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Die Bestimmung

von

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Bestimmung

 

Ich beginne gerade meinen fünften Joint für heute zu rauchen, als ich aus meinem Badezimmer ein Geräusch vernehme. Mit dem Joint zwischen meinen Lippen, völlig zugekifft, betrete ich das Zimmer und halte verdutzt inne. In meinem Badezimmer vor dem Panorama Spiegel, der über dem Waschbecken hängt, steht ein Mann. Ja, ein Mann. Ein mir total unbekannter Mann. Ganz in schwarz gekleidet. Schwarzer Wollmantel, schwarzer Anzug, schwarzes Hemd, schwarze Hose, schwarze Schuhe, auch die Krawatte fast schwarz, die jedoch abgebunden in der Seitentasche seines Mantels steckt. Er betrachtet sich im Spiegel, wobei er Mantel, Jackett und Hemd weit ausbreitet, um seinen nackten Oberkörper zu begutachten.

Der Kerl flucht leise. Dann dreht er sich zu mir, als wäre es das normalste der Welt, als würden wir uns schon ewig kennen und zeigt mir seine Blöße.

Sieh dir diese Schweinerei an.

 

Oh Mein Gott, denke ich, das ist unfassbar.

Der Typ vor mir hat fünf große Löcher in der Brust. So groß wie eine halbe Dollar Münze.  Und weiter unterhalb, rechts, in Höhe des Bauchnabels ist sogar ein faustdickes Loch. Faustdick !!! Das Blut tropft gemächlich aus der Wunde, wie ein undichter Wasserhahn. Tropf... Tropf... Tropf. Ein ermüdendes und zugleich hypnotisches Tropfen.

Und, oh mein Gott, ist das etwa ein Stück Dickdarm was da heraushängt?

Meine Augen weiten sich und erst jetzt merke ich, dass ich den Rauch noch immer in meinen Backen halte. Ich huste, als ich ausatme.

Mittlerweile hat sich eine Pfütze aus Blut angesammelt. Ärgerlich greift er nach der Toilettenpapierrolle und stopft kurzerhand das faustgroße Loch großzügig damit zu.

Erschöpft, aber mit einem frechen grinsen schaut er mich erwartungsvoll an, als wolle er, dass ich applaudiere.

Ich starre erst in sein Gesicht, dann auf mein mittlerweile blutdurchtränktes Klopapier, auf die Pfütze, dann wieder in sein Gesicht. Zu guter letzt betrachte ich argwöhnisch meinen Joint und murmel vor mich hin:

Nie wieder fünf am Tag solchen Mist rauchen. Das bekommt mir einfach nicht. Ich halluziniere.

 

Mit diesen Worten verlasse ich das Badezimmer und gehe schnurstracks in mein Schlafzimmer. Ich muss mich dringend hinlegen. Mir ist schlecht. Nein, das ist alles nicht gut. Ich bin Mega High, total zugedröhnt. Da sehe ich doch tatsächlich einen Freak im Badezimmer, der mir seinen nackten  Oberkörper präsentiert mit solch derartig schweren Wunden, die kein Mensch einfach wegstecken kann.

Ich schlafe sofort ein.

Am nächsten Morgen, geht es mir besser. Ich durchsuche alle Zimmer meiner 2-Raum Wohnung nach ihm ab, nichts. Auch Hinweise, wie all das Blut, fehlen. Soll ich erleichtert sein oder eher nicht. Bin ich verrückt? Oder nicht?

 

Ich brühe mir eine Kanne Tee auf, setze mich mit meiner Tasse an den Küchentisch und surfe mit dem iPhone im Netz. Alles gut und schön, bis --- oh mein Gott --- der Typ von gestern die Küche betritt und gut gelaunt sagt:

Guten Morgen, Darling.

 

Mit offenem Mund starre ich ihn an. Ich bin verrückt geworden. All die Jahre des Kiffens… all die Warnungen… und jetzt das.

Diesmal ist er komplett nackt. Komplett. Er trägt nur seine schwarze Unterhose aus Seide. Er geht gezielt zur Küchezeile, um sich selbst eine Tasse Tee einzugießen. Sein Rücken hat ebenfalls die fünf gleichgroßen Löcher, nur halt auf dem Rücken und Spiegelverkehrt. Das würde aber bedeuten, dass all diese Löcher durchgehend sind. Der Typ ist durchsiebt. Ich schlucke hektisch, mein Herz setzt für Sekunden aus. Durch ihn hindurch sehe ich die Kacheln an der Wand. Er ist wie eine lebende Diskokugel.

Er setzt sich mir gegenüber. Tut, als sei das alles völlig normal. Grinst mich an und sagt fast beiläufig, dass ihm meine Wohnung gefalle, während er am Tee nippt und meint dann abschließend, der schmecke exzellent. Very British.

Übrigens scheint das faustgroße Loch dicht zu sein, denn die neue Lage Klopapier war nur spärlich mit Blut verfärbt.

Er sieht mich verdutzt an, schnippt mit den Fingern nah an mein Gesicht:

Hallo? Noch da?

 

Nein, ich bin offenbar noch nicht völlig bei Sinnen. Wortlos gehe ich Richtung Schlafzimmer, hole aus meiner Kommode eine volle Tüte Gras heraus. Gehe wie in Trance ins Badezimmer, um den gesamten Inhalt der Tüte durch die Toilette zu spülen.

Nie wieder, denke ich bei mir. Nie wieder. Ab heute bist du Clean, Mia. Clean.

 

Der Kerl bleibt derweil geduldig in der Küche, spielt mit meinem iPhone. Ohne ein Wort zu sagen, nehme ich ihm das Teil aus der Hand, wähle den Namen Allison, drücke auf Anruf.

Allison ist sofort dran. Ich sage ihr, dass ich heute nicht zur Arbeit kommen kann. Sie möge mich dort entschuldigen.

Hierbei sei erwähnt, wir arbeiten beide zusammen im Supermarkt. Allison ist meine Freundin, wir kennen uns schon von klein an und sie versteht sich blendend mit unserem Chef. Einem glücklich verheiraten Familienvater. Geiler Bock.

Allison fragt mich Löcher in den Bauch… oh Gott, Löcher im Bauch, der Typ in der Küche. Besser der Nackte Typ.

Ich seufze niedergeschlagen:

Nicht jetzt Allison. Später. Hörst du, später erkläre ich dir alles. Ich brauche jetzt dringend Ruhe.

Ich werfe mein Smartphone neben mir aufs Bett. Ich selbst sitze auf der Bettkante und lege den Kopf in meine Hände.

Immer wieder sage ich zu mir selbst:

Nicht verrückt werden. Bloß nicht verrückt werden. Es wird alles gut. Es ist und bleibt eine reine Halluzination.

 

Aha, Allison heißt also deine Freundin. Interessant.

 

Wieder höre ich mich sagen:

Ignoriere den Kerl. Einfach ignorieren. Alles wird wieder gut.

 

Er lacht:

Mia, meine liebe naive, Mia. Es tut mir leid, aber ich bin so real, wie du und bedauerlicherweise meine Verletzungen am Körper.

 

Ungläubiger Blick trifft ihn. Er verdreht sichtlich genervt die Augen, ergreift mein iPhone, nimmt neben mir Platz.

Mit den Worten:

Bitte lächeln, Darling,

macht er von uns beiden mit der Frontkamera ein Selfie.

Instinktiv lächel ich. Keine Ahnung warum. Ist wohl Angewohnheit. Ich mache nämlich ständig irgendwelche Selfies. Blöde Eitelkeit... .

Mit einem vergnügten Grinsen erhebt der Typ sich und ein paar schnelle Touch hier und Touch da, ist das Bild verschickt.

Ich bin verblüfft. Besonders, da durch eine kurze Vibration eine Antwort angekündigt wird. Nun bin ich hellwach, blitzschnell bin ich bei ihm, um mir das Phone zurückzuholen. Er hat das natürlich kommen sehen, dreht sich von mir weg, und liest die SMS.

Sein grinsen wird immer breiter, dann reicht er mir wohlwollend mein iPhone. Verärgert werfe ich ihm einen finsteren Blick zu, lese dann selbst die Nachricht.

Fuck, Mia, deshalb machst du heute blau? Wegen nem Typen? Ich gratuliere, der ist ja super heiß.

Röte steigt in mir auf.

 

Na, Mia, überzeugt? Ich bin aus Fleisch und Blut.

 

... Irgendwie ist das auch nicht besser ... .

 

Wer bist du? Ich mein was bist du?

Ich deute auf seine Verwundungen, die unmöglich ein Mensch überleben kann.

 

Mein Name ist Crowley.

Und mit einem verführerisch reizvollen Ton fügt er hinzu:

Ich bin ein Dämon, weißt du? Ein sehr mächtiger sogar.

 

Hm. Tja. Also. Okay? Ich bin die Mia. Und ich bin Batgirl.

Das widerrum sage ich verschwörerisch und lege zugleich geheimnisvoll meinen Finger an meine Lippen.

 

Batgirl

entgegnet er trocken.

 

Ich kann ja schlecht Batman sein, oder?

Gebe ich altklug zurück.

 

Nachdem er sich gefasst hat, seine Augen und Nasenwurzel andächtig massiert, ringt er nach einem lächeln und sieht mich dabei aus gutmütig braunen Augen an:

Na schön. Dann eben von vorn. Mein Name ist Crowley. Und ich bin…

die nächsten beiden Worte brüllt er fast

… EIN DÄMON, kapiert?!

 

Quatsch. Ist ein Scherz, oder? Ich habe mich verhört... .

 

RUHE ! Habe ich eben undeutlich gesprochen? Hallohooo, Dämon? Hölle? Luzifer? Ewige Verdammnis?

 

Du sollst der Teufel sein?

 

Nein, ich sagte doch schon. Dämon. DÄMON !

Sagt er unbeherrscht wieder viel zu laut. Das kann man ja bis China hören.

 

Okay, entweder ist dieser Crowley ein Irrer, oder wirklich ein Dämon. Kann es überhaupt Dämonen geben?

Mensch Mia, denke ich erschrocken, guck dir seine Verletzungen an. Die Unmengen Klopapier in ein übergroßes Loch im Bauch gestopft.

 

Keine Sorge, es sieht schlimmer aus, als es ist.

 

Das da ist mein Toilettenpapier.

 

Und?

 

Das ist 6lagig. Verstehst? 6-laaaagig.

 

Wie Bitte? Soll ich jetzt deswegen in Ohnmacht fallen, oder was?

 

Weißt du eigentlich wie teuer 6-Lagen Papier ist? Ein Import Artikel aus Japan. Jaaaaapaaaaan !

 

Herausfordernd schauen wir uns eine Weile in die Augen.

 

Für wie lange?

frage ich seufzend.

 

Zwei Tage. Genieße sie. Betrachte es als Flitterwochen.

 

Zwei Tage? Du spinnst ja. Wenn du nicht gehst, dann gehe ich halt.

 

Das bezweifel ich.

 

Ich bin deine Geißel?

 

Nein, das nicht. Aber wenn du durch diese Tür gehst, oder die Fenster auch nur klappst, bin ich des Todes.

 

Ohne ihn ernst zu nehmen, gehe ich zur Tür. Tatsache, fest verschlossen, der Schlüssel unauffindbar.

 

Mia, my Darling, wir missverstehen uns offensichtlich. Du kommst die nächsten zwei Tage hier nicht raus. Das kann ich nicht zulassen.

 

Ich gebe auf, setze mich in den Sessel und sehe ihn erwartungsvoll an.

 

Sie hatten mich plötzlich umzingelt. Wie du siehst, bin ich dabei schwer verwundet worden. Ich konnte entkommen, aber ich war geschwächt und weiter, als bis zu dir, kam ich nicht. Ich brauche zwei Tage. Bis dahin, sollten wir uns vertragen und lieb zu einander sein.

 

Nimm dir einen neuen Körper. Brad Pitt wäre cool... Halt, nein, noch besser: Zac Efron. Der ist Supersexy und fast in meinem Alter. Dann kannst du ruhig eine Weile länger bleiben. Wir würden dann nur von Luft und Liebe leben. Das wäre schön...

sage ich verträumt und sehe Zac nun direkt vor meinem inneren Auge... .

 

Ganz im Gegensatz zu dir liebe ich diesen Körper. Und ich kann dir versichern, nicht nur die Ladys stehen auf diese Hülle.

 

Ich lehne mich zurück. Und erst jetzt fallen mir die Symbole an den Wänden auf. Überall, an Decken und Fenster. An der Tür. Wahrlich überall.

 

Ist das etwa Blut? Sind die Zeichen hier etwa mit Blut geschrieben?

 

Das wird uns schützen. Niemand von diesen Kreaturen wird uns belästigen. Niemand kommt herein. Hier sind wir vorerst sicher.

 

Was heißt denn ständig „WIR“?

 

Glaube mir, wenn diese Dumpfbacken in die Wohnung gelangen, sind wir beide dran.

 

Na, schön. Zwei Tage. Dafür müssen wir aber etwas ändern.

Gezielt gehe ich zum Kleiderschrank und hole ein ACDC Shirt hervor, dass ich ihm gebe.

 

Erstaunt blickt er das Teil und mich an.

Was soll ich damit?

 

Es anziehen natürlich.

 

Noch nie einen attraktiven Mann, um die Fünfzig, in Unterhose gesehen?

 

Darum geht es nicht. Weißt du eigentlich wie eklig das da aussieht?

 

Okay, Honey, das trifft mich.

 

Er zieht das Shirt nur widerwillig an, demzufolge ist das Ergebnis.

Es ist mir viel zu groß. Was ist das? Größe Jumbo XXL, oder was? Das kannst du einen Gorilla vielleicht antun, aber mir?

 

Das Shirt ist normal. Du bist einfach zu klein,

deute ich mit einem Wink meiner Hand auf ihn.

 

Ich muss doch sehr bitten. Meine Größe entspricht weltweit dem normalen Durchschnitt,

brüllt er mich eingeschnappt an.

Du tust ja so, als wäre ich ein Kobold.

 

Du benimmst dich eher wie Rumpelstilzchen,

nuschel ich in mich hinein.

 

Sonst noch was?

 

Das Bett hier ist für dich verbotene Zone, klar?

 

Ich bin schwer verwundet. Ich brauche Ruhe, wo bitte dann?

 

Hier, die Couch.

Ich flunkere:

Die hat auch die optimale Durchschnittgröße.

 

Böser Blick, Zähneknirschen. Unser Dämon schmollt.

 

Und wenn du das Klopapier wechselst, dann nimm um Himmels willen 3 lagig, Die Rollen liegen ganz unten im Badeschrank. Die tun's auch. Die sind speziell für Gäste.

 

Deine Gastfreundschaft ehrt mich zutiefst, Darling.

 

Was erwartest du? Du hast einen gigantischen Verschleiß damit.

Mit diesen Worten lasse ich ihn allein im Zimmer zurück.

 

Er ruft mir beleidigt hinterher:

Sei dankbar, dass ich kein Handtuch genommen habe!

 

Um Entspannung zu finden, schalte ich im TV den Wetterkanal ein. Ohne Joint ist das aber irgendwie scheiße.

Er setzt sich neben mir und eine Handbewegung genügt und das Programm ändert sich in einen Horrorfilm.

 

Was… Wie… Aber das ist doch PayTV. Ich habe kein PayTV.

 

Er schmunzelt:

Jetzt schon.

 

Mein Interesse ist geweckt.

Was kannst du noch, Dämon?

 

Sex.

 

Ich meine, zeige mir etwas Übernatürliches.

 

Das wäre Sex.

 

Komm schon, ich meine das ernsthaft.

 

Ich auch. Aber, na schön, wenn es dein Wunsch ist.

Mit dem Finger lässt er alle Gegenstände, außer der Couch auf der wir sitzen, schweben. Sie schweben einfach wie eine Feder in der Luft.

 

Ich bin überwältigt. Er scheint noch nicht fertig, denn als alles wieder an seinem Platz ist, werde ich an die Decke mit einem Ruck befördert.

 

Oh Mann, das ist sooo coool. Sooo cool.

 

Eine flüchtige Bewegung und ich falle unsanft auf den Teppichboden. Direkt vor seinen Füßen.

Das tat weh. Musste das sein?

 

Oh ja, Darling. Gönn mir auch ein bisschen Spaß.

 

Der Tag vergeht schnell. Wir spielen stundenlang eine Partie Schach. Endlich ein würdiger Gegner. Er spielt eiskalt und berechnend. Ständig muss ich seine Angriffe parieren, ausweichen oder retten, was noch zu retten ist. Klar, dass ich verlieren muss, aber was für ein Spiel… Damit kann Schach neu definiert werden.

Nach dem Spiel habe ich mich hingelegt, obwohl es erst am späten Nachmittag ist. Als ich zu mir komme, sitzt er mit dem Oberkörper an der Wand lehnend neben mir und spielt mit seinem Smartphone.

 

Hey, das Bett gehört mir. Los verschwinde, Crowley. Husch, Husch.

 

Dann hättest du dir kein Doppelbett kaufen sollen.

 

Ich nuschel, dass es im Angebot war.

 

Er lächelt ins Smartphone und sagt zu mir ohne mich anzusehen:

Deine Freundin Allison ist ja ein richtiges Luder. Gefällt mir.

 

Ich reiß ihm das Phone aus der Hand und starre in zwei, mir wohlbekannte, tätowierte Brüste.

 

Er lacht:

Sie ist keineswegs schüchtern.

 

Wie hast du das gemacht, dass sie so etwas tut, verdammt noch mal?

 

Er deutet mit einer Kopfbewegung einladend an, weiter zu scrollen. Dabei hätte ich wissen müssen, dass bei einem Dämon etwas Abnormes passieren wird. Denn das nächste Bild, ist …. Oh Mein Gott, sein Penis. Ich starre ihn entgeistert an. Ich bin absolut fassungslos.

 

Sie wollte mir die Übergröße nicht glauben. Übrigens ist das,

er zeigt aufs Bild,

mehr als überdurchschnittlich.

 

Was soll ich daraufhin sagen? Allison ist wirklich ein Luder. Fast eine Nymphomanin.

 

Lass die Finger von ihr,

fauche ich ihn an.

 

Es mangelt dir an Respekt.

 

Wütend nehme ich mein iPhone, gehe ins Bad und rufe Allison an. Die überfällt mich sofort, wie sexy der Typ ist und der Penis ein Traum. Und sie will diesen Kerl. Wo ich den nur her habe? Und sie tue alles, um wenigstens einmal nur mit ihm spielen zu können. Denn dafür sind solche Gerätschaften ja gedacht.

 

Obwohl ich weiß, das der Dämon unser Telefonat belauscht, platzt mir der Kragen:

Allison, Schluss jetzt, der Typ ist Geschichte. Nein, du kannst ihn nicht haben. Nein, natürlich sind wir Freundinnen und deshalb rate ich dir von ihm ab. Ja, ich gebe dir Recht, er ist verdammt sexy. Richtig heiß, also du verbrennst dich bloß an ihm. Glaube mir, der ist ein Teufel in Menschengestalt.

 

Eingeschnappt legt Allison auf. Blöde Kuh, denke ich.

Freiwillig überlasse ich Crowley das Schlafzimmer. Die Couch ist schrecklich unbequem. Na ja, ist nur für kurze Zeit. Ein Ende absehbar.

 

Mitten in der Nacht, werde ich wach. Eine Unruhe erfasst mich. Ich schaue ins Schlafzimmer, das Bett ist leer. Crowley steht am Fenster. Ich trete an ihn heran, aus Neugier, denn ich will sehen, was er sieht. Es stehen fast ein Dutzend Leute unterschiedlichen Alters um das Apartmenthaus herum. Auf der Straße, auf den Dächern der Häuser gegenüber. Sie stehen einfach da und fixieren uns. Frauen, Männer und Kinder.

 

Wie unheimlich,

entfährt es mir leise.

 

Sie haben mich gefunden und zeigen mir damit, dass sie warten.

 

Worauf?

 

Auf mich. Das ich herauskomme oder sie hereinkommen.

 

Ich bekomme Angst. Er spürt es.

 

Er nimmt mein Gesicht in beide Hände:

Wenn du das tust, was ich dir sage, passiert auch dir nichts. Vertraue mir, okay?

 

Ich vertraue dir.

 

Siehst du die kleine bezaubernde Dame da hinten, nahe der Straßenlaterne?

 

Ich sehe nur ein kleines Mädchen mit zwei geflochtenen Zöpfen in der Richtung, die er meint.

Dem kleinen Biest habe ich meinen Verschleiß an 6lagen Papier zu verdanken.

 

Voll Irre,

sage ich leise, wird mir doch die gewaltige Kraft bewusst, welche Dämonen besitzen.

 

Er nimmt meine Hand:

Und, Darling, teilst du jetzt dein Bett mit mir?

 

Ich nicke ihm nachdenklich zu, und ob ich das will. Nur keinen Moment allein sein, mit dem Wissen, was da draußen auf uns lauert.

Ich klammer mich an Crowley, als wäre er mein Teddybär aus Kindheitstagen. Er selbst strahlt eine immense Ruhe aus. Durch seine Gelassenheit schöpfe ich Sicherheit und schlafe ein.

 

Ich werde durch ein räuspern wach. Crowley steht am Fußende des Bettes und lächelt mich an.

Gut geschlafen, Darling?

 

Er sieht verändert aus. Wie aus dem Ei gepellt. Er trägt wieder einen schwarzen Anzug, schwarzes Hemd, graugemusterte Krawatte. Alles maßgeschneidert, tadellos im Sitz. Seine braunen kurzen Haare ordentlich frisiert. Sein Gesicht glatt rasiert und makellos.

Wie aus einem Modekatalog für Dressmen, ist mein erster Gedanke.

Wenn das Allison sehen könnte, die würde ihm glatt die Kleider vom Leib reißen.

Schlimmer, ich will ihm ohne zu zögern, hier, gleich jetzt, vernaschen. Herrje, was denke ich da nur, letzten Endes ist der Typ da ein Dämon. DÄMON !!!

Anscheinend sind meine Gedanken zu offensichtlich, denn sein Blick verrät Wollust.

 

Okay, Darling. Jetzt heißt es: Adieu.

 

Am liebsten möchte ich rufen: Geh nicht. Bleib so lange du willst. Mach mit mir was du willst.

Stattdessen sage ich nur:

Aha.

 

Er holt ein beachtliches Bündel Geldscheine heraus und wirft diese aufs Bett:

Für die Unkosten.

 

Wütend werfe ich sie zu ihm zurück. Er fängt sie irritiert auf.

Von Dämonen nehme ich nichts.

Ich krieche zu ihm ans Fußende des Bettes und sehe ihn herausfordernd an.

 

Bist du dir sicher, Mia?

Er ist nun nah bei mir. Obwohl er vielleicht 1,75m ist, kommt er mir jetzt unheimlich groß vor. Sein Charisma an Selbstsicherheit und Arroganz lässt ihn innerlich wachsen.

 

Mit seinem Handrücken streicht er über meine Wange, ich nehme die Hand zärtlich an mich und gebe ihr einen Kuss:

Tja... dann, Crowley, pass auf dich auf, okay?

 

Als wäre es ein Hinweis auf mehr, berühren sich unsere Lippen erst zärtlich, dann steigern sich unsere Gelüste, bis ich anfange unbewusst leise zu stöhnen.

Plötzlich ist er verschwunden. Ich bleibe allein zurück.

 

Die Symbole, die überall meine Wohnung grotesk verzieren, wische ich nicht ab, sondern lasse alles wie gehabt. Fürs Erste, denn ehrlich gestanden, der Schrecken, die Erfahrungen und das Wissen, das Höllenwesen tatsächlich existieren, ist mehr, als nur besorgniserregend. Es ist ein leibhaftiger Alptraum. Diese Symbole sollen von nun an eine Art Traumfänger sein.

 

Noch am gleichen Tag gehe ich zur Arbeit. Natürlich bekomme ich ein Donnerwetter zu hören, aber es bleibt dann nur bei einer Verwarnung. Klar, wer soll sonst diesen unterbezahlten Job machen?

Was mich verwundert, ist die Sache, dass Allison nicht zur Arbeit erschien. Das geht dann auch den nächsten und übernächsten Tag so. Ich versuche sie anzurufen, aber ich bekomme bisher nur die Mailbox. Ich versuche es bei ihr zu hause, nichts.

Was war passiert? Ist ihr etwas zugestoßen? Alarmierend ist das Auftauchen zweier Lieutenants, die sich nach Allison erkundigen. Sie wird nun offiziell als vermisst gemeldet.

Ich werde den Gedanken nicht los, das Crowley etwas damit zu tun hat. Ich steigere mich sehr in diesen Gedanken, dass ich anfange im Netz zu googeln nach Dämonen, was sie sind, was sie tun und bevorzugen, Ihre Stärken, Schwächen usw usw. Das Kapitel über Frauen ist schockierend, besonders was Jungfrauen betrifft. Aber Allison ist mit Sicherheit keine Jungfrau… Scheiße, ich bin Jungfrau…

Ich finde keinerlei Hinweise. Stattdessen nur Indizien. Vermutungen. Der Gedanke, dass es Dämonen gibt, nährt mein Gefühl, dass ihr in der Richtung etwas passiert sein muss. Aber was tun? Crowley. Nur er kann mir helfen.

Ich finde heraus, dass wenn man den Namen des Dämons kennt, man ihn mit den richtigen Mitteln und Sprüchen herbeirufen kann.

 

In meiner Wohnung bereite ich alles vor. Genauestens halte ich mich an die Anweisungen. Das ist höchste Priorität. Der kleinste Fehler und es

kann böse für mich enden.

Ich lese den Zettel ab. Jedes Wort langsam, laut und deutlich. Ehe ich zu ende gesprochen habe, zünde ich ein Streichholz an und werfe es in die Schale vor mir.

Unglaublich! Es funktioniert tatsächlich! Eich Hoch auf WorldWideWeb und Google.

Wie schon im Netz vorhergesagt, sind Dämonen überhaupt nicht begeistert, wenn Menschen sie rufen. Man kann sich daher Crowley Gesichtsausdruck vorstellen. Wenn Blicke töten können.

 

Hallo Crowley,

 

Er schaut sich um, ein lächeln umspielt seine Lippen, denn er sieht, dass seine mit Blutgeschriebene Symbole nach wie vor meine Wände zieren.

Da ist wohl jemand paranoid?

 

Ist das vielleicht ein Wunder?

 

Was willst du?

fragt er gereizt.

 

Ich atme tief ein, sammel meine Gedanken. Ich habe es mir auf den Knien bequem gemacht. Vor mir raucht noch immer der Inhalt der Schale mit den Utensilien die ich für sein Erscheinen benötigte. Ich hole in aller Ruhe einen Joint hervor und zünde ihn bedächtig an.

 

Mia, Darling, ich fürchte wir haben da ein kleines Suchtproblem. Wollten wir damit nicht schon längst aufhören?

 

Während ich mit dem Joint in der Hand ein wenig rumspiele, erzähle ich ihm, was dieses Suchtproblem bewirkt hat und sein herablassendes WIR Gehabe, durchaus nicht abwegig ist, denn es betrifft auch ihn.

 

Hör zu, Crowley. Ich habe dank der Kifferei etwas sehen können, was ich sonst niemals gesehen hätte. All die Symbole hier, all die Zeichen, welche Dämonen fernhalten... ich mein, es sind so verdammt viele. Eines Tages, ganz plötzlich, wurde mir klar, dass es im Grunde nur ein und das selbe Symbol ist, nur halt anders verschnörkelt. Andere Linienführung. Aus einer Linie würde demzufolge ein Dreieck, Quadrat, Kreis, Trichter entstehen. Verstehst du?

 

Du solltest wirklich mit dem Zeug da aufhören. Es beeinträchtigt deine Gesundheit, meine Liebe.

 

Nein, nein, lass mich ausreden. Ich habe ganze elf Joints hintereinander rauchen müssen, um zu erkennen, was genau für ein Zeichen an den Wänden fehlte. Man war ich vielleicht dicht.... Ich dachte mein Kopf platzt. Aber ich denke, es hat sich gelohnt. Zuerst nahm ich an,  du hast das fehlende Zeichen schlicht vergessen, aber das ist nicht der Fall. Es ist Absicht, denn mit dem einen Zeichen,  schadest du dir nur selbst.

 

Sein Blick verrät mir, dass ich auf dem richtigen Weg mich befinde. Ich drücke den Glimmstängel in der Schale aus

 

Es ist dieses Symbol, richtig Crowley?

Zeitgleich greife ich nach einem zusammengerollten Papier von A4 Größe und entrolle es vor seinen Augen.

 

Er versucht sich nichts anmerken zu lassen, aber ich erkenne genau, dass ich  ins Schwarze getroffen habe. Denn plötzlich verliert er die Beherrschung:

Was zum Teufel ist dein Problem, Mia Sanders?

 

Es ist wahrlich nur eine klitzekleine Veränderung, minimaler Strich, nicht größer als ein Komma, leicht zu übersehen. Aber die Wirkung ist kolossal. Auf dich, Crowley, nur auf dich, nicht wahr? Es ist dein Kryptonit. Ich habe sozusagen den Code entschlüsselt. Ich habe einfach, wenn man so möchte, aus einem Minus ein Plus gemacht. Mein Plus. Crowley. Mein Plus. Das Symbol, zwingt dich hier zu bleiben. Du kommst damit nicht herein und das allerwichtigste: nicht heraus. Du sitzt fest. Hier mit mir. Wir zwei.  

 

Genau, wie geplant, kommt er langsamen Schrittes auf mich zu. Ganz langsam, fast ehrfürchtig. Ich weiß, was er will. Er will das Papier.

Na komm schon, mein kleiner hübscher Dämon, hol dir das Leckerli. Komm nur recht schön näher zu mir.

Dann plötzlich hält er inne. Wie erstarrt ist er. Hektisch sieht er sich nach allen Seiten um. Er kann sich nicht mehr bewegen. Er ist gefangen im Fünfstern mit all den dazugehörigen Zeichen, den ich zuvor mit viel Liebe zum Detail auf der Unterseite eines Teppichläufers pinselte, um ihn Dingfest zu machen. Nun gehört er endgültig mir. Die Falle hat zugeschnappt.

Er kocht vor Wut und ich spüre, dass er mich innerlich in Stücke reißen will.

 

Ich bin erleichtert und lass es ihn anmerken:

Das nenn ich mal einen guten Fang.

 

Du kleines Miststück.

 

Ich lege das Papier beiseite und es rollt sich von allein zusammen. Die Hände im Schoß, mustere ich ihn eingehend:

Du solltest netter zu mir sein, denn immerhin ...

ich deute auf ihn und den Bannungskreis, der ihm all seine Macht nimmt.

 

Mit eiskaltem Blick, sagt er bedrohlich und bestimmt:

Du warst Fleißig, Mia. Meine Hochachtung. Nur Wenige werden aus den vielen Symbolen schlau.

Damit verweist er auf die Wände und mein Blatt Papier.

Ich warne dich, diejenigen die meine Schwachstelle kennen, sind nicht gerade meine engsten Freunde geworden.  Daher überlege dir jedes einzelne Wort, jede einzelne Handlung sehr, sehr gut. Wähle alles mit Bedacht.

 

Allison ist verschwunden. Wo ist sie?

 

Ich habe in eine Wunde gestochen. Verunsichert blickt er mich sekundenlang an, bis er die Sprache wieder findet:

Allison? Was habe ich mit Allison zu schaffen?

 

Wo ist sie, Crowley?

 

Bullshit, Mia. Auf der ganzen Welt verschwinden Menschen spurlos. Tagtäglich. Zu jeder Stunde. Jede Minute. In diesem Moment.

 

Das er mich keineswegs mit Feuerwerk und roten Rosen empfangen würde, ist mir schon klar, aber diese Kälte in seinen Augen… sie bedeuten Unheil.

 

Wenn du mir sagst, wo Allison ist, lass ich dich gehen.

Über meine Tollkühnheit bin ich selbst überrascht.

 

Wie bitte?

 

Du hast die Möglichkeit sie zu finden. Hilf mir, Crowely. Bitte.

 

Reiz mich nicht, Darling.

 

Bitte.

 

Sein Blick fixiert mich. Lässt mich die Gefahr bewusst werden, in der ich bin. Obwohl nur wenige Sekunden vergehen, empfinde ich sie unangenehm lang.

 

Na schön. Ich sag es dir. Ich weiß tatsächlich wo sie ist.

 

Er wartet und meine Ungeduld amüsiert ihn.

Sie ist bei mir.

 

Was?

 

Ich habe sie mit mir genommen.

 

Scheiße, ich glaube das nicht. Warum? Warum bloß, Crowley?

 

Zum Verwerten.

 

Was meinst du mit Verwerten?

 

Mehr braucht dich nicht zu interessieren. Eines solltest du dir merken: Vergiss Allison. Du wirst sie nicht wieder sehen.

 

Ich sitze noch immer auf meinen Knien. Vor mir die Schale mit den Utensilien, die ich für seine Erscheinung benötigte. Ich schlucke. Der verdammte Kloß im Hals sitzt verflixt fest. Geduldig wartet er auf meine Antwort, die ihn allerdings verblüfft.

 

Nun gut. Alles klar. Dann tritt Plan B also in Kraft.

 

Ich verstehe nicht?

 

Ich räuspere mich, damit meine Stimme voller klingt:

Ich will, dass du Allison hier zu mir zurückbringst.

 

Er lacht auf.

Sonst noch einen Wunsch, Eure Eminenz?

 

Ich will, dass sie sich an nichts, was mit dir zu tun hat, erinnert.

 

Du verlangst reichlich viel für eine Sterbliche.

 

Bring Allison zurück.

 

Niemals.

 

Gut. Auch damit habe ich gerechnet.

 

Ich erhebe mich. Hole aus dem Schlafzimmer meinen gepackten Rucksack.

 

Ich werde gehen. Für drei Tage. Bis dahin hast du genug Zeit über meinen Wunsch nachzudenken, Crowley. Ich habe Zeit. Viel Zeit. Du aber nicht. Das weiß ich, denn die Hölle ist tagtäglicher Kampf um Macht. All das was du erreicht hast, wirst du garantiert nicht einfach so hergeben. Hier in dem Bannungskreis bist du aber machtlos. Blind und hilflos. Je länger du wartest, umso mehr wirst du die Kontrolle über dein Dämonenreich verlieren und es wird zur Anarchie kommen. Verlass dich darauf.

 

Du drohst mir?

 

Ich mache dir nur bewusst, dass mein Wunsch, gegenüber deiner Lage, eine Kleinigkeit ist.

 

Mit diesen Worten verlasse ich ihn. Ich nehme all meinen Mut zusammen. Bleibe zuversichtlich.

Es werden drei schwere Tage für mich. Ich bin flusig und unaufmerksam. Mit Ach und Krach schaffe ich die vorgegebene Zeit.

Bevor ich die Haustür aufschließe, hole ich paar Mal tief Luft, denn ein mächtiger Dämon wird schlechter Laune sein.

 

Und, oh ja, das ist er. Unverändert steht er da. Wirklich alles an ihm war unverändert.

Dafür wirst du bezahlen, Mia.

 

Ich beachte seine Worte nicht:

Wie hast du dich entschieden?

 

Du bekommst nichts von mir.

 

Wieder ignoriere ich seine Worte:

Auch verlange ich von dir, dass der Vertrag, bzw. die Abmachung ebenso vorsieht, dass du oder andere Dämonenwesen Allison und mir nie etwas antun wirst. Auch nicht ihrer und meiner Familie. Das ist wichtig.

 

Zwecklos, Mia. Du strapazierst nur meine Geduld. Meine Gutmütigkeit. Du kannst froh sein, dass ich dich nicht mit mir ins Dämonenreich nehme und dich langsam, ganz langsam auseinander nehme. Stück für Stück.

 

Da ist er wieder. Der Kloß im Hals. Kalte, verschwitzte Hände, zittern am ganzen Körper. Mein Herz will mich krampfhaft zum aufgeben verleiten.

Na schön, Crowley. Dann alles noch einmal. Drei Tage..

 

Alles wie gehabt. Dafür drei weitere Tage später. Das Gleiche. Ich steh vor ihm. Er hat Augenringe bekommen, ist unrasiert, Sein Gesichtsausdruck mürrisch und gereizt.

Ohne ein Wort zu sagen, holt er aus seinem Jackett ein Dokument hervor. Ein Vertrag.

Ich lese ihn mehrfach durch. Crowley ist voller Tücke. Ich muss auf der Hut sein. Alle meine Bedingungen werden im Vertrag erfüllt. Alles. Ohne Wenn und Aber. Ich bin zufrieden und erleichtert.

 

Warum nicht gleich so, Crowley. Alles verschenkte Zeit. Ich hoffe, du kannst im Dämonenreich deine Position behaupten,

feixe ich.

 

Leck mich.

 

Ich unterbreche den Bannungszauber. Crowley packt mich wütend am Kragen meiner Lederjacke.

 

Du solltest dich nicht mit mir anlegen. Nicht du. Nicht mit mir. Das hat Konsequenzen. Hörst du, Darling. Ich werde einen Weg finden, dass du mir gehörst.

 

Er wirft mich weit von sich und verschwindet abrupt. Crowleys Vertrag erfüllt sich. Allison ist zurück. Sie kann sich an Crowley und das was passierte, nicht erinnern. Alles wird wieder normal. Denke ich zumindest. Aus Angst vor seiner Rache, lese ich mir mehrmals den Vertrag durch. Ich kann aber keineswegs zwischen den Zeilen schlau werden. Es ist ein perfekter Vertrag. Ein Dokument aus der Hölle.

Ich merke sehr schnell, dass man sich nicht mit einem mächtigen der Dämonen anlegt, ohne Folgen.

Es ist an einem Samstag. Mitten am helllichten Tage. Ich verabschiede mich von meinen Kollegen und will gerade den Heimweg antreten, da packt mich von hinten ein Riesenmuskelprotz und legt mir ein Tuch beträufelt mit Chloroform an Mund und Nase. Sofort verfalle ich in einen künstlichen Schlaf.

Ich erwache voll bekleidet in einem feudalen  Bett umgeben von luxuriösem Ambiente. Obwohl die schweren großen Vorhänge zugezogen sind, kann ich durch einen kleinen Spalt das Tageslicht erkennen. Ehe mir bewusst wird, was genau passierte, taucht Crowley am Bettende auf. Breitbeinig, Hände in den Hosentaschen, mustert er mich mit triumphalem Blick.

 

Was soll das? Wo bin ich?

 

Wo? Das sollte dir egal sein, Mia. Wichtig ist, warum? Obwohl du es dir sicher denken kannst, oder meine Liebe?

Fragt er anmaßend.

 

Du kannst mir nichts tun, denke an unseren Vertrag.

 

Er seufzt hörbar:

Ach ja, der Vertrag, wie könnte ich den Vergessen? Ist er doch ein wahrer Alptraum für mich. Und ja, du hast Recht, mir selbst sind die Hände gebunden, aber …. Du...

Er deutet mit der Hand auf mich, sein lächeln ist provozierend.

 

Ich habe den Vertrag nicht bei mir, Crowley. Und wenn du kannst ihn nicht vernichten.

 

Auch das ist mir durchaus bewusst. Aber … Du.

Ein Wink mit dem Kopf.

 

Vor dem inneren Auge studiere ich Wort für Wort das Dokument. Ich kann verdammt noch mal keinen Fehler entdecken. Wo verdammt ist der Fehler???

 

Sachlich im ruhigen Ton, seines Sieges gewiss, übernimmt er das Wort:

Du allein kannst den Vertrag annullieren. Nur du allein, Honey.

 

Der urplötzliche Schreck sitzt verdammt tief in mir. Er spürt meine Angst.

Du bleibst so lange, bis du den Vertrag zerrissen hast. Ja, so lange, meine Kleine, bleibst du hier bei mir. In diesem Zimmer. Stunde für Stunde. Tag für Tag. Meinetwegen Wochen, Monate. Ich habe Zeit. Ich sitze dieses Mal am längeren Hebel.

Nebenbei erwähnt, es werden dir selbstverständlich drei Mahlzeiten am Tag erlaubt. Du darfst sogar frei wählen, was du möchtest. Und wie du da drüben sehen kannst, am anderen Ende des Raumes, steht dir ein voll ausgestattetes Bad zur Verfügung.

Das war dann aber auch schon alles. Luxuriöse Einzelhaft. Ich wünsche eine unangenehme Zeit.

 

Weg ist er.

Ich bin wie versteinert. Was ist da gerade passiert? Ein Rollentausch. Ein fataler Rollentausch. Ich werde verlieren. Ich weiß, dass ich verlieren muss, weil er es so will. Nein, er darf nicht gewinnen. Er glaubt, nur weil er ein Dämon ist und ich nur ein Mensch, kann er sich alles erlauben. Aber weit gefehlt. Er soll am eigenen Leibe erfahren, was es bedeutet sich mit Mia Sanders anzulegen. Sie herauszufordern. Ich werde tapfer sein. Standhalten. Ich schaffe das. Ich habe meinen Stolz.  Das Problem wird die Einsamkeit. Um mich herum nichts als Stille. Die Zeit steht still. Außer schlafen, essen, aus dem Fenster sehen oder Baden, kann ich rein gar nichts tun.

Dazu ist der Mensch nicht geschaffen worden, um in einem Vakuum zu leben. Bereits nach fünf Tagen bin ich zermartert. Ich betrachte den Vertrag in meinen Händen. Innerlich ein Zweikamp: Herz und Verstand. Teufel links und Engel rechts. Erschöpfung  und Aufruhr. Angst und Mut. Stolz und Demut. All sie streiten unaufhörlich.

Kurz nach Mitternacht, ich liege komplett angezogen auf dem Bett, taucht Crowley neben mir auf. Es brennt nur schwach ein Kerzenlicht auf meinem Nachtisch.

Er ist erschienen, um seinen Preis einzufordern.

 

Nun, Mia? Was ist? Du schadest dir nur selbst. Zerreiß den Vertrag. Tu es,

flüstert er diabolisch.

 

Nein.

 

Ich gebe dir mein Wort, dass ich dich am Leben lasse. Dich verschone.

 

Also, wären wir wieder am Anfang. Es geht um Allison. Was willst du von ihr?

 

Ich sagte es bereits: Verwerten.

 

Was heißt verwerten?

 

Er schweigt beharrlich.

 

Sag es, verdammt noch mal,

sage ich lauter, als beabsichtigt.

 

Ich starre in die Leere. Er ist fort. Fünfundvierzig Tage sind nun bereits vergangen. Ganze abgefuckte fünfundvierzig Tage Einzelhaft. Geisel eines Höllenwesens.

Die Mahlzeiten sind das einzige was Abwechslung bringt. Ich dehne die einzelnen Mahlzeiten so weit hinaus, dass manchmal die nächste schon erfolgt. Durch den Stress, nahm ich trotz mangelnder Bewegung und reichlich Essen nicht zu, sondern ab. Das nenne ich eine funktionierende Diät.

Dann kommt der Tag, die Stunde, der Augenblick an dem ich kapituliere.

Als hat er es vorausgesehen. Er steht vor mir. Ausgeruht, Makellos und anmutig sein Aussehen. Dennoch liegt in seinem Gesicht Anspannung. Er wartet auf etwas. Ich weiß worauf. Im Schneidersitz auf dem Bett empfange ich ihn. Ohne das einer etwas zu sagen braucht, sehen wir uns lang und tief in die Augen, als befinden wir uns in einer Arena, kurz vor einem Duell.

Aber der Sieger steht schon lange fest.

Ich lächel resigniert, da ich an unser Schachspiel denken muss. Ja, ich bin schon wieder Schachmatt:

Massel tov.

Ich werfe ihm damit hunderte klein und fein säuberlich zerrissene Stückchen Papierfetzen vor die Füße. Es sind genau 666 Stück. Die Zahl hielt ich für angebracht. Und… ich hatte dafür genügend Zeit.

 

Ohne sich zu bewegen, schaut er mich weiterhin an. Die eine Hand, die er zuvor in der Hosentasche hatte, nimmt er heraus und mit ihr einen Joint. Frisch, akkurat gedreht und wie von Zauberei wird diese an einem Ende angezündet. Er reicht sie mir wortlos.

Die letzte Zigarette, denke ich, wie treffend und makaber zugleich. Crowley, du Arschloch.

 

Ich drehe angewidert meinen Kopf weg. Er verhöhnt mich, indem er selbst einen großen Zug nimmt.

Respekt. Mia. Respekt.

 

Zuerst halte ich seine Worte für Sarkasmus, aber in seinem Klang, liegt echte Bewunderung.

Ich nehme meine letzte Kraft und frage gerade heraus, aber meine Stimme klingt verflucht müde:

Was bedeutet Verwerten?

 

Genießerisch nimmt er einen weiterhin Zug und langsam entweicht der Rauch aus Mund und Nase.

Neben ihm taucht der Kerl von einst auf, der mich hierher brachte. Ohne das Crowley etwas sagen braucht, packt er mich blitzschnell und alles wiederholt sich abermals.

Ich erwache auf meiner Couch. Benommen nehme ich meine vertraute Umgebung wahr.

Mein erster Gedanke gilt Allison. Sie geht nicht ans Telefon. Auch bei sich daheim war sie nicht. Egal wo ich nachfrage, niemand hat sie gesehen.

Alles umsonst. Alles vergebliche Liebesmühe. Er hat sie wieder. Er hat gewonnen, noch ehe das Spiel begann.

Tage vergehen. Trostlos. Ich finde einfach keinen Anschluss. Ich bin raus. Das Leben geht an mir vorbei. Ich werde Einzelgänger. Ich habe mich, die Welt und alles um mich herum aufgegeben.

Ich habe einen mir nahe stehenden Menschen auf dem Gewissen. Ich werde damit einfach nicht fertig.

Mein einziger Ausweg ist mein Leben zu beenden. Es scheint eine Art Erlösung. Befreiung. Buße. Gerechtigkeit.

Ich kaufe mir im Drugstore die größte Packung an Schlafmittel. Die sind zwar einzeln schwach dosiert, aber ich denke, alle auf einmal nehmend wird es schon den gewünschten Effekt erzielen.

Ich liege auf meinem Bett. Die Pillen nehme ich alle auf einmal. Ich bekomme sie nur schwer herunter, benötige dafür viel Flüssigkeit.

Nun liege ich also auf dem Bett. Meine Pulsadern fein durchschnitten, erwarte ich ein Leben danach. Oder vielmehr ich hoffe auf das befreiende Licht.

Meine Gedanken schweifen manchmal ab, da ich mich frage, ob das viele Wasser trinken gut für mich ist. Immerhin ist es unvorteilhaft, hier mit ner vollen Blase auf den Tod zu warten.

Langsam driften meine Gedanken ins Leere, eine unendliche Müdigkeit empfängt mich. Zu keiner Bewegung mehr fähig. Spüre mein Herz nicht, meine Atmung nicht. Ich bin gefangen in mir selbst.

 

Ich komme plötzlich zu mir. Hellwach. Der grelle Vollmond erhellt das Schlafzimmer bis in die kleinsten Ecken und Winkeln. Erschrocken erkenne ich auf dem Nachtisch die Dose mit den Schlaftabletten. Obwohl ich kein Licht mache, kann ich durch die Helligkeit des Mondes deutlich erkennen, dass die Dose unberührt ist. Meine Handgelenke sauber und unzerschnitten.

 

Ich höre eine mir vertraute Stimme:

Wie leichtsinnig von dir, Mia.

 

Crowley.

 

Er hat es sich auf den Sessel mir gegenüber bequem gemacht. Weit zurückgelehnt, Beine übereinander, den Kopf gestützt auf der rechten Hand, sehe ich ihn klar und deutlich. Seine Gesichtszüge ausdruckslos, durch das Mondlicht bleich, aber wunderschön.

 

Warum quälst du mich, Crowley.

 

Weil ich es kann.

 

Ich lass mich zurück aufs Kissen sinken, starre zur Decke.

Du hast was du wolltest. Was willst du denn noch?

 

Er ist nun neben mir:

Dich. Mia. Ich will dich.

 

Leise kaum hörbar frage ich:

Was ist Verwerten?

 

Als wäre es sein Stichwort, zerrt er blitzschnell seine Krawatte ab, zieht seine Schuhe nebenbei aus, reißt ungeduldig sein Hemd auf, das Jackett ignoriert er dabei. Er steht schwer atmend noch immer neben mir, ich kann seine Erregung spüren. Seinen Hass auf mich. Seine zügellose Wut.

Er setzt sich auf mich. Packt meine Handgelenke und kommt nah an mich heran.

Meine innere Stimme sagt mir: Das ich ihn nicht reizen sollte, aber genau das will ich in diesem Moment.

Was heißt Verwerten, Crowley.

 

Er beachtet meine Worte nicht, sondern starrt mich aus seinen funkelnden braunen Augen an.

 

Ich werde ungeduldig:

Was, verdammt? Ich muss es wissen. Verstehst du das denn nicht?

 

Leise, kaum hörbar:

Fuck, Mia... .

 

Ich weiß, jetzt habe ich ihn und langsam, jedes Wort betonend:

Was... heißt... Verwerten,... Crowley?... Sag... es... mir. Bitte.

 

Seine Atmung geht schwer. Ich erkenne es an seinen Brustkorb, der sich schnell auf und ab senkt. Seine Hände umklammern fest mein Shirt. Seine Augen werden Feuerrot. Er zeigt auf einmal sein wahres Antlitz. Er ist ein Dämon mit feuerroten Augen.

 

Nicht nur die Welt befindet sich im Umbruch, Mia, nein auch die Hölle. Ich werde alt, bin müde und schwach geworden. Du hast meine Verletzungen gesehen. Ich brauchte deshalb einen starken Verbündeten, um gegen meine immer stärker werdenden Feinde zu bestehen.

 

Langsam beruhigt er sich und seine Augen werden wieder klar, das rot verschwindet und seine Atmung ist gleichmäßig. Er lockert seinen festen Griff, lässt nach und nach langsam von mir ab.

Ich brauchte Allison als Mitgift. Sie kam zur richtigen Zeit. Sie war perfekt. Ich fand durch sie einen mächtigen Partner. Ein Bündnis, das meine eigene Macht festigen wird.

 

Du hast Allison für deine Zwecke geopfert.

 

Das also, heißt für Crowley Verwerten…

 

Er ist amüsiert über das was ich sage, als wäre es ein Kompliment.

Warum nicht, Honey? Sie entsprach das, was ich brauchte, um Aufmerksamkeit zu erlangen. Mir Gehör zu verschaffen. Oder besser: Sein Interesse zu wecken, mit mir zu verhandeln. Es gelang mir. Du musst wissen, dieser Dämon sammelt Frauen. Er sammelt sie, wie andere Teetassen. Er hat genaue Vorstellungen, bestimmte Kriterien und diese sind mit der Zeit immer schwerer zu befriedigen. Allison entsprach all seinen Vorstellungen, bis auf die Tatsache, dass sie keine Jungfrau mehr war.

 

Jetzt lache ich. Ich muss einfach lachen. Allison war schon einiges, aber sicher keine Jungfrau.

 

Zum Glück habe ich paar Joker im Ärmel. Mit den richtigen Mittelchen war das kein Problem. Das Bündnis steht. Mein Rücken ist gestärkt. Fürs erste. Nur für eine gewisse Zeit. Aber es verschafft mir Luft, Handlungsfreiheit und die nötige Zeit, Hindernisse zu beseitigen.

 

Bin ich ein Hindernis?

 

Das liegt ganz bei dir, Mia.

 

Noch immer sitzt er auf mir, hat mich zwischen seinen Beinen. Noch immer trägt er das Jackett, obwohl sein Hemd weit geöffnet ist. Seine Blöße wirkt anziehend, zugleich erotisch und ruft in mir das Verlangen, ihn zu berühren. Seine nackte Haut zu liebkosen. Es knistert. Die Luft ist explosiv. Stille umhüllt uns und mir ist, als befinde ich mich direkt im Auge eines Hurrikans. Crowley ist dieser Hurrikan.

 

Er nimmt meine Hand und legt sie behutsam auf seine linke Brust.

Spürst du es, Mia? Ich mag zwar diese Hülle hier nur besitzen, aber heute Nacht werden sich nicht nur unsere Herzen vereinen.  Also, Wehr dich dagegen nicht, Mia.

 

Nein, Crowley, ich werde mich nicht mehr zur wehr setzen. Hatte ich denn überhaupt jemals eine Wahl?

 

Ja, die hattest du, Darling.  Aber heute Nacht, hier und jetzt, hast du keine.

 

Er beugt sich nahe zu mir. Seine Hand streicht meine Wange, mein Kinn.

Du weißt, dass dieser Moment unausweichlich ist. Ich nehme mir, was nur du mir geben kannst und gebe dir dafür etwas, was du benötigst. Glaubst du, ich habe nicht gemerkt, dass du von Anfang an dich zu mir hingezogen gefühlt hast?

Je mehr du deine Gefühle zu mir unterdrückst, umso mehr werde ich dich begehren. Ich bin kein Mensch, sondern ein Dämon. Einer, der dir das geben kann, was du dir sehnlichst wünschst, auf eine Weise, die dir Glückseligkeit verspricht.

Er flüstert sinnlich in mein Ohr:

Vertraue mir, Mia.

 

Ich merke an seinen Worten, dass er mein Einverständnis braucht, um sich mit mir vereinigen zu können.

Ich verliere über mich die Kontrolle. Ich bin über seine Worte erregt. Seine Berührung tut sein übriges.

Ich vertraue dir, Crowley.

 

Wir haben Sex und was für welchen. Zügellos und ungehemmt. Es überwältigt mich dermaßen, dass ich gar nicht anders kann, als meine Lust herauszuschreien. Mir ist, als lebt dieser Dämon nur, um mich zu lieben. Mich allein. Nur um mich zu Befriedigen. Dieses Erlebnis ist wahrlich übernatürlich.

 

Völlig erschöpft wache ich erst am Nachmittag auf. Er ist fort. Zuerst glaube ich an einen Traum, aber mein Laken ist blutig. Und zwischen meinen Beinen tut es weh. Plötzlich kommt mir ein furchtbarer Gedanke:

Die Verhütung. Das alles war ohne Sicherheiten. Kann ein Dämon einen Erdenmenschen schwängern? Ist das möglich?

Ich versuche cool zu bleiben. Mache mich in Ruhe fertig, esse seelenruhig mein Frühstück. Aber dann taucht ein Gefühl der Unmut auf. Crowley selbst ist Hüllenlos, aber er besitzt eine menschliche Hülle. Männlich… Ich bekomme abnorme Panik.

Ich hole in der nächst besten Apotheke von zwei verschiedenen renommierten Herstellern je zwei mal fünf Schwangerschaftstest. Kostet mich ein kleines Vermögen.

Zu Hause im Badezimmer habe ich alle zehr Tests auf dem Rand der Badewanne behutsam platziert und warte gespannt auf das Ergebnis.

Hinter mir, über meiner Schulter blickend amüsiert sich Crowley über meine Aktivität:

Das kannst du dir sparen, Darling.

 

Warum?

 

Ich gratuliere. Du bist schwanger.

 

Sag das noch mal…

 

Du …. Bist. … Schwanger.

 

Aber diese Tests hier….

 

Ich weiß, das auch ohne Testergebnis.

 

Du kannst mich mal, Crowley.

 

Die Ergebnisse sind irgendwie unschlüssig: Sechs Mal positiv und Vier Mal negativ.

Er findet das überaus komisch.

 

Verdammt, dass hat mich hier über zweihundert Dollar gekostet. Darüber lacht man nicht. Das ist bitterer ernst.

 

Das veranlasst ihn nur noch ungezwungener zu lachen. Idiot.

Ich boxe ihn hart in die Seite.

 

Darling, Mia mein Schatz, nimm es locker. Eigentlich kann ich keine Kinder zeugen.

 

Und wie bitte kommt das dann, etwa durch Luftbestäubung?

 

Fast. Ich habe ein wenig nachhelfen müssen.

 

Verdammt. Warum hast du das getan?

 

Ich wollte, dass du von mir schwanger wirst.

 

Das weiß ich selbst, dass es Absicht war.

 

Sagen wir, es ist vielmehr eine Bestimmung.

 

Ich verdrehe genervt die Augen:

Kannst du vielleicht einmal, wenigsten einmal, mir etwas erzählen, was ich auch ohne Umschweife verstehe.

 

Ich sagte dir, die Welt befindet sich im Umbruch. Dieses Kind wird die Welt verändern. Es ist Zeit dafür.

Mach dir keine Sorgen. Es wird ein gesunder Junge werden.

 

Ich nehme an, du hast bereist einen Namen für unser Kind.

 

Fergus.

 

Sag mal, spinnst du? Was bitte ist das denn für ein Name?

 

Er ist beleidigt:

Fergus ist ein schöner Name. Er verkörpert Männlichkeit und Kraft.

 

Das ist alles Steinzeit.

 

Der Name ist zeitlos und schön, merk dir das für die Zukunft.

 

Es ist dein richtiger Name, stimmts?

 

In der Tat. Mein richtiger Name ist Fergus MacLeod.

 

Fergie.

 

Das heißt Fergus.

 

Und warum nennst du dich dann Crowley, wenn Fergie angeblich zeitlos und so schön ist?

 

Ich streit mich jetzt nicht mit dir.

 

Nervös kaue ich an meine Unterlippe:

Es wird ein Dämon, wie du. Habe ich Recht?

 

Halb Mensch, Halb Dämon. Es muss allerdings ein Geheimnis bleiben, wer der Vater ist. Du wirst ohne mich das Kind erziehen. Das Kind wird also ohne Vater aufwachsen. Du darfst ihm auch niemals von mir erzählen. Niemals. Ist das Klar?

Selbstverständlich werde ich finanziell für euch beide sorgen, auch steht ihr unter meinem Schutz.

 

Meinst du, dass ich es schaffen werde und was macht dich überhaupt so sicher, dass ich es für mich behalten kann?

 

Ich habe dich bewusst ausgewählt, Mia. Du hast mich damals zu dir genommen, es akzeptiert was ich bin. Auch bist du eine der wenigen, die mein Geheimnis kennt, meine Schwäche und trotzdem hast du sie nach alles, was geschah, für dich behalten. Du hast deine Freundin versucht zu retten, obwohl du wusstet mit welcher Macht du dich konfrontierst. Auch, das du mit der Schuld nicht leben wolltest, rechne ich dir hoch an. Zu guter letzt, deine Unberührtheit. Bisher kein Kuss, kein Körperkontakt. Oder irgendein sexuelles Verlangen. Nichts dergleichen.

 

Nachdenklich sehe ich ihn an:

Du hast Recht, ich habe immer fest daran geglaubt, dass da draußen jemand auf mich wartet, der nur für mich bestimmt ist. Oh mein Gott….

 

All die Puzzleteile haben sich zusammengefügt. Das Ergebnis trägst du jetzt in dir, Mia. Lebe wohl.

 

Halt, halt warte, Crowley. Das war’s. Ich sehe dich nie wieder?

 

Denke an die Abmachung. Nur so kann das Kind geschützt werden.

 

Bitte, gehe nicht einfach so fort. Bitte, dass kann doch unmöglich ein Abschied sein? Ich mein, nach einer solchen Nacht...  ich, also, ich ...

 

Wortlos nimmt er mich an die Hand und geht mit mir ins Schlafzimmer. Er bleibt fast den gesamten Tag über, bis spät in die Nacht hinein. Es mag unser letztes Beisammen sein, aber dafür ist es unvergleichbar. Ich bin sicher, niemand wird jemals Crowleys Platz einnehmen können. Niemals.

 

Die Schwangerschaft, denke ich zumindest, verläuft normal. Ich kann gegenüber anderen schwangeren Frauen keinen Unterschied bemerken.

Deprimierend sind für mich immer Arzttermine oder Beratungsgespräche. Allein die Kurse für werdende Eltern, ein Graus. Stets erscheine ich allein, ziehe mitleidige Blicke auf mich.

Die Geburt selbst ist schmerzfrei. Habe ich mir schlimmer vorgestellt. Der kleine Fergie ist ein Prachtbursche. Gesund und munter. Ein wunderschönes Baby. Die Augen hat er definitiv von seinem Vater. Ohne Zweifel.

Alleinerziehende Mutter zu sein ist verdammt schwer. Ich habe Glück, dass Fergie und ich finanziell abgesichert sind, so wie Crowley es versprach.

Schon früh war mir bewusst geworden, welche Aura von dem Kleinen ausgeht. Die Mädchen himmelten ihn an und die Jungs verehrten ihn schon von Beginn an.

 Mit 18 ist er bereits eine Führernatur. Eine Autoritätsperson. Und Dank seines Aussehens ein echter Frauenschwarm.

Ich bin so stolz auf ihn.

Heute, im November, einen Tag nach Fergies Geburtstag, sitze ich allein im Kirchensaal und betrachte den Altar. Ich denke, dass bald Weihnachten ist. Ich freue mich darauf.

Auf einmal ist mir, als vernehme ich einen Flügelschlag hinter mir. Nicht die eines Vogels. Nein, es ist ein viel größeres Wesen. Wie ein Mensch. Dann erfolgen Schritte. Ein Mann kommt an mich heran. Er strahlt Wärme aus und sein freundlich jugendhaftes Aussehen, wirkt vertraut auf mich.

 

Mia. Es wird Zeit zu gehen.

 

Wohin?

 

Ins Himmelreich.

 

Ich bin sprachlos.

 

Habe keine Furcht, Mia. Es wird ein Leben werden, das du selbst als Paradies empfinden wirst. Vertraue mir.

 

Du bist ein Engel? Ein wahrhaftiger Engel?

 

Ja und ich habe den Auftrag dich zu holen.

 

Bin ich denn krank?

 

Nein, aber die Bestimmung verlangt es. Die Vorsehung muss nach Plan verlaufen.

 

Ich denke an Crowley. Er sagte damals genau das Gleiche.

 

Mein Junge hat eine Aufgabe zu erfüllen?

 

Eine Große. Er wird die Welt verändern. Doch dafür braucht er dich nicht mehr. Es ist besser, du kommst mit mir.

 

Er wird doch etwa nichts Schlimmes anstellen?

 

Ich bin nicht befugt darüber Auskunft zu geben, Mia. Nun komm.

 

Er reicht mir seine Hand. Ich zögere. Wie sich wohl die Hand eines Engels anfühlt? Ehe ich sie ergreifen kann, höre ich hinter mir eine sehr bekannte Stimme.

 

Halt. Einen Moment. Lass mich Lebewohl sagen. So war es abgemacht. Schon vergessen, Engel?

 

Nein, Dämon. Mach es aber kurz.

 

Mit herausforderndem Blick, weil der Engel uns beide nicht allein lässt, fragt er zynisch:

Engel. Musst du nicht dein Gefieder putzen oder dein Heiligenschein zurechtrücken?

 

Dem Engel lässt Crowleys Bemerkung sichtlich unberührt.

 

Crowley,

flüstere ich mit erstickter Stimme. Wie sehr habe ich doch meinen kleinen Dämonen vermisst. Achtzehn lange Jahre. Ich bin älter geworden, aber er... Nein, er nicht. Er ist nach wie vor makellos in seinem Erscheinungsbild. Nach wie vor begehrenswert und animalisch.

Ich gehe zu ihm, er selbst kommt einige Schritte mir entgegen. Ich falle ihn schluchzend um den Hals. Wortlos nimmt er mich fest in die Arme.

Mir ist vorher nicht bewusst gewesen, dass ich abhängig von ihm bin. Seinen Körper nah an  meinen zu fühlen, lässt mich erschrecken.

Wie in alter Zeit, nimmt er mit beiden Händen mein Gesicht.

Er wischt mit seinen Daumen meine Tränen fort.

 

Mia, einem Dämonen hinterher zu trauern, ist sinnlos,

sagt der Engel sanft.

 

Ich fürchte, er hat Recht, Darling.

 

Das war alles geplant?

 

Ja. Die Engel und auch ich wissen von der Vorhersehung. Sie traten deshalb an mich heran. Ich sollte für sie die Entscheidung treffen, wer in Frage kommt. Meine Entscheidung fiel auf dich, Mia. Die Bestimmung wird sich nicht heute erfüllen, nicht morgen oder übermorgen. Es wird viel Zeit bis dahin vergehen, aber der Grundstein ist gelegt. Das Schicksal nimmt unabwendbar seinen Lauf.

 

Wieder laufen mir Tränen übers Gesicht.

 

Der Engel ist nun neben uns:

Jede Träne aus Liebe für einen Dämonen, ist eine vergeudete. Denn er weiß ihren Wert nicht zu schätzen.

 

Halt die Klappe, du nervst, kapiert?

Zischt Crowley ihn wütend an.

 

Ich löse mich von Crowley. Wische mir die Tränen vom Gesicht.

Er hat Recht, Crowley. Ich sollte nicht weinen. Nicht deswegen. Nicht aus Liebe zu dir. Denn Liebe, dieses Wort, ist dir unbekannt. Das weiß ich. Das wusste ich immer. Aber mein Herz selbst hat darüber hinweggesehen.

Ich straffe meine Haltung:

Ich bin bereit.

 

Diesmal ist es Crowley selbst, der allein zurück bleibt. Inmitten einer Kirche, wo das Abbild Jesu am Kreuze mahnend über ihm thront.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 



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