Zum Inhalt der Seite

Seelenschatten

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Erlösung

Während Aerith Zacks Erzählung lauschte, überkamen sie die unterschiedlichsten Gefühle: Stolz auf seine unerschütterliche Tapferkeit, Dankbarkeit und Liebe, weil er sie nie hatte verlassen wollen, Ekel und Sorge, als sie von den Experimenten hörte und nicht zuletzt brennender Hass auf Shinra und Sephiroth. „Wenn ich nicht tot wäre“, zeterte sie, „würde ich allen in diesem Scheißverein höchstpersönlich in den Hintern treten!“ Zack grinste über ihre erboste Miene und drückte sie zärtlich. „Überlass das lieber Cloud. Er mag verwirrt sein, aber er ist einer der besten Kämpfer, die ich kenne. Vielleicht sogar der Beste.“

Aerith lehnte die Stirn gegen das Schlüsselbein ihres Freundes, während sie sich darüber wunderte, wie körperlich das Leben nach dem Tod war, und murmelte: „Apropos Cloud: Du hast mich die ganze Zeit über beobachtet?!“ Als sie daran dachte, was Zack wohl über ihre belanglosen Flirtversuche gedacht haben mochte, wäre sie am liebsten im Boden versunken. Doch der junge Mann nickte lediglich mit einem amüsierten Funkeln in den Augen. „Es hat eine Weile gedauert, bis ich den Bogen raus hatte, aber danach habe ich dich nicht mehr aus den Augen gelassen.“

Als hätte er ihre Gedanken von zuvor erraten fügte er an: „Es tat sehr weh, zu sehen wie unglücklich du warst. Ich habe mich ehrlich gefreut, als Cloud dir dein Lachen zurückgegeben hat. Natürlich war es seltsam, dich mit einem anderen Mann zusammen zu sehen… Doch ich wollte immer nur, dass du glücklich bist. Und Cloud gehört definitiv zu den Guten. Wen hätte ich dir mehr wünschen können als meinen besten Freund?“ Die Wange fest an Zacks Brust gepresst flüsterte Aerith: „Soll ich dir etwas verraten? Ich habe mich nur deswegen für Cloud interessiert, weil er mich an dich erinnert hat.“

Nach diesem Geständnis schwiegen die Beiden eine Weile und Aerith machte von Zacks starkem Arm geführt ihre ersten, etwas wackeligen Schritte in der neuen Umgebung, bis sie an das vorangegangene Gespräch anknüpfte: „Wie funktioniert das eigentlich?“ Ohne seinen wachsamen Blick von ihren ungeübten Füßen zu nehmen, fragte Zack zurück: „Was meinst du?“ „Das Beobachten von Lebenden. Wie geht das? Ich muss wissen, was aus den Anderen geworden ist!“

Nickend machte Zack Halt und stützte seine schwankende Freundin, während er erklärte: „Das kann ich gut verstehen. Also hör zu: Schließe die Augen und konzentriere dich auf die Person, die du sehen willst. Den Rest übernimmt der Lebensstrom für dich.“ Aerith tat wie ihr geheißen und staunte nicht schlecht. Sobald sie an ihre besten Freundin Tifa dachte, erhoben sich wispernde Stimmen, die direkt zu ihrem Herzen sprachen. Doch kaum, dass die Cetra die Ähnlichkeit zu der Situation im Tempel des alten Volks bemerkt hatte, hörte der Zauber auch schon wieder auf.

Irritiert sah sie zu Zack auf, der sie nachsichtig anlächelte und tröstete: „Ich hatte anfangs auch große Schwierigkeiten damit, an nichts anderes zu denken. Versuch, deinen Geist so leer wie möglich zu halten.“
 

Trotz Zacks geduldigem Zuspruch glaubte Aerith nach weiteren Fehlschlägen schon daran, dass sie es wohl nie schaffen würde, zu sehen, was ihre Freunde machten. Umso größer war die Überraschung, als sie auf einmal Tifas gequält wirkendes Gesicht vor Augen hatte. Aeriths Herz schlug ihr bis zum Hals, während sie ihre Freundin beobachtete. Alles wirkte so verändert…

Der Himmel war blutrot und am Horizont stand ein von Feuer umgebener Meteorit, der aussah als würde er in nicht allzu ferner Zeit genau auf Midgar stürzen. Tifa stand zusammen mit ihren Gefährten im Cockpit eines Flugschiffs und krampfte nervös die Hände ineinander. Als Aerith bemerkte, dass außer ihr noch jemand aus der Gruppe fehlte, lief es ihr eiskalt den Rücken herunter. Wo war Cloud?!

Die Augen weit aufreißend wandte die Cetra ihre Aufmerksamkeit wieder ihrem Freund zu und stieß atemlos hervor: „Was ist nur passiert?!“ Zack, der ihre Frage missdeutete, zuckte lediglich mit den Schultern und erklärte: „Wunder dich nicht, wenn deine Freunde plötzlich an ganz anderen Orten oder sogar gealtert sind. Die Zeit vergeht für uns anders als für die Lebenden, weil sie für uns Tote keine Bedeutung mehr hat. Ich weiß nur deswegen ungefähr, wie viele Tage seit meinem Tod vergangen sind, weil ich dich permanent beobachtet und mitgezählt habe.“

„Das meinte ich überhaupt nicht! Schau am besten selbst hin…“ Doch bevor Zack die Augen schließen und sich selbst ein Bild von der Situation machen konnte, kam plötzlich eine Frau mittleren Alters, die Aerith wie aus dem Gesicht geschnitten war, auf das Paar zu und verkündete: „Sephiroth hat die schwarze Materia aktiviert. Das ist passiert.“

Ob der Ähnlichkeit der beiden Frauen blinzelte Zack irritiert, während seine vollkommen perplexe Freundin nach seiner Hand griff und nach Luft schnappend keuchte: „Mutter?!“ Die Frau lächelte herzlich und nickte. „Ich hatte schon befürchtet, du könntest dich nicht an mich erinnern. Du warst so jung, so schrecklich jung…“ Dann gab die Fremde dem sie noch immer verwirrt anstarrenden Mann die Hand und stellte sich vor: „Ich bin Ifalna, Aeriths leibliche Mutter. Und du bist Zack Fair. Ich nehme an, es wundert dich nicht, dass ich meine Tochter im Blick behalten habe und dich deswegen kenne.“

Aerith, die sich inzwischen ein wenig von ihrem Schock erholt hatte, blickte ihre Mutter aus großen Augen an und fragte aufgeregt: „Aber wie konnte das passieren? Ich habe doch ‚Heilig‘ eingesetzt! Oder habe ich dabei etwa einen Fehler gemacht?!“ Ifalna strich ihrer Tochter beruhigend über die Außenseiten der Oberarme und versicherte: „Du hast überhaupt nichts falsch gemacht, Kind. ‚Heilig‘ konnte seine Wirkung nicht entfalten, weil Sephiroths Wille den Zauber blockiert.“

Bei diesen Worten verlor Aerith schlagartig sämtliche Gesichtsfarbe und flüsterte resigniert: „Das bedeutet, es ist alles aus…“ Zack jedoch presste grimmig die Lippen aufeinander und brummte: „Gib die Hoffnung nicht zu früh auf. Noch ist der Meteor nicht aufgeschlagen. Vielleicht schaffen Cloud und die Anderen es noch rechtzeitig, Sephiroth zu besiegen.“

Traurig zu Boden blickend biss Aerith sich auf die Unterlippe. Ob sie Zack sagen sollte, dass sein bester Freund anscheinend die Gruppe verlassen hatte? Doch noch bevor sie einen Entschluss fassen konnte, nickte ihre Mutter und fügte lächelnd an: „Dein Freund hat Recht, Liebes. Noch ist nicht alles verloren. Also halte dich bereit: Sobald jemand Sephiroths Siegel bricht, werden alle Cetra gebraucht!“
 

„Ich werde noch wahnsinnig!“ Aerith stampfte mit dem Fuß auf und sah Zack hilfesuchend an, obwohl ihr klar war, dass dieser ihr nicht helfen konnte. Er musste genau wie sie geduldig abwarten und darauf hoffen, dass Sephiroths Bann noch rechtzeitig gebrochen werden konnte. Doch auch wenn die Cetra sich darüber bewusst war, machte sie die eigene Hilflosigkeit dennoch verrückt. Wie gerne hätte sie ihren Freunden unter die Arme gegriffen, anstatt im Jenseits Däumchen zu drehen!

Um sich ein wenig abzulenken, fragte sie: „Gibt’s etwas Neues von Cloud?“ Inzwischen hatten sie herausgefunden, dass der Blonde bei einem Zwischenfall im Nebelkrater in den Lebensstrom gefallen war und nun zum zweiten Mal in seinem Leben an einer heftigen Makovergiftung litt. Tifa, die ihn endlich wiedergefunden hatte, wachte Tag und Nacht bei ihm, während der Rest der Gruppe sich einen Wettlauf mit der ShinraInc lieferte. Die Leitung des Energiekonzerns wollte eine mit riesiger Materia bestückte Rakete in den Meteor lenken, um ihn so zu sprengen. Die Truppe befürchtete jedoch, dass ein zersplitterter Meteor nur noch mehr Schaden anrichten würde.

Zack schüttelte traurig den Kopf und ließ sich lang auf den Rücken fallen, während er knurrte: „Ich hoffe, er kommt bald wieder zu sich. Du kannst dir nicht vorstellen, wie gerne ich ihn jetzt schütteln würde…“ Sich neben ihren Freund setzend grinste Aerith: „Oh doch. Ich würde nämlich liebend gern dasselbe tun.“

Die innere Unruhe der beiden Toten wurde immer größer, während sie beobachteten, wie Cloud wieder zu sich selbst fand, sich erneut der Gruppe anschloss und sich mit Scarlett und Heidegger, zwei vollkommen größenwahnsinnige Abteilungsleiter der ShinraInc, sowie mit Professor Hojo herumplagte. Unterdessen hatte der Präsident Shinras mit Hilfe einer gewaltigen Kanone dafür gesorgt, dass die Barriere, die Sephiroth um sein Versteck herum errichtet hatte, in sich zusammengebrochen war.
 

Aerith kribbelte es fürchterlich in den Händen, sobald sie sah wie ihre Freunde den Nebelkrater hinabstiegen, um sich der finalen Auseinandersetzung zu stellen. Zunächst krallte sie ihre Finger in Zacks Pullover, doch als die Gruppe Sephiroth erreichte und der Kampf begann, sprang der junge Mann auf die Füße und feuerte seinen besten Freund mit fliegenden Fäusten an: „Los, Cloud! Das schaffst du! Mach diesen Verrückten platt!“

Während Zack mit seinem Schatten boxte so als wäre er selbst bei der Auseinandersetzung dabei, kaute Aerith nervös auf ihren Nägeln. Sephiroth war noch wesentlich mächtiger als sie bisher geglaubt hatte, doch seine acht Gegner kämpften mit der Kraft der Verzweiflung und schafften es tatsächlich nach einem langen, aufregenden Kampf, Sephiroth zu vernichten!

Vor Glückseligkeit fiel Aerith ihrem Freund um den Hals und stieß mit ihm gemeinsam einen lauten Jubelschrei aus, als Ifalna wieder auftauchte und mit ihrer ruhigen, sanften Stimme verkündete: „Es ist Zeit, mein Kind.“ Ein wenig ängstlich sah die junge Cetra zu Zack auf, der ratlos mit den Schultern zuckte, dann ergriff sie die dargebotene Hand ihrer Mutter. Sofort hatte sie das Gefühl, die Präsenz unzähliger Geister und Personen zu spüren. Als könnte sie die Gedanken ihrer Tochter lesen erklärte Ifalna: „Wir Cetra stehen hier im Lebensstrom in ständiger Verbindung miteinander. Du wirst auch noch lernen wie das funktioniert. Aber jetzt höre mir gut zu: die Angehörigen des alten Volks sind in der Lage den Lebensstrom zu kontrollieren. Konzentriere dich und hilf uns, den Lebensstrom als Waffe gegen den Meteor einzusetzen. Dies ist die Wirkung von ‚Heilig‘!“

Aerith holte tief Luft und warf Zack, der ihr in einer aufmunternden Geste eine Hand auf die Schulter legte, einen dankbaren Blick zu. Dann schloss sie die Augen und konzentrierte sich auf das Gefühl, das sie überkommen hatte, während sie vor dem Altar gebetet hatte. Nach nur kurzer Zeit spürte sie deutlich wie sie von einer unbeschreiblichen Macht ergriffen und eingehüllt wurde. Ihr war in diesem Moment als hätte sie mit nur einem Fingerschnippen den gesamten Planeten vernichten können.

Doch stattdessen riss sie den Arm hoch und befahl dem Lebensstrom an die Oberfläche zu treten und mit aller Kraft gegen den herabstürzenden Meteor zu drücken. Dem Gewicht des riesigen Gesteinsbrockens standzuhalten, war eine schwierige, kraftraubende Arbeit, aber irgendwann fühlte Aerith, dass der Meteor von der Gewalt des Lebensstroms auseinandergerissen und aufgerieben wurde. Nur kurz darauf war von der einstigen Bedrohung nicht mehr übrig als ein wenig Steinstaub und glitzernde Pfützen, die der Lebensstrom hinterlassen hatte.

Zack schloss seine Freundin fest in die Arme und flüsterte: „Du hast es geschafft! Ich bin so stolz auf dich!“ Aerith lächelte breit zu ihm herauf und dankte ihrem Schicksal, bevor sie Zack einen Kuss auf die Lippen hauchte. Nach all der Zeit des sehnsüchtigen Wartens und der Turbulenzen hatte sie nicht nur ein ewiges Leben mit Zack bekommen, sondern auch ihre leibliche Mutter kennen gelernt, sowie ihre Freunde und den Planeten retten können.

Tot zu sein war für sie gar nicht mal so übel…



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück