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Hundstage

Kein Hund wie jeder andere
von

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Väter und Söhne


 

I

zayoi hatte sich in ihr Schlafzimmer zurückgezogen. Sie machte sich Sorgen um Misako - ihre Zofe war bislang wirklich nett gewesen – und sie hatte keine Ahnung, wie sehr die ältere Frau verletzt worden war. Zum Anderen allerdings fand sie sich in einem so seltsamen Widerspruch wieder, dass sie sich nicht Akikos Augen aussetzen wollte.

Ja, das war Sesshoumaru gewesen, der Sohn ihres Ehemannes, ein junger Inuyoukai, vermutlich kaum erwachsen. Aber das, was sie in dem letzten, einzigen, panischen Blick auf ihn hatte erhaschen können, war, dass er so unbekleidet perfekt erschien. Vermutlich würde ein Mensch nie so aussehen können. Und trotz all ihrer Unerfahrenheit – dank Halbbruder, Biologieunterricht und Internet war sie überzeugt, dass ein männlicher Inuyoukai in Menschenform nicht anders aussah als ein menschlicher Mann. Sie hatte sich vollkommen sinnlos gefürchtet, und unbenommen der ganzen unangenehmen Lage war sie fast froh, dass das so geklärt war. Sie musste nur eigenartigerweise daran denken, wie sich die Klaue, nein, die Hand des Taishou angefühlt hatte, als sie ihre Wange hineingelegt hatte, wie sie auf seinen so seltsamen Fellteilen geschlafen hatte. Und doch sorgte sie sich gleichzeitig um Misako und betrachtete immer wieder das Handy.

Andererseits wusste sie auch genug von den althergebrachten Sitten und Gebräuchen um nicht zu verstehen, dass ein solcher Zwischenfall auch für sie Ärger bedeuten konnte, gerade in der so strikten Youkai-Gesellschaft. Immerhin hatte sie ihre beiden Dienerinnen dabei gehabt, zumindest Akiko würde bezeugen können, was geschehen war, ja, hatte dies auch schon getan, während sie selbst sich im Bad umgezogen hatte, und ...

Die äußere Tür!

 

Akiko warf sich lieber unverzüglich flach vorwärts, als sie sah, dass der Inu no Taishou diesmal mit seinem Sohn hinter sich eintrat. Das konnte Ärger geben. Für sie, für die arme, junge, Herrin. Sie wusste genug von Youkai, um nicht zu wissen, dass Strafen wie einst bei Menschen im Mittelalter verhängt wurden. Schnell und des Öfteren grausam. Aber sie würde nicht zugunsten des Erben lügen. Erstens würde das der Fürst unverzüglich mitbekommen, und die Götter wussten, was dann auf sie wartete, zum Anderen: Izayoi-sama sollte doch nicht für einen Fehler büßen müssen, den dieser Jugendliche … den dieser dumme Hund veranstaltet hatte! Und sie selbst hatte doch bislang nur die reine Wahrheit gesagt!

 

„Warte dort.“

Die Hand des Taishou deutete auf die Tatamimatte vor dem jetzt kalten Tischofen und sein Sohn gehorchte eilig, wohlweislich einen Meter entfernt, da er annahm, der Herr der Hunde würde sich ebenfalls dort hin setzen wollen, und so den Höflichkeitsabstand wahrend. Es gab keinen Grund Vater noch mehr zu erzürnen. Sogar dieser Mensch von Hofdame hatte das verstanden, denn sie lag nur mit ausgestreckten Fingern auf dem Bauch, ohne sich zu rühren. Das änderte sich schlagartig bei dem nächsten Satz des Daiyoukai.

„Akiko, hole meine Gemahlin.“

 

Oh du je, dachte Akiko nur, während sie diensteifrig gehorchte. Eine Gegenüberstellung, oder wie die Polizei das nannte? Aber, was sollte sie schon tun? So ging sie zur Schlafzimmertür und schob diese behutsam beiseite, erleichtert, dass die junge Dame mitdachte und sich soeben einen Yukata über das eigentliche Nachthemd streifte. „Wenn Sie bitte folgen wollen ... Oyakata-sama und Sesshoumaru-sama wünschen Sie zu sehen.“ Nur wenigstens eine kleine Warnung.

„Ja, natürlich.“ Izayoi wusste, dass sie von den Youkai draußen gehört wurde, und zog sich eilig den Gürtel um. „Bitte, bleibe neben dem Haustelefon, solange du keine anderen Befehle hast.“ Die in diesem Fall nur vom Hausherrn kommen würden. Sie schlüpfte barfüßig rasch in die Getas. Kaum eine korrekte Kleidung, aber das war ja wohl ein Familientreffen, hoffte sie. Sie ging hinaus. Vater und Sohn saßen bereits in dem respektgebotenen Abstand hintereinander vor dem Tischchen. So verneigte sie sich tief. „Guten Abend, oyakata-sama.“ Ob er ebenso perfekt und fast menschlich wie sein Sohn aussah? Überall? Und, wieso wurde ihr heiß bei diesem Gedanken?

Sie beachtete die Formalität in Gegenwart anderer, obwohl sie nervös war. Und da war etwas in ihren Augen, als sie ihn kurz angesehen hatte, was nie zuvor da gewesen war – etwas, das keine Angst verriet, eher, ja, Freude? Mehr als zufrieden hob der Herr der Hunde die Hand. „Nehmen Sie Platz, meine Liebe. - Mein Sohn, dessen Benehmen Sie in Ihrer Güte entschuldigen würden, wünscht etwas klar zu stellen.“

 

Mist, dachte der Jugendliche. Da gab es keinen Zweifel bei Vater, wer an was Schuld war. Was hatte diese dämliche Hofdame … Nun ja, sie hatte die Wahrheit gesagt. Aber das war ein Mensch! Eine Schuld zugeben zu müssen war schon gegenüber seinem eigenen Erzeuger, einem Daiyoukai, ungemein peinlich, aber auch noch gegenüber einem nichtswürdigen Geschöpf, das er mit einem Finger umbringen könnte? Mutter würde …

Nun ja, ehe er auch nur dazu käme zu Mutter zu gelangen, würde Vater ihn vor versammelter Mannschaft des jämmerlichsten Todes sterben lassen, den es je gab. Und Mutter würde ihrem Herrn und Gebieter vermutlich zum Lebensende ihres unfähigen Sohnes Blumen und eine untertänige Entschuldigung, dass sie so etwas produziert hatte, schicken. So gut kannte er seine Eltern. Mochte Vater auch nachsichtig wirken – wenn es um seine Ehre und seine Autorität, damit seine Herrschaft, ging, war jeder Spaß vorbei. Bei beiden.

So neigte Sesshoumaru den Kopf. „Wie ich Ihnen bereits sagte, Izayoi-sama, handelte es sich um einen unglücklichen Zufall, den ich bedauere. Es lag weder in meiner Absicht Sie zu beleidigen noch Ihr Bad zu unterbrechen.“ DAS würde er ihr irgendwann heimzahlen!

 

Izayoi lächelte ihren Ehemann an. Er hätte seinen Sohn bestrafen können, es aber nicht getan, ohne ihre Aussage abzuwarten. Das war sehr gerecht von ihm. Er war wirklich vornehm, in jeder Beziehung. So wandte sie sich mit einer Verneigung zu ihrem Stiefsohn. „Dessen bin ich mir vollkommen bewusst, Sesshoumaru-sama. Ich hätte diesen Vorfall auch bereits vergessen. Ich hoffe nur, dass meine Zofe diesen Zwischenfall ohne längerfristige Verletzung überstanden hat.“

Sie hatte ihn angelächelt, wie nie zuvor. So ehrlich, so erfreut, so … irgendwie neu. Der Taishou konnte nicht anders als sich geschmeichelt zu fühlen und beschloss die Strafe für seinen Sprössling zu verändern. Nein, da war von keinem der Beiden etwas anderes als Zufall im Spiel gewesen. „Mein Sohn wird sich ohne Zweifel bei Ihnen hier gern aufhalten, bis der Anruf aus dem Krankenhaus kommt. - Akiko, du bleibst hier bei den Beiden.“ Er erhob sich, ohne auf das gehorsame Kopfsenken der Drei im Raum weiter zu achten. „Und, Sesshoumaru – morgen um elf solltest du im Tal des Wasserfalls sein.“

„Ja, verehrter Vater.“ Auch das noch, dachte der Jugendliche. Möglicherweise jetzt Stunden mit menschlichen Weibern in einem Raum sitzen zu müssen – und am nächsten Vormittag wartete auf ihn ein Kampf in Hundeform. Natürlich würde der, wie immer, damit enden, das er demütigend auf dem Rücken liegend und schmerzhaft seine eigene Schnauze in der seines Vaters fand.

 

Izayoi zögerte einen Moment, durchaus unsicher, was das darstellen sollte. Die Hofdame bot ihrem Ruf und damit dem ihres Ehemannes Schutz, aber was sollte sie jetzt nur mit dem Sohn des Hauses anfangen? Sie kannte ihn nicht – und der Beginn ihrer Bekanntschaft war wohl auch bereits denkbar ungünstig verlaufen. Hoffte der Taishou etwa, dass sie sich so besser kennenlernen würden? Sie verstand wirklich nicht viel von Männern, aber sie hatte einen Bruder – und der war nach Tadel oder mehr seitens seines Vaters eher zornig gewesen auf alles und jeden als sich unterhalten zu wollen. Vielleicht sollte sie ihren Stiefsohn einfach sachlich auf den Informationsstand bringen. „Ich vermute es wird nicht mehr lange dauern, Sesshoumaru-sama. Das Krankenhaus sagte nur noch, dass Misako geröntgt werden muss, davon hängt es ab, ob sie nach Hause darf oder noch im Krankenhaus bleiben muss. Das war vor eineinhalb Stunden. Ich hoffe eigentlich jeden Augenblick auf den Anruf, dass sie abgeholt werden kann.“

Da waren sie zum ersten Mal einer Meinung, dachte Sesshoumaru. Je schneller er aus der Nähe dieser jämmerlichen Geschöpfe war, desto besser. Aber ohne diesen vermaledeiten Anruf konnte er morgen kaum seinem Vater gegenüber treten. Nun ja, nicht, ohne dass auf diesen, im Ergebnis vorhersehbaren und schmerzhaften, Kampf noch etwas folgte. Immerhin schien diese Izayoi etwas von Höflichkeit zu verstehen, denn sie schien nicht von ihm zu verlangen sie mit „Mutter“ anzusprechen. So zwang er sich zu der ehrlichen Antwort: „Ihre Hoffnung ist die meine.“

 

Dann herrschte Schweigen.

 

Akiko seufzte nur innerlich. Was bloß hatte sich der Daiyoukai dabei gedacht? Die Herrin konnte sich kaum mit ihr unterhalten, das wäre gegenüber dem Sohn des Hauses mehr als unhöflich. Zum Glück wusste das Izayoi-sama wohl auch. Und, dass der mit der offensichtlich angekündigten Bestrafung nicht sonderlich glücklich war, konnte sich jeder vorstellen. Sollte das hier etwa eine Ausdehnung seiner Sanktionierung sein, wenn er Izayoi gegenüber sitzen musste? Dann hatte der Fürst wohl übersehen, dass er auf diese Art seine Frau ebenso mit bestrafte, denn so schweigend einem grummelnden Teenager gegenüber zu knien und nichts sagen zu dürfen, war doch sicher auch sehr unangenehm für die junge Dame, die nun wahrlich an diesem Zwischenfall unschuldig war. Sie zuckte in der Stille förmlich zusammen, da das Telefon klingelte.

Es handelte sich allerdings um Izayois privates Mobilphon und so stand diese auf und eilte in ihr Schlafzimmer, wo sie es liegen gelassen hatte.

„Ja? - Misako! Was bin ich froh. Wie geht es dir?“

 

Immerhin lebte diese törichte alte Frau noch, dachte Sesshoumaru. Das war dann schon einmal deutlich besser. Jetzt musste sie nur noch nach Hause dürfen … Menschen waren einfach auch schrecklich zerbrechlich. Mit einer flüchtigen Handbewegung konnte man sie ins Jenseits befördern oder schon schwer verletzen. Hm. Wie schaffte es Vater eigentlich seine Ehefrau im Bett nicht aus Versehen umzubringen? Seine Selbstbeherrschung schien noch größer, als er selbst bislang immer angenommen hatte. Aber dazu würde er ihn sicher nicht befragen. Er stand sowieso schon am Rande einer lang dauernden Ungnade, das musste er nicht noch forcieren. Und immer nur wegen der Menschen! Nein. Er sollte lieber zuhören, statt sich selbst zu bemitleiden.

 

Izayoi kam in das Wohnzimmer zurück, das ausgeschaltete Handy in den Fingern. „Akiko, du kannst doch gewiss einen Fahrer in das Hospital schicken? Misako darf herkommen, aber ungefähr sechs Wochen nicht arbeiten. Drei Rippen sind gebrochen, aber da kann man nichts tun, die müssen von allein zusammen wachsen. Und Misako ist nicht mehr so jung, da dauert es wohl länger. Bis sie abgeholt werden kann, werden noch die Prellungen versorgt.“

„Ja, natürlich, Izayoi-sama, ich rufe den Fahrdienst an. Schön, dass es ihr besser geht.“ Normalerweise wäre Akiko in die Bereitschaft, wo Taro sich eigentlich immer aufhielt, vorgegangen, aber sie konnte ja schlecht die Zwei hier allein lassen, das wäre gegen den klaren Befehl des Hausherrn – und würde alle nur noch mehr in Probleme stürzen, sie selbst nicht zuletzt. So erhob sie sich und ging zum Haustelefon.

Sesshoumaru rang mit sich. Da war der heiß ersehnte Anruf – konnte er jetzt gehen? Oder musste, sollte, er dieses Menschenweib auch noch um Erlaubnis bitten? Nein, dass ließ sein Stolz nicht zu. Andererseits, wenn sie sich bei seinem verehrten Vater über mangelnde Höflichkeit beschwerte – nun ja.

Izayois Erfahrung mit einem Jungen, wenngleich Hanyou, als Teenager, ließ sie mit einem Kopfneigen sagen: „Ich bin überzeugt, Sesshoumaru-sama, dass Sie nach Ihrer Rückkehr noch viel zu erledigen haben. Meine Zofe wird in zwei Stunden hier im Schloss eintreffen und in ihre Wohnung zurückkehren können.“

Das war die Information, die er benötigte, um sich bei Vater zu rechtfertigen. Sehr gut. Immerhin schien diese Izayoi mitdenken zu können und höflich zu sein. Warum sie wohl ausgerechnet Vater geheiratet hatte? Nun ja, der hatte gesagt, sie habe es nicht freiwillig getan, was natürlich Unfug wäre. Es gab Hunderte von Frauen beider Arten, die diesen Reichtum, diesen Status, ersehnten. Wieso sollte man jemanden zwingen müssen, das zu bekommen, was alle anderen wollten? Das war sicher ein Missverständnis seines verehrten Vaters. Den er leider in wenigen Stunden schon sehen musste. Das Tal des Wasserfalls bot eine natürliche Felsarena mit weichem Untergrund und wurde seit Jahren von dem Inu no Taishou für zuerst Welpenspiele, dann immer heftiger werdende Kämpfe mit seinem Sohn genutzt, Wettbewerb oder Strafen. Immerhin bedeutete das, dass niemand zusehen würde. „Sie haben vollkommen Recht.“ Der Jugendliche stand auf. Halt, höflich bleiben. „Gute Nacht, Izayoi-sama.“

Sie verneigte sich schweigend, unsicher, was sie antworten sollte. Er würde ja kaum Schlaf benötigen. Er schien jedoch auch keine Antwort erwartet zu haben, denn er schritt betont aus dem Pavillon. So sah sie zu Akiko, wartete jedoch eine volle Minute, ehe sie aufatmete. „Ich hoffe, das war alles korrekt.“

„Ich denke schon, also, von Ihrer Seite, Izayoi-sama.“

„Gut. Ich denke, wir gehen beide ins Bett. Morgen gegen neun werde ich einmal zu Misako sehen. Du weißt sicher, wo sie wohnt?“

„Ja. Ich werde hier sein und Sie begleiten.“

 

Es war später Nachmittag, als der Inu no Taishou das Wohnzimmer seiner Ehefrau betrat. Sie trank gerade Tee, verneigte sich aber eilig. Akiko kniete neben der Tür. „Wie geht es Ihrer Zofe?“ erkundigte er sich.

„Die Ärzte sagten, sie solle für sechs Wochen nicht arbeiten, aber sie meint, sie könne sicher schon in wenigen Tagen hier sein, wenigstens einiges im Sitzen machen.“

Da ihm Sesshoumaru heute Morgen einen abweichenden Bericht gegeben hatte, ließ das nur einen Rückschluss zu. „Sie waren heute bereits bei ihr.“ Er ließ sich nieder.

„Ja.“

„Sie erfüllen Ihre Pflichten.“ Er wandte den Kopf. „Geh.“

Akiko gehorchte eilig. Immerhin bekam sie so Pause. Allein mit Izayoi-sama war es doch ein wenig langweilig. Sie redete gern mit Menschen. Und es schien auch nicht so, als wolle der Daiyoukai seine Gemahlin züchtigen.

 

Izayoi stellte ihre Teeschale ab und neigte etwas den Kopf. Wie sollte sie das fragen? „Ich vermute, Sie haben Ihren Sohn bestraft.“

Er schwieg eine Sekunde. „Nun, ich wüsste nicht, dass Sie das etwas angeht. Oder bedeutet er Ihnen etwas?“

„Nein.“ Irrte sie sich oder hatte sie da irgendein Gefühl herausgehört, wie sie es so von ihm noch nie vernommen hatte? „Ich wäre nur unglücklich würde um meinetwillen und eines Zufalls willen Zwist in Ihrer Familie einziehen. Verzeihung, das war vermutlich wieder zu menschlich gedacht. Ich erinnere mich jetzt an das Straftraining ...“ Myouga hatte da gesagt, das sei wie Ohrfeigen bei Menschen.

Es würde wohl immer wieder Situationen geben, in denen der Unterschied der beiden Arten nur zu deutlich wurde. „Ja, so in etwa.“ Er sollte sie nicht mit den Einzelheiten eines Hundekampfes durcheinander bringen, bei dem er am Schluss seinem unterlegenen Welpen quer über die Schnauze biss, um die Dominanz noch einmal zu unterstreichen.

„Danke.“

„Wofür?“ fragte er, tatsächlich etwas verwirrt.

„Ich muss Ihnen manchmal recht töricht erscheinen und doch beantworten Sie meine Fragen.“

Er dachte an ihr so offenes Lächeln gestern Abend. „Gern. Würden Sie mir einen Gefallen tun?“

„Ja, natürlich.“

„Dann starren Sie nicht die Teeschale an, sondern sehen mich an.“

Immer wieder, dachte sie. Immer wieder wollte er, dass sie ihn gegen die Etikette anblickte. Sie gehorchte mit einem unsicheren Lächeln. Er trug wieder die Seidenkleidung, wie eigentlich immer hier im Schloss. Seine Fellteile wanden sich hinter ihm auf dem Boden. Waren sie noch länger geworden? Sie hatte manchmal schon das Gefühl gehabt, dass sie sich verändern konnten. Youki? Er war vermutlich nicht nur im Gesicht seinem Sohn mehr als ähnlich – und der hatte unbekleidet wirklich perfekt ausgesehen, ein anderes Wort fand sie nicht dafür. Die wenigen Berührungen, die sie von ihrem Ehemann erhalten hatte, waren ihr auch nicht unangenehm gewesen, nur verwirrend. War das schlicht ihrer Unerfahrenheit geschuldet? Seine Hände waren noch immer Klauen, aber er hatte recht gehabt, er konnte damit sehr behutsam sein. Jetzt hatte er sie nachlässig auf seine Oberschenkel gelegt, offenbar vollkommen entspannt .

Der Taishou bemerkte durchaus, dass sie ihm nicht mehr in die Augen sah, sondern auf seine Hände starrte. Sie hatte gleich nach der Heirat gesagt, dass sie sie fürchte – ein Instinkt wohl aller Menschen. Aber daran konnte er nun einmal nichts ändern. Immerhin lag keine Angst mehr in ihren Augen, wenn sie ihn ansah, eher etwas, das er nicht so recht deuten konnte. Freude – oder etwas ganz anderes? Vielleicht sollte er einen Schritt weiter gehen. „Möchten Sie meine Hände noch einmal direkt spüren? Würde das Ihre Sorge weichen lassen?“

Sie konnte nicht anders als ihn anzustarren. Was meinte er? Er wollte doch nicht …?

Er witterte die jähe Panik und hob eilig die Rechte. „Geben Sie mir Ihre Hand, das meinte ich.“

Sie reagierte nicht nur töricht, sondern auch noch zwiespältig, dachte sie. Nun gut. Sie war tapfer gewesen, als sie in der Hochzeitsnacht ihm anbot sie zu verletzen um etwas vorzutäuschen. Wieso reagierte sie jetzt so furchtsam? Was hatte er denn getan, um sie so in Schrecken zu versetzen? Höchstens, dass er Gefühle in ihr weckte, seltsame Wärme, die sie nie zuvor empfunden hatte. Ohne weiter nachzudenken erhob sie sich.

Das war gegen die Etikette, dachte der Taishou noch, verwundert, was das werden sollte. Zu seiner gewissen Überraschung drehte sie ihm den Rücken zu und streifte ihr Haar vornüber, damit ihren Nacken frei legend. Das war eine Einladung die Szene in seinem Büro zu wiederholen. Er sprang förmlich auf. „Izayoi!“ Fast behutsam legte er jedoch seine Finger auf ihre Schultern, ehe er den Kopf neigte und ihren Hals küsste. Sie wollte ihm vertrauen – aber da war immer noch eine gewisse Angst. Nur: vor dem Mann oder vor dem Youkai? Hatte es sie wieder verschreckt, dass er Sesshoumaru bestraft hatte? Menschenväter taten das doch auch, soweit er wusste. Oder war es genau das? Gleich. Darüber konnte er auch noch nachdenken, wenn er nachts allein in seinem Zimmer saß. Jetzt sollte er den Moment genießen.

Geben Sie mir Ihre Hand, dachte sie. Mehr hatte er gar nicht gewollt – und doch verursachte die ungewohnte Zärtlichkeit wieder diese Schmetterlinge im Bauch. Vielleicht konnte sie ihm wirklich ohne Furcht die Hand reichen, nein, sie hatte es doch schon getan … Sie hob ihre Hände und legte sie auf seine Finger, spürte sofort, wie er ihren Körper rückwärts zog, an sich, soweit es das Kissen des Kimono gestattete. Das gefiel ihm, anscheinend, ebenso gut wie ihr dieses so behutsame Streicheln ihres Nackens mit seinen Lippen.

Zurückhaltung, mahnte sich der Herr der Hunde und gab sie schweren Herzens frei. „Sie sind eine bezaubernde junge Frau,“ sagte er nach einem etwas zu tiefem Atemzug. „Ich bin nicht sehr eifersüchtig auf meinen Sohn.“ Der deutlich mehr von ihr gesehen hatte als er selbst.

Nur etwas, erkannte sie, als sie sich umdrehte und ihn anlächelte, da sie mit einem Mal verstand, dass das Gefühl, das sie zuvor zu hören geglaubt hatte, tatsächlich da war – Eifersucht. „Sie sind sehr nachsichtig und geduldig mit einem törichten Menschenmädchen. Ich gebe Ihnen aber mein Wort, dass ich Ihnen das alles irgendwie zurückzahlen werde.“ Da tauchte plötzlich wieder dieser spitzbübische Funken in seinen Augen auf, der sie vergessen ließ, dass er kein Mensch war, und sie lächelte abermals, offen und ehrlich.

„Vorsicht,“ sagte der Daiyoukai und es klang rau. „Ich könnte darauf zurückkommen wollen, eines Tages.“

 

Onigumo no Gumo hatte kaum ein Auge für die herrliche Aussicht an diesem Parkplatz. Er ließ lieber seinen Sohn nicht aus dem Blick. Schön, der hatte die Augen nicht von der Straße und ihren Schwüngen gelassen, hatte nichts getan, was seinen Argwohn hätte wecken sollen – bis auf die Tatsache, dass der nicht angespannt war. Es ging doch immerhin um einen fingierten Unfall, bei dem selbst ein Hanyou verletzt werden konnte. Oder kamen da die Youkaigene mehr als deutlich an den Tag? Im Kampf war diese Art immer nüchtern. Nun ja, da waren Imbiss-Boxen und zwei noch verschlossene Coladosen, die Naraku brachte und auf den Tisch des Parkplätze stellte.

„Nehmen Sie sich nur schon, Vater. Ich habe mein Fernglas dabei und sehe mich noch ein wenig um. - Sehr hübsche Aussicht, nicht wahr?“

„Ja.“ Alles wirkte für Vorbeikommende sicher harmlos. Die Imbiss-Boxen waren ebenso original verpackt wie die Dosen. Unsinnig. Wieso sollte Naraku ihn auch vergiften wollen? Vermutlich kam sein Misstrauen eben daher, dass er selbst seinen Vater, seine erste Ehefrau, umgebracht hatte.

Naraku trat an den Zaun, der den Abhang sicherte, und hob das Fernglas. Es war völlig gleich, wie sich Vater entscheiden würde, das hatte er sicher gestellt. Es ging um zehn Millionen und die Zukunft der Firma. Da leistete man sich keinen Fehler.
 


Nachwort zu diesem Kapitel:
Das nächste Kapitel ist denn auch Onigumo gewidmet.

Es wird etwas verspätet kommen, da ich bis Samstag in Urlaub bin.

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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  Teilchenzoo
2018-05-29T18:48:13+00:00 29.05.2018 20:48
Sesshoumaru will Izayoi heim zahlen, dass er sich auf Befehl seines Vaters für SEINEN EIGENEN Fehler entschuldigen muss? Meine Güte, bei dem Teenager läuft aber einiges falsch ^^° ... so ein egozentrisches Kind. Wie haben der Taishou und seine Gemahlin, die ja beide ihre Fehler einsehen, so etwas produziert? Und so viel Selbstmitleid ob der Strafen :'D ... mir scheint, bei Youkai ist die Pubertät ganz besonders heftig. Nimmt doch mal jemand das kleine Schmollding in den Arm :''D.

Izayois Gefühle sind wirklich sehr ... ich kann verstehen, dass sie das verwirrt und sie in Verlegenheit stürzt, ausgerechnet durch Sesshoumaru zu ihrer Erkenntnis gekommen zu sein. Eeetwas ungünstige Situation.

Huh. Onigumo erkennt sich selbst. Kein Mitleid von meiner Seite.
Von:  _Momo-chan_
2018-05-23T05:52:47+00:00 23.05.2018 07:52
Ich finde es fast schade, dass Sesshomaru so schnell wieder gehen musste. Hätte sich tatsächlich ein Gespräch entwickelt, wäre das sicher interessant geworden, aber sicher verbietet Izayois Höflichkeit ein Gespräch, dass nicht aus Oberflächlichkeiten besteht. Da möchte man gar nicht an ihrer Stelle sein. Sie ist sicher einsam, wenn sie ihre Freundinnen kaum sieht und selbst gegenüber ihrem Ehemann ständig aufpassen muss, was sie sagt. Diener sind auch nicht unbedingt auf Augenhöhe.
Sicher wird Naraku seinen Vater mit in den Unfall verwickeln. >D
Von:  Sanguisdeci
2018-05-19T06:40:51+00:00 19.05.2018 08:40
Ein sehr schönes Kapitel. Ich freue mich richtig beim Lesen, wie sich Izayoi und der Herr der Hunde annähern. Weiter so! :D
Ebenso gespannt bin ich nun, wie es mit Onigumo und Naraku weiter gehen wird.
Dir einen schönen Urlaub :)


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