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Kalendertage

Der Tag, an ...
von

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30 – Der Tag, an dem ich einen Baum bestieg

Anfang April tobte ein Wirbelwind durch mein Leben und blies zukünftig auf lange Zeit viele Dinge durcheinander. Zuerst trat der kleine Sturm am Einschulungstag auf der Akademie auf, und ich war neugierig wie ein ganzer Kindergarten, diesen Sturm endlich näher kennenlernen zu dürfen.

Die Einschulung an sich war mehr als unspektakulär. Grundsätzlich ging es so vonstatten, dass die Neuankömmlinge sich pünktlich um acht Uhr in der Früh draußen auf dem Schulhof zu versammeln hätten. Die Wetterlage wurde bei diesem Antrittstermin außer Acht gelassen. Wer ein ordentlicher Shinobi werden wollte, der könnte schon mal üben, auch im strömenden Regen und Windstärke 10 Haltung zu bewahren. Doch meist hatte der Wettergott ein Einsehen und es war trocken und mild. Wenn dort alle mehr oder minder in Reih' und Glied aufgestellt waren, sprach Hokage-sama ein paar Worte an die Bande und verlas dann die Klassenlisten. Anwesend waren auch Iruka-Sensei in seiner Funktion als Schulleiter und die beiden zukünftigen Klassenlehrer. Eltern waren gewöhnlich nicht zugegen. Es war bei Konohas Elternschaft Gang und Gäbe, Kind und Kegel zur üblichen Weckzeit aus dem Haus zu jagen und sich dann selbst auf zur Arbeitsstelle zu machen. Waren die Kinder schon größer, dann hatten sie sich selbst um das Aufstehen zu kümmern. Ein Großteil der Eltern war, wie hätte es auch anders sein können, Shinobis und daher häufiger mal auf Achse. Somit war es hier im Dorfe völlig normal, sein Kind nicht zu Terminen begleiten und es darüber hinaus länger allein zu lassen. Und die daran gewöhnten Kinder empfanden es teilweise eh als recht peinlich, wenn Eltern mit anwesend waren. Man wäre doch schon ach so erwachsen und bräuchte keine Begleitung. Bei mir erzeugte das Ganze nur ein Kopfschütteln. Anderes Land, andere Sitten.

An jenem Morgen jedenfalls grellte die Sonne wie ein Atompilz vom Himmel, dass man fürchten müsste, sich bereits am späten Vormittag schon gänzlich einen Sonnenstich einzufangen. Selbst Kakashi, der sonst so tat als würde ihm Wind und Wetter keineswegs tangieren, hatte seinen roten Hut aufgrund der Hitze nicht auf dem Haupte ruhen, sondern ihn nach hinten geschoben, so dass er zwischen den Schulterblättern baumelte. Andernfalls wäre er wohl unter dem Hut vor Hitze zerlaufen. Den Mantel hatte er gar nicht erst mitgenommen. Es hätte formell auch gereicht, er wäre nur in seiner üblichen Dienstkleidung ohne Hut aufgekreuzt, doch zu so einem besonderen Tag, denn das war es für die Kinder, musste man schon ein wenig Etikette zeigen. Der Hut war halt einfach cool. Zumindest behauptete das Yuuki. Und Yuuki zuliebe wurde der Hut dann mitgenommen.

Da ich nun leider immer noch nicht zu jenen Eltern gehörte, die in Lohn und Brot standen, hatte ich es mir nicht nehmen lassen, mich an einen Teestand abseits des Schulgeländes zu tummeln und dem Ganzen aus der Ferne beizuwohnen. So fiel ich als Schaulustige gar nicht auf und wäre eher zufällig vorbeigekommen. Schlussendlich waren rund fünfzig Kinder siegreich aus den Qualifikationen hervorgegangen. Sie konnten nicht unterschiedlicher sein, als die Truppe, die dort erwartungsvoll auf dem Schulhof stand. Die einen hüpften hibbelige von einem Bein auf das andere. Andere waren wiederum total gelassen und hätten im Stehen einschlafen können. Ein Handvoll jener machte einen extrem übermotivierten, aber angespannten Eindruck. Und dann gab es noch so einen Anteil derer, die irgendwie mitmachen wollten, aber nicht so recht bei der Sache schienen. Kakashi hatte erwähnt, dass die Altersspanne bei der Quereinsteigerklasse diesmal größer wäre als sonst. Ganze fünf Jahre lagen zwischen dem jüngsten Kind und dem ältesten. Das würde eine schwierige Aufgabe für die Lehrer werden, da auch die Entwicklungsspannen wie Täler auseinander klafften und es auf den ersten Blick gar keine Verbindungsbrücken zwischen den einzelnen Schülerinnen und Schülern gäbe. Es war mir schleierhaft, warum er ausgerechnet diese Kinder erwählt hatte, wenn es doch so kompliziert wäre. Denn bestanden hatten noch gute drei Dutzend mehr, welche vielleicht handzahmer gewesen wären, doch leider nur die Absage aus dem Briefkasten fischen mussten.

„Betriebsgeheimnis!“, hatte ich da nur augenzwinkernd zu hören bekommen.

Auch war ich verwundert, weshalb Asa nicht wie ein gewöhnliches Kind auf der Akademie eingeschult worden war, sondern diesen umständlichen Einstieg bewerkstelligen musste. Das kam mir bei einem Zögling von Ninja-Eltern doch recht merkwürdig vor. Aber sicherlich gäbe es dafür einen ganz bestimmten Grund, und ich war neugierig genug, dass ich das noch herausfinden würde.

Ich wandte mich wieder dem Treiben auf dem Schulhof zu, obgleich meine volle Aufmerksamkeit doch stark abgelenkt wurde, denn ich ertappte mich selbst dabei, wie ich meist nur meinen Freund anstarrte, als wäre er eine unerreichbare Insel und ich wäre das Treibgut auf dem Meer, welches von der Strömung immer wieder abgetrieben wurde. In meinem Kopf ging es drunter und drüber. So was blödsinniges! Ich würde Kakashi doch schon in ein paar Stunden wiedersehen. Dass ich beruflich nichts zu tun und auch sonst keine ehrenvolle Aufgabe hatte, die meinen Tagesablauf ausfüllen würde, schlug mir sehr auf Stimmung. Nach dem Jobverlust redete mir die Langeweile ein, ich würde nun bald auch noch meine Familie verlieren, wenn sich nicht schleunigst etwas ändern würde. Verlustängste machten sich breit. Alle hätten nämlich etwas zu tun, nur ich nicht. Niemand bräuchten einen Herumsitzer und Langeweiler wie mich. Argh, die Langeweile nervte mich tierisch und setzte mir Dummheiten in den Gehörgang!

Zeit für einen Themenwechsel: Man konnte zwar wegen der Entfernung nicht verstehen, was dort auf dem Schulhof gesagt wurde, doch Yuuki strahlte wie Bolle, als wohl seine Name aufgerufen und er seiner Klasse zugeteilt wurde. Doch der Hauptgrund für meinen Beobachtungsposten am Teehaus war nicht Yuuki, obwohl er natürlich extrem wichtig war, sondern der besagte kleine Wirbelwind namens Asa.

Nach wie vor war das Thema „Asa“ total kompliziert. Am Besten sprach man das Thema überhaupt gar nicht in der Gegenwart meines Freundes an. Gesehen hatte ich Asa bisher nur für die wenigen Sekunden in der Wettkampfarena und auf Kakashis Arm. Aus meinem Freund war da nichts herauszuquetschen außer solch Kommentare wie „Die richtige Tochter von der falschen Frau.“ Und am liebsten würde er das Thema wohl komplett aus seinem Lebenslauf streichen, doch wenn Asas Name fiel, so leuchteten trotz alledem seine Augen. Wortlos voller Stolz. Zumindest wusste ich schon soviel, dass Asa zwei Jahre jünger als Yuuki war und ihre Mutter aus einem angrenzenden Nachbarland stammte. Diese hatte anscheinend nichts besseres zu tun, als die Tochter selten, dafür aber überaus spontan beim Vater abzuliefern, wenn es ihr danach beliebte, und häufig „nette“ Liebesbriefe in Bezug auf Unterhaltszahlungen zu schreiben. Es wären wohl auch so ziemlich die einzigen Textsammlungen von der Dame überhaupt, welche Kakashi erreichen würde. Wenn ihr Charakter wirklich so wäre wie beschrieben, dann war es mir total schleierhaft, wie sich Kakashis und ihr Weg sich jemals gekreuzt haben konnten. Da passte doch gar nichts zusammen, zumal ich nicht geschätzt hätte, dass Kakashi auf so eine dusselige Kuh jemals hereinfallen würde. In solch modernen Zeiten, in denen wir lebten, hatte ich sowieso gedacht, solche Schlammschlachten auf tiefstem Niveau um Kinder, Alimente und Sorgerecht gäbe es nur noch in billigen Fernsehseifenopern. Da hatte ich mich wohl stark getäuscht.

„Der allererste Hokage mit Krabbeldecke im Büro!“, hatte Gai nach der gefühlten dritten Flasche Sake intus an Hanami zum Besten gegeben und dabei einen knappen, aber derben Rüffel von Kakashi bekommen, das man zusammenzucken konnte. Zumindest zogen Tenzô und ich schnell im Geiste den Kopf ein. Bei Gai hingegen kam die Message nicht so recht an, sodass er volle Breitseite sein Fett wegbekam. Aber das war nichts ungewöhnliches, sondern total normal.

Nun aber sollten sich die Umstände komplett wenden, denn Asa ging ab heute mit Yuuki in ein und dieselbe Klasse. Und damit der tagtägliche Schulbesuch reibungslos abliefe, würde seine Tochter nun wohl dauerhaft in Konoha wohnen müssen. Es lief darauf hinaus, dass der Daueraufenthalt sich auf Kakashis Wohnung beziehen würde und nicht aufs Internat. Allerdings hegte da Kakashi schon so seine Zweifel, denn zum einen war er wenig daheim und zum anderen war seine Wohnung zu klein, um eine zweiköpfige Familie permanent zu beherbergen. Dunkel erinnerte ich mich an eine Zimmertür neben dem Bad, hinter welcher wohl Asas Reich läge. Aber es wäre so winzig, dass es keine Lösung auf Dauer wäre. Später hatte ich den Raum auch tatsächlich mal zu Gesicht bekommen, als die Tür einen Spalt offen stand. Das Zimmer war wirklich sehr klein. Das schmale Fenster war sehr weit oben und ließ nur wenig Licht hinein. Man war auf elektrisches Licht angewiesen, wenn man nicht im Halbdunkeln hocken wollte. Es passte gerade mal ein Bett und ein Regal hinein. Ursprünglich war diese Kammer auch als Abstellraum vorgesehen und niemals als Kinderzimmer. Aber es war über und über mit Asas Kinderzeichnungen und Bilder zugepflastert und machten es so irgendwie bunt und fröhlich.

Ich hatte keinen Plan, was Kakashi und Hikki da in ihrem üblichen Streitgespräch voller Frost um über Asa ausgezankt hatten. Man müsste als stummer Außenstehender abwarten und beobachten. Hikki. Wenigstens hatte ich durch Beharrlichkeit mal mitbekommen, dass Asas Mutter diesen Namen trug. Noch so eine Info, die ich meinem Freund lange aus der Nase ziehen musste.

Heute aber richtete zwischendurch immer mal wieder ich alle Augen auf Asa, weil Yuuki und ich sie nun näher kennen lernen würden und sie im Gegenzug uns. Sie fiel schon auf dem Schulhof durch ihre positive Ausstrahlung auf. Ein Kind munter wie ein Flummiball, das wohl nichts anderes als lachen konnte. Sie war passend für ihr Alter geschätzte 1,30m groß, hatte zwei lange geflochtene Rattenschwänze in Sturmgrau, die ihr bis zum Po reichten, und sah ihrem Vater unglaublich ähnlich. Ein Vergleich, den wohl nur sehr wenige vollziehen könnten. Zu ihren Lieblingsbeschäftigungen gehörte es den Erzählungen nach, dass sie etwas erschuf, um es mit großer Freude wieder einzureißen. Es begann bereits im frühen Alter mit Bauklotztürmen, die mit der flachen Hand zum Einsturz gebracht wurden und endete heute meist bei Erdhügeln, die sie mit einem Tornado zerfetzte. Das machte einen herrlichen Radau, setzte spannende Naturgewalten frei mit unbekannten Ausgängen und veränderte die Landschaft. Dabei verfolgte sie niemals böse Absichten, obgleich der angerichtete Schaden immens sein konnte. Es machte ihr einfach nur eine Menge Spaß. „Abreißen“ nannte sie dieses Spiel und könnte wohl stundenlang voller Begeisterung darüber berichten. Ein kleiner Wirbelwind mit viel Wind-Jutsu. Na, da hatte man wahrlich etwas zu tun, wenn man dieses Kind unter Kontrolle halten wollte. Ich schmunzelte, wie ich mir das alles ins Gedächtnis zurückrief und dabei das Mädchen beobachtet. Ja, ich freute mich auf das Ende des ersten Schultages und somit auf den heutigen Nachmittag.

Doch bis zum Nachmittag war noch etwas Zeit. Also unternahm ich einen langen Spaziergang, um mich von meiner Langeweile abzulenken. In letzter Zeit ging ich oft die Wege ab, die ich zusammen mit Kakashi gegangen war. Auch wenn es nur eine dumme Einbildung war, so hatte ich stets das Gefühl, wenigstens nicht allein zu sein, obwohl ich genau wusste, dass er im Büro saß oder irgendeinen Dienstgang unternahm. Das Gesicht der Natur hatte sich stark verändert. Die Bäume standen längst im satten Grün. Hier und da waren Bauern auf den Feldern und steckten die Reisschösslinge in die gefluteten Felder. Erste Wildblumen blühten am Wegesrand. Ich pflückte einen großen Strauß und nahm ihn mit. Daheim würde er sich auf dem Küchentisch als bunter Blickfang doch recht gut machen und bestimmt einen herrlichen Duft ausstrahlen. Unten am Fluss verfingen sich meine Augen in den frisch ausgetriebenen Weidenbäumen, wie sich ihre Äste in einer leichten Brise mitziehen ließen und beruhigend rauschten. Eigentlich ein herrlicher Tag voller Farben und Fröhlichkeit, doch in meinem Innersten machte sich ein Anflug von Trübsal breit, den ich mir nicht erklären konnte. Ich verbummelte die Zeit, aß die Reste vom Vortage aus meinem Kühlschrank auf und machte mich dann auf zum vereinbarten Treffpunkt: Den Trainingsplatz, den ich bereits von Yuukis damaligem Training her kannte.
 

Der erste Eindruck vom Trainingsgelände war trügerisch. Vögel zwitscherten im Geäst hoch oben über meinem Kopf. Die Bäume waren hier riesig. Man musste den Kopf weit in den Nacken legen, um die Baumkrone gänzlich zu sehen. Der Wind bewegte die Grashalme zu grünen Wellenmustern wie ein großes Meer. Der Fluss strömte langsam und gleichmäßig vorbei. Er war so klar, dass man Fische darin beobachten konnte. Insgesamt eine idyllische Harmonie.

Ich hegte schon den Verdacht, entweder viel zu früh oder gar auf dem falschen Platz zu stehen, weil es so still und einsam war. Doch dann erschütterte plötzlich ein Erdbeben den Untergrund. Erdspalten rissen zu meinen Füßen auf und drohten, mich zu verschlingen. Erschrocken rannte ich kopflos auf den Waldrand zu, weil mir mein Hirn suggerierte, dass der Fluss vor mir für mich nur eine Sackgasse werden würde. Wieder bebte der Boden. Dann brach ein Sturm los. Ein Tornado fraß sich durch den Wald und hinterließ im wahrsten Sinne des Wortes eine Schneise der Verwüstung. Ängstlich kauerte ich unter einem Baum, schlug die Hände über dem Kopf zusammen und hoffte, Schutz gefunden zu haben. So müsste es sein, wenn der Himmel einem auf den Kopf fiele. Doch ich hatte mich in Bezug auf die Marschroute des Tornados wohl getäuscht, denn der kehrte um und kam zurück. Nur zwei Baumreihen hinter mir krachte es arg im Gehölz. Mir schwante, was hier gerade geschah und welchen Kindes Werke hier tobte. Wohin sollte ich nun fliehen?

„Komm mit!“, wurde mir die Entscheidung abgenommen.

Erschrocken riss ich den Kopf nach oben und sah genau ins Kakashis Gesicht. Wo zum Teufel kam der denn nun schon wieder her? Ninjas tauchten einfach so aus heiterem Himmel auf. Oder stand der da schon länger? Boah, wie mich das nervte! Egal! Er reichte mir seine Hand, um mir aufzuhelfen, dann schlang er einen Arm um meinen Taille und nahm mich mit wenigen Schritten ein paar Stockwerke mit nach oben. Auf einem dicken Ast in einer großen Baumkrone machten wir Halt. So hoch stand ich noch nie auf einem Ast und hatte auch kein Chakra in den Füßen, was mich an der Baumrinde wie Kleister festkleben würde. Der Erdboden lag sicherlich geschätzte zehn Meter unter mir. Ohne Netz und doppelten Boden. Das war verdammt hoch. Viel zu hoch! Hilfe! Und als dann Kakashi auch noch seinen Arm um mich lösen wollte, wurde ich fast panisch.

„Hast du Höhenangst?“, fragte er etwas erstaunt.

„Welcher NORMALE Mensch hat das nicht?“, keifte ich zurück, weil mir seine Lässigkeit in fast zehn Meter Höhe auf den Keks ging.

Der stand da wie fest getackert. Ich würde bei der geringsten falschen Bewegung in den Tod stürzen.

„Na, schön...“, ignorierte er meine Übellaunigkeit und drücke mich sanft zum Sitzen. „Etwas höher sieht man eigentlich besser, weil man über das Blätterdach schaut.“

Noch höher? Spinnt der? Das hier reichte für den Anfang total. Nun saß ich zwischen dem Baumstamm und ihm relativ sicher, ohne einen Absturz fürchten zu müssen. So richtig wohl war mich dennoch nicht. Mein Nervenkostüm beruhigte sich langsam auf ein erträgliches Maß, so dass ich endlich mal die Aussicht genießen konnte. Zwar war sie durch den Blätterwald stark eingeschränkt, aber es genügte, um der Ursache der Zerstörungen auf den Grund zu gehen. Nicht weit von uns lag eine Wiese direkt am Flussufer. Nein, das war gelogen: Eine Wiese war es wohl vor einigen Stunden noch. Jetzt ähnelte sie einer überschwemmten Mondlandschaft. Ich stutzte. Hatte ich dort nur Asa vermutet, so stand Yuuki direkt neben ihr. Natürlich war er hier ebenfalls nach der Schule aufgekreuzt, hatten wir Vier uns ja hier alle verabredet, doch er schien mächtig beschäftigt zu sein. Gemeinsam mit Asa hatten er Gefallen daran gefunden, das Erdreich nicht allein mit Hilfe von Wind zu verformen und zu bewegen, sondern Dank Yuukis Wasseraffinität die Krater und Gräben auch noch mit Wasser zu füllen. Da machte das Zerstören nun doppelt soviel Spaß. Wenn ein Laserblitz einschlug oder der Tornado Wellenberge auftürmte, so platschte und gurgelte das. Schlammklumpen flogen meterhoch und dekorierten wie fliegende Kuhfladen die Umgebung. Nacheinander konnten Kakashi und ich von hier oben beobachten, wie erst ein Kraterstausee, eine Matschburg und zum Abschluss ein Deich abgerissen wurden und alles überschwemmten. Kurz darauf lagen zwei Kinder erschöpft, aber glücklich am Boden, kugelten sich lachend im Dreck und freute sich wie die Schneekönige über das angerichtete Chaos. Man konnte sagen, was man wollte. Es waren immernoch die einfachsten Spiele, die Kinder glücklich machten.

„Vielleicht sollten wir die beiden, so wie sie sind, in den Fluss tauchen, um zu sehen, wer von beiden wer ist. Sonst nimmt nachher jeder das falsche Kind mit nach Hause“, kommentierte Kakashi unseren Nachwuchs trocken.

In der Tat waren die Kinder bis auf die Körpergröße nicht mehr zu unterscheiden. Sie waren von einer grau-braunen Erdteigmasse überzogen, wo nur noch die Augen herausguckten. Ja, man konnte sie in der Tat nur noch an der Körpergröße und der Stimme unterscheiden. Garantiert würden sie auf der Straße mit jedem Schritt einen matschigen Fußabdruck hinterlassen. Da war Kakashis Vorschlag über eine gründliche Vorwäsche im Fluss sicherlich nicht das Verkehrteste. Doch zwischen dem geplanten Waschgang und mir lag noch ein unüberwindbares Hindernis: Wenn man einen Baum hinaufgeklettert war, so musste man auch wieder hinunter.

Aus den Augenwinkeln warf ich einen Blick in die Tiefe und sofort drehte sich wieder alles vor meinen Augen. Schlimmer wurde es zudem noch, als ich zu meinem Unglück auch noch den Verlust des Erdbodens verschmerzen musste. Unser beiden Bälger hatten doch tatsächlich den Trainingsplatz um ein paar geflutete Kanäle bereichert. Der Baum, auf dem wir hockten, stand mit seinem Wurzelwerk nur noch auf einer kleinen Insel mitten im Wasser.

„Auf geht’s!“, meinte Kakashi völlig emotionslos.

Pah, der war es gewohnt, durch Bäume zu hüpfen. Ja, als Kind war ich auch auf Bäumen herumgetollt, aber niemals, wirklich niemals, so hoch! Höchstens fünfzig Zentimeter über dem Boden. Ok, erwischt! Es waren keine Bäume, sondern Büsche. Was anderes wuchs in meinem Heimatort wegen der Höhenlage in den Bergen eh nicht. Sofort schnellte mein Puls wieder in ungeahnte Höhen. Mein Kopf wurde purpurrot. Die Augen tränten panisch, und Hitzeschauer jagten mir über den Rücken. Ich stank sicherlich wie ein halber Paviankäfig, weil sich vor lauter Panik meine komplette Kleidung mit Angstschweiß vollsog.

„Wenn du weiter so wackelst, verliert der Baum noch sein Laub“, wurde ich aufgezogen.

Pff, wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen. Und was meinte er mit wackeln? Ich saß doch hier noch immer auf meinem Ast? Erst jetzt spürte ich, wie sehr ich zitterte. Das Zittern übertrug sich sogar auf den Baum, und Kakashis Sinne waren sensibel genug, dass er diese hauchdünne Erschütterung spüren konnte. Wenn man dachte, dass es von einer verzwickten Situation keine Steigerung mehr geben könnte, so wurde man umgehend eines Besseren belehrt. Kakashi stand nämlich einfach auf. Meine Augen wurden groß wie Kuchenteller. Der lässt mich doch jetzt hier nicht allein zurück, wo es doch allein seine Schuld war, dass ich hier oben überhaupt her geraten war? Panisch, dass er mich hier dreist aussetzen würde, schlang ich reflexartig meine beiden Arme um seinen Oberschenkel und klammerte wie ein Äffchen, was das Zeug hielt.

„Was wird DAS denn?“, fragte er erstaunt.

War das eine rhetorische Frage? Nach was sieht es denn aus? Ich habe Angst und du wirst das jetzt hier mit mir zusammen ausbaden. Maaannn, ich war aber auch eine Memme. Erst die Platzangst in der Höhle und nun auch noch das. Diese Höhe war mir eindeutig viel zu hoch.

„Lass los!“, redete er leise auf mich ein und erntete ein energisches Kopfschütteln. „Du lässt jetzt los!“

Wieder schaffte ich nur ein Kopfschütteln und vergrub mein Gesicht in seinem Hosenbein. Es dauerte eine ganze Weile, und es war letztendlich nur seiner Geduld und seiner Beharrlichkeit zu verdanken, dass ich das Klammern tatsächlich wieder aufgab. Ich japste und keuchte.

„Ganz ruhig Atmen,“ sagte er. „Und nun gibst du mir deine Hände ...“

Ich kapierte sofort: Hinstellen? Soll das ein Witz sein? Doch ich hatte keine Kraft mehr, mich zur Wehr zu setzen. Mein Körper war vor Angst wie gelähmt und gehorchte mir nicht mehr. Selbst Proteste kamen mir nicht mehr über die Lippen. Sanft wurde ich auf die Beine gestellt, die wie ein Schlossgespenst schlotterten und den ganzen Ast vibrieren ließen. Es war mir nicht möglich, die Knie durchzudrücken, um vernünftig gerade zu stehen. Kakashi ignorierte stumpf die Anzeichen meines bevorstehenden Herzkaspers und begann, einen Schritt nach hinten zu gehen, wodurch ich gnadenlos mitgezogen wurde.

„Ich kann das nicht ...“, versuchte ich kurz vor einem Heulkrampf Mitleid zu bekommen, den es aber nicht gab.

„Klar kannst du das. Oder willst du hier oben übernachten?“

Tränen standen mir in den Augen. Wie auf einem Schwebebalken marschierten wir an den Händen über den Ast. Kakashi im Rückwärtsgang und ich vorwärts. Der Unterschied zwischen Ast und Schwebebalken war leider nur, dass der Ast zum Ende immer dünner wurde und sich langsam nach unten bog. Hilfe, wir würden alle sterben! Entweder rutschten wir gleich ab oder der Ast würde unter unserem Gewicht einfach abbrechen. Nein, nein,nein! Beide Vorstellungen brachten mir sofort den nächsten Angstschauer ein.

Doch es kam ein wenig anders. Der Ast bog sich zwar, lehnte dann aber dadurch auf dem Ast des Nachbarbaumes. Nur ein kleiner Schritt trennte mich, um von einem Baum auf den anderen zu wechseln, doch für mein durchdrehendes Hirn war es ein unüberwindbarer Schritt. Trotzdem meisterte ich ihn, obwohl ich mich nur in Zeitlupe bewegte. So hatten wir uns durch den Baumwechsel tatsächlich um gute zwei Meter dem Erdboden genähert und hatten geschätzt vielleicht nur noch rund acht Meter zwischen Ast und Erde zu überwinden. Zumindest war da sogar Erdboden unter uns und kein künstlich angelegter Kanal wie bei dem Baum, auf welchem wir zuerst gesessen hatten.

Plötzlich nahm er mich fest in den Arm und fragte:

„Vertraust du mir?“

Und dann sprang er ohne meine Antwort abzuwarten, völlig überrumpelnd, mit mir zusammen in die Tiefe. Ein atemberaubendes Kribbeln machten sich in meiner Magengrube breit, als wir für die Sekunde im freien Fall waren. Was hätte ich da auch antworten sollen? Natürlich vertraute ich ihm, doch mein Hirn hätte vermutlich einen Sprung sofort abgelehnt, wenn es Kakashis Vorhaben nur schnell genug durchschaut hätte. Das wäre ganz natürlich gewesen, weil jedes Wesen, was an seinem Leben hing, so einen Sprung niemals gewagt hätte. Zumindest wenn es kein Chakra und kein Sicherungsseil hatte. Kakashis Chakra jedenfalls ließ einen Zwischensprung am Baumstamm zu und uns unten mit den Füßen den Boden berühren, als wären wir leicht wie eine Feder.

Erst blieb ich in der Umarmung und kauerte mit meinem Kopf an seiner Schulter, konnte ich doch gar nicht glauben, welch Mutprobe ich absolviert hatte. Doch dann sah ich direkt nach oben und Stolz machte sich in mir breit. War das wirklich ich gewesen? Ich hatte es wirklich geschafft. Ich hatte dort oben auf einem Ast gesessen und war dann auch noch balanciert. Und dann war ich da auch noch heruntergesprungen worden ohne vor Angst zu sterben. Ja, ich hatte es tatsächlich geschafft. So etwas hätte ich niemals von mir selbst gedacht. Ein Lächeln erweckte meine angstverzerrte Mine wieder zum Leben und trocknete meine Tränen. Schließlich kehrte auch meine Sprache wieder zu mir zurück.

„Ich muss durch dich ganz schön was ertragen“, stellte ich tadelnd fest.

„Mag sein. Aber bis jetzt schlägst du dich doch wacker“, kam es postwendend zurück.

Stoff schmiegte sich tröstend an meine Wange.
 

Jäh wurde unsere Zweisamkeit unterbrochen, als eine sehr junge Kinderstimme losquackte.

„Ey, hier seid ihr! Wir warten schon die ganze Zeit auf euch! Ich hab total Hunger“, beschwerte sich da ein kleines Matschmonster.

Und das große Matschmonster ergänzte:

„Komm Asa! Die haben mit sich selbst zu tun und haben uns total vergessen. Wollen wir noch eine Burg abreißen?“

„Au ja! Aber eine ganz Große!“

Asa fuchtelte wild mit den Armen in der Luft herum und deutete eine wirklich große Sache an. Und schon waren die beiden wieder verschwunden und ließen uns komplett verdutzt hinterherschauen. Kakashi zuckte nur mit den Schultern, als er sich von mir aus der Umarmung löste. Glücklicherweise schienen sich unsere Kinder zu verstehen. Es wäre ein schlechter Start, wären sich die beiden spinnefeind gesonnen.

Wir stapften durch den Morast hinter unserem Nachwuchs hinterher. Kakashi wandelte mit Leichtigkeit und Händen in den Taschen über das Gelände. Ich schlitterte von einer Pfütze in die nächste, kam aber trotzdem gut voran und hielt mit ihm Schritt. Bald hatte ich Ähnlichkeit mit Asas und Yuukis Äußerem. Wenn wir später zum Abendessen noch etwas in den Magen bekommen wollten, so bräuchten wir wohl allesamt eine gründliche Dusche. Drei Matschmonster würden wahrlich nirgends einen Platz zum Essen bekommen.



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