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-Eine andere Welt-

--Kushkepet--
von

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Sakitos Mutter kommt erst gegen 21 Uhr nachhause. Ich sitze derweilen in meinem Sessel und beobachte meine Reisebegleitung. Saki schläft, wir haben noch die Bettcouch ausgezogen und ihm Bettzeug besorgt. Dann habe ich Sakito geholfen, sich auszuziehen und er hat sich hingelegt.

Die yunge Frau, augenscheinlich Sakitos Mutter, schließt die Wohnungstür auf und sieht mich an, lächelt. Ihr Kimono ist abgetragen und hat yeglichen Glanz verloren. Ihre Haare sind unordentlich in einem Dutt zusammengebunden, die Schminke ganz verlaufen.

„Sie müssen Lima sein, Saki hat mir viel über sie erzählt.“

Sie streift ihre alten Getas ab und kommt auf mich zu, begrüßt mich anständig.

„Mein Name ist Michiko. Freut mich, sie als Gast begrüßen zu dürfen.“

Ich stelle mich nochmals anständig vor und wir werden uns einig, dass es ab sofort bei einem Du bleiben sollte. Michiko ist wesentlich yünger, als ich dachte. Sie muss schon sehr früh Mutter geworden sein. Als sie dann zur kleinen Kochnische geht, folge ich ihr und helfe ihr ein wenig bei der Zubereitung des Abendessens. Sie hat extra gute Zutaten eingekauft, wie sie mir erklärt. Ich frage, ob ich ihr ungenierte Fragen stellen dürfe, wie ich es auch bei ihrem Sohn tue. Sie stimmt zu und lächelt mich an, während wir Gemüse schneiden.

„Wie alt bist du eigentlich? Du siehst viel yünger aus, als ich mir das ganze vorgestellt habe.“

„Ich bin 38. Ya, ich habe Saki mit 15 bekommen.“

„Das ist ziemlich früh, war das keine Belastung?“

„Doch natürlich. Aber ich bin froh, das sein Vater sich so gut um uns gekümmert hat. Ich wollte nie das er hier aufwächst. Ich wollte, das er in Tokio bei seinem Vater bleibt! Wir haben ihn doch extra auf ein Internat geschickt, damit er was anständiges lernt! Aber ich glaube, da ich ihn allein großgezogen habe und yahrelang seine einzige Bezugsperson war, kam er zurück. Dann wollte er Arzt werden, ich habe ihn mit Sono mitgeschickt. Ich dachte, dann macht er wenigstens hier einen anständigen Beruf und kommt nicht in die Fänge von Shogun. Aber das hat er auch wieder aufgegeben. Stattdessen verkaufte er seinen Körper. Keine Ahnung, woher dieser plötzliche Sinneswandel kam. Aber es machte mich krank, ihn so zu sehen. Nun sticht er Menschen irgendwelche Bilder in die Haut. Es ist nicht das beste, aber ich würde sagen, es gibt schlimmeres.“

„Er macht seinen Yob wirklich gut. Und ich dachte, sie haben ein gutes Verhältnis zum Shogun.“

„Das haben wir, seitdem Aiko exestiert. Sie ist Shoguns Tochter.“

Irgendwie überrascht mich das überhaupt nicht. Eher im Gegenteil, es hätte mich überrascht, wäre es anders gewesen. Ich schätze Michikos Offenheit sehr. Gleichzeitig frage ich mich, warum Sakito dahingehend gelogen hat.

„Geht Aiko hier zur Schule?“

„Nein, in Tokio. Aber in kein Internat, sie kommt yeden Abend nachhause und yeden Morgen bringe ich sie zum Ausgang. Aiko gefällt es draußen. Ich hoffe, das wenigstens sie sich für das gute Leben entscheidet.“

„Das Leben da draußen ist nicht immer gut.“

„Das weiß ich Lima, aber es ist besser für ein yunges Mädchen als hier. Es war nie mein Traumberuf, Geisha zu werden. Es macht dich krank, all diese Männer. Irgendwann ist man nur noch ein psychologischer Krüppel, eine Hülle. Hätte ich meine beiden nicht, ich wäre wahrscheinlich schon längst tot. Ich hätte aufgegeben. Die beiden sind für mich ein Grund, zu leben!“

Ich nicke verständnisvoll und atme durch. Diese Offenheit liegt wohl in der Familie. Damit werde ich wohl nun ein paar Tage konfrontiert werden.

„Hatten sie yemals ein Problem damit, das Sakito keine Frauen mag?“

„Ehrlich gesagt, ich war erleichtert als er mir erzählte, das er schwul ist. Da bringt er wenigstens keine Enkel mit nachhause, verstehst du? Er soll lieben, wen er will. Solange er irgendwen liebt.“

„Sie sind eine wunderbare Mutter.“

Michiko lächelt nur über meine Aussage und bereitet weiter das Essen vor. Ich gehe ihr, sogut ich kann, zur Hand.

Irgendwann richtet Sakito sich dann langsam auf, streckt sich. Er trägt nur noch einen Boxershort, den Rest hat er zum schlafen ausgezogen. Ich sehe auf seinen mageren Körper und mir wird ein wenig übel. Wie kann man nur so abgemagert sein?

„Hallo Mum...“

Er gähnt, während er das sagt. Meine Reisebegleitung hat wohl sehr tief geschlafen.

„Ich sehe, du hast wieder irgendwelche neuen Tattoos bekommen, seitdem ich dich das letzte mal gesehen habe. Und du hast wieder abgenommen, hast du etwa nicht ordentlich gegessen? Du weißt doch, das ich mir Sorgen um dich mache!“

Sie geht zu ihrem kleinen Sohn und nimmt ihn in den Arm, drückt ihn fest an sich, wuschelt ihm durch die Haare.

„Ich bin so froh, das es dir gut geht. Ich hatte wirklich Angst um dich. Vor ein paar Wochen hatte Shogun angerufen und mir gesagt, das du kurz bei ihm warst. Hast du dich wieder mit Kihki getroffen? Ach Saki-kun! Sieh doch nur, deine Haare! Die Farbe ist ganz rausgewaschen und dein dunkler Ansatz kommt durch! Morgen früh färben wir das nach.“

Sie gibt ihm einen Kuss auf die Stirn und wendet sich dann wieder dem Essen zu. Sakito sieht mich an und zuckt mit den Schultern. Seine Augen strahlen, auch wenn er generell immernoch sehr krank und müde aussieht. Das ist das erste mal, das ich in seinem Gesicht wirklich eine Art Frieden sehe. Er ist zufrieden und glücklich, hier zu sein. Bei seiner Familie. Auch wenn diese etwas unkonventionell und komisch ist. Mir gefällt es ebenfalls hier. Man wird mit einer warmen Gastfreundlichkeit empfangen, die es in Tokio selten gibt.

„Mum, mir gehts super. Ich bin gerade nur ein bisschen krank.“

„Du würdest nicht so schnell krank werden, wenn du etwas auf den Rippen hättest!“

Er rollt mit den Augen, rutscht zu seinem Rucksack und zieht sich etwas an. Dann zündet er sich eine Zigarette an, kommt zu uns und lässt seine Mutter daran ziehen. Mir bietet er ebenfalls an, aber ich lehne ab. Er zuckt mit den Schultern und raucht weiter, lehnt sich gegen den Schrank.

„Ist es ok, wenn Tomoe morgen vorbei kommt?“

„Wann morgen?“

„Keine Ahnung.“

Sie schüttelt den Kopf, gibt aber dann ihr Einverständnis und scheucht Sakito herum, er solle doch den Wohnzimmertisch ausziehen und den Tisch decken. Ich helfe meiner kränkelnden Reisebegleitung und wir verwandeln den kleinen Wohnzimmertisch in einen Esstisch für 4 Personen. Dabei raucht Sakito eine weitere Zigarette. Ich habe das leise Gefühl, er versucht gerade seine versäumten Zigaretten der letzten Tage nachzuholen.

Irgendwann kommt dann auch Aiko dazu, die sich sofort neben Sakito setzt. Ich sitze ihm gegenüber, Michiko bringt das Essen auf den Tisch und zündet eine Kerze an. Ich beginne zu lächeln und wir essen.

Michiko hat wirklich wundervoll gekocht. Wer an ihrem Tisch nicht satt wird, ist selbst schuld. Sogar einen Nachtisch hat sie vorbereitet. Plötzlich fühle ich mich schlecht. Diese Frau hat unglaublich viel Geld ausgegeben, für ein Festmahl. Sie ist so arm, das sie sich keinerlei Luxus leisten kann, aber hauptsache, sie tischt uns gute Speisen auf, wenn ihr Sohn und ein Gast vorbei kommen. In diesem Moment beschließe ich, das ich morgen dringend einkaufen gehen sollte. Ich sollte mich anständig dafür bedanken. Zwar hatte ich bereits eine Kleinigkeit mit Sakito besorgt, aber das genügt mir noch lange nicht.

Michiko hebt ihr Weinglas.

„Lasst uns Anstoßen. Auf Weihnachten, Silvester, unsere Familie und natürlich auf dich, Geburtstagskind!“

Sie prostet Saki zu und dieser lächelt. Sofort sehe ich ihn an.

„Du hast Geburtstag??“

„Ich hatte, Großer“

„Hat er das etwa nicht gesagt? Mein kleiner Sakito ist ein Silvesterkind!“

„Ich finde meinen Geburtstag eben nicht so wichtig!“

Ohne darüber nachzudenken lehne ich mich über den Tisch und gebe ihm einen Klaps auf den Hinterkopf. Daraufhin lacht meine Begleitung, seine kleine Schwester ebenfalls.

„Kein Grund, Gewalt anzuwenden!“

„Bei dir muss man eben manchmal auf den Hinterkopf schlagen, damit alles wieder zurecht gerückt wird! Du hattest Geburtstag und sagst mir nichts! Dir ist doch echt nicht mehr zu helfen!"

Saki lacht wieder und ich schüttle meinen Kopf. Toll. Nun muss ich morgen auch noch ein Geschenk für ihn besorgen! Große Klasse. Schließlich beginnt Michiko mit der Bescherrung. Aiko bekommt Spielsachen, sowohl von ihrer Mutter, ihrem Vater, als auch von Sakito. Von welchem Vater dieses Geschenk nun kam, bleibt unbeantwortet. Das kleine Mädchen freut sich riesig und beginnt direkt, damit zu spielen.

„Nun zu dir Sakito. Das hier ist von mir und das von deinem Vater. Er kam extra aus Tokio her, um es dir zu geben. Du solltest bei Zeiten mal nach draußen und dich ordentlich bei ihm bedanken!“

Saki nickt und nimmt schweigend die Geschenke entgegen. Ich wundere mich kurz, dass er das Sakito nicht berichtigt hat. Michiko hat ihrem Sohne eine Farbpalette gekauft mit verschiedenen Tattoofarben. Sein Vater hat ihm eine komplett neue Maschine besorgt. Meine Reisebegleitung ist begeistert und fällt seiner Mutter in die Arme. Seine Dankbarkeit ist unübersehbar als breites Grinsen in seinem Gesicht abgebildet.

Als wir Sakis Mutter einen neuen Kimono mit passenden Getas und einer Haarspange überreichen, freut sie sich ebenso wie ihr Sohn. Allerdings ist sie nicht ansatzweise so aufgedreht wie dieser.

Eigentlich gehe ich davon aus, das die Bescherrung damit beendet ist und will kurz aufstehen, aber die Wohnungsbesitzerin hält mich auf und drückt mir eine eingepackte Weinflasche in die Hand. Ich sollte schließlich auch ein Geschenk bekommen. Voller Dankbarkeit verbeuge ich mich vor Michiko und verspreche, die Flasche morgen zu öffnen, damit wir sie zusammen trinken können, wenn Tomoe da ist.

Anschließend reden wir noch ein wenig, Sakito und seine Mutter rauchen und Aiko spielt mit ihren Spielsachen. Als es dann endlich Zeit wird, bringt Michiko ihre Tochter ins Bett und zieht sich selbst müde in ihr Schlafzimmer zurück. Ich bleibe mit Sakito noch ein wenig wach und sitze am Fenster, sehe mir die Sterne an. Im Hintergrund höre ich, wie der Kleinere seinen Koffer umbaut und die neue Maschine einsetzt. Außerdem spielt noch immer leise Musik aus einem Radio. Ich erinnere mich an dieses Lied, in Tokio habe ich es oft gehört. Dort habe ich noch regelmäßig Serien im Fernsehen verfolgt und es war der Titelsong meiner Lieblingsserie. Langsam wippe ich zu den ruhigen Klängen mit, bis Sakito mich aus meinen Gedanken reißt.

„Ich würde die Maschine zu gern ausprobieren."

„Auf deinem linken Arm ist noch ein bisschen Platz.“

„Haha.“

Saki sieht mich an und ich lache leise. Dann zeige ich auf die Tür, die mir den ganzen Tag verschlossen blieb.

„Was ist eigentlich dadrin?“

„Eine Abstellkammer.“

„Manche Geheimnisse sind wohl nicht so spannend, wie man erwartet.“

Wir lachen wieder leise und ich sehe mir die Maschine an.

„Also gut. Ich melde mich freiwillig.“

„DU? Du willst ein Tattoo???“

Der Tätowierer sieht mich ungläubig an und ich grinse.

„Was dagegen?“

Ich nehme einen Schluck von meinem Bier, welches ich mir eben aus dem Kühlschrank genommen habe und sehe Sakito provozierend an.

„Bist du betrunken Lima?“

„Ich hab dich heute auch geküsst, schlimmer kanns wohl nicht mehr werden!“

„Ey!“

Er schlägt mir auf die Schulter und ich lache wieder.

„Ernsthaft Lima, du willst echt ein Tattoo von mir?“

„Habe ich doch gerade gesagt.“

„Was willst du den haben, und wohin?“

Ich sehe, wie Saki langsam alles vorbereitet, offenbar noch immer unsicher ob ich nicht doch einen Rückzieher mache. Ich sehe meine Bierflasche an und muss über mich selbst grinsen.

„Einen Kirin. Auf den Knöchel.“

„Nur Outlines oder ein echtes Bild?“

„Na hör mal! Da bin ich mal betrunken und mutig genug, dann will ich auch ein echtes Bild! Mit Farben und allem drum und dran!“

Meine Reisebegleitung gibt sich geschlagen und winkt mich zu sich rüber.

„Komm her, leg dich auf die Couch. Ich zeichne das erst mit einem Stift vor und dann machen wir das ok? Keinen Rückzieher mehr Lima. Das hast du dir nun selbst zuzuschreiben!“

Ich gehorche und lege mich aufs Sofa, mache meinen Knöchel frei. Einerseits frage ich mich, ob ich das ganze bereuen werde, aber andererseits meldet sich plötzlich eine völlig neue Stimme in meinem Kopf, die einfach nur lauthals schreit „Ach scheiß doch drauf!“

Ich spüre, wie Sakito beginnt zu zeichnen und sich vollkommen auf das Motiv konzentriert. Er braucht nichtmal eine Vorlage, er zeichnet es einfach. Nachdem er die Outlines aufgezeichnet hat, sehe ich mir seinen Entwurf an und befinde diesen sofort als gut. Er bereitet alles vor und beginnt. Ich höre das surren der Nadel und werde plötzlich nervös. Augen zu und durch!



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