Zum Inhalt der Seite

Thorns Have Roses

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Fairness

Was davor geschah: Benjamin traf auf seinen Vater und der Tag verlief furchtbar, Franc beruhigt ihn.
 

Kapitel 10: Fairness
 

Die Herbstferien waren schnell vorbei gegangen. Nachdem Ben die Eltern von Franc kennen gelernt hatte, war er öfter dort. Natürlich nur als Kumpel. Ben hatte das Treffen mit seinem Vater ganz gut verkraftet und konnte ihm wieder unter die Augen treten. Dann war alles sehr schnell gegangen. An sich war November kein Monat, in dem viel passierte. Die Jungs gingen zur Schule, schrieben Tests und lernten. Manchmal übernachteten sie beieinander oder gingen aus. Doch gegen Ende November begann die stressige Klausurenzeit und sie hatten kaum Zeit füreinander, hielten die Nachhilfe jedoch aufrecht. Jede Woche schrieben sie mehrere Klausuren und waren deswegen total angespannt. Doch nun war es endlich Mitte Dezember und der letzte Schultag war angebrochen.
 

Es war neun Uhr dreißig als es klingelte und die Schüler zurück zur Schule strömten. In der Kirche war gerade der Gottesdienst zu Ende gegangen und nun wurden die Zeugnisse ausgegeben. Es war ein grauer, kalter Dezembertag an dem kein Wind ging und die Luft wie vereist schien. Ben fröstelte etwas, da der Weg von der Kirche zur Schule nicht gerade kurz war. Er steckte die Hände in die Taschen seiner dunkelgrauen Winterjacke und vergrub die Nase im dicken, blauen Schal. Um ihn herum marschierten Schüler aller Altersklassen zurück zum Schulgebäude, um ihre Zeugnisse zu erhalten. Ben war nicht wirklich gespannt, da er genau wusste, was auf ihn zukommen würde. Er hatte sich seine Noten ständig selbst ausgerechnet. Er war ein bisschen nervös und dennoch war ihm klar, dass sie gut sein würden. Immerhin hatte er sich auch wirklich angestrengt. Neben ihm lief Max, welcher sich gerade mit Leonhard unterhielt. Er wusste nicht, worum es ging, aber es klang lustig. Eigentlich konzentrierte er sich auf Francescos Nähe, denn dieser lief direkt neben ihm und schwieg. Heute war der letzte Tag an dem Franc in Deutschland sein würde, zumindest für die nächsten zwei Wochen, denn er fuhr nach Italien zu seiner Familie. Deswegen würde Franc den Abend bei Ben verbringen. Mit einem kurzen Blick musterte er Francs gerötetes Gesicht, welches tief in den grauen Loopschal vergraben war. Er trug eine gefütterte Lederjacke in einem hellbraunen Ton und dazu eine passende Mütze.
 

Der Marsch zur Schule war schneller gegangen als gedacht. In der Schule lief alles ein bisschen durcheinander, denn alle Klassen waren in anderen Zimmern untergebracht als üblich. Doch nach wenigen Minuten versammelte sich die zwölfte Klasse in ihrem zugeteilten Klassenzimmer und wartete gespannt auf ihre Zeugnisse.

„Hoffentlich hat mir Herr Schmidt noch die Drei im Zeugnis gegeben… Wenn ich eine Vier habe, bringt meine Mutter mich um!“, jammerte Max, während Leonhard ihm mitfühlend auf die Schulter klopfte. „Bestimmt, er ist ein cooler Mathelehrer. Ich bin gespannt wie die AG-Bewertungen aussehen werden.“ Leonhard lächelte und lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. „Wenn dieses Halbjahr scheiße wird, dann geh' ich zum Profiboxen!“, grölte Bezo und die Gruppe von Jungs um ihn herum jubelte aufgeregt. Ben grinste, seine Klasse war so bescheuert! Franc hing ausnahmsweise mal bei Max, Leo und Ben ab und unterhielt sich mit ihnen.

„Kann ich durch alle Chemie Kurse fallen oder muss ich das Jahr dann wiederholen?“, fragte Thomas nachdenklich in die Runde. „Ach, wenn ich alle Deutsch Kurse versemmeln kann, dann kannst du Chemie verkacken...“, scherzte Silas und erntete einen genervten Blick von Thomas. „Soweit ich weiß, müsst ihr mindestens einen der Kurse der Hauptfächer bestehen. Aber fünf Punkte schafft ihr ja wohl noch...“, grummelte Ben und lachte dann. „Du hast gut reden“, sagte Francesco und zog seine dunklen Augenbrauen tiefer ins Gesicht. „Mach nicht so ein Gesicht, das wird schon!“, munterte Benjamin seinen Freund auf. Zu gerne hätte er ihn jetzt geküsst, aber die anderen waren ja auch noch da.

Die Klasse wurde langsam ruhiger, was die Gruppe Jungs dazu brachte, sich umzudrehen. Die kleine, braunhaarige Frau Tal hatte den Klassenraum mit einem dicken Stapel Zeugnisse betreten, welche sie nun auf dem Pult ablegte und sich ein paar wirre Strähnen aus dem Gesicht strich. Sie richtete ihre rote Brille und strich sich die freche Bluse glatt. „Guten Morgen! Ich hoffe ihr hattet einen schönen Gottesdienst. Seid ihr aufgeregt?“, fragte sie lächelnd und wohl wissend. „Ich rufe euch einfach auf und sage noch ein bisschen was dazu, wenn es nötig ist.“ Sie setzte sich auf ihren Stuhl und begann die Schüler alphabetisch nach ihren Nachnamen aufzurufen. Von der kleinen Jungsruppe um Ben herum war Leonhard als erstes dran. Er kam freudestrahlend zurück zu den anderen und hielt ihnen das Zeugnis unter die Nase.

„Fünfzehn Punkte in Kunst, Geschichte und Englisch!“, sagte er jubelnd. „Du Streber!“ Ben grinste und gab ihm einen freundschaftlichen Schlag auf die Schulter. „Ich werd' langsam echt nervös...“, murmelte Francesco und massierte sich die Schläfen. „Komm' runter, wird schon.“ Ben rieb ihm bekräftigend die Schulter. Tatsächlich war Francesco der nächste, der aufgerufen wurde.

Ben biss sich auf die Lippe und bangte mit ihm. Nach ein paar Minuten wurde er unruhig. Was besprach Frau Tal da mit ihm? Entweder war es sehr gut oder irgendetwas stimmte nicht.

Franc kam kreidebleich zurück und setzte sich stumm hin. Seine Lippen hatte er zu einem schmalen Strich zusammengepresst und er sah Ben mit unsicherem Blick an. „Fuck“, murmelte Ben leise und nahm Franc in den Arm. „So schlimm?“, fragte er leise, so dass nur Franc ihn hören konnte. Franc nickte stumm. „Ich erzähl's dir heute Abend, ja?“, sagte er, daraufhin nickte Ben. Die Stimmung war nicht sehr lange düster, denn Ben wurde aufgerufen und für seine guten Leistungen gelobt. „Seht euch das an! Vierzehn Punkte in Mathe? Alter Schwede! Und fünfzehn in Kunst. Scheiße, Leo!“, jubelte Ben und umarmte den großen, blonden Leonhard. „So wird das Abi super.“ Benjamin lächelte in die Runde, er blickte alle seine Freunde einzeln an und sah auch den traurig lächelnden Francesco.
 

Max hatte schlussendlich doch seine Drei bekommen und die Jungs jubelten noch etwas, dann war der letzte Schultag auch schon vorbei und sie schlurften zur Bushaltestelle. Francesco war schneller auf sein Motorrad gestiegen, als Ben lieb war. Doch bevor er irgendetwas sagen konnte, brauste der junge Italiener auch schon davon.
 

Zuhause angekommen rieb Ben seiner Mutter das Zeugnis unter die Nase, welche sich für ihn freute. Auch Frankenstein musste einmal fröhlich durchgekuschelt werden. Beim Mittagessen unterhielten sich Ben und Mareike über Bens Zukunft.
 

„Lehrer solltest du werden.“ Mareike nahm noch eine Gabel von ihrem Kartoffelauflauf und freute sich darüber, wie gut er ihr gelungen war.
 

„Neee! Viel lieber studier' ich Kunst oder so! Das wäre bestimmt super...“, sagte Ben verträumt und vergaß dabei, weiter zu essen.
 

„Mach' was du willst, Hauptsache du wirst glücklich. Mach' nicht den selben Fehler wie dein Vater und studiere etwas nur wegen der Bezahlung am Ende.“ Mareike verdrehte die Augen, als sie Jens erwähnte.
 

„Klingt echt nach ihm. Papa ist wirklich erste Sahne“, sagte Benjamin kauend.

Frankenstein saß auf dem Stuhl neben ihm und sah gierig zu ihm hoch. „Du bekommst nichts. Vergiss es, du verfressener Kater!“, mahnte Ben die schwarze Katze. Frankensteins Augen verengten sich und er peitschte unzufrieden mit dem Schwanz. „Sei' nicht so. Weißt du, wer heute kommt? Francesco!“, verkündete der Schwarzhaarige glücklich. „Das ist aber schön. Dann bestellen wir zur Feier des Tages ausnahmsweise das Abendessen.“ Mareike stand auf und begann die Teller abzuräumen. „Geniale Idee, Mama.“ Ben stand ebenfalls auf und räumte seinen Teller in die Spülmaschine.
 

Es dauerte nicht lange und Francesco kam gegen Nachmittag zu Benjamin. Der Dunkelhaarige lag musikhörend in seinem Bett, als die Tür zu seinem Zimmer auf ging und Francesco hineinkam. Er sah ziemlich fertig aus und setzte sich wortlos auf die Bettkante.
 

„Ist alles in Ordnung?“, fragte Ben besorgt und umarmte Franc von hinten.

„Nein“, sagte er und rieb sich die Stirn. Er zog sich die Lederjacke und die Schuhe aus und legte sich zu Ben ins Bett. Ben schlang seine Arme um Francescos Hüfte und schloss seine Augen. „Ich hab' dich vermisst“, flüsterte er und kuschelte sich an den Italiener. Francesco seufzte leise. „Ich hab' meinen Eltern das Zeugnis gezeigt. Sie waren sauer und sind ausgerastet. Ich darf nicht mit nach Italien“, sagte er trocken und versuchte zu schlucken. Ben setzte sich auf und sah ihn entgeistert an. „Ist das ihr scheiß ernst?!“, sagte er wütend. „Ich habe ihnen gesagt, dass ich mein Bestes gegeben habe...“, murmelte er. Seine Stimme begann zu bröckeln, genauso wie seine Fassade der Gelassenheit. „Sie halten mich für blöd. Ich solle doch mehr wie meine Geschwister sein.“ Francesco legte seinen Kopf auf Bens Schoß und begann leise zu schluchzen. Schweigend strich Ben ihm durch die kurzen Haare.

„Was habe ich falsch gemacht? Ich versuche immer mein Bestes! Ich versuche immer, der gute Sohn zu sein, den sie sich wünschen! Ich kann das nicht mehr, was mache ich falsch? Ich will doch gut sein“, sagte er mit kratziger, verheulter Stimme. Benjamin schwieg weiterhin. „Scheiße, wie soll ich das noch bis zum Abitur schaffen?“, fragte Francesco ins Leere und bedeckte sein Gesicht mit seinen Händen. „Ben, ich will doch nur, dass sie mich lieben.“

Francesco setzte sich langsam wieder auf und ließ sich von dem Kleineren in die Arme nehmen. „Ich kann dich verstehen“, sagte er leise und drückte ihn fest an sich. Er spürte den Schmerz Francescos in seiner Brust und kämpfte ebenfalls gegen die Tränen an. Er kannte dieses Gefühl ganz genau. Sein Vater hatte ihm immer glauben lassen, er sei nicht gut genug für ihn. Jens hatte Ben immer das Gefühl gegeben ein Außenseiter zu sein, denn er war anders durch seine Homosexualität.

„Wir brennen einfach zusammen durch und verschwinden von hier“, flüsterte Ben wütend und enttäuscht. „Nichts wie weg von hier“, knurrte Franc und begann wieder zu schluchzen. Beide saßen da, hatten sich in den Armen und schwiegen, während sie mit ihren eigenen Ängsten kämpften. Es war zu verschroben und verschraubt. Zwei so unterschiedliche Personen hatten dieselben Probleme.

„Ich dachte die ganze Zeit, dass du der perfekte Dorfjunge mit glücklichen Eltern ohne Probleme bist“, sagte Francesco leise. Benjamins Magen zog sich zusammen und er musste ebenfalls leise schluchzen. „Was hat dich das glauben lassen? Meine Familie ist total kaputt. Meine Mutter hat meinen Vater verlassen, weil er es nicht fertig bringt, seine eigene Familie wegen ihrer Besonderheiten zu akzeptieren. Und weil meine Mutter so frustriert und enttäuscht ist, versucht sie ihren Kummer anders auszuleben, indem sie es mit Frauen oder anderen Männern probiert. Der einzige, der hier keinen an der Waffel hat ist Frankenstein. Zumindest weiß ich nicht, was ihm vor dem Tierheim passiert ist.“ Benjamin drückte Franc enger an sich.

„Ich bin froh, dass du nicht perfekt bist. Das macht dich viel liebenswerter.“ Francesco wischte sich mit dem Ärmel seines cremefarbenen Pullovers einige Tränen aus dem Gesicht. „Ich liebe dich.“ Benjamin beugte sich vor und küsste den Braunhaarigen sanft auf die geschwungenen Lippen. „Ich dich mehr“, flüsterte dieser und küsste ihn zurück.
 

Das Bett stand direkt an der Wand, an der die beiden Jungs nun lehnten und in die Ferne des Zimmers starrten. „Du gehst morgen also nicht nach Italien?“, fragte Ben und sah Franc mitleidig an. „Nein.“ Er fuhr sich durch die Haare und seufzte. „Bleib doch hier! Wir feiern Weihnachten zusammen.“ Benjamin lächelte und nahm die große, raue Hand seines Freundes. „Mir bleibt wohl nichts anderes übrig, als dich zu ertragen“, sagte Francesco und küsste Ben liebevoll auf die vollen Lippen. „Sag' so was nicht, sonst muss ich dich rausschmeißen.“ Liebevoll erwiderte er den Kuss und schloss die Augen dabei. „Ich penn' heute hier und wir holen morgen zusammen meine Sachen bei mir?“, fragte Franc zwischen ein paar Küssen. Benjamin nickte. „Gute Idee“, sagte der Schwarzhaarige und lächelte in den Kuss hinein.
 

Am Abend bestellten die drei asiatische Nudeln beim Lieferdienst und ließen den Tag ausklingen. Francesco und Ben hatten sich relativ früh zurück in Bens Zimmer verzogen und lagen nun auf Benjamins schwarzgrauem Sofa. Sie hatten einen Actionfilm in den DVD-Player eingelegt und starrten wie gebannt auf den Bildschirm, als Gebäude zerstört wurden und die Fetzen flogen. Der Film ging bis spät in die Nacht und das Paar schlief auf dem Sofa kuschelnd ein.
 

Am nächsten Morgen schien die Wintersonne schräg durch das Fenster, während die Staubpartikel wie Tänzer durch die Luft schwebten. Francesco streckte sich gähnend und rieb sich den Nacken. Benjamin lag auf seinem Schoß und schlief noch tief und fest. Die großen Hände des Italieners fanden ihren Weg in die dunkle Mähne des Jüngeren und strichen ihm sanft ein paar Strähnen aus dem Gesicht. Benjamin blinzelte müde und sah Franc dann lächelnd an. „Guten Morgen“, murmelte er mit noch rauer Stimme. Der Braunhaarige beugte sich nach unten und küsste flüchtig die vollen Lippen von Ben. „Frühstücken wir und holen dann deine Sachen?“, fragte Benjamin und streckte sich gähnend. Er richtete sich auf und warf Franc einen liebevollen Blick zu.

Nach einem ausgiebigen Frühstück nahmen die beiden das gelbe Auto von Mareike, da es zum Motorradfahren schlichtweg zu kalt war und fuhren hinauf in das Bonzenviertel.
 

Franc parkte das Auto in der Einfahrt des weiß gestrichenen Hauses und fuhr sich durch die Haare. Benjamin erschauderte ein bisschen, nicht nur weil es kalt war, aber auch weil eine Totenstille herrschte. Sie betraten den Flur und alles war dunkel und still. Francesco runzelte die Stirn, „Es ist unheimlich, wenn es so ruhig ist…“, murmelte er leise. Eilig packte der junge Italiener einige Sachen in seinem Zimmer zusammen und verschwand mit Ben im Schlepptau schnell aus dem Haus. Die nächsten Tage zusammen würden gut werden, beide freuten sich auf das was kommen würde.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück