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Sie wusste nicht, wie lang sie schon dieses eine Lied hörte. Immer wieder wählte Luan die Repeat-Funktion. Überhaupt fühlte sie sich wie eine Maschine. Als wäre sämtliches Leben aus ihr gewichen. Sie nahm ihr Smartphone vom Tisch und klickte sich durch die Galerie. Es war nicht allzu lange her, dass sie gemeinsam mit Jules und Jay Zeit verbracht hatte. Dennoch schien dies Lichtjahre entfernt zu sein. Wie gerne würde Luan einen von beiden einfach anrufen. Aber in ihr saß immer noch die Angst, enttäuscht zu werden. Wie hatten sie sich das eigentlich vorgestellt? Sollten sie nun alle eine Dreierbeziehung miteinander führen? Luan kamen die Worte ihrer Eltern in den Sinn: „Man sollte nicht ständig gegen den Strom schwimmen, sonst macht man es sich unnötig schwer.“ War das etwa ihre Bestimmung? Hauptsache in der Norm sein, nie etwas zu wagen und keinen eigenen Kopf zu haben? Bitter schüttelte Luan den Kopf. So wollte sie beim besten Willen nicht sein. Sie entschied sich dafür, rauszugehen und sich ein wenig abzulenken.
 

Also setzte sich Luan in die Bahn. Wohin sie genau wollte? Sie wusste es selbst nicht genau. Der Weg war das Ziel. Seit dem Cut zu Jules und Jay war sie ohnehin nicht mehr raus gekommen. Luan stieg an einer recht belebten Passage aus. Kneipe an Kneipe reihte sich hier nebeneinander. „Irish Pub“, las sie laut. Von außen sah er nicht sehr einladend aus. Das musste allerdings nichts bedeuten. Rock Music dröhnte an ihre Ohren. Obwohl Luan eher, ebenso wie Jules und Jay, Hip Hop hörte, war sie keineswegs abgeneigt. Der Türsteher besah sie für einen kurzen Moment, als wolle er fragen, was sie ohne Begleitung hier mache. Er schwieg jedoch, kassierte von Luan den Eintritt und ließ sie passieren. „Oh man, ist das voll“, dachte sie. Ihre Augen suchten verzweifelt nach einem Platz, den sie letztendlich in einer Nische, neben einer Gruppe von jungen Männern und Frauen fand. Anfangs breitete sich Nervosität in Luan aus. „Bist du neu in der Gegend? Hab dich noch nie gesehen“, wurde sie spontan von einer sehr attraktiven Frau angesprochen. Sie hatte einen androgynen Kurzhaarschnitt, mehrere Piercings, einen rockigen Kleidungsstil und wirkte locker.
 

„Nun ja, so lange wohne ich tatsächlich noch nicht hier“, Luan lächelte die unbekannte Frau an. „Und gefällt es dir in Kassel?“ „Ewig möchte ich nicht bleiben, aber als Übergang ist es ganz okay“, antwortete sie ehrlich. „Kann ich verstehen“, erwiderte die Fremde. „Ich bin übrigens Claire. Und du?“ „Luan“, sie reichten sich die Hände. „Ungewöhnlicher Name“, sprach Claire und erinnerte sie dabei stark an das erste Zusammentreffen mit Jules. „Aber er gefällt mir.“ „Danke.“ „Darf ich dir einen Drink ausgeben?“, bot Claire spontan an. Da sagte Luan nicht nein. Die beiden Frauen verstanden sich auf Anhieb. Claire erklärte ihr, dass bald ein Karaoke-Event stattfand. Aus diesem Grund waren sie und ihre Gruppe heute Abend im Irish Pub. „Du machst doch mit oder? Mein Freund und ich werden sogar im Duett singen“, sie deutete auf den schwarzhaarigen Mann neben ihr, der einen lässigen Stufenschnitt sowie das dazu passende rockige Outfit. Er wirkte ebenso sympathisch wie Claire und reichte Luan sofort die Hand. „Ich weiß nicht“, sie druckste. Mit einem Mal erinnerte sich Luan: Bevor ihr Leben Luan wie eine Lawine überrollte, hatte sie das Singen geliebt. Obwohl Liebe der falsche Ausdruck war. Eher war es Luans große Leidenschaft gewesen, praktisch ihr Lebensinhalt. „Stimmt“, dachte sie still. „Das habe ich Jay und Jules nie erzählt.“ „Komm schon“, Claire gab ihr einen leichten Stups. „Es macht bestimmt Spass.“
 

Sollte sie? Luan war sich selbst noch unsicher. Doch als sie Claire und ihren Freund, der sich als Matt vorstellte, anschaute, entschied sie sich dafür. Alte Liebe rostet nicht oder wie man so schön sagte. „ Fein“, Claire strahlte. Der Ordner mit den Liedern ging herum. „Welches nimmst du?“, fragte sie. „Hmm“, Luan überflog die jeweiligen Titel. Währenddessen schnappten sich Claire und Matt ihre Zettel und notierten einen Song. „I got you babe“, Luan musste lachen bei der Wahl. Letztendlich fand auch sie einen Titel, der ihr entsprach – Step by Step von Whitney Houston. Mit diesem Song verband Luan ohnehin viel, was die Vergangenheit als auch die Zukunft anging. Claire schnappte sich alle Zettel und warf sie in eine Box. „Nun heißt es abwarten“, sie zwinkerte Luan zu. Jemand aus der Gruppe schmiss eine weitere Runde. Luan vergaß völlig die Zeit, obwohl ihre Gedanken hin und wieder bei Jules verweilten. Nicht nur an ihn. Sondern ebenso an Jay.
 

„Hey hey, ich bin dran“, Claire klopfte ihr auf die Schulter. Enthusiastisch betrat Luans neue Bekannte gemeinsam mit ihrem Freund die winzige Bühne, die im Irish Pub aufgebaut war. Ein Moderator reichte ihnen Mikros. Sofort legte das Paar mit ihrer Show los. Obwohl sie hin und wieder recht schräg sangen, stimmte das Publikum mit ein. Selbst Luan wippte mit den Füßen. „Man hat gemerkt, dass das wohl euer Lied ist“, stellte sie später, als sie von der Bühne traten, fest.
 

„Ja total“, Claire kicherte. „Ich weiß … total kitschig.“ „Ach was, ich finde es schön. Auf euch.“ Wenig später fiel ihr Name. Mit wackeligen ging Luan in Richtung der Bühne. „Leg los, Kleines“, ermutigte sie der Moderator. Anfangs war sie schier unbeholfen. Doch als Luan das Mikro zu ihrem Mund führte, fühlte sie die einstige Liebe aus alten Tagen aufflammen. Sie sah zu Claire, deren Mund sprachlos offen stehen geblieben war. Vor Luans geistigem Auge tauchten die Silhouetten von Jules und Jay auf. Wie gerne hätte sie beiden genau hier gehabt. Also sang sie aus vollem Herzen. Sang für sich aber auch jene Personen, die ihr mittlerweile so viel bedeuteten. Nachdem die letzten Töne erklangen, tippte ein unbekannter Mann sie an. „Du hast wirklich Talent. Falls du regelmäßig singst oder es willst, melde dich.“ Er drückte ihr eine Visitenkarte in die Hand und verschwand. Zuerst dachte Luan, er sei ein Betrüger, bis Claire sie aufklärte, dass er in der Gegend ein bekanntes Mitglied einer Band war, die öfter in kleineren und manchmal größeren Locations auftrat.
 


 

P.S. Verzeiht die Verzögerung. Ich war sichtlich eingespannt und mittlerweile habe ich auch endlich mein erstes Buch (allerding mein zweiter Roman, an dem ersten arbeite ich grad wieder) herausgebracht - unter "Fast Car" von Julien Franke ist es u.a. bei Amazon und BoD zu finden. Ich hatte diese Geschichte auch einst hier hochgeladen :). Die LeserInnen haben mich ermutigt, es zu veröffentlichen und somit auch ihr. Vielen Dank dafür <3.



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