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It's about to be legendary

Von Legenden und Helden
von
Koautor:  rotes_pluesch

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Schauspiel

Merthin


 

Als sie später auf die Straßen traten, war es noch immer wunderschön draußen. Es war warm und die Stadt schien vor Leben zu erblühen. Es war entspannend, einfach durch die Straßen zu laufen. Und es machte Spaß, Aaron dabei zu beobachten, wie er es genoss, genau das tun zu können: einfach durch eine Straße zu laufen, die Menschen bei ihrem Tagwerk zu beobachten, das Leben zu spüren, die Ungezwungenheit. Sie liefen nebeneinander, nahe beieinander, aber sie hielten sich nicht an den Händen. Und auch so wahrte Merthin Abstand. Nicht, weil es ihm unangenehm wäre. Einfach, weil er Aaron nicht so bald wieder so nahe treten wollte, um ihn nicht wieder in Verlegenheit zu bringen. Dennoch nutzte er die ein oder andere Gelegenheit, ihn zu berühren – wie unbedacht, wie nebenbei. Aber doch so, dass er hoffte, dass es Aaron gefiel. Es war nicht so, dass er Aaron auf Biegen und Brechen rumkriegen wollte. Darum ging es nicht. Er wollte nur nicht, dass Aaron aus Scham und vielleicht falscher Scheu verdrängte, dass er genauso erregt gewesen war wie Merthin. So zerbrechlich und in gewisser Weise auch erschrocken über sich selbst Aaron vorhin ausgesehen hatte, hatte Merthin unter der Dusche den Gedanken gehabt, dass er nicht riskieren durfte, dass Aaron sich nun weit zurückziehen könnte… So aber testete er, wie jener darauf reagierte, um zu sehen, wie Aaron mit ihrer neuen Nähe umging. Dabei redeten sie über dies und das. Aaron erzählte ein wenig von sich, Merthin von sich. Und es tat gut mit diesem süßen Nichtstun die Zeit zu vertrödeln.
 

Aaron


 

Merthins Kleidung war mit dem blau und dem Leder schon etwas extravaganter, aber für einen freien Tag in der Stadt, ohne Bewegungsfreiheit für Kämpfe und fürs Reisen zu benötigen, war das sicher angebracht. Aaron bereute es, keines seiner Gewänder zur Hand zu haben, die in seinem Schrank Zuhause warteten. Gern würde Aaron auch was Hübscheres tragen, nichts zu ausgefallenes oder königliches, aber schon von höherer Qualität. Nicht dass er wollen würde, dass Merthin ihn leiden mochte... aber irgendwie war es doch so.

Die Straßen der Stadt Dorstaal waren mit Leben gefüllt, in der Luft hing nur noch positive Stimmung und das sah und merkte man den Menschen hier an. Bei ihrem Eintreffen in der Stadt hatte alles düster und trist gewirkt, die Menschen waren wie festgefahren in ihrem Alltag, doch jetzt zeigte sich ein komplett anderes Bild. Daher machte es Spaß durch die Straßen zu schlendern, Merthin dabei nahe bei sich zu haben und sich die Geschäfte der Leute anzusehen. Ihr Miteinander fühlte sich durchaus verändert an, ungezwungen, frei und warm. Immer, wenn Merthin ihn mit kleinen, wie zufälligen Berührungen bedachte, spürte Aaron ihre neue Nähe besonders. Häufig warf Aaron Merthin einen Blick zu, wenn sie sich wieder wie nebenbei berührten und lächelte dabei glücklich. Berührungen waren unglaublich schön, nicht nur die 'großen' wie auf dem Sofa, sondern auch so kleine Momente ließen Aarons Herz hüpfen. Der Prinz wollte nur versuchen, nicht wieder so unbedacht zu körperlich zu werden, um Merthin nicht wieder an eine kalte Dusche verweisen zu müssen.
 

Merthin


 

Während er über den Marktplatz mit Aaron bummelte, sah er den Prinzen hin und wieder zu den Schneidern blicken, die mit feinen Gewändern ihre Arbeit priesen. Sicher vermisste es Aaron, sich mit seinen sicher sehr feinen Kleidungsstücken einzukleiden und nicht immer nur die gröberen, ohnehin etwas zu großen Hemden zu nehmen, die Merthin ihm gegeben hatte. Er selbst mochte es, Aaron so zu sehen, ihn in seiner Kleidung zu sehen… Und dennoch kam er sich dadurch schlecht vor, weil er sich für sich selbst etwas Schöneres mitgenommen hatte. Merthin nahm sich vor, bei Gelegenheit dafür zu sorgen, dass Aaron die Möglichkeit bekam, etwas Angemessenes und Schönes für sich zu kaufen. Dafür hatte er aber im Moment einfach zu wenig Geld. Dennoch durfte das nicht in Vergessenheit geraten.

Es war bei einem Händler für Antiquitäten, als Merthin Aaron anhielt und sich zu ihm beugte. „Mir ist gerade der Gedanke gekommen, dass wie in dem Gasthaus von heute Vormittag keine alte Schrift gesehen haben, nichts das auf den Zusammenhang mit der Prophezeiung hindeutet… Oder ist dir etwas aufgefallen?“ Er sah ihn fragend an. „Vielleicht sollten wir dorthin noch einmal zurückkehren und nachsehen…“
 

Aaron


 

Merthin wies Aaron schließlich darauf hin, dass sie diesmal zwar die Aufgabe gelöst hatten, aber keinen neuen Prophezeiungsteil erhalten hatten. Da hatte er absolut recht, irgendwo musste ein weiterer Text versteckt sein, der sie weiterbringen würde. Ansonsten hatten sie nach der Briefübergabe kein Ziel mehr, obwohl das ganz große Ziel natürlich klar war. "Nein, mir war auch nichts aufgefallen...", murmelte Aaron nachdenklich, während er in Gedanken nochmal die Bilder vom Vormittag aus seinem Gedächtnis wälzte. Etwas Auffälliges fand sich darin aber nicht. Allerdings war Aaron auch ziemlich abgelenkt gewesen... Gemeinsam machten sie sich auf den Weg.
 

Merthin


 

Dass auch Aaron nichts aufgefallen war, dass nach einem Teil der Prophezeiung ausgesehen hatte, bestärkte ihn darin, dass sie noch einmal nachsehen sollten.
 

Es war bereits abends und die Sonne sank langsam tiefer, als sie zu dem kleinen Platz kamen, an den das Gasthaus angrenzte. Dort hatte eine Truppe eines fahrenden Theaters ihre Bühne aufgebaut und würden bald mit einem Schauspiel beginnen. „Lass uns uns schnell umsehen, ein Bier holen und zusehen, was meinst du?“
 

Aaron


 

So gingen sie zurück zur besagten Herberge und fanden auf dem Platz davor eine Bühne vor, auf der ein Schauspiel aufgeführt werden sollte. Scheinbar sollte es bald los gehen, saßen doch bereits viele Leute auf den Bänken, die vor der Bühne aufgereiht worden waren, und warteten gespannt auf den Beginn. Hinter der Bühne war reges Treiben zu hören, die Schausteller machten sich also auch gerade bereit loszulegen. Gerade hatte Aaron gedacht, dass es schön wäre, sich mit Merthin den Auftritt anzuschauen, als dieser genau das vorschlug. Grinsend nickte Aaron also. "Du kannst Gedanken lesen", antwortete er und beeilte sich, zusammen mit Merthin die Herberge nach irgendwas abzusuchen, das irgendwie an alte Schrift erinnerte oder was Magisches an sich hatte, doch war einfach nichts zu finden. Aaron hoffte, dass nicht Marcuse selbst etwas der alten Schrift an sich gehabt hatte, das bei seinem Verschwinden durch ihren Kuss, verloren gegangen war. Auch das kurze Befragen des Wirtes brachte keine neuen Anhaltspunkte. War das vielleicht noch nicht alles gewesen? Oder weil es eine 'Prüfung' gewesen war, gab es kein weiteres Prophezeiungsteil? Aber wo sollten sie dann nach dem nächsten Teil suchen?
 

Draußen vor der Herberge ertönte schließlich eine Stimme, die das kommende Theaterstück ankündigte. Wenn sie jetzt nicht aufhören würden zu suchen, würden sie das Stück verpassen. Aarons Blick fiel auf Merthin und sogleich traf der Prinz eine Entscheidung. Recht unvermittelt griff er sich Merthins Hand und zog ihn ohne Ankündigung mit sich, rüber zur Theke, wo noch der Wirt stand, der ihnen freundlicherweise erlaubt hatte, seine Herberge zu untersuchen. Ein kurzer Wortwechsel später trugen jeweils Aaron und Merthin einen Krug schäumendes Bier, nur um dann fix zur Bühne zu laufen, um auch nichts zu verpassen. "Wir können hinterher weiter suchen", hatte Aaron mit einem Lächeln zu Merthin gesagt, während er mit dem Bier in der Hand zurück zur Bühne lief und den Blonden mit seiner zweiten Hand weiter entführt hatte. Sie hatten sich gemeinsam dagegen entschieden, ihren Weg von der Prophezeiung abhängig zu machen und Aaron wollte sich diese Erfahrung nicht nehmen lassen, nur weil sie die nächste Prophezeiung noch nicht gefunden hatten. Gewiss lief sie nicht weg, wenn sie denn bis jetzt nicht schon weg war, warum also darauf versteifen?
 

Merthin


 

Doch so sehr sie auch gemeinsam suchten, sie fanden nichts, was auf die Prophezeiung hinwies. Ob sie noch mehr missdeutet hatten? Ob es auch Übergriffe von Dämonen gab, die unabhängig von der Prophezeiung war? Schließlich war Marcuse ja bereits etliche Jahre als Dämon in dieser Welt unterwegs gewesen…Vielleicht war das doch unabhängig davon? „Wirklich verwirrend das Ganze“, sagte Merthin schließlich resignierend zu Aaron und strich diesem sacht über die Schulter. Die Schulter war etwas dreckig, weil jener offenbar irgendwo hängen geblieben war. „Diese ganze Geschichte ist irgendwie noch nicht ganz rund. Zumindest nicht so rund, wie beim Sklavenhändler, bei dem sich ja alles genau aufgeklärt hat.“ Einen Moment blickte Merthin nach draußen, wo die Menschen sich bereits für das Schauspiel versammelten. Als er sich wieder dem Prinzen zuwandte, griff dieser nach seiner Hand und zog ihn mit zum Schankwirt. Merthin grinste, als er sah, mit welchem Eifer Aaron seinen Vorschlag umsetzte. Er wirkte ein wenig, wie ein Kind, das das erste Mal alleine einkaufen ging. Es gab vermutlich in Aarons neuem Lebensabschnitt mit ihm viele erste Male… Und sei es nur, sich beim Wirt Bier zu holen. Als sie schließlich saßen, lächelte er zufrieden. Ein wenig, so fand er, passte der Bierkrug gar nicht so recht zu Aaron. Aber das sollten sie dringend ändern. Und der Anfang für die vielen ersten Male und neue Erfahrungen war gemacht. Aaron hatte gerade zum Beispiel bewiesen, dass man seine Prioritäten auch manchmal ändern musste.
 

Aaron


 

Aaron suchte einen Platz recht mittig vor der Bühne, zum Glück gab es da auch noch freie Plätze. Mit geradem Rücken setzte sich der Prinz auf die Sitzbank, stellte das Bier erstmal neben sich ab, faltete die Hände im Schoß und blickte nach einem kurzen Seitenblick zu Merthin nach vorne, wo das Stück bereits begonnen hatte. Aaron konnte nicht leugnen etwas aufgeregt zu sein. Er war noch nie bei einer solchen öffentlichen Veranstaltung gewesen, hatte nie zwischen so vielen fremden Leuten gesessen und gewiss hatte er dabei nie einen besonderen Menschen direkt neben sich und einen Bierkrug in der Hand gehabt. Selten in seinem Leben hatte Aaron überhaupt Bier getrunken, das galt in Adelskreisen als verpöhnt, man bediente sich da feineren alkoholischen Getränken wie Wein, oder wenn, dann 'gehobenen', nach Meinung der Obrigkeit höher wertiges Bier. Aber genau deshalb - und weil Merthin auch eines trank - wollte Aaron gerade nichts anderes als schönes, niederes, volkstümliches Bier.

Das Stück hatte viele lustige Momente, zumindest schien der Großteil des Publikums diese Scherze zu verstehen, denn viele lachten, andere wurden auch etwas ungehobelter dabei, indem sie ihre Nachbarn kumpelhaft gegen die Schulter stießen, sich heftig mit ihren Bierkrügen zu prosteten, dabei die Hälfte verschütteten oder mit Zurufen aufsprangen. Mit Verwunderung verfolgte Aaron das Verhalten, lief das bei Veranstaltungen des Adels doch immer anders ab, aber manche Momente brachten auch ihn zum Schmunzeln und leisen, verhaltenen Lachen. Doch als schließlich ein neues Stück begann, erkannten sie mit einem Mal Parallelen zu ihrer Geschichte. Ein Paar reiste durch die Welt, erlebte Abenteuer, Leid und auch manche romantische Momente, in denen Aaron meist beschämt den Kopf wegdrehte und dennoch versucht war hinzuschauen, dabei retteten sie eine Bauernfamilie vor dem Tod, zerschlugen einen Sklavenhändlerring und befreiten eine Stadt aus der Trostlosigkeit. Aaron rückte ein Stück näher an Merthin heran, fasste unauffällig nach dessen Hand, um sie sachte gedrückt in seiner zu behalten. Die Geschichte erinnerte ihn einfach sehr an ihre eigene bisherige Reise.

Seine Aufmerksamkeit wurde jedoch wieder zum Stück gezogen, als das dargestellte Paar auf der Bühne nach der erhellten Stadt in einer Herberge zusammen saß und einer der Schausteller auf seinem verzierten Krug aus alter Zeit Schriften fand, die ins Holz geritzt worden waren. Der Schausteller beschrieb es als 'Aufflammen der Zeichen', als er sie mit dem Finger berührte und ein kleiner Feuereffekt, der daraufhin auf der Bühne pyrotechnisch 'gezaubert' wurde, sollte das sicherlich darstellen. Der Mann las die Schrift vor, allerdings war es nicht ihre bekannte Sprache, sondern Ahnensprache, wie Aaron direkt feststellte. Der Spieler auf der Bühne sprach sie falsch und laienhaft, weswegen Aaron sich konzentrieren musste, um zu verstehen. "Bestandene Prüfung verbindet... Gleichgewicht gilt es zu wahren. Im Wald Frauen nach Kräutern suchen, Kinder geschützt werden müssen vor den Verfluchten", murmelte Aaron eine Übersetzung dessen, was er hatte verstehen können. Manches hatte Aaron durch die lauten Zuschauer auch nicht hören können, weshalb ein paar Worte fehlten. Dennoch klang es verdammt nach ihrem gesuchten Text. Sowas konnten sich die Schausteller doch nicht ausgedacht haben? Auch wenn sie recht spontan waren und gut improvisieren konnten, wenn sie die Schrift des Kruges so kurzfristig in ihr Stück einbauen konnten, den sie erst heute in der Herberge hinter der Bühne gefunden haben mussten.

Aaron blickte nun Merthin direkt an. War das vielleicht ihr gesuchter Gegenstand? Wenn die Schausteller ihn hatten, konnten sie ja lange danach suchen. "Wir sollten mit den Schaustellern sprechen und fragen, ob wir den Krug sehen dürfen."
 

Merthin


 

Bald fing das Schauspiel an und wie so oft wurden Geschichten für das Volk aufgeführt. Tief in sich hoffte Merthin, dass die Königsfamilie nicht zu sehr durch den Kakao gezogen wurde. Es kam schließlich auch mal vor, dass die Anspielungen zum Königshaus nicht zu übersehen waren. Diesmal aber standen andere Geschichten im Vordergrund. Und hatte Merthin anfangs noch gelacht, wurde er bei der zweiten Geschichte immer ernster. Waren das sie? Wie konnte es sein? Mertin beugte sich zu Aaron und flüsterte ihm ein: „Soll das unsere Geschichte sein??“ ins Ohr. Sie sahen sich einen Moment fragend an. „Du siehst eindeutig besser aus, als der…“, sagte er leise erneut zu Aaron gebeugt. Und wie zufällig strich er mit seiner Nasenspitze über die Ohrmuschel. Dann blickte er Aaron grinsend an und zwinkerte ihm zu.

Es dauerte nicht lang, dass Aaron näher zu ihm rutschte. Und Merthin genoss es, ohne aktiv ihre Berührung weiter voranzutreiben. Er musste sich ein wenig schützen. Und vielleicht auch Aaron ein wenig zu provozieren, selbst aktiv zu werden. Als jener seine Hand ergriff, fühlte er sich bestätigt. Und so folgte er weiter dem Geschehen auf der Bühne. Doch je mehr sie von der Geschichte sahen, desto gruseliger wurde es auch. Die Frage, wie es sein konnte, dass diese Geschichte, IHRE Geschichte, bereits jetzt schon die Bühnen füllte, war beängstigend. Sie hatten doch niemand über sich Auskunft erteilt. Die wenigsten wussten von ihnen. Ihre „Taten“ waren viel zu unbedeutend bisher gewesen, waren von kaum jemanden wahrgenommen worden.

Woher hatten die Schauspieler also das Wissen, welchen Weg sie gegangen waren. Misstrauisch blickte er sich um, konnte aber nicht erkennen, dass von irgendwem hier eine Gefahr ausging. Oder war das hier auch fremdbestimmt? War das hier mehr, als ‚nur‘ ein Theaterstück? Sie würden es sehen, wenn sie an die Stelle kamen, an der sie gerade selbst standen. Schließlich konnte es ja auch sein, dass sie dann in ihre Zukunft blickten?

Und nun sahen sie, dass die Schausteller einen Krug mit entsprechenden Schriftzeichen in ihrem Stück eingebaut hatten. Ob das des Rätsels Lösung war? Ob das echt war und nicht einfach eine Requisite? Sie sollten zusehen, dass sie nach der Show hinter der Bühne den Krug einmal selbst in Augenschein nehmen konnten. Merthin blickte erstaunt zu Aaron, als dieser begann die gemurmelten Worte des Schauspielers zu übersetzen. Es klang wie ein neuer Hinweis für sie und machte genau zu ihrer Situation passend Sinn. Noch bevor er etwas sagen konnte, sprach Aaron bereits seinen Gedanken aus. „Das werden wir…“

Das Stück endete damit, dass eine Hexe verbrannt wurde und fiel damit in das Volkstümliche zurück, das zu erwarten war. Vielleicht lag es aber auch einfach daran, dass die Zukunft einfach noch zu ungewiss war und noch nicht geschrieben worden ist. Die Menschen zerstreuten sich, füllten die angrenzenden Tavernen. Kinder begannen nachzuspielen, was sie gesehen hatten. „Ich bin der blaue Krieger!“, rief eines und gemeinsam mit einem anderen Kind kämpften sie gegen einen imaginären Feind. Merthin schmunzelte. Sie waren aufgestanden, wobei er Aarons Hand losgelassen hatte. So gingen sie zu dem Wagen der Schauspieler, um zu sehen, ob sie den Krug zumindest ansehen dürften. Die Schausteller waren eine muntere Truppe, ein eingespieltes Team. Merthin konnte sich nicht erinnern, ihnen schon einmal begegnet zu sein, was ihn fast wunderte. Schließlich kannte sich das fahrende Volk meist untereinander. Merthin griff nach zwei Äpfeln und begann damit zu jonglieren. „Oh, ein Bruder!“, sagte eine Frau, die vorhin die Hexe gespielt hatte, und grinste ihn an. Dann schnappte sie ihm einen Apfel weg. „Was wollt ihr?“ Sie blickte prüfend zu Aaron, dann wieder zu Merthin. „Wir wollten uns den Krug ansehen, von dem ihr eben vorgelesen habt…“, sagte Merthin und sie hob erstaunt die Augenbrauen. „Zeig ihn ihnen“, meldete sich nun ein Mann, den Merthin gar nicht bemerkt hatte. Er war alt und saß auf einem Lehnsessel, starrte vor sich hin und blickte in eine unbestimmte Ferne, sich auf einen Gehstock stützend. „Gib ihn ihnen… Er steht ihnen zu, damit wir noch viele so freie Tage erleben…“

Als sie wenig später den Krug in Händen hielten, setzten sie sich etwas Abseits an einen Brunnen. Mittlerweile war die Sonne untergegangen und die Nacht hielt Einzug. Fackeln und Feuerschalen erhellten den Platz. Musikanten spielten auf und es herrschte eine angenehme Stimmung um sie. „Kannst du es lesen?“, fragte er und rutschte etwas näher, so dass sie sich berührten. Einen Moment beugte er sich hinüber, lehnte sich an Aaron. „Ich kenne die Zeichen glaube ich nicht…“, murmelte er und drehte den Kopf. Einen Moment sahen sie sich an, waren sich sehr nahe. Merthin hob sacht die Hand, strich Aaron über die Wange. „Du scheinst glücklich zu sein…“, murmelte er leise und ließ die Hand wieder sinken. „Es tut mir wirklich leid, dass ich dir die letzten Tage so einen Kummer gemacht habe.“ Er lächelte matt. „Morgen machen wir uns auf den Weg zu dieser ‚Hexe‘ und sehen mal, ob wir weiterkommen…“ Er zog seine Hand zurück und drehte sich weg, streckte sich und blickte sich auf dem Platz um. „Wir sollten nicht zu spät schlafen gehen. Wir müssen morgen früh sehr bald raus.“
 

Aaron


 

Wieder bekam Aaron ein Kompliment von Merthin, als dieser sagte, er sähe besser aus als der Schausteller, der augenscheinlich seine Rolle darstellte. Das Aussprechen dieser Worte kitzelte angenehm Aarons Ohr, genauso die leichte Berührung mit der Nasenspitze. Kurz hatte Aaron die Augen geschlossen, um das auf sich wirken zu lassen. Obwohl es ihn verlegen machte, ein solch angenehmes Kompliment von Merthin zu erhalten, wollte er sich das nicht anmerken lassen. "Das hoffe ich doch", gab er leise zurück.

Merthin lies fast sofort nach dem aufstehen Aarons Hand los und fast kam es dem Prinzen so vor, als mache er das mit Absicht. Man konnte nicht sagen, dass Merthin ihn zurückwies oder so, immerhin gab es Berührungen und er war nett und zuvorkommend wie immer, aber... vielleicht bildete sich Aaron das auch nur ein.

Dass Kinder ihre Geschichte nachspielten war gut, so erfuhren auch andere Erwachsene von der Legende, von der Prophezeiung, ohne dass sie es in Zusammenhang bringen würden. Die Geschichte eines prophezeiten Kriegerpaares, das die Welt vor Übel bewahren wird, war wesentlich unglaubwürdiger als Abenteurer, die einfach Menschen wie die Städter hier in Dorstaal zur Seite standen. Hoffentlich würden auf dieser Basis mehr Leute an sie glauben, ohne die Prophezeiung im Hinterkopf zu haben. Ein bisschen verlegen lächelte Aaron dennoch, als sie an den spielenden Kindern vorbei gingen und der Prinz weiter dem Blonden hinter die Bühne folgte, wo die Schausteller auf ihre gelungene Vorstellung anstießen. Sie sahen nett und fröhlich aus und schienen gleich Vertrauen zu fassen, als Merthin ihnen auf einfache Weise deutete, das er aus dem gleichen Metier stammte wie sie. Der ältere Mann schien jedoch mehr zu wissen, sagte er doch sowas Komisches und sein abwesender Blick wirkte auch seltsam. Aaron hatte sich vorhin gefragt, woher der Schausteller die Zeichen hatte lesen können, immerhin hatte er es nicht richtig sprechen können, es war also eher unwahrscheinlich, dass er sie dann wirklich lesen konnte. War das auch durch die Hilfe dieses älteren Herren bedingt? Aaron hätte gern was zu ihm gesagt, doch wandte sich der ältere Mann bereits wieder von ihnen ab. War er wissend, ähnlich wie Marie? Das würde vieles erklären, aber Aaron wollte auch nicht so unhöflich sein und die Leute mit seinen wieder mal endlos vielen Fragen löchern.

Schnell waren sie wieder unter sich und Aaron hielt den Krug in Händen. Er begutachtete die Schriftzeichen und las das, was er eben schon gehört hatte, auch wenn die fehlenden Worte zu einem zusammenhängenden Satz tatsächlich nicht drauf standen. Merkwürdig war das alle Mal. Kein Wort deutete auf Marcuse hin, nichts beschrieb die Gefahr durch einen Feuerdämonen. Keine Worte priesen ihren Sieg über das dämonische Wesen, als ob es gar nicht vorgesehen gewesen wäre. Ratlos blickte Aaron zu Merthin, welcher so nahe bei ihm saß, wie dem Prinzen erst in diesem Moment auffiel. Er schluckte etwas schwerer, freute sich aber über diese Nähe.

Mit sanften Blick schaute Aaron Merthin an, als ihn dieser an der Wange berührte. "Ich bin ja auch glücklich", antwortete Aaron sogleich mit einem Lächeln. "Bist du denn auch glücklich?", wollte der Prinz auch gern von Merthin wissen. Man schien es Aaron anzusehen, dass er froh über den Verlauf ihrer Beziehung und auch über den ihrer Reise war, Merthin hingegen wirkte noch etwas bedrückt, da er sich noch Vorwürfe machte, Aaron auf diese Art und Weise abgewiesen zu haben. "Dafür machst du mir jetzt doppelt so viel Freude", grinste Aaron zurück. Es war ernst gemeint, dass er jetzt mehr Glück von Merthin bekam als zuvor Kummer, aber abzustreiten, dass es weh getan hatte, konnte Aaron natürlich auch nicht, wollte er auch nicht. Es gehörte jetzt zu ihrer Vergangenheit und sie hatten auch etwas daraus gelernt.

Sie hatten, was sie gesucht hatten, auf ungewöhnlichen wegen, aber sie hatten alles. Die schöne Stimmung auf dem Platz genießend blieben sie noch eine Weile sitzen und kehrten erst später in ihre Herberge zurück.



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