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Yu-Gi-Oh! The Last Asylum

von

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Turn 91 - Today Will Never Exist Again

Turn 91 – Today Will Never Exist Again

 

 

„D-das kann unmöglich sein!“, stammelte Henry Ford aufgebracht in sein schwarzes Smartphone.

Er befand sich in einem kleinen Büro mit dunklen Holzmöbeln, abgewandt vom Schreibtisch des Besitzers.

„Sir, die Daten lügen nicht. Es war eine Excel-Beschwörung“, sprach die Frau am anderen Ende der Leitung sachlich.

Henry senkte sein Haupt. „… wer?“

„Die Duel Disk ist registriert auf eine Velvet Thorne, Duellanten-ID 102-214-876-175. 16 Jahre alt, Wohnhaft in Kings Crowning. Sie studiert an der Cloverfield Duel Academy.“

„Was!?“, polterte der brünette, junge Mann im weißen Anzug. Er kannte diese Schule, schließlich förderte die AFC sie seit Jahren. Er mahnte sich zur Ruhe. „Und es besteht kein Zweifel?“

„Nein, Sir.“

„… also gut. Vielen Dank für die Benachrichtigung. Nehmen Sie sich der Sache bitte sofort an, ich möchte eine durchgehende Untersuchung. Ich melde mich.“ Nach einer kurzen Verabschiedung landete das Telefon in seiner Hosentasche.

 

„Probleme?“, fragte Aiden Reid am Ende des Schreibtisches und betrachtete Henry neugierig.

„Das wird sich zeigen. Ich fürchte, das Meeting morgen muss verschoben werden.“

Der brünette CEO von Micron Electronics nickte verständnisvoll. „Natürlich.“

Reid strich sich über seinen Dreitagebart. „Wie ich gerade schon erwähnte, sind die Bauarbeiten der stationären 'Monochrome' fast abgeschlossen. Schon bald können wir einen ersten Testlauf starten.“

So gern Henry über sein geheimes Projekt sprechen wollte, so sehr fehlten ihm plötzlich die Nerven dafür. Er nickte knapp. „Gut. Irgendein Wort von Nick Harper?“

„Nichts. Er ist spurlos verschwunden.“ Aidens strahlende Züge verschwanden schlagartig. „Es tut mir leid, ich kann mir nicht erklären, was da los ist.“

„Sie sagten, er habe seine Arbeit bereits beendet?“

„Ja. Ich hatte ihn beauftragt, noch ein paar Kalibrierungen vorzunehmen-“

Henry schnitt ihm ins Wort. „Dafür ist noch genug Zeit. Solange das Gerüst steht, habe ich kein Problem damit, wenn er ein paar Tage untertaucht. Er hat Tag und Nacht an diesem Projekt gearbeitet.“
 

Er konnte Reid ansehen, dass er nur allzu gerne widersprechen würde. Irgendetwas ging zwischen den beiden vor sich, das hatte Henry immer wieder bei Besprechungen gemerkt. Nick verhielt sich diesem Mann gegenüber äußerst feindselig – so sehr, dass jeder normale Arbeitgeber so ein Verhalten bestrafen würde. Doch Reid tat genau das Gegenteil.

Was auch immer, es ging ihn nichts an. Zumindest solange 'Monochrome' dadurch nicht gefährdet wurde.

 

„Ich werde dann gehen“, kündigte Henry an. „Vielen Dank für das Update. Ich hoffe, es schon bald selbst ausprobieren zu können.“

„Natürlich. Sie sind 'Monochromes' Vater. Falls Sie Hilfe wegen Ihres Problems benötigen, melden Sie sich ruhig.“

Der junge Ford-Spross nickte knapp und wandte sich der mit Sichtschutz bedeckten Glastür zu.

 

~-~-~

 

Am nächsten Tag …

 

Velvet schlenderte mit ihren Freunden durch den Gang auf dem Weg zur ersten Unterrichtsstunde. Gedankenverloren sah sie aus den Fenstern und beobachtete ihre Mitschüler auf dem quadratischen Innenhof, die dort Unterlagen austauschten, Späße machten und einfach ausgelassen tratschten.

Sie beneidete sie ein wenig um ihre Unschuld.

 

„Der Streit von gestern liegt dir wohl immer noch schwer im Magen, hm?“, fragte der blonde Isaac hinter ihr vorsichtig.

Tatjana, die neben dem Mädchen im violett-schwarzen Blumenkleid her lief, schnaubte. „Nein, das sicher nicht, du Hutständer! Die versuchte Entführung. Hab ich Recht?“

„Hmhm“, gab Velvet allerdings völlig abwesend von sich.

„Hast du dich schon entschieden, ob du nun zur Polizei gehen wirst oder nicht?“, fragte Patrice ganz hinten, als sie vor der Tür ihres Klassenzimmers ankamen.

Als keine Antwort folgte, langte der Afroamerikaner Fabio über seine anderen Freunde hinweg und tippte ihr leicht gegen den Hinterkopf. „J-ja!? Was hast du gesagt!?“

Der Venezolaner stöhnte schicksalsergeben. „Schon gut. Wir können darüber auch noch später reden.“

 

Velvet setzte sich an ihren Platz in der zweiten Reihe am Fenster, um den sich die anderen versammelten. Sie quatschten über Mode, nervige Mitschüler und den ganzen typischen Kram, der Teenager so beschäftigte. Die Brillenträgerin hörte kaum hin, dachte immer wieder an das Duell gegen diesen Vampir. Wohin er wohl verschwunden war? Er hatte doch die perfekte Gelegenheit gehabt, seine Drohung wahr zu machen. Was war mit ihm geschehen?

Wenn ihre Visionen ihr doch nur die Fragen beantworten würden, die sie interessierten! Aber sie konnte sie nicht steuern. Sie kamen einfach, unvermittelt und meist auch völlig ungebeten. Sie erschauderte beim Gedanken an das, was sie als Todesvision empfunden hatte.

War sie überhaupt sicher hier? Sollte sie vielleicht doch eine Weile untertauchen, wie Patrice es gestern noch vorgeschlagen hatte? Aber wie sollte das gehen, sie musste zur Schule und ihre Eltern würden sich bestimmt fragen, was da los ist.

 

In all ihren chaotischen Gedanken bekam Velvet kaum mit, dass der Unterricht längst begonnen hatte und ihre Geschichtslehrerin, die dunkelhäutige, stets lässige Miss Chapman, über den Vietnamkrieg zu sprechen begann.

Plötzlich verstummte sie, als eine Durchsage die Runde machte.

„Miss Thorne aus Kurs 4b, bitte melden Sie sich umgehend im Sekretariat. Ich wiederhole, Miss Thorne aus Kurs 4b, bitte melden Sie sich umgehend im Sekretariat.“

Jetzt war Velvet in der Realität angekommen. Und alle Augen waren auf sie gerichtet.

„Was hast du denn jetzt angestellt, Thorne?“, gluckste Miss Chapman, die seitlich auf ihrem Lehrerpult saß und ein Buch in der Hand hielt.

„I-ich weiß nicht.“

„Wenn du nach oben musst, kann es nur was Ernstes sein“, vermutete Isaac von der ersten Reihe aus sofort und machte ihr damit wenig Mut.

Mit flauem Gefühl im Magen erhob sich Velvet. Aber Miss Chapman winkte ab. „Ach, die Vinewood ist nicht so übel. Ist bestimmt nichts Schlimmes. Unsere Thorne würde doch nie was anstellen, oder?“

„N-nein!“

Trotzdem konnte sie den Gedanken nicht verdrängen, dass Isaac Recht haben könnte. Nervös schlenderte Velvet aus dem Klassenzimmer, winkte ihren Freunden noch einmal zu.

 

~-~-~

 

Als Velvet nach kurzer Wartezeit im Sekretariat das Büro der Direktorin Mrs. Vinewood betrat, wurde das ungute Gefühl zu einem schmerzhaften Krampf in ihrem Magen. Denn die bereits ergraute Dame im dunkelroten Kostüm war nicht alleine. Sie saß an ihrem Schreibtisch vor einem großen Fenster. Davor standen zwei Stühle, von denen einer besetzt war. Ein junger Mann, brünett und in weißem Anzug saß dort und unterhielt sich mit der Frau. Das Gespräch endete abrupt als Velvet eintrat.
 

„O-oh Entschuldigung!“, stammelte jene, als sie begriff, dass sie gar nicht angeklopft hatte.

Mrs. Vinewood erhob sich. Hinter den dicken Brillengläsern in schwarzem Rahmen starrten schmale, graue Augen sie scharf an. Aber die Frau blieb freundlich. „Miss Thorne. Vielen Dank, dass Sie hier sind. Kommen Sie bitte herein.“

Als ob sie irgendeine Wahl gehabt hätte, dachte das Mädchen klagend und schloss die Tür hinter sich. Auch der Mann erhob sich und drehte sich um. Es dauerte einen Moment, ehe die Schwarzhaarige ihn erkannte – und prompt erstaunt keuchte. Das war Benjamin Hendrik Ford, praktisch neben seiner Schwester Melinda DAS Gesicht der Abraham Ford Company. Die, die für viele Belange seitens Duel Monsters in den Staaten verantwortlich waren.

„H-hallo“, stammelte Velvet ehrfürchtig.

Und wurde in ihrer düsteren Vorahnung bekräftigt, als Henry sie lediglich finster anstarrte und kein Wort des Grußes verlor.

„Setzen Sie sich bitte“, forderte Mrs. Vinewood ihre Schülerin auf.

 

Nur ein ganz kleines bisschen zitternd trottete Velvet zum Schreibtisch der Direktorin. Deren Büro war ziemlich spartanisch eingerichtet. Weiße Wände, ein paar Aktenschränke zur Linken – mehr nicht. Viele behaupteten, dass sie sehr streng und penibel sei. Wobei man nicht sagen konnte, dass die Frau ihre Arbeit schlecht machte. Sie galt als jemand, der stets ein Ohr für die Belange der Studenten hatte und sich um jede Möglichkeit bemühte, jenen den Weg zum Profidasein zu erleichtern.

Velvet selbst hatte bisher noch keinen direkten Kontakt mit ihr gehabt, abseits ein paar zufälliger Treffen auf den Gängen des Campus oder bei Ansprachen. Und eigentlich hätte es gerne auch so bleiben können.

 

Die paar Schritte fühlten sich für das Mädchen wie eine Ewigkeit an. Als sie endlich ihr Ziel erreichte, machte Mrs. Vinewood noch eine eindeutige Handgeste zum Stuhl. Velvet setzte sich schluckend nieder.

„Haben Sie eine Ahnung, warum ich Sie hierher gerufen habe, Mrs. Thorne?“

„N-nein“, antwortete die und schüttelte viel zu kräftig den Kopf. Aber sie befürchtete, dass es etwas mit Henry Ford zu tun haben musste. Und sie sollte Recht haben.

„Dann helfe ich Ihnen mal auf die Sprünge“, brauste jener sofort auf, wurde aber von der Direktorin zum Schweigen gebracht.

„Mr. Ford, ich bitte Sie ruhig zu bleiben.“ Jene bat auch ihn mit einer beschwichtigen Geste, sich wieder zu setzen, was Henry aber nur sehr widerwillig tat. Als sie die Einzige war, die noch stand, stützte sie sich mit beiden Händen vom Schreibtisch ab. „Ich bitte Sie beide darum, über dieses Gespräch Stillschweigen zu bewahren.“

„Wir werden sehen“, murmelte Henry abweisend.

„N-natürlich“, stammelte Velvet dagegen gehorsam.

 

Die ergraute Frau richtete sich auf. „Miss Thorne, ich werde direkt zum Punkt kommen. Ihnen wird vorgeworfen, interne und geheime Informationen der Abraham Ford Company und darüber hinaus auch eine bisher unveröffentlichte Karte gestohlen zu haben.“

Sofort platzte es aus Velvet: „W-was!?“

„Mr. Ford“, forderte Mrs. Vinewood ihren anderen Gast auf.

Jener sah Velvet feindselig an. „Vor zwei Tagen haben unsere Server die Verwendung eines Excel-Monsters gemeldet. Eines, das Sie gespielt haben.“

Das Mädchen traute ihren Ohren kaum. Ja, es stimmte, sie hatte [Ebon Sky Pegasus] benutzt, a-aber doch nicht gestohlen!

„Diese Art von Beschwörung ist ein Prototyp, der nie in Serie ging. Sämtliche Informationen dazu blieben unter Verschluss“, erklärte Henry jetzt etwas ruhiger, „dazu kommt, dass die von Ihnen gespielte Karte nie von uns entworfen wurde.“

„Haben Sie uns dazu irgendetwas zu sagen?“, wollte Mrs. Vinewood streng wissen.

Eine Menge, hätte Velvet am liebsten gesagt. Aber wer würde ihr glauben, wenn sie sagte, dass diese Karte -einfach so- in ihrem Deck aufgetaucht sei? Und dass sie die Zukunft und Vergangenheit sehen konnte wie eine Hellseherin?

„I-Ich habe nichts gestohlen, das schwöre ich.“

„Natürlich. Das werden Sie auch bald vor dem Staatsanwalt müssen“, schnarrte Henry.

Auch Mrs. Vinewood schien ihr kein Wort zu glauben. „Miss Thorne, ist Ihnen klar, was Ihnen vorgeworfen wird? Industriespionage ist kein Kavaliersdelikt. Ich muss Ihnen nicht erklären, dass eine Suspendierung nur der Anfang vom Ende wäre.“

Velvet schluckte. „A-aber ich habe doch nichts getan!“

„Und wie sind Sie dann an jene Karte gelangt?“ Henry sah sie aus den Augenwinkeln scharf an.

„Ich weiß es nicht!“, wurde das Mädchen schlagartig laut. Als sie bemerkte, wie die beiden Erwachsenen überrascht zurückschreckten, versank sie noch tiefer im Stuhl als ohnehin schon möglich. Sie war den Tränen nahe. „I-ich weiß es nicht. Ich weiß ja nicht mal, wie Pegasus funktioniert … oder wo er jetzt ist. Aber … aber wenn ich dafür eingesperrt werde, dann … dann ist mir das recht. I-ich akzeptiere jede Strafe.“

 

Es war ein seltsamer Gedanke, den Velvet in diesem Moment hatte. Denn vielleicht konnte sie ihr Schicksal dadurch ändern. Im Gefängnis wäre sie sicher, oder? Nein … nein, nicht vor Leuten wie diesem Zyxx. Was für einen Unsinn sie da redete!

Trotzdem sie sich am liebsten auf die Zunge beißen würde, sagte sie nichts mehr. Denn in gewisser Hinsicht war sie ja schuldig. Sie hatte eine Karte benutzt, die ihr nicht gehörte und die das Geschäft der AFC, sollte all das bekannt werden, schädigen könnte. Auch wenn es unabsichtlich war, aber Unwissenheit schützte vor Strafe nicht.
 

„Nun, Mr. Ford, was schlagen Sie vor?“, fragte Mrs. Vinewood den jungen Mann.

Der betrachtete Velvet noch immer von der Seite, richtete sich dann auf und erhob sich. „Es gibt nur eine Art und Weise, wie solche Angelegenheiten geregelt werden.“

„Ich hatte gehofft, dass Sie das sagen werden.“ Die Direktorin richtete sich an Velvet. „Miss Thorne, holen Sie bitte Ihre Duel Disk und finden sich in der Arena ein.“

„W-was?“

„Ich fordere Sie heraus“, sprach Henry und schritt von dannen, „wir werden das klären wie wahre Duellanten – in einem Duell. Dort werde ich beurteilen, wie schuldig Sie sind, Mrs. Thorne.“

Er drehte sich noch einmal zu ihr um. Seine Augen funkelten auf eine gefährliche Art und Weise, die dem Mädchen einen Schauder über den Rücken laufen ließ. „Eine Niederlage wäre das Ende Ihrer Zukunft. Also setzen Sie -alles- ein, was Sie bisher gelernt haben.“

 

Velvet konnte im ersten Moment gar nicht recht begreifen, was vor sich ging. Als es Klick machte, sprang sie erschrocken auf. „W-warten Sie! K-können meine Freunde zusehen?“

„Miss Thorne, das Duell wird während der Unterrichtszeit stattfinden“, wollte Mrs. Vinewood die Bitte sofort abschlagen.

Doch das Mädchen war noch nicht fertig. „I-ich habe Ihnen von Pegasus erzählt, aber einige glaubten mir erst nicht. Auch wenn ich bestraft werden muss, möchte ich vor ihnen nicht als Lügnerin dastehen.“

Henry nickte. „Immerhin sind Sie ehrlich. Gut, wenn sie sowieso schon Mitwisser sind, dann spricht wohl nichts dagegen. Clementine, ich schließe mich der Bitte Ihrer Studentin an.“

Die Direktorin tauschte einen eindringlichen Blick mit Henry aus, ehe sie zustimmte. „Gut. Ich schätze, was sie im Unterricht verpassen, können sie beim Beobachten eines Profis wieder wett machen.“

Ein winzig kleiner Kieselstein fiel Velvet vom Herzen. So würde ihr es um einiges leichter fallen, jemandem wie Henry Ford entgegen zu treten. Nicht, dass sie sich irgendwelche Hoffnungen machte, aber die Anwesenheit ihrer Freunde gab ihr wenigstens ein bisschen Kraft. „Danke!“

 

~-~-~

 

Eine halbe Stunde später hatten sich sämtliche Involvierte in der kreisrunden Arena eingefunden, dem Duelldom der Akademie, welcher nicht direkt an jene angeschlossen war. Tatsächlich musste man vom Hauptgebäude aus einen gepflasterten und mit Steinsäulen bespickten Weg entlang des größeren Hofs gehen, ehe man ihn erreichte.

 

Die Tribünen waren, wie es in solchen Hallen üblich war, erhöht zum Spielfeld angesetzt und umschlossen jenes in einem Kreis. Velvet stand bereits in dessen Zentrum und sah zu ihren Freunden hoch, die mit Ausnahme von Isaac in der ersten Reihe auf den blauen Sitzen Platz genommen hatten. Nur kurz war es ihr möglich gewesen zu erklären, was geschehen war.

„Ich glaube das nicht. Das kann der doch nicht ernst meinen“, verstand die schwarzhaarige Tatjana die Welt nicht mehr.

„Henry Ford ist ein sehr starker Duellant“, sagte Patrice, „er würde so einen Handel wohl kaum eingehen, wenn er nicht damit rechnet zu gewinnen. Das ist doch 'ne totale Farce!“

Der Afromann sah das Mädchen dort unten nur mitleidig an und Isaac war sogar völlig mit den Gedanken abwesend.
 

Weiter weg saßen zwei Lehrer und die Direktorin in den hinteren Rängen. Was man vor hier aus nicht sehen konnte war, dass der Hausmeister und die Techniker sämtliche Eingänge bewachten, damit es keine unerwünschten Besucher gab.

Velvet konnte immer noch nicht fassen, dass sie in so eine Lage geraten war. Alles war so furchtbar ungerecht. Ihr wurde ein Verbrechen vorgeworfen, das sie nicht begangen hatte – nicht absichtlich jedenfalls. Sie konnte sich ja selbst nicht erklären, woher [Ebon Sky Pegasus] kam. Oder wo er jetzt war. Natürlich verstand sie die prekäre Lage von Mr. Fords Firma, aber sie hatte doch niemandem etwas Böses antun wollen. Warum verstand das keiner!?
 

„Nicht weinen“, rief Tatjana ihrer Freundin fürsorglich zu und beugte sich über das Geländer, hielt die Hand vor den Mund, „mein Daddy ist Anwalt, vergiss das nicht. Wenn die dich wirklich verklagen, haut er dich da raus.“

„Aber dein Vater lebt in Deutschland …“, erwiderte Velvet ungläubig.

Auf den Einwurf des Mädchens winkte das pummelige Mädchen lachend ab. „Ach, das ist doch egal.“
 

„Miss Thorne, es ist Zeit.“ Henry stand inzwischen auf seiner Seite des kreisrunden Feldes und wartete.

Die Gerufene wirbelte schluckend um. Ihr Herz explodierte wohl in jenem Moment. „J-ja!“

Ihre Beine waren weicher als Pudding, es fühlte sich an, als würden sie gar nicht mehr existieren. Es fühlte sich genauso an wie bei Zyxx. Gelähmt schritt Velvet herüber und nahm ihre Position auf dem Duellfeld ein.

In dem Moment erhob sich Mrs. Vinewood und verkündete: „Auf Wunsch von Mr. Ford wird diese Angelegenheit mit einem Duell geregelt. Sollten Sie verlieren, Miss Thorne, werden Sie nicht nur der Schule verwiesen, sondern es drohen auch rechtliche Schritte.“

Totenstille.

„Schaffen Sie es jedoch, Mr. Ford zu besiegen, wird er wie vereinbart seine Anschuldigungen fallen lassen. Auf seinen ausdrücklichen Wunsch hin werden auch wir von weiteren Konsequenzen absehen.“

Musste sie das so betonen? Velvet fühlte sich ungewollt. Aber aus Sicht der Direktorin war es wohl verständlich, sie konnte keine stehlende Schülerin ausbilden.

„Duellanten“, sprach jene autoritär, „nehmt eure Stellung ein!“

Während Velvet ihre Schul-Duel Disk ausfahren ließ, aktivierte Henry Ford ein rotes D-Pad, wie er es während der Pressekonferenz zur Ankündigung der Pendelmonster vorgestellt hatte.

Beide riefen: „Duell!“

 

[Velvet: 4000LP / Henry: 4000LP]

 

Mit aller Macht versuchte Velvet ihre Nervosität zu unterdrücken. Niemals hätte sie geglaubt, dem Erben der AFC gegenüber zu stehen. Und dann noch unter diesen Umständen.

 

„Nun, da du nicht beginnen möchtest, fange ich an“, entschied Henry, nachdem Velvet ihn wortlos anstarrte. Erst, als er sein Startblatt zog, zuckte sie zusammen und tat es ihm gleich.

Anstatt sich mit langen Reden aufzuhalten, verkündete er: „Ich beschwöre [Gusto Thunbolt] im Angriffsmodus. Dein Zug.“

Vor ihm materialisierte sich eine etwa ein Meter hohe Wolfskreatur mit pastellgrünem Fell und gelb leuchtendem Horn an der Stirn, um welches Elektrizität knisterte.

 

Gusto Thunbolt [ATK/1500 DEF/1200 (4)]

 

Ein wenig erstaunte Velvet diese Eröffnung doch. Nicht nur war das Monster nicht besonders stark, sondern auch vollkommen ungeschützt. Aber das Mädchen erinnerte sich mal gehört zu haben, dass Gusto-Monster gut darin waren, einander zu ersetzen. Was wohl hieß, dass er fest mit dem Verlust seiner Kreatur rechnete.

„D-draw“, stammelte sie und zog.

Unsicher, was sie tun sollte, blickte sie in ihr Blatt. Wenigstens war die Duellarena, abgesehen von ihren Freunden, der Direktorin sowie ein paar Lehrern leer. Und die würden nicht über sie lachen, oder? Velvet schluckte. Was, -wenn- sie lachten!?

„I-ich beschwöre [Ritual Beast Tamer Elder].“

Ein knorriger Baum wuchs vor dem Mädchen aus dem Boden. Auf einem seiner Äste saß ein alter Mann, der seinen Holzstab gegen die Schulter lehnte und in einem Wälzer versunken war. Sein graues, langes Haar und der ebenso lange Bart unterstrichen seinen Titel als Ältester, der als solcher eine beigefarbene Robe mit grünem Cape trug.

„Hmm?“ Henry hob eine Augenbraue an. „Dieses Monster ist doch mein Kamui …?“

 

Ritual Beast Tamer Elder [ATK/200 DEF/1000 (2)]

 

Der junge Mann im feinen, weißen Anzug fasste sich ans Kinn. Murmelte zu sich selbst: „Die Werte sind sogar identisch. Interessant.“

„D-der Älteste lässt mich in diesem Zug noch eine Normalbeschwörung eines Stammesangehörigen durchführen.“ Velvet nahm noch eine Karte aus ihrem Blatt und legte sie auf die Duel Disk. „L-los, [Spiritual Beast Cannahawk]!“

Der alte Kamui nahm seinen Zauberstab und richtete ihn auf einen Ast am anderen Ende des Baums. Ein Blitz schlug darin ein und keine Sekunde später saß dort ein Falke mit schwarzem Gefieder und hellem Bauch, an dessen Körper sich gelbe Energielinien abzeichneten. Seine Klauen strahlten gar.

 

Spiritual Beast Cannahawk [ATK/1400 DEF/600 (4)]

 

„M-monstereffekt von Cannahawk. Einmal pro Zug kann ich eine Ritual Beast-Karte von meinem Deck verbannen und zwei Züge später meinem Blatt hinzufügen.“ Velvet hielt bereits die Hand zu ihrem Deckschacht hin. „I-ich denke, mit [Ritual Beast Steeds] fahre ich ganz gut.“

Besagte Falle schob sich aus ihrem Kartenstapel und wurde umgehend in einen Schlitz weiter unterhalb der Duel Disk geschoben.

Henry verschränkte die Arme. „Wenn du deine Nervosität nicht in den Griff bekommst, wirst du nicht weit kommen.“

„W-was?“

„Du zitterst wie Espenlaub. Als Duellant solltest du eine Herausforderung begrüßen und dich nicht davor fürchten.“ Er räusperte sich. „Aber das ist nur meine Meinung.“

Dieser Mann hatte ja auch leicht reden, dachte Velvet bitter. Schließlich war er ja derjenige, der nichts zu befürchten hatte. Aber sie? Ihr Leben drohte einen schrecklichen Verlauf zu nehmen.

Dass nicht nur sie so dachte, konnte sie anhand der wüsten Beschimpfungen seitens ihrer Freunde von der Tribüne hören. Welche scharf von der Direktorin zurechtgewiesen wurden.

„Konzentriere dich“, mahnte Velvet sich selbst leise. Dann sah sie auf und breitete beide Arme vor sich aus. „Oh Weiser vergessener Kriege! Oh Vogel donnernden Mutes!“

Ihre beiden Monster stiegen in die Luft auf und Velvet schlug die Hände über sich zusammen, faltete die Finger ineinander. „Bindet euch aneinander! Contact Fusion!“

Entschlossen riss sie die zusammenballten Hände nach unten. Während Cannahawk zu gewaltiger Größe anwuchs, stieg der alte Mann Kamui auf seinem Rücken auf und wurde dessen Reiter.

„Flieg, [Ritual Beast Ulti-Cannahawk]!“ In dem Moment begannen die gelben Federn in den Schwingen des Vogels aufzublitzen.

 

Ritual Beast Ulti-Cannahawk [ATK/1400 DEF/1600 (6)]

 

Henry gab nur ein nachdenkliches „Hm.“ von sich.

„U-und jetzt rüste ich ihn mit dem Zauber [Black Pendant] aus!“ Velvet schob jenen in ihre Duel Disk, wodurch sich um den Hals des Weisen ein schwarzer Anhänger bildete.

 

Ritual Beast Ulti-Cannahawk [ATK/1400 → 1900 DEF/1600 (6)]

 

„A-angriff!“, befahl Velvet überstürzt. „Stormthunder Howling!“

Unter dem Ausruf Kamuis stieß der Riesenvogel einen schrillen Schrei aus. Aus seinem Schnabel schoss ein tosender Wirbelsturm, in welchem sich ein einzelner Blitz befand, der voll in den Einhornwolf einschlug. Jener wurde regelrecht zerfetzt.

 

[Velvet: 4000LP / Henry: 4000LP → 3600LP]

 

Eine Falle aus ihrem Blatt nehmend, verkündete Velvet unsicher: „I-ich setze diese Karte und gebe an Sie ab.“

Während jene vor ihr erschien, gab Henry ein weiteres, nachdenkliches Geräusch von sich. Plötzlich verkündete er: „Da du [Gusto Thunbolt] zerstört hast, kann ich ihn am Ende des Zuges vom Friedhof verbannen, um ein Gusto-Monster aus meinem Deck zu beschwören. [Windaar, Sage Of Gusto], zeig' dich!“

Ein Blätterwirbel tauchte vor Henry auf und hinterließ einen jungen, grünhaarigen Mann in minzfarbener Lederrüstung und hellbraunem Mantel, der beidhändig einen Zauberstab führte.

 

Windaar, Sage Of Gusto [ATK/2000 DEF/1000 (6)]

 

„Du hast einige Fehler gemacht. Thunbolt zu zerstören war nur einer davon“, belehrte Henry das Mädchen streng, „ein anderer, das volle Potential deiner Karten nicht auszunutzen.“

„W-wie bitte?“

„Die Ritual Beast-Fusionen haben die Fähigkeit, sich jederzeit in ihre ursprünglichen Fusionsmaterialien aufzuteilen. Um das Ganze einzuschränken, kann jedes davon nur einmal pro Zug spezialbeschworen werden.“ Henry sah das schüchterne Mädchen nachforschend an. „Du hättest den Effekt deines normalen Cannahawks durch diese Methode demnach zumindest zweimal aktivieren können.“

Indem sie die Kontaktfusion wieder teilte und Baby-Cannahawks Effekt aktivierte. Danach hätte sie nochmal fusionieren können. „D-daran habe ich gar nicht gedacht!“

 

„Jetzt ist es zu spät. Mein Zug, Draw“, erwiderte der Repräsentant der AFC kühl und zog auf eine fünfte Karte auf. „Normalbeschwörung, Empfängermonster [Gusto Egul]!“

Ein kleiner, grüner Vogel landete auf Windaars Schulter, geschützt durch eine dünne Panzerung sowie einen Helm mit Hahnenkamm.

 

Gusto Egul [ATK/200 DEF/400 (1)]

 

Der junge Mann streckte fest entschlossen die Hand aus. „Ich stimme meinen Stufe 1-Empfänger Egul auf meinen Stufe 6-Windaar ein!“

Sofort stieg der kleine Vogel in die Lüfte auf. „Silence lies within the wisper of the winds! A word of power is spoken! Synchro Summon!“

In seinem Flug wuchs er, genau wie zuvor schon Ulti-Cannahawk, zu gigantischer Größe an. Sein Kamerad sprang ebenfalls in die Luft und landete auf dem Rücken des Monstervogels.

„Arise, [Daigusto Eguls]!“

Welcher ein lautes Kreischen abgab, das wie ein Echo durch die Arena ging.

 

Daigusto Eguls [ATK/2600 DEF/1800 (7)]

 

„S-synchro!“, stammelte Velvet verstört.

„Ist das so überraschend?“ Der junge Mann sah seine Gegnerin nachforschend an, welche völlig unschlüssig, wie sie reagieren sollte, zurück starrte. „Nun, was auch immer. Angriff auf Ulti-Cannahawk! Homing Cyclone!“

Henry schwang den Arm zur Seite aus. Sofort begann der Riesenvogel ehrgeizig mit den Flügeln zu schlagen und erzeugte so zwei kleine, silberne Wirbelstürme, die im Zielflug auf den Donnervogel zu einem großen verschmolzen. Doch bevor sie ihn erreichten, sprang der alte Reiter von seinem Reittier ab, sodass der Angriff zwischen beiden hindurch flog.

„Contact out!“, rief Velvet dabei.

Während Kamui trotz seines hohen Alters geschickt in der Hocke landete, schrumpfte Cannahawk auf seine Jungtiergestalt zurück.

 

Ritual Beast Tamer Elder [ATK/200 DEF/1000 (2)]

Spiritual Beast Cannahawk [ATK/1400 DEF/600 (4)]

 

„Verstehe. Hmm. Ein Bändiger ist nichts ohne sein Reittier und ich möchte nicht, dass jenes mir in die Quere kommt“, murmelte Henry und deutete auf den Vogel in der Luft, „ich wähle Cannahawk als neues Ziel des Angriffs!“

Der Wirbelsturm, der in der Zwischenzeit das Ende der Duellarena erreicht hatte, machte wie von Zauberhand eine Kurve und erwischte den Donnervogel kalt von hinten.

 

[Velvet: 4000LP / Henry: 3600LP → 3100LP]

 

„Ich kenne den Effekt von [Black Pendant]“, sprach Henry, als Velvet den Mund aufmachte, „deswegen habe ich 500 Lebenspunkte verloren. Zug beendet. Und deshalb …“

Die Pupillen seines Vogels leuchteten rot auf. Keine Sekunde später explodierte Velvets gesetzte Karte vor ihren aufgerissenen Augen. Henry zeigte [Windaar, Sage Of Gusto] von seinem Friedhof vor. „… kann ich durch das Verbannen eines WIND-Monsters von meinem Friedhof eine deiner gesetzten Backrow-Karten zerstören.“

Er zog den Arm mit dem roten D-Pad zu sich ran und tippte auf den Bildschirm auf Velvets Friedhof. Überrascht sah er auf. „Du hattest die Falle [Dimensional Barrier] gesetzt? Wieso hast du sie nicht genutzt, um meine Synchrobeschwörung zu verhindern!?“

„I-ich, also …“

„Gibst du dir überhaupt Mühe oder hast du schon aufgegeben?“ Henry nahm sie scharf ins Visier. „Wenn dem so ist, leg' die Hand auf dein Deck.“

„A-aber dann-!“

„Wirst du für deine Taten zur Rechenschaft gezogen werden, so wie es sich gehört.“ Henry reckte den Kopf missmutig zur Seite.

Velvet schüttelte panisch den Kopf. „N-nein!“

„Dann zeig', was in dir steckt! Oder wolltest du durch deinen Diebstahl lediglich mangelndes Talent ausgleichen!?“

 

„Was bildest du dir eigentlich ein!?“, schrie Patrice da und sprang von seinem Sitz auf, nur um von Fabio an den Schultern gepackt und sofort wieder hinunter gerissen zu werden.

„Nuu! Reiz ihn bloß nicht noch!“

Der Venezolaner zeigte dafür aber wenig Verständnis. „Findest du das etwa ok wie er sie behandelt!?“

„Er findet, dass -du- die Lage nicht noch schlimmer machen solltest“, wies Isaac ihn kühl auf die Tatsachen hin. „Abgesehen davon hat Mr. Ford jedes Recht, sich Velvet überlegen zu fühlen.“

Etwas, das Tatjana ganz außen links sofort in Rage brachte. Diesmal sprang sie auf, hielt die Hand an den Mund und rief: „Mr. Ford, hier ist jemand der Ihnen den Arsch küssen will~!“

Die anderen verfielen daraufhin in betretenes Schweigen und atmeten innerlich erleichtert auf, dass Henry sie gar nicht wahrzunehmen schien.

„Hörst du bitte damit auf, dich wie ein Kleinkind zu benehmen?“, tadelte Isaac seine Erzfeindin genervt.

„Wenn du endlich aufhörst, dich bei ihm einschleimen zu wollen?“

„Ich habe gar nichts gemacht!“

„Die können es auch nicht einmal gut sein lassen“, murrte Patrice, der von Tatjana zurückwich, wie sie sich umdrehte und nach Isaac zu schlagen versuchte.

Fabio indes sah gebannt aufs Spielfeld. „Aber ist es nicht verrückt? Für jemanden, der sie bestrafen will, macht er eher einen auf Lehrer als böser Cop …“

„Hmm“, nickte sein bester Freund, „da ist was dran.“

 

Inzwischen hatte Velvet auf eine dritte Handkarte aufgezogen und sah Henry Ford verunsichert hat, so, als überlegte sie ihm zu widersprechen. Sie schluckte. „A-also der Grund, warum ich meine Falle nicht aktiviert habe …“

Gleichzeitig legte sie eine Monsterkarte auf ihre Duel Disk. Dabei sprudelte es nur so aus ihr hinaus: „… ist, dass ein Monster leichter zu beseitigen ist als zwei! Normalbeschwörung, [Spiritual Beast Pettlephin]!“

Ein großer, pinker Jungdelphin tauchte vor dem Mädchen auf. Ein Diadem mit blauem Edelstein darin zierte seine Stirn. Henry grinste für einen Sekundenbruchteil.

 

Spiritual Beast Pettlephin [ATK/0 DEF/2000 (4)]

 

„D-der Effekt von Pettlephin lässt mich eine Ritual Beast-Karte von meiner Hand verbannen“, stammelte das Mädchen, erschrocken von ihrem Ausbruch, und schob den Zauber [Ritual Beast's Bond] in den Schlitz unterhalb ihres Friedhofs, „um eine Karte meines Gegners auf seine Hand zurückzuschicken! Los!“

Laut schnatternd zischte der Delphin durch die Luft als wäre sie Wasser, sprang unter den Riesenvogel Eguls und seinen Reiter und verpasste jenen mit seiner Schwanzflosse einen mächtigen Hieb, der die beiden durch die Decke krachen ließ, wo sie verschwanden.

„E-ein Synchromonster wird nicht auf die Hand, sondern in das Extradeck seines Besitzers geschickt“, erklärte Velvet dabei, „n-natürlich wissen Sie das. A-aber so war es leichter für mich, Ihr Feld zu leeren. Hätte ich meine Falle aktiviert, müsste ich mich immer noch mit einem starken Monster und einem, das weitere Kameraden rufen kann, auseinandersetzen.“

Henrys Miene hellte sich auf. „Also warst du vorbereitet? Nun, dann möchte ich mich entschuldigen. Aber gewonnen hast du deswegen noch längst nicht.“

Sofort nahmen seine Züge wieder dieses ewig Grimmige an.

„N-nein. I-ich wechsle [Ritual Beast Tamer Elder] in den Angriffsmodus und greife Sie direkt an!“

 

Ritual Beast Tamer Elder [ATK/200 DEF/1000 (2)]

 

Der Alte in der beigefarbenen Robe erhob sich und schoss eine Windkugel aus seinem Zauberstab auf Henry, die in jenen einschlug. Der Mann im weißen Anzug zuckte nicht einmal zusammen.

 

[Velvet: 4000LP / Henry: 3100LP → 2900LP]

 

„Und jetzt“, sprach Velvet und breitete wieder die Arme aus. „Oh Weiser vergessener Kriege! Oh Meereskreatur der Güte und Reinheit!“

Letztere war längst zu ihr zurückgekehrt und begann zu wachsen. Der Gelehrte sprang in die Luft und landete direkt auf ihrem Rücken. „Bindet euch aneinander! Contact Fusion!“

Schon ritt der alte Kamui den erwachsenen Delphin. „Beschütze mich, [Ritual Beast Ulti-Pettlephin]!“

Jener zog vor die Brillenträgerin und schirmte sie vor den Blicken des Millionärs ab.

 

Ritual Beast Ulti-Pettlephin [ATK/200 DEF/2800 (6)]
 

„D-damit bin ich fertig“, gab Velvet stotternd ab.

 

Henry zog auf und setzte ein überlegenes Grinsen auf. „Bisher war es ein interessantes Duell. Aber die Tatsache, dass du ein Excel-Monster gestohlen hast – meine Schöpfung – bleibt bestehen. Daher empfinde ich es nur als passend, wenn du dich einem solchen entgegen stellst.“

„Huh!?“ Das Mädchen schrak zusammen, als Henry die Faust ballte und demonstrativ gegen seine Brust drückte.

Auch ihre Freunde auf der Tribüne und die anwesenden Lehrer gaben erstaunte Laute von sich.

„The wind of fate is blowing my way“, sprach er mysteriös. Auf seinem Handrücken tauchte ein grün leuchtendes Mal auf. Kreisrund, war in seinem Inneren ein weiterer Kreis mit einem Sichelstern im Zentrum – das Wappen der Gusto. „Summoning contract established! Witness the creation of the eternal gate!“

Aus seinen Handkarten stiegen fünf grüne Lichtkugeln auf, die sich hinter ihm in einer Sternenformation anordneten. Kurz darauf manifestierte sich eine runde Steintafel mit mehreren Ringen, in denen jeweils eine der Kugeln zu einer Rune wurde.

„Change the outcome of fate! Open the eternal gate!“

Henry riss die Hand mit dem noch leuchtenden Mal in die Höhe. Die fünf Ringe des Tores schossen weit nach hinten, lösten sich auf und bildeten einen langen, bunten Tunnel, der direkt in eine andere Dimension zu führen schien.

Und Velvet fühlte sich, als hätte sie das alles schon einmal erlebt. Ein Déjà-vu. Oder hatte sie das Ganze vielleicht in einer Vision gesehen, an die sie sich nicht erinnerte? Vielleicht damals, als-!?

„Excel Summon! Grade 5! Appear before our very eyes, [Mirai, Entity Of Gusto]!“

Aus dem Tor warpte sich eine grell leuchtende Gestalt. Gekleidet in einer weißen Robe, die sich hinter ihr in leuchtende Partikel aufzulösen schien, schwebte über Henry eine grünhaarige Göttin mit goldenem Diadem, in welchem ebenfalls das Wappen der Gusto eingearbeitet war. Gütig streckte sie ihre Arme aus, um welche grüne Bänder wirbelten.

 

Mirai, Entity Of Gusto [ATK/2300 DEF/1500 X5]

 

„Das ist also die Excel-Beschwörung“, staunte Fabio mit offenem Mund.

„Interessant“, murmelte Isaac hinter ihm. „Aber woher kam das Monster? Er hat nichts ausgespielt.“

„Er hat es einfach so beschworen, ohne etwas dafür zu tun.“ Tatjana stöhnte. „Ich will mir gar nicht vorstellen, was aus dem Spiel wird, wenn diese Dinger eines Tages erscheinen.“

 

Henry hatte sie gehört und sah in die Richtung der Gruppe. „Das wird nicht passieren. Die Excel-Beschwörung wurde von meinem Vater und I2 abgelehnt.“

„D-das tut mir leid“, stammelte Velvet schüchtern.

Der jüngste Ford zuckte mit den Schultern. „Dafür kannst du nichts. Aber genug davon. Sicher weißt du gar nicht, was überhaupt geschehen ist.“

Er hatte absolut Recht, die Schwarzhaarige schüttelte den Kopf. „N-nein.“

„Dann hör' jetzt gut zu. Excel-Monster sind sehr speziell. So speziell, dass jedes auf eine andere Methode beschworen wird.“ Henry hob seine Hand mit den fünf Karten hoch. „Meine ist diese hier: 'Karten auf der Hand'.“

„K-karten in Ihrer Hand? Sie können also [Mirai, Entity Of Gusto] beschwören, sofern Sie Handkarten haben?“

Henry grinste. „Das ist nur die Basis-Bedingung. Wie du selbst schon bemerkt haben wirst, haben Excel-Monster keine Stufe und keinen Rang, sondern einen Grad. Dieser bestimmt zwei Dinge: Ab welchem Zug das Monster beschworen werden kann und 'wie oft' die Bedingung erfüllt werden muss, sofern keine andere Angabe existiert.“

 

Velvet musste sich das Gehörte durch den Kopf gehen lassen. Also konnte ein Grad 5-Monster erst ab dem fünften Spielzug gerufen werden? In jenem befanden sie sich gerade. Und wenn er Handkarten benötigte und die Bedingung entsprechend des Grades '5' war, hieß das also, dass er fünf Karten auf der Hand halten musste?

Wenn dem so ist, passte alles zusammen. Aber dann hieß das auch, dass [Ebon Sky Pegasus] erst ab dem achten Zug gerufen werden konnte. Und seine Bedingung wusste sie nicht – was ohnehin egal war, da sie ihn nicht mehr besaß.

 

„Jedes Excel-Monster hat eine individuelle Bedingung zum Beschwören. Keine gleicht der anderen. Das ist eines ihrer Geheimnisse.“ Henry streckte den Arm aus. „Ein weiteres die Beschaffenheit ihrer Effekte! Das Konzept war, nie zuvor gesehene und Regel-biegende Fähigkeiten an die Excels zu koppeln! Wie Mirais!“

Die Göttin der Gusto breitete ihre Arme so weit es ging aus und erschuf um sich einen grünen Synchroring.

„Normalerweise müssen Synchromonster beschworen werden, indem ihre Materialien vom Feld auf den Friedhof geschickt werden.“ Henry nahm zwei Karten aus seinem Blatt und zeigte sie vor. „Das umgeht Mirai und lässt mich direkt von der Hand abstimmen!“

Vor ihm erschienen ein kleiner, grüner Vogel mit gelblich leuchtenden Flügelfedern, welcher in einer Stahlrüstung steckte sowie ein grünhaariger Junge in beigefarbenem Cape, unter welchem er dunkelgrüne Shorts plus Hemd trug.

„Ich stimme meinen Stufe 2-[Gusto Falco] auf meinen Stufe 2-[Kamui, Hope Of Gusto] ein!“, rief Henry und entlockte den Anwesenden erstaunte Ausrufe. „Emerald wings lead the will to survive towards heaven! A storm of hope embraces the world!“

Der Falke wuchs zu beachtlicher Größe an, während er in die Höhe stieg. Kamui sprang ihm hinterher und landete auf seinem Rücken. „Synchro Summon! Soar, [Daigusto Falcos]!“

 

Daigusto Falcos [ATK/1400 DEF/1200 (4)]

 

Mithilfe eines Sattels stand Kamui auf dem Rücken seines Gefährten und hielt sich an einem daran befestigen Seil fest. Dessen Besitzer erklärte: „Wenn Falcos beschworen wird, erhöht er die Kraft aller Gustos um 600!“

Sofort leuchteten sowohl die Göttin, als auch der Riesenvogel selbst in grüner Aura auf.

 

Mirai, Entity Of Gusto [ATK/2300 → 2900 DEF/1500 X5]

Daigusto Falcos [ATK/1400 → 2000 DEF/1200 (4)]

 

„Damit kann ich deine Verteidigung durchbrechen! Twin Cyclones!“, befahl Henry scharf.

Velvet, die noch ganz verdutzt war, erkannte, dass sie Schaden davon tragen würde, wenn sie nichts unternahm. „Contact out!“

Während die Göttin und der Vogel mit den Händen beziehungsweise dem Schnabel mächtige Wirbelstürme erzeugten, sprang der Alte vom Rücken Pettlephins, welcher daraufhin wieder auf seine Jungtierform zurück schrumpfte. Die über das Spielfeld fegenden Zyklone verschmolzen miteinander und erfassten Velvets Monster, welche fortgerissen wurden und zersplitterten.

„Oh nein!“, keuchte die entsetzt.

„Immerhin hast du schnell genug reagiert und die Fusion getrennt, bevor Falcos dich direkt angegriffen hätte.“ Henry nahm zwei seiner Handkarten und schob sie in das rote D-Pad, wo sie zu seinen Füßen zischend erschienen. „Mit zwei verdeckten Karten gebe ich an dich ab.“

 

Mit zitternder Hand zog Velvet auf. Kein Monster in ihrem Deck konnte es mit Mirai aufnehmen, wenn es um reine Angriffspunkte ging. Aber es gab vielleicht einen anderen Ausweg.

„D-der zweite Zug seit der Aktivierung des Effekts von Cannahawk ist vergangen“, rief sie, „jetzt bekomme ich die von ihm verbannte Karte: [Ritual Beast Steeds]!“

Jene Falle schob sie direkt in ihre Duel Disk, woraufhin sie zu ihren Füßen erschien. Dann sah sie mit vorsichtiger Entschlossenheit auf. „Jetzt beschwöre ich [Ritual Beast Tamer Lara] von meiner Hand, die durch ihren Effekt ein Ritual Beast von meinem Friedhof wiedererweckt!“

Mit einem mutigen Ausruf tauchte vor Velvet ein platinblondes Mädchen auf, um dessen Schultern ein pastellgrüner Umhang hing. Sie schwang ihren Zauberstab aus und ließ neben sich den schwarzen Donnervogel erscheinen, welcher schützend die Schwingen um sich schlug.

 

Ritual Beast Tamer Lara [ATK/100 DEF/2000 (1)]

Spiritual Beast Cannahawk [ATK/1400 DEF/600 (4)]

 

„Cannahawks Effekt! Ich verbanne für zwei Runden eine Ritual Beast-Karte von meinem Deck, um sie nach Ablauf dieser Zeit zu erhalten!“ Velvet schrie förmlich: „[Spiritual Beast Apelio]! Ich werde auf dich warten!“

„Die Idee ist ja ganz nett. [Ritual Beast Steeds] vernichtet pro Ritual Beast-Monster auf deinem Feld eine meiner Karten. Sobald ich also ziehe, wirst du Mirai und Falcos sofort vernichten.“ Henry tippte auf sein D-Pad. „Aber das ist reine Theorie. Du warst zu voreilig und hast die Karte gut sichtbar für mich gesetzt. Dadurch kann ich sie mit [Dust Tornado] problemlos entsorgen!“

Vor ihm klappte eine Falle auf, aus der ein staubiger Wirbelsturm hinaus schoss. Jener zischte über das Feld und wirbelte Velvets gesetzte Karte mit sich.

„N-nein!“

 

Was sollte sie jetzt tun!? Ohne diese Karte kam sie nicht an seinen Monstern vorbei! Nächsten Zug würde er noch ein Monster beschwören und sie, wenn sie Pech hatte, womöglich besiegen!

Angestrengt ging Velvet ihre Optionen durch. Sie musste Zeit schinden! Irgendeine Möglichkeit finden, seine Gustos zu vernichten. Es gab dafür noch eine Karte in ihrem Deck.

 

Zum dritten Mal breitete das Mädchen die Arme von sich aus. „Oh Wunderkind der Beschwörung! Oh Vogel donnernden Mutes! Bindet euch aneinander!“

Cannahawk stieg in die Luft auf und wuchs, während Lara auf seinem Rücken Platz nahm. „Contact Fusion! [Ritual Beast Ulti-Cannahawk] im Verteidigungsmodus!“

Jenes Gespann flog über der Schwarzhaarigen hinweg und positionierte sich seitlich zu Henry gewandt vor ihr.

 

Ritual Beast Ulti-Cannahawk [ATK/1400 DEF/1600 (6)]

 

„I-ich benutze seinen Effekt und schicke zwei verbannte Ritual Beast-Karten auf den Friedhof zurück“, erklärte Velvet und legte die Karte des jungen Cannahawks und die seiner Reiterin in den Friedhofsschlitz ein, wo sie automatisch eingezogen wurden, „und erhalte im Gegenzug sofort eine Ritual Beast-Karte von meinem Deck. [Ritual Beast's Protection]!“

Der Schnellzauber schoss aus ihrem Kartenstapel und wurde umgehend in die Duel Disk eingelegt, sodass er zu ihren Füßen erschien. „Zug beendet!“

 

Henry zog auf. „Du opferst die Möglichkeit deines Monsters, die Fusion zu trennen? Interessant.“

Er zeigte seine beiden Handkarten vor. „Mirai kann nicht nur Synchrobeschwörungen von meiner Hand auslösen, sondern auch Xyz-Beschwörungen!“

Vor ihm tauchten ein grünes Eichhörnchen sowie ein grüner Greifvogel in smaragdfarbener Panzerung auf. „Ich errichte das Overlay Network! Aus meinen Stufe 2 [Gusto Squirro] und [Gusto Griffin] wird ein Rang 2-Monster!“

Vor ihm öffnete sich ein Schwarzes Loch, das die beiden Monster als grüne Lichtstrahlen absorbierte. Eine Lichtexplosion folgte. „Xyz Summon! Kämpfe, [Daigusto Phoenix]!“

Aus dem Wirbel schoss eine schlanke, vogelartige Gestalt ohne Federn und spreizte ihre knorrigen Schwingen. Stattdessen wirke es eher so, als besäße dieses Wesen Schuppen, die von einem grünen Brustpanzer teilweise verdeckt wurden. Sowohl von seinen Armen, als auch vom Kopf brannten smaragdgrüne Flammen, die die Flügel und Haarpracht stellten. Zwei leuchtende Sphären zogen ihre Kreise um den hässlichen Phönix.

Velvet spürte bei seinem Anblick ein unangenehmes Kribbeln auf der Haut und stöhnt. Etwas, was Henry nicht verborgen blieb. „Hm.“

 

Daigusto Phoenix [ATK/1500 DEF/1100 {2} OLU: 2]

 

„Monstereffekt! Ich hänge eine Overlay Unit von [Daigusto Phoenix] ab, um ein Wind-Monster in diesem Zug zwei Angriffe durchführen zu lassen.“ Kreischend schnappte sich der Vogel eine der Lichtkugeln und verschlang sie. „Mirai!“

Jene ging in einer smaragdgrünen, flammenden Aura auf. „Greif' [Ritual Beast Ulti-Cannahawk] an! Change of Fate!“

Die Göttin schnippte nur einmal mit ihrem Finger und schon wurden der schwarze Donnervogel und seine Reiterin von einem grünen Flammenwirbel umschlossen, der sie zu Asche zerfallen ließ.

„Und gleich ein direkter Angriff hinterher!“, befahl Henry mit ausgestrecktem Arm.

„Nein!“ Velvet schwang den Arm aus und ließ ihren Schnellzauber hochfahren. „[Ritual Beast's Protection] lässt mich Ihren Zug sofort beenden, wenn sie eines meiner Monster zerstören!“

„Ach, stimmt.“ Henry grinste. „Na dann …“

 

Unsicher griff die Schülerin nach ihrem Deck und schluckte. Langsam gingen ihr die Möglichkeiten aus, sich zu verteidigen. Die nächste Angriffswelle würde sie vernichten, wenn sie nichts unternahm.

Aber als sie zog und ihre neue Karte betrachtete, bekam sie eine Gänsehaut. Die Falle war vollkommen nutzlos und sie hatte keine Monster mehr, um sich zu verteidigen.

„Was ist los?“, fragte Henry scharf. „Willst du -ihn- nicht langsam beschwören? Die Zeit ist reif.“

Velvet sah mit Tränen in den Augen auf. „I-ich sagte doch bereits, ich habe Pegasus nicht mehr! Als das Duell vorbei war, war er nirgendwo zu finden.“

„Du weißt nur nicht, wo du suchen sollst, das ist alles.“

„W-was!?“

Henry hob den Arm mit seinem roten D-Pad daran an und ließ das Fach für die Spielfeldzauberkarten ausklappen. Dort drin lag die Karte seines Excel-Monsters, die, anders als andere Karten, keinen farbigen Rand besaß, sondern komplett mit dem Artwork ausgefüllt war.

 

„Wie ist sie da reingekommen?“, staunte Tatjana verdutzt. „Er hat das Ding nie benutzt, da bin ich mir sicher!“

Patrice erwiderte: „Wenn dem so ist …“

Und Fabio beendete seinen Satz: „… muss sie schon vorher da drin gelegen haben.“

„So ist das also“, überlegte auch Isaac mit, „dann könnte Velvets Excel-Monster vielleicht auch noch dort sein.“

 

Hektisch betätigte Velvet die Taste an ihrer eigenen Duel Disk, woraufhin das Fach ausklappte. Und sie traute ihren Augen kaum – darin lag tatsächlich [Ebon Sky Pegasus]. Aufgeregt schaute sie zu Henry auf. „W-wie … wann habe ich neulich …!?“

„Dann ist es wohl Zeit für einen kleinen Exkurs.“ Der brünette, junge Mann im weißen Anzug räusperte sich. „Bevor die Pendelmonster auserwählt wurden, die nächste Evolution von Duel Monsters einzuläuten, haben wir die Excel-Monster entwickelt. Angedacht war, dass sie eine eigene Kartenzone über den Monsterzonen erhalten, auf dem auch gleichzeitig das Excel-Deck platziert wird.“

„Excel-Deck?“

„Sobald ein Excel-Monster beschworen wird, wird die Karte aufgedeckt und ganz oben auf das Deck gelegt.“ Henry lachte. „Die Idee war nicht besonders gut, das gebe ich selbst zu. Da hätten wir noch dran gefeilt. Da aber eine sogenannte Excel-Zone nicht existierte, haben wir via Software-Update der Spielfeldzone diese zusätzlichen Eigenschaften verliehen. Das hat bei den Tests Geld und Zeit gespart, da wir keine neuen Duel Disks designen und anfertigen mussten.“

„Also war er die ganze Zeit hier“, murmelte Velvet mit Blick auf den Apparat an ihrem Arm.

„Ja“, nickte Henry, „dort ist das Zuhause der Excel-Monster. Vielleicht entsinnst du dich, dass seit Beginn des Legacy Cups beide Spieler gleichzeitig Spielfeldzauberkarten nutzen können. Das ist ein Nebeneffekt besagten Software-Updates.“

„O-oh, ach so.“

„Natürlich bleibt all das, was ich hier gesagt habe und noch sagen werde, streng vertraulich. Das gilt für alle Anwesenden“, forderte Henry daraufhin streng. Dann hob er die Hand und winkte Velvet demonstrativ zu sich. „Und jetzt los. Zeig mir, welches Excel-Monster sich in deinem Besitz befindet.“

 

Als ob er das nicht längst wüsste, dachte Velvet deprimiert. Jemand wie er hatte alle Möglichkeiten der Welt, sich vorab über alles zu informieren. Er kannte ihr Deck recht gut, wie es für einen Mann in seiner Position auch nur angemessen war.

Das Mädchen blickte auf ihre Duel Disk. Aber selbst wenn er bereits bestens im Bilde war, blieb die Tatsache bestehen, dass [Ebon Sky Pegasus] das Blatt wenden konnte! Sich selbst Mut zusprechend, blickte Velvet auf. „W-wie ging das doch gleich?“

Erst die Faust ballen! „The sky is torn open! Summoning contract established!“

Dann nahm sie jene und richtete sie nach oben. Acht grelle Lichter stiegen um sie herum aus dem Stahlboden auf, verteilten sich hinter ihr in einer Sternenformation und festigten sich zu einem kreisrunden Tor, in dem sich die Sphären als Runen manifestierten, wie schon bei Henry zuvor.

„Witness the creation of the eternal gate!“

Mit einem Ruck schossen die einzelnen Bestandteile des Portals nach hinten. „Soar, ascend, exceed!“

Der bunte Dimensionstunnel bildete sich. Aus ihm näherte sich ein dunkler Schatten. „Open the enternal gate! Excel Summon!“

Velvet riss den erhobenen Arm hinunter und zeigte ihren Handrücken, auf dem ein schwarzer Stern pulsierte. „Grade 8! Now rise, [Ebon Sky Pegasus]!“

Vollkommene Dunkelheit übernahm die Arena. Ihre Freunde und Lehrer verfielen in irritiertes Gemurmel. Doch was zunächst als Stromausfall anmutete, war die Ankunft ihrer wundervollen Kreatur. Über ihr verharrte ein majestätischer, schwarzer Pegasus, dessen Hufe und Flügelspitzen in hellblauem Feuer brannten. Sein Torso war mit dunkelroten, welligen Mustern bedeckt. Stolz wieherte der Neuankömmling und versetzte damit ihre Gruppe in helle Aufruhr.

 

Ebon Sky Pegasus [ATK/2500 DEF/2000 X8]

 

Diesmal war es Isaac, der aufsprang. „Sie hatte die ganze Zeit Recht gehabt!“

„Natürlich hat sie das, Dummkopf!“, zischte Tatjana von der Reihe vor ihm. „Dass du immer noch dran gezweifelt hast, nachdem selbst Mr. Ford die Existenz der Excels bestätigt hat, sagt alles.“

„Das meine ich nicht“, murmelte der Blonde, ließ aber dabei offen, was genau er meinte und sank wieder zurück in seinen Sitz.

 

Henry verschränkte die Arme, als der Pegasus vor Velvet auf dem Boden aufsetzte. „Nicht schlecht. Dieses Monster kenne ich nicht. Wie ich mir dachte …“

„W-was bedeutet das?“

„Dass ich die Kondition wissen will. Was muss erfüllt werden, damit du ihn beschwören kannst?“

„E-er ist vom Grad 8, also kann er erst im achten Zug eines Duells beschworen werden, korrekt?“

„Ab dem achten Zug. Darin besteht ein entscheidender Unterschied. Und weiter?“, forderte der junge Mann zu wissen.

Velvet öffnete noch einmal ihre Spielfeldkartenzone und las sich den Text durch. „D-da steht nichts bei 'Kondition'.“

Die Züge des Ford-Sprosses erstarrten. „Bitte? Jedes Excel-Monster hat eine Kondition.“

„D-dieses nicht.“ Velvet schüttelte den Kopf. „Wenn Sie mir nicht glauben, kann ich Ihnen die Karte gerne zeigen.“

Einen Moment nachdenkend, winkte Henry mit der Hand ab. „Nicht nötig, ich glaube dir ja. Aber es sollte mich eigentlich nicht überraschen. Wenn ihr Schöpfer nicht alle Details kannte … sag mir, wenn du diese Karte nicht gestohlen hast, woher hast du sie? Oder sollte ich fragen: Von wem?“

Velvet schluckte und schwieg. Woraufhin ihr Gegner seufzte. „Was habe ich anderes erwartet? Aber du wirst noch antworten. Weiter im Text!“

 

Endlich fühlte Velvet sich zuversichtlicher. [Ebon Sky Pegasus] gab ihr Kraft, sie wusste, sie konnte sich auf ihn verlassen. Mit seinem besonderen Effekt würde sie dieses Duell drehen!

„Ich setze eine Karte verdeckt!“, verkündete sie und geriet diesmal nicht ins Stottern. „Und ich benutze sie sofort als Kostenausgleich für Pegasus' Effekt!“

Gerade erst war sie zu ihren Füßen erschienen, da zerfloss sie bereits wie Wasser. Die roten Streifen auf dem Fell ihres Pegasus' begannen rot aufzuleuchten. Kurz darauf schoss silbernes Licht aus ihnen, auch die Mähne und die Flammen an seinen Hufen verfärbten sich ebenso.

„Ich aktiviere einen Zauber, [Lightning Vortex], direkt aus meinem Deck, ohne eine Karte dafür abzuwerfen! Future Antithesis!“, rief das Mädchen aus.

Ebon Sky wieherte zornig. Henry schrak zurück, als sich über seinen Monstern eine dunkle Wolke bildete. Aus jener schoss ein greller Blitz, der in all seine Monster einschlug. Es donnerte.

 

[Velvet: 4000LP → 3000LP / Henry: 2900LP]

 

„Dieser Effekt kostet mich 1000 Lebenspunkte und kann nur einmal pro Duell genutzt werden“, erklärte Velvet weiter, als sich der Rauch lichtete und Henrys Feld leer war, „aber das war es wert! Jetzt kann ich Sie direkt angreifen! Los, [Ebon Sky Pegasus], Aether Hurricane!“

Die Spitzen der Flügel des anmutigen Ungeheuers hatten wieder ihre flammend blaue Farbe angenommen. Stolz stieg es in die Lüfte und schlug die Schwingen aus, entfachte so einen brennenden, hellblauen Wirbelsturm, der auf Henry zu rauschte. Jener weitete die Augen und schützte sich mit beiden Armen vor dem Angriff.

 

[Velvet: 3000LP / Henry: 2900LP → 400LP]

 

Noch ein Treffer und sie hatte es geschafft. „Z-zug beendet!“

Ihre Freunde auf der Tribüne jubelten ihr zu. Selbst die Lehrer klatschten vorsichtig. Einzig die Vinewood regte sich gar nicht, sondern saß mit verschränkten Armen da und beäugte Velvet misstrauisch.

 

„Das ist er also“, murmelte derweil der AFC-Repräsentant düster und betrachtete seine Arme, an denen nichts ungewöhnlich erschien. „Ich sollte aufpassen …“

Energisch sah Henry auf und riss mit Schwung eine Karte von seinem Deck. In seinen Augen stand Feuer geschrieben, ganz so, als würde das Duell für ihn erst jetzt wirklich beginnen. Er betrachtete die Karte in seiner Hand, die einzige, die er besaß.

„Ich aktiviere [Quill Pen Of Gulldos]!“, rief er und rammte sie in sein rotes D-Pad.

Vor ihm materialisierte sich eine grüne Schreibfeder, die zu einem seiner Riesenvögel gehören musste. Sie begann in der Luft seltsame Verse zu schreiben.

„Diese Karte lässt mich zwei Wind-Monster von meinem Friedhof zurück ins Deck schicken“, sprach er und zeigte dabei [Daigusto Falcos] und [Daigusto Phoenix] vor, „um dasselbe mit einem Monster auf deinem Feld zu tun! [Ebon Sky Pegasus]!“

Auf welchen er mit dem Finger zeigte. Velvet stieß einen entsetzten Schrei aus, als sich um ihr Assmonster diverse Zeilen aus ihr unbekannten Buchstaben bildeten und es zu umkreisen begannen. Der Rappe wieherte, während er immer weiter schrumpfte, bis er im Nichts verpuffte.

„Zug beendet“, verkündete Henry, der trotz seines Erfolgs ungeschützt war. Doch sein zuversichtliches Lächeln verriet, dass er sich darum keine Sorgen zu machen schien.

 

Velvet, die ebenso wieder ohne Monster war, griff nach ihrem Deck. Er hatte ihren Pegasus einfach so entsorgt, nach nur einem Zug! Aber Moment! Wenn Excel-Monster ein eigenes Deck hatten und ein Effekt wie der von Mr. Fords Zauberkarte sie dorthin zurückschickte, konnte sie ihn einfach erneut rufen. Insbesondere, da für Pegasus keine Kondition erfüllt werden musste!

Siegessicher ballte sie eine Faust und schlug sie gegen die Brust. „The sky is torn open! Summoning contract established! Witness the creation of the eternal gate!“

Doch entgegen der Ankündigung geschah gar nichts. Henry begann laut zu lachen und unterbrach Velvet in ihrem Beschwörungsspruch. „Damit wären wir bei der für heute letzten Lektion in Sachen Excel-Monster angekommen. Du kannst deinen [Ebon Sky Pegasus] nicht rufen.“

„W-warum!?“

„Weil jeder Spieler pro Duell nur eine Excel-Beschwörung durchführen kann.“

„W-was!? Oh nein!“

Der junge Mann im weißen Anzug nickte aber. „Das ist die Wahrheit. Unbegrenzte Excel-Beschwörungen würden Duel Monsters nicht gut tun, weswegen wir dem von Anfang an einen Riegel vorschieben wollten. Sie sollen als Ass im Ärmel dienen, da niemand vorhersehen kann, wann und in welcher Form sie auftauchen werden.“

Velvet lauschte gespannt seiner Ausführung. „Je länger ein Duell dauert, desto mächtigere Excel-Monster können gerufen werden. Aber da viele Bedingungen nach der ersten Beschwörung immer noch erfüllt werden können, könnte theoretisch jeder dasselbe Excel-Monster dreimal rufen.“

„Verstehe!“, rief das Mädchen und bemerkte erst jetzt, dass sie völlig außer Acht gelassen hatte, in welcher Situation sie sich befand. „O-oh, aber dann … dann …“

Sie hatte demnach kein Monster um anzugreifen, obwohl er nur noch so wenige Lebenspunkte besaß.
 

„Dein Pegasus kann dir nicht mehr helfen“, rief Tatjana da plötzlich und sprang auf, „aber dein Deck wird dich nicht im Stich lassen!“

Auch Fabio erhob sich. „Ja, Velvet! Der Rückschlag ist doch gar nichts! Du hast ihn genau da, wo du ihn haben willst!“

Tatjana setzte ihre Rede energisch fort. „Wenn du gewinnst, muss er sein Versprechen halten und dich in Ruhe lassen! Du hast es fast geschafft! Du bist keine Kriminelle!“

Einzig Isaac blieb sitzen und analysierte die Situation kritischer. Sein Blick haftete immer noch auf der offen stehenden Fallenkarte, die keiner der anderen auch nur ansatzweise bemerkt zu haben schien. „[Dimension Gate] … aber darauf musst du selbst kommen, Velvet.“

Der Letzte im Bunde, Patrice, starrte derweil nur entsetzt auf sein weißes Smartphone.

 

Der ging in diesem Moment ein Licht auf. „O-oh, natürlich! Der Effekt von [Spiritual Beast Cannahawk] setzt ja ein! Vor zwei Zügen habe ich [Spiritual Beast Apelio] verbannt und bekomme ihn jetzt aufs Blatt!“

Kaum hielt sie ihn zwischen den Fingern, legte sie ihn energisch auf ihre Duel Disk. „Bitte, hilf' mir!“

Brüllend stellte sich ein knallrotes Löwenjungtier mit hell flackernder Mähne vor ihr.

 

Spiritual Beast Apelio [ATK/1800 DEF/200 (4)]

 

Noch ein Angriff. Noch ein Angriff und sie würde-

 

Ticken.

Velvet saß in einem Flugzeug. Leute unterhielten sich. Dann knallte es. Schreie. Das Flugzeug neigte sich nach links und so die Körper der Passagiere. Zwei Damen, die im Gang standen, knallten gegen andere Leute.

Nur Velvet saß gerade. Sie blickte dem Feuer entgegen, in dem ein blondes Mädchen stand und sich ihr mit finsterem Gesichtsausdruck zuwandte. Dabei tickte die ganze Zeit eine Uhr in ihrem Ohr.

 

„Ah!“, schrie sie so laut sie konnte und sank auf die Knie.

„Alles in Ordnung mit dir?“, fragte Henry skeptisch.

Auch ihre Freunde und die Lehrer auf der Tribüne waren erstaunt von ihren plötzlichen Aufschrei.

„Sag nicht“, murmelte Fabio in der ersten Reihe verheißungsvoll, „ausgerechnet jetzt!?“

Velvet nickte ihm stumm, beinahe hilflos zu. Diese Vision, sie war so real wie noch nie gewesen. Sie hatte die Hitze der Explosion gespürt, die Angst der Passagiere. Selbst jetzt dröhnten ihre Ohren noch vom Knall.

„Wenn wir das Duell abbrechen, wissen Sie, was auf Sie zukommt, Miss Thorne“, sagte Henry von der anderen Seite des Spielfelds streng.

Sie nickte abermals und schluckte dabei. Alles drehte sich. Sie konnte nicht mehr …

„I-ich fühle mich nicht imstande, das Duell fortzusetzen“, würgte das Mädchen im weiß-violetten Sommerkleid schließlich mühsam hervor.

 

Während die Lehrer sich nacheinander überrascht von ihren Plätzen erhoben, eilte der junge Afroamerikaner, der sich kurzerhand über die Tribüne schwang, seiner knienden Freundin zu Hilfe.

Als Fabio sie erreichte, bückte er sich zu Velvet hinab und berührte sie sanft an beiden Schultern. „Geht es?“

„Es war … schrecklich …“

„Was hast du gesehen?“

Velvet schluchzte: „Da ist eine Bombe in einem Flugzeug explodiert und es ist abgestürzt.“

Nebenbei näherten sich hinter ihr Patrice, Tatjana und Isaac und die Gesichter der Drei waren gezeichnet von Irritation und einem Hauch Angst.

„Weißt du, ob es schon passiert ist?“, fragte Fabio beunruhigt.

Das Mädchen schüttelte aufgelöst den Kopf.

„Gerade eben, vor vielleicht zehn Minuten“, antwortete Patrice hinter ihnen matt und zeigte sein Smartphone vor, das die News anzeigte, „ist direkt über Ephemeria City passiert.“

Auch Henry seinerseits weitete die Augen. „Ephemeria!?“

Velvet ihrerseits kniff die Augen fest zusammen, aus denen Tränen aufstiegen. War es früher alle paar Monate mal eine Vision gewesen, wurde sie jetzt regelmäßig mit solchen Bildern gequält. Was war bloß mit der Welt los!?

Und wieso tauchte regelmäßig die Zweitplatzierte des Legacy Cups, diese Anya Bauer, in ihnen auf!?

 

„Deswegen warst du so still“, sagte Tatjana zu Patrice und nahm ihm das weiße Smartphone aus der Hand. „Lass mich sehen.“

„Sie sollten das Duell abbrechen“, schlug Isaac derweil gefasst vor und trat an Henry heran, „wie Sie sehen können, ist Velvet emotional ziemlich mitgenommen.“

Der junge Mann fasste sich nachdenklich ans Kinn. „Und warum?“

„Das ist nicht so leicht zu erklären.“

Auf die eisige Antwort des Blonden hin lachte Henry auf. „Soll ich mich damit zufrieden geben?“

„Ihnen bleibt keine andere Wahl. Wahre Duellanten stellen sich nur Gegnern im Vollbesitz ihrer geistigen Fähigkeiten.“ Isaac verschränkte provokativ die Arme, wie er fast schützend vor Velvet und den anderen stand. „Oder wollen Sie mir widersprechen?“

Ein tiefer Blick in die Augen des Jugendlichen genügte Henry scheinbar, um seine Entscheidung zu treffen. „Heh …“

„Wenn Sie auf ein Duell bestehen, werden wir stellvertretend für Velvet weiterkämpfen“, sagte nun auch Patrice und positionierte sich neben Isaac. Kurz darauf folgte Tatjana stumm.

Zusammen bildeten sie eine regelrechte Mauer.

Allerdings winkte der jüngste Ford-Spross ab. „Das wird nicht nötig sein. Ich habe bereits erfahren, was ich wissen sollte.“

Er richtete sein Augenmerk auf Velvet. „Miss Thorne, Ihren Worten nach haben Sie unmissverständlich aufgegeben und damit das Duell verloren.“

Die reagierte aber gar nicht, sondern schluchzte nur unkontrolliert unter den aufkeimenden Protesten ihrer Freunde in Fabios Armen. Henry gelang es mühelos, jene zu übertönen. „Meine Untersuchungen sind noch nicht beendet. Allerdings werde ich vorerst auf eine Klage verzichten.“
 

Er drehte sich langsam um, sah dabei aber über die Schulter – und lächelte. „Sie sollten sich glücklich schätzen, so gute Freunde zu haben.“

Dann wurde sein Gesichtsausdruck wieder ernst. „Wir werden uns in Kürze wieder bei Ihnen melden.“

Das gesagt, schritt er voran. Dabei stöhnte er besorgt und man konnte ihn murmeln hören: „Was ist da bloß passiert …“

Schon schnappte Henry sich sein Smartphone aus der Hosentasche und rief im Weggehen jemanden an.

 

Derweil weinte Velvet weiter in den Armen ihres Freundes Fabio, der ihr mit hilflosem Gesichtsausdruck über den Rücken streichelte. Langsam wurde die Gruppe von den Lehrern umringt, allen voran von der Direktorin Mrs. Vinewood.

„Miss Thorne, das ist ein enttäuschendes Ergebnis“, sprach jene streng, „Ihre Leistung war im Angesicht dieses Gegners ausreichend-“

„Sehen Sie nicht, dass sie gerade andere Sorgen hat als irgendwelche Noten?“, fauchte Tatjana und stampfte mit dem Fuß auf.

„Achten Sie bitte auf ihren Ton, Miss Neumann.“ Die Frau räusperte sich. „Ich erlaube mir, die Lage durchaus objektiv zu beurteilen. Was ich sehe sind echte Emotionen, keine gespielten.“

Tatjana brummte grimmig: „Immerhin etwas …“

„Nun, Miss Thorne, im Anbetracht der Tatsache, dass Mr. Ford offensichtlich auf rechtliche Maßnahmen verzichtet, sehe ich vorerst keinen Grund, Sie des Unterrichts zu suspendieren. Ihr Duellexamen wird zu gegebenem Zeitpunkt wiederholt.“ Sie zeigte den Anflug eines Lächelns. „Ich hoffe, nächstes Mal sind Sie ausreichend vorbereitet und emotional stabil. Das wäre alles.“

 

Von all dem bekam Velvet jedoch kaum etwas mit. Sie zitterte am ganzen Leib.

Das war die erste Vision gewesen, in der Menschen auch in der Realität gestorben waren – eine, die sofort wahr geworden war. Sie wollte so etwas Schreckliches nicht sehen.

Und etwas in ihr fürchtete, dass das nur der Anfang war …

 

~-~-~

 

Indes hatte sich Henry aus der Duellarena hinaus auf einen leicht gewundenen Gang begeben, der zum Glück leer war.

„Melinda“, sprach er gedämpft, nachdem seine Schwester abgenommen hatte, „dieses Mädchen, sie scheint wirklich keine Ahnung zu haben, wie die Karte in ihren Besitz kam.“

„Verdächtig“, antwortete sie ihm besorgt, „und du bist die sicher? Du weißt, welche Probleme wir im Moment haben.“

Henry nickte, was sie natürlich nicht sehen konnte. „Ja, aber der Hackerangriff war vor ein paar Wochen und ich denke nicht, dass derjenige, der dahinter steckt, sich so offen präsentieren würde wie Velvet Thorne.“

„Hat sie gesagt, von wem sie die Karte hat?“

„Nein.“ Er lehnte sich dabei erschöpft gegen die Wand und sah an die Decke hinauf. „Sie war einfach auf einmal da. Womit nur eine Erklärung infrage kommt …“
 

Es gab eine Zeit, in der Henry ums nackte Überleben kämpfte. Vor über einem Jahr wurde er zu einem der Opfer des Eden-Konflikts und gebrandmarkt. Damals war es Anya Bauer gewesen, die sie alle in den Turm von Neo Babylon locken wollte, um dort das geheimnisvolle Tor Eden zu erwecken.

Doch Henry hatte die Falle kommen sehen und sich daher vorbereitet. Er ging einen Handel mit dem mächtigen Collector-Dämon ein, welcher ihm drei Karten und die Möglichkeit zur Flucht verlieh. Im Gegenzug musste Henry jedoch einen Preis zahlen. Nämlich dass er dafür sorgen würde, dass seine damalige Vision, die Excel-Monster, nie auf dem freien Markt erscheinen würden. Einzig der Sammler und seine Vertrauten sollten neben den Fords über diese Karten verfügen.

Es war so bitter für ihn gewesen, das Projekt zu entwickeln und das mit dem Wissen, dass es nie für die Duel Monsters-Gemeinde gedacht war. Fast schon erleichternd war die Reaktion seines Vaters, als dieser die Prototypen ablehnte und stattdessen die Idee der Pendelmonster akzeptierte.

Damals, als Henry den Handel mit diesem rothaarigen Dämon einging, verlor er vieles, nicht nur das Recht an den Excel-Monstern. Aber nicht seinen Stolz.

 

„Du meinst, -er- hat Velvet die Karte gegeben?“

„Möglich.“ Henry atmete tief durch. „Aber wenn ja, hat er sich ihr offenbar nicht gezeigt. Was auch immer der Fall ist, irgendetwas stimmt mit diesem Mädchen nicht.“

Melinda meinte sofort energisch: „Dann sollten wir sie im Auge behalten.“

Aber Henry fasste sich mit der freien Hand an die Stirn. „Eigentlich sehe ich das anders. Egal was für ein übernatürlicher Kram jetzt wieder abgeht, uns geht das nichts mehr an.“

„Das meinst du nicht ernst“, wusste seine Schwester jedoch spitzfindig.

Henry verzog finster das Gesicht. „Nein. Dieser Bastard hat mir etwas sehr Wertvolles genommen.“

„Und nicht nur dir, auch Anya.“

„Ja. Wenn wir also einen Beitrag leisten können, dann tun wir das.“ Henry ballte eine Faust. „Auch wenn wir uns nur um Velvet Thorne kümmern.“

 

~-~-~

 

Einige Tage später, in einer ganz bestimmten Vorstadt, hielt vor einem ganz bestimmten Wohnhaus einer Gartensiedlung ein Taxi. Ein verliebtes Ehepaar ging gerade mit ihren zwei Hunden Gassi, als die Tür des Fahrzeuges neben ihnen sich schlagartig öffnete. Sie blieben stehen. Ob des kalten Schauder, der ihnen den Rücken hinunterlief oder der Tatsache, dass die Tür sie beinahe erwischt hätte, konnte im Nachhinein niemand mehr so genau sagen.
 

Was aber in die Geschichte eingehen würde, war der erste Satz des Fahrgastes, als jener das Taxi verließ. Die schwarzen Turnschuhe stampften auf den Bürgersteig. Der blonde Pferdeschwanz peitschte nur so durch die Luft. Und Livington erschauderte, als Anya Bauer verkündete: „Ich bin zurück, ihr Arschgeigen!“

 

 

Turn 92 – Mirror Me

Nachdem Anya, Matt, Zanthe, Valerie und Claire scheinbar unversehrt von ihrem Aufenthalt in Ephemeria City zurückgekehrt sind, erwartet besonders Anya zuhause eine Überraschung. Niemand Geringeres als ihre Cousine Zoey Bauer hat sich bei ihr einquartiert. Die beiden verbindet eine lange Geschichte voller gequälter Mitbürger, doch Zoeys Versuche, Anya wieder zu alten Schandtaten zu bewegen, verlaufen im Sande. Was einen handfesten Konflikt nach sich zieht …



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  fubukiuchiha
2018-09-04T03:40:41+00:00 04.09.2018 05:40
Hi Aska,

Geniales Kapitel. Ich bin mir nicht sicher, ob Henry wirklich mit Aiden zusammen arbeiteb sollte, denn der Typ ist ein gewissenloses Arsch. Nick ist auf Dämonenjagd, aber wer würde das schon ahnen ^^

Cool, jetzt kommt endlich mal was zu den Excel Monstern raus und ich bin echt beeindruckt, was du dir da aus den Fingern gezogen hast. Aber Velvet's Monster ist ganz schön Overpowered, wenn es ohne Bedingung gerufen werden kann. Ich frage mich jetzt, was Exa's Monster für eine Bedingung hat, soweit ich mich erinnere war der Grade 7

Zum Glück ist Henry ein Vernünftiger Mensch, mit dem man reden kann, oder sich in einem Duell einigen. Ich habe mir irgendwie schon gedacht, dass er egal wie das Duell ausgeht, er Velvet laufen lassen wird, aber diese Vision hat Velvet ganz schön umgehauen. Yay, Anya is Back, take this Bitches! Ich hatte wirklich Angst, dass denen was passiert wäre, aber sie sind ja heil da rausgekommen 😁

Ich freue mich schon drauf wie es weitergeht.

LG fubuki
Antwort von:  -Aska-
16.09.2018 15:03
Hallo,

danke für dein Feedback. Henry macht halt was er will und ist diesbezüglich etwas geblendet durch die Vorstellung, das nächste Duel Monsters zu erfinden.

Was den Pegasus angeht, ja er ist schon stark, aber da er sozusagen ein Protagonisten-Monster ist, ist es schwer, eine Bedingung zu finden, die jedes Deck erfüllen kann. Dazu ist er Grad 8, also muss man eine Weile auf ihn warten.
Henry hatte von Anfang an einen Verdacht bezüglich Velvet, aber dieser hat sich erst während des Duells erhärtet.

Exas Monster hat die Bedingung, dass der Gegner ein Monster mit Stufe kontrolliert. Da der Grad den Wert festlegt, muss es ein Stufe 7-Monster sein. Das war in beiden Duellen mit Dark Magician und der Dragunity-Karte der Fall. ^^

Und ja, Anya ist zurück. Als ob ich die ganzen Fan Favorites durch einen Flugzeugabsturz (außer Nick) umbringen täte.

LG,
-Aska-


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