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Normalität mit Biss

von

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Stimmungsschwankungen Marke Bluthunger

Lose, durcheinander und schnell flogen Erinnerungen aus siebzehn Jahren Existenz durch seine Träume. Selbst in diesem Zustand des Dämmerschlafes, an der Grenze zum Wachsein, konnte er nicht anders als sarkastisch festzustellen, dass man es bei ihm nicht Leben nennen konnte. Er war immer nur eine Marionette, ein Roboter oder Hauself gewesen.
 

Schon seine Erinnerungen als Kleinkind waren geprägt von Unterdrückung, Ausgrenzung und Ausnutzung. Gezeichnet von einem gravierenden Mangel an ‘Familie’ und ‘Liebe’ sowie dem Fehlen einer wirklichen, individuellen Existenz. Für die Dursleys war er nur ‘Bengel’, ‘Junge’ oder ‘Freak’.

Später dann, als Hagrid ihn abgeholt hatte, war er oftmals nur der ‘Junge-der-überlebt-hat’. Ein Wunderkind, welches die Hoffnungen tausender Menschen auf den Schultern trug, bis es sich irgendwann zum ‘Auserwählten’ hoch geschaukelt hatte. Und jetzt? Jetzt war er in der Muggelwelt ein unbeschriebenes Blatt, sobald er den Ligusterweg verließ. In der magischen Welt jedoch trug er Namen wie ‘Held der Nation’, ‘Junge, der überlebt’ und ‘Bezwinger Voldemorts’.
 

Zwei Welten, die eine versteckt vor der anderen und doch hatte er in beiden die Extremformen der positiven und negativen Beachtung kennengelernt. Rückblickend war die Zeit, als ihn alle als Lügner und Wichtigtuer abgestempelt hatten, geradezu Luxus gewesen. Das Gefühl der Dankbarkeit überkam ihn auch jetzt nich, wenn er an das fünfte Schuljahr dachte. War es doch geprägt gewesen davon, dass die für ihn wichtigen Menschen damals ans seiner Seite gestanden hatten. Sie hatten ihm vertraut und geglaubt. Ihm Halt und einen Sinn, all die Schmach durchzustehen, gegeben. Verdammt, gemeinsam hatten sie Dumbledores Armee gegründet und sich Umbridge in den Weg gestellt. Auch wenn das Ende des Schuljahres so grausam geendet hat, hatte er sich doch bis dahin so lebendig wie lange nicht gefühlt.

Unruhig begann er sich hin und her zu werfen, als Bilder aus dem letzten Jahr auftauchten. Bilder mit angeekelten, ängstlichen und verachtenden Blicken. Von Menschen, die für ihn so etwas wie Familie darstellten, die er geglaubt hatte zu kennen.
 

“... ter! Harry!” Die laute und energische Stimme riss ihn glücklicherweise von diesen Erinnerungen fort. Einen kurzen Moment war er zu schlaftrunken, um die Stimme zuzuordnen, doch da schob sich schon ein bekannter schwarzer Haarschopf in sein Gesichtsfeld.

“Sev … erus”, flüsterte er leise, als die dunklen Augen auf ihn nieder starrten. Mehr war momentan mit seiner kratzigen Kehle einfach nicht drin. Trinken! Ja, was würde er jetzt für ein schönes Glas Blu … WASSER, ja, ein Glas kühles Wasser geben.

“Geht’s?”, erklang es besorgt von dem Älteren.

“Wasser. Ich meine … hättest du ein Glas Wasser für mich?”
 

Kaum dass der Professor sich erhoben und in Richtung Küche aufgemacht hatte, nutzte der Potter den Moment, um sich zu orientieren. Schnell bemerkte er, dass er in der Wohnung des Lehrers auf der Couch lag. Wieso, weshalb, warum? Er wusste es nicht, genauso wenig wie die Antwort darauf, warum es hier schwach nach Remus roch.

Wäre er damals, kurz nach der Schlacht, nicht halb besinnungslos durch eben diese Wohnung via Kamin in den Grimmauld Place gebracht worden, hätte er wohl immer noch keine Ahnung wo er war. Diese an Vanille und Beige erinnernde Wandfarbe. Die zahlreichen Zierpflanzen und Minipalmen, die dazu im Kontrast stehenden dunkelbraunen Möbel und diese magischen Fenster … all dies ließ niemanden glauben, dass hier Severus Snape wohnte. Auf jeden Fall niemanden, der den sonst so grimmigen Mann mit dem Spitznamen ‘Kerkerfledermaus’ kannte.
 

Da wurde ihm die Absurdität der Situation bewusst.

Er lag hier im Wohnzimmer bei dem düsteren Lehrer von dem er schon im ersten Schuljahr das Gerücht gehört hatte, dass dieser ein Vampir war. Und der einzige Vampir hier weit und breit war Harry James Potter selbst.

Ein Glucksen entwich seinem Mund und steigerte sich zu einem hysterischem Lachanfall, als Severus mit wehendem Umhang wieder in das Wohnzimmer rauschte.

Harry selbst war nun die Kerkerfledermaus, so er denn hier herunterziehen würde. Wenn er sich jetzt noch einen schwarzen Umhang mit Stehkragen zulegte und etwas von der Sonnenbräune verlor, konnte er voll das Klischee erfüllen und einen auf Dracula 2.0 machen. Ein bisschen Schwebezauber und Rauchkugeln dazu … oh Gott! Dieses Bild würde er wohl niemals wieder los werden.

Japsend rollte er von der Couch und versuchte wieder zu Atem zu kommen. Wobei der Professor da wirklich keine Hilfe war mit dieser steifen Sprachweise.
 

“Wahrlich, manchmal benehmen Sie sich reichlich … seltsam. So langsam zweifle ich an Ihrem Geisteszustand”, schnarrte der Professor kühl und schien nicht auf eine Antwort Harrys zu warten. “Wollen Sie mir vielleicht verraten, was die Aktion auf dem Turm darstellen sollte? Inzwischen dürfte selbst Ihnen bekannt sein, das Fliegen nur in Geschichten zu den Fähigkeiten der Vampire gehört. Erklären Sie sich!”
 

Einige Augenblicke waren nur Harrys Lachgeräusche und das leise Plingen des Löffels in Snapes Teetasse in dem gemütlichen Wohnzimmer zu hören, ehe der junge Potter es schließlich schaffte soweit zur Ruhe zu kommen, dass er halbwegs reden konnte.

Auch wenn er wusste, dass in dem Zustand in welchem er sich befand, Klappe halten eindeutig besser für ihn wäre.
 

“Pro … Professor, Sie reden wie Ichabod Crane”, meinte Harry unter Schluckauf, während er auf dem Rücken liegend immer noch den Boden belagerte.

“Ichabod … wer?”

“Das ist … ich hatte viel Zeit für Fernseh gucken in letzter Zeit und das ist ‘nen Typ aus ‘ner Serie. Wirklich, Professor, es ist nicht mehr siebzehnhundertschlagmichtot.”

“Bitte? Wie meinen …”

“Ha! Genau das, Professor!” Seufzend krabbelte Harry wieder auf die Couch. Von der Euphorie von eben war nichts mehr zu spüren.

“Was ich damit sagen wil,l ist, dass sie immer so geschwollen reden. So distanziert … dabei haben Sie mich vorhin sogar geduzt.” Vorsichtig hob Harry den Kopf, um Snape direkt in die Augen zu blicken. “Ich dachte halt, wir wären irgendwie über diese Stufe hinaus. Also nach all dem, was sie für mich getan haben. Im Gegenzug habe ich Sie mit der letzten Ampulle Phönixtränen vor Nagini gerettet. Dann diese Geschichte mit der Erinnerungsträne … oh, OH! Jetzt verstehe ich.” Es war geradezu, als würde ein Licht bei ihm aufgehen. Jetzt verstand er den Professor und klar war ebenso, dass er vollkommen falsch lag. “Wir sind quitt. Ja … wir sind quitt.” Die letzten Worte waren nur ein kraftloses Flüstern.
 

Eine Mischung aus Resignation und seltsamerweise auch Angst überfiel ihn, sodass er Schutz suchen die Knie auf die Couch zog und die Arme darum schlang. Weiterhin klebte Harrys Blick an dem Gesicht Snapes, denn unter der skeptischen Maske hoffte er in beinah kindlichem Optimismus irgendetwas zu sehen, was ihm das Gegenteil seiner Einstellung gab.
 

“Sie retten mich, ich rette Sie und dann Sie mich wieder eben auf dem Turm. Damit sind wir quitt. Sie haben nicht nur ihr Versprechen gegenüber Mom erfüllt, sondern auch die Lebensschuld beglichen. Wir sind quitt und somit müssen Sie nicht mehr ‘nett’ oder so sein.

Wir … wir sind nur Lehrer und Schüler. Alles auf Anfang, nur ohne Pflichten und dann … dann geht jeder seiner Wege.” Bedrückt unterbrach der Jüngere den Blickkontakt und legte die Stirn auf seinen Knien ab. Vielleicht konnte er so die aufsteigenden Tränen verdrängen.
 

“Mr. Potter, ich weiß zwar nicht, was Sie meinen, aber Sie benehmen sich gerade wie ein verrückt gewordener Bowtruckel.”

“Bin nicht grün und keine Pflanze”, murmelte der Potter zickig zurück.

“Nein, aber so klein und in den Emotionen genauso explosiv”, hörte er die amüsierte Antwort seines Lehrers und wagte vorsichtig einen Blick zu dem Älteren. Und tatsächlich entdeckte er den sonst so düsteren Mann auf dem Sessel ihm schräg gegenüber, wenn auch deutlich anders als erwartet.
 

Mit großen Augen und offenem Mund starrte er den Lehrer an. Also … wer würde das nicht bei dem Anblick? Es war immerhin Professor Severus Snape, welcher barfuß, mit schwarzer Leinenhose und weißem Hemd vor ihm saß. Gekrönt wurde das Ganze davon, dass der Mann tatsächlich LÄCHELTE! Ok, bei jedem anderen Menschen wäre dieser Gesichtsausdruck wohl normal gewesen, doch für Snapes Verhältnisse waren die minimal hochgezogenen Mundwinkel und die blitzenden Augen ein gravierender Unterschied. Harry musste sich eingestehen, dass es dem Professor wirklich außerordentlich gut stand.

“Wow …”, hauchte er, während der sein Blick instinktiv zum freigelegten Hals des Snapes wanderte. Harry musste sich nicht mal anstrengen, um das Pulsieren der Hauptschlagader zu sehen. Das Rauschen des Blutes und den Geruch zu vernehmen war ebenso einfach und machte ihm das Leben gerade wirklich nicht leichter. Trocken schluckend rutschte er auf der Couch näher an Snapes Sessel. “Wow. Einfach … wow.”
 

“Mr. Potter, jetzt tun Sie nicht so, als würden Sie mich zum ersten Mal erblicken. Teenager! Wirklich, Sie benehmen sich heute äußerst seltsam. Was ist los mit Ihnen, Mr… ähm, was glauben Sie da zu tun, Mr. Potter?”
 

Snapes skeptische Frage ließ ihn einen Moment innehalten und registrieren, dass er plötzlich vor dem Professor kniete. Doch woanders wollte er gerade gar nicht sein, obwohl … mit in dessen Hals vergrabenen Zähnen wäre es doch besser. Viel besser!
 

“Was denn Professor … Severus?”, gurrte Harry mit schmeichelnder Stimme zu dem Älteren hinauf. “Mache ich Ihnen etwa Angst? Nun … das ist inzwischen nichts Neues für mich. Meine Freunde beschimpfen und meiden mich. Mein Leben ist nicht mehr normal, ich bin nicht mehr normal. Ich bin ein Monster!” Selbst Harry hörte, dass das liebliche Gurren immer mehr der tiefen Frustration wich. Doch, NEIN! Er wollte nicht schon wieder in diesen depressiven Modus verfallen. Unter dem Knirschen seiner stark zusammengepressten Zähne zog er Luft in seine Lungen und schloss die Augen. “Severus, dies alles ist mit mir. Ich versuche die Antwort auf die Frage zu finden, wozu ich hier bin. Warum mache ich diesen verschissenen Schulabschluss? Ich meine … HALLO? Es ist ja nicht so, als wenn meine Chancen dadurch deutlich besser sind in der Arbeitswelt. Ich bin ein verfluchter Vampir und mein einziges Glück ist es wohl, dass ich nicht wie Edward in der Sonne glitzere.”
 

Ein Schnauben entwich dem Schüler, als der Verstand über die Instinkte siegte und er sich aufrichtete. Gedankenversunken lief auf und ab. Bah, wie tief wollte er noch sinken? Er hatte gerade ernsthaft geplant, Snape als Essen zu verwenden. Apropos Snape, da brannte ihm noch eine Frage unter den Nägeln. Abrupt hielt er mit dem Furchen in den Teppich laufen inne und fixierte den Lehrer. Nun überfiel ihn die vampirisch verstärkte Wut.

“Professor Snape, würden Sie mir freundlicherweise eine Frage beantworten?” Es war keine Frage, sondern eine Aufforderung. “Sagen Sie mir doch bitte, warum Remus anscheinend Kontakt zu Ihnen hat und mich ignoriert und abwimmelt?”
 

“Hat er nicht…”
 

“LÜGEN SIE MICH NICHT AN, VERDAMMT, ICH KANN IHN AN IHNEN RIECHEN!”, schrie er und schoss nach vorne. Wütend packte er den älteren Schwarzhaarigen am Kragen und zerrte ihn empor. “Über … überall … und der Kontakt muss eng gewesen sein.”

Ein Stich fuhr durch seine Brust bei diesem Gedanken, sodass er Snape erschrocken wieder los ließ. Stolpernd wich er zurück und drehte sich von dem Schwarzhaarigen weg.

“Ich ... Ich muss … muss gehen. Schulkram und so … als ähm, danke und so”, plappernd winkte der Schüler über die Schulter zurück und wollte nur noch die Wohnung verlassen. Lange konnte er die Tränen nicht mehr zurückhalten und die verfluchten Instinkte ebenso wenig mehr kontrollieren.
 

Doch wenn er sich gedacht hatte, so für den Moment aus dieser Nummer raus zu kommen, dann hatte er sich getäuscht.

“Von wegen, Mr. Potter, Sie gehen jetzt nirgendwo hin, sondern bleiben schön hier. Und wenn ich Sie fesseln muss! In dem Zustand, in dem Sie sich befinden, sind sie eine Gefahr für sich und für andere. Ich glaube kaum, dass Ihnen das Leben der anderen Schüler genauso egal ist wie Ihr eigenes!”
 

Schnaubend drehte sich Gebremster herum und verschränkte die Arme.

“Fesseln? Ich wusste gar nicht, dass Sie auf sowas stehen, Professor”, gab er keck zurück.

“Eigentlich sollte es mir egal sein, so wie sie mit mir umgehen. Aber trotzdem werde ich gehen. In der Heulenden Hütte sind alle vor mir Monster sicher.

Sie entschuldigen mich also, Professor?” Höflich nickte Harry dem Älteren noch zu, ehe er sich wieder umwandte.
 

Er hatte gerade mal zwei Schritte gemacht, da landete er auch schon krachend an der Eingangstür zu Snapes Wohnung. Er spürte, wie sich die raue Maserung und kleine Splitter in seine Haut bohrten, hörte das Knacken des Holzes, während Severus Snape ihn gegen die Tür presste. Jetzt gerade war er froh, nicht unbedingt auf Atmen angewiesen zu sein, denn dies war ihm in dieser Position kaum möglich.

“Prof … essor”, keuchte der Schüler und versuchte sich gegen den Griff zu wehren, doch der Professor griff nur fester zu.
 

Dicht an Harrys Ohr schnurrte der Tränkeprofessor: “Ich sagte doch, Sie gehen nirgendwohin … Harry.”



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  AugustDaemon
2018-01-25T19:51:40+00:00 25.01.2018 20:51
Oioioi...

Ist es normal das ich die letzte Szene hier als... nun.sagen wir mal... ziemlich heiß empfinde?
Antwort von:  Chaosbande
25.01.2018 22:38
Hey du.
Nein, alles in Ordnung ;)

Und oioioi trifft es sehr gut.

LG
Chaos


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