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Pomaika'i ma ahi

Lavasegen
von

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La'au make | Gift

Rangi (22:48)

Seid ihr mittlerweile zurück?
 

Rangi (23:07)

Feila? Sis? Alles okay?
 

Rangi (23:20)

Ist etwas passiert?
 

Rangi (23:31)

Verdammt, Feila.

Melde dich, wenn ihr zurück seid, ja?
 

Rangi (0:02)

Feila?
 

Feila fühlte sich wie ausgetrocknet, als langsam ihre Sinne zu ihr zurückkehrten.

Ihre Haut spannte und für eine Weile – sie konnte nicht sagen wie lange – war das alles, was sie spürte.

Irgendwann bemerkte sie auch ein sanftes Schaukeln und schloss daraus nach einer Weile, dass sie wieder auf dem Boot war. Sie war sich nicht ganz sicher, was geschehen war. Ihre Erinnerung war verschwommen.

Sie hatten den Nifoloa gefunden. Hine hatte ihn aus einer Höhle gelockt. Und dann?

Feila hatte weggeschaut, aus Angst der hypnotischen Wirkung seiner Flügel zu verfallen. Aber etwas war passiert – etwas, das sehr wahrscheinlich auch dafür verantwortlich war, dass sie sich so dreckig fühlte.

So lag sie dort. Auch wenn sie später nichts genaues mehr sagen konnte, driftete sie mehrfach in den Schlaf über, nur um eine unbestimmte Zeit später wieder aufzuwachen und dann wieder einzuschlafen.

Auch als sie es schaffte ihre Augen wieder zu öffnen, war ihr Blick verschwommen.

Sie hatte Durst, doch fehlte ihr die Energie aufzustehen, um sich etwas zu trinken zu holen.

Als sie irgendwann wieder aus einem kurzen Schlummer erwachte fand sie ein schwarzes Auge auf sich gerichtet. Tui, Hines große Krähe, saß auf dem Rand des Bettes und blickte auf ihr Gesicht hinab.

Das Tier hatte den Kopf schief gelegt und wirkte beinahe nachdenklich. Die Federn auf seinem Kopf waren leicht aufgerichtet.

Feila blinzelte und offenbar bemerkte das Tier nun, dass sie wach war.

Tui plusterte sich auf, legte dann aber die Federn wieder an, ehe er auf den kleinen Nachtschrank hüpfte und ein lautes Krächzen hören ließ, dann noch eins.

Dann war das Tier wieder still und schien erneut dazu überzugehen, sie zu beobachten.

Gerne hätte Feila etwas gesagt, schaffte es jedoch nicht die Energie dafür aufzubringen. Sie war sich ohnehin nicht sicher, ob der Vogel sie verstanden hätte.

Eine Sache schien er jedoch zu verstehen. Er machte zwei Schritte rückwärts und pickte dann mit dem Schnabel leicht an eine Flasche Wasser, die auf dem Nachtschrank stand, und schob sie damit ein wenig nach vorne.

Schwach nickte Feila und schaffte es schließlich die Hand danach auszustrecken.

Nur sehr langsam öffnete sie die Flasche und schaffte es so schließlich ein paar Schluck Wasser herunter zu würgen. Es fühlte sich göttlich in ihrer ausgetrockneten Kehle an.

Dann wurde die Tür geöffnet.

„Ah, du bist wach“, hörte sie die Stimme Hines, noch ehe sie den Kopf weit genug aufgerichtet hatte, um sie zu sehen.

Feila blinzelte und trank noch einen weiteren Schluck, ehe sie eine Antwort versuchte. „Ja“, krächzte sie, wobei ihre eigene Stimme etwa so rau klang, wie die des Vogels.

Hine schien sie für eine Weile einfach zu mustern, nickte dann aber. „Gut.“

Feila fiel auf, dass ihr linker Arm in Bandagen gehüllt war und ein großes Pflaster durch den Ausschnitt ihres Oberteils knapp oberhalb ihrer Brust zu sehen war. Verletzungen aus dem Kampf, nahm sie an.

Hine zögerte kurz, ehe sie hinzufügte: „Wie fühlst du dich?“

Feila brauchte etwas, um darauf zu antworten. „Trocken“, brachte sie schließlich hervor. „Ausgetrocknet.“

„Soll ich dir noch etwas zu trinken bringen?“, fragte Hine mit Blick auf die halb geleerte Flasche in Feilas Hand.

Stumm nickte Feila, da ihr Hals noch immer schmerzte.

Erneut zögerte Hine. „Wasser?“, fragte sie dann.

Feila überlegte, antwortete dann aber: „Tee. Bitte.“

„In Ordnung.“ Hine nickte. „Ich sehe, was ich machen kann.“ Sie schenkte ihr ein sehr müdes Lächeln und verließ dann wieder den Raum, den sie sich eigentlich ohnehin mit ihr teilte.

Wieder war Feila allein, abgesehen von dem Vogel, der noch immer auf ihrem Nachtschrank saß und sie zu beobachten schien. Sie hätte nur zu gern gewusst, wie intelligent dieser Vogel nun eigentlich war. Sie hatte gehört, dass Familiare intelligenter waren als normale Tiere, doch mehr wusste sie nicht. Sie war keine einfache Magierin, hatte nie eine schamanische Veranlagung gehabt und so kam ein Familiar für sie ohnehin nicht in Frage.

Sie schloss die Augen und überlegte. Was war geschehen? Wie war sie in dieser Situation geendet?

Also. Sie waren an der Höhle gewesen, wo Hine sich von ihnen getrennt hatte, um zusammen mit Tui den Nifoloa aus dem Höhlensystem zu locken. Dann waren sie an eine Stelle in der Nähe des Ufers gegangen, die Antonio ausgewählt hatte. Feila hatte mit ihren Flammen ein Signal stellen sollen. Hine war zu ihnen gekommen und ein Kampf hatte begonnen. Lucas hatte den Nifoloa unter Beschuss genommen, aber keinen nennenswerten Schaden anrichten können. Dann war Hine in die Fänge des Monsters geraten und nur knapp entkommen. Antonio hatte irgendwas gemacht, um den Nifoloa am Boden zu halten, woraufhin das Biest sich ihm zugewandt hatte und dann …? Feila wusste, dass sie selbst versucht hatte, das Ungeheuer mit Flammen zu attackieren, doch sie wusste nicht mehr, ob sie es überhaupt geschafft hatte oder bereits vorher das Bewusstsein verloren hatte.

Und Antonio?

Was war mit Antonio?

Sie blickte Tui an und wünschte sich, der Rabe könne reden. Doch natürlich war alles, was er hören ließ ein Krächzen.

Also seufzte sie und trank noch etwas Wasser, darauf wartend, dass Hine mit Tee oder was auch immer zurückkehrte.

Das Schiff schaukelte sanft in den Wellen, die nicht besonders hoch zu sein schienen. Wer steuerte eigentlich gerade das Boot und wohin fuhren sie?

So viele Fragen.

Schließlich öffnete sich die Tür und Hine kam wieder herein. Sie hatte einen relativ kleinen Teepott in der einen, eine einfache Lehmtasse in der anderen Hand. Feila wusste, dass das Set ihr gehörte.

„Kräutertee mit Honig“, sagte Hine nur, als sie beides auf dem Nachtschrank abstellte, während ihr Rabe zur Seite hüpfte um Platz zu machen. „Kannst du dich aufsetzen?“

Feila nickte langsam und bemühte sich darum. Sie fühlte sich so unglaublich schwach. Hatte sie sich so sehr verausgabt oder war noch etwas anderes geschehen, an das sie sich nicht mehr erinnerte? Sie konnte es nicht sicher sagen.

Schließlich, wenngleich etwas zögerlich, packte Hine sie unter der Schulter und half ihr. „Hier.“ Sie schien nicht außerordentlich freundlich, aber auch nicht ganz so kühl, wie sie es sonst zumeist war. Dann füllte sie etwas Tee in die Tasse und gab sie Feila. „Trink.“

„Danke“, flüsterte Feila und nahm die Tasse, um sie an die Lippen zu führen. Der heiße Kräuteraufguss tat ihrer Kehle gut.

Dann, nach zwei, drei Schluck, sah sie Hine an, die noch immer neben der Koje stand und sie zu beobachten schien. „Was ist mit Antonio?“

Hine presste die Lippen für einen Moment zusammen. Dann seufzte sie. „Er“ – sie schien sich auf die Lippen zu beißen – „Wurde vergiftet.“

Feila sank das Herz. Sie hätte geflucht, wenn sie mehr Energie gehabt hätte, doch stattdessen starrte sie nur auf die Tasse in ihren Händen. Das hieß, sie konnten nichts für ihn tun. Laut dem Priester auf Manu'a gab es kein Gegengift. „Lucas?“

„Dem geht es gut genug“, erwiderte Hine ein wenig herablassend. „Keinen Kratzer, für den er nicht selbst verantwortlich wäre.“

Feila deutete ein Nicken an. Dann fragte sie: „Was ist mit dem Nifoloa?“

„Entkommen“, antwortete Hine. „Als er Antonio angegriffen hat, ist der Zauber, um ihn zu halten, gänzlich zerfallen. Er hätte … Nun …“ Sie schüttelte den Kopf. „Dein Feuerzauber hat ihn zumindest genug erschrocken, als dass er die Flucht ergriffen hat.“

Noch einmal nickte Feila und überlegte. Dann sah sie die andere Frau an. „Und jetzt?“

Hine zuckte mit den Schultern. „Wir werden sehen.“

Wieder nickte Feila. Für einen Moment überlegte sie zu fragen, ob es nicht besser wäre eine der nächsten Inseln anzufahren. Sie hatte die Karte gesehen. Ua Huka war Teil des Französisch Polynesien Archipels, wo es ein paar größere Städte – für Inselverhältnisse – gab, in denen man auch Krankenhäuser finden würde. Doch einfache Krankenhäuser würden Antonio nichts bringen – allerhöchstens ihr selbst und Hine, wie es aussah.

Aber was konnten sie tun?

Verdammt.

„Ruh' dich erst einmal aus“, sagte Hine schließlich, so sanft wie sie es offenbar bewerkstelligen konnte. „Du hast dich verausgabt.“ Sie wandte sich ab. „In zwei Stunden werde ich Abendessen vorbei bringen.“ Sie öffnete die Tür, hielt dann aber noch einmal inne und sah sich zu ihr um. „Wenn du magst, kann Tui dir Gesellschaft leisten.“

Feila und der Vogel, der – so schien es fast – genau verstanden zu haben schien, was gesagt wurde, sahen einander an. Sie zögerte. Immerhin wusste sie, wie wichtig das Tier für Hine war. Doch aktuell war sie – zugegebener Maßen – für etwas Gesellschaft dankbar. „Danke.“

Hine nickte nur und verließ dann die kleine Kajüte, ließ Feila allein zurück.

Sie seufzte und trank einen weiteren Schluck Tee, ehe ihr Blick auf die Schublade des Nachtschrankes fiel, die durch einen kleinen Riegel auch bei höherem Seegang geschlossen gehalten wurde. Sie hatte, bevor sie aufgebrochen waren, ihr Handy dort gelassen und öffnete nun die Schublade, um es hervor zu holen.

Es war bereits später Nachmittag, wie sie feststellte. Hatte sie so lang geschlafen?

Wenig überraschend hatte sie viele – sehr viele – Nachrichten von ihrem Bruder, Rangi. Sie seufzte und lächelte zumindest etwas. Wie sehr wünschte sie sich nun bei ihm und dem Rest ihrer Familie zu sein?
 

[RIGHT]Ich (16:12)[/RIGHT]

[RIGHT]Tut mir leid. Konnte nicht früher antworten[/RIGHT]
 

Rangi (16:18)

Was ist los?
 

Was ist passiert?
 

[RIGHT]Ich (16:18)[/RIGHT]

[RIGHT]War ausgeknockt.[/RIGHT]
 

Rangi (16:18)

Wieso?
 

Was ist passiert? 😲
 

[RIGHT]Ich (16:20)[/RIGHT]

[RIGHT]Lange Geschichte.[/RIGHT]
 

[RIGHT]Ist alles nicht so gut gelaufen. 😞[/RIGHT]
 

Rangi (16:21)

Erzähl.
 

[RIGHT]Ich (16:23)[/RIGHT]

[RIGHT]Haben das Biest aufgespürt. Kampf ist schlecht[/RIGHT]

[RIGHT]gelaufen. Vieh ist entkommen und ich habe mich[/RIGHT]

[RIGHT]selbst ausgeknockt. Antonio wurde vergiftet.[/RIGHT]
 

Rangi (16:24)

Geht es dir wieder besser?
 

[RIGHT]Ich (16:24)[/RIGHT]

[RIGHT]Es geht schon.[/RIGHT]
 

[RIGHT]Mach dir keine Sorgen.[/RIGHT]
 

[RIGHT]Ich (16:25)[/RIGHT]

[RIGHT]Habe mich nur verausgabt. Alles okay.[/RIGHT]
 

Rangi (16:25)

Gut …
 

Was ist mit Antonio?
 

[RIGHT]Ich (16:26)[/RIGHT]

[RIGHT]Vergiftet. Wie gesagt.[/RIGHT]
 

Rangi (16:26)

Was macht ihr? Krankenhaus?
 

[RIGHT]Ich (16:26)[/RIGHT]

[RIGHT]Ich weiß es nicht. 😞[/RIGHT]
 

Die Odysse trieb weiter Richtung Osten, die Richtung in der offenbar der Nifoloa verschwunden war. Doch sie wussten nicht, wo er genau war und wenn man die Meilen um Meilen des offenen Ozeans und die tausenden Inseln bedachte, so war die Chance, dass sie noch auf ihn trafen wohl eher gering.

Immerhin hatten sie wohl eh keine Chance, das Ungeheuer zu verbannen. Feila hatte sich selbst bisher nicht erholt. Hine war noch immer verletzt und Antonio hatte den größten Teil der vergangenen Tage in einem fiebrigen Delirium verbracht.

Während draußen wieder ein nachmittäglicher Regenschauer über sie hinweg zog, sah Feila am Bett Antonios.

Sie konnte sich noch immer nicht dazu bringen, von ihm als „Meister“ oder „Mentor“ zu denken. Immerhin war Loto ihr Mentor. Dennoch bedeutete es nicht, dass sie Antonio nicht leiden konnte oder bisher von ihm nichts gelernt hatte. Es war nur einfach so, dass dieses Leben – das Leben als Monsterjäger – nicht war, was sie sich gewünscht hatte, und auch nichts war, das sie für ihr ganzes Leben machen wollte.

Da war es ihr auch egal, dass die Kräfte, die Pele ihr vermacht hatte, wie geschaffen für diese Arbeit waren. Ach, wenn sie darüber nachdachte, wurde sie wohl eher eine magische Kurtisane als eine Monsterjägerin, war Pele doch auch die Göttin der Lust.

All das aber änderte nichts daran, dass es schwer war hier zu sitzen und zu sehen, wie das Fieber immer weiter Überhand gewann.

Feila wusste, dass es ihn nicht sofort dahinraffen würde. Das Gift des Nifoloa wirkte zwar initiell schnell, hielt seine Opfer aber zumindest eine Woche im Fieber gefangen, ehe sie langsam verloschen.

Das Fieber und das Delirium waren nur die physisch bemerkbaren Symptome. Eigentlich war es das Mana, dass den Opfern entzogen wurde. Nach und nach ließ das Gift das Mana aus ihrem Körper rinnen, bis am Ende nichts mehr verblieb – und ohne Mana war kein Leben möglich.

Da würde ihm auch die Tatsache, dass er den Fluss des Manas kontrollieren konnte, nicht retten.

Sie wischte ihm die Stirn, da sie nicht viel mehr machen konnte. Alles, was sie tun konnten, war zu versuchen sein Fieber zu senken.

Ach, wenn es doch nur eine andere Gottheit gewesen wäre, die sie erwählt hätte. Jemand wie Laka, Haumea oder vielleicht auch noch Lono. Dann wäre sie nun nicht hier und vielleicht wären dann die Dinge nicht so geschehen. Vor allem aber, könnte sie dann heilen und Antonio helfen.

Im Moment wäre vielleicht der Segen von jemanden wie Kamohoali'i hilfreich gewesen, da er ihnen vielleicht hätte de Weg zeigen könne. Sei es, um Hilfe zu finden oder um den Nifoloa aufzuspüren.

Sie seufzte.

Vielleicht war es undankbar so zu denken. Andere Menschen beteten zu den Göttern für solche Gaben, doch es war nun einmal so, dass sie – Feila – so etwas nie gewünscht hatte. Magie lag in ihrer Familie, doch sie wäre absolut damit zufrieden gewesen eine einfache Magierin, eine Heilerin oder ein Medium, zu sein. Sie war nie eine Kämpferin gewesen und nur weil Pele es anders sah …

Ach, sie wusste ja nicht einmal, was Pele von ihr wollte. Zwölf Jahre waren vergangen, seit sie ihr diese Kräfte gegeben hatte. Zwölf Jahre und nie hatte sie ihr direkt ein Zeichen gegeben, was sie von ihr erwartete. Keine Träume, keine Zeichen, nichts … Ja, sie hatte Loto Visionen geschickt, aber nicht ihr. Nicht Feila.

Manchmal fragte sie sich, ob das ganze nur ein Fehler gewesen war. Vielleicht hatte Pele sie ja nie auserwählen wollen. Vielleicht war es auch nur eine übereilige Entscheidung gewesen. Immerhin gab es ja mehrere Geschichten über Peles Art voreilige Entscheidungen zu treffen, oder?

Sie zuckte zusammen, als Antonio sich rührte. Seine Hand zuckte.

Schnell griff Feila nach der Hand und hielt sie. „Antonio?“, fragte sie leise. „Antonio?“

Seine Hand hielt die ihre, doch es schien, als sei er nicht fähig, ihr zu antworten. Nur das Geräusch seines schweren Atems und das Rauschen von Wind und Regen draußen war zu hören.

Feila seufzte und schloss die Augen, ihre Hände noch immer um die ihres vorübergehenden Lehrers geschlossen. Sie konnte vielleicht nicht heilen, doch vielleicht, wenn sie sich nur öffnete, konnte sie etwas erfahren; sei es von Pele, einer der anderen Gottheiten oder vielleicht einem der Geister, mit denen Antonio in Kontakt stand.

Sie konnte meditieren und auch wenn sie hier nicht die bequemste Position hatte, so begann sie, ihren Geist in den richtigen Zustand zu versetzen. Sie verdrängte alle unnötigen Gedanken, Ängste und Fragen, die sie noch immer quälten. Einzig eine Frage behielt sie in ihrem Geist. Die Frage, auf die sie die Antwort suchte: „Wie kann ich ihm helfen?“

Ihr Atem wurde langsamer, gleichmäßiger. Das Geräusch Antonios Atems verblasste in ihrer Wahrnehmung, während das Rauschen des Wassers gleichmäßiger zu wirken schien.

„Wie kann ich ihm helfen?“

Wie konnte sie ihm helfen?

Es musste etwas geben. Eine Antwort. Es musste etwas geben, was sie tun konnte.

Was konnte sie tun?

Was konnte sie tun, um ihm zu helfen? Was konnte sie tun, um zu verhindern, dass der Nifoloa weitere Opfer forderte?

Ein tiefer Atemzug folgte dem nächsten. Dann dem nächsten. Dann rief sie sich noch einmal die Frage in den Kopf. „Wie kann ich ihm helfen?“

Trotz ihrer geschlossenen Augen sah sie ein leichtes Flimmern, wie so oft, wenn man die Augen schloss. Sie konnte das Licht in der Kapitänskajüte durch ihre geschlossenen Augenlider sehen. Es flackerte leicht.

Trotz des Versuchs alle anderen Gedanken zu verdrängen, spürte sie Verzweiflung in sich aufsteigen.

„Bitte“, flüsterte sie nun laut. „Wie kann ich ihm helfen?“ Sie seufzte schwer. „Bitte. Pele.“

Keine Antwort. Keine göttliche Eingebung. Vielleicht waren sie auch zu weit von den Vulkanen entfernt.

Vielleicht interessierte sich die Göttin auch nicht für sie.

Eine Träne rann über Feilas Wange. Sie spürte das kalte Kribbeln.

Es war sinnlos.

Vielleicht, kam ihr der Gedanke, vielleicht konnte man Antonio auch nicht helfen.

Sie wollte seine Hand loslassen, doch etwas hielt sie davon ab. Er sollte sich nicht allein fühlen. Oder? Was war es.

„Bitte“, flüsterte sie noch einmal. „Bitte …“

Dann keuchte sie auf. Ein Schwall von Übelkeit kam über sie, als ein kaltes Gefühl sich plötzlich in ihrer Magengegend ausbreitete. Im nächsten Moment sah sie Bilder. Eindrücke. Wie verblasste Videoaufzeichnungen.

Kinder in einem Wald bei Regen. Kinder, die in einem See schwammen. Eine junge Frau, etwa in ihrem Alter, mit wunderschönen dunklem Haar. Eine durchsichtige Gestalt, die nur vage an einen Menschen erinnerte. Lichter, die unter einem Sternenhimmel durch die Luft zu tanzen schienen. Das Gefühl eines Kusses auf ihren Lippen. Der Geruch von Blumen. Ein nasser Bergpfad, während sich unter ihr Nebel ausbreitete. Ruinen umgeben von einem dichten Wald. Schatten in der Nacht. Blut an ihren eigenen Händen, die doch nicht die ihren waren. Schmerzen. Dann das Bild eines jungen Mannes, der einem überdimensioniertem, hässlichen Wolf ein Messer in den Nacken rammte. Der Mond. Geflüsterte Worte in einer Sprache, die sie nicht verstand.

Dann das Bild des Nifoloa, der auf sie zukam. Der brennende Schmerz. Dann die Gestalt einer wunderschönen Frau mit dunkler Haut, umgeben von Flammen, die über ihre Haut tanzten. Hitze. Ein schimmernder Stachel in ihren Händen. Brennen.

Feila übergab sich und als ihr Blick wieder klar wurde, lag sie auf dem Boden neben dem Kapitänsbett.

Sie keuchte. Was war das? Eine Vision? Ja, es musste eine Vision gewesen sein. Doch was für eine Art von Vision?

Eine Hand auf ihrer Schulter ließ sie zusammenzucken. Sie drehte sich um.

„Alles in Ordnung?“, fragte Hine in einem für sie erstaunlich sanften Tonfall.

Feila blinzelte. Wann war Hine reingekommen?

Noch immer brannte ihre eigene Magensäure in ihrer Kehle, während sie versuchte ihre Stimme wieder zu finden.

„Ich weiß nicht“, flüsterte sie.

Hine musterte sie für einen Moment. „Was ist passiert?“

Zur Antwort schüttelte Feila nur den Kopf. „Ich weiß nicht“, murmelte sie leise. „Ich weiß nicht.“

Es schien, als würde Hine darüber nachdenken, sie zu bedrängen, doch dann entschied sie sich offenbar dagegen. „Ruh dich besser aus.“ Sie lächelte matt. „Ich bleibe bei ihm.“



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: abgemeldet
2017-09-03T18:33:37+00:00 03.09.2017 20:33
Hah! Zwei Kapitel weiter gekommen! :D Ein paar kleinere Fehler haben sich reingeschlichen, wobei ich bei einem nicht sicher bin, aber das gehört zum vorherigen Kapitel: zwölfzehn Jahre? Sollten es zwölf oder zehn sein oder gehört das so?

Ich finde das Monster schrecklich xD" Du hast es dementsprechend echt gut beschrieben, so wie den Kampf im Allgemeinen, ich konnte mir sogar Hine mit verblutetem Shirt vorstellen. Nach dem Kampf war es dann richtig gut, dass ein eher ruhiges Kapitel kam, so ließ sich die Geschichte flüssig lesen. (Das war mal ne Kritik an einer meiner ersten Geschichten - es war viel zu viel Action und zu wenig Ruhephasen, daher fällt mir sowas auf :D")

Mir tut Antonio nun richtig leid, und ich hoffe, dass er nun nicht so leblos wird, wie die anderen. :/ Wär schade. Obwohl ich auch sagen muss: man wird sehr in die Handlung geworfen, man lernt die Charaktere nicht so sehr kennen, dass ich nun wirklich mittrauern würde. Das Schicksal klingt aber wirklich, wirklich schrecklich. Da bleib ich mal gespannt, was mit ihm wohl passiert. Wenn jetzt dann noch ein Kapitel folgt, in dem er mehr vorkommt, wird es ein schreckliches Gefühlschaos bei mir geben xD"

Ich finde es auch ein bisschen schwer, allem zu folgen, weil vieles reingeworfen wird, was nicht wirklich ausgeführt wird: die ganzen Götter zum Beispiel, und die Wesen... Aber ich vermute, dass das in deinem Buch besser erklärt wird, oder? (Oder Trilogie oder wie viel es geben wird :D")
Trotzdem kann man der Handlung natürlich gut folgen, man überliest halt ein paar Dinge ein bisschen, weil es auch für die aktuelle Handlung nicht relevant ist.

Ich bin schon gespannt, was die Vision bedeutet, das waren ein paar interessante Bilder, die du dem Leser da in den Kopf gesetzt hast. :> Ich vermute, dass es vielleicht Antonios Vergangenheit ist... aber mal gucken. :D

Ich hoffe ich komm morgen Abend wieder dazu, weiter zu lesen, kann aber nix versprechen. :x Die Geschichte ist in meinem Handy nun mal als Startseite drin, damit ich öfter dran denk :D"


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