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Memphis

against humanity
von

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1. Kapitel
 

Leise stieg Bo in seine Jeans und schloss den Hosenknopf, abermals wanderte sein Blick zu seinem Gastgeber, welcher friedlich in seinem Bett schlummerte. Bemüht geräuschlos sammelte er zwei Socken vom Boden auf und stülpte sie sich über die Füße, obwohl er nicht genau sagen konnte, um wessen Socken es sich dabei handelte, geschweige, ob er nicht gänzlich zwei verschiedene anzog. Er bat inständig, es handelte sich um seine eigenen Socken, denn obwohl er mit Kyle bereits ganz andere Dinge teilte, so widerte ihn die Vorstellung von Kyles getragenen Socken durchaus an.

 

Fluchend wendete Bo sich in dem dunklen Zimmer hin und her, wo hatte er in der vergangenen Nacht sein Oberteil hin verfrachtet? Er sollte dringend die Einstellung überdenken seine Kleidung wild durch fremde Leute Schlafzimmer zu werfen - zumindest wenn er sich bei Tagesanbruch herausschleichen wollte. Missmutig gab er sich geschlagen und klaubte sich einen Pullover vom Ende des Bettes, fester Überzeugung Kyle würde dieses Oberteil so schnell schon nicht vermissen.

 

Rasch sammelte der junge Mann seine Boots vom Boden auf und setzte sich auf die Bettkante um Hineinschlüpfen, denn der Geräuschpegel stieg vermutlich um einiges, sollte Bo versuchen wie ein schwerfälliger Affe auf einem Bein sein Gleichgewicht zu halten.

 

Triumphierend verknotete er bereits die Schnürsenkel des zweiten Schuhs, als ihn das Rascheln von Bettwäsche in seinem Tun unterbrach. Ganz nach dem Motto 'Wenn ich dich nicht sehe, dann siehst du mich auch nicht', schloss der Brünette seine Augen und lauschte in die Dunkelheit. Eine quälende Stille lag in der Luft, doch gleichzeitig ließ sie in Bo auch Hoffnung aufkommen: Vielleicht hatte sich Kyle lediglich im Schlaf herumgewälzt, der Brocken schlief in der Regel sowieso sehr unruhig. Eigentlich war ihm im Moment alles lieber als ein munterer Kyle der ihn nur wieder verhöhnte.

 

Gerade als sich Bo wieder seinem Schuh zuwenden wollte, strichen ihm fremde Finger die Haare aus dem Nacken, gefolgt von Küssen, die beinahe zärtlich seine Haut bedeckten. Die Hoffnung, Kyle schlummerte brav im Land der Träume, floss dahin.

 

„Guten Morgen …“, brummte Bo leise, kaum hörbar und verfluchte sich selbst, hätte er doch einfach ein paar Sachen zusammengesammelt und sich draußen angezogen.
 

„Versuchst du dich wiederholt klammheimlich aus meinem Schlafzimmer zu schleichen?“, ertönte die schlaftrunkene Stimme seines Gastgebers, während dessen Lippen weiterhin vereinzelte Küsse auf seinem Hals verteilten. Bos Finger verkrampften sich in dem Stoff seiner Jeans, am liebsten hätte er Kyle von sich gestoßen und ihm seine Grenzen ein für alle Mal verdeutlicht.

 

„Heimlich?“, murmelte Bo bemüht entspannt, „Heimlich ist solch ein negativ belastetes Wort, mir lag lediglich etwas daran, dass du ausschlafen kannst. Ich weiß doch, wie früh du immer in die Fabrik musst …“.

 

Ein Arm legte sich um Bos Mitte und Kyle zog ihn weiter auf das Bett, dichter an ihn heran. Sobald Kyle schlief, begann sein Körper eine beinah unangenehme Hitze auszustoßen, eine aufdringliche Wärme, welche Bo nicht sonderlich zusagte.
 

„Lügen ist ganz und gar nicht nett, Bo …“, Bo fühlte, wie sich Kyles Brustkorb gegen seinen Rücken drückte und eine Hand über seinen Oberschenkel strich, „Willst du denn wirklich schon gehen?“ Die fremde Hand wanderte weiter in Richtung Lendengegend, was Bo ein wütendes Schnauben entlockte. Hastig befreite sich der junge Mann aus den Armen seines Gastgebers und stieg aus dem Bett: “Wir sind durch für eine Nacht, außer du willst mir die doppelte Menge an Memphis geben, dann steige ich bereitwillig zurück auf die Matratze“.

 

Die Antwort ließ auf sich warten. Stöhnend warf sich Kyle zurück in die Kissen und vergrub sein Gesicht in den Händen, rieb sich über die Augen „Warum musst du aus der schönsten Nebensache der Welt, solch ein billiges Arrangement machen?“
 

Eventuell da es exakt solch ein billiges Arrangement war, dachte sich Bo. Kyle besorgte das nötige Memphis und als Gegenleistung versüßte Bo ihm die kalten Nächte – ein fairer Handel fand der Brünette. Zumindest wenn man darüber nachdachte, wie enorm die Preise für hochwertiges Memphis derzeitig stiegen. Bo bezeichnete sich gerne als Realist, er könnte dieses Zeug niemals mit Geld bezahlen, zumindest nicht in dieser Qualität. 
 

„Du weißt, ich gebe dir das Memphis aus ohne deine äußerst nette Gegenleistung“, Kyle klang gönnerhaft und überheblich, eine Mischung, die in Bo eine ungeahnte Abneigung schürte. „… “, Bo verzog das Gesicht und schüttelte deine braune Haarmähne, „Ich brauche keinen gutmütigen Samariter, mir liegt auch nichts daran in deiner Schuld zu stehen, denn es wird dich überraschen, aber ich bin durchaus in der Lage für meinen Bedarf selbst aufzukommen“.

 

„Könntest du für das Memphis ‚selbst aufkommen‘, dann würdest du deinen Arsch nicht regelmäßig in mein Bett drängen …“, Kyle nahm seine Hände aus dem Gesicht und richtete sich erneut mit dem Oberkörper auf. Egal wie vehement Bo es abstritt, Kyle konnte man durchaus als ansehnlich bezeichnen: Hochgewachsen, definierte Muskeln, breites Kreuz, sonnengebräunte Haut und ungewöhnlich blaue Augen – auch wenn ihm das kurz geschorene schwarze Haar etwas Militärisches gab. Ehrlich gesagt widerte Kyle den jungen Bo überhaupt nicht an, vielmehr ekelte Bo sich vor sich selbst. Wie tief musste man sinken, um seinen eigenen Körper für ein paar Drogen zu verkaufen, zumindest wenn das billige Memphis reichte, doch hierbei ging es nicht allein um Bo.

 

„Fick dich, Kyle“, entkam es Bo und er wendete sich zum Gehen ab, sollte Kyle doch denken, was er wollte. Der Brünette stand gewiss über diesen Sticheleien, zumindest versuchte er es akribisch.
 

„Kein Bedarf, ich warte lieber, bis du wiederkommst, Bo ...", der Schwarzhaarige klang amüsiert, „Und so wie ich dich kenn, kann ich alles sagen was mir in den Sinn kommt, du wirst dennoch in einer Woche an meiner Türschwelle stehen“.

Wetternd riss Bo die Schlafzimmertür auf „Fick dich! Fick dich! Fick dich!". Wie konnte ich mir gerade solch einen Vollidioten aussuchen, überlegte Bo eindringlich. Wütend schmiss er die Tür hinter sich ins Schloss und lief durch den kleinen Wohnbereich bis zur Kommode vor der Ausgangstür, griff nach seiner ausgefransten Umhängetasche. Kyle war nicht mehr als ein überheblicher Bastard mit einem viel zu großen Ego. Für wen hielt der Spinner sich, dachte er fluchend. Kaum schulterte Bo die Tasche, riss er das oberste Fach der Kommode auf, mittlerweile wusste er, wo Kyle das Memphis für ihn lagerte – dachte er zumindest: „Kyle! Du mieser Kleiner …“.
 

Bo hielt nicht mehr an sich und schrie durch die Wohnung: „Kyle, du Mistkerl, wo ist das Memphis?“. Die Schlafzimmertür ging auf und nur wenige Schritte später stand Bos Stammdealer in Jogginghose vor ihm. Er schien sich über Bos Wutausbruch köstlich zu amüsieren, eine Tatsache, die den Brünetten nur noch wütender machte.
 

„Wenn du weiter schreist, dann weiß bald die gesamte Nachbarschaft, dass ich mit Memphis deale …“, er wirkte kein bisschen besorgt, lehnte sich nur lässig gegen die Wand und verschränkte die Arme vor der Brust, „Wo liegt das Problem, Bo?“

 

„Du fragst mich ehrlich, wo das Problem liegt?“, Bo fragte sich ernsthaft, ob Kyle ihn auf den Arm nahm. Am liebsten hätte er ihm die Finger um den kräftigen Hals geschlungen und solange gedrückt, bis Kyle das Atmen aufgab. „Wo ist das verfickte Memphis?“, forderte Bo zu wissen und deutete energisch auf die leere Schublade. „Ich schwöre dir, wenn du versuchst mich über den Tisch zu ziehen, dann …“, bemüht bedrohlich ging Bo auf Kyle zu und tippte mit dem Zeigefinger auf dessen Brustkorb, „Wir haben einen Deal und du scheinst dich nicht daran zu halten. Das ist Vertragsbruch!“
 

„Was für ein Vertrag?"
 

„Kyle!"

 

„Durchatmen, Bo. Ich wollte dich lediglich daran hindern, ohne einen Abschiedskuss zu verschwinden", er stieß sich von der Wand ab und ergriff Bos Hand, mit welcher dieser ihn zuvor stocherte, „Ich fühle mich immer so benutzt, wenn du einfach so gehst“. Bo gelang es nicht seine Mimik zu kontrollieren und er rollte mit den Augen, Kyle war mit Abstand der schlechteste Schauspieler, den Bo kannte.

 

„Wie heißt die wichtigste Regel unserer Vereinbarung?“, fragte Bo, doch vermutlich musste er nicht erwähnen, dass diese Frage rhetorischer Natur war.
 

„So wie jeden anderen Prostituierten, darf ich auch dich nicht küssen ...", seine Antwort kam wie aus der Pistole geschossen und schmeckte nach einer ordentlichen Portion Hohn sowie Spott. Ohne Bos Reaktion abzuwarten, verließ Kyle den Raum und lief zurück ins Schlafzimmer. Wenige Sekunden später tauchte er mit einer kleinen Plastiktüte wieder auf: „Zehn Spritzen feinstes Memphis – frisch aus der Fabrik – zur Unterdrückung von Kräften, nur für dich“.

Schnaufend riss Bo ihm die Tüte aus der Hand und verstaute diese sofort in seiner Tasche „Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie sehr ich dich hasse …“. Noch ehe Bo reagieren konnte, umfassten Kyles Hände seine Schultern und dirigierte ihn mit dem Rücken gegen die Tür „Und ich weiß, dass du es nicht tust …“ Der Brünette knirschte mit den Zähnen, würde er selbst kein Memphis konsumieren, dann könnte Kyle nicht so mit ihm umspringen. Eine Hand wanderte empor und legte sich in Bos Nacken, die andere strich begierig seinen Brustkorb hinab „Ich meine es ernst, ich will einen Kuss …“

 

„Fick dich, Kyle …“

 

„Bist du diesen Spruch nicht langsam leid?“

 

„Ich bekomme kaum genug davon“, erklärte sich Bo und versuchte Kyle von sich zu drücken, was allerdings nur bezweckte, dass dieser näher rückte, „Ich meine es ernst Kyle, geh weg und lass mich los!“ Der Griff in Bo seinem Nacken verstärkte sich beinahe schmerzhaft. „Ich bin wirklich erstaunt, was ein Mensch für ein wenig Memphis alles mit sich machen lässt“, murmelte Kyle und Bo konnte den warmen Atem seines Gegenübers fühlen, ebenso wie den Dreitagebart der leicht über seine Wange kratzte. „Aber leider weiß ich auch …“, begann Kyle, „Wir haben nur so guten Sex, da du weißt, dass ich niemals gegen deinen Willen handle.“ Er wirkte beinahe zerknirscht, als er die Hände von Bo nahm und somit für einen gewissen Abstand sorgte. Erleichtert atmete Bo auf, ließ Kyle allerdings keine Sekunde aus den Augen „Ich kann also davon ausgehen, dass du fertig bist?“

 

„Dir steht es frei zu gehen“.

 

„Wie gütig …“, am liebsten hätte Bo seinem Dealer vor die Füße gespuckt, in ihm wütete eine Mischung aus Wut und Verachtung, „Du bist so ein Drecksack.“  Eilig und mit klopfendem Herzen verließ Bo die Wohnung, folgte den schmalen Treppen bis zur Ausgangstür des Wohnhauses und trat einen herumstehenden Pappkarton beiseite, welcher ihn fast zum Stolpern brachte.  Überall Dreck, Ratten und Kakerlaken, dachte der Brünette und versuchte sich damit abzulenken, hoffte auf Gedanken die Kyle aus seinem Kopf drängten. Müde schloss er seine Augen und lehnte die Stirn gegen die morsche Holztür, die Klinke fest umschlossen. Aufdringliches Verhalten war für Kyle nicht untypisch, doch seit wann benahm er sich so beharrlich? Seit wann störte es ihn, dass sie sich nicht küssten? Immerhin pflegten sie eine Geschäftsbeziehung und waren gewiss kein Liebespaar. Er wendete sich um und ließ sich mit dem Rücken an der Tür herabgleiten, wischte herumliegendes Zeitungspapier wirsch beiseite und schreckte damit eine Ratte aus ihrem Versteck, welche sofort hektisch die Treppen erklomm und im Erdgeschoss verschwand „ …“.

 

Noch eine Weile sah Bo dem Nager nach, den Hinterkopf gegen die Tür gelehnt und die Arme entspannt auf den angewinkelten Knien positioniert. Worüber wollte sich Bo schon groß beklagen, so falsch lag Kyle doch gar nicht. Es war durchaus erstaunlich, was Menschen für ein bisschen Memphis taten, vermutlich würde Bo dafür sogar seine Seele verkaufen. Was für ein lächerlicher Vergleich: Seine Seele zu verkaufen empfand Bo als vertretbar, doch bei einem Kuss führte er sich auf wie ein kleines Mädchen – und es wunderte ihn noch, dass Kyle ihn nicht für voll nahm? Bo schnaubte und schüttelte seinen Kopf, sein eigenes Verhalten betrübte ihn, doch war es so verwerflich eine Grenze zwischen ihm und Kyle zuziehen? Konnte Kyle es ihm tatsächlich verübeln? War es so falsch und könnte Bo es nicht einfacher haben indem sofort alles gab was sich dieser wünschte?

 

Müde erhob sich Bo von dem dreckigen Fußboden und klopfte sich den Staub von der Hose. „Hör auf in Selbstmitleid zu baden, Bo“, tadelte er sich selbst, er kannte Kyle bereits so lange und weigerte sich weiter über ihn nachzudenken, besonders da die wenigen Sonnenstrahlen, welche durch die verstaubten Fenster brachen, einen neuen Tag ankündigten. Wie meinte seine ältere Schwester einmal zu ihm: Schleppe deine Sorgen niemals länger als einen Tag mit dir herum.



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