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Die Chroniken der Vier Jahreszeiten

Winters Passion
von

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Mutters letzter Wunsch

Vor langer Zeit schickte Mutter Erde ihre einzigen Söhne auf den blauen Planeten, damit sie wachsen und stark würden. Doch die vier Brüder fürchteten diesen neuen fremden Ort. Sie sehnten sich nach der Wärme und Geborgenheit ihrer Mutter. Als eines Tages ein heftiger Sturm zu wüten begann, hatten die jungen Söhne solch große Angst, dass sie nicht mehr aufeinander achteten. Sie flohen so schnell sie konnten und suchten einen Unterschlupf.

Der jüngste Sohn stellte sich unter eine Tulpe. Dort hatte sich ein Tautropfen an den Kelchblättern verfangen: "Kleine Knospe, Sohn Mutter Erdes", sprach der Tautropfen und fiel hinab auf den Boden, "fürchte dich nicht länger vor dem Wind. Ich will dir Schutz in meiner Blase geben." So schlüpfte der Jüngste in den Tautropfen, dass er sich wie ein Ballon um die kleine Knospe legte.

Der zweite Sohn fand einen Baum, dessen Blätter wie wild durch die Luft wirbelten. "Kleine Knospe, Sohn Mutter Erdes-", sagte eines der Laubblätter und fiel neben den Sohn, "fürchte nicht länger den Wind. Ich will dir Schutz unter meiner Hülle geben." Und der zweite Sohn kroch unter das Laubblatt und war nun sicher vor dem Wind.

Den dritten Sohn hielt die Sonne auf: "Kleine Knospe, Sohn Mutter Erdes, fürchte dich nicht länger vor dem Wind. Klettere auf den höchsten Berg. Dort werden dich meine kräftigen Strahlen schützen." Also kletterte der junge Sohn bis auf die Spitze des höchsten Berges. Und die langen Strahlen der Sonne schienen auf ihn herab, dass er vor dem peitschenden Wind sicher war.

Der älteste Sohn fand schließlich eine schneebedeckte Wiese. "Kleine Knospe, Sohn Mutter Erdes", sprach eine Schneeflocke und näherte sich tänzelnd dem Ältesten, "fürchte nicht länger den Wind. Kriech' durch meine Brüder hindurch, dann bist du sicher." Der Sohn tat wie ihm geheißen und kroch in den Schnee, dass er zufrieden knackste.

Nun waren alle vier Sohne sicher vor dem Wind.

Als der nächste Tag anbrach, kam Mutter Erde hinaufgestiegen. Sie sah ihren Jüngsten und freute sich: "Anox, weil dich der Tautropfen vor dem Wind beschützt hat, will ich dir die Macht des Frühlings geben. Deine Kraft soll den Boden düngen und die Pflanzen nähren. Durch dich soll alles Leben beginnen und wachsen. Regen soll dein Weggefährte sein." Grünes Licht umfing den jüngsten Sohn. Er entwuchs dem Tautropfen. streckte sich und empfing die Wärme des grünen Lichts. "Hab Dank, liebe Mutter", er tat eine tiefe Verbeugung.

Mutter Erde zog weiter. Ihren zweiten Sohn fand sie schlafend unter einem der Laubblätter. Sie freute sich: "Autunis, weil dir das Laubblatt geholfen hat, will ich dir die Macht des Herbstes geben. Deine Kraft soll die Blätter von den Bäumen reißen und das Land mit einem rotbraunen Teppich bedecken. Blitz und Donner soll deine Gefährten sein." Und ein rotes Licht legte sich um den Sohn, dass er die Augen öffnete und unter dem Blatt hervorkroch. Er streckte sich und fiel der Mutter dankend in die Arme.

Mutter Erde setzte ihre Reise fort. Sie kam zu den Gebirgen und auf dem höchsten Berg erblickte sie ihren Sohn. Er lag warm und geborgen in den Strahlen der Mittagssonne. Das freute Mutter Erde: "Aestos", sprach sie, "weil dir die Sonne Schutz geboten hat, will ich dir die Macht des Sommers geben. Deine Kraft soll die Knospen zum Erblühen bringen und die letzten finsteren Wolken vom Himmel vertreiben Mit deiner Wärme sollst du jedes Eis zum Schmelzen bringen. Licht soll dein Weggefährte sein." Mutter Erde sandte ein goldenes Licht, dass den Sohn vollständig umschloss. Er erhob sich und tat eine tiefe Verbeugung.

Den ältesten Sohn fand Mutter Erde tief vergraben in einer Schneedecke. Der Älteste blinzelte als er seine Mutter sah. "Hiemes, weil du Schutz unter diesen Schneeflocken fandest, will ich dir die Macht des Winters geben. Deine Kraft soll die Natur in einen Schlaf hüllen und zur Ruhe kommen lassen. Eis und Schnee sollen deine Weggefährten sein." Und Mutter Erde schickte ein blaues Licht zu ihrem ältesten Sohn, dass er aus dem Schnee hervorlugte, sich streckte und das Licht in sich aufnahm. Er bedankte sich und Mutter Erde nickte erhaben: "Nun suche deine Brüder auf und forme gemeinsam mit ihnen eine einzigartige Welt, in denen Frühling, Sommer, Herbst und Winter Hand in Hand gehen. Dies ist mein letzter Wunsch, bevor ich euch verlasse." Der Älteste nickte. Mutter Erde war zufrieden und verließ ihre Kinder, denn sie waren nun groß und stark.

Hiemes folgte der Bitte der Mutter und versammelte seine jüngeren Brüder um sich. Er berichtete von Mutter Erdes letztem Wunsch. Die Brüder überlegten, was zu tun war. Sie beschlossen ihre Arbeit in gleichen Stücken aufzuteilen: Den Anfang machte Anox. Er brachte den Frühling. Der Boden spaltete sich, Bäume und Pflanzen begannen zu sprießen. Regen kam über die Länder. Samen keimten auf und ließen kleine Halme emporsteigen. Wenn die Sonne am höchsten stand und die Nächte am kürzesten waren, legte Anoxs seine Arbeit nieder und reichte sie seinem Bruder Aestos weiter. Es wurde Sommer. Er vertrieb die dunklen Wolken und ließ die Sonne über den ganzen Planeten scheinen. Blumen öffneten ihre Blüten und freute sich über die Wärme der Sonne. Erst wenn der Tag genauso lang wurde wie die Nacht, beendete der Bruder seine Arbeit. Dann kam der Herbst und Autunis färbte die Blätter bunt und ließ sie in der Luft tanzen. Gewitter, Sturm und Hagel halfen dabei. Eine rotbraune Blätterlandschaft legte sich über die ganze Welt. Wenn die längste Nacht hereinbrach, war seine Arbeit getan und der Älteste machte sich ans Werk. Hiemes rief den Winter herbei. Blättertanz und Sturmgetöse verschwanden. Er machte den Regen zu Schnee und Pfützen zu Eisbahnen. Die Natur war in einen Schneemantel gehüllt und ruhte sich aus. Waren Tag und Nacht wieder einander gleich, begann es erneut mit dem Frühling.

So behielten es die Brüder viele Jahre bei. Doch irgendwann wurde der Älteste - Hiemes - neidisch auf seinen jüngeren Bruder Aestos. Denn der Somme war es, der von allen geliebt wurde. So ging Hiemes zu den Pflanzen und fragte sie: "Warum liebt ihr den Sommer mehr als den Winter?" Die Pflanzen antworteten: "Der Sommer bringt unsere Blätter zum Strahlen und die Blüten zum Blühen. Aber den Winter, den fürchten wir. Die Kälte friert uns die Stiele ein und der Schnee ist uns eine schwere Last." Hiemes wurde wütend. Er ging zu den Bergen. Auch sie fragte er, warum sie den Sommer lieber mochten als den Winter. Sie antworteten: Der Sommer wärmt unsere Spitzen und hüllt uns in gleißendes Licht. Aber den Winter wollen wir nicht. Der Schnee lässt uns ganz und gar verschwinden." Der älteste Bruder wurde wütender. Er kam zu einem See. "Warum liebst du den Sommer?" Der See sagte: "Weil er mein Haupt zum Leuchten bringt und mich in Wärme eintaucht." "Und der Winter", wollte Hiemes wissen. "Brrr", machte der See und schlug Wellen, "der Winter ist so bitterkalt. Er friert mich ein und lässt mich bis auf den Grund erkalten. Nein, den Winter will ich nicht!"

Voller Wut lief Hiemes zu seinem Bruder. Er sah, dass ihn die Blumen anlächelten und die Bäume freudig ihre Äste sinken ließen. Hiemes wurde so wütend, dass er seine Macht auf seinen jüngeren Bruder richtete und ihn zu Eis erstarren ließ. Dann fror er die Seen zu. Die Berge hüllte er vollständig mit Schnee ein. Er ließ es über der ganzen Welt schneien, dass der Schnee die Blütenblätter zu Boden drückte. Die Welt war in Schnee und Eis gehüllt. Und die Sonne verschwand unter dunklen und schweren Wolken, die noch mehr Schnee und Eis schufen.

Die anderen beiden Brüder sahen, was der Älteste getan hatte. Aus Furcht, er könnte sie ebenfalls in Eisskulpturen verwandeln, flohen sie in die tiefste und dunkelste Höhle, die sie finden konnten.

So geschah es, dass Jahrhunderte lang der Winter auf der Erde Einzug hielt. Am Anfang freute sich Hiemes und bewunderte sein Werk. Doch bald fühlte er sich sehr einsam. Ihm fehlten seine Brüder. Er suchte nach Anox und Autunis. Aber er konnte sie nicht finden. Traurig betrachtete er die Eisfigur, die sein Bruder Aestos war. "Ach", seufzte er, "was habe ich nur getan. Mein Neid ließ mich Mutters letzten Wunsch verraten, meinen lieben Bruder zu Eis gefrieren. Die anderen hab ich vertrieben. Ich wünschte, ich könnte alles ungeschehen machen." Leider wusste Hiemes nicht, wie er Eis und Schnee wieder verschwinden lassen konnte. Er war doch der Winter und konnte nur Kälte erschaffen. Verzweifelt drückte er sich an seinen erstarrten Bruder. Tränen rannen ihm übers Gesicht. Er weinte bitterlich. Da verwandelte sich eine Träne in blaues Licht, das immer größer und größer wurde bis eine riesige daraus entstand. Diese Kugel stieg hoch in die Luft und nahm all die Kälte in sich auf. Der Himmel wurde klar. Schnee und Eis schmolzen. Bäche entstanden. Flüsse und Seen. Meere und Ozeane spalteten die Erde. Blumen streckten ihre Hälse und schüttelten sich den Schnee von den Schultern.

Anox und Autunis kamen aus ihrem Versteck. Sie sahen die Sonne, die Blumen und das fließende Wasser und freuten sich. Das Gras wurde grün, die Natur blühte auf. Die Pflanzen öffneten ihre Blütenblätter, ein Blumenteppich breitete sich auf de kahlen Landschaft aus.

"Bruder", rief Hiemes, als die Eishülle des Jüngeren sich löste. E weinte vor Freude, des Aestos war wohlauf. Doch er war auch beschämt. Er fiel vor seinem jüngeren Bruder auf die Knie. "Vergib' mir meinen Zorn. Vergib' meinen Neid. Ich war im Unrecht. Aber nun habe ich verstanden. Nun weiß ich, dass ich den Sommer brauche. Ohne die Sonne kann ich nicht sein und ohne dich will ich nicht sein. Bitte vergib' mir." Da schüttelte Aestos den Kopf. "Alles ist gut", er lächelte seinen Bruder an, "deine Liebe hat das Eis geschmolzen. Es gibt nichts zu vergeben. Auch ich will ohne dich nicht sein." Dann liefen sie zu ihren Brüdern. Gemeinsam schworen sie, einander niemals mehr zu zürnen. Sie ehrten Mutter Erdes Wunsch bis an ihr Lebensende.



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