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(A)I complicate

von

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Simple

» Yujis View «
 

Liebe ist etwas wunderschönes und doch verwirrend, kompliziert und schmerzhaft... sie bringt uns dazu Dinge zu tun und zu sagen, die wir nie für möglich gehalten hätten.

Ich habe geglaubt, dass Seiji Niwa die Liebe meines Lebens ist. Aber der Glaube an etwas hat in der Liebe keine Bedeutung...das was zählt, sind Taten.
 

Vorsichtig strich ich einige dunkle Haarsträhnen aus dem schlafendem Gesicht neben mir, woraufhin selbiges zufrieden lächelte und etwas vor sich hin murmelte.

Er sah so friedlich und unschuldig aus.
 

Ken war seit dem Kindergarten mein bester Freund gewesen und

ich hatte mein ganzes Leben nicht eine Sekunde daran gezweifelt, dass wir für immer und ewig miteinander verbunden sein würden. Wenn auch etwas anders als es nun den Anschein hatte...
 

„Ich - ich liebe dich...“
 

Überraschte tief grüne Seen starrten mich plötzlich an und es war keine Spur von Müdigkeit darin zu finden.

Nach einigen Sekunden lächelte er sanft und strich mir über die Wangen.

„Es macht mich so verdammt glücklich, das von dir zu hören.“
 

Ich erwiderte sein Lächeln. Wie hatte ich all die Jahre so verflucht blind sein können?

Ken war schon immer der Eine gewesen... der Eine in dessen Gegenwart ich mich sicher und geborgen gefühlt hatte. Der Eine, der mich zum Lachen bringen konnte, egal wie traurig und verzweifelt ich vielleicht noch wenige Sekunden vorher gewesen bin. Der Eine, der jede Situation einfach besser machte.
 

„Ich werde alles tun, damit du mich jeden Morgen so anlächelst.“ er hauchte einen Kuss auf meine Nasenspitze und strich mir vorsichtig durch die Haare. „Alles...“
 

Mein Herz schlug mit einem Male wieder so hart gegen meinen Brustkorb, dass es fast etwas beängstigend war.
 

Ja. Auch Angst war etwas, was in der Liebe scheinbar ein oft unausgesprochener aber hinderlicher Faktor war.
 

Ich hatte Angst... ich hatte Ken immer alles sagen können.

Aber seit ich nach Tokio gezogen war, hatte sich so viel verändert ... Plötzlich gab es diese Grenzen zwischen uns. Plötzlich gab es Geheimnisse.
 

>>>>> Flashback <<<<
 

„Yu-Chan, Ken ist hier.“ hörte ich die Stimme meiner Mutter rufen.
 

„Ken...“ murmelte ich vor mir her.
 

Hastig schob ich den Brief in meinen Händen in meine Hosentasche, zog mir noch ein T-Shirt über den Kopf und stolperte eilig die Treppen herunter, um meinen besten Freund, fröhlich mit meiner Mutter auf dem Sofa plaudernd, vorzufinden.
 

„Hey!“ seine grüne Augen wanderten zu mir.
 

„Hey.“
 

Kens Lächeln wurde breiter und er musterte mich neugierig. Sofort überkamen mich Schuldgefühle, aufgrund der Worte, die auf dem weißen Blatt Papier, was ich noch vor wenigen Mintuen in meinen Händen gehalten hatte. Es war das erste Mal, dass ich ein Geheimnis vor ihm hatte... das erste Mal, dass ich eine Entscheidung ohne ihn getroffen hatte.
 

Meine Mutter erhob sich sofort und sah mich verärgert an. „Yu... warum hast du nicht gesagt, dass Ken-Ken vorbei kommt?“
 

Ich zuckte irritiert mit den Schultern. Ich hatte selbst nicht gewusst, dass er vorbei kommen würde. Wie hätte ich ihr also Bescheid sagen sollen?
 

„Ich hätte das Abendessen früher aufgesetzt.“ murrte sie verärgert und kehrte uns den Rücken zu, um in die angrenzende Küche zu stapfen. Meine Mutter fühlte sich immer verpflichtet selbst gekochtes Essen auf den Tisch zu bringen, sobald wir Besuch hatten. Ken war für sie wie ein Familienmitglied. Umso bemühter war sie aber trotzdem immer, wenn er bei uns war, ihn best möglich zu umsorgen.
 

Ken grinste mich wortlos an. Seine Lippen hatten einen leichten Glanz und dunkle grüne Smaragde funkelten herausfordernd. Rückblickend war es wohl das erste Mal, dass ich dieses verwirrende Verlangen verspürt hatte, ihn zu berühren.
 

Ihn zu küssen.
 

„Ken-kun...was machst du hier?“ ich nahm neben ihm Platz, während ich mir einige Haarsträhnen aus dem Gesicht strich. Meine Haare hatte ich in purer Hektik zu einem Zopf gebunden und nun versuchten einige Strähnen der Achtlosigkeit zu entkommen.
 

Kens Grinsen wurde wenn möglich noch breiter. „Wir haben uns zwei Tage nicht gesehen Yu...“ ehe ich wusste, was geschah, hatte er eine Hand gehoben und eine meiner braunen Locken ergriffen. „ Ich wollte nur sicher gehen, dass du noch lebst.“
 

Ich lachte leise und lehnte mich an ihn.

Ken war nie ein Mann der vielen Worte gewesen, wenn es um seine Gefühle ging.

Aber irgendwie hatte er es trotzdem immer geschafft, mir ohne Worte seine Gefühle mit zu teilen.

Ich hatte schon immer gewusst, dass ich einen besonderen Platz in seinem Herzen inne hatte. Wir verbrachten oft Stunden miteinander, ohne zu sprechen und wussten doch ganz genau, wie es dem jeweils anderen ging.
 

„Fumahiro und Jo würden dich auch gerne mal wieder sehen.“ murmelte er und starrte auf die Haarsträhnen zwischen seinen Fingern. Die vergangenen zwei Tage, hatte ich mich nicht dazu durchringen können, Ihnen die Wahrheit zu sagen... ich war jeden Morgen aufgewacht, mit dem Wissen, dass ich sie belügen würde. Meine angeblich besten Freunde. Aber heute war der Tag.
 

„Ken...“ ich räusperte mich kurz. „Ken ich muss dir etwas sagen.“
 

„Was ist denn Yu?“
 

„Du weißt, dass es schon immer mein Traum war, ein Arzt zu werden.“
 

„Das weiß ich, seit du an meiner Dragon Ball Action Figuren, diese irre Transplatation durchgeführt hast.“

Er lachte. „Auch wenn Songgoku nicht überlebt hat... Du wirst bestimmt mal ein guter Arzt.“
 

Ich kommentierte die aufkeimende Erinnerung an dieses Ereignis mit einem Grinsen und beschloss nicht weiter darauf einzugehen. ,,Also.... um das zu erreichen... also, um ein guter - ein wirklich guter Arzt zu werden - ...“ ich spürte wie meine Hände vor Nervosität zitterten. „Die Universität von Tokio hat eine der besten medizinischen Fakultäten in ganz Japan.“
 

„Ja bestimmt...“ er stand kurz auf, griff nach dem Glas auf dem Tisch und sah mich aus freudigen Augen an. „In Tokio sind die meisten Fakultäten an der Spitze im landesweiten Vergleich.“
 

„Ken... ich…“
 

„Aber keine Sorge Yu... Chibas medizinische Fakultät hat trotzdem einige der erfolgreichesten Ärzte des Landes hervorgebracht.“ er nahm wieder neben mir Platz und musterte mich. Sein Lächeln sollte aufmunternd sein. ,,Und das, wirst du auch sein.”
 

„Ich werde an die Universität von Tokio wechseln.“ da war es. Die bedrückende Wahrheit, die ich seit einigen Tagen mit mir rumgetragen hatte, war endlich raus.
 

Kens Augen weiteten sich und er starrte mich an. Unglauben stand in den grünen Tiefen geschrieben.

„Du - du tust was?“
 

„Ich habe sehr lange darüber nachgedacht... ich denke es ist der richtige Schritt.“
 

„Sehr lange darüber nachgedacht...?“ murmelte er leise vor sich her und senkte den Blick. Als hätte ich in einer fremden Sprache gesprochen und die Bedeutung meiner Worte schien nur langsam zu ihm durch zu dringen.
 

Ich fuhr mir durch die Haare und wusste nicht wo ich hinschauen sollte - konnte unmöglich seinen schönen Augen standhalten in diesem Moment.
 

„Du hast sehr lange darüber nachgedacht und kein Wort gesagt?“ seine Gesichtszüge verhärteten sich.
 

Ich schluckte und wusste selbst nicht, wie ich mit dem kalten Unterton in seiner Stimme umgehen sollte.

Er schien wütend... Nein - enttäuscht. Verständlich. Es hatte nie Geheimnisse zwischen uns beiden gegeben.
 

„Und wann?“
 

„Mit Beginn des nächsten Semesters.“
 

„Oh.“ Ken fuhr sich durch die Haare und sein Blick schien mich zu durchbohren. „Es ist also wirklich entschieden?“
 

Ich griff nach dem Papier in meiner Hosentasche und zog es mit noch immer zitternden Händen heraus, um es ihm entgegen zu strecken. „Das ist die Bestätigung meiner Immatrikulation.“
 

Ein stilles Seufzen entkam seiner Kehle. „Oh...“ er musterte mich. „Wenn es das ist, was du wirklich willst Yu, werde ich dich natürlich unterstützten.”
 

,,Ich denke, es ist das Richtige...” Erleichterung machte sich in mir breit. ,,Ich habe das Gefühl, dass es genau das Richtige für mich ist... und du kannst mich immer besuchen. Rey-San freut sich bestimmt auch.”
 

Er schwieg und nickte. Schien seinen ganz eigenen Gedanken nachzugehen und starrte auf seine Hände. Ich wusste, dass er sich in diesem Moment von mir verraten gefühlt hatte. Ken war der Grund, warum ich überhaupt so lange gezögert hatte diesen Schritt zu wagen. Er war der Grund, warum ich es bisher nicht mal meiner eigenen Mutter gesagt hatte...
 

Kurz darauf war er gegangen und hatte mir versprochen, es erstmal keinem zu sagen. 48 Stunden später, schrieben wir gemeinsam die Einladung für meine Abschiedsparty.
 

>>>> Flashback Ende <<<<
 

„Woran denkst du?“ Ken fuhr sich müde durch die Haare und setzte sich etwas schwerfällig auf.

Mein Blick glitt zur Uhr auf seinem Nachttisch. Es war noch früher morgen. Nicht mal acht... wenn ich mich beeilte, würde ich es noch pünktlich zur ersten Vorlesung schaffen.
 

„Erinnerst du dich an den Tag, als ich dir sagte, dass ich nach Tokio gehe?“
 

Er seufzte tief und nickte. „Ich war so wütend... Ein Glück, dass du so ein hübsches Gesicht hast Yu-Chan. Sonst hätte ich dir wohl eine verpasst.“
 

Ich lachte leise und schlang meine Arme um seine Mitte.

In den letzten zwei Jahren hatte er deutlich an Muskeln zu gelegt. Vermutlich durchs intensive Training für die Life Shows? Ken war mit Leib und Seele Musiker. Bei seinen Konzerten, gab er immer alles und die Wochen vorher war er wie ein anderer Mensch. Er aß nach einem strikten Ernährungsplan und schien seine Wohnung und das Ton - Studio von seinem Onkel, nur für einen Besuch im Fitnessstudio zu verlassen.

» Meine Fans verdienen die beste Show, die mir möglich ist. « hatte Ken mal gesagt.
 

„Bin ich ein schlechter Mensch?“
 

„Yu... du bist alles. Stur, chaotisch, naiv...”
 

„Okay... ich hab’s verstanden.”
 

Er grinste und zwickte mir in die Wange. „Lass mich ausreden... du bist alles mögliche, aber ganz bestimmt kein schlechter Mensch.“ er hauchte einen Kuss an meine Stirn.
 

Wenn ich wirklich kein schlechter Mensch war, wie hatte ich mit Ken zum zweiten Mal schlafen können, wenn ich es mit Seiji in den zwei Jahren unserer Beziehung nicht einmal konnte?
 

„Warum fühle ich mich dann so…?“ Ich strich mir übers Gesicht.
 

Ken lächelte vorsichtig und gab mir erneut einen Kuss. „Weil du eben ein guter Mensch bist.“
 

Ein guter Mensch...würde ein guter Mensch sich wirklich so verhalten?

Würde ein guter Mensch lügen und betrügen?

Würde er einen Menschen verletzen, den er doch seine Liebe und Treue geschworen hatte?
 

„Das - was da zwischen uns passiert ist Yu...“ er räusperte sich und sah mich nun mit einer Mischung aus Furcht und Nervosität an. „ Bereust du es?“
 

Und vermutlich war genau das, das Schlimmste an allem:

Ich verspürte keinerlei Reue. Ich war verwirrt, hatte Schuldgefühle und konnte mir noch immer in keinster Weise vorstellen, wie ich es Seiji erklären sollte. Aber Reue? Nein... dafür war gerade kein Platz in meinem Herzen.

Seine Berrührungen erfüllten mich dazu mit viel zu vielen von diesen absurden Glückshormonen.
 

„Nein...“ flüsterte ich und ergriff Kens Hand. „ Nein - ich bereue nichts.“
 

Er lächelte erleichtert und hauchte einen Kuss auf meine Hände.
 

„Ich muss los...“ murmelte er dann leise und küsste mich erneut, aber diesmal auf die Lippen. Es fühlte sich schon so vertraut an. „Ich würde so gerne den Tag mit dir verbringen Yu... aber Oji-san wartet auf mich.“ er griff nach einem grauen Hemd und einer Denim in einer hellen Waschung, aus seinem Kleiderschrank, bevor er den Raum verlies und vermutlich unter die Dusche springen wollte.
 

Ich erhob mich gähnend. „Ich sollte mich wohl auch für die Uni fertig machen...” murmelte ich eher vor mich her, um mich selbst zu motivieren. Schnell hatte ich mein Telefon gefunden und scrollte über den Screen.
 

Drei verpasste Anrufe von Seiji und zwei ungelesene Nachrichten. Verdammt... mein Herz raste.
 

~~~~~~~~~~~~«~
 

Von: Suri
 

Erhalten: 7:32 Uhr
 

Yu-chan! Treffen wir uns an der Cafeteria? Ich habe aufregende Neuigkeiten. XO
 

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Ich hatte Suri in den letzten Wochen wirklich vernachlässigt. Obwohl sie, Yaten und Seiji sich so viel Mühe mit meinem Geburtstag gegeben hatten.
 

~~~~~~~~~~~~~~
 

Von: Seija
 

Erhalten: 23:55 Uhr
 

Wir müssen reden. Komm morgen ins Krankenhaus. Seija
 

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Dass mich die letzte Nachricht irritierte, wäre wohl die Untertreibung des Jahrhunderts gewesen.
 

Seija und ich waren uns in den vergangen zwei Jahren nicht wirklich näher gekommen. Obwohl er zu Beginn sehr freundlich gewesen war, hatte ich inzwischen sogar das Gefühl gehabt, dass er mich nicht leiden konnte. Die Art wie er mich ansah war einfach unangenehm. Er ignorierte mich meistens, aber wenn er mir seine Aufmerksamkeit schenkte, lag da wann immer er doch meinem Blick begegnete, diese Ablehnung in seinen Mitternachtblauen Seen.
 

Seiji hatte immer behauptet, ich würde es mir einbilden und dass es auf dieser Welt doch keinen Menschen geben könnte der mich nicht mag.

» In seinen Adern fließt das selbe Blut, wie in meinen... es wäre absurd, wenn er dich nicht mag. « hatte er mal im Scherz gesagt. » Vielleicht ist er noch beleidigt, weil er dich damals nicht gekriegt hat - Sondern eine Ohrfeige.« Daraufhin hatte er gelacht.
 

Witzig, war daran nur leider überhaupt nichts, wenn man mal darüber nachdachte, dass es sich um den Bruder meines Freundes handelte, der gleichzeitig mein Professor und Leiter des renommiertesten Krankenhauses in ganz Tokio war.
 

Furcht erfüllte mich.
 

,,Sollen wir dich mitnehmen?” Ken stand plötzlich wieder vor mir und fuhr sich durch die noch etwas klammen Haare
 

Ich starrte ihn überrascht an und hatte nicht gemerkt, dass er bereits zurück gekommen war. Er hatte seine Haare noch offen und sah seinem Onkel Rey nun noch ähnlicher als sonst.
 

,, Das wäre kein Problem. Deine Uni liegt auf dem Weg.” Mit geübter Leichtigkeit band er seine Haare zu einem Zopf. ,,Ich denke es wird Zeit für einen Haarschnitt...” murmelte er gedankenverloren.
 

Ich konnte keinen klaren Gedanken fassen.

,,Kommt ihr auch am Tokio Hospital vorbei?”
 

Seine Augen weiteten sich und er war mit schnellen Schritten bei mir. ,,Geht es dir nicht gut? Hab - hab ich dich etwa verletzt?”
 

Die Sorge war deutlich zu sehen und es wäre fast niedlich, wenn es nicht so eine ernste Situation gewesen wäre. Ich schüttelte hastig den Kopf. ,,Seija will mich sprechen...”
 

,,Seija?” Seine Augenbrauen schnallten in die Höhe. Einen Moment, sahen wir uns schweigend an. Wussten beide, was das bedeuten konnte, wagten es aber nicht es auszusprechen. ,,In Ordnung...”
 

Ich hatte mich in meinem Leben noch nie so schnell fertig gemacht wie in diesem Moment. Der Gedanke daran, dass ich bald Seijis Bruder treffen würde, jagte mir eine Gänsehaut über den Rücken.
 

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Die Fahrt mit Ken und seinem Onkel war mehr als nur eigenartig gewesen. Kaum hatte ich den Älteren begrüßt, wusste ich dass er ES wusste. Er hatte mir dieses wissende Grinsen geschenkt und in seinen Augen lag dieser Glanz den ich nur zu gut kannte. Rey wusste vermutlich alles.

Das Grinsen blieb selbst während der Fahrt durch den zähflüssigen Verkehr Tokios. Auch wenn er versuchte es mit belanglosem Small Talk versucht zu überspielen.
 

Eigentlich war das auch nicht wirklich das Problem. Rey - San war ein Mensch den ich fast mein ganzes Leben lang kannte und ich wusste, dass Ken mit jemanden sprechen musste.
 

Natürlich würde er sich ihm anvertrauen.
 

Nein, das war nicht das Problem.

Aber wenn Rey es wusste, wusste es doch sicherlich auch Liam. Wenn Liam es wusste... ,,Oh Gott.” Seufzte ich und vergrub mein Gesicht in meinen Händen.
 

,,Seija-san ist ausreichend.” Durchbrach eine dunkle Stimme mein innerliches Dilemma.
 

Ich erhob mich hastig und wagte es kaum dem größeren in die Augen zu schauen.
 

Lina, seine persönliche Assistentin hatte mich in sein Büro geführt und war kurz darauf mit einer Tasse Tee und der Information, dass Professor Niwa noch einen Moment brauchen würde, zurück gekommen.
 

Einen Moment hieß eine Stunde.
 

Eine verdammte Stunde.
 

Seijas Büro war zwar interessant gewesen, aber nachdem ich die Zeit genutzt hatte, um Suri auf Ihre Nachricht zu antworten und auf die Mittagspause zu vetrösten, war mir sehr schnell langweilig. Nach 20 Minuten, hatten sich meine Gedanken verselbstständigt und ich war alle möglichen Horror Szenarien durchgegangen.
 

,,Setz dich.” er lies mich nicht aus den Augen, während er selbst in seinem Stuhl hinter einem großen weißen Schreibtisch Platz nahm.
 

Ich nickte und spürte wieder diese unsagbare Angst aufkommen.
 

,,Warum bist du so Nervös Yu?”
 

,,Bin - bin ich garnicht!”
 

Er grinste und schlug die Beine elegant übereinander. ,,Ich bitte dich... noch nervöser und ich müsste in Erwägung ziehen, dir ein Beruhigungsmittel zu verabreichen.”
 

Ich biss mir auf die Unterlippe. Verdammt.
 

„Schwitzen, Hände zittern, Lippen kauen...” er zog eine Augenbraue in die Höhe. „Alle klassischen Anzeichen.”
 

Einen Moment lies er die Worte auf mich wirken. Als ich keine Anstalten machte ihm etwas zu erwidern, senkte er den Blick und schob einen Umschlag in meine Richtung.
 

,,Du bist ein schlechter Lügner... aber du bist ein hervorragender Student.”
 

Okay... was ging hier vor? War das irgendwie die versteckte Kamera?
 

,,Wie du sicherlich weißt, haben deine Uni und dieses Krankenhaus seit Jahrzehnten eine Vereinbarung. Ein Student unserer - meiner - Wahl , darf hier noch vor seiner Assistenzzeit ein Praktikum bei mir absolvieren. Natürlich will ich diese Gelegenheit nur dem Besten geben.”
 

Ich hatte von diesem Praktikum gehört, aber nie auch nur in Erwägung gezogen, vielleicht dafür in Frage zu kommen... wollte er mir das wirklich anbieten?
 

,,Nun, der Beste Student an dieser gottlosen Uni ist Seiji... er wird einmal der beste Chirurg in ganz Asien. Da bin ich mir sicher. Aber wir kennen ihn beide gut genug. Eher arbeitet er umsonst in einem der städtischen Krankenhäuser, als bei mir ein Praktikum zu machen.”
 

Da hatte er wohl recht. Seiji war viel zu stolz, um seine Verwandtschaft zu seinem Bruder zu nutzen. Obwohl er wirklich der Beste war. Seija hätte ihn nicht grundlos den Vorzug gegeben und das wäre jedem in unserer Uni bewusst gewesen.
 

Seijas Stimme war wann immer er über seinen kleinen Bruder sprach, unfassbar sanft und fast vorsichtig. So ganz anders, als man Es sonst von ihm gewohnt war. Und auch wenn die beiden sich oft stritten, wusste ich dass sie tief in ihrem Herzen sehr aneinander hingen.
 

,,Du bist talentiert...aber kein zukünftiger Chirurg.” Es klang fast vorwurfsvoll. Ja klar, Chirurgen waren die Superstars unter den Ärzten. Aber es machte nun mal nicht jedem so viel Freude Menschen mit der höchsten Präzision aufzuschneiden. Kein Grund zur Diskriminierung. ,,Deshalb habe ich beschlossen, dass wir dieses Jahr das Praktikum etwas anders gestalten. Liam’s Praxis würde sich deiner annehmen... und ich kann mir gut vorstellen, dass du dich Für sein Fachgebiet interessierst.”
 

Ich brauchte einen Moment das Gesagte zu verarbeiten. Ein Praktikum bei Liam? Er war der Beste Kinderarzt des Landes. Wenn nicht sogar in ganz Asien laut Suri. Es wäre verrückt diese Gelegenheit zu verpassen, auch wenn die Situation gerade etwas kompliziert war.
 

Ich sprang auf und schlug beide Hände so fest auf den Schreibtisch, dass er leicht wackelte. ,,Natürlich! Natürlich würde ich das gerne machen, Seija-san. Vielen Dank für die Chance!”
 

Er nickte und deutete auf den Umschlag. ,,Das sind die Unterlagen, die du ausfüllen musst... Eine Kopie ist jeweils für dich, Liam’s Praxis und deine Uni.”
 

Ich nahm die Unterlagen in die Hände und verbeugte mich mit einem breiten Grinsen. Das erste Mal seit ich seine Nachricht gelesen hatte, fühlte ich wieder etwas positives. War erleichtert, dass das der Grund war, warum er mich sprechen wollte. Freude und auch ein bisschen Stolz. Kaum hatte ich diese Gefühle realisiert, überkamen mich heftige Schuldgefühle und unzählige Fragen schwirrten mir durch den Kopf. Durfte ich das annehmen? Hätte ich das verdient? Würde er mir das noch anbieten, wenn er wüsste was ich seinem Bruder angetan hatte? Was ich ihm zwei mal angetan hatte?
 

,,Vielen Dank. Ich werde dich nicht enttäuschen.” kam es trotzdem über meine Lippen.
 

Einen Augenblick musterte er mich schweigend und ich konnte nicht wirklich deuten, was er wohl gerade dachte. Es schien als würde er etwas in meinem Gesicht suchen.... eine Antwort auf eine ungestellte Frage. Seija war seinem Bruder äußerlich so ähnlich, dass es manchmal absurd war wie unterschiedlich ihre Persönlichkeiten im Gegenzug waren.
 

Ich beschloss, dass es wohl an der Zeit war zu gehen, ehe ich mich wieder in ein nervöses Nervenbündel verwandeln würde.

,,Ich - ich muss los...”
 

Er nickte und wand seinen Blick ab.
 

Kurz bevor ich die Tür erreicht hatte, hallte seine Stimme noch einmal durch den Raum und es riss mir fast den Boden unter den Füßen weg.
 

„Das Ganze geht mich nichts an und ich bin sicher kein Moralapostel... aber mein Bruder hat es verdient, aufrichtig geliebt zu werden.” das Blut in meinen Venen schien zu gefrieren und ich erstarrte - wagte es nicht, mich umzudrehen. Ich wäre vermutlich auch sofort in Tränen ausgebrochen unter seinem kalten und vorwurfsvollem Blick. ,,Du solltest ihm und dir selbst gegenüber ehrlich sein.”
 

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