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Teamgeist

von
Koautor:  Seki

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Training

Kyras Gedanken sollten sich bestätigen, als sie weiterfuhr um mit den anderen Spielerinnen zu sprechen.

Als nächstes besuchte sie Eleanor Anderson, diejenige von der die Bellschwestern behauptet hatte, Russel hätte ihr einen Freund ausgespannt. Eleanor derweil schwor, sie hätte es nur versucht, wäre aber nicht damit durchgekommen. Dennoch beschwerte auch sie sich über Russel und darüber, dass diese einfach keine Teamspielerin gewesen sei.

Was hatte sie dann in einer Fußballmannschaft gemacht?

Ms. Anderson erzählte zudem, dass Maia – Kyra schloss mit Blick auf die Liste, dass es sich um Maia Kerr handeln müsste – auf einer Feier nach einem Spiel vor knapp zwei Wochen sich ziemlich mit Russel gestritten hatte. Außerdem meinte sie beiläufig, dass Russel hätte Marcel, den Teammanager, vor einer Weile abblitzen lassen. Zumindest – so ihre Worte – „sagte man sich das“.

Die nächste Spielerin, Miley Bruce, war schon etwas erschütterter von Russels Tod, war laut eigenen Aussagen jedoch auch nicht mit ihr befreundet gewesen. Auch sie erzählte von dem Streit zwischen Russel und Irene Duncan und dass Irene ihr nur hatte helfen wollen, immerhin hätte Russel seid einer Weile bedrückt gewirkt.

Danach besuchte Kyra Kelsi Craig – oder versuchte dies zumindest. Am Ende jedoch stand sie nur fünf Minuten vor einer geschlossenen Wohnungstür.

Das war der Moment, wo sie beschloss, das mit der mehr oder minder alphabetischen Reihenfolge sein zu lassen und als nächstes Regina Hunter zu besuchen, da sie nur eine Straße von Craig entfernt lebte.

Ms. Hunter wiederum wirkte eher mitgenommen. Von ihr bekam Kyra zum ersten Mal das übliche Unverständnis, das sie erwarten würde, zu hören. „Aber wer würde so etwas tun?“ Sie war sich mehr als sicher, dass es niemand aus der Mannschaft gewesen sein könnte und auch sie erwähnte diesen „Jamie“ ohne einen Nachnamen zu wissen. Allerdings stimmte sie nach einer Weile zu, dass Russel vor allem im letzten Jahr immer wieder angeeckt sei.

Danach beschloss Kyra erst einmal den aktuellen Tag zu beenden – nicht zuletzt da sie auf der letzten Seite ihres Notizblocks angekommen war. Sie fuhr nach Hause, schrieb ihren Bericht, schickte diesen Sutherland und war danach froh ihre Beine ein wenig hochlegen zu können.

Am nächsten Tag machte sie bei Abbey Crawford weiter. Auch sie konnte sich nicht vorstellen, dass es jemand gewesen war, den sie kannte. Allerdings war sie offenbar auch jene Art von Tratschtante, die gerne noch dies und jenes erzählte. So erfuhr Kyra von ihr, dass das Team aktuell keinen eigenen Trainer hatte, da sich vor zwei Monaten herausstellt hatte, dass der letzte Trainer eine Beziehung mit einem Mannschaftsmitglied geführt hatte und seither suspendiert war – wie auch das Mannschaftsmitglied, eine Veronica Hearth. Irgendwas, irgendwas, offenbar hatte er sie bevorzugt behandelt. Weiter ging es mit der Geschichte die Kyra schon am Vortag gehört hatte: Offenbar hatte „Marcel“ Interesse an Russel gehabt und diese hätte ihn abblitzen lassen. Einfach so. Aber wahrscheinlich war dies ja auch besser für ihre Karriere. Noch eine Spielerin an sowas zu verlieren, das brauchte man ja nicht, so Crawford.

Auch wenn Kyra kein Fan von Klatsch und Tratsch war schrieb sie bereitwillig mit. Immerhin lag vielleicht in genau diesen Dingen gerade etwas, das man gebrauchen konnte.

Danach schaffte sie es Kelsi Craig endlich in ihrer Wohnung aufzufinden, die erklärte, dass sie nach den Neuigkeiten am Vortag zu ihren Eltern gefahren war. Neues hatte sie jedoch auch nicht zu erzählen.

Im Alphabet kam Irene Duncan als nächstes, die allerdings auch in der Nähe von Ishita Javinja und Isabelle Lee lebte. Die drei Is, dachte Kyra sich selbstironisch, als sie in der Straße vorfuhr. Sie lernte hier noch ganz neue Gegenden der Stadt kennen.

Alle drei lebten in der Nähe der botanischen Gärten und da Watson auf dem Rücksitz langsam etwas verzweifelt wirkte, machte sie mit ihm – bevor sie mit den Befragungen fortfuhr – einen kleinen Spaziergang am Rand des Parkgeländes entlang. Immerhin war das Wetter heute bewölkt und kühl, aber nun gänzlich trocken.

Ironischer Weise war es hier, ein ganzes Stück von Silverglow entfernt, dass sie der Person, mit der sie am wenigsten zu tun haben wollte über den Weg lief. Während sie mit Watson an der Leine einen der Wege entlang lief, kam ihr eine auf den zweiten Blick vertraute Gestalt entgegen. Wright. Großartig.

Der Kleidung und Fortbewegungsart nach zu schließen, kam er hierher um zu joggen.

Schon spannte sie sich an, darauf gefasst, dass er irgendeinen Blödsinn machte, doch er nickte ihr nur mit einem grimmigen Gesichtsausdruck zu und lief weiter, während Watson sich einmal mehr an Kyras Beine drückte und zwischen Knurren und Winseln schwankte.

Nun, zumindest hatte Wright sie nicht erneut bedroht. Zumindest etwas. Arschloch.

Bald darauf machte sie sich auf den Rückweg zur Straße in der Duncans Wohnung lag. Überraschung, sie war nicht da. Zumindest schloss Kyra das nach mehrmaligem Klingeln.

Entsprechend entschloss sie sich mit einem Seufzen es erst einmal mit Javinja und Lee zu probieren. Vielleicht war Duncan ja nur einkaufen. Ansonsten … Am nächsten Tag – so viel hatte sie mittlerweile erfahren – würde das Training wieder stattfinden. Also sollte Duncan ja da sein, oder?

Während sie in der Küche der beiden offenbar nicht miteinander verwandten Fußballspielerinnen saß, die ebenso wenig neues erzählten, fragte sich Kyra, ob die beiden nur befreundet waren oder in einer Beziehung waren. Sie fühlte sich unwillkürlich an diesen Mädchen-Fußball-Film mit Keira Knightley erinnert, in dem die Hauptcharaktere ursprünglich hatten lesbisch sein sollen. Immerhin war der Hauptcharakter in dem Film auch indischer Abstammung gewesen.

Natürlich waren die beiden einander das Alibi und waren am entsprechenden Abend offenbar mit anderen Freunden unterwegs gewesen, die man wohl auch fragen könne. Allerdings hatten auch sie wenig mit Russel zu tun gehabt. Lee gab offen zu, nicht besonders gut mit ihr ausgekommen zu sein, aber das nur, weil sie selbst meistens auf der Ersatzbank saß und wie Russel eine Verteidigerin war. So sagte sie. Dennoch schienen beide angemessen über den Todesfall schockiert.

Als sie die Wohnung der beiden verließ, machte sie noch einmal einen Abstecher zu dem Haus in dem Irene Duncan lebte, doch erneut ohne Erfolg. Vielleicht war auch sie irgendwo anders hin gefahren?

Eventuell sollte sie bei Sutherland nachfragen. Technisch gesehen hatte sie auch die Handynummer von Duncan und noch immer hatte sie die Möglichkeit einfach am nächsten Tag beim Training zu schauen.

Abwarten, sagte sie sich.

Der Nachmittag war durch all die Gespräche und die Herumfahrerei erstaunlich weit voran geschritten, als Kyra schließlich noch Aleesha Murphy besuchte. Diese lebte mit ihrem Freund und dessen Bruder zusammen und warf Watson einen bösen Blick zu, als dieser ihre Katze anknurrte und jagen wollte. Nachdem Kyra Watson ins Auto zurück gebracht hatte, froh, dass das Wetter kühl war, sprach Ms. Murphy am Ende jedoch mit ihr.

Sie schien mehr wütend als irgendetwas anderes über den ganzen Vorfall zu sein und begann nach einer Weile vor allen Irene Duncan zu beschuldigen. Immerhin hätte sie sich oft mit Russel gestritten, das eine Mal vor zwei Wochen war – laut ihr – nur die Spitze des Eisbergs gewesen.

Auch das notierte sich Kyra und beschloss am kommenden Tag andere Spielerinnen des Teams dazu zu befragen. Was blieb ihr auch anderes übrig?

Kurz überlegte sie noch ein oder zwei weitere Befragungen durchzuführen, doch dann beschloss sie es für diesen Tag sein zu lassen. Immerhin wäre es am nächsten Tag ohnehin einfacher durchzuführen – mit all ihren „Opfern“ an einer Stelle.

Außerdem hatte sie Hunger, da sie seit dem Frühstück nicht mehr als ein wenig Teegebäck gegessen hatte.

Entsprechend fuhr sie nach Haus, machte sich daran Spaghetti zu kochen und schrieb schmatzend – und unfreiwillig die ein oder andere Nudel mit Watson teilend – ihren Bericht für den Tag mit einer Zusammenfassung aller Befragungen. Nach einem Bad, das sie sich eindeutig verdient hatte, legte sie sich schließlich, auch wenn es noch früher Abend war, ins Bett, um noch ein wenig zu lesen.
 

Am nächsten Tag stand sie – für ihre Verhältnisse – früh auf. Das Training begann laut den Informationen, die Sutherland ihr gegeben hatte, bereits um 10 Uhr in der Früh und da das Trainingscenter in East Lothian lag, also gut eine halbe Stunde bei guter Verkehrslage entfernt, während sie auch mit dem morgendlichen Rushhour-Verkehr rechnen musste. Da sie die Zeit optimal nutzen wollte, wollte sie nicht riskieren zu spät zu kommen. Sie konnte sich immerhin denken, dass es wesentlich schwerer werden würde, Leute zu befragen, wenn sie diese aus dem Training herausnehmen musste.

Sie stand gerade vor einer Ampel, als ihr Handy klingelte. Molly, sagte ihr der Bildschirm. Na wunderbar. Was wollte Molly nun von ihr?

Für einen Moment überlegte sie nicht dran zu gehen. Immerhin saß sie gerade am Steuer und sie wollte doch keine Ordnungswidrigkeit begehen oder gar riskieren, dass sie einen Unfall baute. Dennoch. Vielleicht war es was wichtiges. Oder Molly wollte nur sicher gehen, dass sie nichts „falsches“ machte.

Grummelnd ging Kyra dran. „Was gibt es, Molly?“, fragte sie direkt, ohne sich zu melden.

„Nichts besonderes“, erwiderte ihre Exfreundin. „Ich wollte eigentlich nur hören, wie du voran kommst.“

„Hat Sutherland nichts gesagt?“

„Ich arbeite nicht an dem Fall“, entgegnete Molly nur tonlos.

Kyra konnte nicht anders: Ein leichtes Grinsen breitete sich auf ihrem Gesicht aus. Na so etwas. „Dann weißt du, dass ich dir auch nichts sagen darf.“

Ein kurzes Schweigen, dann eine sehr gepresste Antwort: „Ja. Ich wollte nur sicher gehen, dass …“

„Ich keinen Unsinn mache?“, versuchte Kyra genervt den Satz zu beenden.

„Dass alles in Ordnung ist“, entgegnete Molly mit Nachdruck. „Wenn du Hilfe brauchst …“

„Dann rufe ich Sutherland an“, antwortete Kyra. Sie zuckte mit den Schultern, auch wenn Molly es nicht sehen konnte. „Entspann dich mal. Es ist alles in Ordnung. Ist rede mit ein paar Leuten, mehr nicht.“

„Uhum“, machte ihre Exfreundin nur, als wolle sie das nicht so ganz glauben.

Kyra seufzte leise. „War das alles?“

Für einen Augenblick zögerte Molly. „Ja“, sagte sie dann schließlich. „Du weißt, wenn etwas ist …“

Natürlich wusste Kyra, was sie sagen wollte, doch sie kam nicht umher sich wieder einmal ob des vermeintlichen Misstrauens verletzt zu fühlen, weshalb sie antwortete: „Dann wende ich mich an Chief Inspector Sutherland.“

Wieder ein kurzes Schweigen, dann: „Ja, genau.“ Ein halb unterdrücktes Seufzen folgte. „Mach das.“

„Werde ich“, erwiderte Kyra. „Mach dir nicht so viele Gedanken.“ Dann fügte sie hinzu: „Ich muss auflegen. Ich bin fast da.“

Wieder zögerte Molly. „Okay“, sagte sie schließlich ehe Kyra auflegte.

Was musste Molly nur alles so kompliziert machen? Konnte sie nicht einmal darauf vertrauen, das alles nach Plan lief?

Kyra schüttelte den Kopf und sah sich an der nächsten Ampel zu Watson um, der entspannt auf der Rückbank lag. „Was soll ich nur wegen ihr machen?“, fragte sie ihn.

Überrascht hob der den Kopf und sein Schwanz begann zu wedeln. Er bellte kurz auf.

„Ich versuch's“, murmelte sie und seufzte noch einmal, ehe sie sich wieder auf die Straße konzentrierte.

Zumindest kam sie ohne große Zwischenfälle an dem Trainingsplatz an und parkte auf dem kleinen Parkplatz vor dem Center, das offenbar die Umkleiden und wahrscheinlich auch ein paar andere Einrichtungen behauste. Immerhin teilte sich die Damenmannschaft das Center sowohl mit der U20 Herrenmannschaft, als auch der normalen Herrenmannschaft. Kyra hatte sich das ganze auf Google Maps angesehen, wo man gut erkennen konnte, dass eine ganze Hand voll Spielfeldern zu dem Center gehörte, das vor knapp zehn Jahren gebaut worden war.

Zugegebener Maßen war sie ein wenig unsicher, was sie nun genau machen sollte. Immerhin war sie nicht angekündigt und war sich nicht sicher, ob sie überhaupt herein gelassen werden würde. Nun, sie hatte alles Recht hier zu sein und wenn es ein Problem gab, würde sie genau das machen, was sie Molly gesagt hatte: Sutherland anrufen.

Also musste sie es einfach probieren.

„Komm, Watson“, sagte sie und klappte den Fahrersitz vor, damit Watson hinter ihr herausspringen konnte.

Natürlich hing auch hier einmal wieder ein „keine Hunde erlaubt“ Schild. Wirklich. Was sollte Watson denn schon in einem Trainingscenter kaputt machen können? Er war ja immerhin gut genug erzogen, um sich nicht in irgendwelchen Zimmerecken zu erleichtern.

Sie seufzte und sah sich dann um. Gerade als sie die Hand auf den Türgriff gelegt hatte, hörte sie Schritte hinter sich und sah eine junge, dunkelhäutige Frau, deren Haare in dünne Zöpfe geflochten waren, welche wiederum von einem Haarband zurückgehalten wurden, auf sich zukommen. Die Frau sah übermüdet aus, ihre Augen rot unterlaufen, sah Kyra aber mit so etwas wie Freundlichkeit in den Augen an. „Guten Morgen“, sagte sie und musterte Kyra.

„Guten Morgen“, erwiderte Kyra. Wenn sie nach den Bildern auf der Webseite der Mannschaft ging, musste dies Charleigh Aitken sein, diejenige, die die Leiche gefunden hatte. Derweil wartete sie selbst nur auf eine Frage, die fraglos kommen würde – und natürlich kam sie, wenngleich nicht ganz so, wie Kyra gedacht hatte.

„Sie sind die Detektivin, ja?“

„Ähm, ja.“ Etwas nervös hielt Kyra ihr die Hand hin. „Kyra Hare.“

Ms. Aitkin schüttelte ihr die Hand. „Charleigh Aitkin.“

Kyra nickte. Sie wollte nicht sagen, dass sie sich das gedacht hatte. Wäre das nicht rassistisch gewesen, wenn man bedachte, dass Charleigh das einzige Mannschaftsmitglied mit so dunkler Haut war.

„Sie sind wegen der Befragungen hier?“, schloss Ms. Aitkin.

Erneut nickte Kyra. „Ja. Ich habe mir gedacht, ich werde heute niemanden bei sich zuhause finden“, erwiderte sie.

„Da könnten Sie recht haben“, erwiderte Aitkin und schien sich um ein Lächeln zu bemühen.

Kyra musste zugeben überrascht zu sein, dass die junge Frau überhaupt hier war. Wenn man einen Freund von ihr ermordet hatte, wäre sie wohl kaum in der Lage zwei Tage darauf wieder normal arbeiten zu gehen. Entsprechend zögerte sie. Was sollte sie sagen? Zumal sie Ms. Aitkin ja nicht befragen sollte. „Ähm …“ Ach, verdammt noch mal! „Sie waren es, die …“ Sie hielt sich davon ab „die Leiche“ zu sagen. „Sie waren es, die Ms. Russel gefunden hat, nicht wahr?“

Aitkin nickte. „Ja.“ Sie seufzte und sprach mit eher tonloser Stimme weiter. „Wir … Normal gehen wir jeden Morgen gemeinsam joggen. Aber vorgestern … Sie ist nicht zur Tür gekommen, als ich geklingelt habe. Ich wusste, dass etwas nicht stimmte und bin nachsehen gegangen. Und als ich durch das Küchenfenster geschaut habe lag sie da.“

Kyra nickte, unsicher was sie dazu sagen sollte. Dagegen hatte Watson eine recht gute Idee. Er machte einen Schritt auf die junge Frau zu und stupste ihr Bein mit seiner Schnauze an. Dann sah er sie an.

Wieder zeigte sich ein mattes Lächeln auf dem Gesicht Aitkins und sie strich über Watsons Kopf, woraufhin dieser mit den Schwanz wedelte. „Ihr Hund?“, fragte sie.

„Ja“, erwiderte Kyra. „Das ist Watson. Mein treuer Assistent.“

Aitkin nickte und lächelte erneut ob des Namens. „Ich verstehe.“ Dann sah sie zur Tür. „Eigentlich sind keine Hunde erlaubt.“

„Er jagt schon keine Fußbälle“, meinte Kyra halb scherzend. „Wie sollte ich ohne ihn arbeiten?“

Daraufhin nickte die andere. „Nun, ich werde nichts sagen. Sie sollten sich eher Gedanken um Marcel machen …“

„Der Manager?“

„Genau“, erwiderte Aitkin. „Er nimmt ein paar Sachen in letzter Zeit zu genau … Wahrscheinlich seit der Sache mit Victoria und Johnny.“

„Der alte Trainer?“, schloss Kyra.

Zur Antwort nickte Aitkin nur.

„Ich glaube, Marcel …“ Sie brach ab und schüttelte den Kopf. „Das hat nichts mit all dem zu tun.“ Sie holte tief Luft, während sie einen Flur, der Kyra an die Sporthalle ihrer Schule erinnerte, hinabliefen.

Irgendwie hatte sie sich das ganze glamouröser vorgestellt.

„Ich kann es immer noch nicht ganz glauben“, meinte Aitkin schließlich und blieb stehen, da sie offenbar vor der Umkleide angekommen waren.

Unsicher sah Kyra zu Watson, in der Hoffnung, dass er etwas machen würde. Natürlich tat er das nicht sondern sah nur mit leicht aufgestellten Ohren zu ihr hinauf.

„Ich …“, begann sie, hielt aber noch rechtzeitig inne. „Ich bin mir sicher, die Polizei wird den Täter ausfindig machen.“

Aitkin nickte. „Wenn ich irgendwie helfen kann …“

Nun, eigentlich war sie nicht hier um zu ermitteln. Es sei denn natürlich, es ergab sich eine gute Möglichkeit. „Dann komme ich darauf zurück“, meinte sie mit einem – so hoffte sie – sanften Lächeln. Selbst wenn sie nicht angeheuert worden war um zu ermitteln, kam es ihr unfair vor, dies der jungen Frau so zu sagen.

Erneut bekam sie nur ein Nicken zu Antwort und fühlte sich ein wenig unwohl, ehe sie sich etwas anderes überlegte.

„Ich habe ehrlich gesagt nicht damit gerechnet, dass Sie heute schon wieder hier sind“, meinte sie.

Daraufhin zuckte die junge Frau hilflos mit dem Schultern. „Es bringt mich auf andere Gedanken“, murmelte sie. „Außerdem … Es ist für die Mannschaft. Wir dürfen deswegen doch nicht …“ Sie wich ihrem Blick aus und seufzte. Dann schüttelte sie den Kopf. „Ich sollte mich umziehen gehen.“ Sie machte eine Kopfbewegung in Richtung der Tür. „Aber … Ja, wenn es irgendwas gibt, das ich tun kann, um zu helfen.“

Kyra nickte nur. „Schon gut.“

Dann seufzte sie und sah sich um, während Ms. Aitkin in den Raum ging.

Was also sollte sie nun tun?

Sie sah sich um. Irgendwie musste sie ja auf das Spielfeld kommen. Also dahin, wo trainiert wurde. Sie war echt froh, dass das Wetter mittlerweile besser war.

Immerhin hätte sie wenig Lust darauf gehabt, bei strömenden Regen, wie in den vergangenen Tagen draußen rumzustehen für die Befragungen.

Tatsächlisch stellte sich das Innere des Gebäudes als halbes Labyrinth heraus. Sie war sich zwar sicher, dass es durch die Umkleiden auch irgendwie nach draußen ging, aber man würde es ihr wohl übel nehmen, würde sie gerade jetzt dort hindurch marschieren. Selbst wenn sie sich sicher nicht beschweren würde, dachte sie sich halbherzig.

Am Ende jedoch fand sie einen Gang der in Richtung der Spielfelder führte und fand dort bereits die ersten paar Spielerinnen mit Aufwärmübungen beschäftigt.

Kyra holte ihr Handy hervor, um die Gesichter der jungen Frauen besser zuordnen zu können. Neben den Bell-Schwestern, die sie bereits kannte, sowie auch Eleanor und Aleesha, waren vier weitere Spielerinnen hier draußen. Sie identifizierte sie als Abbey Crawford, Madleine MacKey, Rebecca Rowell und Maia Kerr. Es war letztere, die Kyra bemerkte und sowohl ihr, als auch Watson einen beinahe schon feindseligen Blick zuwarf.

Sie hörte mit den Streckübungen, die sie gerade machte, auf, und kam zu ihr hinüber gejoggt.

„Hunde sind hier nicht erlaubt“, meinte sie kühl.

Die junge Frau – wenn Kyra nicht irrte war sie laut den Akten 23 Jahre alt gewesen – hatte recht kurzes, braunes Haar und sonnengebräunte Haut. Auch sah man noch deutlich verblassende Sommersprossen auf ihrer Nase, während sie ebenso Kyra musterte.

„Wer sind Sie überhaupt?“, fügte sie dann hinzu. „Das hier ist keine öffentliche Veranstaltung.“

Wunderbar, dachte sich Kyra. Zumindest konnte sie so die Anmerkung zu Watson ignorieren. „Mein Name ist Kyra Hare,“ spulte sie ihre Vorstellung herunter. „Ich bin Privatdetektivin und wurde von der Scottland Police beauftragt die Mitglieder dieser Mannschaft ob des Todes von Talia Russel zu beauftragen.“ Ohne eine große Pause zu machen fügte sie hinzu: „Und Sie sind Maia Kerr, liege ich da richtig?“ Sie hielt ihr mit einem gekünstelten, professionellen Lächeln eine Hand hin, die prompt ignoriert wurde. Hatte dem Mädel niemand Manieren beigebracht?

„Und?“, war die einzige Antwort, die sie bekam.

Okay, die Göre war ihr unsympathisch. „Kann ich Sie kurz zu der Verstorbenen befragen?“, fragte Kyra, die sich so leicht nicht verunsichern lassen wollte.

„Ich habe keine Zeit“, erwiderte Kerr und wandte sich zum Gehen.

„Ich werde sie so früher oder später befragen müssen“, meinte Kyra nüchtern. „Ich dachte, es würde Sinn ergeben, dies vor dem Anfang des eigentlichen Trainings zu machen.“

Kerr gab ein genervtes Stöhnen von sich. „Gut. Okay.“ Sie drehte sich wieder zu Kyra um und legte eine Hand in die Seite, um sie beinahe herausfordernd anzusehen. „Was wollen Sie wissen?“

„Wie war ihr Verhältnis zu Ms. Russel?“, fragte Kyra gerade heraus.

Ein Schulterzucken war die Antwort. „Konnte sie nie wirklich leiden. Sie war unverschämt, hat Leute, die sie nicht leiden konnte, wie Scheiße behandelt und konnte sich generell nicht benehmen.“

Dann hättet sie ja wunderbar miteinander auskommen müssen …

„Okay“, meinte Kyra nur, ihre Gedanken für sich behaltend, und notierte sich die Aussage. „Haben Sie irgendwelche Vermutungen, wer etwas gegen sie gehabt haben könnte?“

„Alle?“, erwiderte Kerr nur genervt. „Mal ehrlich, so wie die sich aufführen konnte, würd' es mich nicht wundern, wenn sie jemand im Affekt abgestochen hat.“

„Also niemand konkreten?“, fragte Kyra.

Ein erneutes Schulterzucken. „Keine Ahnung.“ Sie überlegte kurz. „Ich mein', ich glaub' ja eigentlich nicht, dass es jemand von uns war. Aber wie gesagt … Talia hat doch echt jeden auf die Palme bringen können.“ Sie sah sich um. „Sie hat sich häufig mit den Zwillingen gezofft und mit Eleanor. Und in den letzten Wochen hatte sie oft Streit mit Irene. Das heißt Irene Duncan.“ Letzteres fügte sie in einem beinahe besserwisserischen Tonfall hinzu, als könnte Kyra das nicht wissen. Dann hielt sie kurz Inne. „Wobei … Sie sollten mal mit Abbey sprechen, wenn sie da ist. Ich meine, Irene wollte Talia besuchen. K A, Friedensangebot oder so.“ Ein weiteres Schulterzucken, während Kyra sich alles notierte. Dann fragte sie genervt. „War das alles?“

Kyra seufzte. „Nur eine Sache noch. Wo waren sie an dem Abend?“

„Kino“, erwiderte Kerr wie aus der Pistole geschossen. „Mit einem alten Schulfreund von mir. Jonas Schumer. Ich habe das Ticket und Sie können ihn fragen.“

„Ich bin nicht die Polizei“, meinte Kyra nur.

Noch ein genervtes Schulterzucken.

Während sie mit Kerr geredet hatte, hatte Kyra nicht bemerkt, wie ein anderes Mädchen – nun, eine andere junge Frau, zu ihnen hinüber gekommen war. Madleine MacKey.

Mittelfeldspielerin, nach ihren Akten. Gerade 20 Jahre alt und mit einem noch recht kindlichen Gesicht. Sie war ziemlich blass und wirkte auf Kyra beinahe etwas ängstlich. Die Assoziation mit einem gejagtem Reh kam ihr in den Kopf.

„Was ist los, Maia?“, fragte sie zurückhaltend.

„Nichts wirklich“, erwiderte Kerr genervt. „Das ist die Detektivin, die von der Polizei beauftragt wurde oder so.“ Sie sah zu Kyra. „Kann ich jetzt gehen?“

Kyra nickte. „Ja.“ Eigentlich hätte sie sie die ganze Zeit nicht dran hindern können. „Darf ich dafür nun mit Ihnen sprechen, Ms. MacKey?“

Überrascht sah das blasse Mädchen sie an. „Sie kennen meinen Namen?“

„Ich habe die Unterlagen der Polizei durchgearbeitet“, erklärte Kyra nur. „Da waren alle Mannschaftsmitglieder enthalten.“

Unsicher sah MacKey zwischen ihr und Ms. Kerr hin und her. Kyra kam nicht umher, den Blick, den sie der anderen Frau zuwarf, als Hilfesuchend zu interpretieren.

„Red' einfach mit ihr“, meinte Kerr in einem beinahe herrischen Ton und joggte dann zu den anderen Spielerinnen – mittlerweile hatten sich ein paar mehr versammelt – hinüber.

MacKey nickte. „Was … Kann ich Ihnen sagen, Ms.  …?“ Fragend brach sie ab.

„Hare“, erwiderte Kyra. „Mein Name ist Kyra Hare.“

„Okay“, flüsterte das Mädchen. „Was kann ich Ihnen erzählen, Ms. Hare?“

Kyra bemerkte, dass MacKey ihr nie ganz in die Augen sah und immer, wenn sie ihren Blick suchte, diesem auswich. Nun gut. Also gut. „Nun, ich soll die Teammitglieder zu Ms. Russel befragen. Wie standen Sie zu ihr und würde Ihnen jemand einfallen, der ein mögliches Motiv gehabt hätte?“

„Nein!“, sagte die junge Frau vielleicht ein wenig zu schnell.

Irgendetwas stimmte hier nicht. Sie verbarg etwas, soviel war deutlich zu sehen. MacKey verhielt sich wie ein Charakter in einem dieser Detektiv-Computerspiele, in die Kyra vor einer Weile aus purer Langeweile geschaut hatte. Dort verhielten sich Täter, Mittäter oder bedrohte Zeugen immer etwas übertrieben, doch genau so erschien MacKey.

Kyra musterte sie und wartete darauf, dass die junge Frau weitersprach.

„Nun“, murmelte MacKey mit leiser Stimme. „Nun … Talia hatte ein paar Probleme mit ein paar Leuten. Aber deswegen würde sie niemand umbringen, oder? Ich meine, sie war vielleicht ein wenig …“ Sie pausierte kurz und sah offenbar nach einem passenden Wort. „Sie war ein wenig grob und unhöflich, aber sie meinte es doch meistens nicht so. Und das wussten die meisten, oder?“ Die Frage schien beinahe erst gemeint zu sein.

„Ich weiß es nicht, Ms. MacKey“, erwiderte Kyra. „Ich habe Talia Russel nie kennen gelernt.“

„Natürlich.“ MacKey wich ihrem Blick wieder aus und wandte den Kopf zu Seite, was Kyra aufmerken ließ.

Die junge Frau trug die Haare offen, was sie bereits die ganze Zeit verwundert hatte, doch nun glitt eine Strähne des Haares weit genug zur Seite, um eine Rötung der Haut an ihrem Hals zu zeigen.

Beinahe instinktiv, wohl wissend, dass es unhöflich und nicht besonders respektvoll war, streckte Kyra die Hand aus und hob das Haar des Mädchens an. Die Rötung war der Rand eines Strichs an ihrem Hals, der in der Mitte bläulich war. Würgemale. Wenn Kyra nicht irrte von einem Seil oder vielleicht einem Gürtel. Fuck.

MacKey schreckte zurück, instinktiv eine Hand zum Hals hebend.

„Wer war das?“, fragte Kyra vorsichtig und bemüht einfühlsam zu klingen.

„Was?“ Die Frage klang eher panisch als etwas anderes. Sie sah sich um, beinahe als suche sie nach Hilfe.

„Das ist ein Würgemal“, sagte Kyra leise. „Wer war das?“

Wenn sie nicht irrte, wurde MacKey etwas rot. Ihre Augen richteten sich zu Boden, doch leichte Bewegungen ihrer Pupillen verrieten Kyra eine gewisse Unruhe. Das war keine bloße Verlegenheit.

„Ich …“, meinte das Mädchen. „Ich habe einen neuen Freund und …“ Sie trat unwillkürlich zwei Schritte zurück. „Das geht Sie nichts an!“ Dabei bemühte sie sich ihren Blick zu festigen.

Kyra biss sich auf die Unterlippe, sagte aber nichts.

Was sollte sie auch sagen?

„Sonst noch etwas?“, fragte MacKey schließlich und schien sich zu bemühen ihrer Stimme denselben ungeduldigen Klang zu geben, wie Kerr zuvor, woran sie jedoch glorreich scheiterte.

„Wo waren Sie vor drei Nächten?“

„Zuhause“, sagte MacKey schnell. „Mit meinem Mitbewohner.“

Kyra musterte sie. Sie kam nicht umher so etwas wie Mitleid zu verspüren. Dann gab es da noch eine weitere Frage: Hatte das Würgemal etwas mit dem Mord zu tun? Ein Bauchgefühl sagte ihr, dass es so war. Vielleicht wegen der Art, wie das Mädchen sich verhielt. Natürlich war ein Bauchgefühl kein besonders guter Beweis, aber zumindest sollte sie es vielleicht notieren.

„Das wäre alles“, sagte sie schließlich langsam. „Aber … Sie wissen, dass es Stellen gibt, an die man sich als Opfer häuslicher Gewalt wenden kann, ja?“ Sie wusste, dass es gestelzt klang, doch sie war sich nicht sicher, wie sie sonst mit dem Mädchen reden sollte, das sie ja kaum kannte.

Das Mädchen jedoch schien gar nicht richtig zuzuhören. Stattdessen sah sie auf einen Punkt hinter Kyra, wo diese, als sie sich selbst umsah, einen Mann – etwa Mitte 30 – erkannte. Das musste Marcel Reilly sein. Der Manager. Und nun kam er genau auf Kyra zu, die kurz zu der erstarrten MacKey sah.

Sie zog ihre eigenen Schlüsse. Das war so oder so etwas, das Sutherland interessieren konnte.

„Sie sind die Detektivin“, schloss nun auch Reilly, als er noch etwa acht Schritte von ihr entfernt war und musterte sie.

Er wirkte durchaus athletisch gebaut. Nicht wirklich muskulös, aber auch nicht zu schlaksig und war gute eineinhalb Kopf größer als Kyra. Sein Haar war braun, seine Augen grau und das müde Lächeln auf seinen Lippen wirkte falsch. Okay, vielleicht war das auch nur ein Vorurteil zu dem sie gerade gekommen war.

„Ja, die bin ich“, erwiderte sie steif und streckte ihm nach kurzem Zögern die Hand entgegen. „Kyra Hare.“

„Inspector Sutherland hat Sie bereits erwähnt.“ Er ergriff ihre Hand und schüttelte sie kurz und ohne wirklich zuzugreifen.

„Gut“, antwortete Kyra schnell und bemühte sich wieder um ihr professionelles Lächeln. „Nun, ich wollte Sie eigentlich fragen, ob Sie mir auch noch ein paar Fragen beantworten können.“

Der Mann zog eine Augenbraue hoch. „Ihnen?“ Er musterte sie. „Ich dachte, ich hätte alles, was ich wusste, der Polizei gesagt.“

„Ja, schon“, antwortete Kyra. „Ich … Wollte jedoch noch ein paar Dinge abklären.“

„Nun, vielleicht nachher“, erwiderte Reilly schließlich. „Ich muss mich zuerst um das Training kümmern. Sie verstehen …“ Er musterte sie noch einmal von oben bis unten und warf dann Watson, der die Ohren angelegt hatte einen kurzen Blick zu. „Eigentlich sind hier keine Hunde erlaubt.“

Kyra sagte nichts.

Für einen Moment schwieg auch er, ehe er sagte: „Nun, ich würde Sie bitten, das Training nicht zu sehr zu stören.“ Er zögerte. „Ich denke, es wäre auch im Sinne von Talia, wenn wir weiterhin unser bestes geben.“ Dabei wirkte seine Stimme reuevoll oder – dachte Kyra – vielleicht versuchte er zumindest, sie so klingen zu lassen.

Verdammt. Vielleicht machte sie wieder ihren üblichen Fehler. Sie neigte dazu, zu schnell und ohne jeglichen Beweis zu voreiligen Schlüssen zu springen, aber verdammt noch mal, der Typ wirkte so verdächtig. Und das letzte Mal, als sie jemanden verdächtig gefunden hatte, hatten diese Leute sie darin auch irgendwo bestätigt. Also … Nein, sie konnte ihn nicht einfach konfrontieren. Immerhin war es nicht ihre Aufgabe. Allerhöchstens konnte sie schauen, ob sie noch irgendwelche Beweise finden konnte, um diese dann an Sutherland zu leiten.

„Keine Sorge“, meinte sie nur. „Ich würde nur gerne mit den anderen Spielerinnen sprechen. Ich soll den vollständigen Bericht bis heute Abend anfertigen.“

Ein Zögern. „Nun, gut …“ Er seufzte. „Tun Sie das. Solange sie keins meiner Mädchen zu lange vom Training abhalten.“

„Das wird wohl nicht vorkommen“, erwiderte Kyra. Sie sah sich auf dem Spielfeld um, wo sich mittlerweile mehr oder weniger die gesamte Mannschaft versammelt hatte, als ihr noch etwas einfiel: „Übrigens. Ich sehe Irene Duncan nicht. Wissen Sie, wo sie ist?“

„Irene hat sich krankgemeldet“, antwortete Reilly nur. „Soweit ich weiß, ist sie bei ihren Eltern.“

Kyra nickte. „Danke.“ Noch einmal zögerte sie. MacKey hatte sich mittlerweile zu den anderen gesellt und sprach, wie sie feststellte, nun leise am anderen Ende des Spielfelds mit Kerr. „Könnten Sie mir Abbey Crawford herüber schicken?“, fragte sie dann.

Und so sprach sie einige Minuten später auf einer Bank am Rand des Spielfelds sitzen mit Ms. Crawford, einer sehr kräftigen, blonden Frau, während Watson aufmerksam den anderen Frauen zusah, die nun Runden um das Spielfeld liefen.

Crawford erzählte Kyra erneut, was sie schon wusste: Ja, es hatte diesen Streit mit Irene Duncan gegeben. Irene hatte ihr helfen wollen, sagte Crawford. Russel hätte vorher für gute zwei Wochen sehr bedrückt und angespannt gewirkt, wäre auch beim Training nicht richtig dabei gewesen.

„Und dann ist Talia einfach explodiert“, schloss sie dann. „Einfach so. Hat Irene beleidigt und all das. Obwohl sie nur helfen wollte.“ Sie seufzte. „Na ja, vielleicht hat sie ja wirklich etwas belastet. Ich meine, vielleicht hat sie jemand bedroht oder erpresst? Ich meine, ich komme die ganze Zeit nicht drum herum sowas zu denken, wissen Sie?“

„Haben Sie eine Ahnung wer?“, fragte Kyra.

Natürlich hatte sie das nicht. Niemand schien das zu haben. Für jemand, der so viele Streitereien und Rivalitäten gehabt hatte, gab es angeblich doch sehr wenig mit einem Mordmotiv, dachte sich Kyra. Doch wer war sie darüber zu urteilen.

Zumindest eine Sache kam aus ihrem Gespräch mit Crawford. Eine Bestätigung von Reillys Worten: „Ja. Irene ist bei ihren Eltern in Dalkeith. Sie macht sich solche Vorwürfe, weil sie nicht weiter nachgehakt hat. Ich meine … Meinen Sie wir hätten es verhindern können?“ Aus der Frage klangen ernsthafte Selbstvorwürfe hervor.

„Wahrscheinlich nicht“, erwiderte Kyra mit einem matten Lächeln. Sie legte der Frau eine Hand auf die Schulter. „Denken Sie nicht zu viel darüber nach.

Aber auch ihre nächsten drei Gespräche brachten wenig neues. Cailyn Hughes und Jess Munro, mit denen sie als nächstes sprach, waren beides Freunde von Talia gewesen und wirkten entsprechend erschüttert und wütend. Gerade die rothaarige Munro wirkte verweint und war Kyra auch beim Training soweit alles andere als konzentriert erschienen, auch wenn sie wenig Ahnung von Fußball hatte.

Auch wenn niemand direkt jemanden beschuldigen wollte – natürlich nicht – beschuldigte Munro indirekt Eleanor, die die Sache mit ihrem Freund oder viel eher Exfreund zu genau genommen hatte. Offenbar war es nur ein Partyspiel nach dem zu viel Alkohol geflossen war gewesen. Wahrheit oder Pflicht, wenn man so wollte. Jemand hatte mit Talia gewettet, dass sie sich nicht trauen würde, Eleanors Freund zu küssen. Sie hatte sich getraut und darüber war es – wenig überraschend – zum Streit gekommen. Das erklärte zumindest diese Gerüchte, doch da das ganze nun mehr als zwei Monate her war, fragte sich Kyra, ob es wirklich ein Grund für einen Mord war.

Hughes derweil beschuldigte – erneut indirekt – Kerr und merkte an, wie oft diese ohne jedwede Provokation Streitereien mit Russel angefangen hätte. Vor allem in den letzten vier Wochen wäre es schlimm gewesen.

Dies konnte sich Kyra zumindest vorstellen. Immerhin hatte Kerr wie eine äußerst reizbare und auch allgemein eher unangenehme Person auf sie gewirkt. Außerdem war sie nicht drumerherum gekommen, sich zu fragen, ob Kerr nicht irgendetwas verborgen hatte. Sie schüttelte den Kopf. Nicht ihre Aufgabe.

Außerdem erfuhr sie, dass der bereits erwähnte Freund von Talia, oder viel mehr Exfreund, auf den vollen Namen James Swan hörte, kurz Jamie. Ja, Swan war ein nicht so unüblicher Nachname, aber dennoch hätte Kyra bei der Nennung des Namens beinahe aufgelacht.

Nun, zumindest war Mr. Swan mittlerweile unter „Exfreund“ zu verbuchen. Außerdem war er wohl selbst ein Student der angewandten Physik. Das würde Sutherland fraglos ebenfalls interessieren.

Dann sprach sie mit Lara Yates, doch auch diese wollte von nichts wissen. Sie hatte wenig Zeit mit Russel direkt verbracht, meinte sie nur. Auch wenn sie mit Munro befreundet war und daher öfter mal mit ihr „abgehangen hatte“, aber etwas neues erzählte sie Kyra nicht. Nur dieselben Dinge, die sie schon gehört hatte.

Unter anderem erwähnte sie allerdings den Streit mit Irene Duncan, was Kyra feststellen ließ, dass sie wirklich mit diesem Mädchen sprechen musste.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Taroru
2017-10-11T10:36:45+00:00 11.10.2017 12:36
also ich hatte wie immer meinen spaß beim lesen :-)
und ich muss sagen.... es ist echt erstaunlich wie viele leute du unter einen hut bringen kannst, so viele namen.... und von den charakteren auch verschieden (auch wenn wir jetzt nicht bei allen direkt gespräche hatten)
ich freu mich auf mehr :-)
und verdammt.... ich möchte so langsam echt wissen was das motiv war, und wer es war o.O



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