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Like Stardust

College!AU
von

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Odyssee

Hallo ^^
 

Tut mir schrecklich leid, dass das Update so lange hat auf sich warten lassen! Ich war so lange hier nicht mehr online und habe es ehrlich gesagt vergessen ^^°°

Ich lade das letzte Kapitel dann zu Silvester hier hoch - versprochen <3 !
 


 

Like Stardust

Kapitel 02 – Odyssee

Teil: 2/3
 

Warning: College!AU, Boys Love (?)

Rating: P16
 

Personen: Jeongguk, Namjoon, Taehyung, Seokjin, Yoongi und Hoseok (BTS), Jimin (BTS, mentioned), Yugyeom (GOT7, cameo), Seongja & Ahri (OC, cameo), Youngjun (HIGH4, cameo), Yein (Lovelyz, cameo)

Pairings: Jeongguk x Taehyung (?)

Disclaimer: Keiner der hier erwähnten Musiker gehört mir und ich verdiene kein Geld hiermit
 

Viel Spaß beim Lesen!

Maya
 

Als Jeongguk am nächsten Morgen wach wurde, stellte er schneller als üblich den Wecker im Handy aus, bevor er in die Dunkelheit spähte, um zu sehen, ob Taehyung noch schlief. Da nach einigen Sekunden noch immer Stille herrschte – von den Atemzügen des anderen abgesehen –, ging er davon aus, dass dies der Fall war und griff nach seinem MP3-Player.
 

Es war gerade sechs Uhr morgens und er hatte keine Ahnung wie sein neuer Mitbewohner darauf reagierte, so früh geweckt zu werden. Also hielt er es für klüger, seiner morgendlichen Routine nachzugehen und abzuwarten. Taehyung hatte ihm zwar gesagt, dass er ebenfalls um acht eine Vorlesung hatte, aber er ging davon aus, dass der Mann mit den roten Haaren selbst dafür sorgen würde, pünktlich aufzustehen.
 

Sie hatten am Vortag nicht mehr viel miteinander gesprochen. Nachdem Jeongguk vom Mittagessen zurück ins Zimmer gekommen war, war Taehyung nicht mehr da gewesen und auch am Nachmittag, nach seinem Workshop, hatte er den Astronomie-Studenten nicht gesehen. Taehyung war erst nach zehn aus seinem letzten Seminar des Tages zurück ins Wohnheim gekommen und ihr kurzer Plausch hatte mehr oder weniger zwischen Tür und Angel stattgefunden. Während der ältere Student sich ohne jedes Schamgefühl aus seiner Kleidung gepellt hatte, war er zwischen Zimmer und Bad hin und hergelaufen, um sich zum Schlafen fertig zu machen und Jeongguk hatte alle Mühe gehabt, überall hinzusehen, nur nicht auf den entblößten Körper seines Mitbewohners.
 

Noch die Musik in den Ohren, wandte Jeongguk seinen Kopf erneut zur Seite. Er konnte im Dunkeln nur vage das rote Haar des anderen erkennen, der Rest des jungen Mannes war unter der Bettdecke verborgen, die sich unter seinen Atemzügen sachte hob und senkte. Zum jetzigen Zeitpunkt wurde Jeongguk noch nicht schlau aus seinem neuen Zimmergenossen. Er war definitiv etwas sonderbar und weniger diskret als Yugyeom, aber dennoch erschien er nett und nicht wie jemand, der Streit suchte. Vielleicht würden sie ja tatsächlich miteinander auskommen.
 

Pünktlich um halb sieben stand Jeongguk auf, streckte seine müden Glieder und ging mit seinen Anziehsachen ins angrenzende Badezimmer. Unter der Dusche dankte er erneut der Universität dafür, dass sie keine großen Gemeinschaftswaschräume hatten. So konnte er sich ohne Gaffer in Ruhe frisch machen und das Wasser genießen, welches seinen Körper hinabrann und seine Müdigkeit den Abfluss hinunter spülte.
 

Als Jeongguk nach dem Anziehen und Haaretrocknen wieder ins Zimmer kam, hatte Taehyung sich noch immer nicht gerührt.
 

Er zögerte einen Moment, bevor er ans Bett des anderen trat und ihn mit dem Knie anstieß, sodass Taehyungs Körper vor und zurück wippte. Ein verschlafenes Grummeln war die einzige Reaktion, also stieß er ihn ein zweites Mal an und erntete dieses Mal ein: „Wassnlos?“
 

„Es ist gleich sieben“, informierte ihn Jeongguk, „Du musst langsam aufstehen.“
 

„Ugh... Kann der Morgen nicht erst mittags sein?“, nuschelte der Rothaarige ins Kissen, während er sich auf den Bauch rollte und seine Beine ausstreckte.
 

„Dann wäre der Mittag aber kein Mittag mehr.“
 

„...Bitte verwirre mich nicht mit Logik.“
 

Jeongguk schmunzelte und gab ihm einen letzten Stoß – einfach aus Bosheit –, ehe er sich abwandte und zur Tür ging. Als er nach der Türklinke griff, warf er noch einen Blick zurück über die Schulter und beobachtete, wie Taehyung sich aufsetzte und über die Augen rieb. Mit dem Wissen, dass sein Zimmergenosse wach und im Begriff war aufzustehen, verließ er den Raum und ging in die Küche, um seinen Kaffee zu trinken und sich zu vergewissern, dass sein Snack an seinem Platz im Schrank lag. Da sich die Studenten die Schränke in der Küche teilten, geriet schon mal was durcheinander, aber jeder wusste, dass sie ihre Finger von Jeongguks Sachen zu lassen hatten, wenn sie einer unangenehmen Begegnung aus dem Weg gehen wollten. Der Kunst-Student war sehr eigen, was das anging.
 

Vierzig Minuten und zwei Tassen Kaffee später machte Jeongguk sich auf den Weg zu seiner Vorlesung, ohne Taehyung vorher noch einmal gesehen zu haben.
 

Während des Vortrags seines Dozenten in Kunstgeschichte, schweiften seine Gedanken jedoch immer wieder ab zu seinem neuen Mitbewohner. Ihm ging dieser Augenblick des gestrigen Tages nicht aus dem Kopf; wie das Sonnenlicht mit Taehyungs roten Strähnen gespielt und seine Augen zum leuchten gebracht hatte... Es war die perfekte Vorlage für seinen Kurs gewesen und er ärgerte sich etwas, dass er nicht die Chance ergriffen und ein Foto gemacht hatte – andererseits wäre das mehr als seltsam gewesen und hätte Taehyung wahrscheinlich verstört. Ob er ihn einfach mal fragen sollte? Oder war das vielleicht unangemessen? Yugyeom und er hatten sich öfter gegenseitig bei Projekten geholfen, in denen sie zum Beispiel für anatomische Studien posiert hatten, aber er und Taehyung kannten sich noch gar nicht wirklich und ihn darum zu bitten, für ein Foto Modell zu stehen war schon... irgendwie... intim?
 

Als er nach der Vorlesung zu seinem Seminar über Kompositionen ging, nutzte er die Gelegenheit und fragte Seongja um Rat. Die betrachtete nachdenklich ihre Leinwand, während sie etwas mehr Weiß in ihr Grün auf der Palette mischte. Das lange Haar fiel ihr wie gewöhnlich in einem geflochtenen Zopf über den Rücken.
 

Davon abgesehen, dass sie so gut wie jeden Kurs zusammen hatten, war Seongja die einzige weibliche Person, mit der Jeongguk sich des Öfteren tatsächlich unterhielt und es war sogar eine Weile das Gerücht umgegangen, dass die beiden ein Paar waren. Was absurd war, kam Seongja ihm doch eher wie eine Schwester vor als wie ein potentielles romantisches Interesse.
 

Während er auf Seongjas Antwort wartete, ließ er seinen Blick durch den Raum schweifen. Im Gegensatz zu den meisten anderen Räumlichkeiten der Universität, hatte das Atelier keine Deckenlampen, sondern große Oberlichtfenster, die Jeongguk besonders an sonnigen Tagen wie heute als sehr angenehm empfand. In der Mitte des Ateliers stand ein länglicher Tisch mit allerlei Utensilien wie Pinseln, Farbtöpfen und -tuben, Spachteln, Rollen, Tüchern und mehr und mit den Rücken zum Tisch standen die Studenten an ihren Leinwänden. Alle versuchten sie ein Bild zu schaffen, das das Zusammenspiel von Licht und Farbe perfekt zur Geltung brachte. Viele nutzten dafür die Sonne, so sah man verschiedene Sonnenauf- und untergänge oder wie Sonnenlicht in ein Zimmer fiel oder, wie in Seongjas Fall, durch die Blätter einer Baumkrone hindurch. Doch es gab auch einige, die andere Lichtquellen benutzten, wie das grelle Licht elektronischer Geräte oder den warmen Schein von entzündeten Kerzen.
 

Jeongguk hatte sich für eine altmodische Laterne entschieden, inmitten eines blühenden Gartens. Als er das Motiv gewählt hatte, hatte er es für eine gute Idee gehalten – laut seines Dozenten war es das auch –, aber jetzt hätte er lieber etwas gemalt, das etwas kräftiger in den Farben war... und mehr Rot aufwies...
 

„Hmmm“, holte ihn da Seongja aus seinen Gedanken, „Weißt du, vielleicht sehen auch nur wir etwas Besonderes darin, ein Foto von jemandem zu machen. So als Kunst-Studenten. … Für Taeyang ist es wahrscheinlich keine große Sache.“
 

„Taehyung“, korrigierte er seine Kommilitonin und ließ den Pinsel sinken, „Sein Name ist Taehyung. Aber findest du nicht, dass das eine seltsame Bitte ist, wenn man sich noch keine 24 Stunden lang kennt?“
 

Seongja antwortete nicht sofort, während sie die Augen zusammenkniff und konzentriert einige Pinselstriche setzte. Jeongguk fand, dass das irgendwie niedlich aussah, wie die Ältere in dem beklecksten Hemd dastand und mit dem Gesicht so nah an der Leinwand, dass sie sie beinahe mit der Nase berührte. Als Seongja schließlich mit ihrem Werk zufrieden war, trat sie wieder einen Schritt zurück, schürzte die Lippen und nickte dann, ehe sie sich wieder Jeongguk zuwandte.
 

„Ja, schon“, stimmte sie zu, „Aber du musst ihn ja nicht sofort fragen. Warte halt, bis ihr euch etwas besser kennt, bis zur Abgabe des Projekts ist ja noch genug Zeit.“
 

Jeongguk ließ sich den Gedanken durch den Kopf gehen. Seongja hatte recht, es war noch einige Wochen hin, bis er seine Arbeiten beim Dozenten einreichen musste. Er würde abwarten, wie sich die Beziehung zu seinem neuen Zimmergenossen bis dahin entwickelte und vielleicht konnte er ihn tatsächlich einfach fragen. Für Taehyung war es wahrscheinlich wirklich keine große Sache und schüchtern zu sein schien er auch nicht gerade. Also nickte er zustimmend, doch Seongja war schon wieder in ihre Arbeit vertieft und Jeongguk tat es ihr gleich.
 

Nach dem Seminar über Kompositionen folgte noch eine langatmige Vorlesung, bevor er in den Feierabend entlassen wurde. Für heute war er fertig mit seinen Kursen, doch die beiden Vorlesungen schlauchten ihn jedes Mal aufs neue – er war praktisch veranlagt und langes Zuhören und Stillsitzen zermürbte ihn. Alles, was er jetzt wollte, war, ins Wohnheim zurückzukehren, sich seinen Snack aus dem Schrank zu schnappen und in sein Zimmer zurückzuziehen, um bei Musik auszuspannen, bevor er sich wieder seiner lästigen Tonarbeit widmete. Sie musste in der kommenden Woche fertig sein und bislang war ihm noch nichts gelungen, das ihn auch nur ansatzweise zufriedenstellte. Er lag noch viel Arbeit vor ihm.
 

Also betrat er wenige Minuten später die Wohnheimküche, ging zum Schrank und – griff ins Leere. Verdattert blinzelte er einige Male, bevor er mit der Hand einige Tüten mit Snacks beiseite schob, um nach seinen Teigtaschen zu suchen. Heute Morgen waren sie doch noch da gewesen?
 

„Youngjun, hast du meine Teigtaschen gesehen?“, fragte er den älteren Studenten, der in dem Moment in die Küche kam.
 

„Deine Teigtaschen?“, erwiderte dieser verwirrt und trat neben ihn, „Da wo sie immer sind.“
 

„Eben nicht!“, gab Jeongguk mürrisch von sich und ließ die Schranktür etwas lauter zufallen als nötig. Er ignorierte Youngjun, der den Mund öffnete, um noch etwas zu sagen und machte sich mit zügigen Schritten auf den Weg in sein Zimmer. Seine Laune war im Keller. Und nachdem er die Tür aufgerissen und einen Blick auf seinen neuen Mitbewohner geworfen hatte, wurde es nicht besser.
 

Der Rothaarige lag in seinem Bett, offensichtlich am schlafen, und auf dem Nachttisch thronte die leere Verpackung seiner 'Teigtaschen nach Pizza-Art'. Sein Blick verfinsterte sich.
 

„Taehyung!“, entfuhr es ihm zwischen zusammengebissenen Zähnen, als er zum Bett ging und dem Schlafenden sein Knie in den Rücken stieß.
 

Irritiert schlug der Astronomie-Student die Augen auf und blinzelte zu ihm hoch. Er schien von Jeongguks düsterem Gesichtsausdruck unbeeindruckt und gähnte herzhaft.
 

„Taehyung, die Teigtaschen gehörten mir!“
 

„Ich kauf dir neue“, nuschelte Taehyung und drehte sich wieder zur Seite, um weiterzuschlafen.
 

Dieses Mal gab Jeongguk ihm einen Tritt. „Da hab ich aber jetzt nichts von!“, warf er in einem mühsam kontrollierten Tonfall ein und spürte die kleine Ader in seiner Schläfe puckern. Er wusste, dass es ihm nichts brachte, jetzt deswegen zu explodieren, aber dieser rationale Gedanke schmälerte seinen Ärger kein bisschen und der Tritt war eine kleine Genugtuung gewesen.
 

Dem Astronomie-Studenten schien nun zu dämmern, dass er keinen Schlaf finden würde, ehe die Sache nicht geklärt war und setzte sich schwerfällig auf. Er gähnte noch einmal und rieb sich über die Augen, bevor er – nun seinerseits verärgert – zu Jeongguk aufsah. „Hey, tut mir leid, ja?“, sagte Taehyung mit noch vom Schlaf kratziger Stimme und klang kein bisschen entschuldigend, „Ich hab nicht gewusst, dass es deine Teigtaschen waren und dass du gleich einen Anfall bekommst, wenn ich sie esse. Ich kauf dir nachher neue, okay?“
 

„Es geht hier ums Prinzip“, machte Jeongguk klar und fixierte seinen Mitbewohner mit stechendem Blick, „Kauf dir deine eigenen Sachen und lass die Finger von meinen!“
 

„Ist ja gut“, grummelte Taehyung missmutig, „Außerdem bin ich älter als du, also wenn wir schon bei Prinzipien sind: Nenn mich in Zukunft 'Hyung'.“ Und mit einem giftigen Blick seinerseits, beendete er das Gespräch, drehte sich um und im nächsten Moment war der rote Haarschopf unter der Bettdecke verschwunden und das Thema gegessen.
 

Jeongguk stand wie vom Donner gerührt da. Er spürte seine Augenbraue zucken und er verließ schnell das Zimmer, bevor er etwas tat, was er später bereute. Ohne ein weiteres Wort rauschte er an dem verdatterten Youngjun vorbei aus dem Wohnheim und stiefelte grimmig über den Campus, um zum Einkaufscenter zu gehen.
 

Jeongguk gestand sich ein, dass er vielleicht ein klein wenig überreagierte, aber er hasste es wie die Pest, wenn man ohne Erlaubnis seine Sachen anfasste. Er musste wissen, dass alles an seinem Platz war. Wenn er morgens wach wurde, musste der MP3-Player auf dem Nachttisch liegen, wenn er zum duschen ging, mussten sein Shampoo und die Tücher an ihrem Platz sein, wenn er ins Wohnheim zurückkam, mussten seine Snacks und sein Geschirr dort im Schrank sein, wo er sie zuletzt hin geräumt hatte. Seine Hälfte vom Zimmer mochte chaotisch aussehen, doch auch hier hatte alles seinen Platz und er wusste, wo er seinen liebsten Bleistift, die aktuellsten Skizzen, seine Notizen und was er sonst noch so brauchte fand. Es war ein geordnetes Chaos und sein Körper geriet in Stress, wenn etwas nicht dort lag, wo es sein sollte. Und es verärgerte ihn ungemein, dass Taehyung sein Eigentum nicht als solches ansah und sich einfach bedient hatte.
 

Verdrossen schob er sich eine der neuen Teigtaschen in den Mund und kickte einen Stein vom Fußweg. Er konnte nur hoffen, dass die Message bei Taehyung angekommen war und er in Zukunft die Finger von seinen Sachen lassen würde.
 

-
 

Er schlug die Augen auf. Überrascht blinzelte er in die Dunkelheit und fragte sich, was ihn geweckt hatte. Er lauschte für einen Moment, doch als er nichts hörte, schüttelte er den Kopf, fuhr sich schnaufend mit der Hand über das Gesicht und drehte sich dann zur Wand, um weiterzuschlafen. Als er sich die Decke zurück über die Schulter ziehen und die Augen schließen wollte, hörte er schließlich ein verdächtiges Klappern und hielt in der Bewegung inne.
 

Jeongguk zog ratlos die Stirn kraus und stützte sich auf den Ellbogen. Er ließ seinen Blick durchs Zimmer schweifen und bemerkte dabei, dass das Bett auf der gegenüberliegenden Seite leer war. Erneut war ein Geräusch zu hören und der Student realisierte, dass es aus der Küche kam.
 

Genervt, aber auch einen Funken neugierig, schlug er die Bettdecke zur Seite und stand auf. Kaum hatte er die Zimmertür geöffnet, gelangte ihm der Geruch von frischem Gebäck in die Nase. Verwundert fuhr er sich mit einer Hand durch das vom Schlafen zerzauste Haar und tapste im Dunkeln die paar Meter durch den Flur, bis er die Küche erreichte.
 

Dort erwartete ihn eine Überraschung: Auf der Arbeitsfläche standen Päckchen mit Mehl und Zucker, eine angebrochene Packung Eier, eine Tüte Milch, ein aufgeschraubtes Glas Nutella, mehrere Phiolen Aroma und allerlei weitere Zutaten, die man zum Backen benötigte. Die gesamte Platte war mit Mehl bestreut, nur unterbrochen durch Spritzer von Teig und einem beinahe kreisrunden Fleck. Die einzigen Lichtquellen im Raum waren die Lampe über dem Herd und die Beleuchtung des Ofens, die den Arbeitsbereich in einen warmen, orangefarbenen Kegel erhellten. Eine allzu bekannte Gestalt stand an der Spüle, die roten Haare und die sonnengebräunte Haut am glühen, wo sie von dem Licht berührt wurden.
 

„Hyung“, machte er sich bemerkbar und der junge Mann zuckte erschrocken zusammen, ehe er sich zu ihm umdrehte. Sofort erschien ein strahlendes Lächeln auf Taehyungs Gesicht.
 

„Ah!“, meinte er, griff rasch nach einem Tuch und trocknete sich die Hände ab, die er sich gerade gewaschen hatte, „Du kommst gerade recht! Möchtest du einen Schoko-Cookie, Kookie?“
 

Der Astronomie-Student kicherte amüsiert über sein Wortspiel und ließ das Tuch auf die Abtropffläche neben der Spüle fallen. Dann ging er zum Tisch hinüber und Jeongguk folgte ihm mit dem Blick. Auf dem Küchentisch standen eine Keksdose – zur Hälfte gefüllt – und ein Blech, auf dem die letzte Fuhre Kekse noch an der Luft abkühlte. Taehyung nahm die Dose und hielt sie ihm auffordernd entgegen, noch immer lächelnd und Jeongguk fiel es schwer, ihm aufgrund der nächtlichen Ruhestörung böse zu sein.
 

Langsam kam Jeongguk näher und nahm sich einen Keks. „Eh, danke.“
 

Taehyung hob abwinkend die Schultern und stellte die Dose zurück auf den Tisch, bevor er die wenigen Schritte zum Ofen nahm und sich vorbeugte, um zu sehen, ob die Kekse braun wurden.
 

„Warum“, begann Jeongguk, noch immer den Keks in der Hand und seinen Blick nicht von dem Astronomie-Studenten abwendend, „Warum backst du mitten in der Nacht Kekse? Es ist drei Uhr morgens, Hyung.“
 

Taehyung ging vor dem Ofen in die Hocke, die nackten Beine und das Gesicht in oranges Licht getaucht. Er trug nur eine Boxershorts und ein zu groß anmutendes Pyjama-Oberteil und so wie er dort vor dem Ofen kauerte, erweckte er bei Jeongguk den Eindruck eines kleinen Jungen, der ungeduldig auf den Kuchen wartete, den seine Mutter für ein nachmittägliches Kaffee-Kränzchen zubereitet hatte. Die dunklen Augen glänzten und ein glückliches Lächeln zierte sein Gesicht. So als wäre er vollkommen mit sich und der Welt zufrieden.
 

„Mir war gerade danach“, antwortete der Ältere simpel.
 

„Okay“, gab Jeongguk gedehnt von sich und ließ die Hand mit dem Keks sinken, „Wenn dir das nächste Mal mitten in der Nacht danach ist, die Küche in ein Schlachtfeld zu verwandeln, dann tu dies bitte leise. … Hyung.“
 

Damit wandte er sich ab und ging in ihr Zimmer zurück. Als er sich wieder ins Bett legte, stellte er fest, dass er noch immer den Keks in seiner Hand hielt und biss nach kurzem Zögern hinein. Der Geschmack von Bittermandel und Schokolade ergoss sich auf seine Zunge und er schloss für einen Moment genießend die Augen. Doch bevor er in Gedanken versinken konnte, schüttelte er rasch den Kopf, legte den Keks neben den MP3-Player auf den Nachttisch und schnaubte verärgert.
 

Entschlossen kniff er die Augen zu und mummelte sich zurück unter die Decke. Er sollte schlafen und keine Kekse essen. In drei Stunden würde sein Wecker klingeln und bis dahin wollte er noch etwas Schlaf tanken.
 

So war zumindest der Plan.
 

Der Schreck fuhr ihm so plötzlich in die Glieder, dass er beinahe mit einem Satz aus dem Bett sprang. Alarmiert riss er die Augen auf und brauchte einen Moment, bis er erkannte, was eigentlich los war. Sein Herz klopfte ihm bis zum Hals und das Blut rauschte ihm in den Ohren, doch ihm dämmerte schließlich, dass die Stereoanlage aus heiterem Himmel angesprungen war und Musik in morgen-unfreundlicher Lautstärke durch das Zimmer plärrte.
 

Er beeilte sich aufzustehen und legte sich beinahe auf die Fresse, bei dem Versuch, so schnell wie möglich aus dem Bett und zur Anlage zu kommen, um den Lärm abzustellen. Erleichtert atmete Jeongguk auf, als wieder Ruhe einkehrte. Sein Puls raste und beruhigte sich nur langsam. Und das am frühen Morgen...
 

Taehyung schien weit weniger beeindruckt von der ganzen Sache, denn der reckte und streckte sich gemütlich und fragte ihn nur nuschelnd, warum er die Musik ausgestellt hätte.
 

„Hast du etwa den Timer gestellt?“, fragte er fassungslos und sah auf die Uhr. Es war gleich sechs.
 

„Also die Marsmännchen warns nicht“, entgegnete der Rotschopf, ehe er sich aufsetzte und ihn verschlafen und mit abstehenden Haaren anblinzelte.
 

„Bitte sag mir nicht, dass du dich immer so wecken lässt.“
 

„... Ist das ein Problem?“
 

Jeongguk musste sich zusammenreißen, um sich nicht mit der Hand vors Gesicht zu schlagen. Oder einem gewissen Jemand. „Ein Prob- Hyung! Es ist nicht mal sechs Uhr morgens! Ich habe beinahe einen Herzinfarkt gekriegt! Schon mal was von einem Wecker gehört?“
 

Taehyung machte eine abwertende Geste mit der Hand und schwang die Beine aus dem Bett. Er gähnte und kratzte sich unbekümmert am Kopf und Jeongguk spürte eine fiese Migräne anrollen. „Ich habe einen festen Schlaf und brauche morgens einen Muntermacher.“
 

„Dafür gibt es so ein schwarzes, koffeinhaltiges Getränk, dass sich 'Kaffee' nennt.“
 

Der Astronomie-Student lachte und stand auf. „Glaub mir: Ich bin auf Koffein nur schwer zu ertragen!“
 

„... Nur auf Koffein?“
 

„Yah!“ Taehyung schnipste ihm den Finger gegen die Stirn, dass es knallte.
 

„Hyung!“
 

Sein Mitbewohner streckte ihm bester Laune die Zunge raus und drehte eine Pirouette, um anschließend ins Bad zu hüpfen. Die Tür knallte zu und Jeongguk hörte den Klodeckel gegen die Fliesen scheppern. Er spürte seine Augenbraue zucken und das schmerzhafte Pochen in der Schläfe und beschloss, dass er heute schon vor der morgendlichen Dusche einen Kaffee brauchte. Einen starken Kaffee. Am besten intravenös.
 

-
 

Das Zusammenleben mit Taehyung erwies sich als... minimal strapaziös. Nach dem ruppigen Weckmanöver hatten die beiden Zimmergenossen einen Kompromiss geschlossen, der dazu führte, dass Jeongguk an den zwei Tagen, an denen Taehyung früher zur Vorlesung musste, ebenfalls früher aufstand, um den Älteren zu wecken. Das war nicht weiter schlimm. Das, was Jeongguk an den Rand des Wahnsinns trieb, waren die dummen Marotten des anderen.
 

Nicht nur, dass Taehyung ihm den bescheuerten Spitznamen 'Kookie' verpasst hatte, nein, er hatte auch absolut kein Gefühl für Diskretion und wuselte ständig um ihn herum, während er versuchte zu arbeiten. Taehyung sah ihm beim Malen über die Schulter, stellte dämliche Fragen oder textete ihn mit unnützem Wissen und astronomischen Fakten zu. Nein, er hatte nicht gewusst, dass Katzen beim Gebären schnurren. Nein, er hatte nicht gewusst, dass die Wahrscheinlichkeit größer war, durch eine Waschmaschine oder Kokosnuss zu sterben als durch einen Hai. Und er hatte es bislang gut durchs Leben geschafft, ohne diese Dinge zu wissen, danke. Wenn er Jeongguk nicht gerade nervte, dann tat er es indirekt, indem er sich lautstark mit seinem besten Freund Jimin unterhielt. Entweder am Telefon oder die beiden saßen mit Taekout auf Taehyungs Bett, sodass das Zimmer nach wenigen Minuten nach Bratenfett und kalten Nudeln stank. Die Liste ging beinahe endlos weiter. So ließ der Ältere zwar jetzt seine Finger von den Snacks der anderen Studenten, kam aber zu den unmöglichsten Zeiten auf die Idee, zu kochen oder zu backen. Wer aß bitteschön um halb zwei in der Nacht Spaghetti? Taehyung ließ gebrauchtes Geschirr im Zimmer stehen, verlegte Jeongguks Sachen, benutzte sein Shampoo, borgte sich von ihm Oberteile, hörte Musik während der Hausarbeiten und sang dabei laut mit, sprang plötzlich in Gedanken versunken auf und lief eine Runde durchs Zimmer, bevor er sich wieder setzte als wäre nichts gewesen, führte Selbstgespräche...
 

„Er treibt mich in den Wahnsinn!“, rief er frustriert und ließ sich auf das Bett seines Cousins fallen, wo er mit dem Gesicht nach unten liegen blieb.
 

Namjoon saß an seinem Schreibtisch und warf ihm einen amüsierten Seitenblick zu, ehe er gelassen weiterschrieb. Es war nicht das erste – und bestimmt nicht das letzte – Mal, dass Jeongguk in seinem und Yoongis Zimmer auftauchte und sich über seinen Mitbewohner beschwerte.
 

Taehyung und er teilten sich nun seit fast zwei Wochen ein Zimmer und bislang war es Namjoon und den anderen erspart geblieben, mit dem Astronomie-Studenten näher Bekanntschaft zu schließen. Wenn Jeongguk sich mit ihnen zum Mittagessen in der Mensa traf, schlief Taehyung meistens. Der Ältere hatte an vier Tagen die Woche spätabends Kurse und durch seine Angewohnheit, mitten in der Nacht aufzustehen, um spontanen Hirngespinsten nachzugehen und fragwürdigen Gelüsten zu frönen, holte er den verpassten Schlaf tagsüber nach.
 

Doch hatte Jeongguk mittlerweile herausgefunden, dass zumindest Hoseok und Namjoon Taehyung und Jimin flüchtig von diversen Partys kannten. Scheinbar waren die beiden Freunde gern gesehene Gäste und waren in der Vergangenheit bereits das ein oder andere Mal mit Namjoon und Co zusammengetroffen. Er kannte jedoch keine Details.
 

„Schon Mord in Betracht gezogen?“
 

„Klingt illegal.“
 

„Yoongi, das ist nicht sehr hilfreich.“
 

Yoongi zuckte mit den Achseln, Namjoon rollte mit den Augen und Jeongguk schnaubte amüsiert. Der Kunst-Student hielt sich gerne bei den beiden Älteren im Zimmer auf. Er stand seinem Cousin sehr nahe und Yoongi hatte, entgegen seiner harten Schale, einen weichen Kern und war immer für ihn da.
 

Darüber hinaus hatte er im Laufe der letzten Wochen ein gewisses Interesse dafür entwickelt, die beiden Zimmergenossen etwas genauer zu beobachten. Etwas in der Art und Weise, wie die beiden miteinander umgingen, unterschied sich von ihrem Verhalten ihren anderen Freunden gegenüber. Ihm war zum Beispiel aufgefallen, dass Namjoon Yoongi, wenn sie unter sich waren, nur selten mit 'Hyung' ansprach und einmal war Yoongi sogar ein 'Joonie' herausgerutscht. Davon abgesehen, schien sein Cousin immer ein wenig zu bedacht darauf, wie Yoongi sich fühlte, was er sagte und wie er sich verhielt und Yoongi war Namjoon gegenüber weniger griesgrämig und schenkte ihm sein aufrichtigstes Lächeln. Vielleicht bildete er sich das auch nur ein, aber die beiden schienen sich näher zu stehen, als sie nach Außen hin zeigen wollten. Wer wusste schon, wie Namjoon und Yoongi miteinander umgingen, wenn sie alleine waren? Jeongguk hatte nie darüber nachgedacht, ob jemand von seinen Freunden vielleicht schwul sein könnte, auch wenn er sich daran erinnerte, dass Yoongi einmal gesagt hatte, dass ihm das Geschlecht nicht wichtig sei. Und wenn er Namjoon und Yoongi so betrachtete, dann stellte er fest, dass es ihn nicht störte, sollten die beiden wirklich Gefühle füreinander hegen, die über Freundschaft hinaus gingen.
 

„Was hat er denn diesmal gemacht?“, fragte der Psychologie-Student und stützte sein Kinn auf die Handfläche. Er schien einen gelassenen Eindruck machen zu wollen, doch seine Augen funkelten und sein Mundwinkel kräuselte sich leicht, offenbarten, dass sich der Ältere gut unterhalten fühlte. Jeongguk konnte es ihm nicht wirklich übel nehmen.
 

„Die Frage ist eher, was er nicht macht“, erwiderte er grimmig und zog die Augenbrauen tiefer, um seinem Gemütszustand mehr Ausdruck zu verleihen, „Ich meine, er ist Naturwissenschaftler, da sollte er eigentlich wissen, dass Klopapier kein natürlich nachwachsender Rohstoff ist.“ Yoongi gluckste unterdrückt und Namjoons Lippen verzogen sich zu einem belustigten Lächeln.
 

„Mehr nicht?“, hakte Namjoon nach und Jeongguk setzte sich auf, ließ die Schultern erschlagen nach unten sacken und sah mit einem tiefen Seufzen hilfesuchend himmelwärts.
 

„'Mehr nicht'?“, wiederholte er, „Er ist einfach unmöglich!“ Seine Hände flogen erregt in die Höh und Namjoons Heiterkeit stieg proportional zu Jeongguks Ärger. „Seit er im Zimmer ist, kann ich nicht mehr in Ruhe arbeiten. Dass ich meine Tonarbeit noch rechtzeitig in den Brennofen bekommen habe, grenzt an ein Wunder! Ständig wuselt er um mich herum, sieht mir beim Malen über die Schulter und löchert mich mit Fragen oder textet mich mit Dingen zu, die mich überhaupt nicht interessieren! Er- Warum lachst du?“
 

Namjoon hatte es aufgegeben, die Fassung zu bewahren und lachte nun ausgelassen. Seine Grübchen traten hervor und für einen Moment fielen seinem Cousin die Augen zu, bevor er sich eine imaginäre Träne aus dem Augenwinkel wischte und ihn ansah.
 

„Entschuldige“, gluckste er und stand vom Schreibtisch auf, um sich neben Yoongi auf die Matratze fallen zu lassen, „Es ist einfach urkomisch, wie du dich aufregst. Warum bringt er dich denn so auf die Palme? Ich meine, ich weiß ja, dass du ein alter Stinkstiefel sein kannst, aber ich habe noch nie erlebt, dass du dich so dermaßen über jemanden aufregst. Also?“
 

Diesmal sah Jeongguk drein, als würde er an Namjoons kognitiven Fähigkeiten zweifeln.
 

„Was heißt hier 'also'?“, stellte er die Gegenfrage, „Hast du mir in den letzten zwei Wochen nicht zugehört?“
 

Namjoon nahm sich einen Moment Zeit, um über seine Worte nachzudenken und musterte den Kunst-Studenten dabei aufmerksam. Jeongguk wusste jetzt schon, dass ihm die Antwort des Älteren nicht gefallen würde. „Weißt du“, fing er schließlich an und klang überraschend ruhig, wenn man seinen vorangegangenen Lachanfall bedachte, „Ärger entsteht dadurch, dass wir uns persönlich angegriffen fühlen – und je näher man dem anderen steht, desto heftiger die Gefühlsregung.“
 

„Ich stehe Taehyung überhaupt nicht nah!“, protestierte Jeongguk, doch Namjoon hob nur die Hand und sprach ruhig weiter.
 

„Taehyungs Verhalten mag nicht ganz korrekt sein-“
 

„Er ist rücksichtslos!“
 

„-aber du reagierst meiner Meinung nach etwas zu heftig. Er mag ein wenig gedankenlos sein, aber bestimmt steckt da keine böse Absicht hinter. Ich bin sicher, dass er einsichtig sein wird, wenn du im angemessenen Ton mit ihm darüber redest.“
 

Jeongguk verschränkte bockig die Arme vor der Brust. Warum war er denn jetzt hier der Dumme? Taehyung war derjenige, der keine Rücksicht auf ihn nahm und ihm mit seinem Verhalten den letzten Nerv raubte!
 

Namjoon saß ihm gegenüber und betrachtete ihn mit dem wohlwollenden Blick eines älteren Bruders und das Lächeln, welches seinen Mund umspielte, wirkte sanft, aber bestimmt. Yoongi fand sein Buch plötzlich sehr interessant und hielt sich aus dem Gespräch raus. Auch wenn er sonst dazu neigte, nicht viel darauf zu geben, was andere von ihm und seinen Kommentaren hielten, so mischte er sich doch nie in die Diskussionen zwischen den beiden Cousins ein. Doch gerade jetzt hätte Jeongguk sich gewünscht, dass der Ältere ihm etwas zur Seite stand und vielleicht mit einem flotten Spruch die Situation wieder auflockerte.
 

„Statt dich auf eure Unterschiede zu konzentrieren und dich daran aufzuziehen, solltest du lieber nach Gemeinsamkeiten suchen“, führte Namjoon weiter aus und lehnte sich zurück, „Taehyung ist nicht Yugyeom und damit wirst du klarkommen müssen. Also spring über deinen Schatten und komm ihm auf halbem Wege entgegen.“
 

Grummelnd stand Jeongguk vom Bett seines Cousins auf und stakste Richtung Tür. „Hör auf mich zu therapieren“, meckerte er, doch fehlte seinem Kommentar der nötige Biss, um wirklich ernst genommen zu werden.
 

Namjoon lächelte. „Kleiner Menschenhasser.“
 

-
 

Als Jeongguk nur wenige Tage später über den Campus schlenderte, dachte er noch immer über Namjoons Worte nach. Die Hände in die Taschen seines Hoodies vergraben, überquerte er den Hof vor dem Hauptgebäude, ignorierte die anderen Studenten, die in kleinen Grüppchen zusammenstanden und tratschten oder mit einem Buch auf einer der Bänke saßen, und hing seinen Gedanken nach.
 

An seiner Situation hatte sich nichts geändert; Taehyung stellte weiterhin seine Selbstbeherrschung auf die Probe und öfter als ihm lieb war, saß er mit schlechter Laune und Kopfschmerzen in seinen Kursen. Und er schwor bei Gott: Wenn Seongja noch einen einzigen Charlie Brown Witz vom Stapel ließ, ging er die Wände hoch! Er hatte mit einem Mal vollstes Verständnis für Morde im Affekt...
 

Selbst Yugyeom war ihm keine große Hilfe. Bei ihrer letzten Unterhaltung über Skype, hatte der andere zuerst noch versucht, Mitleid zu heucheln, doch schließlich hatte er sich über die Situation genauso amüsiert wie Namjoon.
 

Verräterisches Pack.
 

Ihm würde wohl tatsächlich nichts anderes übrig bleiben, als mit seinem chaotischen Zimmergenossen zu reden, wenn er das kommende Jahr ohne juristisch fragwürdige Zwischenfälle überstehen wollte. Blieb nur zu überlegen, wie er das anstellen sollte. Vielleicht war das etwas zu stereotypisch machomäßig, aber über Gefühle reden war nicht gerade seine Königsdisziplin und er würde lieber Sand kauen als das zu tun. Er war da eher der passiv-aggressive Typ, doch seine Kommentare prallten an Taehyung ab wie ein Flummi. Gutgelaunt lachte der Astronomie-Student nur über „seinen Kookie“ und ließ sich nicht weiter stören.
 

Als er die Bibliothek passierte und in einiger Entfernung das Wohnheim in Sicht kam, zwickte er sich genervt in die Nasenwurzel und atmete tief durch. Er hasste es, sich einzugestehen, dass Namjoon mit seiner Analyse der Situation recht hatte. Er regte sich zu sehr auf. Und vielleicht zeigte sich Taehyung nach einem klärenden Gespräch wirklich einsichtig? Vielleicht kämen sie sogar gut miteinander zurecht? Der Ältere war gesellig, optimistisch und begeisterungsfähig – das waren an für sich positive Eigenschaften, die den Astronomie-Studenten nicht gravierend von Hoseok unterschieden und mit diesem kam Jeongguk schließlich auch klar. Allerdings hatte er Hoseok auch nicht ständig um sich und gepaart mit Taehyungs sonderbaren Eigenheiten konnte dies auf Dauer ziemlich anstrengend sein. Zu anstrengend für jemanden wie Jeongguk, der seine regelmäßigen Pausen von... na ja... Menschen brauchte, um sich seine geistige Gesundheit zu bewahren. Ja, er konnte sozial sein, ja, er konnte charmant sein – aber doch keine 24 Stunden am Tag...
 

Yugyeom hatte dies von Anfang an verstanden und ihm seine Auszeiten gegeben. Doch Taehyung war anders. Wenn sie ihr Zusammenleben weniger stressig – vor allem für Jeongguk – gestalten wollten, mussten sie beide in Zukunft Kompromisse eingehen. Da führte kein Weg dran vorbei.
 

Wow, was für eine Erkenntnis. Namjoon wäre ja so stolz auf ihn.
 

Sich bei dem Gedanken ein Lächeln verkneifend, betrat Jeongguk schließlich kurz darauf das Wohnheim und erklomm die Stufen zum ersten Stock. Ja, er würde in den sauren Apfel beißen, die Arschbacken zusammenkneifen und sich dem Problem wie ein Erwachsener stellen. Mit etwas mehr Elan als zuvor, machte er noch einen Abstecher in die Küche, um sich ein Wasser zu holen, und ging dann Richtung Zimmer. Bei seiner Tür angekommen, verharrte er in seiner Tätigkeit, die Flasche aufzuschrauben, und starrte irritiert auf die Türklinke.
 

… Warum hing da eine Boxershorts am Griff?
 

Er ließ seinen Blick weiter nach oben wandern und entdeckte ein Post-It, auf den sein Mitbewohner schwungvoll ein „Sorry Kookie :)“ gekritzelt hatte. Fassungslos fiel ihm die Kinnlade runter. Das konnte doch nicht sein Ernst sein!? Sein Kopf fühlte sich für einen Moment völlig leer an, bevor er ihn schließlich schüttelte und einige Male blinzelte, um sich aus seiner Starre zu befreien. Was zum-?
 

Im Bruchteil einer Sekunde stand er stocksteif in Habachtstellung, als er ein Stöhnen aus dem Zimmer vernahm. Oh Gott. Er spürte das Blut in seine Wangen steigen, als ihm klar wurde, was genau sich da wenige Schritte entfernt von ihm tat. Die Laute, die die beiden Stimmen von sich gaben, das charakteristische Geräusch der nachgebenden Matratze und des Lattenrostes...
 

Jeongguk floh regelrecht aus dem Wohnheim, zurück nach draußen auf den Campus. Es fiel ihm schwer, einen klaren Gedanken zu fassen und zu begreifen, was das für ein seltsames Gefühl war, das sich in ihm regte. Seine Brust war wie zugeschnürt und er hatte ein pulsierendes Pochen in den Ohren, ein Kribbeln in der Magengegend, Hitzewallungen – Himmelherrgott, er war doch kein kleines Kind mehr! Es war nicht so, als wäre er völlig von dem Gedanken schockiert, dass sein Mitbewohner gerade Sex hatte, doch irgendetwas an der Situation war einfach... falsch. Erst nach einigen zügigen Schritten an der frischen Luft, klärten sich seine Gedanken und seine Körperfunktionen normalisierten sich wieder. Zurück blieb nur die Frage: Was nun? Ratlos und noch immer etwas aufgewühlt lief er über die Wiese des Vorplatzes. Okay, Taehyung hatte also gerade ein unangekündigtes Stelldichein mit einem anderen Studenten und hatte ihn aus ihrem Zimmer ausgesperrt. Er hatte absolut keine Ahnung, wie er damit umgehen sollte. Yugyeom hatte nie Mädchen mit aufs Zimmer genommen und Jeongguk wusste nur, dass er sich ärgerte. Wieder einmal. Wie konnte Taehyung immer nur so rücksichtslos sein? Er wusste doch ganz genau, dass der Kunst-Student um diese Zeit von der Vorlesung kam! Konnte er seine Libido nicht etwas in Zaum halten?
 

„Hey Jeongguk!“, rief da plötzlich jemand gutgelaunt und als der Kunst-Student sich umsah, erblickte er Hoseok, der ihm fröhlich zuwinkte. Bei ihm angekommen, lachte er. „Welche Laus ist dir denn über die Leber gelaufen?“, fragte der Ältere und schwang einen Arm um seine Schultern.
 

Jeongguk brummte nur und Hoseok knuffte ihn während des Laufens in die Seite, sodass sie etwas ins Schwanken gerieten. Wie eigentlich immer war der Journalismus-Student in ausgelassener Stimmung, nicht einmal langweilige Vorlesungen oder Abgabetermine für Hausarbeiten konnten sein sonniges Gemüt trüben. Manchmal beneidete Jeongguk ihn um diese Unbeschwertheit.
 

„Also?“, hakte Hoseok nach, „Was ist los?“
 

„Taehyung ist los.“
 

„So wie du das sagst, könnte man meinen, er wäre irgendwo entlaufen.“
 

„Vielleicht sollte ich herumtelefonieren und fragen, ob ihn jemand vermisst?“, schlug Jeongguk halbherzig vor und brachte den älteren Studenten zum lachen. Der bugsierte ihn weiter über den Campus, vorbei an dem Gebäude, welches das Große Auditorium und die Aula beherbergte und in Richtung der Sporteinrichtungen der Universität. Hier in diesem Teil des Geländes befanden sich das Schwimmbad, das Leichtathletikstadion und auch die Tanzstudios und Übungsräume für die Tänzer und Turner der verschiedenen Disziplinen.
 

„Ach, komm“, säuselte Hoseok und steuerte das 'Performing Arts Center' an, „Warum hasst du ihn so?“
 

„Ich hasse ihn nicht, Hyung.“ Und das entsprach sogar der Wahrheit. Jeongguk hasste Taehyung nicht, soweit würde er nicht gehen. Er war nur einfach furchtbar anstrengend und Jeongguk war eindeutig nicht sozial kompetent genug, um über Taehyungs verrückten Anwandlungen hinwegzusehen.
 

„Na dann besteht ja noch Hoffnung“, grinste der Journalismus-Student und wuschelte ihm durch die Haare. Dann ließ er von dem Jüngeren ab und suchte in seinen Taschen nach Kleingeld, um sich einen Snack aus dem Automaten zu ziehen. Erst jetzt fiel Jeongguk auf, dass Hoseok Sportkleidung trug.
 

„Gehst du wieder zum Tanzen?“, fragte er deshalb, während er sich versuchte, die Haare zu richten und das Thema zu wechseln. Hoseok beugte sich vor, um die Tüte Chips aus dem Fach zu nehmen und nickte enthusiastisch. Der junge Mann studierte vielleicht Journalismus, aber er war auch ein leidenschaftlicher Tänzer und belegte in seiner freien Zeit immer wieder Kurse. Die vielen Stunden, die Hoseok in das Tanzen investierte, ließen Jeongguk daran zweifeln, ob dieser das richtige Studienfach gewählt hatte.
 

„Musst du nicht in ein paar Tagen eine Hausarbeit abgeben? Ich dachte, du würdest in deinem Zimmer sitzen und schreiben“, bemerkte er und zog skeptisch eine Augenbraue hoch.
 

Hoseok zuckte gelassen mit den Achseln und schob sich einen Chip in den Mund. „Wenn ich heute Abend einen Arbeitsanfall kriege, fang ich vielleicht an. … Oder ich setze mich in die Ecke und warte, bis der Anfall vorbei ist.“
 

Zum zweiten Mal heute, fiel Jeongguk die Kinnlade runter. „Moment! Du hast nicht einmal angefangen?“
 

„Mach dir um mich mal keine Sorgen!“, lachte sein Gegenüber und strahlte dabei über das ganze Gesicht, „Ich werde wie immer rechtzeitig fertig. Kümmere du dich mal lieber um dein eigenes Problem!“
 

„Ugh.“
 

„Weißt du, Namjoon hat recht,-“
 

„Hat er das nicht immer?“, warf Jeongguk düster dazwischen, doch Hoseok fuhr unbeirrt fort.
 

„-du solltest wirklich mal mit Taehyung reden. Jimin meint, er mag dich.“
 

Sie waren unter dem Torbogen am Ende des Weges stehen geblieben und Jeongguk konnte nur mit Mühe verhindern, dass ihm die Kinnlade runter fiel. Okay, was war das hier heute? War er im falschen Film? Lief etwas, von dem er nichts wusste? Das war einer dieser Tage, an denen Hintergrundmusik eine echte Bereicherung seines Lebens wäre. Was sollte das heißen, Taehyung mochte ihn? Und wann hatte Jimin das gesagt?
 

„Moment“, ordnete Jeongguk seine Gedanken und versuchte einen anständigen Satz zu formulieren, „Ich dachte, du kennst die beiden nur flüchtig von Partys? Wann soll Jimin denn dann das gesagt haben, Hyung?“
 

Hoseok sah kurz erstaunt drein und gab dann ein „Oh!“ von sich, als wäre ihm etwas Wichtiges entfallen. „Hab ich das vergessen zu erwähnen?“, fragte er mit einem verschämten Lächeln und angelte nach einem weiteren Chip, „Ich kenne Jimin vom Tanzen, er ist wie Yein in 'Modern Dance' eingeschrieben, belegt aber auch Hip Hop Kurse. Wir haben nie wirklich viel miteinander geredet – wie man halt so mit seinen Kommilitonen redet –, aber seit Taehyung dein Zimmergenosse ist, sind wir ein paar Mal ins Gespräch gekommen und erst neulich meinte er, dass Taehyung dich mögen würde.“ Der Journalismus-Student unterstrich die Aussage mit einem Achselzucken und schob sich dann den Chip in den Mund.
 

Und Jeongguk versuchte, die neuen Informationen zu verdauen. „Aha.“
 

Hoseok grinste breit. „Ja, 'aha'! Also zieh den Gürtel stramm, reck das Kinn und lass die Haare wehen – das Wohnheim ist in dieser Richtung!“ Der Ältere lachte fröhlich und gab ihm einen brüderlichen Stoß gegen die Schulter. Doch Jeongguk schürzte die Lippen und rührte sich nicht.
 

„Das ist, ehrlich gesagt, gerade unpassend.“
 

Hoseok blinzelte irritiert. „Wie, 'unpassend'?“
 

Jeongguk räusperte sich. „Nun, Taehyung-hyung ist gerade anderweitig beschäftigt“, er warf ihm einen vielsagenden Blick zu, „Wenn du verstehst.“
 

Der Kunst-Student hatte mit einigen Reaktionen gerechnet, doch nicht mit dem schallenden Lachen des anderen. Während Hoseok sich nicht mehr einzukriegen schien, zog Jeongguk verstimmt die Augenbrauen tiefer. Schön, dass ihn das so erheiterte... Der Journalist – Schrägstrich: Tänzer – hielt sich den Bauch vor Lachen und verlor beinahe seine Chips-Tüte, als er kurz die Balance verlor.
 

„Oh, shit, sorry!“, brachte er schließlich hervor und Jeongguk verschränkte abwartend die Arme, „Ich hätte dich vielleicht vorwarnen sollen.“
 

„Vorwarnen?“ Ihm schwante Übles.
 

„Nun ja, weißt du, da gibt es... Gerüchte. Na ja, nicht wirklich 'Gerüchte', also, weißt du-“
 

„Könntest du vielleicht zum Punkt kommen? … Hyung“, fuhr Jeongguk gereizt dazwischen und verlangte eine klare Aussage des Älteren. Wovor hätte Hoseok ihn warnen sollen?
 

Der Journalismus-Student seufzte. „Sagen wir so. Taehyung und Jimin sind viel auf Party und, na ja, da kommt es nun mal schon vor, dass da der ein oder andere mal... abgeschleppt wird. Um ehrlich zu sein, ist Taehyung bekannt dafür, dass er... viel rumkommt.“
 

Dieses Mal fiel Jeongguk die Kinnlade wirklich runter. Was?
 

Bei dem entsetzten Gesichtsausdruck des Jüngeren, versuchte Hoseok das Gesagte etwas zu beschönigen. „Aber das sind natürlich nur Gerüchte!“, wandte er rasch ein und knüllte die leere Chipstüte in den Händen zusammen, „Ich selbst habe nur einmal erlebt, wie er mit jemandem zusammen die Party verlassen hat und erzählen können die Leute viel. Taehyung ist nun mal sehr... aufgeschlossen und nicht gerade kontaktscheu. Herumknutschen tut er fast immer auf Party, aber Sex? Wer weiß, ob die Typen ihn wirklich im Bett hatten.“
 

Jeongguk fühlte sich leicht schwindelig. Na toll. Promiskuität nannte man das; wäre Taehyung eine Frau, würde man ihn eine Schlampe nennen! Was hatte er nur verbrochen, um so einen Zimmergenossen zu verdienen? Was? Er stöhnte und fuhr sich mit der Hand über das Gesicht.
 

Hoseok schenkte ihm ein aufmunterndes Lächeln. „Ach, komm. Ich bin sicher, es ist nicht so schlimm, wie man sich erzählt und das heute ist nur eine Ausnahme.“
 

Als Jeongguk gerade etwas erwidern wollte, trat jemand anderes in sein Blickfeld und lenkte ihn für einen Moment ab; Yein kam gerade aus dem Gebäude, die Haare zu einem Dutt hochgesteckt, in einen weinroten Leotard und schwarze Stulpen gekleidet, ihre Bloch Eclipse Tanzschuhe in der einen und eine Flasche Wasser in der anderen Hand – und sah genau in seine Richtung. Nach einem kurzen Zögern lächelte sie und hob schüchtern die Hand zum Gruß. Nicht bei der Sache, erwiderte Jeongguk den Gruß und widmete sich dann wieder Hoseok, der schelmisch mit den Augenbrauen wackelte.
 

„Wo wir schon beim Thema sind: Was läuft da eigentlich zwischen dir und Yein, huh?“
 

Jeongguk bekam Kopfschmerzen. Dieser ganze Tag war einfach nur total beschissen und er wollte sich ins Bett legen, die Decke über den Kopf ziehen und der Welt den Stinkefinger zeigen.
 

Langsam den Kopf schüttelnd, schloss er die Augen und seufzte, ehe er sich ohne ein weiteres Wort abwandte und Hoseok wie einen begossenen Pudel stehen ließ. Er war eindeutig nicht in der Verfassung, angemessen auf diese Frage zu antworten. Also ließ er es ganz bleiben.



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