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Lieben und geliebt werden

von

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Dreiständekammer

Der erste Schnee legte sich leise auf die dunkle Erde und hüllte alles in seinen weißen Mantel ein. Die Staatskassen waren durch hohe Ausgaben so gut wie leer und die Unzufriedenheit des Volkes wuchs ins Unermessliche, genauso wie die Steuern. Versammlungen fanden nun auf offenen Straßen statt und die mutigen Sprecher forderten die Menschen dazu auf, nicht mehr tatenlos alles hinzunehmen, sondern sich zu erheben und zu handeln, denn zu lange hatten die Adligen auf ihre Kosten gelebt und die einfachen Menschen auf diese Weise ausgebeutet.

 

„Schau, André, ist das nicht Bernard?“, wies Oscar ihren Gemahl während einer Patrouille auf eine dieser Versammlungen hin.

 

„In der Tat... Das ist Bernard...“ Beim genaueren Hinsehen, erkannte er den ehemaligen schwarzen Ritter.

 

„Reiten wir hin und hören uns an, was er so vor dem Volk spricht“, schlug Oscar vor und wendete ihr Pferd in die Richtung der versammelten Menge. Sie waren ja ohnehin bei einem Kontrollritt und könnten sich sogleich ein genaueres Bild von solchen Versammlungen machen.

 

„...der Tag wird kommen, an dem wir wie Menschen leben werden!“, hörten sie gerade Bernards entschlossene und motivierende Rede über alle Köpfe hinweg hallen. „Denn wir sind Menschen, genau wie die da oben und wir haben ein Recht auf unseren Leben.“

 

„So gesehen hat er eigentlich recht...“, murmelte André kaum hörbar.

 

Oscar sah schlagartig zu ihm, aber sagte nichts, denn sie wusste genau, was er damit meinte und war demzufolge auf seiner Seite. Bernard sprach schon weiter ohne das Ehepaar am Rande der versammelten Menschen wahrzunehmen und diese hörten ihm wieder zu: „Lang genug hatten sie uns wie Tiere im Dunkeln gehalten, aber jetzt ist unsere Stunde gekommen – die Zeit der Unterdrückung ist vorbei!“

 

Die Menschen bejubelten ihn, stimmten in ihrer Euphorie angespornt ihm zu und in diesem Moment wendete Oscar ihr Pferd. „Hier scheint noch alles in Ordnung zu sein. Reiten wir weiter, André.“ Dieser holte sie sogleich ein. „Wollen wir ihm nicht einen Besuch abstatten?“

 

„Du hast recht, immerhin ist seine Rosalie bei uns und er hat das Recht zu erfahren, wie es ihr geht.“

 

 

 

- - -

 

 

 

„Oh, welch eine Freude!“, begrüßte Bernard seine Freunde und ließ sie in seine Wohnung herein. Er bereitete gleich einen Tee zum Aufwärmen für sie. „Wie geht es meiner Rosalie?“, fragte er dabei.

 

„Ihr geht es gut. Sie scheint etwas aufgeblüht zu sein.“, erklärte Oscar.

 

„Die Fürsorge für Eure Kinder ersetzt ihr den Verlust...“, meinte Bernard trüb. „Aber ich bin erleichtert, dass es ihr bei Euch soweit wieder gut geht.“

 

„Das wird schon, Bernard“, versuchte André ihn aufzumuntern.

 

„Das hoffe ich.“ Bernard runzelte missmutig mit seiner Stirn und senkte seine Stimme fast zum Flüstern: „Aber andererseits ist es vielleicht besser ohne Kinder zu sein...“

 

„Wie meinst du das?“, fragte Oscar erschrocken und kam gleich selbst auf die Antwort. „Vermutlich hast du in diesem Falle recht – die Zeiten sind viel unruhiger geworden und wenn ein Krieg ausbricht, dann werden die Kinder meistens die ersten Opfer sein...“

 

„Ihr habt es gut erfasst, Lady Oscar...“ Bernard kam an den Tisch zurück und stellte das Tablett mit einer Kanne Tee und drei Tassen darauf ab. „Wie geht es denn eigentlich Euren Zwillingen in diesen unberechenbaren Zeiten?“

 

Oscar nahm dankend einen Schluck von dem warmen Getränk und als sie die Tasse von ihren Lippen absetzte, meinte sie nur knapp: „Sie wachsen und bekommen nichts von dem Chaos mit.“

 

„Und sie werden weiterhin nichts davon mitbekommen“, fügte André hinzu und nippte auch an seinem Tee. „Dafür werden wir schon sorgen.“

 

„Ja, wir werden schon dafür sorgen, dass es ihnen gut geht. Momentan scheint es noch in Ordnung zu sein.“ Oscar behagte dieses Thema nicht und sie wechselte es daher. „Wir haben deine Rede angehört.“

 

„Ganz großartig, wir waren begeistert!“, stimmte André auch mit ein.

 

Bernard konnte die beiden verstehen und lächelte angetan für das Kompliment von André. „Bisher war alles in Ordnung – jedenfalls bei Leuten wie euch, aber die Zeiten ändern sich. Ich arbeite wie ihr wisst längst für Robespierre. Meine Mithelfer verteilen die Handzetteln und ich mache solche Versammlungen.“

 

„Wie interessant...“ Oscar spitzte hellhörig ihre Ohren.

 

Bernard kam sogleich ein Einfall in den Sinn. „Wollt Ihr und André bei uns nicht mitmachen? Ihr seid doch auf der Seite der Gerechtigkeit und solche Menschen wie Ihr werden wir sehr brauchen.“

 

„Nun...“ Oscar war für kurzen Moment sprachlos.

 

„Der Tee ist wirklich vorzüglich.“, mischte sich André ein. Er hatte Oscars Stummheit anders interpretiert. „Willst du nicht auch eine Tasse trinken?“

 

„Ihr weicht mir aus.“ Bernard runzelte missverständlich die Stirn. „Wenn ihr keine Interesse an der Bewegung habt, wieso wart ihr dann bei der Versammlung und habt meine Rede angehört?“

 

„Niemand hat gesagt, dass wir kein Interesse haben...“, klärte Oscar auf. „Wir werden darüber nachdenken. Danke für deine Gastfreundschaft, Bernard. Nun müssen wir zu unseren Kindern zurück.“

 

„Bernard! Hey, Bernard mach auf!“, erscholl es hinter der Tür, gefolgt von einem heftigen Klopfen. Bernard machte die Tür auf und zwei seiner Helfer platzten herein. „Du musst sofort mitkommen! Wir haben es geschafft! Die Dreiständekammer ist bestätigt!“

 

„Was sagt ihr? Ist es wirklich wahr?“ Bernards Gesicht hellte sich auf.

 

„Ja, Bernard, das ist wahr!“

 

 

 

Wegen den schlechten Umständen des Landes war der König sozusagen gezwungen, eine Dreiständekammer einzuberufen. Im Januar erließ er den Befehl die Dreiständekammer einzuberufen und am ersten Mai 1789 begann das Parlament. Die Söldnertruppe unter der Führung von Oscar sollte das Parlamentsgebäude bewachen und für Ordnung sorgen.

 

„Seit das Parlament eröffnet wurde, gab es keine Pause“, meinte André an einem sonnigen Tag bei der Wache zu seinem Freund. „Es scheint heiß her zu gehen.“

 

„Ja.“, bestätigte Alain. „Es wird erzählt, dass unsere Volksvertreter denen von der Kirche und Nichtstuern von Adel ganz schön kräftig zusetzen. Ich gäbe was dafür, wenn ich dort Mäuschen spielen dürfte.“ Er sah zu André und dann über seine eigene Schulter. „Oh, da kommt deine Oscar.“ Oscar kam zu den beiden näher und Alain verwickelte sie gleich in ein Gespräch. „Und was tut sich da? Gibt es etwas Neues im Parlament?“

 

„Sie liefern sich bittere Mordgefechte.“ Oscar ging an den beiden Männern vorbei. „Wenn diese Konferenz vorbei ist, brauchen wir einen Urlaub. Aber bis dahin müssen wir hart arbeiten.“

 

„Was macht eigentlich Diane, Oberst?“ Wenn sie schon hier an ihnen direkt vorbeilief, da konnte er auch gleich etwas über seine Schwester erfahren.

 

Oscar blieb unvermittelt stehen. „Ich habe sie schon lange nicht mehr gesehen.“, sagte sie und schmunzelte unwillkürlich. „Aber ihr geht es gut.“

 

„Das kann ich nur bestätigen.“ Auch André konnte kaum ein Grinsen verbergen. Alain sollte ja nicht wissen, was er und Oscar einen Monat vor der Parlamentseröffnung entdeckt hatten. Mit dem Wissen, dass es seiner Schwester immer besser ging und nach einigen Besuchen auf dem Anwesen blühte auch Alain auf und war wieder ganz der Alte. Aber da er trotzdem noch alle Männer mit seinem scharfen Mörderblick erdolchte, sobald einer von seinen Kameraden nach Diane fragte, war es daher besser, ihm nichts von den Beobachtungen an dem einem so angenehmen Frühlingstag zu erwähnen. Gilbert hatte nämlich Diane an der Hand gehalten, aber so vorsichtig und schüchtern, dass das Ehepaar immer noch darüber schmunzelte. Sie hatten das Pärchen rein zufällig beobachten können und sich nicht eingemischt. Das war eine Sache zwischen den beiden und es entstand eine kleine Hoffnung in diesen düsteren Tagen auf ein frisches Liebesglück. Gilbert hatte Diane ganz diskret seine Unterstützung angeboten und ihr sein Herz zu Füßen gelegt. Seit dem lief Diane ständig mit rotglühenden Wangen und spannte den armen Gilbert mit ihrer Antwort auf die Folter und Oscar mit André behielten daher das alles lieber für sich.

 

 

 

Eine Kutsche fuhr an ihnen plötzlich vorbei und verließ den Hof. Oscar sah ihr mit mulmigen Gefühlen nach. „Die Kutsche von Marie Antoinette. Das heißt, dass die Parlamentssitzung abgebrochen wurde...“ Und den Grund dafür sprach niemand laut aus. Der Thronfolger, Prinz Louis Joseph war sehr krank und es ging ihm anscheinend noch schlimmer, dass die Versammlung des Parlaments deshalb unterbrochen werden musste...

 

Man hoffte und bangte, dass es nicht so schlimm sei, aber die Hoffnung zerplatzte und der junge Prinz lebte nicht mehr lange...

 

„Er war erst sieben Jahre und acht Monate alt geworden...“, sagte Oscar zu ihrem Mann an dem einen verregneten Junimorgen in ihrem Salon und ritt gleich danach unverzüglich zum Schloss, um der königlichen Familie ihr Beileid auszusprechen.

 

 

 

Der Trauer währte nicht lange, wie bitter es auch war, aber die Parlamentssitzung musste fortgesetzt werden – die Menschen bestanden darauf. Jedoch stritt man sich nur die meiste Zeit, anstelle zu einem Ergebnis zu kommen.

 

„Heute wird Robespierre eine wichtige Rede halten... Wer weiß, vielleicht hat er die Lösung für diese verfahrene Situation...“ Oscar ging die Reihe ihrer Soldaten vor dem Parlament durch und war bereits schon vollkommen durchnässt. Seit Tagen regnete es ohne Unterlass und Oscar fühlte sich nicht wohl. Sie dachte, es eine Erkältung war, aber es war noch schlimmer. Wieder stieg der brennende Reizhusten ihre Kehle hoch, in ihren Lungen rasselte es und sie musste ihre behandschuhte Hand vor dem Mund halten, um den plötzlichen Husten abzudämpfen. Sie lehnte sich etwas an einer Säule an und der Husten schien sich zu legen.„Halte durch, du schaffst das...“, redete sie sich ein und schloss die kleinen Blutstropfen auf ihrem weißen Handschuh in eine Faust so stark und fest, dass es beinahe wehtat.



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