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Stories from the Pridelands

von

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Neubeginn

Sie blinzelte.

Der Steinboden unter ihr war warm, und eine leichte Brise strich durch ihr Fell.

“Ah, du bist wach!”, sagte eine Stimme im Hintergrund. Ein Löwe. Seine Stimme war so warm wie die Sonnenstrahlen, die durch den Höhleneingang schienen und den Boden erwärmten. Aber man konnte ja nicht wissen, was er im Sinn hatte.

Wo bin ich hier überhaupt?, begann sie sich langsam zu fragen. Und wer ist dieser Löwe?

Sie begann leise zu knurren, er machte einige Schritte auf sie zu. Ein paar Schritte zu viel.

Instinktiv schoss ihre Pfote vor und sie erwischte den Fremden im Gesicht.

“Autsch!”

Er schien nicht damit gerechnet zu haben. Außerdem klang seine Stimme auch nicht besonders angriffslustig oder verärgert. Nein, er war einfach nur überrascht.

“Nun ja, das Weißmoos scheint seine Wunden jedenfalls gestillt zu haben”, sagte er, und sie meinte, eine gewisse Belustigung in seiner Stimme zu hören.

Ich glaube, er ist keine Gefahr für mich ,dachte sie im Stillen, während sie versuchte, sich aufzurichten. Erst jetzt nahm sie ihre Umgebung richtig wahr: Sie befand sich mit dem Fremden, der offensichtlich ihre Wunden versorgt hatte, in einer hellen, geräumigen Höhle. Sie hörte leises Wasserrauschen und das Rascheln von Schilfgras im Wind. Ein Fluss! Auch der Geruch war anders als zuhause.

Argwöhnisch musterte sie nun den Löwen, der immer wieder scheue Blicke zu ihr hinüberwarf. Er war noch jung, aber kräftig und gut genährt. Ob er wohl aus der Königsfamilie stammte? Seine hellbraune Mähne und sein Fell waren ein wenig zerzaust, aber seine nussbraunen Augen hatten ein Leuchten, dass ihr irgendwie gefiel…

“Ähm… hallo.”

Dummer konnte man jemanden ja kaum ansprechen, der einem anscheinend das Leben gerettet hat. Aber den Fremden interessierte das wohl nicht, ein kleines Lächeln huschte über sein Gesicht.

“Wer bist du?”, fragte sie, jetzt ein bisschen mutiger.

“Mheetu.” Der Löwe namens Mheetu machte einen vorsichtigen Schritt auf sie zu. Offensichtlich hatte er die Sache mit dem Tatzenhieb noch nicht vergessen.

“Ich bin Damu”, presste sie hervor. Irgendwie kam ihr der Schlag plötzlich ein bisschen peinlich vor. Mheetu hatte immer noch diese kleine Schramme im Gesicht. Aber er sprach sie glücklicherweise nicht mehr darauf an.

“Du weißt wohl immer noch nicht so richtig, wo du bist, wie?”

Erraten. Verlegen senkte sie den Kopf und spürte, wie sie rot wurde.

“Komm einfach mit. Ich zeig dir die Gegend.”, sagte er mit einem Kopfnicken zum Höhleneingang. Überhaupt nicht eingebildet. Einfach so.

Wie in Trance setzte sie eine Pfote vor die andere, konnte kaum einen klaren Gedanken fassen. Sie folgte Mheetu aus der Höhle heraus und wurde von grellem Sonnenlicht geblendet. Sie blinzelte ein paar Mal. Schließlich blickte sie auf. Der Anblick, der sich ihr bot, war atemberaubend.

Vor ihr erstreckte sich eine schier unendliche Ebene aus Gras, Gras, wohin man auch sah, ein Meer aus Gras, das wogend um ihre Beine strich, das bei jedem Windstoß glänzende Wellen schlug. Rauschend bahnte es sich seinen Weg über sanfte Hügel und Akazienwäldchen.

Rauschend wie ein reißender Fluss…
 

Urplötzlich tauchten Bilder in ihrem Kopf auf und sie wurde von Erinnerungen überschwemmt…
 

Bilder von einem heftigen Kampf, schwer verwundeten Löwen, Regen, Blut und Schlamm.

Eine Wand aus Wasser, die Baumstämme auseinanderriss und sich gierig in die Schlucht stürzte.

Eine Löwin mit vor Hass blitzenden Augen, entschlossener und rachsüchtiger als je zuvor, schlägt ihre Krallen in die Felswand vor ihr, ignoriert die helfenden Pfoten von oben.

Ihre Mutter.

Zira.

Krallen kratzen über das regennasse Gestein, verlieren den Halt.

Der Fluss verschlingt seine Beute wie ein hungriges Tier…
 

Sie kniff die Augen zusammen und spürte, wie die Tränen ihr über die Wange liefen, salzig und nass.

“Hey, was ist los?”

Eine sonnenstrahlenwarme Stimme zog sie zaghaft wieder in die Wirklichkeit zurück.

“Nichts.”

Meine Stimme muss echt verheult klingen, dachte sie und schniefte leise. Peinlich.

“Ach, ich merke doch… oh… du hast geweint?”

Sie versuchte sich mit einer hektischen Pfotenbewegung die Tränen aus den Augenwinkeln zu wischen, aber er merkte es trotzdem. Er sagte nichts.

Er war einfach da.

Sie spürte ihn neben sich sitzen, und obwohl sie ihn nicht sah, strahlte er doch etwas Tröstliches aus.

“Nach Hause…”, flüsterte sie und merkte sofort, wie albern und verweichlich das klang. Übersah man mal die Tatsache, dass sie nicht nach Hause konnte. Kein Zuhause hatte. Sie musste sich beherrschen, nicht direkt wieder loszuheulen.

Bleib stark.

Zira hatte das einmal gesagt, in schweren Zeiten. Sie hatte den Kopf gehoben, mit entschlossenem Blick. Ihr war es, als würde dieser Blick ihr aus Mheetus haselnussbraunen Augen erneut begegnen.

Sie erwiderte ihn, erst scheu, dann immer fester. Sein Blick gab ihr wieder Mut. Sie konnte spüren, wie er sich langsam wieder in ihr Herz schlich.

Und sie begann zu lächeln.

Es war ein seltenes Lächeln, nicht erzwungen, ein erstes echtes Lächeln seit den Monden voller Trauer und Hass. Es schien den Fremden auf eine eigenartige Weise glücklich zu machen.

“Gehen wir”, sagte er. Legte ihr die warme Pfote auf die Schulter. “Du brauchst keine Angst mehr zu haben.”

Ja. Das Leben mit der Angst war vorbei. Ein neues Leben lag vor ihr.

Ein Leben mit Mheetu.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Sumi-Sayu
2019-07-23T21:16:19+00:00 23.07.2019 23:16
Schön geschrieben :)


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