Eulenpost
Es war an einem herrlichen Sommertag Mitte Juli 1971 in einem kleinen Ort nördlich von London.
Ein kleiner elfjähriger Junge mit strubbeligen schwarzen Haaren, haselnussbraunen Augen und Brille saß schon den ganzen Vormittag aufgeregt im Wohnzimmer am Fenster. James Potter beobachtete den Himmel. Plötzlich sprang er aufgeregt vom Sofa auf und rannte in die Küche zu seinen Eltern. „Sie kommt! Sie kommt!“ rief er. Sein Vater saß am Küchentisch und blätterte durch die Zeitung, während seine Mutter das Mittagessen vorbereitete. Noch ehe seine Eltern etwas erwidern konnten, flitzte er hinaus in den Garten. Wieder starrte er in den Himmel und von dort kam jetzt eine große Eule direkt auf ihn zugeflogen. Sie trug einen großen Umschlag im Schnabel und ließ diesen direkt in James Hände fallen. Völlig aus dem Häuschen rannte der Junge wieder in die Küche. „Er ist da!“ jubelte er und wedelte mit dem Umschlag, auf dem mit smaragdgrüner Tinte sein Name und seine Adresse geschrieben waren. Endlich war es soweit, er durfte nach Hogwarts.
Eine andere Eule lieferte währenddessen einen weiteren Umschlag am Grimmauld Place Nr. 12 in London ab. Der Brief war an einen elfjährigen Jungen namens Sirius Black adressiert. Die Eule flog durch ein Fenster im ersten Stock und landete im Salon auf einer Sessellehne. Zwei schwarzhaarige Jungen saßen auf dem Boden und spielten Koboldstein. Der Jüngere der beiden sprang auf und schnappte sich den Brief. „Dein Brief ist da, Sirius!“ sagte er leicht grinsend. „Gib ihn her, Regu!“ forderte Sirius. Doch sein Bruder dachte gar nicht daran und rannte aus der Tür in den Flur. „Hol ihn dir doch!“ rief er. Sirius rannte ihm nach. „Das ist mein Brief! Gib ihn her!“. Die beiden jagten die Treppe hinunter und rannten dabei ihren alten Hauselfen fast um. Es gelang Sirius nicht Regulus zu fassen. Sein jüngerer Bruder war geschickt und er entwischte ihm immer, wenn er dachte, dass er ihn jetzt hatte. Die Verfolgungsjagd wurde jäh durch ihren Vater beendet, der aus seinem Arbeitszimmer kam, um der Quelle des Lärms auf den Grund zu gehen. „Darf ich erfahren, warum ihr durch das ganze Haus rennt, wie eine Horde wildgewordener Hippogreife?“ Er musterte seine Söhne mit hochgezogenen Augenbrauen und strenger Miene. „Regu hat meinen Brief aus Hogwarts und will ihn nicht mehr hergeben!“ sagte Sirius verärgert. „Ich will ja auch nicht, dass du da hingehst! Dann bin ich hier nämlich ganz allein!“ antwortete Regulus schmollend. Orion Black musste unwillkürlich schmunzeln. „Es ist doch nur ein Jahr, Regulus, dann siehst du ihn wieder jeden Tag! Jetzt gib ihm schon den Brief!“ sagte er, woraufhin er Sirius etwas widerwillig den Brief überreichte.
Zur gleichen Zeit saß Remus Lupin, ein kränklich aussehender, braunhaariger Junge, an einem kleinen Bach nahe seines Elternhauses und ließ Steine übers Wasser hüpfen. Plötzlich hörte er seine Mutter nach ihm rufen. „Ich komme!“ rief er zurück, stand auf und lief zum Haus, wo sie lächelnd auf ihn wartete. Hope Lupin hatte einen großen Umschlag in der Hand. „Dein Brief aus Hogwarts ist da, Liebling!“ sagte sie und überreichte ihn ihrem Sohn. Remus nahm den Brief etwas zögerlich entgegen. Seit Albus Dumbledore, der Schulleiter von Hogwarts, ihn vor einigen Monaten persönlich aufgesucht hatte um ihm einen Platz an der Schule für Hexerei und Zauberei anzubieten, wusste er, dass der Brief kommen würde. Zwar freute sich Remus sehr darüber, aber er war sich auch nicht sicher ob er wirklich dorthin gehen sollte. Remus war anders als die anderen Kinder in seinem Alter. Einmal im Monat verwandelte er sich in einen Werwolf. Jeder andere Schulleiter hätte ihn gar nicht erst zur Schule gehen lassen, da jemand wie er in der Zaubererwelt geächtet war. Dabei konnte Remus gar nichts dafür. Er war noch sehr klein gewesen, als er gebissen wurde. Bis Albus Dumbledore unerwartet bei den Lupins aufgetaucht war, hatte er auch keine Hoffnung gehabt, dass er jemals nach Hogwarts gehen durfte. Doch jetzt würde sich sein Traum erfüllen.
In der kleinen Stadt Cokeworth in Mittelengland rannte ein rothaariges Mädchen mit auffallend grünen Augen aufgeregt hinunter zum Fluss. Lily Evans hoffte, ihren besten Freund dort anzutreffen. Kurz darauf entdeckte sie ihn an ihrem üblichen Treffpunkt. Severus Snape war ein magerer Junge mit schulterlangen, schwarzen Haaren. Seine Kleidung wirkte abgetragen und passte nicht wirklich zusammen. Lily setzte sich neben ihn ins Gras. „Gerade eben war jemand von Hogwarts da, wie du gesagt hast!“
Völlig außer Atem wedelte sie mit einem großen braunen Umschlag. „Meine Eltern freuen sich wahnsinnig für mich, aber sie wollten zunächst nicht wirklich glauben, dass ich eine Hexe bin.“
„Wie hat es deine Schwester aufgenommen?“ Eine Eule hatte ihm seinen Brief schon am Vortag gebracht.
Lily’s Blick wurde traurig. „Tunia ist verärgert. Sie hat mich als Missgeburt bezeichnet und ist in ihr Zimmer gerannt.
„Sie ist eifersüchtig.“ sagte Severus schulternzuckend. Er konnte Lily’s Schwester Petunia nicht leiden und er war froh, dass sie nicht auch eine Hexe war.
Lily las ihren Brief wieder und wieder. „Das ist noch so unwirklich…“ sagte sie leise.
„Warte ab bis du die Winkelgasse siehst!“ sagte Severus begeistert.
Die zwei konnten es kaum erwarten und sehnten den 01. September herbei, den Tag, an dem sie zum ersten Mal in den Hogwarts-Express steigen würden.