich ein elektrischer Stromschlag getroffen, weiche ich von Heiko zurück.

Erschrocken starren wir uns gegenseitig an. Keiner sagt was. Ich kann auch gar nichts sagen, auch wenn ich wüsste, was man in so einer Situation zu sagen hat. Meine Stimme ist weg. Mein Kopf wie leer gefegt. Ich kann nur Heiko anstarren und hoffen, dass er mir nicht gleich die Faust ins Gesicht donnert.

Dann schluckt er plötzlich, lächelt sichtlich verwirrt und … wendet sich wieder den Kartoffeln zu!

Was zum …?

Noch ehe ich weiter darüber nachdenken kann, murmle ich eine gehauchte Entschuldigung und suche das Weite. Nur raus hier!

Niclas! Ich muss sofort zu Niclas!
 

******
 

* Ahrg! Würdet ihr die zwei nicht auch am liebsten in einen kleinen Raum packen, ihnen einen Monatsvorrat Gleitgel hinterher werfen, und die Tür abschließen, damit die beiden endlich mal in die Pötte kommen? Oder besser gesagt: Dass sie endlich miteinander kommen xDDD
 

Wie es weitergeht, wird euch gleich Heiko erzählen ^^

Und wer wissen will, was Henning mit Nic besprochen hat, der kann das hier nachlesen:

mit Adultszenen: https://ssl.animexx.de/fanfiction/autor/723837/367487/1173601/default/#complete

ohne Adultszenen: https://ssl.animexx.de/fanfiction/autor/723837/367487/1173603/default/#complete
 

Bye, bye.

II. Brennende Hoffnung

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

II. Brennende Hoffnung (Ohne Adult)

Wie versprochen, jetzt darf mal Heiko ran. Also ans Erzählen. Nicht, was ihr wieder denkt :-P Obwohl … ran darf er ja wirklich bald, an seinen heißen Pagen xD
 


 

II. Brennende Hoffnung (Ohne Adult)
 

~Heiko~

Mir fällt das Gemüsemesser aus der Hand, das leise klappernd in die Schüssel mit den Kartoffelschalen landet. Egal. Das Zittern ist ohnehin so stark, dass ich mich damit wahrscheinlich nur schneiden würde, wenn ich weiter versuchen würde, die Kartoffeln zu schälen. Und es wird sogar noch stärker, als ich die zitternde Hand zu meinem Mund hebe und ihn mit Zeige- und Mittelfinger sachte berühre.

Hat Henning mich gerade wirklich … geküsst? Hat er? War das ein Traum, oder … Kann das sein?

Noch immer kann ich den unverwechselbaren Duft seines Aftershaves in der Luft ausmachen. Er ist hier gewesen. Also kein Traum.

Ich schaue rüber zu Küchentür, die noch immer offen steht. Henning ist weg. Geflüchtet.

Kein Wunder.
 

"Ich Idiot!" Frustriert schlage ich mit der Faust auf die silberne Arbeitsfläche. "Au!" Etwas zu fest. Dafür hat das Zittern aufgehört.

Zur Frustration gesellt sich nun auch noch Ärger. Fest knete ich meine schmerzende Hand, während ich mich umdrehe, mit dem Rücken gegen die Arbeitsfläche lehne und den Kopf hängen lasse. "Ich dämlicher Idiot." Wieso habe ich nichts getan?!

'Weil ich ein Trottel bin. Ein ängstlicher, feiger Trottel!'

Zugegeben. Hennings 'Attacke' kam auch ziemlich überraschend. Dennoch … Jede Reaktion von mir wäre besser gewesen, als weiter Kartoffeln zu schälen! "Wie kann man nur so blöd sein?", sage ich zu mir selbst und wische mir über das Gesicht, mit dem Ergebnis, dass jetzt Erde von den Kartoffeln daran klebt.

Seufzend laufe ich zur Spüle und wasche mir die Hände. Sie haben schon wieder angefangen zu zittern. 'Henning hat mich geküsst …' Ich kann es immer noch nicht fassen!
 

Endlich! Nach all den Jahren, in denen er mir so vehement aus dem Weg gegangen ist, dass ich schon befürchtet hatte, er hätte etwas von meinen Gefühlen ihm gegenüber gemerkt und würde mich deshalb meiden, passiert plötzlich DAS und ich versemmle alles!

Meine Augen fangen an zu brennen, was allerdings nicht am Wasser liegt, mit dem ich mir das Gesicht säubere. "Scheiße", hauche ich und drehe den Wasserhahn zu, ehe ich mir ein frisches Geschirrhandtuch gegen das Gesicht drücke. "Was mache ich denn jetzt?"
 

Ich atme ein paar Mal tief ein.

Ich muss weiter machen und das Mittagessen für morgen vorbereiten. Schließlich ist das mein Job. Mein Blick fällt auf die Kartoffeln, bleibt dann jedoch am Küchenmesser hängen, das Henning vor ein paar Minuten noch in der Hand gehalten hat. Keine Sekunde später liegt es in meiner. Nachdenklich schaue ich es an und befühle den Griff.

Normal hilft Henning nicht in der Küche aus. Erst recht nicht, wenn ich alleine am Arbeiten bin. Wie gesagt, eigentlich vermeidet er es länger in meiner Nähe zu sein. Erst vor ein paar Monaten konnte ich ihn das erste Mal dazu überreden, einen Filmabend mit mir zu verbringen. Davor hatte er immer irgendwelche Ausreden parat.

Ich dachte zuerst, die Ausreden seien ihm nach fünf Jahren endlich mal ausgegangen. Wieso sonst konnte er sich dazu herablassen, einen Abend mit mir zu verbringen, aber nach dem, was heute passiert ist … Könnte es sein, dass da doch was ist? Dass ich mir seine Blicke doch nicht eingebildet habe, weil ich mir einfach zu sehr wünsche, er könnte etwas für mich empfinden?

Wollte er deshalb ausgerechnet heute mir beim Kartoffelschälen helfen? Ich zucke innerlich zusammen und mir wird leicht schummrig. Hat er den Kuss etwa geplant?!
 

Noch immer starre ich das Messer in meiner Hand an. Für einen Außenstehenden muss das sicherlich ziemlich bekloppt aussehen. Massenmördermäßig. Dabei versuche ich doch nur meine Gedanken, und vor allem meine Gefühle zu sortieren und zu begreifen, was da eben abgegangen ist.

Aber so sehr ich auch grüble, ich kann es nicht begreifen. Ich komme nicht dahinter. Vor allem, weil ich mir keine Hoffnungen machen möchte. Nicht schon wieder. Weil mich das nur wieder hart auf den Boden der Tatsachen aufschlagen lassen würde, wie jedes Mal, wenn ich zu viel in Hennings Handlungen hineininterpretiere. Obwohl ich zugeben muss, einen Kuss kann man kaum falsch interpretieren, oder?

Also Scheiße ja! Ich mache mir wieder Hoffnung. Ob ich jetzt viel darüber nachdenke, oder nicht. Und wer kann mir das auch verübeln?
 

Hätte ich das nur vorher alles gewusst! Bevor ich hier angefangen habe zu Arbeiten. Ich hätte gleich mit offenen Karten spielen müssen. Auch wenn ich eine Abfuhr erteilt bekommen hätte. Das wäre immer noch besser gewesen, als das ständige Hoffen und Bangen, ob da nicht vielleicht doch was zwischen Henning und mir ist. Aber ich habe geschwiegen, abgewartet, mich vorsichtig an ihn herangetastet, und wurde mir immer unsicherer, während ich mich gleichzeitig immer mehr in unseren Junior-Chef verliebt habe.

Und jetzt stehe ich hier, verwirrt, mit einem Messer in der Hand und kann an nichts anderes mehr denken, als an den Kuss.

Dabei war ich mir anfangs so sicher mit meinen Gefühlen umgehen zu können. Auch wenn sie niemals erwidert werden würden … Wie falsch ich damit doch lag! Doch als ich es begriffen hatte, war es bereits zu spät.
 

***
 

Als ich Henning das erste Mal gegenüberstand … Mein Gott! Ich war auf der Stelle hin und weg von diesem Mann! 'Er ist die pure bayrische Versuchung!', dachte ich sofort. Mit seinem blonden Haar, den blauen Augen und seiner beeindruckenden Körpergröße. Dazu noch seine tiefe Stimme und der bayrische Akzent, dem ich noch nie widerstehen konnte … Aber ich mahnte mich zur Zurückhaltung. 'Das ist der Sohn deines Chefs! Bau keinen Mist!'
 

Ich mochte das kleine Hotel 'Zum Seeblick'* auf Anhieb. Nicht so wie die feinen Schuppen in der Stadt. Genau so einen Betrieb hatte ich damals gesucht, als ich beinahe an einem fast-Burnout zugrunde gegangen wäre. Hier wollte ich arbeiten, mich ausprobieren, ganz ohne den Druck eines Spitzenrestaurants im Nacken.

Gute Küche, auch mal deftige Küche, aber mit Klasse. Nicht nur für dicke Geldbeutel. Man kann auch gut Kochen, ohne viel dafür ausgeben zu müssen. Selbst mit frischen, regionalen Produkten. Und aus dem Vorstellungsgespräch mit dem Hotelinhaber ging genau das hervor. Ich war total happy, dass er mir gleich nach dem Probekochen die Stelle angeboten hatte. Und dann kam Henning um die Ecke.

Stilecht in Tracht und zum Anbeten!
 

Ich muss gestehen, es verschlug mir mehr als bloß die Sprache. Als er vor mir stand, die Hand nach mir ausstreckte und mich mit einem hinreißenden Lächeln und neugierigem Blick musterte, wurden meine Knie weich. So jemanden wie ihn hatte ich noch nie getroffen. Bis heute nicht. Henning ist und bleibt einmalig. Für mich wird es nie einen anderen geben …
 

Damals schimpfte ich mich einen notgeilen Idioten.

Mich in den Junior-Chef vergucken! Das konnte doch nur wieder mir passieren. Wäre nicht das erste Mal, dass ich was von jemanden wollte, mit dem ich zusammenarbeitete. Doch diesmal war es etwas völlig anderes. Keine bloße Schwärmerei. Mich hatte es wirklich nach kurzer Zeit total erwischt.

Anfangs verdrängte ich die Gefühle, die in mir aufkamen, jedes Mal, wenn Henning in meiner Nähe war. Ich flüchtete mich in die Arbeit, versuchte mir einzureden, dass Henning doch ein total langweiliger Typ ist, der tagein tagaus nur das Hotel im Kopf hatte. Außerdem hatte er damals eine Freundin. Ergo: Nicht schwul. Und dann, ich arbeitete noch nicht mal ein halbes Jahr im Hotel, ging seine Beziehung in die Brüche.

Henning schien das nicht großartig zu stören. Ganz im Gegenteil. Er wirkte … erleichtert. 'Das bilde ich mir nur wieder ein', sagte ich zu mir selbst. Wer ist schon erleichtert, wenn eine Beziehung gescheitert ist? Und da war sie das erste Mal. Die Hoffnung. Sie keimte in mir auf, bildete Wurzeln und fing an zu wachsen.
 

Ich wagte den ersten Versuch, mich Henning anzunähern. Wider aller Vernunft und trotz meines Bestrebens, mir vorzugaukeln, er sei ein totaler Langweiler. Das war er natürlich nicht und ich wusste, dass hinter seinem scheinbar kühlen Blick eine wahre Feuersbrunst brodelte, die nur darauf wartete, von mir freigelassen zu werden. Doch es kam ganz anders.

Ich blitzte bei Henning ab. Nicht nur einmal.

Selbstverständlich baggerte ich ihn nicht offen an. Ich versuchte zuerst, eine freundschaftliche Basis mit ihm aufzubauen. Fragte ihn nach Feierabend, ob wir nicht mal ein Bierchen zusammen trinken wollen. Wollte er nicht.

Einmal habe ich es so gedreht, dass Abends noch etwas vom Nachtisch über war. Ich weiß nicht mehr genau, was es war. Irgendwas mit Himbeeren und weißer Schokolade. Eine süße Versuchung. Hübsch auf einem kleinen Teller angerichtet.

Bewaffnet mit zwei Tellern klopfte ich also mit dem Fuß gegen die angelehnte Bürotür, die sofort aufschwang. Vorsichtig linste ich ins Büro, wo Henning am Schreibtisch saß. "Störe ich?"

"Hm?" Wie niedlich er aussah, als er leicht abwesend zu mir rüber geschaut hat. "Nein", erwiderte er. "Komm rein."

'Yes!', jubelte ich innerlich.

"Es ist noch was vom Nachtisch übrig", plauderte ich gleich darauf los und stürmte den Raum. "Hunger?" Ich glaube, ich sah ziemlich dämlich aus, wie ich, strahlend vom einen bis zum anderen Ohr, vor ihm stand und ihm einen der Teller vor die Nase hielt.

"Sieht lecker aus", meinte Henning und ich wurde mir immer sicherer, auf einem guten Weg zu sein.

"Es schmeckt auch lecker."

"Danke. Stell es einfach hier hin. Ich esse es später. Wenn ich hier fertig bin." Game over. Zu früh gefreut. Doch vielleicht ließ sich das Ruder nochmal herumreißen.

"Ich dachte, wir essen zusammen." Ich wedelte mit beiden Tellern.

"Oh … Ähm … Ein anderes Mal vielleicht", vertröstete er mich und brütete betont geschäftlich über das, was auch immer so ungemein Wichtiges auf dem Bildschirm des Laptops vor ihm zu sehen war.

"Schade", seufzte ich und stellte den Teller auf den Schreibtisch. "Dann einen schönen Abend noch und lass es dir schmecken."

"Danke. Dir auch."
 

Enttäuscht über diese weitere Abfuhr machte ich mich auf den Weg nach Hause, nachdem ich meinen leckeren Himbeernachtisch frustriert in die Biotonne gekloppt hatte. Ich schwor mir, nie wieder einen weiteren Versuch der Annäherung zu starten. Dass ich diesen Schwur nicht einhalten konnte, war mir natürlich bewusst. Aber im selbst in die Tasche lügen war ich schon immer einsame Spitze.

Bald schon versuchte ich es wieder, biss bei Henning abermals auf Granit, zog mich verzweifelt zurück, nur um wieder den nächsten Vorstoß zu wagen.
 

So ging es weiter. Und weiter. Bis, eines Nachmittags: "Henning?" Sehnsuchtsvoll legte ich ihm die Hand auf die Schulter, während er an der Rezeption die Reservierungen durchging.

"Heiko!" Er zuckte regelrecht zusammen, als ich mich bemerkte. Sofort zog ich meine Hand wieder zurück.

"Lust auf einen DVD Abend? Ich habe ein paar super Schnäppchen im Internet gemacht." Gelogen, aber irgendeinen Vorwand, ihn auf einen gemeinsamen Abend einzuladen, brauchte ich ja.

"Ähm …" Henning wurde auf der Stelle nervös, doch davon ließ ich mich nicht abschrecken. Falls er wirklich mitbekommen haben sollte, dass ich auf ihn stehe, und sich deshalb nicht mit mir treffen wollte, dann war das eben so. Aber ich würde nicht aufgeben, bis er mir das nicht selbst ins Gesicht sagen würde!

"Komm schon", redete ich auf ihn ein. "Ich arbeite schon so lange hier. Mit jedem habe ich schon mal was außerhalb der Arbeit unternommen, nur mit unserem Junior-Chef nicht." Mein Herz schlug schnell und hart gegen meine Brust. Ging ich zu weit?

"Ich kann nicht einfach weg …"

"Kein Ding. Wir können auch bei dir gucken. Hab alles dabei." Ich war vorbereitet. "Na los. Wir schnappen uns ein paar Flaschen Bier aus dem Keller und es kann los gehen. Knabberkram habe ich auch dabei." Henning sah mich merkwürdig an. Ängstlich, aber auch neugierig.

Ich bekam Panik, dass er mir gleich wieder eine Abfuhr erteilen würde, oder schlimmer noch, mir stecken würde, er wüsste Bescheid über meine Gefühle, doch nichts dergleichen geschah.

"Na gut", sagte er plötzlich. "Warum nicht?"

"Echt?" Ich konnte es kaum glauben!

Henning nickte. "Bis zwanzig Uhr dürfte ich hier fertig sein." Innerlich vollführte ich einen Freudentanz.

"Schön", erwiderte ich sachlich, grinste aber. "Ich freue mich schon."

"Hmhm." Henning lächelte schmal und widmete sich gleich wieder dem Reservierungsbuch.
 

Der Abend verlief … ereignislos.

Klar war er schön und ich freute mich riesig, auch nur in Hennings Nähe sein zu können. Aber insgeheim hatte ich mir schon etwas mehr erhofft, als bloß nebeneinander zu hocken und in die Glotze zu schauen.

Eigentlich dachte ich, wir könnten uns nebenbei endlich mal richtig miteinander unterhalten, uns näher kommen, eine Grundlage aufbauen, mit der wir eventuell, irgendwann, uns noch näher kommen könnten. Doch Pustekuchen. Als wären wir zwei Fremde, die zufällig im Kino nebeneinander sitzen. Zwar 'durfte' ich dann bei ihm übernachten, in seinem Gästezimmer auf einer Klappcouch, weil es dann doch ziemlich spät wurde, aber die Situation blieb weiterhin eher handwarm, statt knisternd heiß.

Dennoch versuchte ich das alles positiv zu sehen. Henning taute vielleicht nicht so schnell auf. Wobei nach fünf Jahren … Es war zum Mäuse melken!

Besonders, da nach diesem DVD Abend kein weiterer folgte. Henning wich mir nur noch mehr aus, was mich bei meiner Vermutung bestärkte, er könnte mitbekommen haben, dass ich etwas für ihn empfinde. Doch solange er nichts dazu sagte, wollte ich das auch nicht ansprechen. Noch nicht. Ich übte mich also weiter in Geduld, wartete und hoffte.

Und dann kamen sie.
 

Eigentlich sah ich es als Chance. Wie würde Henning auf das offen miteinander flirtende, schwule Pärchen reagieren? Es zeigte sich: Gar nicht. Er behandelte die beiden wie jeden anderen Gast.

Das beruhigte mich auf der einen Seite, auf der anderen ließ es mich jedoch nervös werden. War es ein gutes Zeichen, oder ein schlechtes?

Henning ist nicht gerade der gesprächigste Typ, wie ihr euch inzwischen sicher vorstellen könnt. Und erst recht niemand der über andere tratscht. Trotzdem hätte ich mir gewünscht, er würde das Thema irgendwie ansprechen. Aber nichts. Henning stürzte sich weiter in die Arbeit. So wie immer.

Ich war fast versucht, das ganze abzuhaken und weiter darauf zu hoffen, dass sich irgendwann eine Möglichkeit finden würde, mich Henning anzunähern, da passierte es. Einer des scheinbar so glücklichen Paares machte sich an Henning ran! An meinen unschuldigen, immer freundlichen Henning!
 

Mir knallten sämtliche Sicherungen raus, als ich sah, wie sich dieser Mistkäfer an Henning heranpirschte, der unbekümmert am Strand hinter dem Verkaufswagen stand, und Süßkram verkaufte.

Anfangs mahnte ich mich zur Ruhe, beobachtete aber alles skeptisch von der Terrasse aus. Mir doch egal, dass in der Küche noch Arbeit wartete.

Je länger ich die zwei beobachte, desto nervöser und wütender wurde ich. Der Kerl machte sich tatsächlich an Henning ran! Er flirtete ungeniert mit ihm, betatschte ihn sogar! "Jetzt reicht es!", knurrte ich, als ich es nicht mehr aushielt, und machte mich auf den Weg zum See.

Unterwegs ließ ich mir irgendeine Lüge einfallen, nur um Henning aus der Reichweite dieses Widerlings zu bekommen. Es klappte. Henning verschwand im Hotel, ich übernahm den Stand und 'kümmerte' mich um den unwillkommenen Gast.

Das der Kunde König ist, darauf habe ich diesmal geschissen. Ich versuchte erst gar nicht zu verbergen, was ich von diesem dreisten Typen hielt. Konnte ich auch nicht, denn er schmachtete so offensichtlich meinem Henning hinterher, dass ich ihm am liebsten meine Faust ins Gesicht gedonnert hätte.

"Schön habt ihr es hier", säuselte er, ehe er mich grinsend musterte. "Und was für eine tolle Aussicht …" Geifernd sah er Henning hinterher. Mir riss beinahe die Hutschnur.

"Ja. Wundervoll, nicht?", knurrte ich ihn an. "Und am schönsten ist die Aussicht, wenn man sie von der Ferne genießt." Ich hoffte, das war deutlich, doch der Typ lachte bloß.

"Nicht immer. Manchmal ist es auch schön, die Dinge anzufassen, die einem gefallen. ... Wie viel macht das?" Er deutete auf das Eis, dass er zuvor bei mir bestellt hatte. Ich hielt es schon in der Hand. Am liebsten hätte ich es zerquetscht … Aber es gab auch noch andere Möglichkeiten. "Drei Euro", verlangte ich von ihm.

"Ganz schön happig."

"Kannst ja auch in die Stadt fahren und dir eine Packung im Supermarkt holen. Da gibt es auch schöne Aussichten." Mit äußerster Befriedigung sah ich, wie diesem Typen die Gesichtszüge entgleisten. Leider fing er sich relativ schnell wieder.

"Warum so weit wegfahren, wenn man das, was man begehrt, genau vor der Nase hat? Ist schön blöd, wenn man sich nicht traut zuzuschnappen", haute er mir um die Ohren, knalle vier Euro auf die Geldschale und säuselte mir ein "stimmt so" zu. "Dann werde ich mal mein Eis vernaschen und auf meinen Schatz warten. Der darf mir dann danach den Tag versüßen", waren seine letzten Worte, bevor er sich endlich aus meinem Sichtfeld bewegte.
 

Irritiert blieb ich zurück.

Stimmt. Er hatte einen Freund. Aber warum machte er sich dann an Henning ran? Er war wohl einer der untreuen Sorte, was? Ekelhaft!

Na ja, das konnte mir ja eigentlich auch egal sein. Hauptsache, er startete keinen weiteren Versuch, sich an Henning ranschmeißen zu wollen. Falls er es doch nochmal wagen sollte, würde ich in der Nähe sein. 'Diesen Typen behalte ich im Auge.'
 

***
 

Dieser Vorfall ist noch keine 5 Stunden her.

Bis jetzt ist der Kerl weder Henning noch mir nochmal über den Weg gelaufen. Während ich in der Küche schuftete und zwischendurch mit im Service ausgeholfen habe, konnte ich Henning ganz gut im Blick behalten. Der dreiste Fremdgehertyp trieb sich irgendwo anders herum. Und Henning hatte zum Glück genug zu tun, als sich mit irgendwelchen Flirtereien abzugeben.

Gut so. Deshalb war ich auch relativ zufrieden, als ich mich an die Arbeit machte, das Gemüse für morgen kleinzuschneiden. Bis Henning auftauchte und alles durcheinander wirbelte.
 

Es machte mich leicht nervös, dass er mir plötzlich beim Kartoffelschälen helfen wollte. Nach dem Desaster mit dem Ablenkungsmanöver am Strand (ich hatte ihm gesagt, seine Mutter wolle etwas von ihm, damit ich ihn aus der Reichweite des Typen wegbekam), dachte ich, er wolle mich darauf ansprechen, warum ich ihn angelogen hatte. Inzwischen wusste er natürlich, dass seine Mutter gar nichts von ihm wollte.

Ich war schon dabei, mir zu überlegen, ob ich ihm die Wahrheit sagen, oder mir lieber eine Ausrede einfallen sollte, da fühlte ich auf einmal etwas an meiner Hand. Nein, nicht etwas. Hennings Hand hielt meine umfasst!
 

Regungslos und erschrocken starrte ich in die Kartoffelschüssel auf unsere Hände, die sich berührten.

"Ups. Falsche Kartoffel", flüsterte Henning. Ich musste schlucken, bekämpfte das dumpfe Kribbeln in meinen Gliedern und versuchte mir nicht anmerken zu lassen, wie sehr mich diese Berührung aufwühlte und mein Herz dazu brachte, wie ein eingesperrtes Vögelchen wild in seinem Käfig herumzuflattern.

"Scheint so", brabbelte ich verlegen grinsend, aus Mangel einer geistreicheren Antwort und schaute auf zu Henning.

Als ich ihm in die Augen sah, fiel das arme Vögelchen in meiner Brust fast tot von seiner Stange. Das Kribbeln kam zurück und mein Körper fühlte sich so an, als wolle er sich gleich in all seine Atome auflösen.

Was ich in Hennings Augen sah? Sehnsucht! 'Das bildest du dir ein!', redete ich mir ein. 'Mach dir nicht schon wieder Hoffnungen!'

Doch dann … Traute ich meinen Augen nicht!

'Beugt sich Henning gerade zu mir?' Ja! Das tat er! Es sah aus, als wolle er mich küssen!

'Schwachsinn! Das würde er doch niemals … Oh Gott!' Seine Lippen lagen auf meinen!
 

Versteinert stand ich da. Ich glaube, noch nicht mal mein Herz tat einen Schlag, so überrumpelt und erschrocken war ich. Die Zeit schien still zu stehen, zog sich scheinbar endlos dahin. Dennoch endete der Kuss so abrupt, dass ich kaum realisieren konnte, was da gerade geschehen war.

Wir starrten uns an. Man hätte eine Stecknadel fallen hören können. In meinem Kopf summte es laut und ich fühlte, wie meine Wangen heiß wurden. Die Situation überforderte mich. Ich wusste nicht, wie ich mich verhalten sollte. In meinem Kopf herrschte heilloses Durcheinander.

'Die Kartoffeln … Ich muss noch die Kartoffeln schälen.'
 

Ich weiß, ich bin ein Vollidiot! Ein totaler Versager! Ein feiger Hund, der nicht mehr ganz richtig tickt. Denn welcher normale Mensch würde einfach weiter Kartoffeln schälen, nachdem ihn sein Traummann endlich geküsst hat?

Eben. Keiner.

Und das bringt uns wieder hier her. In die Küche, in der ich seit fünf Jahren fast täglich arbeite. In der ich mich besser auskenne, als in meiner eigenen Wohnung, aber jetzt in diesem Moment, habe ich keine Ahnung, was ich tun soll.
 

Die Kartoffeln sind längst wieder vergessen. Auch der Rest des noch zu schneidenden Gemüses.

Seit Minuten starre ich rüber zur Küchentür und bete stumm, dass Henning wieder zurückkommt.

Ich muss es ihm sagen. Was ich für ihn empfinde, und dass mir das von eben leid tut. Also nicht der Kuss, sondern dass ich danach nicht gehandelt habe. Ihn nach dem Kuss einfach ignoriert habe, denn das habe ich, oder ihm zumindest nicht sofort hinterhergelaufen bin, um endlich alles zu klären. 'Ich Feigling.'

Aber das hat ab jetzt ein Ende! Ich muss wissen, was der Kuss zu bedeuten hat. Nur, wie stelle ich das an?

Ob ich Henning suchen soll? Ich ringe mit mir. Obwohl es wahrscheinlich das beste wäre. Jetzt liegt es an mir, den nächsten Schritt zu tun. Genau darauf habe ich doch so lange schon gewartet. 'Also los!'
 

Mit Schwung stoße ich mich von der Küchenzeile ab und halte mit großen Schritten auf die Küchentür zu, als "Henning!" Plötzlich steht er vor mir!

Wie vom Donner gerührt bleibe ich stehen. Keinen Meter von Henning entfernt, der draußen im Flur steht und mich ebenfalls überrascht anschaut. "Ich wollte dich gerade suchen", erkläre ich ihm und wappne mich innerlich auf das kommende Gespräch.

"Ich … ich wollte auch mit dir reden", sagt Henning, der spürbar nervös ist. Genau wie ich. Er senkt den Blick und scheint mit sich zu ringen. So wie ich kurz zuvor, ehe ich beschlossen habe, Henning aufzusuchen, um endlich reinen Tisch zu machen.

"Das wollte ich auch", entgegne ich und lächle ihn an. In der Hoffnung, uns beiden etwas Druck zu nehmen. Zu meiner Freude lächelt er ebenfalls.

"Wegen vorhin, also …"

"Es tut mir leid, dass ich …", reden wir gleichzeitig drauf los, halten dann aber inne und grinsen.

Ich atme tief ein. Das Gespräch wird vielleicht nicht leicht, aber so wie es aussieht, nicht halb so verkrampft, wie ich befürchtet hatte.
 

"Du zuerst", fordere ich ihn auf, weil ich endlich wissen will, wieso er mich plötzlich geküsst hat. Ich halte es vor Ungeduld und Neugier kaum noch aus. Die Hoffnung in mir wird immer größer.

'Hoffentlich lande ich nicht wieder auf dem Boden der Tatsachen.' Ich habe immer noch Angst davor, wieder enttäuscht zu werden. Aber vor allem davor, wie Henning reagieren wird, wenn ich ihm die Wahrheit beichte. Denn egal, was er gleich sagen wird, ich werde ihm meine Gefühle gestehen. Ich kann nicht länger so weiter machen, wie bisher.
 

Henning nickt und atmet tief ein. Er setzt dazu an, die Küche zu betreten, aber soweit kommt es nicht. Seine Mutter Agnes rauscht um die Ecke. In der Hand einen dicken Aktenordner. Oh oh.

"Ach hier bist du", spricht sie Henning an und bleibt neben ihm stehen. "Ich habe dich schon gesucht."

"Was ist denn?" Henning wendet sich seiner Mutter zu, die den Aktenordner öffnet und ihm darin anscheinend etwas zeigen möchte.

'Oh nein!' Muss das ausgerechnet jetzt sein?

Ungeduldig und zugegebenermaßen genervt beiße ich mir auf die Unterlippe und beobachte das Ganze angespannt.

"Ich habe die Zahlen des Kassenbestandes mit den Zahlen verglichen, die du in das Buchhaltungsprogramm eingegeben hast." Agnes tippt auf das aufgeschlagene Papier.

"Und?"

"Die stimmen nicht überein."

"Nicht?" Henning runzelt die Stirn. Ich seufze leise. Auch wenn Henning mit gerunzelter Stirn absolut hinreißend aussieht, will mich der Anblick nicht so recht erfreuen. Sieht so aus, als würde das Buchhaltungsproblem eine längere Angelegenheit werden.

"Nein", meint Agnes kopfschüttelnd. "Ich habe alles mehrfach geprüft, finde aber den Fehler nicht. Kannst du das nochmal mit mir zusammen durchgehen?"

"Jetzt?" Das hätte ich am liebsten auch gefragt. Wahrscheinlich hätte ich noch ein 'warum ausgerechnet' dran gehängt, aber nun gut. Die Kernaussage bleibt auch so bestehen.

Agnes sieht Henning an, als würde sie an seinem Verstand zweifeln. Wäre auch kein Wunder, falls sie das tatsächlich glauben würde, denn Henning widerspricht normal bei so etwas Wichtigem nicht. Business first. Das Hotel liegt Henning sehr am Herzen, was ihn in meinen Augen nur noch liebenswerter macht. "Natürlich jetzt. Das muss dringend zum Steuerberater."

"Ach so." Henning seufzt resigniert. "Okay dann …" Er deutet auf die Bürotür. Agnes schreitet geschäftig voran.

Ich traue mich nichts zu sagen, sondern schaue den beiden stumm nach. Als Henning die Bürotür schließt, sieht er mich nochmal an. Beinahe um Verzeihung bittend. Ich fange an zu lächeln. Er wirkt auf der Stelle erleichtert.

Die verschlossene Tür vor mir, sehe ich mich in der Küche um. "Und was jetzt?" Ich kann unmöglich nach Hause. Als ich die Schale mit den Kartoffelschalen erblicke, zucken meine Mundwinkel. "Kartoffeln schälen." Was auch sonst?
 

***
 

Ich ziehe den Stöpsel. Gurgelnd strömt das Spülwasser durch die kleinen Abflusslöcher. Jetzt nur noch abtrocknen, dann bin ich fertig für heute.

Ich schaue auf die Uhr. Schon ziemlich spät. Fast Mitternacht. Trotzdem ist hinter der Bürotür noch Licht zu sehen.

Henning und Agnes sind immer noch dem Fehler in der Kalkulation auf der Spur. Hoffentlich finden sie ihn bald!

Das Geschirr ist schnell abgetrocknet und an seinen Platz gestellt. Unschlüssig laufe ich in der Küche umher und werde dabei immer kribbeliger. Wann geht endlich diese beschissene Tür auf?!

Um mich weiter abzulenken, laufe ich zur Rezeption, schnappe mir dort einen Stift und einen kleinen Block, und marschiere wieder zurück in die Küche. Wenn ich schon zum Warten verdammt bin, kann ich die Zeit auch nutzen, und mir schon mal Gedanken um die Gerichte machen, die nächste Woche auf der Karte stehen werden. Etwas mit Kürbissen wäre nicht schlecht …
 

Ganz vertieft in meine Planung, bemerke ich erst, dass sich endlich diese dumme Bürotür öffnet, als sie schon wieder zu schlägt. Ich schaue auf, da entdeckt Agnes mich aber schon. "Oh. Heiko. Du arbeitest noch?"

"Ja", antworte ich ihr. "Ich wollte schon mal die Menükarte für nächste Woche fertig machen."

Agnes zieht die Augenbrauen zusammen. "Ich dachte, die wäre schon fertig? Die Lebensmittelbestellungen sind doch schon raus, oder irre ich mich?"

"Ähm ... Ach so!" Sie hat Recht! "Ja, das ist alles schon erledigt. Ich meinte, ich arbeite schon mal für übernächste Woche vor", rette ich mich. Menükarte für nächste oder übernächste Woche ... Ist doch egal.

"Schön", stahlt meine Chefin, die sich offensichtlich über meine spätabendliche Arbeitswut freut. "Aber mach nicht mehr so lange, ja?"

"Ich werde es versuchen", lächle ich sie an. "Gute Nacht."

"Wünsche ich dir auch." Sie nickt mir zu und zieht von dannen.
 

Als ihre Schritte verhalt sind, lasse ich den Stift fallen und durchschreite mit klopfenden Herzen die Küche. Ich bin noch nicht ganz an der Tür, da kommt Henning auch schon aus dem Büro gegenüber und löscht dort das Licht. Nur noch das kühle Licht der Küche erhellt den schmalen Flur.

"Du bist noch hier?" Henning sieht überrascht aus, als er mich entdeckt.

"Ich hatte noch zu tun", erkläre ich, trete mir dann allerdings mental in den Hintern. Keine Lügen mehr! Seufzend schüttle ich den Kopf. "Nein, hatte ich nicht. Ich habe auf dich gewartet."

Hennings blaue Augen weiten sich. "Du hast die ganze Zeit über auf mich gewartet?"

"Na wir wollten doch noch reden. Wegen … vorhin." Ich kann Hennings Gesichtsausdruck nicht wirklich deuten. Das verunsichert mich wieder. Dennoch bitte ich ihn in die Küche hinein.
 

"Der Kuss", fange ich an und blicke Henning geradewegs in die blauen Augen. "Ich ..." '... weiß nicht, wie ich beginnen soll.' Jetzt steht er endlich vor mir und mir versagen die Worte!

"Ja?" Henning mustert mich.

"Ich hätte ... '... ihn erwidern sollen!' "ihn gern erwidert", brabble ich meine Gedanken laut aus. Leider hören sie sich nicht mal halb so gut an, wie sie es zuvor in meinem Kopf getan haben. 'Sag doch einfach, dass du dich in ihn verliebt hast! Los!' Ich atme tief ein und halte Hennings durchdringenden Blick stand. "Henning, ich ..." Plötzlich scheint sich die Atmosphäre um uns herum zu verändern. Sie knistert und ich kann tatsächlich spüren, wie sich zwischen uns die Luft magnetisch auflädt.

Ich denke noch, dass das doch eigentlich nur in Filmen existiert und bin erstaunt, dass es so etwas anscheinend auch in der Wirklichkeit gibt, da schaltet mein Denkzentrum auch schon aus und mein Körper entwickelt ein Eigenleben.
 

Meine Hände greifen nach Hennings Hosenbund, ziehen ihn zu mir, während er ebenfalls nach mir greift, mich am Rücken packt und festhält.

Dabei schauen wir uns die ganze Zeit über in die Augen, versinken regelrecht ineinander, bevor wir gegeneinander prallen. Schon liegen unsere Lippen aufeinander.

Dieses Mal bleibe ich jedoch nicht erstarrt und erschrocken untätig vor Henning stehen. Ganz im Gegenteil.

Es ist, als würde sich alles, was sich in den letzten fünf Jahren angestaut hat, blitzartig entladen. All die Sehnsucht, die Hoffnung und die unterdrückten Gefühle. Ich klammere mich an den festen Körper vor mir, fühle die seidig warmen Lippen auf meinen und gerate völlig in Ekstase. Henning und ich knutschen! Ich kann es noch gar nicht richtig fassen!
 

Wir sind wie in einem Rausch, lassen Hände hektisch auf Wanderschaft gehen, schieben sie unter die Stoffschichten und erkunden dort die fremde Haut. 'Viel zu wenig! Ich brauche mehr!'

Henning, der wie immer bei der Arbeit stilecht Lederhosen mit Hosenträgern trägt, drängt mich fest gegen die Küchenzeile, während ich ihm eben jene Hosenträger von den breiten Schultern reiße. Danach sind die Knöpfe seines Hemdes dran. Keine Zeit, sie einzeln aus den Knopflöchern zu fummeln. Einige von ihnen landen leise klackernd auf dem Boden, was uns beide aber überhaupt nicht juckt.

Als ich die warme Haut seine Brust berühre, durchfährt es mich heiß. Ich stöhne leise auf. Oh Gott! Wie sehr habe ich mich hiernach gesehnt!

In der Zwischenzeit hat Henning mir meine Kochjacke bis zu den Armbeugen heruntergezogen. Ich mache kurzen Prozess mit ihr und schüttle sie eilig vollends von meinen Armen. Sie landet, wie Hennings Hemdknöpfe, auf dem Küchenboden. Danach ist mein Shirt dran.
 

Als auch dieses irgendwo in der Küche verschwindet, endet unser Kuss. Schwer atmend, schauen wir uns an. "Heiko ..." Hennings Blick huscht über meinen nackten Oberkörper, dann wieder hoch zu meinem Gesicht. Seine Augen leuchten glasig und sind dunkler, als normal. Er will das hier genauso sehr wie ich.

"Ich weiß", flüstere ich und greife zum wiederholten mal nach seinem Hosenbund. Doch nicht, um ihn wieder zu mir zu ziehen, sondern um dort die Knöpfe zu öffnen.

Hennings Bauch hebt und senkt sich schnell. Die feinen, goldenen Härchen unterhalb seines Bauchnabels bringen mich dazu, mir fest auf meine Unterlippe zu beißen. Verdammt sieht das sexy aus! Ich bin total gespannt, was mich am Ende der schmalen, verlockenden Straße erwartet.
 

Vorsichtig ziehe ich die beiden Hälften des Hosenverschlusses auseinander, fahre dann mit den Händen am Bund entlang bis zu den Seiten und schiebe die Hose anschließend langsam über Hennings Hüfte. Während der ganzen Prozedur bewegt er sich keinen Millimeter, mustert mich nur weiter eingehend mit seinen tiefblauen Augen. Unter seinem aufmerksamen Blick rutscht die kurze Lederhose samt Unterhose mit einem leisen Laut von seinen muskulösen Beinen.

Mein Herz rast davon.

Ich riskiere nur einen kurzen Blick, schlucke hart, und schaue schnell wieder auf.

Immer noch werde ich genaustens von Henning beobachtet.

Verunsichere ich ihn etwa gerade? Ich kann mir nicht helfen, aber ich glaube, das tue ich.

Mich würde es wahrscheinlich auch verunsichern, wenn ich nackt vor Henning stände und er, außer dumm aus der Wäsche gucken, nichts täte. Also ran an den Mann, Heiko! 'Oder .…'
 

Ich öffne meine Hose, gleiche Voraussetzungen schaffen. Weil sie etwas stramm sitzt, muss ich mit ein wenig mehr Nachdruck nachhelfen. Ich drehe mich also etwas zur Seite, bücke mich und zupple den Stoff über meine Waden. Jedoch, als ich mich wieder aufrichten möchte, spüre ich was an meinem Kopf. Hennings Hände haben sich auf meinen Hinterkopf gelegt!

Ich erstarre für einen kurzen Moment, denn just in dieser Sekunde wird mit klar, WO genau sich mein Kopf befindet.
 

Langsam drehe ich den Kopf schräg nach oben. Henning grinst mich frech an. Jedenfalls nehme ich das an, denn mir wird von etwas Bestimmten ein Teil der Sicht versperrt. Mir stiehlt sich ebenfalls ein Grinsen auf das Gesicht und meine Hose ist vergessen.

Kurzerhand gehe ich in die Knie und lege die Hände auf Hennings Oberschenkel. Dabei schlägt mein Herz so schnell, dass mir für einen Augenblick schwindelig wird. Das legt sich allerdings schnell wieder. Zurück bleibt das heftige kribbelnde Pochen in meinen Adern. Auch in meiner Lendengegend zieht es heiß.

Trotzdem hält mich etwas zurück, das zu tun, was ich mir all die Jahre über so oft sehnsuchtsvoll vorgestellt habe. Ich muss es ihm zuerst sagen!

Ich atme tief ein und schaue zu Henning hinauf. "Ich liebe dich."
 

Hennings Pupillen weiten sich. Er sieht überrascht aus. Keine Ahnung ob die Situation daran Schuld ist (ein Liebesgeständnis auf den Knien in eindeutiger Pose bekommt wohl nicht jeder), oder die Bedeutung der kleinen drei Worte an sich.

"Wirklich?" Seine Frage lässt mich schmunzeln.

"Oh ja! Und wie wirklich", entgegne ich lächelnd. Henning blinzelt, stimmt in mein Lächeln mit ein und schüttelt leicht den Kopf. Ich runzle die Stirn. "Was denn?" Stimmt was nicht?

"Später." Er geht ebenfalls vor mir auf die Knie, umfasst mein Gesicht und streichelt mit den Daumen über meine Wangenknochen. "Ich liebe Dich auch", erwidert Henning meine Liebeserklärung, versiegelt mir anschließend die Lippen und macht mich damit zum glücklichsten Menschen der Welt.
 

Anders als bei unserem Kuss zuvor, sind wir dieses mal nicht so stürmisch. Wir genießen es, uns zu spüren und zu schmecken.

Mal schmusen unsere Lippen zärtlich miteinander, mal saugen sie verspielt an denen des anderen, probieren uns aus, was uns immer wieder dazu bringt, leise zu kichern. Total albern! Ich weiß. Aber auch so unfassbar schön ...
 

*
 

"Wow", klaut er mir meinen Text.

Ich lache leise. "Bedeutet das, dass es dir gefallen hat?", ahme ich seine Frage vorhin nach.

Henning schmunzelt. "Mehr als das."

"Dann wiederholen das hier irgendwann nochmal?" Ich will ihn bloß ärgern, aber Henning scheint das nicht zu begreifen.

Er richtet sich auf und sieht mich mit seinen großen Hundeaugen verdutzt an. "Irgendwann?" Unfähig ihm zu antworten, ohne gleich anfangen müssen zu lachen, nicke ich einfach. Aber mein armer Henning bläst daraufhin übelst Trübsal. Eindeutig verschwendetes Blas-Potenzial. Das lässt sich wo anders viel besser einsetzen, wie ich inzwischen weiß.

Ich tätschle ihm die Wange. "Mit irgendwann meine ich heute Nacht, morgen früh, in der Mittagspause, heimlich während der Arbeit, Abends nach Feierabend, an unseren gemeinsamen freien Wochenenden, die du ab jetzt hoffentlich immer auf den selben Tag legen wirst, an den Feiertagen und an sonst jeder sich bietenden Möglichkeit", antworte ich ihm. Spätestens nach 'heimlich während der Arbeit' hat er es schließlich verstanden. Seine Mundwinkel, die stetig weiter nach oben gewandert sind, haben es mir verraten.

"Heißt das ...?"

"Genau das", unterbreche ich ihn. "Ich liebe dich." Nur nochmal zur Erinnerung. Henning kann des Öfteren leicht verstreut sein.
 

Nach einer weiteren wilden Knutscherei (sorry. Ich konnte meine Finger nicht von Henning lassen), beseitigen wir nun die Spuren der vergangenen Minuten, nachdem wir uns wieder unsere Hosen angezogen haben.

"Der Topf hat eine Delle", seufze ich, während ich den von mir, im Eifer des Gefechtes, heruntergefegten Topf begutachte. "Tut mir leid."

"Nicht schlimm", meint Henning. Er grinst immer noch vom einen bis zum anderen Ohr. "Ich bestelle dir morgen ein neues Set. Jedes, das du willst." Er knöpft sich sein Hemd zu.

Ich runzle die Stirn und stelle den Topf am seinen Platz. "Wie verlockend", entgegne ich. "Aber wir haben genug Töpfe."

"Ach so." Henning guckt wie ein Fisch auf dem Trockenen.

Kichernd laufe ich zu ihm und lege meine Arme um seinen Nacken. "Erwartet mich das ab jetzt? Ich bekomme lauter teure Kochutensilien, weil ich mit dem Chef schlafe?"

"Äh ... Ich dachte ... Ich wollte nur ..." Wie süß. Er stottert wieder. Das tut er immer, wenn er verunsichert ist. Das ist er oft. Auffallend oft in meiner Gegenwart.
 

Noch vor ein paar Stunden dachte ich, das käme davon, weil er ahnt, dass ich mich in ihn verliebt habe. Da habe ich mich aber anscheinend getäuscht. Ich habe mich schier in allem getäuscht. Na ja, bis auf meine gelegentlichen Ahnungen. Mit denen lag ich richtig, doch ich wollte ihnen einfach nicht glauben.

"Henning? Das war ein Scherz", kichere ich und tupfe ihm einen Kuss auf.

"Oh", macht er. "Aber falls du neue Töpfe brauchst, dann sag mir einfach Bescheid." Hat man da noch Worte?

"Da gäbe es tatsächlich etwas, das ich brauche", überlege ich.

"Ja? Und was?"

"Dein Bett."

"Hm?" Seine Stirn legt sich in Falten. Oh Henning! Bist du wirklich so schwer von Begriff? Das muss sich definitiv ändern. Aber das bekommen wir schon hin.

"In dein Bett. Wir beide. Jetzt", erleuchte ich ihn und schnappe mir seine Hand. Er folgt mir brav hinaus in den Flur, schweigt aber.

Auch, als wir das Hotel durch die Hintertür verlassen, den kleinen Weg entlang laufen, der hinauf zu Hennings kleinem Bauernhaus, das schräg hinter dem Hotel liegt, führt, bleibt er stumm.

Erst, als wir schon im Haus sind und vor der Treppe am Ende des Flurs stehen, die zu seinem Schlafzimmer im Dachgeschoss führt, findet er seine Worte wieder.

"Heiko?"

"Ja?" Ich ziehe ihn immer noch hinter mir her. Stufe um Stufe.

"Heißt das, dass du bei mir übernachten willst?"

Ich bleibe stehen und drehe mich zu ihm. "Danach sieht es aus, oder?", lache ich.

Henning atmet tief ein und lächelt leicht verschämt. "Sorry. Aber ich kann es immer noch nicht ganz glauben. Dass du und ich ..."

Da ich eine Stufe höher stehe als Henning, sind wir fast auf Augenhöhe, als ich meine Stirn gegen seine lege. "Das geht mir auch so", gestehe ich ihm. "Aber ich bin mir sicher, dass wir uns schnell daran gewöhnen werden." Henning stimmt in mein Lachen mit ein, ehe wir eiligen Schrittes die restlichen Stufen erklimmen und sein Schlafzimmer betreten.
 

******
 

Hach ja. Eigentlich sollte hier schon Ende stehen, aber ich will euch ihre erste gemeinsame Nacht nicht vorenthalten *gg*

Und danach steht das Outing vor Hennings Eltern an. Sofern dieser sich dazu überwinden kann ^^

III. Heißes Gericht

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

III. Heißes Gericht (Ohne Adult)

III. Heißes Gericht (Ohne Adult)
 

~Henning~

Mir schwirrt der Kopf. Unzählige Gedanken fliegen darin wild durcheinander, versuchen meine Aufmerksamkeit zu erlangen, doch ich kann sie nicht greifen, geschweige denn, mich auch nur auf einen von ihnen länger als eine Millisekunde lang konzentrieren.

Passiert das hier gerade wirklich, oder träume ich?

Das frage ich mich schon seit ich nach dem Gespräch mit Niclas in der Küche vor Heiko stand.

Ich wusste gar nicht, wie mir geschah. Die Stimmung zwischen uns war, wider meines Erwartens, richtig gut. Ich hätte mit allem gerechnet. Damit, dass Heiko mit dem Küchenmesser auf mich losgehen, oder mir sauer seine Kündigung um die Ohren hauen würde. Aber nichts dergleichen geschah. Im Gegenteil. Heiko lächelte mich an. 'Nic hatte Recht!', jubelte ich, doch dann ruinierte meine Mutter alles. Und das bloß, weil ich einen kleinen Fehler in die Buchhaltung reingehauen hatte. Selbstsabotage. Ich hätte mir in den Hintern treten können!

Ich befürchte schon, das Gespräch mit Heiko müsste bis morgen warten, aber zu meiner totalen Überraschung war er noch da. Stand in der Küche und wartete auf mich.

Was danach folgte, ist für mich immer noch nicht ganz greifbar. Der Kuss, die wilde Fummelei, der Blow Job …
 

"Henning? Kommst du?"

"Was?" Ich schrecke aus meinen Gedanken und schaue rüber zu Heiko. Der steht grinsend vor meiner Schlafzimmertür. Bloß in Unterwäsche und zum Anbeten heiß.

"Wir wollten doch Duschen. Du erinnerst dich?"

"Ähm ... ja! Natürlich." 'Duschen ... Mit Heiko.' Ein nervöses Kribbeln durchfährt mich.

Eigentlich schwachsinnig. Eine gemeinsame Dusche ist nichts mit dem, was wir noch vor wenigen Minuten drüben in der Küche miteinander getan haben. Dennoch werde ich diese Nervosität nicht los.

Vielleicht, weil ich immer noch Angst habe, dass hier könnte nicht real sein. Eventuell bin ich im Büro vor den Umsatzzahlen eingeschlafen. Könnte doch sein ...

"Henning?"

"Hm?"

Heiko runzelt die Stirn und fängt an zu lachen. "Also echt! Pennst du etwa schon?" Er kommt auf mich zu und nimmt meine Hand. Wie vorhin, nachdem wir ... "Du kannst jetzt aber noch nicht schlafen. Wir haben noch einiges vor heute Nacht." Heiko zwinkert mir vielsagend zu.

"Ich weiß", antworte ich ihm mit belegter Stimme. Seine Worte vorhin auf der Treppe waren eindeutig. Und auch die in der Küche. '... heute Nacht, morgen früh, in der Mittagspause, heimlich während der Arbeit, Abends nach Feierabend, an unseren gemeinsamen freien Wochenenden, die du ab jetzt hoffentlich immer auf den selben Tag legen wirst, an den Feiertagen und an sonst jeder sich bietenden Möglichkeit.' Das hörte sich doch echt nach ... nach etwas Festem an, oder?

Oh Mann! Ich wage es gar nicht, länger darüber nachzudenken! Das wäre zu schön ...

"Henning?"

"Ja?" Wir stehen im Badezimmer.

"Ausziehen."

"Hm?"

Heiko seufzt und sieht plötzlich besorgt aus. "Ist alles in Ordnung mit dir? Du wirkst zunehmend verstreuter."

"Nein! Alles bestens", erwidere ich hastig. "Es ist nur ... I-Ich bin ..." 'Herr Gott nochmal! Hör auf zu stottern du Idiot!'

"Okay. Verstehe", schmunzelt Heiko. "Anscheinend muss ich immer noch Überzeugungsarbeit leisten, hm?" Ich antworte nicht. Dass ich mich in seiner Gegenwart so bescheuert anstelle, ist mir unendlich peinlich.
 

Heikos Blick wandert runter und bleibt an meinem Schritt hängen. Ich folge ihm und bemerke, dass er schon längst seine Shorts ausgezogen hat. Wann ist denn das passiert?

Kommentarlos zieht er mir meine Unterhose über die Beine, bis sie an meinen Fußknöcheln zusammengesunken liegen bleibt. "Schaffst du den Rest allein?", fragt er mich anschließend mit einem frechen Unterton.

"Glaube ja."

"Gut." Heiko lächelt und betritt meine großzügige Dusche.

Entrückt beobachte ich ihn dabei, wie er die Brause anstellt und mit der Hand die Temperatur testet. Sie scheint akzeptabel zu sein, denn er stellt sich kurz danach unter den Strahl. "Kommst du endlich?" Er hält mir seine Hand hin.

Anstatt sie zu ergreifen, betrete ich die Dusche, stelle ich mich dicht vor ihn und lege meine Hände auf seine Taille. Heiko lächelt mich an und schlingt die Arme um meinen Nacken.

"Wieder wach?" Heikos Augen funkeln vergnügt. Ich nicke, ziehe ihn enger an mich und habe endlich das Gefühl, wieder ganz bei mir zu sein.
 

Erst jetzt wird mir richtig bewusst, dass ich Heiko wirklich in meinen Armen halte. Seine Wärme spüre, seinen festen Körper, die weiche Haut … 'So unglaublich schön fühlt sich kein Traum an.' Ich spreche da aus Erfahrung.

Mein Herz schlägt schneller und ein warmes Prickeln erfüllt meinen Körper. "Ich liebe dich. Schon so lange", flüstere ich. Gerade so laut, dass man es über das Rauschen des Wassers hinweg hören kann.

"Wie lange denn schon?", möchte er wissen und küsst mich sanft auf den Mundwinkel.

"Seit Ewigkeiten." Und noch viel länger ...

"Das ist aber lang", gluckst er. "Fast so lang, wie ich dich schon liebe. Mindestens."

"Ah ja?", grinse ich.

"Hmhm."

"Und wieso weiß ich erst jetzt davon?"

"Das Gleiche könnte ich dich auch fragen."

"Touché." Ich lächle dünn. "Ich hatte Angst vor deiner Reaktion."

"Ging mir auch so. ... Chef", erwidert Heiko.

Bei dem Wort Chef schüttle ich lachend den Kopf. Doch dann werde ich wieder ernster. 'Chef ... Das werde ich vielleicht nicht mehr lange sein, wenn meine Eltern hiervon erfahren.' "Das Hotel ..."

"Was ist damit?" Heiko mustert mich interessiert.

"Ich will es nicht verlieren", antworte ich und versuche den dicken Klos in meinem Hals runter zu schlucken. "Meine Eltern ... Sie wissen nicht, dass ..." Weiter komme ich nicht. Der Klos gewinnt.
 

~Heiko~

Hennings Blick wirkt verloren. Verloren und voller Angst.

Ich muss nicht lange herumrätseln, was er mit 'verlieren' und 'sie wissen nicht' meint. "Sie wissen nicht, dass du schwul bist." Er nickt schwach. "Wolltest du deshalb nie was mit mir unternehmen und bist mir aus dem Weg gegangen?"

"Auch." Langsam ergibt alles ein klares Bild. Eins, das ich nur zu gut kenne.
 

Ich hatte selbst an meinem Outing zu knabbern. Meine Eltern reagierten zwar nicht begeistert, hielten aber zu mir. Was man vom Großteil meiner restlichen Familie nicht sagen konnte.

Es ist schwer für mich gewesen. Teilweise immer noch, weshalb ich meine Sexualität auch weitgehend unter Verschluss halte. Geht ja auch so gut wie niemanden was an.

Aus diesem Grund kann ich mir auch relativ gut vorstellen, wie es Henning gehen muss. Ein Outing könnte für ihn bedeuten, alles zu verlieren. Seine Familie, seine Arbeit, sein Zuhause.

Ich mag gar nicht wissen, wie schlecht er sich all die Zeit über gefühlt haben muss. Mir ging es ja allein schon vor lauter Liebeskummer zeitweise total dreckig, aber bei Henning hängt da noch viel mehr dran. Er muss sich total verlassen gefühlt haben. Er tut mir so leid ... Zeit, ihn auf andere Gedanken zu bringen. Wenigstens für heute Nacht.
 

Ich umarme ihn fest und kraule durch das nasse Haar an seinem Hinterkopf. "Lass uns morgen darüber reden, wenn du willst", flüstere ich.

"Okay."

"Heute Nacht gibt es nur uns."

Zärtlich schmuse ich mit dem Mund an Hennings Ohr entlang. Am Ohrläppchen halte ich inne, nehme es zwischen meine Lippen und sauge sachte dran. Henning seufzt und legt den Kopf schief, genießt einfach nur. Sehr gut. Genau das, was ich beabsichtigt habe.

Langsam streichle ich mit den Händen auf Hennings Körper umher. Nach einer Weile nehme ich Duschgel dazu und verteile es auf seiner Haut. Der Duft von süßen Früchten erfüllt die Kabine.

"Darf ich auch?"

"Logisch", grinse ich und reiche ihm die Flasche.
 

Hennings Lippen suchen meine. Blind taste ich nach dem Wasserhahn und stelle ihn aus. So lässt es sich besser einschäumen. Ganz zu schweigen vom Atmen. Beim Küssen Wasser in die Lunge zu bekommen heizt die Stimmung nicht gerade weiter an.

Überrascht fahre ich zusammen, denn Henning hat plötzlich meinen Hintern umfasst und packt ihn fest. "Zu fest?"

"Nein", keuche ich ihm gegen die längst angeschwollenen Lippen. "Mehr davon!" Henning lacht.

Ich dagegen lasse ihn spüren, wie heiß mich seine Knetkünste machen, und reibe meinen Schritt gegen seinen, wo ich wiederum auch so einiges spüren kann.
 

***
 

~Heiko~

"Ich glaube, so sauber war ich noch nie", grinse ich und steige, so wie Gott mich schuf, in Hennings Bett.

Dieser steht an dessen Fußende und rubbelt sich noch fix die Haare trocken. "Muss mir das jetzt zu denken geben?"

"Muss es nicht. Damit wollte ich nur andeuten, wie überaus gründlich du an manchen Stellen warst." Sehr, sehr gründlich ...

"Ist das eine Beschwerde? Wenn ich mich recht erinnere, wolltest du das doch."

Ich grinse Henning süffisant an. "Das einzige, worüber ich mich beschweren könnte, wäre, dass du so schnell damit aufgehört hast." Ich war schon wieder so kurz davor gewesen! Mein Hintern bettelt immer noch nach Hennings Finger.

"Wer sagt denn, dass ich nicht gleich damit weiter machen will?", säuselt mein süßer Henning, wirft das Handtuch von sich und läuft um das Bett herum.

"Dann komm endlich her", wispere ich und greife mit meiner freien Hand nach seiner Hüfte. Endlich liegt er neben mir.
 

Ich rücke dichter an ihn. Unsere Lippen finden sich blind und tanzen wild miteinander, während ich mein linkes Bein zwischen seine schiebe. Henning gibt ein tiefes Brummen von sich, schlingt seine Arme um meinem Rücken und rollt sich stürmisch auf mich.

Ich winde mich leicht unter ihm, bis ich mit beiden Beinen seinen Hintern in die Zange nehmen kann. "Hab ich dich endlich da, wo ich dich haben wollte", kichere ich und klaube mir einen weiteren Kuss.

"So so", sagt Henning. "Hinterhältiges Aas."

"Daran wirst du dich gewöhnen müssen."

"Nichts lieber als das." Henning gibt ein hinreißendes Lachen von sich, das mein Herz für ein paar Takte aus den Rhythmus geraten lässt.
 

~Henning~

Heikos Augen strahlen mich glücklich an.

Sanft fahre ich mit dem Daumen an Heikos Kinn entlang. Er steckt es mir einladend entgegen, wobei mein Daumen an seinem Hals entlang rutscht. Ich kann feine Bartstoppel fühlen. Wie es sich wohl anfühlt, sie mit der Zunge zu berühren? Probieren wir es doch einfach aus.

Heiko lacht leise, steckt seinen Kopf noch höher und vergräbt die Finger in meinen Haaren. Ich kann das Duschgel schmecken und auch riechen. Aber auch noch etwas anderes. Etwas herb-männliches. Mein Puls jagt höher.

Vorsichtig kratze ich mit den Zähnen über die Haut. Heiko keucht und biegt sich mir entgegen. Seine Finger zupfen an meinen Haaren und seine Beine, die halb auf meinem Hintern liegen, pressen sich fester an mich.

Ich bin so verdammt spitz, dass ich mich kaum noch zügeln kann. Ich muss all meine Willenskraft zusammenfegen, um wenigstens eine Hand von Heiko loszubekommen, um unter das Kissen greifen zu können. 'Wo hab ich es nur ...? Da!' Gleitgel hätten wir schon mal. Fehlen nur noch die "Kondome."

"Was?" Heiko knabbert an meinem linken Ohrläppchen.

"Die Kondome. Ich hab sie nicht hier."

"Und?", seufzt mein spitzer Spitzenkoch und taucht mit der Zunge in mein Ohr.

Erschrocken keuche ich auf und schüttle die freche Zunge ab. "Die liegen im Badezimmer. Einer von uns muss aufstehen und sie holen", erkläre ich unser Dilemma.

"Oh." Ich werde schräg grinsend gemustert. "Wer bunkert denn Gummis im Bad?"

"Ich", blaffe ich, sauer auf mich selbst. "Bin gleich wieder da", verspreche ich und klettere von Heiko runter.

'Soviel zum Thema sofort zustoßen.' Aber wer konnte schon ahnen, dass DAS heute passiert?
 

~Heiko~

Eigentlich hätte ich Henning, als Junior Chef eines Restaurants, mehr organisatorisches Talent zugetraut. "Gummis im Bad", kichere ich und räkle mich ein wenig auf der weichen Bettdecke. Gemütlich. Daran könnte ich mich echt gewöhnen.

Andererseits könnte dies auch bedeuten, Henning hatte schon länger keinen Herrenbesuch. Oder aber, dass er nur auswärts Männer trifft. 'Wäre auch nur logisch ...'

"Fuck!" Ich will nicht über sowas nachdenken! Es ist schwachsinnig und vor allem total bescheuert, sich darüber Gedanken zu machen. Schließlich war er Single und hatte jedes Recht dazu, sich mit anderen ...

"Hab sie!" Henning kommt zurück und klettert eilig wieder zu mir ins Bett. "Sind aber letzten Monat abgelaufen", meint er nachdenklich und begutachtet die Packung. "Meinst du, das ist schlimm?" Fragend sieht er mich an.

Ich mustere die Packung. Noch ungeöffnet. 'Ungeöffnet und das Mindesthaltbarkeitsdatum ist abgelaufen.' Ich hasse es, es zuzugeben, aber das beruhigt mich. "Wann hast du die denn gekauft?", mag ich von Henning wissen und klaube mir die Packung. Extra feucht in allen Regenbogenfarben. Sehr nett.

"Weiß nicht mehr." Er zuckt mit den Schultern. "Hab länger keine gebraucht." Mein Herz schlägt schneller.

"Wie lange?", hake ich auch schon nach, ohne darüber nachzudenken. Wieder ein Schulterzucken und ein beschämter Blick nach unten. "Also schon seit Ewigkeiten?" Er nickt schwach. "Hm. Abgelaufene Kondome sollte man nicht mehr benutzen." Klare Sache. Die Dinger können trocken sein und reißen. Selbst die extra feuchten.

Henning wirft die Packung seufzend über Bord. "Und jetzt?"

"Durchsuche ich meinen Geldbeutel", beantworte ich seine Frage und quäle mich aus dem Bett. "Normal habe ich immer eins dabei."

"Okay ..." Henning sieht mich merkwürdig an.

"Was denn?" Eigentlich muss ich gar nicht fragen. Wetten, er denk über das Gleiche nach, wie ich eben?

"Nichts", beteuert er, was ich ihm allerdings nicht abkaufe.

"Okay ...", ahme ich ihn nach, bevor nun auch ich zurück ins Badezimmer gehe, wo noch meine Hose liegt.
 

~Henning~

Wieso hat Heiko immer Kondome dabei? Bedeutet das, er hat Sex mit anderen Kerlen?

Okay, okay. Daran ist nichts Verwerfliches. Schließlich ist er Single. Trotzdem ... Es zerrt an meinen Nerven. Ich mag es mir gar nicht vorstellen!

"Tada!" Heiko ist wieder da. "Und es ist noch haltbar", lacht er, setzt sich auf das Bett und übergibt es mir.

"Wie praktisch", brumme ich. "Immer einsatzbereit." Für den Satz sollte ich mich gleich selbst Ohrfeigen. Besonders, weil Heiko nun den Kopf schräg legt und mich stirnrunzelnd anschaut.

"Das musste ich", sagt er. "Es hätte ja jederzeit passieren können."

"Was hätte passieren können?" Mein Bauch fühlt sich komisch an. Ich will die Antwort eigentlich gar nicht wissen!

"Na das hier", grinst Heiko und wirft sich der Länge nach auf mich.

Mit einem leisem "Uff" fange ich ihn auf.

Immer noch grinsend bleibt er auf mir liegen. "Sag jetzt nicht, du dachtest, ich würde wild durch die Gegend vögeln", kichert er.

"Nein! Also ... Ich ... ich fand es nur ... irgendwie ... komisch." Innerlich schimpfe ich mich einen Idioten. Was quassle ich denn da schon wieder?

"Genauso komisch wie Kondome im Badezimmer zu lagern?"

"Äh ..."

Heiko biegt sich vor lachen. "Wie kann es nur sein, dass wir beide ständig das Selbe zu denken und zu fühlen scheinen, und trotzdem jetzt erst zusammenfinden?"

"Äh ..." Zu einer geistreicheren Antwort bin ich anscheinend nicht fähig.
 

Heiko schmunzelt immer noch, als er wieder von mir runter rollt und sich mir seitlich zugewandt hinlegt. Seine Hand berührt hauchzart meine Brust, streichelt sie langsam. "Das letzte Mal, dass ich mit einem anderen Mann Sex hatte, war Fasching vor zwei Jahren", gesteht er mir plötzlich. "Ich war sternhagelvoll, unglücklich verliebt in dich und auf einmal stand ich mit heruntergelassener Hose in der Toilette des Gemeindezentrums." Mir klappt fast die Kinnlade runter.

"Im Gemeindezentrum?! Kenne ich ihn?"

"Weiß nicht." Heiko zuckt mit den Schultern. "Und ich habe auch nicht die geringste Ahnung wer er war. Erstens sah ich ihn die meiste Zeit über nur von Hinten und zweitens hatte er ein Hundekostüm an."

"Ein Hundekos... Bitte?"

"Ja", lacht Heiko. "Aber keine Sorge. Ich war ein Gorilla."

Jetzt klappt mir doch der Kiefer nach unten. Sich das vorzustellen ... Ein Hund und ein Gorilla auf der Toilette des Gemeindezentrums ... Ich breche in lautes Gelächter aus.
 

Nach unserer Lachattacke, drehe ich mich zu Heiko, der noch leise kichert. "Unglücklich verliebt ...", überlege ich laut und fahre mit den Finger durch Heikos Haar. Es ist immer noch leicht feucht. "Hätte ich das nur gewusst."

"Dann wärst du im Hundekostüm auf der Party erschienen?"*

"Zum Beispiel", lache ich. "Nein. Mal im Ernst." Ich ziehe Heiko dichter an mich. "Hätte ich das eher gewusst, hätte ich dir schon viel eher beim Kartoffel schälen geholfen."

"Das hätte mich sehr gefreut", säuselt Heiko. "Dann hätte ich öfter früher Feierabend machen können." Mein gegenüber grinst sich einen ab.

"Ich geb dir gleich Feierabend!" Attacke!
 

~Heiko~

Henning wälzt sich auf mich.

Lachend zapple ich unter ihm halbherzig herum. 'Wehre' mich, gegen diesen fiesen Angriff.

"Gnade!", giggle ich. "Bitte Henning!"

"Was bekomme ich dafür?", möchte er von mir wissen, ungeachtet meiner Versuche, meine Hände aus seinem Griff zu befreien.

"Mich", antworte ich knapp und hebe meine Hüfte an. "Nur mich. … Oder reicht dir das noch nicht?"

Hennings Blick wird für wenige Sekunden lang gläsern. "Mehr wollte ich nie", wispert er und küsst mich stürmisch. Endlich machen wir dort weiter, wo wir vorhin unterbrechen mussten.
 

***
 

~Heiko~

Ich seufze glücklich.

Mein Puls hat sich wieder gefangen. Das Rauschen in meinen Ohren und das wundervolle Gefühl des dahingleitens sind abgeklungen. Zurück bleibt nur das zufriedene und glückliche flauschige Gefühl, in den Armen des Mannes zu liegen, den man liebt.

Ich seufze ein weiteres mal.

Hennings Arm hat sich um meine Brust gelegt. Seine Atmung, die ich ganz genau an meinem Rücken ausmachen kann, ist ebenfalls ruhig und gleichmäßig. Schlafen tut er jedoch noch nicht. Das beweist mir sein Daumen, der mir stetig über den Handrücken streichelt. Noch immer halten sich unsere Hände umschlossen.
 

"Henning?" Obwohl ich leise spreche, kommt mir meine Stimme viel zu laut vor. Als würde sie uns aus unserem zuckersüßen Zustand herauskatapultieren wollen. Schaffen tun sie dies nicht.

"Hm?" Bei Hennings müdem Brummen gleitet mir ein Grinsen über die Lippen.

"Ich glaube, ich kann noch nicht einschlafen." Auch wenn mein Körper daliegt wie erschlagen, mein Kopf ist hellwach. Ausmachen tut mir das nichts. Im Gegenteil. Ich finde es schön und will das Zusammensein genießen, alles in mich aufsaugen.

"Geht mir auch so", nuschelt mein bayrischer Spatz.

So bequem es auch ist, so angekuschelt an Henning dazuliegen, ich lasse seine Hand los und drehe mich zu ihm um.

Nur die kleine Nachttischlampe hinter Henning sorgt für Licht. Trotzdem sehe ich genug von meinem Spatz.

Er lächelt, hat die Augen jedoch geschlossen. Ich küsse seine Nasenspitze, was ihm sofort mehr Leben einhaucht. "Hey", grummelt er müde und öffnet die Augen. Na ja. Mehr oder weniger. Seine Pupillen kann man nur erahnen.

"Ich liebe dich." Ich kann es nicht oft genug sagen.

Die Sonne geht auf. Direkt auf Hennings Gesicht. "Ich liebe dich auch", strahlt er mir entgegen und zeigt mir endlich seine wunderschönen blauen Augen.
 

Das vorhin noch stürmische Meeresblau ist wieder dem des Blau eines ruhigen Sommertages gewichen. Dennoch kann ich immer noch kleine Reste des Sturms ausmachen. Mein armes Herz beginnt schon wieder aufgeregt zu schlagen.

"Ich will noch nicht schlafen", gestehe ich ihm. "Kann ich dich was fragen?"

"Klar."

Es gibt etwas, das frage ich mich schon seit vorhin. "Warum heute?" Wissbegierig schaue ich Henning an. "Warum hast du dich ausgerechnet heute getraut, mich zu küssen?" Henning blickt fragend drein. "Das soll jetzt keine Beschwerde sein!", wiegle ich sofort ab. "Ich meine, sowas ähnliches könntest du mich ja auch fragen, es ist nur, nach all der Zeit ... Wieso hattest du heute den Mut dazu?"

Hennings Augenbrauen ziehen sich nach oben. Dann fängt er an, und schmunzelt leise. "Weil mir endlich jemand die Augen geöffnet hat", erwidert er.

"Wer?" Er mit jemandem darüber gesprochen?
 

~Henning~

Heiko wirkt skeptisch. Aber auch neugierig. Ich setze zu einer Antwort an, halte aber inne, bevor ich auch nur einen Ton von mir gebe, und überlege. Nicht allzu lange. Trotzdem scheint Heiko gleich vor Neugier platzen zu wollen.

"Willst du die ganze Geschichte hören?"

"Ja. Würde ich gern", meint er.

"Gut", nicke ich, ziehe Heiko an mich und suche nach der Bettdecke, um sie über uns zu ziehen.
 

Es sprudelt nur so aus mir heraus. Ich erzähle ihm alles von Anfang an. Wie ich mich bei unserer ersten Begegnung gefühlt habe. Die Angst davor, meinen Eltern zu sagen, dass mich Frauen kein Stück interessieren und ich niemals einen Nachfolger für unser Hotel zeugen werde. Selbst von meiner Exfreundin erzähle ich ihm. Und zu guter Letzt auch von Niclas und seinem Partner. Dass ich so verdammt neidisch auf das war, was sie haben. Und dass Niclas es war, der mir endlich die Augen geöffnet, und mir gezeigt hat, dass ich vielleicht doch nicht ganz alleine dastehe, mit meinen Gefühlen gegenüber Heiko.

"Nicht vielleicht", sagt jener, der mir bis jetzt kommentarlos und schweigsam zugehört hat.

"Na das wusste ich bis heute Nachmittag ja noch nicht sicher."

"Aber jetzt weißt du es."

"Hmhm", mache ich glücklich und erwidere Heikos Kuss. Leider ist er viel zu kurz, aber vom Dauerknutschen sind unsere Lippen sowieso schon arg überbeansprucht.

"Falls es dich beruhigt, von mir aus braucht das zwischen uns niemand erfahren." Heiko lächelt mich aufmunternd an.

Dieser Satz hinterlässt einen bitteren Nachgeschmack bei mir. Nic und Meilo kommen mir in den Sinn. Sie verstecken sich nicht ... 'Und ich will mich auch nicht verstecken!' Leichter gesagt, als getan. Allerdings steht nicht nur für mich etwas auf dem Spiel, wenn ich meinen Eltern reinen Wein einschenke. "Du könntest deine Arbeit verlieren", überlege ich laut.

"Das wäre schade", meint Heiko. "Aber das würde ich schon überleben. Bei dir wäre das anders." Sein ernster Blick bringt mich zum seufzen.

"Das ist mir zu viel Nachdenken für diese Uhrzeit." Müde verberge ich mein Gesicht in Heikos Halsbeuge. Seine Hand schiebt sich in mein Haar. Das fühlt sich so schön an ...

"Du hast sicher schon zu genüge darüber nachgedacht, hm?"

Ich nicke. "Aber da war die Ausgangssituation noch ganz anders."

"Inwiefern?", möchte mein heißgeliebter Koch wissen. Seine Stimme verrät, dass er am Grinsen ist.

"Da hatte ich dich noch nicht."

"Oh du hattest mich schon!", lacht er und legt mein Gesicht wieder frei. "Du hattest mich schon immer. Nur wusstest du das noch nicht." Scheiß auf die überbeanspruchten Lippen! Dieser Mann muss einfach geküsst werden!

Stundenlang ...
 

***
 

~Heiko~

"Guten Morgen Sonnenschein." Ich glaube, mein breites Lächeln reicht gerade vom einen bis zum anderen Ohr, als ich auf Henning nieder blicke und seine Brust kraule, während dieser langsam aus dem Reich der Träume gleitet.

"Morgen? Wie spät isses?" Wie herrlich er aussieht! Total zerknautscht und seine Augen sind noch gar nicht richtig offen.

"Kurz nach sechs. Wir haben noch Zeit." Mehr oder weniger.

"Mmmmmm..." Henning wirft sich den Arm über die Augen.

"Sag bloß, du gehörst zu der Sorte Morgenmuffel", lache ich und lege mich halb auf ihn drauf. Beherzt ziehe ich ihm den Arm weg.

"Mmmmm...", macht er erneut.

"Soll das ja bedeuten?" Er nickt, was mich wieder zum Lachen bringt.

Zufrieden und glücklich kuschle ich mich an ihn. Ein paar Minuten Dösen ist noch drinnen. Zwar fange ich heute erst um zehn mit arbeiten an, das Frühstück erledigt heute unsere Küchenperle Gertrud, aber Henning muss schon um halb acht an die Front.

Pure Folter, wenn man bedenkt, dass wir kaum mehr als zwei Stunden geschlafen haben. Doch trotz des Umstands, ich fühle mich großartig!
 

Glücklich, und eine Melodie summend, fahre ich mit dem Zeigefinger die Schatten nach, die der Vorhang auf Hennings Brust zaubert. Ein paar mal erwische ich dabei seine Brustwarzen. Es dauert nicht lange, da richtet sich eine von ihnen erwartungsvoll auf. Henning seufzt. Und mir läuft schon wieder das Wasser im Munde zusammen. Zwischen meinen Schenkeln wird noch jemand munter.

"Oh Mann", kichere ich. "Wegen dir mutiere ich wieder zu einem Teenager." Ich vergrabe meine Nase in Hennings weicher Haut.

Hilft es, wenn ich meinem Mund unterstelle, selbstständig zu handeln, und ich nichts dafür kann, dass er sich um die aufgerichtete Brustwarze legt, oder stempelt ihr mich jetzt als vollkommen notgeilen Typen hin, der nur eins im Sinn hat?

'Sex, Sex, Sex, Sex ... Sex mit Henning!' Mein Hintern protestiert dagegen. Aber der muss ja heute morgen nicht mitspielen. Außerdem ist die Zeit ebenfalls gegen uns.

"Heiko?"

"Hm?" Meine Zähne schnappen nach der leckeren Knospe. Henning zuckt keuchend zusammen und scheint vergessen zu haben, was er mich fragen wollte.

Seine Hände greifen dafür nach meinem Kopf und pressen ihn fester gegen seine Haut. Nun hält mich absolut nichts mehr!
 

Ich rutsche der Länge nach auf Henning und setze mich auf. Die Bettdecke rutscht dabei halb von uns. Macht nichts. Das Ding hätte sowieso bloß gestört.

Hennings Hände haben sich auf meine Oberschenkel gelegt, streicheln sie sachte. Wieder schimmern seine Augen dunkel. Verflucht, davon werde ich noch süchtig! Das sage ich euch.

"Heiko ..." Hennings Blick fesselt mich abermals. Er will mich. Das kann ich sehen und auch spüren. "Komm wieder her." Er winkt mit seinem Zeigefinger. Wie soll ich da widerstehen?
 

***
 

~Henning~

"Kann ich mir von dir eine Unterhose leihen?!"

"Klar!", rufe ich Heiko aus dem Bad zu.

Hektisch drücke ich die Zahnpasta auf die Zahnbürste. Wir haben die Zeit total vergessen! "Ach Scheiße!" Die Hälfte der Zahnpasta landet im Waschbecken. Egal. Die paar Kleckse auf der Büste reichen.

"Henning?"

"Ha?" Ich weiß, mit vollem Mund spricht mach nicht, doch für Höflichkeitsformen ist jetzt wirklich keine Zeit.

Heiko kommt ins Bad. "Hab dir schnell ein Sandwich gemacht. Viel hattest du zwar nicht im Kühlschrank, aber ich konnte improvisieren." Er hält mir einen Teller vor die Nase. "Mit Liebe gemacht." Es ist ein dick belegtes Brot mit Käse, Wurst, Tomaten und noch etwas grünem. Hatte ich noch Salat?

"Oh Famm! Gange. Fu bift ein Fatz!"

Heikos Augenbrauen ziehen sich zusammen. "War das eben ein Danke?"

"Fowa in de Ad", gibt mein Mund blubbernd und schäumend von sich. Ich verdrehe die Augen und spucke aus. Genug Zähne geputzt. "Danke." Lächelnd nehme ich ihm den Teller ab. "Das muss ich aber unterwegs essen."

"Ich weiß. Es ist viertel vor."

"Scheiße!" Ich nehme das Brot, drücke Heiko den leeren Teller wieder in die Hand und dann einen Kuss auf die Wange.

Eilig verlasse ich das Badezimmer, während ich herzhaft ins Brot beiße. Gott ist das gut! Ich schwöre, ich kann die Liebe darin förmlich schmecken.
 

Drüben im Hotel angekommen, schlucke ich gerade den letzten Bissen meines Sandwiches runter, da saust auch schon mein Vater an mir vorbei. "Morgen", grüße ich ihn.

Er bleibt stehen. "Morgen Henning. Da bist du ja."

"Entschuldige. Ich war gestern noch lange im Büro und ..."

"Ach schon gut. Halb so wild." Zu meinem Erstaunen winkt mein Vater ab. Normalerweise kann er Unpünktlichkeit überhaupt nicht leiden. "Sag mal, arbeitet Heiko heute nicht später?"

"Äh ... Glaube ja. Wieso?" Ich werde nervös und ich kann es nicht verhindern, dass mein Gesicht heiß wird. 'Er weiß es!' Panik steigt in mir auf.

"Weil sein Auto auf dem Parkplatz steht", schildert mein Vater und deutet mit dem Daumen Richtung Parkplatz. "Schon seit mindestens sechs Uhr." Oh nein! "Und als ich vorn aufschließen wollte, war die Tür schon offen."

Mir wird flau im Magen. Ich habe gestern Abend vergessen, abzuschließen! "Ist was geklaut worden?"

Mein Vater schüttelt den Kopf. "Nein. Ich habe gleich überall nachgesehen und von den Gästen kam auch noch keine Beschwerde. Deshalb dachte ich, Heiko sei schon da, aber keine Spur von ihm. Hast du ihn gesehen?" Mein Paniklevel steigt ins Unermessliche. Was sage ich denn jetzt?!
 

"Ähm ..." Ich war noch nie gut darin zu lügen. Schon als kleiner Junge konnte ich mich nur selten herausreden, wenn ich etwas angestellt hatte. Es liegt einfach nicht in meiner Natur.

Einmal habe ich ein zwei Mark Stück aus Mamas Portmonee geklaut, um mir Süßigkeiten zu kaufen. Heimlich habe ich die Einkäufe in meinem Kleiderschrank deponiert, aber meine Mutter hat natürlich mitbekommen und mich zur Rede gestellt, woher die dicke Tüte voll Zuckerzeug kommt. Ich gestand ihr sofort alles.

Eine Woche Süßigkeitenverbot und Taschengeldentzug waren meine Strafe gewesen. "Geld stehlen ist etwas ganz schlimmes! Dafür kann man ins Gefängnis kommen. Das nächste Mal, wenn du dir was kaufen möchtest, fragst du mich einfach, ja?" Verheult nickte ich meiner Mutter zu. Damit war meine Diebeskarriere vorüber. Ebenso die Fähigkeit, meine Eltern anzulügen, was nicht bedeutet, dass ich sie nicht einfach anschweigen kann.

Also zucke ich bloß mit den Schultern und setze eine ratlose Miene auf. "Soll ich ihn suchen?"

"Ja, das wäre nett. Hab noch im Service zu tun. Wenn du ihn siehst, regle das mit der offenen Eingangstür. Sowas geht absolut nicht in Ordnung."

"Mach ich", antworte ich und warte, bis mein Vater hinaus Richtung Rezeption verschwunden ist. Dann nehme ich die Beine in die Hand und spurte zurück ins Haus.
 

'Ich packe das nicht! Ich kann das mit Heiko und mir unmöglich lange geheim halten!' Das wird mir soeben bewusst. Und ehrlich gesagt, will ich das auch gar nicht.

Ich bin so unglaublich glücklich, dass wir endlich zusammengefunden haben. Ich möchte das nicht verstecken, jedes Mal aufs neue nach anderen Ausreden suchen, wenn wir Gefahr laufen, aufzufliegen. Das würde nicht lange gut gehen und wenn meine Eltern eins nicht leiden können, dann, dass ich unehrlich zu ihnen bin. Ob sie das mit Heiko und mir gut oder schlecht aufnehmen werden, das bleibt erstmal dahingestellt.

Es ist wohl ein Zeichen gewesen, dass ich gleich nach der ersten Begegnung mit meinem Paps so sehr in Erklärungsnot gekommen bin.

'Ich muss es ihnen bald sagen.' Wenn ich nur daran denke, bekomme ich Bauchschmerzen. Aber bevor ich dies in Angriff nehmen kann, sollte ich das noch mit Heiko besprechen. 'Eins nach dem anderen.' Jetzt brauchen wir erstmal eine Erklärung für Heikos Auto und die offene Tür.

'Ich hätte gleich sagen sollen, dass ich der Idiot war, der das Abschließen vergessen hat.' Die Standpauke hätte ich schon überlebt. Und sie wäre eine gute Vorbereitung auf mein Outing gewesen ...
 

~Heiko~

Genüsslich beiße ich in meinen Toast. Nebenbei studiere ich die Zeitschrift, die ich auf Hennings Wohnzimmertisch gefunden habe. Wusste gar nicht, dass er auf Schnorcheln steht.

Als ich die Bilder darin anschaue, gerate ins Schwärmen. Mit Henning auf irgendeiner Südseeinsel, ganz allein im warmen, kristallklaren Meer schwimmen ... Nackt, nur mit Taucherbrille, Schnorchel und Schwimmflossen würde er verführerisch durchs Wasser gleiten ...

Ich reiße mich von den imaginären Bildern in meinem Kopf los. In meiner Hose fängt gleich jemand an zu randalieren, wenn ich nicht aufpasse.

Ich blättere weiter. Eine Doppelseite mit einem bunten Korallenriff und unzähligen Fischen in den unterschiedlichsten Farbvariationen. Wunderschön. Ob Henning und ich vielleicht mal an so einem Ort gemeinsam Urlaub machen?
 

"Heiko?!" Verwundert schaue ich auf. Habe ich mir das eingebildet, oder hat Henning gerade nach mir gerufen? "Heiko!" Schritte im Flur.

"In der Küche", rufe ich ihm zu und lege den Toast zurück auf meinen Teller. Schon kommt er um die Ecke. Mein Herz hüpft aufgeregt, als ich ihn sehe.

"Na?", begrüße ich ihn grinsend und stehe auf. "Vermisst du mich schon?" Das ich ihn vermisst habe, steht außer Frage. Am liebsten würde ich in ihn hineinkriechen.

Zwei Schritte, und ich stehe vor meinem Spatz. Ich lege meine Arme um seine Taille und mopse mir einen Kuss, doch irgendwie sieht Henning abgelenkt aus. Und auch nervös. "Alles in Ordnung?"

"Nein", antwortet er und beißt sich auf die Lippe. "Mein Vater sucht dich."

Ich stutze. "Warum?" Habe ich mich beim Dienstplan vertan? "Muss ich eher in die Küche?"

"Nein, nein", beruhigt Henning mich sofort. "Dein Auto. Papa hat es stehen sehen und glaubt, du wärst schon da."

"Oh." So ein Ärger! "Sagen wir einfach, es ist nicht angesprungen und ich musste bei dir übernachten."

Henning verzieht das Gesicht. "Geht nicht. Ich habe ihm gesagt, dass ich dich nicht gesehen habe."

"Hm. Blöd." Dann muss uns was anderes einfallen.

"Da ist aber noch was", unterbricht Henning meine Überlegungen. Er sieht schuldbewusst zur Seite. Dabei sieht er aus, wie ein kleiner Junge, der was ausgefressen hat. "Ich habe gestern vergessen, die Vordertür abzuschließen."

"Oh verdammt. Ist was geklaut worden?" Dann wären wir Schuld daran!

"Nein." Was für ein Glück! "Aber Papa denkt jetzt, du wärst der Übeltäter, der aufgeschlossen hat. Weil ja dein Auto draußen steht."

"Was?"

Ich muss wohl ziemlich bescheuert gucken, denn Hennings schuldgeplagter Gesichtsausdruck wird noch eine Spur schuldbewusster. "Ich soll dir deshalb sagen, dass sowas nicht in Ordnung geht, aber ich werde ihm sagen, dass ich vergessen habe, abzuschließen!" Wie süß er doch ist.

"Schon gut. Das musst du nicht. Irgendwie bin ich ja daran schuld, dass du die Tür vergessen hast." Die Finger meiner linken Hand stehlen sich zwischen die Knöpfe von Hennings Hemd. Wie gern würde ich ihm das Ding vom Körper reißen ...
 

Henning lehnt sich seufzend meinen Berührung entgegen und umarmt mich nun ebenfalls. "Ich muss wieder rüber", haucht er in meinen Nacken. Gänsehaut sage ich nur.

"Und was sagst du deinem Vater wo ich abgeblieben bin?"

"Dass du noch nackt in meinem Bett liegst ..."

Ich halte inne und suche Hennings Blick. "Was?"

"Ich muss es ihnen sagen", erklärt er mir.

"Wirklich?"

Er bejaht. "Ich muss. Das heißt, falls es dir recht ist."

"Ja. Klar ist es das!" Ich stehe voll hinter ihm.

"Dann ... dann werde ich ihnen sagen, dass wir .... dass wir beide ein ... e-ein ..."

"Ein Paar sind?", helfe ich nach. Sein unsicheres Gestotter bringt mich zum Grinsen. Er ist einfach zu süß dabei.

Henning nickt, mustert mich allerdings unsicher. Ich schenke mir eine Antwort. Zumindest eine verbale. Und ich glaube, der Kuss, den ich ihm gerade gebe, ist ihm Antwort genug.
 

***
 

~Henning~

'"Sag ihm, ich habe im Aufenthaltsraum geschlafen weil mein Auto nicht angesprungen ist."

"Und wenn er dich darin schon gesucht hat?"

"Dann sag, ich war nach dem Aufstehen joggen und habe wohl vergessen, abzuschließen, als ich los bin"', meinte Heiko.

Ich muss gestehen, sehr plausibel. Solche guten Lügen wollen mir nie einfallen.

Nachdem das geklärt war, knauserte ich mir noch ein paar Minuten mit Heiko zusammen, ehe ich wieder nach unten gehen musste. Ist ja auch nur recht und billig, wenn ich noch etwas Zeit mit meinem Partner verbringen möchte, oder?
 

'Wir sind ein Paar.' Mein Herz schreit vor Glück. Mir kommt es vor, als würde ich über den Dingen schweben. Meine Mundwinkel wollen gar nicht mehr runter.

Kann sein, dass das leicht dämlich aussieht. Besonders, weil ich im Moment vorn an der Rezeption die Buchungen für nächste Woche nochmal durchgehe, aber egal. Mir könnte jetzt nur eine Sache die hervorragende Laune verhageln. Doch daran mag ich erstmal nicht denken. Erst, wenn es soweit ist.
 

Fertig mit den Buchungen, sehe ich Niclas und seinen Partner draußen auf der Terrasse sitzen. Ob ich zu ihnen rüber gehen soll? Sähe vielleicht komisch aus ...

Ach scheiß der Hund drauf! Ich gehe einfach hin. Meine gute Laune will raus und wenn ich vor einem mit meinen Glück prahlen kann, dann vor Nic.
 

"Guten Morgen. Ist alles zu Ihrer Zufriedenheit?", frage ich die beiden.

Die zwei schauen auf. Niclas antwortet. "Morgen. Ja, alles bestens." Er grinst leicht. Sieht man es mir so sehr an?

Ach soll der Hund nochmal drauf scheißen! "Sehr fein", freue ich mich.

"Und bei dir? Alles gut gelaufen?" Niclas sieht mich mit so einem merkwürdigen Gesichtsausdruck an, den ich nicht deuten kann. Vielleicht ist er nur gespannt darauf, ob sein Verkupplungsversuch gefruchtet hat. Wie gut er letzten Endes funktioniert hat, muss er aber nicht wissen.

"Ist es", antworte ich, während Bilder der letzten Nacht vor mir auftauchen. "Wir haben uns ... ähm ausgesprochen." Mehr sage ich jetzt besser nicht.

"Nur ausgesprochen?" Niclas lässt nicht locker.

"Nicht nur", gebe ich zu. Das ist aber auch alles.

"Das heißt ihr beiden seit zusammen?" Ah! Nicht so laut Nic!

Ich schaue mich um, aber es ist niemand in Hörweite. "Ja. Aber das weiß noch keiner," flüstere ich.

Niclas nickt wissend. "Okay. Dann viel Glück." Das können wir gebrauchen.

"Danke."

"Das schafft ihr schon." Niclas Partner Meilo lächelt mich aufmunternd an, was bedeutet, Niclas hat ihm von Heiko und mir erzählt.

Ich bedanke mich noch einmal, lasse die beiden dann wieder allein.

'Das schafft ihr schon.' Ich hoffe es. Ich hoffe es wirklich ...
 

******
 

*mir kam gerade der Gedanke, Henning ins damalige Hundekostüm zu stecken. Die beiden wären aus allen Wolken gefallen xDDDD

Aber neee. Henning würde sich niemals von einem fremden Gorilla auf einer öffentlichen Toilette durchnehmen lassen ;D

Dafür weiß ich jedoch, als was sich die zwei nächstes Fasching verkleiden werden. *fggg*

IV. Überkochende Angst

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

IV. Überkochende Angst (Ohne Adult)

IV. Überkochende Angst (Ohne Adult)
 

~Henning~

"Heiko?"

"Ja?"

"Caroline ist da. Ich mach's. Jetzt." Ich stehe in der Küche. Direkt neben Heiko, der wiederum vorm Herd steht und mit einer Pfanne herumhantiert.

"Was machst du jetzt?", fragt er, ganz konzentriert auf seine Arbeit.

"Es ihnen sagen." Heiko scheint verwirrt, doch dann lichtet sich der Nebel.

"ES? Du sagst ihnen ES? Jetzt?" Die Pfanne ist vergessen. Er sieht mich mit großen, erschrockenen Augen an, während der Pfannenwender klappernd gegen den Rand der Pfanne schlägt.

"Ja."

"Ich kann hier nicht weg."

"Das sollst du auch nicht. Ich muss das allein durchziehen." Damit du, falls es hart auf hart kommen sollte, nicht auch noch Schwierigkeiten bekommst.

"Ja aber ...!"

"Bitte Heiko." Ich schaue rüber zu Gertrud. Sie beäugt uns schon misstrauisch. Wahrscheinlich haben Heiko und ich eben mehr Worte miteinander gewechselt, als sie es jemals erlebt hat.

"Du musst da nicht alleine durch. Das haben wir doch vorhin noch miteinander besprochen", flüstert er mir zu.

"Ich weiß, aber ich will nicht, dass du in die Schusslinie gerätst."

"Schusslini... So ein Quatsch!"

Gertrud räuspert sich. "Deine Rösti, Heiko."

"Wie? ... Verdammt!" Es riecht angebrannt. Zeternd zieht Heiko die Pfanne von der Kochstelle. "Scheiße! Alles verbrannt."

"Wie ich sehe, hast du zu tun. Ich gehe besser", nutze ich die Gunst der Stunde und verlasse die Küche.

"Was? Nein! Henning warte!"

'Sorry mein Süßer. Da muss ich alleine durch. Es ist nur zu deinem besten.'
 

"Henning!" Es rappelt, ein weiterer Fluch. Feste, schnelle Schritte. Heiko hechtet hinter mir her und packt mich an der Schulter.

"Heiko, die Gäste warten." Ich lasse nicht gern den Chef heraushängen. Besonders bei ihm, aber ich will unter keinen Umständen, dass er mit dabei ist, wenn ich mit meinen Eltern rede.

"Nur kurz", wiegelt er ab. Ich gebe seufzend nach. "Bist du dir sicher, dass ich nicht mit soll?"

"Bin ich", nicke ich entschlossen.

Heiko beißt sich auf die Unterlippe. Er ringt mit sich. "Okay", gibt er nach, wenngleich auch sichtlich ungern. "Aber sobald du mit deinen Eltern gesprochen hast, kommst du zu mir. Das gilt auch, wenn irgendwas ist, und du meine Hilfe oder Unterstützung brauchst. Verstanden?" Schmunzelnd streichle ich über Heikos Wange, nachdem ich mich vergewissert habe, dass uns niemand sieht. "Lach nicht! Ich meine es ernst!"

"Gut. Ich verspreche es."

"Fein." Heiko nickt, dann wird sein Blick weicher. "Viel Glück. Ich denke jede Sekunde an dich."

"Dito", lächle ich ihn an. "Das mache ich übrigens schon seit fünf Jahren."

Heiko verzieht den Mund. "Idiot."

Wir geben uns einen flüchtigen Kuss, ehe Heiko wieder an die Arbeit geht und ich mich auf dem Weg zu meinen Eltern mache.
 

Heute Mittag sind wir beide uns noch einig gewesen. Heute werde ich mit meinen Eltern reden. Und Heiko unterstützt mich.

Allerdings, als ich während der Arbeit länger darüber nachdachte, desto unsicherer wurde ich mir, ob es wirklich eine so gute Idee ist, Heiko gleich mit hineinzuziehen. Falls meine Eltern tatsächlich auf die schlimmstmögliche Weise auf mein Outing reagieren, und nichts mehr von mir wissen wollen, dann sollte wenigstens Heiko nicht noch davon betroffen sein.

Ich will nicht, dass er seine Arbeit verliert.

Außerdem wäre es vielleicht erstmal besser, meine Eltern nicht gleich mit allem zu überfallen. Gleich zu erfahren, dass ihr einziger Sohn schwul, und dann noch mit dem Koch zusammen ist, das wäre sicher zu viel für sie.

Aufgeregt bis in die Haarspitzen lege ich die Hand auf meinen Bauch. Er rebelliert und fühlt sich gar nicht gut an. Und das Gefühlt wird immer stärker, je näher ich dem kleinen Haus auf der anderen Straßenseite komme, in dem meine Eltern wohnen.
 

'Jetzt oder nie', dachte ich vorhin, als Caroline, eine unserer Aushilfen, kam. Meine Eltern sind beide zu Mittag, was sie nicht oft tun, weil keine Zeit dafür ist. Und im Hotel war vorerst alles erledigt, was es zu erledigen gab. Caroline würde den Rest allein schaffen. Der ideale Zeitpunk also, für mein Outing.

Schweißnass sind meine Hände, als ich die Haustür aufschließe und das Haus betrete.

Als das kleine Bauernhäuschen vor ein paar Jahren zum Verkauf stand, schlugen meine Eltern gleich zu. Sie liebäugelten schon lange darauf, es zu kaufen. Damit gehörte unser Wohnhaus neben dem Hotel allein mir. 'Heiko könnte bei mir einziehen ...' Was denke ich da wieder? Erstens ist es viel zu früh über so etwas nachzudenken und zweitens 'Vielleicht muss ich das Haus in den nächsten Tagen räumen ...' Am liebsten würde ich wieder umkehren. Aber nein! Heiko und ich sind uns einig. Ich muss da jetzt durch, egal, wie viel Angst ich vor der Reaktion meiner Eltern habe. Ich habe Heiko sogar das Versprechen abgenommen, mir diesbezüglich in den Hintern zu treten, falls ich doch einen Rückzieher machen sollte.

"Ist gut. Wenn du das wirklich willst, mache ich das", hatte er nachgegeben.

Ich brauche Druck. So war es schon immer.

Sobald ich vor etwas Angst habe, oder was nicht machen will, aber weiß, dass es wichtig ist, benötige ich ein Druckmittel, das mich nicht einknicken lässt. Meine Willensstärke ist nicht die beste.

Wahrscheinlich habe ich auch deshalb so lange gebraucht, bis ich Heiko meine Gefühle offenbaren konnte.

Nics Meinung, er sei sicher, dass Heiko auch in mich verliebt ist, und die Vorstellung, ihn irgendwann an jemanden anderen zu verlieren, wenn ich nicht bald handele, war auch so ein Druckmittel. Ohne das alles, würden wir heute noch umeinander herumtanzen. 'Hoffentlich knicke ich nicht wieder ein.'
 

~Heiko~

Ich sitze sprichwörtlich auf heißen Kohlen. Henning will ohne mich mit seinen Eltern reden. Um mich aus der Schusslinie zu halten!

Irgendwie habe ich das Gefühl, da steckt mehr dahinter. Besonders nach seiner Bitte vorhin. Ich soll ihm in den Arsch treten. Komische Bitte, aber gut. Wenn er das braucht.

"Von meiner Seite aus muss du das noch nicht tun", habe ich zu ihm gesagt, als wir über seinen Entschluss, sich zu outen, redeten. "Ich weiß, wie schwer es ist."

"Ja?"

"Hmhm." Henning bat mich, ihm von meinem Outing zu erzählen. Sehr hilfreich war das nicht gerade. Aber es bestärkte ihn wohl bei seinem Vorhaben. "Wenn ich das jetzt nicht tue, dann traue ich mich vielleicht gar nicht mehr." Guter Einwand. Trotzdem ...

"Ich bin für dich da. Egal für was du dich entscheidest."

"Ich weiß." Henning lächelte mich an. "Jetzt oder nie."

"Gut. Dann stehe ich voll und ganz hinter dir."

"Schön, dass du das sagst, weil ..."

"Weil?" Ich runzelte die Stirn.

"Falls ich einen Rückzieher mache, dann bitte, tritt mir in den Arsch und erinnere mich hieran, ja?" Ich bin aus allen Wolken gefallen. Was sollte ich tun?! "Bitte Heiko. Ich kenne mich. Ich bin ein Angstschisser. Sobald ich vor einer Situation stehe, bei der mir nicht wohl ist, flüchte ich. Du musst mein Gewissen sein. Die Vernunft, die mir den richtigen Weg zeigt. Machst du das?"

Was hätte ich darauf erwidern sollen? Nein Henning. Mach deinen Scheiß selbst? Wahrscheinlich hätte ich das bei jedem anderen getan, mit dem ich noch nicht mal einen Tag lang zusammen gewesen wäre. Doch nicht bei Henning. Mit Henning ist alles irgendwie anders …

Ich kenne ihn jetzt schon so lange. Und ich weiß, wenn er etwas sagt, dann meint er es auch so. Bei ihm gibt es keine Worte hintenherum. Keine aufgesetzte Freundlichkeit. Henning ist durch und durch ehrlich und echt in allem, was er tut.

Also stimmte ich zu. Ich werde Hennings Gewissen spielen. Komme was wolle. 'Und dann? Dann drängst du ihn, woraufhin sich seine Eltern gegen ihn wenden. Was dann? Dann hasst er dich irgendwann dafür.'
 

"Shit!" Ich feuere das Messer auf die Arbeitsplatte.

"Hast du dich geschnitten?" Gertrud, die mir noch beim Aufräumen hilft, sieht besorgt zu mir rüber.

"Äh ja. Ist aber nicht schlimm", erwidere ich und laufe zur Spüle.

"Kein Wunder. So abwesend, wie du bist." Sie hat es also bemerkt. "Hast du dich mit dem Junior gestritten?" Der Junior. Damit meint sie Henning, der unter uns Angestellten so genannt wird.

"Nein, habe ich nicht."

"Sah vorhin aber so aus." Sie lässt nicht locker. Allein an ihrem Tonfall erkenne ich das.

Gertrud kann es nicht leiden, wenn wir streiten. Selbst wenn es mit den Chefs ist. Sie vermittelt zwischen uns und ... Mir kommt da eine Idee. 'Warum nicht?'

"Gertrud?"

"Hm?"

"Ich muss dir was gestehen." Ich laufe rüber zu ihr. Wissbegierig sieht sie mich an und hört sogar auf, die großen Töpfe abzutrocknen. "Ich bin schwul." Es kam mir so leicht über die Lippen. Viel leichter, als damals vor meinen Eltern. 'Ob Henning auch schon ...?'

"So?" Ich nicke. Gertrud legt den Kopf schief. Ihr Blick durchdringt mich. "Hast du dich deshalb mit dem Junior gestritten? Will er dich deshalb etwa feuern?!" Gertrud gerät richtig in Rage. "Das geht aber nicht! Wo leben wir denn?! Dem muss ich ..."

"Gertrud! Gertrud beruhige dich!" Eigentlich steht mir gar nicht der Sinn danach, aber ich fange an zu Grinsen. "Er will mich nicht feuern", beruhige ich sie. "Ganz und gar nicht ..."

Erst blickt sie verwirrt, doch dann "Ah...", macht sie und lächelt. "So ist das." Blitzgescheid, diese Frau. Und allem aufgeschlossen. Deshalb mag sie auch jeder und deswegen kann sie sich Dinge herausnehmen, für die andere Aushilfen schon längst gefeuert worden wären.

"Henning sagt es seinen Eltern gerade."

"Allein?"

"Ja. Er wollte es so."

Sie nickt eifrig. "Vielleicht besser." Das sehe ich anders.

"Was meinst du? Wie werden sie reagieren?"

Gertrud zuckt mir den Schultern. "Die zwei waren schon immer sehr weltoffen."

"Also meinst du, sie werden es gut aufnehmen?"

"Kann gut sein." Irgendwie erleichtert mich das nicht. "Und falls nicht, rede ich mal mit ihnen."

Ich fange an zu lachen und lege einen Arm um die rüstige Dame. Mit Mitte siebzig ist sie noch gut in Schuss. Trotzdem drücke ich sie nicht allzu fest. "Habe ich dir jemals gesagt, wie wundervoll du bist?"

"Nein. Aber das musst du auch nicht. Das weiß ich selbst." Lachend schüttle ich den Kopf. "Und jetzt Marsch, Marsch! Das Abendbrot vorbereiten." Sie wedelt mit dem Küchentuch. Komplimente kann sie gar nicht leiden. Sie wird sogar ein wenig rot um die Wangen herum.
 

~Henning~

Vorsichtig und leise schließe ich die Vorplatztür hinter mir und laufe langsam den kurzen Flur entlang. Es duftet nach Essen. Hinter der Küchentür höre ich die Stimmen meiner Eltern. Sie diskutieren. Bestimmt geht es dabei um unser Hotel.

Das ungute, flaue Gefühl in meinem Bauch wird wieder stärker. Ich rufe mir das Bild von Heikos Gesicht vor Augen. 'Viel Glück. Ich denke jede Sekunde an dich.' Das gibt mir Kraft.

Entschlossen klopfe ich an die Küchentür. "Ich bin's."

"Komm rein", bittet mich meine Mutter. "Möchtest du auch? Ich habe Kaiserschmarrn gemacht."

Eigentlich sollte ich ablehnen und gleich zu meinem Anliegen kommen, doch: "Ja gern. Danke." Kaiserschmarrn von Mama. Vielleicht das letzte Mal ...
 

Meine Mutter holt mir einen Teller und ein Glas, während ich mich setze. "Dein Vater und ich überlegen gerade, was wir ab nächstes Jahr unseren Gästen als Highlight anbieten könnten", plaudert sie und füllt meinen Teller.

"Ich dachte an eine Zusammenarbeit mit Herberts Busunternehmen. Wir könnten spezielle Fahrten anbieten. Zu Sehenswürdigkeiten in der Nähe, oder eine Städtetour", erklärt mein Vater. "Zur Brauerei wäre auch eine Möglichkeit. Die wollen viele unserer Gäste besichtigen."

"Hört sich gut an." Eine gute Idee von ihm.

"Aber ich hätte gern noch etwas anderes", meint meine Mutter. "Etwas Spezielles, das man nur in unserem Hotel geboten bekommt. Mach dir doch auch mal bitte Gedanken darüber, Schatz." Sie sieht mich mütterlich streng, aber auch mit ihrem typischen Lächeln an.

"Vielleicht etwas am See. Außer Baden und Boot fahren", überlege ich.

"Schöner Gedanke", lobt Papa. "Da ließe sich noch mehr machen. Uns muss nur einfallen was."

"Hmhm." Ich nicke, da ich den Mund voll habe. 'Das würde mir so fehlen.' Die Gespräche mit meinen Eltern, das Planen und Organisieren rund um unser Hotel. Eben all das, was mein Leben bis jetzt ausgemacht hat.
 

Ich schlucke hart. Meine Kehle fühlt sich plötzlich wie zugeschnürt an. Die Gabel in meiner Hand zittert. Ich lege sie beiseite und trinke hastig einige Schlucke Wasser. 'Ich kann nicht! Ich kann es ihnen nicht sagen!'

Wieder taucht Heiko vor meinem geistigen Auge auf und ich versuche, erstmal Ruhe zu bewahren. 'Iss erstmal, dann sieh weiter', rede ich auf mich ein.

"Wisst ihr was?", plaudert meine Mutter weiter und schaut in die Runde. "Wie wäre es, irgendwas für verliebte Pärchen auf die Beine zu stellen? Hinten am See ist es so romantisch. Besonders im Sommer. Für unsere Flitterwochen Gäste wäre so ein romantisches Highlight bestimmt super."

"Sehr schön!", jubelt mein Vater. "Aber was?"

"Eine Übernachtung. Nur zu zweit. Ungestört in einer ganz eigenen Welt", überlege ich abwesend, wobei ich mir natürlich Heiko und mich vorstelle ... Ganz allein am See …
 

"Ja!" Ich schrecke auf und schaue zu meiner Mutter. Sie hat ganz leuchtende Augen. "Sowas meine ich!" Ich brauche einen Moment um von dem Film, der gerade in meinem Kopf gelaufen ist, loszukommen. "Am besten, du übernimmst das." Mama strahlt mich regelrecht an.

"Was?"

"Na das Flitterwochenspezial am hinteren See. Lass dir was einfallen."

"Ich?" Sie nickt. "Aber ich ... ich bin ... ich hab doch gar keine Ahnung ..."

"Henning nicht wieder stottern", mahnt mich Papa.

Ich beiße mir auf die Unterlippe. Mit dreißig Jahren muss ich mir noch von Papa sagen lassen, dass ich nicht stottern soll. Dabei tue ich das kaum noch.

Früher dagegen war mein Stottern ganz schlimm. Nur manchmal kommt es noch raus. Wenn ich nervös bin oder betrunken. Ersteres kommt leider hin und wieder vor, während ich zweiteres weitgehendst versuche zu vermeiden.

"Du machst das schon Henning", beruhigt mich meine Mutter. "Auch in dir steckt ein kleiner Romantiker."

"Aha", murmle ich. "Wenn du meinst." Wenn sie wüsste ... Meine Gedanken eben, Heiko und ich am See, würde sie sicher nicht als romantisch betiteln. Obwohl sie es waren. Mit dem wundervollen Abendlicht, den Kerzen im Sand, die zirpenden Grillen, Heikos lustvolles Stöhnen, als ich mich tief in ihn …
 

"Henning?" Ich zucke heftig zusammen. Papa guckt mich stirnrunzelnd an. "Du bist ganz rot im Gesicht. Alles klar?"

"Ähm ... Ja." Shit!

"Mama hat dich wohl verlegen gemacht, was?" Er lacht leise und kassiert von meiner Mutter einen halbherzigen Schlag auf den Handrücken. "Wird Zeit, dass du wieder eine Freundin findest, Henning. Dann klappt das auch mit der Romantik, ohne rot zu werden." Mir rutscht das Herz in die Hose.

'Die Gelegenheit! Sag es. Sag es!'
 

"Jetzt dräng den Jungen doch nicht so." Mama straft ihn mit einem strengen Blick. Derweil versinke ich im Erdboden und komme mir vor, wie damals, als wir beim Kinderarzt waren, der meinen Eltern mit der Holzhammermethode erklärte, dass ich ziemlich langsam für mein Alter sei.

Aber das ist vorbei. Inzwischen bin ich erwachsen, habe einen guten Schulabschluss gemacht, trotz meiner Lernbehinderung. Gut, das Stottern ärgert mich manchmal immer noch, aber wer ist schon perfekt?

Deshalb macht es mich auch wütend, dass ich mich schon wieder so fühle wie früher, als wäre ich der arme, dumme Junge, dem man alles haargenau erklären muss.

Ich weiß, meine Eltern meinen es nicht so, aber ich reagiere trotzdem empfindlich darauf.
 

"Ich will keine Freundin", erwidere ich aus diesem Grund auch gleich trotzig.

"Immer noch wegen Linda?" Mitleid zeigt sich auf Mamas Gesichtszügen. Ich schüttle den Kopf. "Ach Schatz." Sie tätschelt meine Hand. Allem Anschein nach glaubt sie mir nicht. Ist ja auch kein Wunder. Irgendeinen Grund muss es ja schließlich haben, dass ich jedes Angebot anderer Frauen immer wieder abblocke.

"Hör auf damit", knurre ich und entziehe ihr meine Hand. "Ich will sie wirklich nicht mehr zurück." Mein Vater seufzt, sagt aber nichts.

Ich nehme all meinen Mut zusammen. "Es ist was anderes", beginne ich und spiele nervös mit meinen Fingern. "Ich ... ich ..." Ich stottere schon wieder!

Verlegen senke ich den Blick. "Was denn Schatz?" Mama mustert mich.

"Hast du wieder jemanden?" Mir entgeht der hoffnungsvolle Ton in Papas Stimme natürlich nicht. Er hofft immer noch auf einen Nachfolger fürs Hotel. Den wird er so schnell nicht bekommen ...

Meine Kehle schnürt sich zu und ich muss mich räuspern. "Ich habe ... ähm nein. Also ich ... ich bin ..." 'SCHWUL!' "Ich bin ..." 'Sag es! Los! Die Chance!' "... bin ... sch..." 'Dreht sich der Teller vor mir?' "Ich b-bin sch-sch..."

"Henning", unterbricht mich mein Vater. "Schön langsam ja?" Mir ist so schwindelig.

"Schatz? Trink mal was." Meine Mutter schiebt mir mein Wasserglas zu. Total neben mir schnappe ich mir das Glas und trinke so lange bis es leer ist. "Besser?" Ich schüttle den Kopf.

'Ich denke an dich.' Heiko …
 

Ich nehme all meinen Mut zusammen, schaue meine Eltern abwechselnd an und straffe mich. "Ich bin sch..." Scheiße! 'Raus damit! Los Henning!' "Ich bin sch... schon verliebt." Nein! Doch nicht so!

Beide Augenpaare durchbohren mich. "Wirklich?", fragt meine Mutter mich glücklich. "Wir schön!"

"Kennen wir sie?"

"Liebt sie dich auch?"

"Stell sie uns doch mal vor."

"Martin! Lass den Jungen doch mal ausreden." Mein Vater brummt, verstummt aber. Schweigen. Was Mama nicht lang aushält. "Nun?"
 

'Ja, ihr kennt denjenigen. Aber sie ist ein er. Heiko. Unser Koch. Und ja, er liebt mich auch. Vorstellen?' Vorstellen ... Man könnte sich so vieles vorstellen. Zum Beispiel, wie Mama mir glücklich um den Hals fällt, und Papa mir väterlich auf die Schulter klopft, da ich endlich mit meiner großen, bis vor kurzem noch heimlichen Liebe zusammen bin.

Oder auch, wie sie mich angeekelt anschauen, Papa aus dem Haus stürmt und Heiko fristlos Kündigt, weil er seinen armen, dummen Jungen verführt hat. Und danach bin ich dran. '"Pack deine Sachen und geh! So lange, bis du wieder zur Vernunft gekommen bist!"' Mama, die heulend neben ihm steht und sich fragt, was sie falsch gemacht hat.

Der Kaiserschmarrn kommt mir beinahe wieder hoch.

Ruckartig erhebe ich mich von meinem Stuhl. "Entschuldigt mich. Ich muss wieder rüber. Ich kann Caro nicht so lange alleine im Hotel lassen."

Meine Eltern schauen mir perplex hinterher. "Henning?" Sorry Mama. Ich kann nicht.
 

Ich flüchte. Wieder einmal.
 

~Heiko~

Für das Abendessen habe ich alles fertig gemacht. Noch schnell die letzte Platte mit belegten Broten in die Kühlung, dann habe ich erstmal Pause.

Gertrud ist auch schon gegangen. Aber nicht, ohne mir vorher nochmal zu sagen, dass sie sofort kommt, sollte es Probleme geben. Sie ist wirklich ein Engel.

Ich schließe den Kühlraum, ziehe meine Kochjacke aus und hänge sie auf. Henning ist immer noch nicht aufgetaucht.

Vorn an der Rezeption treffe ich Caroline. "Ist Henning wieder da?"

"Bis jetzt noch nicht", antwortet sie mir. "Möchtest du gehen? Dann sage ich ihm Bescheid, wenn er ..."

"Nein, nein", winke ich ab. "Ich wollte ihn nur ..." Eine Bewegung in meinem Augenwinkel. Die Hoteltür geht auf.

"Was für ein Timing", lacht Caroline. "Da ist ja der Chef."

Henning läuft auf uns zu. Er sieht aus, als wäre er total durch den Wind. 'Oh nein!' Das ist kein gute Zeichen!

"Henning? Herr Tauber hat angerufen. Wegen der Reservierung nächsten ..."

"Später." Henning unterbricht sie barsch. "Heiko?" Er stürmt an mir vorbei. Ich folge auf dem Fuße.
 

Wir finden uns im Büro wieder, dessen Tür er hinter uns abschließt. Die vorige Geschäftigkeit weicht völlig aus seinem Körper. In sich zusammengesackt bleibt er an der Tür stehen, die Stirn dagegen gelehnt.

"Scheiße. So schlimm?" Langsam gehe ich auf ihn zu und berühre seinen Rücken.

Henning dreht sich zu mir, sieht mich traurig an und lehnt sich schließlich an mich. Er schüttelt den Kopf.

Ich bin verwirrt. "Nicht? Dann lief es gut?" Wieder ein Kopfschütteln. Mir dämmert es. "Du konntest es nicht?" Ein schwaches Nicken. "Mach dir nichts draus. Es war dein erster Versuch. Beim nächsten Mal klappt es. Bei mir hat es auch ein paar Anläufe gebraucht."

"Wirklich?", fragt er mit gedämpfter Stimme.

"Hmhm. Das ist kein Beinbruch."

Henning seufzt und vergräbt sein Gesicht in meiner Halsbeuge. "Ich konnte nicht", flüstert er. "Ich ... Es war ..."

"Schon gut." Ich streichle sanft über seinen Rücken.

"Nein!", ruft Henning plötzlich und löst sich von mir. "Gar nichts ist gut!" Unruhig läuft er in dem kleinen Raum hin und her. "Es war die Gelegenheit! Aber ich konnte es nicht! Es ging nicht! Weil ich so ein Feigling bin! Ein blöder, stotternder Feigling, der kein einziges beschissenes Wort raus bringt!" Henning schlägt mit den Handflächen auf die Tischplatte des Schreibtischs. So fest, dass es selbst mir beim bloßen Zuschauen schon weh tut. Mit hängendem Kopf bleibt er regungslos stehen.

Ich schaue ihn erschrocken an. So habe ich ihn noch nie erlebt. Sonst ist er immer sehr ruhig und überhaupt nicht aufbrausend. Ich bin leicht mit der Situation überfordert, weiß nicht, was ich tun soll.

"Heiko?"

"Ja?" Ich bin sofort an seiner Seite.

"Ich weiß nicht, ob ich das schaffe."
 

Nachdenklich mustere ich ihn und erinnere mich an das Versprechen, das ich ihm geben musste. Soll ich es einhalten? Am liebsten würde ich ihm sagen, dass es nichts macht, wenn er erstmal abwartet. Aber das wollte Henning nicht. Zumindest heute Mittag war das so. Und ihm war zu diesem Zeitpunkt schon klar gewesen, dass er wahrscheinlich einen Rückzieher machen würde. Sonst hätte er mir dieses Versprechen erst gar nicht abgenommen. Aber wie sage ich es ihm? Wie löse ich mein Versprechen ein, ohne zu viel Druck auf ihn auszuüben?

Das ihn der Zustand sehr mitnimmt ist nicht zu übersehen. Und solange er sich weiter versteckt, wird das auch nicht besser werden. Er hat sich schon so lange versteckt. Vor seinen Eltern, vor mir. Vielleicht wird es wirklich Zeit, den nächsten Schritt zu tun.
 

"Henning? Was wünschst du dir?"

"Was?" Er dreht den Kopf zu mir.

Ich packe ihn sanft bei den Schultern und richte ihn wieder vorsichtig auf. Als ich vor ihm stehe, nehme ich seine Hände in meine. "Was du dir wünschst", wiederhole ich mit ruhiger Stimme.

Sein Blick ruht einen Moment lang forschend auf mir, dann huscht plötzlich ein kleines Lächeln über seine Lippen. "Ich wünsche mir, ewig mit dir zusammen zu sein."

Ich erwidere sein Lächeln. "Genau das wünsche ich mir auch." Mehr als alles andere. "Ich habe nachgedacht. Wenn du es ihnen nicht sagst, es immer wieder probierst und dich doch nicht traust, wirst du immer wieder hier stehen und dich schlecht fühlen, weil du wieder Angst davor gehabt hast, ihnen die Wahrheit zu sagen." Henning senkt den Blick. Er weiß, dass ich recht habe. Und er will es ihnen ja auch sagen. Er muss nur den Mut dazu finden. "Es geht dabei nur an zweiter Stelle um uns. In erster Linie geht es um dich. Damit du der sein kannst, der du bist und dich nicht mehr verstecken musst.

Und sollte es soweit kommen, dass deine Eltern dich wirklich verstoßen, dann bin ich für dich da." Er lächelt mich an. "Dann machen wir eine kleine Herberge auf. Du machst die vier Gästezimmer, während ich koche."

"Nur vier Zimmer?" Henning grinst.

"Klar. Damit wir auch genug Zeit für uns haben, wenn unsere Gäste versorgt sind." Lachend zieht Henning mich an sich.

"Dann ist das unser Plan B? Eine Herberge zu zweit?"

"Alles was du willst. Ich bin an deiner Seite."

"Keine Angst, weil wir erst seit ein paar Stunden zusammen sind?"

"Nö." Ich schüttle den Kopf. "Wir haben schließlich schon 5 Jahre gemeinsame Berufserfahrung. Was soll da schon schief gehen?"

"Auch wieder wahr", grinst mein Spatz und küsst mich.
 

~Henning~

Heiko hat recht. Solange ich meinen Eltern meine Gefühle verschweige, desto schlechter fühle ich mich dabei. Und sicher würde sich das auch irgendwann auf unsere Beziehung auswirken. Das will ich auf keinen Fall. Jetzt, wo wir endlich zusammen sind.

Als ich Heiko noch nicht an meiner Seite hatte, hatte ich noch keinen Grund dazu, mich zu Outen. Aber jetzt ist es anders. Ich liebe ihn so sehr …
 

"Danke für den Arschtritt", flüstere ich gegen Heikos Lippen.

"Immer wieder gern", grinst dieser und klopft mir sachte aufs Gesäß.

"Freut mich zu hören. Vielleicht brauche ich bald wieder einen."

"Ich werde zur Stelle sein." Das glaube ich ihm auf's Wort. "Weil ich nämlich beim nächsten Versuch an deiner Seite sein werde." Heiko sieht mich voller Entschlossenheit an.

"Das musst du nicht", wiegle ich ab. Auch wenn ich meinen Eltern schon verraten habe, dass ich verliebt bin, will ich immer noch verhindern, dass ihm etwas passiert.

"Doch ich muss. Wir sind jetzt ein Paar. Vergessen?"

"Wie könnte ich?", wispere ich.

"Was dich betrifft, betrifft auch mich. Und anders herum genauso."

"In Ordnung", gebe ich nach.

Natürlich werde ich auch ich zur Stelle sein, falls Heiko mal Hilfe braucht. Oder einen Tritt ins Hinterteil. Obwohl mir da gleich andere Dinge einfallen würden, die ich mit seinem Knackpo anstellen könnte ...
 

Wie gut, dass ich das Büro abgeschlossen habe, als wir es betreten haben.

Aus diesem Grund muss ich auch nicht befürchten, dass jemand hinein geplatzt kommt, und kann ungestört und ohne Angst, erwischt zu werden, Heikos süße Lippen einfangen.

Er gibt ein leises Seufzen von sich, erwidert meinen Kuss und lässt kurz darauf meine um Einlass bittende Zunge in seinen Mund gleiten. Freudig wird sie dort empfangen. Meine Sorgen um das fällige Gespräch mit meinen Eltern gerät in den Hintergrund.
 

Blind ziehe ich Heiko mit mir, um den Schreibtisch herum, wo ich mich auf den breiten Bürostuhl fallen lasse und Heiko weiter in meinen Armen behalte.

Der Stuhl keucht ungesund, hält uns aber aus. Auch, als Heiko sich rittlings auf mich setzt und die Knie neben meine Oberschenkel platziert, beschwert er sich nur kurz über das zusätzliche Gewicht.

"Wie lange hast du Pause?", möchte ich von ihm wissen. Meine Finger fummeln derweil am hinteren Bund seiner Hose.

"Noch bis achtzehn Uhr."

"Wunderbar." Genug Zeit für uns. Caroline wird noch ein paar Minütchen ohne mich auskommen.
 

~Heiko~

Von Null auf Hundertachtzig. Das bringt nur Henning bei mir fertig. Früher hat nur ein Blick von ihm gereicht, und in mir explodierte dieses Kribbeln. Aber jetzt, wo wir uns endlich so nahe sein können, wie noch nie zuvor, ist dieses Gefühl um ein vielfaches stärker, bündelt sich blitzartig in meiner Körpermitte und bringt mich zum Taumeln. 'Gut, dass ich sitze ... Sicher auf Hennings Schoß.'
 

*
 

~Henning~

"Heiko ... Das war ... Hab noch nie ..." Oh Mann! Was wollte ich eben sagen?

Heiko richtet sich auf und hockt sich wieder auf meinen Schoß. "Noch nie?", fragt er mich amüsiert. "Du hattest noch nie einen Blow Job?" Ich schüttle den Kopf. "War das jetzt ein nein, ich hatte schon einen, oder ein nein, ich hatte noch keinen?" Hä? Für solcherlei komplexen Fragen bin ich noch nicht aufnahmefähig.

"Hatte noch nie ... so einen", schnaufe ich einfach und hoffe, damit ist seine Frage beantwortet. Er lacht und busserlt meine Wange. Das war offensichtlich die richtige Antwort.

"Ich liebe dich", wispert er. Mein Mundwinkel wird geküsst, und noch ehe Heikos Lippen von meinen verschwinden können, habe ich sie auch schon eingefangen.

Während wir uns küssen, lässt er mir noch weitere Streicheleinheiten zukommen. Ich könnte glücklicher nicht sein. Beide Arme um Heikos Rücken gelegt, drücke ich ihn beherzt an mich. Ich möchte ihn am liebsten nie wieder loslassen. Leider können wir nicht ewig hier sitzen bleiben. Caroline wartet sicher schon auf mich und auch Heikos Pause dauert nicht ewig.
 

"Heiko? Wir müssen langsam." So leid es mir tut.

"Ich weiß", seufzt er. "Aber heute Nacht holen wir das nach, ja?"

"Auf jeden Fall", grinse ich. "Wieder bei mir, oder soll ich mal mit zu dir kommen?" Diese Woche habe ich zum Glück Nachts keine 'Bereitschaft', was bei uns bedeutet, die Klingel der Rezeption läutet, sollte einer der Gäste etwas brauchen, drüben bei meinen Eltern.

"Bei dir", entscheidet Heiko sich jedoch sofort. "Ich fahre schnell heim und hole mir Wechselkleidung."

"Wenn dir das nicht zu umständlich ist."

"Auf keinen Fall", säuselt er und schmust mit seiner Nase an meiner entlang. "Wenn ich hier übernachte, sind wir eher im Bett, als wenn wir erst zu mir fahren müssten."

"Verstehe", lache ich. "Klingt sehr logisch."

"Meine Meinung."

Noch ein Kuss, dann stehen wir auf und richten unsere Kleidung wieder. "Mist!" Ich schaue zu Heiko rüber. Der reibt an seinem Shirt herum. "Flecken", kommentiert er nur.

Ich weiß, es ist gemein, aber ich fange an zu lachen. Ganz zum Leidwesen Heikos, der die Schultern hängen lässt. "Ich kann dir ein Shirt von mir leihen", biete ich ihm an.

"Nein. Schon gut. Ich will ja sowieso gleich zu mir fahren."

"Wie du meinst." Ich schmiege mich seitlich an ihn. "Und falls jemand fragt, kannst du ja sagen, du hast dich beim Kochen eingesaut."

"Ha ha", macht er, grinst allerdings.

"Was denn? Du warst doch am Kochen ... So heiß, wie du warst", schnurre ich und schnappe nach seinem Ohrläppchen.

Heiko lacht. "Du hast mich überkochen lassen."

"Oh verzeih. Ich bin kein guter Koch."

"Nicht schlimm", kichert Heiko. "Dafür hast du ja jetzt mich."

"Ja?"

"Hmhm ..." An Heikos Lippen könnte ich ewig hängen ...
 

~Heiko~

"Henning? Wenn ich rechtzeitig wieder hier sein soll, muss ich jetzt langsam wirklich los."

"Bleib hier", nuschelt er und lässt seine Zunge hinter meinem linken Ohr verschwinden.

"Geht nicht", seufze ich und winde mich aus seinen Armen. Er sieht mich daraufhin wie ein armer, wimmernder Welpe ab, dessen Mutter ihn nicht mehr säugen möchte. "Nicht traurig sein", tröste ich meinen Spatz. "Heute Abend gehöre ich ganz dir." Lange ist es nicht mehr bis dahin.

Henning atmet tief ein und fährt sich mit den Händen durchs Haar. "Ich weiß doch. Aber es ist trotzdem schwer, dich gehen zu lassen."

"Das geht nicht nur dir so", versichere ich ihm und nehme seine Hand, um ihn mit mir zu ziehen.

Vor der Tür küssen wir uns noch einmal, ehe Henning aufschließt und sie öffnet. "Vergiss aber nicht, dass wir noch was brauchen für heute Nacht", meint er mit einem verschwörerischen Ausdruck auf dem Gesicht.

Ich runzle fragend die Stirn. "Was denn?"

"Kondo…"
 

"Hoppla!" Plötzlich stehen Hennings Eltern vor uns. Wir vier schauen uns erschrocken mit großen Augen an.

Henning neben mir erstarrt regelrecht. Und auch mir jagt der Schreck durch die Glieder. Vom Bauch aus saust er hinab bis in die Fußzehen und hinauf bis in die Fingerspitz... Schock Nummer zwei schlägt ein. Unsere Hände! Wir halten immer noch Händchen!

Für einen Bruchteil einer Sekunde überlege ich, sie einfach so zu belassen, Henning damit einfach die Last seines Outings auf diese Weise abzunehmen, doch meine Vernunft siegt. "Ha!", lache ich unbeholfen und drängle mich vor Henning, damit ich unsere Hände unauffällig lösen kann. "Karambolage im Büro", scherze ich und grinse, in der Hoffnung, die Situation so irgendwie auflösen zu können.

Es scheint mir zu gelingen. Martin und Agnes lächeln und entspannen sich etwas.

"Was macht ihr hier drinnen?", möchte Agnes allerdings wissen. Zu früh gefreut.

Ich schiele rüber zu Henning und bekomme Schreck Nummer drei. Seine Gesichtsfarbe spricht mehr als tausend Worte. "I-Ich mu... muss zu Caro... Caroline!" Ungelenk flüchtet er an uns vorbei. Seine Eltern starren ihm bloß nach. Sichtlich irritiert.
 

Wieder ist es seine Mutter, die sich an mich richtet. "Was ist hier los?"

"Ach nur wegen meinem Dienstplan. Ich brauche nächste Woche einen halben Tag frei", lüge ich. Ob sie mir glauben, bezweifle ich. Es erklärt ja auch nicht Hennings Abgang oder sein Stottern, das nur zum Vorschein kommt, wenn er nervös ist.

Ich atme einmal tief durch. "Henning geht es nicht gut", starte ich den Versuch, seinen Zustand zu erklären. "Kopfschmerzen."

"Kopfschmerzen?" Sein Vater wirkt mehr als skeptisch. Doch dann seufzt er. "Ich werde aus dem Jungen nicht mehr schlau."

Agnes guckt besorgt in die Richtung, in der Henning verschwunden ist. "Ihn belastet etwas", meint sie und sieht auf einmal mich an. Ich zucke regelrecht zusammen. "Oder?"

"Äh ... Kann sein." Ihr Blick wird stechend. "Ähm, es tut mir leid, aber ich muss noch schnell Besorgungen machen. Meine Pause ist bald rum. Bis nachher." Ich schlängle mich an den beiden vorbei und laufe eilig zur Hintertür. Erst, als ich in meinem Auto sitze, legt sich mein starkes Herzklopfen.
 

Henning hatte recht. Er muss mit ihnen reden. Nicht erst in einer Woche, einem Monat oder gar erst in einem Jahr. Er muss es jetzt tun.

Die beiden machen sich Sorgen um ihren Sohn. Und wer weiß? Vielleicht ahnen sie ja schon etwas. Und falls sie das noch nicht vorher getan haben, dann spätestens jetzt. Das heißt, wenn sie gesehen haben, wie ihr Sohn mit dem Koch Händchen hält.

Doch so, wie mich Hennings Mutter gerade angeschaut hat, befürchte ich das Schlimmste.
 

******

V. Bittersüße Entscheidung

Hy ^^

Sorry, dass ich schon wieder so lange fürs nächste Kapitel gebraucht habe. Letzte Woche war bei uns echt der Wurm drin.

Eure ganzen lieben Reviews beantworte ich später. Das schaffe ich nicht mehr ganz heute in meiner Mittagspause.

Ich wünsche euch derweil viel Spaß mit Henning und Heiko ;-)
 


 

V. Bittersüße Entscheidung
 

~Heiko~

Ich beeile mich, damit ich wieder ins Hotel komme, bevor ich zurück in die Küche muss. Erst muss ich mit Henning reden! Das hat absoluten Vorrang.

Dass ich ihn dort, so konfus wie er war, hab zurückgelassen, ohne nochmal mit ihm zu reden, tut mir inzwischen unfassbar leid. Aber ich war selbst zu überrumpelt vom Auftauchen seiner Eltern, als dass ich daran hätte denken können. Total bescheuert und auch ein Stück weit egoistisch von mir, ich weiß.

Dafür ist mir allerdings klar geworden, auch wenn sie mitbekommen haben sollten, dass Henning und ich mehr verbindet, als bloß ein Chef und Angestellten Verhältnis und sogar mehr als eine Freundschaft, dass das wahrscheinlich gar nicht mal so schlecht wäre.

Für Henning könnte es der Anstoß sein, seine letzten Ängste zu überwinden. Und seinen Eltern gäbe dies schon mal Zeit, darüber nachzudenken. Auch wenn es für sie erstmal nur ferne Gedankenspiele wären, im Sinne von 'Könnte es wirklich sein, dass ...?'

Aber wie dem auch sei, ich muss jetzt endlich wieder zu Henning!
 

Eilig habe ich die Tasche, die ich normal immer nur für den Gang in den Fitnessclub benutze, mit frischer Wechselkleidung und Toilettenartikel befüllt, nachdem ich mir schnell frische Kleidung angezogen habe.

Den Reißverschluss zugezogen, werfe ich sie mir über die Schulter und breche auf.

Von mir bis zum Hotel dauert es gerade mal eine viertel Stunde. Solange der Verkehr nicht allzu dicht ist, was heute zum Glück der Fall ist. Dennoch kommt er mir heute dreimal so lang vor.

Und als ich endlich im Hof stehe, kann es mir gar nicht schnell genug gehen.
 

Die Tasche belasse ich vorerst im Kofferraum. Zuerst muss ich zu Henning!

"Hallo Caro." Um nicht Gefahr zu laufen, den beiden Seniors über den Weg zu laufen, bin ich zur Eingangstür hinein. Caro steht hinter der Anmeldung.

"Hey. Pause schon rum?" Sie lächelt mich freundlich an.

"Fast", entgegne ich. "Weißt du, wo Henning ist?"

"Drüben. Ihm ging es nicht so gut vorhin." Sie nickt Richtung Wohnhaus. "Aber Agnes ist im Büro, falls du ..."

"Schon gut! Danke." Ich marschiere wieder nach draußen und überhöre Caros Gemecker, heute ließe sie niemand ausreden.
 

Ich umrunde die Vorderseite des Hotels und halte auf Hennings Wohnhaus zu. Ungeduldig und auch ein Stück weit besorgt drücke ich den Klingelknopf. Keine Reaktion. Auch beim dritten und vierten Klingeln tut sich nichts. Meine Besorgnis steigt.

Ich schaue nach oben. Dort unterhalb des Giebels, ist Hennings Schlafzimmerfenster. Und rechts darunter, in der unteren Etage, das Wohnzimmer. Wo könnte er sein?

Ich entscheide mich für das Schlafzimmer. Wenn es mir schlecht geht, aus welchem Grund auch immer, verkrieche ich mich meistens im Bett.

Vom Weg, der mit kleinen, weißen Kieselsteinen bedeckt ist, klaube ich mir eine Handvoll der Kiesel und nehme einen davon zwischen die Finger meiner rechten Hand.

Wurf Nummer eins ging daneben. Der Zweite hat das Schlafzimmerfenster nur knapp verfehlt. "Jetzt aber", sporne ich mich selbst an und tatsächlich. Treffer!

Nach kurzem Warten werfe ich den nächsten Stein. Dann einen weiteren. Es tut sich immer noch nichts. 'Dann wird er doch im Wohnzimmer sein', überlege ich und will gerade auf die andere Seite es Hauses, da klappert es. Das Fenster öffnet sich!

"Henning!" Ich lasse die Steine fallen und winke ihm zu.

"Heiko?" Hennings Kopf taucht auf.

"Du lebst ja doch noch", grinse ich.

"Halbwegs", lächelt er schmal. Mein armer Spatz.

"Lässt du mich rein?"

"Natürlich. Warte." Das Fenster schließt sich. Doch dafür öffnet sich kurz danach die Haustür.
 

~Henning~

Ich bin so froh ihn zu sehen.

"Du bist schon wieder zurück?"

"Ja", antwortet Heiko. "Tut mir leid. Ich hätte erst nochmal zu dir kommen sollen." Er sieht geknickt aus.

"Kein Ding. So konnte ich wenigstens nachdenken." Ich sehe Heiko sofort an, dass er gern wissen möchte, zu welchem Ergebnis ist dabei gekommen bin. "Komm mit ins Wohnzimmer", bitte ich ihn jedoch zuerst. "Magst du was trinken?"

"Ein Wasser." Ich hole zwei Gläser aus der Küche und stelle sie auf den Couchtisch. Heiko sitzt schon auf der Couch und sieht sich um. "Sind die Möbel noch von deinen Eltern?"

Perplex lasse ich die Wasserflasche in meiner Hand sinken. "Wieso? Sehen sie so aus?"

"Nein!", wiegelt Heiko sofort ab.

"Gut", brumme ich. "Ich habe nämlich alles umgebaut, nachdem sie hier ausgezogen sind." Es ist zwar nicht top modern, aber mir gefallen dunkle Holzmöbel. Und durch das Fachwerk und die Holzträger, die ich stellenweise freigelegt habe, passen sie meiner Meinung nach auch richtig gut hier rein.

"Hübsch." Heiko lächelt mich an.

"Hübsch ist die kleinere Schwester von Kacke", grummle ich.

Heiko guckt erschrocken. "Ich meine es wirklich so! Es gefällt mir!" Eine meiner Augenbrauen wandert skeptisch nach oben. "Doch ehrlich! Ich dachte nur, vielleicht haben deine Eltern es schon vorher renoviert."

"Haben sie nicht", sage ich und schraube die Wasserflasche zu. "Und die Möbel haben sie mit rüber in ihr Haus genommen."

"Klar", nickt Heiko. "Wäre ja auch blöd, wenn nicht." Ich fange an zu grinsen. Heiko ist wirklich zum Anbeißen süß, wenn er verlegen ist, stelle ich fest. "Was?"

"Nichts." Er runzelt die Stirn. "Meine Eltern haben gesagt, ich soll mir heute frei nehmen. Wegen meinen Kopfschmerzen."

"Oh." Heiko senkt den Blick.

"Danke. So hatte ich wenigstens eine Ausrede für mein Verhalten." Ohne Heikos Ausrede, hätte ich mich wieder um Kopf und Kragen gestottert.

"Hm", macht er allerdings bloß und dreht sein Wasserglas im Kreis herum. "Ich befürchte, das hat auch nicht viel genutzt."

"Inwiefern?"

Er beißt sich auf seiner Unterlippe herum. "Unsere Hände. Ich glaube, dass deine Eltern mitbekommen haben, dass wir Händchen gehalten haben." Unsicher sieht Heiko zu mir rüber.

"Ich weiß", entgegne ich. "Das habe ich mir auch schon durch den Kopf gehen lassen."

Heiko guckt überrascht. "Ja?"

"Hmhm."

"Und nun? Meinst du, sie haben es verstanden?"

"Kann gut sein", sage ich, überraschenderweise, sehr gefasst. Dabei würde ich am liebsten vor Panik davonlaufen. Natürlich weiß ich, dass ich das unmöglich kann und mich dem stellen muss, was auch immer auf mich zukommen mag.

"Ja und? Was jetzt?", fragt Heiko mich angespannt.

Ich zucke mit den Schultern. "Ich will es ihnen doch sowieso sagen. Das einzige, was mir Sorgen bereitet, bist du."

"Ich?" Heiko stellt das Glas ab. "Warum machst du dir Sorgen um mich?" Ich werde es ihm wohl sagen müssen.

"Ich will nicht, dass du wegen mir gefeuert wirst." Heiko öffnet den Mund, sagt aber nichts. "Du hättest erstmal keinen Job und müsstest dir was neues suchen. Außerdem, wenn sie mich nicht mehr hier haben wollen, weil ich ... weil ich schwul bin, dann stehen sie hier alleine da. Klar sind da noch all unsere Angestellten. Es wäre also nicht so schlimm. Aber dann noch ohne Koch dazustehen ..." Ich wische mir mit der Hand über das Gesicht. Irgendwie hört sich das jetzt bescheuert an. "Ach ich weiß doch auch nicht! In meinem Kopf wirbelt alles durcheinander!" Hier ginge alles drunter und drüber, wenn Heiko und ich fehlen würden. Und so sehr ich auch versuche, meinen und Heikos Weggang zu rechtfertigen, sollten sie uns rausschmeißen, sind es immer noch meine Eltern und unser Familienbetrieb.
 

"Ich will hier nicht weg", flüstere ich mit belegter Stimme. "Und ich will meine Eltern nicht verlieren." So sieht es nun mal aus. "Ich fühle mich, als müsse ich mich zwischen euch entscheiden." Zwischen meiner Liebe zu Heiko und der Liebe zu meinen Eltern.

Heiko legt seinen Arm um mich. "Mal abgesehen davon, dass ich sowieso nicht mehr hier arbeiten wollen würde, würden deine Eltern dich rauswerfen, es steht doch noch gar nicht fest, ob du wählen musst. Und selbst wenn, dich zu verleugnen bringt dir und deinen Eltern auch nichts."

"Ich weiß."

"Und so sehr es dich ehrt, dass du dir trotzdem Sorgen um deine Eltern machst, aber irgendwann muss man auch an sich denken."

"Ja." Natürlich weiß ich das auch, sowas ist aber leichter gesagt als getan. Trotzdem. Meine Entscheidung ist längst gefallen. Schon seit heute Mittag steht sie fest. Und sie hat sich auch nicht geändert. "Ich werde mit ihnen reden. Sowie sich die Gelegenheit bietet. Nur ... Vielleicht brauche ich noch etwas Zeit." Und da ist er wieder, der Feigling in mir.
 

Heiko sagt eine Weile lang nichts. Schweigend sitzen wir nebeneinander, bis sich sein Arm auf meinen Rücken legt. Dankbar lehne ich mich an seine Schulter.

"Henning?"

"Hm?"

"Heute Mittag hast du mir gesagt, dass ich dir in den Hintern treten soll, weißt du noch?" Wie könnte ich das vergessen? "Gilt das immer noch?"

"Ja", bestätige ich ihm sofort. Ohne seine Hilfe schaffe ich das nicht.

"Okay. Dann steh auf." Ich stutze, werde von Heiko losgelassen, da dieser aufsteht und mich herauszufordernd anschaut.

"Wieso?", frage ich dümmlich. Eigentlich kann ich mir schon denken, was er vor hat.

"Wir gehen zu deinen Eltern." Bingo.

"Jetzt?"

"Ja, jetzt." Ich zögere. Heiko wartet einen Moment, lässt mir einige Momente zum Nachdenken, doch das scheint ihm dann doch zu lange zu dauern. "Hör mal", sagt er und setzt sich wieder neben mich, bevor er meine Hände in seine nimmt. "Je länger du wartest, desto mehr steigerst du dich da rein, malst dir aus, was alles schlimmes passieren könnte. Normal würde ich dir keinen Druck machen, glaube mir, aber so, wie es dir gerade geht, ist es wohl wirklich das beste, wenn du es hinter dich bringst. Und du solltest dabei auch an deine Eltern denken."

"An meine Eltern?" An die denke ich doch nur!

"Sie haben bemerkt, dass es dir nicht gut geht und machen sich Sorgen um dich. Du musst sie vorhin, als du bei ihnen warst, ganz schön aus dem Konzept gebracht haben."

"Shit." Ich lasse den Kopf hängen. Es stimmt. Mein Auftritt, das versuchte Outing, ist alles andere als glorreich gewesen. Bei meinem Gestotter wissen sie hundert pro, dass etwas nicht stimmt. "Kann sein", gebe ich zu und atme tief ein. "In Ordnung. Gehen wir rüber."
 

~Heiko~

Henning geht voran. Seine Anspannung ist beinahe körperlich spürbar. Sein ganzer Rücken sieht steif aus.

Ich schließe zu ihm auf und nehme vorsichtig seine Hand. Wider meines Erwartens ergreift er sie, zerquetscht sie fast.

Drinnen, im Flur, der zum Büro und zur Küche führt, werde auch ich nervös. Doch was auch immer passieren wird, ich bin für Henning da.
 

"Soll ich anklopfen?" Wir stehen vor der Bürotür. Henning schüttelt den Kopf, klopft dann an.

"Ja?", kommt es von drinnen. Hennings Mutter.

Ich kann Hennings schnellen Herzschlag förmlich hören, als er die Türklinke nach unten drückt, sie langsam öffnet und "Heiko! Da bist du ja!" Caroline flitzt um die Ecke. "Die Gäste warten!"

"Was?" Wieso warten die Gäste?

"Das Abendessen! Ich dachte, du hättest schon alles vorbereitet, aber das Buffet ist leer!" Ach du Schande!

"Wie spät ist es?"

"Viertel vor." Viertel vor? Das heißt, vor fünfzehn Minuten hätte das Essen parat stehen sollen. Das habe ich ja total vergessen!

Ich schaue Henning an. Kurzweilige Ratlosigkeit, dann schließt er die Bürotür wieder. "Ich helfe dir", sagt er bloß und läuft rüber in die Küche.

"Los, los! Ich helfe auch mit!" Caroline hastet uns hinterher.
 

Zu dritt ist das Abendbrot, das zum Glück nur rüber zum Buffet getragen werden muss, schnell aufgetischt.

Henning entschuldigt sich für die Verspätung bei den Gästen, was eigentlich meine Aufgabe gewesen wäre. Ich fühle mich schlecht.

"Wir haben es beide vergessen", versucht Henning mich zu trösten, als wir allein in der Küche stehen und die Reste vom Abendessen wieder wegräumen.

"Die Verantwortung liegt aber bei mir. Ich habe noch nie ein Essen zu spät rausgegeben. Geschweige denn, einen Gast lange warten lassen." Das kratzt an meiner Berufsehre.

Henning tätschelt mir die Schulter. Am liebsten würde ich mich an seine Brust schmiegen, die Augen schließen und uns beide ganz weit weg beamen. "Es ist meine Schuld. Wegen mir geht hier alles drunter und drüber."

"Quatsch."

"Doch. Ist so." Henning sieht rüber zur Bürotür. "Gehen wir." Ehe ich reagieren kann, marschiert Henning los.

Ohne anzuklopfen, betritt er den Raum, doch: "Sie ist weg."

Ich blinzle über Hennings Schulter. "Bestimmt haben deine Eltern schon Feierabend gemacht", überlege ich. "Willst du rüber gehen?" Ich bin zu allen Schandtaten bereit.

"Das wird wohl das beste sein."

Aufmunternd reibe ich Hennings Rücken entlang. "Das wird schon." Dummer Standartspruch, aber was soll man sonst in so einer Situation sagen?

"Hmhm." Überzeugung klingt anders, aber ich kann ihn voll und ganz verstehen.
 

~Henning~

Versuch Nummer drei. Wieder laufe ich auf das Haus auf der gegenüberliegenden Straßenseite zu, und wieder randaliert mein Bauch. Doch diesmal habe ich Heiko an meiner Seite.

Ganz wohl ist mir damit immer noch nicht, obwohl es mich arg beruhigt, ihn bei mir zu haben. Ich klammere mich an seiner Hand fest, als ginge es um mein Leben.

In gewisser Weise tut es das ja auch. Gleich könnte mein Leben, so wie es bisher verlaufen ist, abrupt enden.

Aber daran mag ich jetzt nicht denken. Heiko hatte recht. Ich steigere mich da momentan total hinein. Und weil ich schon immer diese furchtbaren Bilder in meinem Kopf hatte, was passieren täte, wenn meine Eltern herausfinden würden, dass ich schwul bin, sind sie auch so präsent und schmerzhaft.

"Ich hoffe nur, dass ich diesmal nicht wieder dastehe, und kein Wort herausbekomme", sage ich zu Heiko.

"Kann ich irgendwas tun? Also falls das wieder passiert."

Ich verneine. "Ich habe vorhin geübt", gebe ich zu.

"Geübt?" Heikos Mundwinkel zucken. "Eigentlich keine schlechte Idee."

"Na ja. Wie früher beim Logopäden, bei dem ich war. Vielleicht hilft es."

"Kann nicht schaden. ... Hast du eigentlich sehr schlimm als Kind gestottert?"

"Als Kind nicht so", erzähle ich ihm. "Das fing bei mir erst in der Pubertät an."

"Echt?" Ich nicke. "Gab es da irgendeine Art Auslöser?"

Ich zucke mit den Schultern. "Wenn es danach ginge, wäre mein gesamtes Leben ein Auslöser", erwidere ich sarkastisch, was Heiko allerdings nicht versteht, und anscheinend gerade nachfragen möchte, was ich meine, da donnert es plötzlich gewaltig über uns.
 

Erschrocken bleiben wir stehen und schauen in den Himmel.

"Au Backe!", japst Heiko. "Das sieht aber schwer nach einem Unwetter aus."

"Scheint so", pflichte ich ihm bei und betrachte den ungesund aussehenden Himmel, der irgendwie grünlich aussieht. Grünlich-dunkel und unheilvoll.

Wind zieht auf. "Wir sollten zurück zum Hotel", sage ich zu Heiko. "Nicht, dass was passiert."

"Ist vielleicht besser." Wir nehmen die Beine in die Hand.
 

Während wir auf unser Hotel zulaufen, wird der Wind immer stärker. Etwas kracht ungesund. Es kam von Richtung See. Heiko und ich schauen uns kurz an, dann rennen wir auch schon los.

"Der Schirm!", ruft er mir zu und deutet auf den großen gelben Sonnenschirm, der auf der Terrasse steht. Jedenfalls tut er das normalerweise. Jetzt liegt auf der Seite, zwei der Streben sind abgeknickt. Der Rest dient aber immer noch als provisorisches Segel, das den Wind einfängt, und den Schirm samt Ständer über die Terrasse zieht. Wir haben Mühe, ihn einzufangen.

Als wir ihn endlich einigermaßen unter Kontrolle haben, sehen wir zu, dass wir ihn irgendwie zusammengeklappt bekommen. Nach gefühlten Ewigkeiten schaffen wir es zum Glück.
 

"Wohin?", fragt Heiko mich über den tosenden Wind hinweg.

"Runter in den Keller!" Ich nicke zur Kellertür, links neben der Terrasse.

Nachdem wir den Sonnenschirm sicher im Keller haben, bleibt uns jedoch keine Zeit zum Verschnaufen. Jetzt geht es erst richtig los.

"Hagel!" Entsetzt zeigt Heiko zur Kellertür hinaus.

"Verdammt!" Das hat gerade noch gefehlt!

Zudem tut es draußen schon wieder einen Schlag.
 

~Heiko~

Wir stürmen nach draußen. Die gesamten Terrassenmöbel wirbeln durch die Gegend. "Wir müssen alles in den Keller schaffen!", ruft Henning mir zu.

"Okay!"

"Nimm alles, was noch oben steht, ich fange die Stühle da unten ein!"

"Mach ich!" Wir gehen an die Arbeit.

Der Hagel versperrt mir die Sicht. Nur mir Mühe erkenne ich, wo ich hintrete. Nicht ganz ungefährlich. Kleine Äste liegen hier und da herum. Es fehlte noch, dass ein Baum umfällt!

Mit zwei Stühlen bewaffnet, eile ich zum Keller rüber. Als ich sie abstelle, kommt Henning herbei. "Himmel!", schnaubt er. "Man könnte meinen, die Welt geht unter!"

"Pass ja auf, dass dir kein Ast auf den Kopf fällt", ermahne ich ihn.

"Dito." Schon stehen wir wieder im Hagel.

"Henning! Der Tisch! Schnell!" Einer der Tische rollt Richtung See. Henning ist näher an ihm dran.

"Ich mach ja schon!"

Ich schnappe mir was geht und renne wieder zum Keller. Aus den Augenwinkeln sehe ich Henning, der sich mit dem Tisch abmüht und einen der Stühle, der schon gefährlich nahe am See herumrutscht. So ein Mist!
 

Wieder treffen wir uns im trockenen Keller. "Die Stühle! Die landen alle im See!", japse ich. Mir geht die Luft aus!

"Ich weiß. Beeilen wir uns lieber." Ich nicke, auch wenn meine Lungen sich am liebsten einen Moment lang ausruhen würden.

Dennoch laufe ich Henning nach. Doch er ist noch nicht mal aus der Tür, da stoppt er unvermittelt. "Was macht ihr denn hier draußen?", fragt er.

Erst denke ich, dass es seine Eltern sind, doch falsch gedacht. "Nach was sieht es den aus? Wir wollen euch schnell helfen." Der Fremdgehtyp! Äh Niclas. Dank Henning weiß ich ja jetzt, dass Niclas nichts von meinem Spatz wollte, sondern mich nur eifersüchtig machen wollte. Hat geklappt. Sehr gut sogar.

"Ähm ... Aber das müsst ihr nicht! Ich meine, ihr seid doch Gäste!", schlägt Henning Niclas' Angebot händewedelnd ab. Ich hätte allerdings nichts gegen ein wenig Hilfe.

"Wir sind eh schon nass. Und zusammen geht es schneller", winkt Niclas' Partner ab. Damit hat er Henning herumbekommen. Er gibt klein bei und wir machen uns wieder an die Arbeit, die vom Sturm verwehten Möbel einzufangen.
 

Am Ende sind wir vier alle klitschnass und durchgefroren. Aber, bis auf den Schirm, ist alles und vor allem jeder, heil geblieben.

Froh, endlich im trockenen und warmen zu sein, sammeln wir uns im Hotel vor dem Empfang. "Danke, für eure Hilfe", bedankt sich Henning bei unseren Helfern. Auch er ist bis auf die Knochen durchnässt. Das weiße Hemd zeigt mehr, als es versteckt, wie ich bemerke.

Dunkel zeichnen sich Hennings Brustwarzen vom hellen, durchscheinenden Stoff ab. Und es klebt so eng an seiner Haut, dass man jeden Muskel darunter genaustens ausmachen kann. Mir wird schlagartig heiß.

"Geht am besten schnell hoch und steigt aus den nassen Klamotten, bevor ihr euch noch was einfangt", sage ich zu Niclas und seinem Freund Meilo. Nicht, dass sie meinen halbnackten Henning bemerken und ihm irgendwas weggucken.

"Ist gut. Ihr aber auch", lacht Niclas, zwinkert Henning zu, während er mir einen eindeutigen Blick schenkt. Hennings Peep-Show-Hemd ist also doch aufgefallen. Entweder das, oder Nic hat bemerkt, dass mir längst nicht mehr kalt ist ...
 

~Henning~

"Hoppla!", lache ich und fange Heiko auf. Der wäre eben beinahe beim Versuch, sich aus seiner nassen Hose zu pellen, umgefallen. Ich helfe ihm schnell. "Besser?" Die nasse Hose wandert in den Wäschekorb.

"Viel besser", raunt er und hängt sich an mich. "Jetzt du."

"Aber ich habe meine Hose schon ausgezogen."

"Das meine ich nicht", säuselt Heiko und schubst mich Richtung Dusche. "Jetzt bist du dran."

"Mit was?" Grinsend betrete ich die Duschkabine, die Heiko hinter sich schließt.

"Hiermit." Seine Stimme ist nur ein Flüstern, als sich seine Lippen um eine meiner Brustwarzen legt. Blitzschnell rast ein erregendes Prickeln durch meinen Körper.

Seufzend schließe ich die Augen und taste blind nach dem Wasserhahn. Er ist schnell gefunden. Ebenso schnell zucken wir zusammen, weil das Wasser zuerst schweinekalt ist. Es wird aber schnell wärmer und ich kann mich wieder voll und ganz auf Heikos Zunge konzentrieren.

Sie tanzt wild im Kreis herum, drück gegen meine längst erhärtete Brustwarze.

Ich versuche abzuschalten. Will heute Abend nicht mehr an meine Eltern denken, oder daran, was noch alles auf mich zukommen könnte. Heute Abend gibt es nur Heiko ...
 

Nach dieser, sagen wir, sehr reizvollen Dusche, ist die Kälte völlig aus unseren Gliedern gewichen.

"Immer noch ganz schön stürmisch." Heiko guckt aus dem Küchenfenster. Wir wollen uns Tee machen.

"Hoffentlich fliegt nichts auf's Dach." Bei Sturm bin ich immer ganz besorgt. Schäden können wir wirklich nicht gebrauchen. Zwar sind wir versichert, aber der daraus entstehende Ärger und die Herumrennerei braucht echt niemand.

"Kann man nie wissen. ... Sag mal. Hast du noch irgendwo Teebeutel? Die Packung hier ist leer."

"Leer?" Heiko zeigt mir die leere Packung Früchtetee.

"Och man", seufze ich. "Hab vergessen sie aufzufüllen." Ich stibitze mir immer ein paar Beutel aus dem Hotel. Leider vergesse ich das meist, bis ich welchen trinken will und dann extra rüber latschen muss. "Soll ich Kaffee machen?", frage ich Heiko, doch er verneint.

"Lass uns drüben welchen trinken."

"Jetzt? Du willst jetzt rüber?"

"Hmhm", macht er und nimmt den Wasserkocher. "Und du gehst zu Niclas und Meilo." Die Fragezeichen müssen mir förmlich aus dem Gesicht springen, so, wie Heiko mich angrinst. "Laden wir sie zum Tee ein. Als Dank für ihre Hilfe. Und Abendbrot müsste auch noch da sein. Ich habe Hunger." Ach so!

"Gute Idee!"

Ich würde die beiden gern noch besser kennenlernen, ehe sie wieder abreisen. Besonders Niclas habe ich viel zu verdanken. Vielleicht können wir ja in Kontakt bleiben. Das wäre wirklich schön.
 

Eingepackt in Regenmäntel und Gummistiefel (Heikos Füße sind viel kleiner als meine, weshalb es total lustig aussieht, wie er über den Hof watschelt), machen wir uns auf den Weg rüber ins Hotel.

Glücklich angekommen, wandern die nassen Sachen an die Garderobe. Und während Heiko den Tee fertig macht, gehe ich hinauf zu ... Klack! Alles ist dunkel.

"Henning?"

"Bin noch da." Ich stehe an der Rezeption.

"Ich sehe nichts." Wirklich?

"Ich auch nicht."

"Dann bin ich beruhigt", lacht Heiko. "Ich dachte schon, es liegt an mir." Grinsend schüttle ich den Kopf.

"Hier vorn sind irgendwo Streichhölzer", rufe ich ihm zu. "Bleib wo du bist. Ich suche sie."

"Zu spät", ertönt es hinter mir. Es schimmert hell. "Hab 'ne App dafür", kichert mein Süßer und wedelt mir mit seinem Handy zu.

"Die hilft dir aber auch nichts, wenn der Akku leer ist", erwidere ich.

"Zum Streichholzsuchen reicht mein Akku aber noch." Routiniert greift er in ein Kästchen, das in der Ecke des Tresen steht und hält ein Feuerzeug nach oben.

"Das ist kein Streichholz", mäkle ich.

"Egal. Macht auch Feuer." Wo er recht hat, hat er recht.
 

Ich zünde eine Kerze an und laufe runter zum Verteilerkasten. Doch dort ist alles wie es sein muss. Dann ist der Strom nicht nur bei uns ausgefallen. Ein Blick hinaus Richtung Stadt bestätigt mir dies. Auch die Straßenlaternen sind aus. Alles dunkel.

"Der Strom ist überall ausgefallen", berichte ich Heiko, als ich wieder in der Küche bin.

Er hat ebenfalls ein paar Kerzen entzündet.

"Hoffentlich dauert der Stromausfall nicht zu lange. Die Lebensmittel im Kühlraum können wir sonst wegwerfen."

"Der kühlt noch eine Weile nach."

"Ich weiß. Ist trotzdem blöd." Ich nicke.

Heikos Handy klingelt. "Ja? ... Ja, ich bin noch in der Küche. Henning ist auch da. ... Nein, nein. Wir kümmern uns um alles. ... Ja. ... Euch auch. Tschüss."

"Meine Eltern?"

"Ja. Ob du hier bleiben kannst. Wegen den Gästen."

Ich nicke nachdenklich. "Ich gehe mal rund und verteile Kerzen. Dann frage ich Niclas und Meilo ob sie runter kommen wollen."

"In Ordnung." Ich umarme Heiko, schenke ihm einen langen Kuss, und mache mich anschließend auf den Weg.
 

Als ich jedem Gast ein paar Kerzen und eine Schachtel Streichhölzer gebracht, und mich vergewissert habe, dass alles okay ist, klopfe ich als letztes an Nics und Meilos Zimmertür. Meilo öffnet. "Alles in Ordnung bei euch?"

"Ja. Und bei euch?", antwortet er mir.

"Der Strom ist ausgefallen. Ähm ... Heiko und ich dachten uns, ihr wollt vielleicht auch einen Tee? Das Wasser ist schon heiß." Meilo schaut zu Niclas, der schon im Bett liegt.

"Ja. Gerne", erwidert dieser nach kurzem Überlegen und steigt aus den Federn.

Beide ziehen sich schnell noch was über, dann führe ich sie in den Gastraum.
 

Heiko hat dort eine Kerze auf einen der Tische gestellt und wartet schon auf uns.

Tee und Tassen stehen auch schon parat.

"Wie gemütlich. Ein Stromausfall hat auch Vorteile", lobt Niclas.

Ich lächle ihn an. "Und sei es nur, um Tee mit Freunden zu trinken."

Niclas wirkt kurz irgendwie perplex, lächelt dann allerdings zurück und setzt sich an den Tisch.

Ich setze mich ebenfalls und nehme neben Heiko platz, der allen Tee einschenkt.

Draußen pfeift der Wind. Richtig unheimlich. Mich überläuft es richtig, aber ich schüttle das Gefühl schnell ab. "Also … Nochmal danke, dass ihr uns geholfen habt", bedanke ich mich bei Niclas und Meilo.

"Nichts zu danken. Wir konnten doch nicht zulassen, dass ihr beide vom Sturm weggeweht wird, jetzt, wo ihr endlich ein Paar seid." Niclas beäugt uns neugierig.

Heiko ist es, der ihm antwortet, worüber ich dankbar bin. "Ich habe gehört, dass wir das zum Teil auch dir zu verdanken haben."

"Henning hat dir davon erzählt?" Nic scheint überrascht.

"Ich musste. Heiko war immer noch sauer auf dich", erkläre ich ihm.

Tatsächlich war Heiko eifersüchtig auf Nic gewesen. Aber als ich ihm erzählt hatte, dass Niclas derjenige war, der mit erst die Augen geöffnet hat, war er mit ihm versöhnt.

"Als er mir sagte, dass du ihm nur geholfen hast, um über seinen eigenen Schatten springen zu können, da war ich es natürlich nicht mehr", lacht mein Schatz. "Ohne dich würden wir vielleicht jetzt noch unentschlossen umeinander herumkreisen." Welch Horrorvorstellung!

Heiko und ich sehen uns an. Da sind wir ganz offensichtlich einer Meinung. Ich ergreife seine Hand.

Nein. Ich möchte wirklich nie wieder ohne ihn sein. Selbst wenn das den Bruch mit meinen Eltern bedeutet. Jetzt bin ich endlich der, der ich wirklich bin. Na ja. Ich bin zumindest auf den besten Weg dorthin. Eine Hürde muss ich noch nehmen ...
 

"Habt ihr es schon offiziell gemacht?" Sieht so aus, als könne Nic Gedanken lesen. "Also noch nicht?", schließt er aus unserem betretenen Schweigen.

"Nein", antworte ich ihm. "Meine Eltern wissen nicht, dass ich … Nun ja …"

"Auf Kerle stehst?"

"Ja." Ich nicke Meilo zu, während sich mir eine Frage aufdrängt, die ich die zwei gerne stellen würde. "Deswegen wollte ich euch fragen … also … weil ihr ja so unbeschwert miteinander umgeht und … ähm …" Ich beiße mir auf die Zunge und schimpfe mich einen nervösen Vollidioten. Vor ihnen muss mir das doch nicht peinlich sein! Aber vielleicht muss ich mich erst noch daran gewöhnen, offen darüber sprechen zu können.

"Du willst wissen, wie es bei uns war?", Hakt Niclas nach.

Ich nicke. "Ähm … Ja. Ist ein Outing schlimm?"

"Puh! Das kommt drauf an. Meine Eltern waren da sehr locker", erzählt Niclas. "Und eigentlich habe ich mich nicht wirklich von mir aus vor ihnen geoutet, sondern meine Mutter hat es herausgefunden." Mein Albtraum schlecht hin. Wenn meine Eltern es irgendwann von selbst herausgefunden hätten.

"Bei mir war es ähnlich", erklärt Meilo. "Irgendwie wussten sie es. Es war auch nicht schwer zu erraten", grinst er.

Auch wenn ich das jetzt nicht verstehe, frage ich diesmal nicht weiter nach.

"Haben deine Eltern jemals was verlauten lassen, dass sie eine Abneigung gegen Homosexuelle haben?"

"Nein. Soweit ich weiß nicht", antworte ich Nic und schüttle den Kopf.

"Das denke ich auch nicht", wirft Heiko ein. "Es waren schon mehrmals gleichgeschlechtliche Pärchen hier und nie haben sie ein böses Wort über sie verloren." Ich fühle mich plötzlich arg unwohl.

"Aber das heißt noch gar nichts! Selbst wenn sie nichts gegen Homosexuelle haben, vielleicht haben sie es, wenn sie erfahren, dass ihr einziger Sohn schwul ist!" Wie oft habe ich mir das schon durch den Kopf gehen lassen? Mir immer die Frage gestellt, wie sie tatsächlich mir Homosexualität umgehen würden. Ein Gast ist schließlich ein Gast. Man behandelt ihn freundlich. Es sei denn, er verhält sich unmöglich, randaliert oder stiehlt.
 

Heiko neben mit seufzt. "Das wissen wir aber nicht mit Sicherheit, wenn wir es ihnen erst gar nicht sagen", wendet er ein und drückt meine Hand, doch zu spät. In meinen Gedanken haben sich wieder Unmengen Ängste angesammelt, die mich in meiner Entscheidung schwanken lassen.

"Du stellst dir das so einfach vor, aber ich kann das nicht mal so auf die Schnelle!", erwiderte ich beinahe schon panisch. Dabei wollte ich heute Abend doch gar nicht mehr darüber nachdenken!

"Das weiß ich doch, aber wir werden es nicht lange geheim halten können." Natürlich weiß ich das.

"Und du weißt, dass ich auf den richtigen Zeitpunkt warten will, bis …"

"Ähm Leute? Es bringt überhaupt nichts, wenn ihr euch gegenseitig ankeift." Nic schreitet ein. Zum Glück. Mir tut mein Ausbruch sofort leid.

Heiko und ich haben schon genug darüber geredet. Und eigentlich sind wir uns doch längst einig. Ausflüchte bringen nichts. Es wird Zeit, sich dem zu stellen.

"Nic hat Recht", meint Meilo "Geständnisse nagen an einem, bis man sie gestanden hat, nicht wahr?" Oh wie recht er doch hat!

"Ja, genau! Je eher ihr euch Hennings Eltern stellt, desto besser", pflichtet Nic ihm bei.

"Das findest du also auch?" Meilo sieht Niclas lauernd an. Na nu? Muss ich das jetzt verstehen?

"Ja, habe ich doch gesagt. Warum fragst du?"

"Nur so", antwortet Meilo und grinst schief. "Es ist doch sowieso egal, wann ihr es ihnen sagt. Ihre Reaktion verändert sich nicht."

"Stimmt." Ich nicke.

"Doch je eher ihr das tut, desto schneller seit ihr dieses ungute, nagende Gefühl los, dass euch plagt."

Wieder stimme ich Meilos Worten zu. "Morgen sage ich es ihnen." Es führt kein Weg dran vorbei.

"Morgen sagen wir es ihnen. Ich lasse dich das nicht alleine durchmachen." Heiko streichelt mir über den Handrücken.

Mir ist immer noch unwohl bei dem Gedanken, ihn dabei zu haben. "Danke, aber das musst du ni..."

"Doch, das muss ich! Das geht nicht nur dich was an." Pure Entschlossenheit in Heikos Blick. Wie sehr ich ihm doch liebe!

Ich ziehe ihn an mich und umarme ihm fest. "Wir schaffen das", flüstert er. Ich bringe nur ein Nicken zustande.
 

***
 

~Heiko~

"Noch jemand?" Ich halte die Likörflasche hoch. Allgemeines Kopfschütteln.

Ich wohl auch besser so. Sonst rennen wir morgen alle mit dicken Schädeln herum.

Der Strom geht inzwischen wieder. Was für ein Glück! Kaum auszudenken, wenn im Kühlraum alles aufgetaut wäre.

Dennoch sitzen wir vier immer noch ohne elektrisches Licht am Tisch. Die Kerze ist fast abgebrannt.

Es ist ein schöner Abend gewesen. Niclas und Meilo sind wirklich nett. Auch Gesprächsstoff hatten wir zuhauf. Nic hat von seinen Berufswunsch als Programmierer geredet, und auch Meilo möchte sich nächstes Jahr umorientieren. "Ich singe", gab er lächelnd auf meine Frage zur Antwort. Eine Kostprobe bekamen wir leider nicht. "Da hättest du mir nicht so viel Likör einschenken dürfen." Schade.

Doch auch über Henning habe ich noch so einiges erfahren, was ich vorher nicht wusste. Viel über seine Kindheit zum Beispiel. Mein Spatz war richtig gelöst und redselig. Wieder eine ganz neue Seite an ihm.
 

"Ich glaube, für uns ist es an der Zeit." Meilo gähnt herzhaft.

"Wir sollten auch ins Bett", sagt Henning. "Die letzte Nacht war schon zu kurz."

"Ah ja", lacht Nic. "Mehr Einzelheiten bekommen wir wohl nicht erzählt?"

"Nö", grinse ich. "Das ist unser Geheimnis."

"Spielverderber", nölt Niclas, steht dann aber auf. "Dann eine gute Nacht euch beiden. Treibt's nicht zu wild." Er zwinkert uns zu.

"Abwarten", feixt Henning. Wieder eine ganz neue Seite an ihm. Gefällt mir. Vielleicht wird er die öfter zeigen, wenn der Stress vorbei ist.

"Und denkt dran. Wir sind morgen früh hier, falls ihr unsere Unterstützung braucht", sagt Meilo, während Niclas zustimmend nickt.

"Danke." Henning scheint dies zu erleichtern, was mich freut. Je mehr Unterstützung er hat, desto besser. Und zur Not ist ja auch noch Gertrud da.
 

Henning und ich räumen noch schnell alles auf und machen uns danach rüber. Der Sturm ist abgeflaut. Nur noch hier und da säuselt eine einsame Windböe in den Ästen. "Morgen muss ich erstmal gucken, ob auch alles heil geblieben ist", meint Henning. "Der Wind war ganz schön heftig."

"Hmhm", seufze ich und lehne mich im Gehen an seine Seite. Ich bin schlag-kaputt!
 

Froh, endlich im Schlafzimmer angekommen zu sein, ziehe ich mich bis auf die Unterhose aus und falle wie ein gefällter Baum ins Bett. Ich höre Henning lachen. Ich brumme nur und decke mich zu.

"Doch nichts mit wild treiben?"

Ich starre Henning ungläubig an. "Sag bloß, dafür hättest du heute Abend noch Energie?" Bei aller Liebe, aber ich penn schon halb.

Lachend klettert mein scheinbar energiegeladener Spatz zu mir ins Bett. "Nicht wirklich", grinst er und kuschelt sich an mich. "Aber hierfür habe ich noch ein bisschen Energie." Henning nimmt meine Lippen ein. Dazu reicht meine Energie auf alle Fälle auch noch ...
 

******

VI. Es ist angerichtet

Kann mir mal einer sagen, wo die Woche hin ist? Heute ist schon Sonntag O_O

Die Zeit rennt nur so dahin. Eigentlich wollte ich dieses Kapitel schon längst hochgeladen haben. Aber wir hatten so viel zu tun im Laden, dass ich Abends kaum noch geradeaus gucken konnte. Da hatte ich meine bayrischen Jungs ganz vergessen -____-“

Aber dafür bekommt ihr heute gleich die volle Dröhnung. Die letzten beiden Kapitel.

Ja, ihr habt richtig gelesen. Es geht aufs Ende zu. Doch bevor es Lebewohl heißt, steht noch einiges bei den beiden an ;-)
 

Eure Fara
 


 

VI. Es ist angerichtet
 

~Heiko~

"Das stelle ich mir schlimm vor."

"Na ja. Ich wusste ja schon vorher, dass ich anders bin." Henning lächelt schmal. "Aber als ich ganz offiziell und ärztlich bestätigt als 'dumm' galt, das war wirklich kein schönes Gefühl."

"Mein armer Spatz." Tröstend kraule ich ihm durch sein weiches Haar und küsse seine Wange. Ihn mir als kleiner Junge vorzustellen, wie er beim Arzt hockt ... Am liebsten würde ich den kleinen Wurm geradewegs fest in meine Arme nehmen und ihm sagen, dass schon wieder alles gut wird.

"Inzwischen ist ja alles vorbei. Und aus mir ist trotzdem was ordentliches geworden." Meine Rede.

"Oh ja", wispere ich. "Ganz außerordentlich ordentlich."

Henning lacht auf. "Außerordentlich ordentlich? Gibt's sowas?"

"Hmhm", nicke ich und kann einfach nicht widerstehen, Hennings Ohrläppchen zwischen meine Lippen zu saugen.

"Heiko? Dein Kaffee wird kalt." Spaßbremse! Aber zu seiner Verteidigung, wir müssen in einer Viertelstunde im Hotel sein. Unsere Duschzeit heute Morgen hat mal wieder viel zu lange gedauert ...
 

"Meinst du, Nic und Meilo sind schon da?" Ich zucke mit den Schultern. "Ich guck mal im Frühstücksraum."

"Tu das." Ich lächle ihn verliebt an und biege anschließend in die Küche ab, während Henning nach vorn läuft. Frühstückszeit.

Die alltägliche Arbeitsroutine stellt sich schnell bei mir ein. Die Brötchen vom Bäcker sind gerade geliefert worden und noch herrlich warm. Ich liebe den leckeren Duft, den sie in der Küche verströmen.

Heute Morgen bin ich noch allein in der Küche, weshalb ich selbst die Brötchen in die Körbe verteile, das Wasser für die Eier aufstelle, den Aufschnitt und den Käse aus dem Kühler hole, eben all das, was ich sonst immer tue. Prima zum Abschalten, auch wenn mir das heute nicht ganz gelingen mag.

"Morgen!" Hennings Mutter! Als hätte ich es heraufbeschworen.

"Morgen", rufe ich ihr zu. Sie betritt die Küche. "Habt ihr den Sturm gut überstanden?"

"Ja. Und hier?"

"Alles bestens. Sturmschäden hat Henning auch noch keine entdeckt."

"Wunderbar. Aber Martin geht nochmal das Grundstück ab." Agnes mopst sich eins der Brötchen. "Dann habt ihr also gut geschlafen?" Ihr Blick durchbohrt mich.

"Ähm ... Ja. Also ich auf jeden Fall." Ich lächle sie an, renne aber gleich zum Herd. Das Wasser für die Eier kocht.

"Du hast bei Henning geschlafen." Das klang nicht nach einer Frage, sondern nach einer Feststellung.

"Ja", antworte ich ihr wahrheitsgemäß und versuche meine Stimme so beiläufig wie möglich klingen zu lassen. "Es wurde ziemlich spät gestern. Bis wir alles kontrolliert, und bei den Gästen nachgeschaut hatten. Da bot sich das an." Immer noch ist ihr Blick durchdringend. Mir wird total unwohl, was sie anscheinend auch beabsichtigt. 'Sie weiß es!' Oder sie ahnt es zumindest.
 

"Ihr beide versteht euch seit neustem ziemlich gut, oder?"

"Wir verstehen uns schon immer gut", weiche ich aus.

Sie lächelt dünn. "Heiko. Du weißt, wie Henning manchmal ist. Und ich kenne meinen Sohn. Er würde dich nicht bei ihm übernachten lassen, wenn ihr euch nicht 'ziemlich' gut verstehen würdet." Ich muss hart schlucken. Sie weiß es definitiv!

Die Eier tanzen inzwischen alle wild im sprudelnden Wasser umher. Ich schaue meine Chefin geradewegs an. "Und?", frage ich sie. "Wäre das schlimm?"

Sie beißt in ihr Brötchen und denkt einem Moment lang kauend nach. "Ich bin froh, dass Henning einen Freund in dir gefunden hat. Er tut sich damit immer sehr schwer." Einen Freund in mir? Ahnt sie doch nichts? "Aber es wäre schön, wenn er dich uns auch mal vorstellen würde. So als 'Freund'." Okay. Ich nehme es zurück. Sie weiß es doch! Daran lässt ihr Tonfall keine Zweifel.

"Wir sind noch nicht lange ... Freunde", erwidere ich. "Und Henning tut sich nicht nur mit Freunde finden schwer."

Die nickt lächelnd. "Dann sag ihm nichts von unserer Unterhaltung, ja?" Was?

"Warum nicht?"

"Hm. Nennen wir es vertrauensbildende Maßnahme", grinst sie und wendet sich zum Gehen. "Frohes Schaffen noch Heiko."

"Danke ..." Was sollte denn das jetzt?
 

~Henning~

'Nur noch ein Zimmer, dann bin ich mit der unteren Etage erstmal durch.' Noch niemals ist mir das Housekeeping so schwer gefallen wie heute. Und noch nie war ich so unglücklich darüber, damit bald fertig zu sein. Die Stunde meines Outings rückt unaufhaltsam näher.

"Henning!"

"Ja?" Oh Gott! Erschrocken drehe ich mich um. Mein Vater kommt ins Zimmer gestürmt.

"Habe ich dich erschreckt?"

"Ja", schnaufe ich verärgert.

"Tut mir leid."

"Schon gut. Was gibt es denn?" Irgendwas muss passiert sein. Umsonst würde mich mein Vater nie halb zu Tode erschrecken.

"Hinten am Steg sind einige Bretter davon geweht."

"Oh nein", seufze ich.

"Ist nicht allzu schlimm. Ich wollte dir nur Bescheid geben, dass ich ihn repariere. Bevor jemanden noch was passiert."

"Ja tu das." Mein Vater nickt geschäftig und will gerade wieder davon rauschen. "Du Papa? Warte nochmal kurz."

"Ja?"

"Ich muss nachher etwas Wichtiges mit dir und Mama bereden." Nun gibt es keinen Weg mehr zurück.

"Okay", meint er. "Ist etwas passiert?"

"So ungefähr." 'Ich bin schwul und habe mich in Heiko verliebt.' "Aber das hat noch bis nachher Zeit. Repariere lieber erstmal den Steg. Das hat Vorrang."

"Mach ich." Er klopft mir auf die Schulter und sieht mich aufmunternd an. "Egal was es ist, das bekommen wir schon hin." Mit diesen Worten verschwindet er wieder.

Zurück bleibe ich, total durcheinander und aufgewühlt. 'Wir bekommen das schon hin?' Was hatte das jetzt zu bedeuten?
 

Fertig mit den unteren Zimmern, suche ich Heiko auf. Er ist in den letzten Zügen das Frühstücksbuffet herzurichten. Ich helfe ihm schnell.

Hinterher in der Küche, als wir allein sind, erzähle ich ihm von dem Gespräch mit meinem Vater. "Ob er immer noch so denkt, wenn er erfährt, was ich den beiden sagen möchte?", frage ich Heiko. "Wir bekommen das schon hin", wiederhole ich Papas Worte, die mir immer noch, irgendwie unheilvoll, im Kopf herumwirbeln.

"Warte es doch einfach ab. Ändern kannst du es ja doch nicht." Heiko zuckt mit den Schultern. Irgendwie kommt er mir komisch vor. Hm. Er wird auch aufgeregt sein.

"Du hast ja recht. Ich habe trotzdem Bammel."

Heiko kommt auf mich zu und legt seine Hände in meinen Nacken. Zärtlich krault er mit seinen Finger meinen Nacken. Mit einem leisen Seufzen lehne ich mich an ihn. "Ich weiß", flüstert er. "Aber ich bin bei dir." Ich lächle ihn dankbar an.

Irgendwie beruhigt mich dieser Gedanke wirklich. Auch wenn ich immer noch glaube, es wäre besser, ihn vorerst da raus zu halten. "Und denk dran. Die Option für eine kleine Herberge steht immer noch."

Lachend verpasse ich Heiko einen Kuss. "Du und ich als Herbergsväter. An dieses Bild muss ich mich aber erst noch gewöhnen."

"Na eventuell musst du das ja gar nicht." Er zwinkert mir zu.

Ich runzle die Stirn. "Ach ja?"

"Könnte doch sein", meint er achselzuckend und löst sich wieder von mir. "Gertrud kommt gleich. Für's Mittagessen." Geschäftig wirbelt er durch die Küche.

"Alles okay bei dir?"

"Ja klar", meint Heiko. "Hast du dir schon überlegt, wann du mit deinen Eltern reden möchtest?"

"Sobald wie es geht", antworte ich. "Ich will es endlich hinter mich bringen." Es führt ja sowieso kein Weg dran vorbei.
 

Ich stibitze mir eine Scheibe des geräucherten Schinkens. Doch ich werde erwischt. "Hey! Lass das! Die brauche ich noch", beschwert sich Heiko.

"Zu spät", schmatze ich. "Lecker." Schinken aus eigener Hofschlachtung. Direkt vom Bauern aus dem nächsten Ort.

Heiko stemmt die Hände in die Hüfte und funkelt mich tadelnd an. "Der Chef sieht es nicht gern, wenn wir die Lebensmittel selbst futtern."

"Der Chef hat aber soeben das Haus verlassen", grinse ich.

"Hat er das?" Ich nicke und schlucke den restlichen Schinken runter. "Na wenn das so ist ..." Heiko springt in meine Arme.
 

Wild in der Küche miteinander zu knutschen scheint irgendwie unser Ding zu sein. Jedenfalls stehen wir schon wieder hier, eng umschlungen, und küssen uns leidenschaftlich.

"Ähäm. Ich will ja nicht stören Jungs, aber ich würde gern anfangen, den Salat zu putzen."

Als hätte uns ein Stromschlag erfasst, fahren wir auseinander. "Gertrud!", japst Heiko. "Du bist ja schon hier."

"Und das wie immer pünktlich", höre ich die rüstige Dame lachen.

Mir wird schlecht und die Küche dreht sich um mich herum. Gertrud hat uns gesehen! Wie Heiko und ich ... Mein Gesicht fängt an zu glühen, mein Herz rast und ich fange an zu schwitzen, während es in meinen Ohren laut summt.

Ich muss hier raus!
 

~Heiko~

Besorgt schaue ich Henning an. Er sieht aus wie ein paralysiertes Kaninchen, das vor dem Lauf einer Flinte steht. Einer Flinte namens Gertrud.

Ich strecke meine Hand nach ihm aus, doch bevor ich ihn berühren, oder ihm auch nur sagen kann, dass alles in Ordnung ist, schlägt mein schnuffeliges Kaninchen Henning große Haken Richtung Ausgang. "Henning!"

"So groß der Bub auch ist, so sensibel scheint er auch zu sein", meint Gertrud.

"Kann ich dich kurz allein hier lassen?", frage ich sie.

"Ei freilich. Geh nur."

"Danke." Schon laufe ich hinter meinem sensiblen Kaninchen her.
 

Er ist Richtung Hinterausgang gelaufen. Und tatsächlich. Als ich ins Freie trete, sehe ich ihn nicht unweit von mir entfernt, bei den hohen Kirschlorbeerbüschen stehen.

"Henning." Langsam nähere ich mich ihm.

"Sie hat uns gesehen", japst er augenscheinlich total durch den Wind. "Heiko! Sie hat uns gesehen!"

"Ich weiß", sage ich ruhig. "Aber es ist okay."

"Okay?!" So viel Angst in seinen Augen. Es tut mir in der Seele weh, ihn so zu sehen. "Was, wenn sie es meinen Eltern erzählt? Was dann?" Er läuft unruhig auf und ab.

"Henning. Beruhige dich. Gertrud wei..."

"Wahrscheinlich sagt sie es gerade meiner Mutter", unterbricht er mich. "Oh Gott!" Henning bleibt stehen und wischt sich mit beiden Händen über das Gesicht.

"Das wird sie nicht", verspreche ich ihm.

"Ach ja? Woher willst du das wissen?"

"Weil sie es weiß."

"Was weiß?" Ich stelle mich vor Henning. Als ich nach seinen Händen greifen möchte, zieht er sie vor mir weg. "Was weiß sie?, fragt er erneut.

"Das ich schwul bin", antworte ich. Henning sieht mich regelrecht erschrocken an. "Ich habe es ihr gesagt. Und nein. Sie hat keinerlei Vorurteile, oder würde jemals darüber mit irgendjemandem abfällig reden."

"Du ... du hast ihr gesagt, dass du ..."

Ich nicke und lächle ihn an. "Und sie weiß auch, dass ich dich liebe." Nun scheint er aus sämtlichen Wolken zu fallen.
 

Sein Blick irrt auf meinem Gesicht hin und her. "Woher?", haucht er mit schwacher Stimme.

"Aus der Zeitung", scherze ich. Das kommt allerdings momentan nicht allzu gut an bei ihm. "Woher wohl? Ich habe es ihr gesagt. Mehr oder weniger." Mein armer Henning scheint kurz vor einem Herzstillstand zu sein. "Gertrud dachte, du willst mich feuern, weil ich schwul bin, und wäre dir deshalb fast an den Kragen. Mir bliebt nichts anderes übrig, als es ihr zu sagen." Hennings Augen werden immer größer. "Sie steht hinter uns, falls nötig." Diesmal klappt mein Versucht, Hennings Hände einzufangen. Beruhigend drücke ich sie. "Also keinen Grund zur Panik, ja?"

"O-Okay." Ganz überzeugt ist er zwar nicht, aber wenigstens konnte ich seine Panik etwas vertreiben.
 

***
 

~Henning~

Ich öffne die Zimmertür vor mir. Das vorletzte Zimmer für heute. Danach ist Nics und Meilos dran. Schon morgen werden die beiden uns wieder verlassen. Ich werde sie wirklich sehr vermissen. Selbst nach der kurzen Zeit, in der wir uns erst kennen. Wenigstens haben sie versprochen mit uns in Kontakt zu bleiben und mit uns ihre Handynummern ausgetauscht. Das hat mich sehr freut.
 

Ich stürze mich in die Arbeit. Zuerst ist das Badezimmer dran. 'Gertrud weiß Bescheid.' Immer wieder geht mir das durch den Kopf. 'Und sie steht hinter uns.'

Ich fange an zu lächeln. Ja, das kann ich mir gut vorstellen. Wie sie mit meinen Eltern Klartext redet. Das konnte sie schon immer gut.

Meine Mutter kennt Gertrud schon seit ihrer Jugend. Damals hat sie in der Nachbarschaft gewohnt. Sie und ihr Mann hatten ein paar Hundert Meter weiter einen kleinen Krämerladen. Eben jener besagter Laden, in dem ich das gestohlene Geld von meiner Mutter verjubelt hatte. Leider musste Gertrud den Laden schließen, weil ihr Mann verstorben war. Sehr schade, denn ich schaute so gut wie jeden Tag nach der Schule bei ihnen vorbei, oder meine Mutter schickte mich rüber zu ihnen, wenn etwas fehlte.

Danach bot meine Mutter ihr an, bei uns aushilfsweise zu Arbeiten. Seitdem ist sie ein fester Bestandteil unseres Teams, unsere gute Seele, die immer ein offenes Ohr für uns hat.

Eigentlich kein Wunder, dass Heiko sich ihr anvertraut hat. Auf diesen Gedanken bin ich auch schon mal gekommen. Damals, als mir bewusst wurde, dass ich für Mädchen so gar nichts über hatte, dafür aber Olaf, einen Jungen aus der Parallelklasse, mehr als bloß anziehend fand. Aber am Ende behielt ich meine Gefühle doch für mich. Bis jetzt. Na ja. Eigentlich bis zum Kuss mit Heiko.

Deswegen ist es für mich auch ein so merkwürdiges und unangenehmes Gefühl, dass Gertrud plötzlich von Heiko und mir weiß. Auf einmal geht alles so schnell ...
 

"Hallo?" Es klopft.

"Ja?" Ich schaue vom Waschbecken auf.

"Ich bin's. Niclas."

"Hallo", Überrascht verlasse ich das Badezimmer. Niclas steht im Türrahmen. "Suchst du mich?"

"Ja." Lächelnd tritt er zögernd ein. "Meilo hat eben mit Heiko gesprochen. Ihr konntet noch nicht mit deinen Eltern sprechen?" Darum geht es also. Die beiden hatten gestern ja gesagt, dass sie uns beim Outing notfalls unterstützen möchten. Wirklich nett, dass die beiden tatsächlich zu ihrem Wort stehen.

Ich seufze. "Nein. Wir haben immer so viel zu tun über den Tag hinweg. Ich weiß gar nicht, wann überhaupt Zeit dafür sein soll."

"Habt ihr keine Mittagspause oder so?"

"Schon, aber meist wechseln wir uns ab. Die Arbeit im Hotel kennt keine Mittagspause." Heute steht einiges an. Es gibt viel zu erledigen. Der Termin mit unserem Steuerberater steht auch bald an. Ganz zu schweigen von der Reparatur, die sicher noch etwas dauern wird.

"Was bedeutet, ihr habt so gut wie keine Sekunde übrig, euch miteinander zu unterhalten", schlussfolgert Niclas.

"Genau. Das ist das Los der Selbstständigkeit. Arbeit immer und überall." Ich seufze abermals und zerknautsche meinen Putzlappen. "Vielleicht klappt es heute Abend, wenn alles erledigt ist."

"Ich drücke dir die Daumen."

"Danke."

"Und falls was ist, sag mir Bescheid. Meine Handynummer hast du ja."

Dankbar lächle ich Niclas an. "Werde ich tun."

"Gut. Dann lass ich dich mal in Ruhe weiterschuften."

"Sehr freundlich", lache ich. "Bis dann." Bevor Niclas wieder geht, zwinkert er mir nochmal zu.

Leise vor mich hin summend mache ich mich wieder an die Arbeit.
 

~Heiko~

"Hey." Arme schieben sich von hinten um meine Taille. Lippen schmusen über meinen Nacken.

Ich schließe genüsslich die Augen und lehne den Kopf nach hinten. "Hey", grüße ich zurück. "Fertig mit den Zimmern?"

"Hmhm." Hennings Finger mogeln sich zwischen die Knopflücken meiner Kochjacke. Da ist aber jemand gut drauf.

"Wie es scheint, hast du dich am den Zustand gewöhnt, dass Gertrud von uns weiß."

"Noch nicht ganz", gibt er zu. "Aber ich hab trotzdem gute Laune."

"Ich merke es", kichere ich. "Wegen deiner guten Laune hätte ich mich beinahe in den Finger geschnitten."

"Oh. Tut mir leid." Schuldbewusst lässt mich Henning wieder los.
 

Neugierig, wieso mein Spatz so gute Laune hat, drehe ich mich zu ihm um. Natürlich freut es mich, dass es ihm so gut geht, doch wieso? Vorhin stand er noch kurz vor einem Nervenzusammenbruch. Und dann noch der Stress wegen dem Gespräch mit seinen Eltern ... Moment mal! Hat er etwa schon mit ihnen gesprochen?

"Warst du bei deinen Eltern?"

"Nein. Warum fragst du?"

"Ich dachte nur ... Du wirkst nur so gelöst. Das ist alles."

Henning zuckt mit den Schultern. "Kann sein, dass es mich beruhigt zu wissen, dass Gertrud keine Vorurteile uns gegenüber hat."

"Freut mich zu hören", kommt's von jenseits der Tür. Gertrud kommt in de Küche getrudelt. "Ich habe die Kartoffeln", verkündet sie mir und hält den Eimer mit besagten Kartoffeln hoch. "Wer hilft schälen?"

Henning und ich grinsen uns an. "Ich kann leider nicht", meint er jedoch. "Ich habe vorn an der Rezeption Dienst."

"Dann heben wir uns das Schälen für heute Abend auf", feixe ich. Logisch weiß Henning, dass ich keinesfalls von den ollen Erdäpfeln rede.

"Unbedingt." Er zwinkert mir zu.

Leider bekomme ich keinen Kuss, bevor er wieder verschwindet. So ganz scheint er sich wirklich noch nicht an Gertrud gewöhnt zu haben.
 

"Redet er nachher mit den Seniors?" Gertrud reicht mir den Eimer.

"Wir haben es vor."

"Ihr beide?" Ich bejahe. "Is wohl das beste. Der Bub hat sich lang genug versteckt. Bestimmt hat er einen gehörigen Schiss."

"Den hat er", erwidere ich.

"Das klappt scho. Die Seniors san gute Menschen."

"Hmhm." Und sie ahnen wahrscheinlich schon, was Henning so dringendes mit ihnen bereden möchte.
 

Dass ich Henning nichts von dem Gespräch heute morgen mit seiner Mutter gesagt habe, bereitet mir arge Gewissensbisse. Ich schwanke immer noch. Soll ich es ihm doch sagen?

Andererseits, was ist, wenn ich Agnes' Worte falsch interpretiert habe? Vielleicht denkt sie ja doch bloß, wir seinen nur Freunde. Henning scheint sich schon seit je her schwer damit zu tun, Freundschaften zu schließen. Das weiß ich nur zu gut. Daher könnte es gut sein, dass sich Agnes einfach bloß freut, dass ihr schwer zugänglicher Sohn einen neuen Freund gefunden hat. Einen neuen alten Freund. 'Der in Wahrheit ein ganz spezieller Freund ist.'

Zudem scheint es Henning gerade wirklich gut zu gehen. Er hat ja schon heftig darauf reagiert, als er erfahren hat, das die gute Gertrud von uns weiß. Wie würde er dann auf diese Nachricht reagieren? Besonders, falls ich doch das Gespräch missverstanden habe.

Nein. Erstmal behalte ich es noch für mich. Falls Henning nachher doch wieder von starken Zweifeln gepackt wird, kann ich es ihm ja immer noch sagen. Das wird das beste sein.

Während Gertrud die Kartoffeln schält, wage ich mich an die Zwiebeln.
 

***
 

~Henning~

"Was bläst du denn für einen Trübsal?" Ich stelle mich vor Niclas, der auf der Terrasse hockt und ins Leere blickt.

"Meilo ist wieder arbeiten", brummelt er traurig.

"Dein Liebster ist aber fleißig." Meilo ist ständig unterwegs. Er scheint viele Termine zu haben.

"Deiner aber auch", grinst Niclas mich an. "Richte ihm aus, der Kuchen, der er mir gebracht hat, war richtig lecker."

"Das mache ich gern", antworte ich "aber du solltest wissen, dass wir den Kuchen von einer Konditorei liefern lassen."

"Oh. Gut, dann sag ihm, es war sehr nett von ihm, dass er ihn mir extra raus gebracht hat."

"Ich sag es ihm", schmunzle ich.
 

Niclas stellt die Tasse ab, die er in der Hand gehalten hat und lehnt sich mit den Ellenbogen auf den Tisch. Er sieht mich neugierig an. "Und sonst? Schon einen Plan für nachher?", möchte er wissen.

Meine gute Laune bekommt einen Dämpfer. "Nicht so wirklich. Ich weiß noch nicht mal, ob es heute Abend klappt."

"Was? Wieso?"

"Meine Mutter fährt mit ihren Freundinnen in die Stadt und das kann spät werden." Ich war vorhin bei ihr und habe ein Telefonat mit ihrer Freundin Irene mitbekommen. Ihre Tanztruppe will sich zum Essen treffen.

"Oh nein!", jammert Niclas.

Resigniert zucke ich mit den Schultern. Da kann man nichts machen. "Verschieben wir es."

"Und jetzt geht es nicht? Es ist doch nicht viel los." Niclas schaut sich um. "Was macht deine Mutter?"

"Sie ist noch im Büro beschäftigt", erwidere ich und werde leicht nervös.

"Und dein Vater?"

"Der wollte die Reservierungen für nächsten Monat nochmal durchgehen, glaube ich." Mit dem Steg ist er inzwischen fertig. Die Reparatur ging ihm schneller von der Hand, als gedacht.

"Und Heiko?"

"Er hat Pause", gebe ich zur Antwort.

Niclas strahlt mich aufgeregt an. "Das ist doch gut! Trommle alle zusammen, dann könnt ihr reden."

Ich überlege kurz. Eigentlich keine schlechte Idee, sieht man davon ab, dass mein Paniklevel wieder rasant ansteigt, und dass es noch einen Haken bei der Sache gibt. "Das geht nicht. Ich muss den Stand öffnen." Ich deute auf unseren fahrbaren Stand, der schon an Ort und Stelle steht.

"Den übernehme ich solange", meint Niclas spontan und steht voller Tatendrang auf.

"Das geht doch nicht." Ich kann doch nicht einfach einen Gast meine Arbeit erledigen lassen!

"Stehen die Preise überall dran?"

"Ja, aber ..."

"Dann ist doch alles bestens."

"Niclas! Du musst nicht ..."

"Doch, ich muss und ich schaffe das. Ich habe Erfahrung im Kellnern und bedienen. Das bekomme ich hin. Geh du und hole Heiko, und dann ab mit euch zu deinen Eltern", unterbricht er mich rüde.

Ich gerate ins Schwanken. Soll ich sein Angebot wirklich annehmen? Falls ja, bedeutet das, dass jetzt der große Moment gekommen ist. "Meinst du?"

"Meine ich. Ab mit dir." Nic scheucht mich per Handbewegung davon.
 

Da ist sie wieder, die Panik. Keine Ausreden mehr. "Okay. Gut", nicke ich und versuche mir selbst Mut zuzusprechen. Klappt nur nicht. Doch anscheinend führt jetzt kein Weg mehr daran vorbei, mich meinen Eltern zu stellen.

Ich reiche Niclas meinen Geldbeutel. "Hier ist das Wechselgeld. Die Preise stehen auf einer Tafel, und der Flaschenöffner für die Glasflaschen hängt ..."

"Hängt am Band, das links am Wagen befestigt ist. Ich weiß", grinst Niclas. "Nur nicht nervös werden. Ihr schafft das." Er lächelt mich aufmunternd an.

Ich nicke, bin allerdings nicht ganz so überzeugt davon, wie Niclas. "Danke."
 

Auf den Weg zum Pausenraum, in dem Heiko sich aufhält, höre ich dem lauten Schlagen meines Herzens zu. Es schlägt so schnell, dass mir ganz schwindelig davon wird.

"Heiko?" Ich mache mir erst gar nicht die Mühe, an die Pausenraumtür zu klopfen, sondern trete einfach ein.

Heiko, der gerade in ein Buch vertieft ist, schaut zu mir auf. "Hey." Sein strahlendes Lächeln lässt mich mein Vorhaben für wenige Sekunden vergessen. "Ich dachte, du bist am Verkaufsstand." Er legt das Buch beiseite und nimmt sein Bein von der Bank, das er zuvor darauf ausgestreckt hatte, um mir Platz zu machen. Doch ich nehme die Einladung nicht an, stelle mich vor den kleinen Tisch und beiße mir auf die Unterlippe. Sofort ist mein geliebter Koch alarmiert.

Bevor er jedoch etwas sagen kann, spreche ich drauf los. "Ich will zu meinen Eltern. Jetzt." Mehr muss ich nicht erklären.

Zuerst sieht er mich überrascht an, erhebt sich dann jedoch entschlossen. "Okay. Gehen wir."

"Ich muss erst meinen Vater holen. Er ist vorn an der Rezeption."

"Ist gut. Soll ich mit, oder...?"

"Warte du hier."

"Ganz wie du willst." Heiko rutscht zwischen Bank und Tisch entlang und nimmt mich in den Arm. "Hey. Keine Sorge. Du hattest inzwischen genug Anläufe zum Üben. Das wird klappen." Trotz allem muss ich über diesen Satz schmunzeln. "Richtig so. Immer schön lächeln."

"Ha ha." Wir grinsen uns an. "Es wird wirklich Zeit. Bringen wir es hinter uns."

"Ja." Heikos Lächeln schenkt mir Kraft. Mit ihm zusammen packe ich das. Wenn ich es schon nach all den Jahren geschafft habe, ihm endlich meine Liebe zu gestehen, dann werde ich es auch schaffen, mich vor meinen Eltern zu outen.

"Ich liebe dich", flüstere ich Heiko zu. Dieser lächelt noch eine Spur breiter, küsst mich und jagt mich danach zu meinem Vater.

'Dann mal los.'
 

"Papa?"

"Ja?" Vertieft in unsere Buchungsunterlagen steht er hinter der Rezeption.

"Kommst du mal mit ins Büro? Ich würde gern mit dir und Mama was bereden."

Auf einmal scheinen ihm die vielen Seiten nicht mehr wichtig zu sein. "Ach ja?", fragt er mich. Ich atme tief ein und nicke bloß. "Über das, was du heute Morgen zu mir gesagt hast? Diese wichtige Sache?" Ich bejahe. "Na schön", sagt mein Vater ernst und packt die Blätter weg. "Ich nehme an, deine Mutter ist noch im Büro?"

"Glaube ja." Bevor sie weg möchte, wollte sie noch ihren Schreibtisch leer haben.

"Geh vor." Seine Hand deutet mir den Weg. Ich komme mir vor, als würde ich vor meinem Schafrichter herlaufen.

Im Flur klopfe an die Bürotür, öffne sie und lasse meinen Vater eintreten. Heiko linst aus dem Pausenraum. Als Papa an mir vorbei getreten ist, kommt er zu mir. Beruhigend streichelt er über meinen Rücken, ehe ich meinem Vater voller Bammel, und mit mehr als nur vollen Hosen, ins Büro folge.
 

~Heiko~

Hennings Anspannung ist quasi physisch spürbar, als wir das Büro betreten.

"Steht eine Versammlung an?" Hennings Mutter blickt fragend in die Runde.

"Henning möchte etwas Wichtiges mit uns besprechen", antwortet ihr Hennings Vater und stellt sich neben sie hinter den Schreibtisch.

Ich bleibe neben Henning stehen. So dicht wie möglich.

Am liebsten würde ich ihm die Hand halten, ihm Halt und Kraft geben, aber das würde ihn vielleicht total aus der Bahn werfen. Ich kann derweil nur hoffen, dass ich mich nicht geirrt habe, und die Seniors doch schon ahnen, was Henning ihnen gleich Wichtiges gestehen wird.
 

"Nun? Was gibt es?" Beide sehen uns geduldig an.

Ich schaue zu Henning. Sein Adamsapfel hüpft auf und ab. Er ist kreidebleich. Ganz leicht lehne ich mich dichter an ihn. 'Ich bin hier. Nur Mut.'

"Ich ... I-Ich ..." Henning schließt kurz die Augen. Sicher ärgert er sich, weil er wieder gestottert hat.

'Tief durchatmen Spatz.' Ich weiß, das ist leichter gesagt, als getan. Ich fühle mit ihm, weiß, wie schrecklich dieser Moment für ihn ist. Damals, bei meinem Outing, habe ich Blut und Wasser geschwitzt. Aber ich hatte, im Gegensatz zu Henning, schon mein eigenes Leben ohne Familie aufgebaut. Ich stand also nicht unter einem so großen Druck wie er gerade.

"Henning? Sag es uns endlich." Hennings Vater sieht ihn streng an. Na ob das hilft? Bring einen nervösen, stotternden (entschuldige Henning) Jungen noch mehr unter Druck.

"Egal was du uns sagen möchtest. Wir reißen dir schon nicht den Kopf ab." Agnes lächelt ihren Sohn liebevoll an. Dann schenkt sie mir plötzlich einen Blick. Ich zucke beinahe erschrocken zusammen.

In mir kommt gerade die Frage hoch, ob ich doch richtig mit meiner Vermutung lag, dass sie es ahnen, da "Ich liebe Heiko!"
 

Schlägt mein Herz noch?

Hallo? Herzlein?

Ah ja. Da wummert es wieder. Leider viel zu schnell. Aber wenigstens tut es wieder seinen Dienst.

Ich habe keine Ahnung, wie Hennings Eltern auf das Geständnis ihres Sohnes reagieren, denn ich starre sprachlos das Profil meines Spatzes an. Sicherlich tun das seine Eltern ebenfalls, denn es ist mucksmäuschenstill im Büro.

"U-Und das schon sehr lange", fügt Henning an. "Ich bin schwul. ... Ja. Ich bin schwul." Seine Mundwinkel zucken. Grinst er? Sicherlich aus Erleichterung, dass er es endlich geschafft hat, sich zu überwinden.
 

Etwas berührt mich an der Handfläche. Hennings Finger schieben sich in meine Hand. Mein Blick wandert von Hennings Gesicht hinunter zu unseren verschlungenen Händen. Ich glaube, ich bin derjenige, der fester zudrückt, aber so sicher kann ich das nicht sagen. Ich klammere mich jedenfalls an Hennings Hand, als wäre ich derjenige, der sich soeben geoutet hat.

"Ich liebe dich." Mein Kopf ruckt wieder nach oben. Henning sieht mich geradewegs an.

"Ich dich auch", erwidere ich. Ebenso sein Lächeln, dass mir eine warme Gänsehaut beschert.
 

"Ich habe es dir gesagt", höre ich Agnes sagen.

Martin pustet Luft aus seinen Lungen. "Ich muss mich erstmal setzen."

Da sie ihre Worte wiedergefunden zu haben scheinen, richte ich meine Aufmerksamkeit wieder auf Hennings Eltern.

Martin hat sich einen Stuhl neben den seiner Frau gezogen und lässt sich schwer drauf fallen. "Du wolltest mir nicht glauben." Agnes lächelt ihn spitz an.

"Sowas glaubt man erst, wenn man es mit eigenen Augen sieht."

"Ach Martin! Es war so offensichtlich." Martin zuckt resigniert mit den Schultern.

"Ihr ... ihr wusstet es?" Henning starrt die beiden mit tellergroßen Augen an.

"Na wenn ihr beiden uns händchenhaltend über den Haufen rennt, ist es auch nicht groß verwunderlich, dass wir unsere Schlüsse ziehen." Damit spielt Agnes wohl auf die überraschende Begegnung gestern an. Nach Hennings und meinem kleinen Stelldichein hier im Büro. Sie hat es also tatsächlich bemerkt.

"Ich glaube, ich brauche einen Schnaps. Noch jemand?" Martin schaut in die Runde.

"Gern", erwidere ich. "Für uns beide." So wie Henning aussieht, braucht er nicht nur einen.
 

~Henning~

Ich weiß einfach nicht, was ich sagen soll. Meine Eltern wussten es schon längst? Das heißt, ich habe mir völlig unnötig solche Sorgen gemacht? Akzeptieren sie es also? So wirklich haben sie ja noch nichts dazu gesagt.

"Hier." Mein Vater drückt mir eine dieser kleinen Kräuterlikörflaschen in die Hand.

"Danke." Eigentlich mag ich das Zeug nicht, aber ich leere die Flasche trotzdem mit einem Zug. Ich verziehe das Gesicht. Ekelhaft! Aber das Zeug beruhigt meine Nerven. Wenn auch nur ganz leicht.

"Dann ... Dann habt ihr nichts dagegen, dass ich ...?" Weiter komme ich nicht. Ein zweites Mal schaffe ich es heute nicht mehr, es vor ihnen laut auszusprechen.

"Ich muss mich erst daran gewöhnen", brummt mein Vater. Er schnappt sich eine zweite Flasche. "Mein Sohn ist schwul ..."

"Und euer Koch", wirft Heiko plötzlich ein. "Ich hoffe, das ist kein Problem, denn ich arbeite wirklich gerne hier." Angespannt warte ich auf eine Antwort meiner Eltern. Wenn Heiko jetzt gefeuert wird, werde ich mir das niemals verzeihen!

"Natürlich ist das kein Problem", erwidert meine Mutter.

Mir fällt ein riesiger Stein vom Herzen. Mein Vater nickt einfach nur. Er hat immer noch an der Neuigkeit zu knabbern. Das sieht man an. Die kleine Likörflasche in seiner Rechten muss einiges erleiden.

"Papa? Ich bin immer noch der selbe", sage ich aus diesem Grund zu ihm. Seufzend mustert er mich. Ich kenne diesen Ausdruck. Diese Mischung aus Besorgnis und Zweifel. So hat er mich als Kind öfter angeschaut. Wenn ich mal wieder nicht mit den Mathehausaufgaben klar gekommen bin. Dann hat er mich immer gefragt, was mit mir nicht stimme. Die Aufgaben wären doch so einfach.

Man muss ihm aber zugestehen, dass er noch nicht wusste, dass mir das Lernen schwerer fiel, als anderen Kindern in meinem Alter. Zudem ist er schon immer ein sehr ungeduldiger Lehrer gewesen. Jemanden etwas beibringen, das konnte er noch nie gut. Es sei denn, in handwerklicher Richtung. Doch da musste er auch nicht viel erklären. Ich lernte beim Zuschauen und beim mit anpacken.

Als dann fest stand, dass ich eine Lernbehinderung hatte, wurde mein Vater einsichtiger mit mir. Er überließ es meiner Mutter, mir bei den Aufgaben zu helfen, die ich nicht verstand. Außerdem bekam ich eine spezielle Nachhilfe.

Und seit dem war auch dieser Blick verschwunden. Bis jetzt.
 

"Das wissen wir doch, Schatz", sagt meine Mutter zu mir und steht auf. Sie läuft um den Schreibtisch herum und nimmt mich in die Arme. "Gib deinem Vater nur ein bisschen Zeit, um das zu verdauen", flüstert sie mir zu.

"Dann werft ihr mich nicht raus?" Meine Stimme zittert.

"Dich rauswerfen?" Sie sieht mich entsetzt an. "Hast du das etwa die ganze Zeit über geglaubt? Dass wir dich vom Hof jagen deswegen?" Ich schlucke und schaue schuldbewusst zur Seite. "Henning Wilhelm Mayer. Das du uns das zutraust!" Sie tatscht mir leicht die Wange.

"Entschuldige", murmle ich reumütig, als wäre ich wieder ein kleiner Junge. Heiko neben mir kichert leise. Er findet das wohl witzig, doch da hat er nicht mit meiner Mutter gerechnet.

Sie lässt mich los und dreht sich zu ihm. "Und was dich angeht", sagt sie zu ihm. "Willkommen in der Familie." Nun wird auch Heiko umarmt.

"Danke." Heiko lächelt.

"Freue dich nicht zu früh. Ein Teil unserer Familie zu sein bringt viele Pflichten mit sich."

"Geht in Ordnung", grinst mein süßer Koch.

"Zum Beispiel unbezahlte Überstunden", kommt es von jenseits des Schreibtisches.

Der letzte Rest Anspannung weicht aus mir. Wenn mein Vater wieder trockene Scherze machen kann, dann ist alles wieder gut.

"Kein Problem", lacht Heiko auf. "Die unbezahlten Überstunden lasse ich mir dann von Henning anderweitig ausbezahlen." Wa...?
 

Mein Gesicht flammt heiß auf. Wie kann er sowas vor meinen Eltern sagen?!

Ich höre, wie meine Mutter schmunzelt und würde am liebsten in ein tiefes Loch versinken. "So meine Lieben! Ich werde mich jetzt mal fertig machen. Meine Freundinnen warten schon." Sie tätschelt kurz meinen Arm im Vorbeigehen.

Auch mein Vater steht auf, um ihr zu folgen. Er klopft mir auf die Schulter. Das beruhigt mich sehr.

"Ach! Wisst ihr was?" Mama kommt nochmal zurück. "Was haltet ihr davon, wenn wir morgen Abend bei uns schön gemütlich essen?"

"Hört sich gut an", findet Heiko.

"Fein! Aber ich koche."

"Dann bringe ich einen Nachtisch mit."

"Einverstanden." Meine Mutter strahlt wie ein Glühwürmchen. "Ist es nicht schön Martin, einen Koch in der Familie zu haben?" Und weg sind die beiden.
 

Ich sacke förmlich in mir zusammen. "Oh man", stöhne ich und fahre mir mit der linken Hand über das Gesicht.

"Ist doch super gelaufen!" Heiko zieht mich an seine Brust. "Meinen Glückwunsch."

"Hmhm", brumme ich nur.

Heiko lacht leise und küsst meine Schläfe. "Du musst erst einmal alles sacken lassen, was?" Ich bejahe und lege meine Arme fest um Heiko, während mir langsam immer bewusster wird, was hier gerade passiert ist.

"Ich habe es gesagt", wispere ich. "Sie wissen es."

"Tun sie", flüstert Heiko. "Und sie haben dich nicht verstoßen. Damit fällt unser Plan mit der kleinen Herberge wohl flach, was?"

Ein unglaublich warmes und schönes Gefühl der Erleichterung breitet sich in meiner Brust aus. "Oh Heiko!"

"Ah! Du zerdrückst mich!", japst er lachend.

"Ich bin so froh!"

"Ich merke es." Notgedrungen lockere ich die Umarmung und schaue Heiko überglücklich an. "Es ist anscheinend gesackt, hm?"

"Und wie!" Ich küsse ihn stürmisch. "Ich ... Ich ..."

"Ja?"

"Keine Ahnung", pruste ich. "Ich einfach nur glücklich!"

All meine Sorgen haben sich in Luft aufgelöst. Ich bin mit Heiko zusammen, der mich ebenso liebt, wie ich ihn und habe meinen Eltern endlich alles gebeichtet und sie haben es besser aufgenommen, als in meinen kühnsten Träumen. "Ich könnte die ganze Welt umarmen!"

"Umarme lieber mich", säuselt mein Schatz.

"Ich weiß noch etwas viel besseres."

"Tust du?"

"Darauf kannst du wetten", schwöre ich ihm und versiegle seine Lippen.
 

***
 

~Heiko~

"Was hältst du davon?"

"Ich bin dabei."

"Super! Dann machen wir uns gleich mal ans Werk." Ich klatsche in die Hände.

"Was soll ich tun?"

"Du kannst vier Hähnchenbrustfilets aus dem Kühler holen."

"Mach ich." Henning läuft rüber zum Kühlraum. "Bitte."

"Danke. Als Küchenhilfe bist du echt einsame Spitze", grinse ich ihn an.

"Das mache ich nur, weil ich scharf auf den Koch bin", antwortet er mir, legt das noch eingepackte Hähnchenfleisch auf die Arbeitsplatte und verwickelt mich in einen wirklich verdammt heißen Kuss. Wenn das jetzt so weitergeht, wird das heute nichts mehr mit dem Essen für Meilo und Niclas.

"Henning ..." Er drängelt mich gegen die Spülmaschine. Seine Hände scheinen plötzlich überall zu sein. "Das Essen", seufze ich, in der Hoffnung, dass er wieder zu Sinnen kommt.

"Kein Hunger", knurrt er jedoch und knabbert an meinem Hals. Ich bin Wachs in seinen Händen und meine Gegenwehr schwindet immer mehr.
 

Mit geschlossenen Augen gebe ich mich Hennings Liebkosungen hin, und ... Was riecht den hier so? Der Geruch kommt mir bekannt vor ... So beißend ... "Die Butter!" Erschrocken schubse ich Henning von mir weg und drehe mich zum Herd. "Scheiße!"

Schnell ziehe ich den Topf von der Kochplatte. "Oh." Nicht zu fassen, wie unschuldig Henning gucken kann! "Angebrannt?"

"Ihre Auffassungsgabe ist wieder mal beeindruckend, Sherlock", antworte ich. Henning rümpft die Nase. "Nochmal von vorn." Und dieses Mal lasse ich mich nicht von einem gewissen Jemanden ablenken. "Keine Knutscherei mehr in der Küche, solange ich am Kochen bin, ja?"

"Na schön", seufzt mein Spatz, begrabbelt mich aber schon wieder mit seinen flinken Fingern. Gleich bekommt er das Nudelholz ab. "Aber nachher bist du fällig", raunt er mir zu, klaubt sich einen Kuss von mir und lässt mich wieder los. Wie soll man sich denn bei solchen Aussichten auf die Arbeit konzentrieren?
 

Zum Glück hielt Henning Wort und half mir fleißig, sodass wir zeitig mit dem Abendessen fertig wurden.

"Ich sage den beiden Bescheid", sagt Henning.

"Dann decke ich schon mal einen Tisch."

Es dauert nicht lange, da höre ich auch schon Niclas' Lachen aus Richtung der Treppen. "Wow!", staunt er, als er er in den Essenssaal kommt. "Ihr habt euch ja richtig Mühe gegeben. Das sieht total nobel aus."

"Dann war meine Ausbildung mit Erfolg gekrönt", lache ich und stelle den letzten Teller ab.

"Womit haben wir denn das verdient?" Meilo schiebt Niclas den Stuhl zurecht.

"Für eure Hilfe", erklärt Henning. "Ohne euch ständen wir jetzt nicht hier."

"Genau", pflichte ich meinem Spatz bei.

"Also wenn wir immer so bekocht werden, helfen wir euch gerne jeder Zeit wieder", grinst Niclas.

"Ihr seid herzlich dazu Eingeladen, uns jederzeit wieder zu besuchen."

"Unbedingt", füge ich an und schenke jedem Wein ein.

"Gerne." Meilo lächelt in die Runde. "Darauf stoßen wir an."

"Prost!"
 

******

VII. Heißer Nachtisch ~ Ein süßes Extra

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

VII. Heißer Nachtisch ~ Ein süßes Extra (Ohne Adult)

VII. Heißer Nachtisch ~ Ein süßes Extra (Ohne Adult)
 

~Henning~

"Und wann dürfen wir es sehen?"

"Bald", verspreche ich meinen Eltern. Die Kiefermuskeln meines Vaters spannen sich an. Ihm gefällt es ganz und gar nicht, dass er nicht weiß, was ich geplant habe. Meiner Mutter allerdings auch nicht. "Guckt nicht so. Ihr habt mir doch freie Hand gelassen. Vergessen?"

"Schon", seufzt meine Mutter, als würde sie sämtliches Leid der Welt auf ihren Schultern tragen.. "Aber dass du uns vor vollendete Tatsachen stellen möchtest, macht uns nervös. Was, wenn es nicht dem entspricht, was wir uns vorgestellt haben?"

"Ihr steckt ja viel Vertrauen in mich", brumme ich. Heiko neben mir lacht leise. Ich schenke ihm einen beleidigten Blick.

"Das tun wir doch, Henning", meint mein Vater. "Es wäre dennoch schön gewesen, wenn du das Seeprojekt von Anfang an mit uns besprochen hättest. Sozusagen, um eventuell neue Ideen mit einfließen lassen zu können." Ah ja. Nur um 'Ideen mit einfließen zu lassen.'

"Das ist ja sehr nett von euch gemeint, aber ich finde meine Idee gut so, wie sie ist", erwidere ich. "Ihr werdet schon sehen." Meine Mutter stürzt die Lippen, sagt jedoch nichts mehr dazu. In den letzten Wochen haben wir auch schon genug darüber debattiert. Langsam dürfte sie wissen, dass ich stur bei meiner Entscheidung bleibe. Schließlich habe ich meinen Sturkopf von ihr geerbt.

Heiko hat mich auch schon versucht auszuquetschen, aber auch für ihn soll es eine Überraschung werden. Besonders für ihn, denn mit ihm möchte ich die erste 'Probefahrt' unternehmen. Und morgen Abend ist es soweit.
 

Es war schon ein kleines Wunder, dass die drei anfangs nichts von meinen Plänen mitbekommen haben. Und das war auch gut so, denn so konnte ich das Teil klammheimlich an den See liefern lassen.

Das einzig Heikle war, alle drei davon abzuhalten, zum See zu pilgern, nachdem sie davon erfahren hatten. Allerdings wäre dies auch nicht allzu schlimm gewesen, denn ich habe das kleine Hausboot, das ich für meinen Plan erstanden habe, auf der anderen Uferseite vor ihren neugierigen Blicken gut verborgen. Sie müssten sich schon in eins unserer Ruderbote setzten und die kleine Halbinsel umrunden, um es entdecken zu können.

Trotzdem will ich sie dort nicht herumschnüffeln lassen. Die ganze Aktion soll eine Überraschung werden. Vornehmlich für meinen süßen Koch.

Apropos.
 

"Heiko? Könntest du morgen mal ein Testmenü zusammenstellen?" Ich weiß, irgendwie dreist, ausgerechnet ihn darum zu bitten, denn schließlich ist die Überraschung ja für ihn, aber erstens kann ich nicht kochen und zweitens müssen wir richtige Testbedingungen schaffen. Überraschung hin oder her.

"Kann ich tun", antwortet er mir. "Was hast du dir vorgestellt?"

"Etwas leichtes zum Abend. Was man auch kalt essen kann. Und dann eine Art Frühstückskorb. Mit allem Pipapo."

"Also wird es dort eine Übernachtungsmöglichkeit geben", schlussfolgert meine scharfsinnige Mutter.

"Eventuell", erwidere ich. "Das überlege ich mir noch." Abermals seufzt sie.

"Na gut. Dann überlege mal. Ich gehe derweil auf mein Sofa."

"Gute Idee", murmelt mein Vater und erhebt sich. "Gute Nacht euch beiden."

"Nacht", wünschen wir ihnen. "Und danke für's Abendessen."

"Ja. War sehr lecker", lobt Heiko Mamas Kochkünste, was sie wie einen Christbaum strahlen lässt.
 

"Lobe sie lieber nicht so viel, sonst will sie dir noch in der Küche helfen", warne ich Heiko, als wir uns auf den Weg nach drüben machen.

"Keine Chance", lacht er. "Das ist mein Revier."

"Ah so", grinse ich.

"Hmhm. Genau wie das hier." Heiko stellt sich vor mich und beschlagnahmt meinen Mund. Schmunzelnd schließe ich ihn in meine Arme.

Inzwischen macht es mir nichts mehr aus, Heiko in der Öffentlichkeit zu küssen. Vor ein paar Monaten war das noch anders. Ich musste mich erst daran gewöhnen, dass wir ganz offiziell zusammen sind und meine Eltern über alles Bescheid wissen.

Natürlich knutschen wir uns nicht überall ab. Vor den Gästen wissen wir uns zu zügeln, aber hier auf dem Parkplatz sind gerade keine in Sichtweite ...
 

***
 

~Heiko~

"Was hältst du davon?" Gespannt warte ich Hennings Meinung ab. Er kaut noch, sieht aber ganz zufrieden aus.

"Sehr lecker", fällt sein Urteil, ganz zu meiner Freude, aus.

"Super! Man kann es ja immer mal wieder variieren", schlage ich vor. Henning nickt. "Und wie hast du dir das genau vorgestellt? Essen die Pärchen dann hinten am See, oder ..."

"So hatte ich mir das vorgestellt."

"Und du servierst dann", schließe ich daraus.

"Genau. Ganz diskret, versteht sich."

"Natürlich", grinse ich.

"Und für das Frühstück? Hast du das auch fertig?"

"Ja!" Ich stehe auf und laufe zum Kühler. "Ich habe sogar einen großen Picknickkorb gekauft." Stolz präsentiere ich ihm das riesige Teil. "Dort passt alles hinein. Nebst Besteck und Geschirr."

"Wunderbar." Henning schaut hinein. "Dann nehmen wir den doch gleich mit."

Ich stutze. "Wohin denn?"

"Na zum See", erwidert er und stiefelt los.

Moment mal. "Henning! Hey! ... Was soll das? ... Warte auf mich!"
 

Draußen vor der Hintertür hole ich meinen Spatz wieder ein. "Heißt das, du willst heute Abend mit mir picknicken?", frage ich ihn und hake meinen Arm bei ihm ein.

"Das heißt es", schmunzelt er.

"Und wo? Hinten am See?"

"Lass dich einfach überraschen."

"Okay", grinse ich und lasse mich von Henning durch das Gebüsch ziehen.

"Hier könnte man auch Laternen aufhängen, dachte ich mir. Damit die Gäste zur Not den Weg zum Hotel zurückfinden", überlegt mein Spatz laut und deutet über uns auf die Äste.

"Das wäre sicher keine schlechte Idee." Notfälle gibt es immer. Und der Handyempfang ist hier nicht immer der beste. "Hier durchzulaufen ist richtig abenteuerlich", finde ich und stelle mir vor, wie sich die Gäste ihren Weg hier durchschlagen müssen.

"Der Pfad wird noch verbreitert", erklärt Henning. "Trotzdem soll er aber noch leicht verwildert wirken."

"Eine Expedition durch den bayrischen Urwald."

"So ähnlich", lacht mein geliebter Henning.

"Fehlen nur noch Macheten."

"Besser nicht. Die könnten gefährlich werden, falls sich ein Pärchen mal in die Haare bekommt."

Da gebe ich ihn schmunzelnd Recht. "Das wäre dann doch zu abenteuerlich." Und zu blutig.
 

Henning führt mich weiter. Es dauert nicht lange, da taucht vor uns die kleine Lichtung auf.

Hier hat der Bergsee einen kleinen, vom Bäumen eingerahmten, Seitenarm gebildet. Sozusagen sein kleines Geschwisterchen. Das Wasser ist ruhig und klar. Es ist wunderschön hier. Ich halte mich gern an diesem Ort auf. Das aber leider viel zu selten, muss ich gestehen.

"Die Stelle hier wäre doch geeignet, oder was meinst du?"

"Für was?" Ich schaue rüber zu Henning, der inzwischen schon vorn am Ufer des Sees steht.

"Na für unser Picknick", entgegnet er und breitet eine Decke aus.

"Wo hast du die denn her?", frage ich ihn, als ich zu ihm aufgeschlossen habe.

"Hergezaubert." Henning grinst süß.

"Sag schon!"

"Du musst nicht immer alles wissen." Püh! "Schau dir doch lieber die wunderschöne Natur an." Ich runzle die Stirn. "Na los!" Irgendwas will Henning damit bezwecken.

'Das Seeprojekt!', schießt es mir durch den Kopf. 'Hat er es etwa doch schon fertig?' Gespannt schaue ich mich wie befohlen um und schon sehe ich es. "Ein Boot?" Keine zehn Meter von uns entfernt, etwas verborgen von herunterhängenden Ästen, schwankt ein kleines Boot im Wasser. Es ist an einem großen Holzstumpf angetäut, damit es nicht abtreiben kann. "Das hast du uns also die ganzen Wochen über verheimlicht?"

Henning nickt stolz, stellt sich neben mich und legt seinen Arm um meine Schultern.

Seit Wochen rätseln die Seniors und ich, was Henning hier getrieben hat. Selbst mir wollte er es nicht verraten. "Ich will dich damit überraschen", meinte er jedes Mal, sobald ich ihn darauf angesprochen habe. Überraschung gelungen, würde ich sagen.
 

Er hat also ein kleines Boot hergerichtet. Richtig urig sieht es aus.

Es hat eine kleine Kabine, die gerade mal so hoch ist, das man sich darin bequem hinknien kann. Vor dem Eingang hängen zwei Vorhänge. Sie sind an den Seiten festgebunden, sodass ich ins Innere spähen kann. Dort ist alles voller Kissen und Decken. Wie ein kleines, kuschelweiches Nest. Man kann leicht erraten, welchem 'Zweck' die Koje dienen soll.

"Wie findest du es?" Henning ist sichtlich aufgeregt.

"Es ist ... wirklich schön."

Anscheinend ist meine Antwort nicht ganz das, was sich Henning erhofft hat. "Nur schön?" Leicht enttäuscht sieht er mich an.

"Es ist wirklich sehr, sehr schön", schmunzle ich und streichle über die Wange meines beleidigten Spazis. "Sehr romantisch."

"Findest du?"

"Natürlich. Hast du das alles selbst gemacht?"

"Eher erneuert. Das Boot stand jahrelang in Uhlmanns Scheune."

Ich horche überrascht auf. "Uhlmann? Etwa der alte, brummige alte Kauz hinten am Hang?"

"Genau der", bejaht Henning.

"Und der hat dir was von seinem Kram verkauft? Wie hast du denn das geschafft?" Der alte Uhlmann ist ein ortsbekannter 'Trödelsammler'. Oder besser ausgedrückt, ein Messie, der alles, was irgendwo herrenlos herumliegt, auf sein Grundstück zerrt. Er hängt total an seinem ollen Kram.

"Ich habe ihm ein Tauschgeschäft vorgeschlagen", antwortet Henning mir. "Geld interessiert ihn ja nicht." Schön, wenn man es sich leisten kann, nicht?

"Ein Tauschgeschäft? Und was hast du ihm für das Boot gegeben?"

"Den alten fahrbaren Rasenmäher von Papa. Der stand sowieso nur unnütz im Schuppen herum, seit er sich einen neuen gekauft hat."

"Du raffinierter Fuchs", lache ich und umarme Henning.

"Was tut man nicht alles für die Liebe." Hört, hört!
 

***
 

~Henning~

"Dieses abgeschiedene Fleckchen ist wirklich romantisch. Deiner Mutter wird es gefallen." Heiko blickt hinaus auf den See. Die Sonne ist am Untergehen und taucht die Baumwipfel in ein wundervoll warm-goldenes Licht.

Unser Picknick war mindestens genauso wundervoll. Sich mit Heiko im Liegen ein paar süße Früchtchen zu teilen hat definitiv etwas für sich.

"Das ist aber noch nicht alles", sage ich zu ihm.

"Nicht?"

"Nein." Ich stehe von der Picknickdecke auf und laufe zum Boot. Heiko folgt mir.

Ich löse das Tau vom Holzstumpf, rolle es ein und werfe es auf das Boot.

"Einsteigen bitte", vordere ich mein Liebling auf, der auch sofort auf Deck klettert.

Mit etwas Anstrengung gebe ich dem Boot einem kräftigen Schubs und springe selbst schnell hinein. "Dafür muss ich mir noch etwas einfallen lassen", seufze ich und schaue meine nassen Hosenbeine an. "Vielleicht einen Steg oder so. Nicht, dass es unseren Gästen auch so geht."

"Wieso?", kichert Heiko. "So bekommt man seinen Partner schneller aus der Hose." Ich werde schelmisch angegrinst.

"Ach so. Na wenn das so ist ..." Ich steige aus meiner Hose. Heikos Blick fängt sofort Feuer, das binnen Sekunden auf mich überspringt. "Willst du mal die Koje besichtigen?", frage ich ihn mit rauer Stimme. "Zum Probe liegen." Schließlich muss ich wissen, ob man bequem hier drinnen nächtigen kann.

"Gern", meint Heiko und krabbelt in meine selbstgebaute Koje. Dabei darf ich unverblümt seinen runden Knackpo bewundern, der in der grauen Kochhose einfach nur zum Anbeißen aussieht.

Er setzt sich mit ausgestreckten Beinen auf die Decken und wippt prüfend auf und ab. "Gemütlich", fällt sein Urteil aus. "Etwas hart, aber für eine Nacht dürfte es gehen."

"Findest du?" Heiko nickt. "Das ist mir aber noch nicht genug." Ich krabble zu ihm. Grinsend empfängt er mich in seinen Armen, als ich ihn niederdrücke und anschließend auf ihm zum Liegen komme. "Testen wir es heute Nacht aus."

"Das war also dein Plan", sagt Heiko. "Ich hätte es mir eigentlich denken können."

"Was dagegen?"

"Überhaupt nicht", haucht mein Schatz und versiegelt meine Lippen.
 

Langsam ziehen wir uns gegenseitig aus. Dabei ist das einzige, das wir bis auf uns selbst hören, das Zwitschern der Vögel, das hin und wieder leise Schwappen des Wassers und der Wind, der die Blätter der Bäume um uns herum zum Rascheln bringt.

Genau so habe ich mir das vorgestellt. Nichts und niemand der uns stört. Unsere eigene, kleine Welt, in der nur wir beide existieren.
 

Mittlerweile ist aus dem anfänglichen Dämmerlicht nur noch ein schwaches Schimmern jenseits der hohen Baumwipfel geworden. Zeit, den Romantikfaktor nochmal ein bisschen zu erhöhen.

"Was tust du da?" Heiko, der nackt unter mir liegt, bemerkt sofort, dass ich was vor habe.

"Überraschung", sage ich bloß und krame nach dem Schalter. Wo ist er denn nur ...? Ah da!

Warmer Lichterschein erhellt die Koje. "Eine Lichterkette?" Heiko lacht und schaut nach oben an die Decke.

"Gefällt es dir nicht?"

"Doch. Sehr", schnurrt mein Schatz und legt seine Arme um meinen Nacken. "So kann ich dich wenigstens sehen, wenn du mich vernaschst."

"Deshalb hab ich sie ja auch aufgehängt", flüstere ich ihm ins Ohr, ehe ich das weiche, warme Ohrläppchen zwischen meine Lippen sauge.
 

~Heiko~

Die kleinen Lichtpunkte der Lichterkette über mir, die man glatt mit Sternen verwechseln könnte, tanzen vor meinen Augen umher. Henning raubt mir, wie immer, fast den Verstand, sobald er mich berührt. Dabei sind es bloß seine Lippen und seine Zunge, die mich necken. Aber das reicht, um mich unter ihm zum Schmelzen zu bringen.

Ich fange an, mich an Hennings Körper über mir zu reiben. Sein kehliges Stöhnen lässt eine Gänsehaut über mich hinwegfegen. Fest schlinge ich meine Beine um seine Hüfte und in meinem Unterleib beginnt es kribbelnd zu ziehen.

Hennings Mund streift über meine Wange, hinab zu meinem Kinn, ehe sie sich endlich auf meine Lippen legen. Küssen mit Henning. Für mich gibt es nichts schöneres.
 

Langsam lasse ich meine Hände über seinen Rücken nach unten gleiten. Hin und wieder benutze ich dabei meine Fingernägel, was meinen Spatz zum Zucken bringt. Ich kenne inzwischen jede Stelle seines Körpers, an die er empfindlich reagiert. Das nutze ich natürlich schamlos aus und ärgere ihn an diesen Stellen, logisch nur 'rein zufällig'.

"Kleines Biest", knurrt Henning, als ich eine seiner empfindlichsten Körperpartien mit meinen Fingerspitzen kitzle.

"Was denn?" Ich tue unschuldig.

"Das weißt du genau."

"Tue ich das?", kichere ich. Hennings sieht mich spitzbübisch an. Was heckt er denn nun wieder aus?

"Na warte", knurrt er und macht sich über meine Brust her. Keuchend strecke ich den Hals durch.

Henning hat eine meiner Brustwarzen zu seinem neuen Objekt der Begierde auserkoren. Schauer regnen über mich hinweg. Hennings Bart, den er sich seit ein paar Wochen hat stehen lassen, kitzelt meine Nervenenden.

Ich kraule durch Hennings Haar und drücke ihn fester gegen mich. Mehr! Ich will so viel mehr!

Und Henning gibt mir mehr.
 

In Schlangenlinien wandert sein Mund abwärts. An meinem Bauchnabel angekommen, taucht Hennings vorwitzige Zunge in die kleine Vertiefung. Ich winde mich stöhnend.

Er weiß ganz genau, wie empfindlich ich dort bin, lacht deswegen auch, als ich ihm meine Fingernägel in den Nacken drücke. "Lach nicht", japse ich.

"Was soll ich denn sonst tun?" Ich brauche gar nicht meine Augen zu öffnen, um zu wissen, dass dieser kleine Schuft mich frech angrinst.

"Tu nicht so, als wüsstest du das nicht", knurre ich und hebe meine Hüfte an.

"Da gäbe es verschiedene Möglichkeiten. Du musst dich schon klarer ausdrücken."

"Ich drück dir gleich was …"

"Gerne", lacht Henning. Wie frech er doch sein kann! Und verspielt. Und verschmust … Alles Seiten, die er erst gezeigt hat, nachdem er sich endlich nicht mehr verstecken musste.

Trotzdem noch lange kein Grund, mich 'hängen' zu lassen.

"Mach endlich weiter, sonst kümmere ich mich selbst darum", drohe ich ihm und funkle ihn herausfordernd an.

"Du weißt Schatz, ich schaue dir auch mal ganz gern dabei zu, wenn du … Au!" Henning zuckt von mir weg und reibt sich die Nase. Den Zwick hat er verdient!

"Okay. Du hast es so gewollt", entgegne ich und nutze es aus, dass er Abgelenkt ist.

Im Nullkommanichts habe ich ihn unter mich befördert. Henning lacht auf und das Boot gerät ins Schwanken.

"Und jetzt?", fragt er mich, immer noch lachend.

"Jetzt", raune ich ihm zu "vernasche ich dich."
 

***
 

~Heiko~

Träge fummle ich eine der Decken über unsere schweißnassen Körper. Müde kuschle ich mich an Hennings Brust, der seinen Arm um mich gelegt hat, und mit den Fingern an meinen Haaren herumzupft, wovon ich eine Gänsehaut bekomme. Schaudernd rücke ich noch dichter an Henning.

"Meinst du, das Boot wird unseren Gästen gefallen?", fragt er mich nach einigen Minuten des Schweigens.

"Scheiß auf die Gäste", schmunzle ich. "Das Boot gehört ab sofort uns."

Henning lacht. "Und was sage ich meinen Eltern?"

"Dass deine Überraschung leider untergegangen ist", antworte ich ihm gähnend. Ich bin fix und alle. Es war ein stressiger Tag in der Küche und nun auch noch unser Abendsport gerade. Ich will schlafen!

"Das kann ich nicht sagen", höre ich Henning brummen. "Aber wir können jederzeit eine weitere Nacht hier verbringen. Natürlich nur, wenn das Boot nicht belegt ist."

"Natürlich", murmle ich. Mir fallen die Augen zu.

"Falls es dann doch mal belegt ist, müssen wir eben bei uns zu Hause schlafen."

"Hmhm ..."

"In unserem Bett."

"Bett ..."

"Das nur uns gehört."

"..."

"Das Bett in unserem Haus." Warum spricht Henning denn so laut? "Das Bett, in dem wir ab jetzt jede Nacht schlafen werden. Bei.uns.zuhause." Wie?
 

Ich blinzle müde und drehe den Kopf hoch zu Henning. Dieser sieht mich grinsend an. "Zieh endlich bei mir ein Heiko."

"Was?" Die Müdigkeit ist plötzlich wie weggeblasen.

"Kündige deine Wohnung und zieh bei mir ein", wiederholt er. Meine Mundwinkel ziehen sich nach oben. "Kann ich dein Lächeln als ja deuten?"

"Da fragst du noch?", lache ich und werfe mich auf Henning, der mich ächzend auffängt. Frechheit! So schwer bin ich doch gar nicht. "Ich muss meine Kündigung nur noch ausdrucken."

Henning macht große Augen. "Du hast die Kündigung schon geschrieben?"

Ich nicke. "Ich habe nur darauf gewartet, dass du mich fragst." Und das schon seit zwei Monaten wohlgemerkt. Denn es ist ja nicht so, dass ich noch großartig in meiner Wohnung leben würde.

All meine freien Minuten verbringe ich bei Henning. Über all die Monate hinweg, in denen wir nun schon ein Paar sind, bin ich eigentlich schon pö a pö bei ihm eingezogen. Fast meine gesamte Kleidung liegt schon in Hennings Schrank. Er hat mir sogar schon eine Hälfte darin frei gemacht.

Kein Wunder also, dass ich schon länger darauf gewartet habe, diese Worte von ihm zu hören.
 

"Dann heißt es wohl bald Kisten schleppen", grinst mein Spatz sichtlich glücklich.

"Darauf kannst du deinen Knackarsch verwetten."

"Verwetten?" lacht Henning. "Sicher, dass du das willst?"

"Warum denn nicht?", schnurre ich und lege mich auf Hennings Brust. "Solange du nur mit mir wettest …"

Henning grinst. "Darauf kannst du wetten." Lachend schüttle ich den Kopf, bevor ich mich seufzend an ihn schmiege und die Augen wieder schließe. "Hey! Sag bloß, du willst schon schlafen."

"Ja, wieso? Hast du heute Abend noch was vor mit mir?", murmle ich müde. "Noch eine Überraschung vielleicht?"

"Na ich dachte, wir würden noch ein kleines Bad im Mondenschein zusammen genießen." Hennings Finger zwirbeln durch meine Haare.

"Ein Bad im Mondenschein", wiederhole ich und drehe meinen Kopf so, dass ich Henning skeptisch anblinzeln kann.

"Warum nicht? Das Wasser hat noch eine angenehme Temperatur und ich wollte schon immer mal mit dir im Mondenschein planschen."

"Hm…", mache ich und denke nach. Ein Mondschein-Bad mit Henning … "Okay", willige ich schließlich ein, weil ich den Gedanken einfach nicht widerstehen kann. "Aber du springst zuerst ins Wasser."

Henning grinst vom einen bis zum anderen Ohr. "Abgemacht!" Schon robbt er auf den Ausgang zu.

Ich sabbere noch seinem runden Hintern nach, als schon das Boot zu schwanken beginnt, und kurz darauf ein Plätschern zu hören ist. "Heiko?! Wo bleibst du?"

"Komme!" Jetzt aber schnell!
 


 

~Ende~
 


 

Und wenn sie nicht gestorben sind, dann bringen sie noch heute das Wasser zum Kochen. Sorry, den konnte ich mir nicht verkneifen xD
 

Das war's leider schon mit meinem Pagen und seinem heißen Koch. Vielleicht hören wir ja mal wieder was von ihnen.

Jetzt gönnen wir ihnen aber erstmal ihr Mondschein-Bad ;-)
 

Und hier gibts schon was neues über die zwei: https://www.animexx.de/fanfiction/autor/723837/339614/1241868/default/#complete Fröhlichen Valentinstag ^^



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Kommentare zu dieser Fanfic (24)
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Von:  -Phenix-
2017-09-01T12:19:35+00:00 01.09.2017 14:19
UUUUND: Ende XD

Schade, ich hätte noch so einiges von den Beiden lesen können. Aber du bringst bestimmt noch ein oder zwei Specials raus (*zwinker*)
War wirklich toll zu lesen was "Hinter den Kulissen" von Meilo & Nick so abgelaufen ist. Und die zwei sind einfach Zuckersüß!
Den ganzen Tag habe ich schon vor mich hin gesummt und gesungen, gegrinst und alle fragen mich wie meine Laune so gut sein kann, obwohl ich heute bis 8 arbeiten muss XD.
Danke, dass Du mir meine Arbeitstage erträglich machst ^(^.^)^
Von:  -Phenix-
2017-08-31T13:31:05+00:00 31.08.2017 15:31
Heiko der Massenmörder – Bald im Kino! XD
Das war der erste Gedanke der mir bei der Küchenmesserszene durch den Kopf gegangen ist.

Die Story ist sooooooooooo niedlich X3 – Diabetes lässt grüßen! Dabei hatte ich meine Zuckerration heute sowieso schon mit Eiscreme überschritten! Alles nur wegen Dir!
Ich kann nicht aufhören zu lesen! Mein dümmliches Grinsen lenkt schon Aufmerksamkeit auf mich.

'Er ist die pure bayrische Versuchung‘ OH Mein Gott XD – Der Satz – wenn ich keine Zeugen hätte – ich würde mich auf dem Boden Kugeln.

„Und dann kamen sie“ – Damm Damm Daaaaaaaaaaaaaaaaaamm XD Hach, gibt es schon einen Fanclub für dich? Ich will beitreten!

Von:  -Phenix-
2017-08-31T12:34:36+00:00 31.08.2017 14:34
Also wirklich, Fara !!!
Eigentlich hätte ich ja vorgewarnt sein sollen, weil ich schon einige deiner Geschichten gelesen (oder besser: verschlungen) habe, aber diese hat schon mit dem Titel einen Nerv bei mir getroffen XD
Das habe ich heute wirklich gebraucht in der Arbeit! Jetzt fliege ich schon fast durchs Büro und dabei habe ich erst ein Kapitel gelesen XD
Der Wahnsinn 
Und ja, ich würde sie beide einsperren, aber meinst Du eine Monatspackung reicht dann?


Von:  Usaria
2017-04-03T21:46:00+00:00 03.04.2017 23:46
Ah schön, schnief, schnief, schniefschief! Deine Geschichten sind immer so romantisch. Nun da wir ja wissen das ein gewisses anderse Schwulenpärchen dieses Boot auch mal in besitzt nehmen wird, werden die beiden es wohl verlassen müssen.
Ich freue mich schon auf eine neue Story von dir. Schön wenn du mal wieder etwas von Malvin und wie hieß sein Partner gleich wieder? Etwas hören lassen würdest. Denn diese beiden sind nach Meil und Nick, mein zweit lieblings Paar, und jetzt habe ich noch ein drittes.
Antwort von:  Fara_ThoRn
14.04.2017 19:03
*lach* Aber an freien Abenden werden es sich Henning und Heiko wieder zurückerobern ;-)
Für Ostern habe ich was kleines geplant. Allerdings geht es da nicht um Malvin und Kris. Ob die beiden nochmal auftauchen werden, kann ich bis jetzt noch nicht sagen. Aber man weiß ja nie ;-)
Von:  Usaria
2017-04-02T22:23:21+00:00 03.04.2017 00:23
Ohh! Jetzt war´s das letzte. Tolle Eltern hat Henning da.
Hmm! bei deinen Versuchen Gertrud bayrisch sprechen zu lassen, musste ich schmunzeln. Also hier mal ein kleiner Bayrisch Kurs
Bub=Baua
gut = guad
Sind = sand

da ja dei G´schicht in Niedabayern spuid, ka i da heifa! Nur leide kimmt´s spad!
Antwort von:  Fara_ThoRn
03.04.2017 13:29
xD Als hessisches Maadje is mir es bayrische zwa net fremd, awwer babbele kann eich des trotzdem neid so goud ;D
Antwort von:  Usaria
03.04.2017 17:51
Du bist a Maus. Ich hab dir doch gesagt, dass wennst was bayerisches Schreiben willst mich an schreiben kannst. Na vielleicht bei der Fortsetzung.
Antwort von:  Fara_ThoRn
14.04.2017 18:57
Eich werds mir uffschreibe ;-)
Von:  Laila82
2017-04-02T19:25:25+00:00 02.04.2017 21:25
Irgendwann müssen die Beiden es ja für Niclas und Meilo frei machen, das Boot meine ich. Komisch, aber meist mag ich deine Nebencharaktere lieber wie die Hauptgeschichten.
Antwort von:  Fara_ThoRn
14.04.2017 18:56
xDDD Irgendwann müssen sich die beiden ja für Niclas und Meilo frei machen?! KOPFKINO! *lach*
Antwort von:  Laila82
14.04.2017 19:08
es - das Boot.
Fara du hast Fantasien. *lach*
Antwort von:  Fara_ThoRn
15.04.2017 16:12
na bei den vier Prachtkerlen auch kein Wunder 😋
Antwort von:  Laila82
15.04.2017 16:56
Ha Henning ist glaub schon nen Sahneschnittchen. Ich mag diese gestandenen Männer wie ihn, Theo und Mathias. Vincent ist glaub auch meine Kragenweite.
Antwort von:  Fara_ThoRn
06.08.2017 18:45
Ganz deiner Meinung ^^
Vincent stelle ich mir allerdings eher wie einen Bibliothekar vor xD
Von:  Usaria
2017-03-27T21:04:02+00:00 27.03.2017 23:04
Ja da stimme ich dir zu Laila82, die Duschszene kamm zu kurz! Oh mein Gott, das nächste ist ja schon das letzte! A Nöööö! Protest! Ich schließe mich Laila an, bitte, bitte, bitte, viele, viele, ganz viele Bonuskapiteln. Ich will noch etwas länger über die beiden Boarischn Buam lesen!
Antwort von:  Fara_ThoRn
02.04.2017 20:05
Es bleibt erstmal bei einem Bonuskapitel. Das ist auch schon hochgeladen. Weil ich euch so lange hab warten lassen. Irgendwie komm ich wieder zu nix im Moment.
Heiko und Henning werden erstmal ihren letzten Auftritt hier haben. Dafür gibts aber vielleicht zu Ostern mehr über Leon und Aaron. ;-)
Von:  Laila82
2017-03-27T11:25:42+00:00 27.03.2017 13:25
Die FF ist einfach zu schön, bloß schade das sie bald zu Ende ist. Fara ich bestehe auf ganz viele Bonuskapitel, wenn du schon bei Theo und Matthi nicht weiter schreibst.
Antwort von:  Laila82
27.03.2017 20:36
Ps. Die Duschszene ist viiiiieeeeeeel zu kurz gekommen.
Antwort von:  Fara_ThoRn
02.04.2017 20:03
xD Du darfst dir gerne noch mehr Gedanken zur Duschszene machen *lach*
Vielleicht kommt ja mal wieder was über die zwei. Zu Theo und Matthi hätte ich auch mal wieder Lust. Aber im Moment hänge ich an Leon und Aaron. Die jucken mir wieder in den Fingern. Außerdem kam mir gestern Abend eine Idee zu einer neuen Story. Und da sind ja noch die ganzen anderen Geschichten, die ich noch beenden möchte.
*seufz* Ich hab noch viel zu tun XD
Antwort von:  Laila82
02.04.2017 21:28
An den beiden hänge ich auch. Warte auf ihre Hochzeit, also die von Aaron und Leon.
Antwort von:  Fara_ThoRn
14.04.2017 18:55
Könnte sein, dass der Osterhase was in dieser Richtung in seinem Osterei versteckt hat (Hört sich jetzt echt versaut an xD) Also die Augen offen halten ;-)
Von:  Usaria
2017-03-20T20:29:40+00:00 20.03.2017 21:29
Laila ich kann mich dir da nur an schließen. Bibber Bibbber! Aber Fara du machst es ja richtig spannend, dafür dass es nur ein Zwei oder Drei Shor werden sollte. Ich weiß daraus ergeben sich oft die bessten Geschichten. Seufz! Ich freu mich schon auf´s nächste Kapitel
Antwort von:  Fara_ThoRn
02.04.2017 20:01
Das Bibbern hat ein Ende. Die Story der Beiden leider auch ;__;
Aber vielleicht tröstet es ja, dass es doch mehr Kapitel geworden sind, als von mir geplant *gg*
Antwort von:  Laila82
02.04.2017 21:27
Schade, aber sie müssen ja spätestens bei der Hochzeit von Meilo und Nic dabei sein.
Von:  Laila82
2017-03-18T20:20:51+00:00 18.03.2017 21:20
Wenn ich nicht wüsste das alles gut geht würde ich mit ihnen bibbern. Die beiden sind so - nein nicht kitschig werden.... bitte schreib schnell weiter, da dürfen noch gaaanz viele Kapitel kommen und die zwei auch.
Antwort von:  Fara_ThoRn
02.04.2017 19:59
Leider ist nach dem siebten Kapitel schon Schluss. Aber wer weiß? Vielleicht bekomme ich ja Sehnsucht nach den Beiden und schreibe mal wieder was über sie ;-)
Antwort von:  Laila82
02.04.2017 21:27
Würde mich freuen.


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