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Das Volk aus den Bergen

Magister Magicae 4
von

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jähes Ende

Kunigami auf Okinawa, Forschungsstation
 

„Ist unsere Testperson immer noch bewusstlos?“

„Ja.“

„Hat es funktioniert?“

„Das weiß ich nicht. Das werden wir erst sehen, wenn er wieder aufwacht.“

„WENN er wieder aufwacht“, betonte Doktor Bürstenbein.

„Nun, er hat doch überlebt, oder nicht?“

„Die meisten anderen Versuchsobjekte haben auch noch eine Weile überlebt. Aber sie sind alle früher oder später doch noch gestorben.“

„Aber der hier hält schon dreimal solange durch wie die bisherigen. Die Chancen, daß er sich wieder stabilisiert, steigen immer weiter, Herr Doktor Bürstenbein“, hielt Professor Doktor Hülsenkorn überzeugt dagegen. Würde schon gut gehen. Scheinbar hatten sie jetzt endlich das richtige Verfahren gefunden. Es mussten nur noch die Feinheiten ausgefeilt und dem Vorgang die Kinderkrankheiten ausgetrieben werden.

Der Doktor lachte leise. „Was glauben Sie, wie lange wir ihn noch hinhalten können, bis er merkt, daß das Knuddelz gar nicht giftig ist, verehrter Herr Kollege?“

„Bis jetzt spielt er bei den ganzen Tests ja gut mit. Ich rede ihm immer ein, daß ich seine Vitalfunktionen im Auge behalten muss, damit sich das Gift nicht auf irgendwas auswirkt. Mit dieser Ausrede lässt er jede Untersuchung mit sich machen.“

„Ja, aber so blöd ist er nun auch wieder nicht. Kein Mensch glaubt Ihnen, daß man drei Tage lang völlig symptomfrei mit Gift im Körper vor sich hin leben kann“, gab Doktor Bürstenbein zu bedenken. „Was haben Sie ihm für Medikamente gegeben?“

„Gar keine. Nur reines Placebo.“

„Vielleicht sollten Sie ihm Abführmittel untermischen, damit er wenigstens mal ein paar Symptome bekommt und noch eine Weile an das Gift in seinem Körper glaubt.“

Von unten kam ein verstopftes Trompeten-Tröten. Professor Doktor Hülsenkorn beugte sich lächelnd herunter und wuschelte dem Knuddelz über den Kopf, daß die langen Schlappohren nur so herumflogen. Der Hybrid trötete nochmal begeistert und rüsselte mit seiner beweglichen Nase in der Luft herum.
 

Waleri rollte im Hauptlabor ruhelos auf dem Computerdrehstuhl hin und her. Er war irgendwie zappelig, weil er mit seiner Mischung unterschiedlichster Gefühle nicht umzugehen wusste. Vladislav war jetzt schon seit über 5 Stunden ohnmächtig und wachte einfach nicht wieder auf. Sie hatten ihn im Hauptlabor in stabiler Seitenlage auf die Liege gepackt, denn das war die geeignetste Liegemöglichkeit hier. Waleri machte sich Sorgen um ihn. Außerdem war er stinksauer auf diese Pfuscher von Forschern, die ihm das angetan hatten. Und nebenbei ging es ihm nach seinem eigenen Zusammenbruch auch selber noch nicht wieder sonderlich gut. Die Wissenschaftler konnten noch nichtmal sagen, was nun so richtig schiefgelaufen war. Sie vertrösteten Waleri auf später, wenn sein Schützling wieder wach war. Dann könne man angeblich mehr sagen. Die Magnetfeld-Maschine hätte jedenfalls einwandfrei funktioniert. Langsam teilte Waleri die Skepsis, die Vladislav gegenüber diesen Laborkittelträgern gepflegt hatte, ebenfalls. Der Genius raffte sich seufzend von seinem Drehstuhl hoch, ging die zwei Schritte zu Vladislav hinüber und setzte sich mit der halben Po-Backe zu ihm auf den Rand der Liege. Den anderen Fuß ließ er unten auf dem Boden stehen. Prüfend legte er ihm eine Hand auf den Unterarm. Irgendwas hatte sich verändert. Vladislav war beim Training schon mehr als einmal K.O. gegangen. Aber das hier fühlte sich über die mentale Verbindung anders an.

Professor Doktor Hülsenkorn kam ins Labor, lud einige Sachen ab, die für seine Arbeit benötigt wurden, und schaute dann auch mal nach dem Patienten. „Na, wie geht es ihm inzwischen?“, wollte er von Waleri wissen, prüfte dabei schon den Puls an Vladislavs Handgelenk und zog ihm danach ein Augenlid auf, um zu schauen, ob sich an den Pupillenreflexen irgendwas getan hatte.

„Ich finde, er ist ziemlich kalt geworden“, bemerkte der Genius Intimus.

Professor Doktor Hülsenkorn legte seine Fingerknöchel auf Vladislavs Schläfen und auf seine Wange, um die Körpertemperatur zu prüfen. „Naja, er liegt ja auch schon seit ein paar Stunden bewegungslos hier rum. Da kühlt der Körper natürlich oberflächlich ein wenig aus, wenn er nicht zugedeckt wird. Aber das ist kein Grund zur Sorge. In unserem Labor ist es warm genug.“

Waleri brummte nur unzufrieden.

„Und wie geht es Ihnen inzwischen?“, erkundigte sich der Professor. Immerhin war auch Waleri vorhin zusammengeklappt wie ein Kartenhaus.

„Wenn du mich das allen Ernstes nochmal fragst, hast du meine Faust im Gesicht.“

Der Professor hob ergeben die Hände. „Schon gut, jetzt seien Sie doch nicht mehr böse. Wir wollen ja nur helfen.“

„Dann sag mir endlich, was hier passiert ist!“, blaffte Waleri ihn an.

„Nun ... in die Magnetfeld-Apparatur ist Bann-Magie mit eingewoben. Ihr Schützling ist auch ein Bann-Magier. Vielleicht hat er sich selber mit irgendwelchen Schutz-Bannzaubern belegt, die sich mit der Maschine nicht vertragen haben. Das ist die plausibelste Theorie, die ich derzeit habe.“

Der Schutzgeist schaute nur schlecht gelaunt weg. Wenn Vladislav irgendwelche Schäden davon trug, oder Schlimmeres, würde er die Forscher wahrscheinlich in der Luft zerreißen. Aber das sagte er erstmal nicht laut. Er wollte keine Drohungen äußern, die er dann vielleicht doch nicht wahr machte. Er war kein Mann großer Worte. Er tat lieber Dinge, die er vorher nicht angekündigt hatte.

„Ich bringe Ihnen einen Kaffee“, schlug der Professor versöhnlich vor.

„Ja, gern.“
 

Es dauerte noch eine weitere dreiviertel Stunde, dann öffnete Vladislav tatsächlich endlich müde die Augen einen Spalt weit. Er fühlte sich furchtbar und musste erstmal einordnen, wo er überhaupt war. „Waleri ...“, hauchte er heiser, als er seinen Genius Intimus auf der Kante der Liege sitzen sah.

„Hey! Gott sei Dank, du bist endlich wieder wach.“

„Was ist passiert?“, raunte Vladislav mit kratziger Stimme. Er versuchte vorsichtig, seine Glieder zu bewegen, die sich steif und taub anfühlten.

„Das wissen wir noch nicht so genau. Mit dem Magnet-Dings ist irgendwas schief gelaufen. Aber die zwei Pappenheimer können noch nicht sagen, was.“

Der Motus-Boss fröstelte sichtlich. „Mir ist kalt ...“

„Ich hol dir eine Decke.“

„Nein.“ Vladislavs Hand zuckte vor, und legte sich stoppend auf das Bein seines Schutzgeistes, bevor ihm die Augen wieder zufielen. „Nein ... geh nicht weg ... irgendwas stimmt nicht.“

„Ja, den Eindruck hab ich auch“, stimmte Waleri ruhig zu und blieb eben sitzen. Und als er versuchte, über das silberne Band zu erspüren, wie es seinem Schützling ging, fiel ihm auch endlich auf, was es war. Ihm sackte das Herz in den Magen. „Vladislav!?“

„Hm?“

„Wir sind getrennt worden!“

„Was?“ Vladislav blinzelte fragend die Augen wieder auf.

„Unsere mentale Verbindung, sie ist weg! Ich spüre dich nicht mehr!“

Er horchte nachdenklich in sich hinein, ob es ihm genauso ging.

„Ich habe es bisher auf deine Bewusstlosigkeit geschoben, daß ich keine Verbindung mehr zu dir hatte. Aber jetzt, wo du wach bist ...!?“

„Tatsächlich“, meinte Vladislav besorgt. Die mentale Verbindung zu Waleri war stets wie ein unterschwelliges Summen tief in seinem Inneren gewesen. Wenn er es ignorierte, bekam er es kaum noch mit. Je konkreter er sich darauf konzentrierte, desto stärker und deutlicher vernahm er es. Dann konnte er anhand dieses 'Summens' ablesen, wie seinem Schutzgeist gerade zu Mute war. Es veränderte sich. Und Vladislav konnte ihm sogar bis zu einem gewissen Grad seine eigenen Emotionen gewollt und absichtlich mitteilen. Zum Beispiel konnte er Waleri mittels dieser Verbindung zu sich rufen, oder ihn finden, wenn er ihn suchte. Nur, egal wie stark Vladislav diese mentale Brücke beachtete oder ignorierte, sie war nie ganz weg. Sie konnte in den Hintergrund treten, aber nie zum Schweigen gebracht werden. Aber jetzt ... !? „Ich fühle die mentale Verbindung auch nicht mehr. Wo du bisher immer gewesen bist, ist alles tot. Da ist nur noch Stille.“

dermo ...“ [Scheiße], murmelte der Genius Intimus fassungslos. „Wo sind wir hier gelandet, Vadim? Wer sind diese Kerle, und was machen sie mit uns?“

Vladislav konnte sich ein unterschwelliges Schmunzeln nicht verkneifen, auch wenn er vor Müdigkeit und Schwäche kaum wach bleiben konnte. Waleri hatte ihn schon ewig nicht mehr mit 'Vadim' betitelt. Das war ein Zeichen dafür, daß er sich Schwäche eingestand und das auch zugab. Diesen Spitznamen benutzte er für Vladislav nur, wenn er so aufgekratzt war, daß er wirklich nicht mehr ein noch aus wusste. Und das war bei diesem ochsigen Kerl selten der Fall. „Waleri?“

„Ja.“

„Ich glaube, es ist Zeit, meine Pistole raus zu kramen.“

„Dein erster sinnvoller Vorschlag, seit wir in Japan sind.“

„Eh, nicht frech werden, towarisch!“

„Nein. Würde ich mir doch niemals erlauben“, konterte Waleri hämisch.
 

Professor Doktor Hülsenkorn lehnte sich von seinem Mikroskop zurück und streckte erstmal seinen verspannten Rücken durch. „Die Werte sehen gut aus. Ich denke, wir sollten ihn nochmal ins MRT schieben, um zu sehen, was es nun tatsächlich bewirkt hat. Wenn wir erfolgreich waren, wird nichts mehr zu finden sein.“ Er schaute nebenbei auf seine Armbanduhr. „Ich hab schon seit 2 Stunden nicht mehr nach ihm gesehen.“

„Nicht so dramatisch“, meinte Doktor Bürstenbein. „Wenn sich irgendwas getan hätte, wäre sein Genius Intimus Ihnen schon auf´s Dach gestiegen, Herr Professor Doktor Hülsenkorn.“

„Ich geh trotzdem mal schauen.“

„Nicht nötig, macht euch keine Umstände“, meldete sich eine Stimme von der Tür her.

Die zwei Wissenschaftler fuhren herum. Keiner der beiden konnte es fassen, den breitschultrigen, blonden Strubbelkopf putzmunter da stehen zu sehen.

Doktor Bürstenbein entdeckte auch sofort die Pistole in der locker herunterhängenden Hand des Magiers. „Äh ... äh ... wir können das erklären!“, beeilte sich der Doktor zu versichern.

„Na, da bin ich aber mal ganz Ohr“, schoss Vladislav bittersüß lächelnd zurück, ohne zu spezifizieren, was genau er denn überhaupt erklärt haben wollte. Die zwei würden sich schon von selber um Kopf und Kragen reden, da war er sicher. Er hatte, nachdem er aufgewacht war, noch eine Stunde gebraucht, um sich halbwegs zu erholen, aber jetzt war er wieder fit genug, um sich mit den beiden Kerlen zu befassen.

„Okay, Sie haben es bestimmt schon selbst bemerkt. Das Knuddelz hat gar keinen giftigen Rüssel. Wir haben gelogen.“

Vladislav bemühte sich, seine Mimik unter Kontrolle zu halten. Hatte es nicht? Diese verdammten Halunken! Aber er spielte weiter den Informierten, der das natürlich schon längst durchschaut hatte. „Und wozu dann der ganze Aufriss?“

Doktor Bürstenbein schaute hilfesuchend zu seinem Kollegen hinüber.

„Nun ja ... wir ...“, druckste Professor Doktor Hülsenkorn herum. „Wir brauchten eine magisch begabte ... also ... quasi eine Testperson.“

Der Motus-Boss atmete tief durch. Magisch begabte Testpersonen. Hätten die für ihn gearbeitet, hätte er denen mehr magisch begabtes Experimentiermaterial geliefert, als sie jemals hätten verdauen können. Im Zusammenhang mit diesem Gedanken reifte in ihm aber gleich noch eine ganz andere Idee. „Für welche Art von Tests?“

„Wir forschen an einem Verfahren, um das silberne Band zwischen Magi und ihren Genii zu kappen.“

„Also doch“, murmelte Waleri leise von hinten.

Vladislav stemmte die freie Hand in die Hüften. „Na, das müsst ihr aber noch gehörig ausfeilen, wenn es solche Nebenwirkungen hat“, stellte er nur in den Raum, ohne zu verraten wie erfolgreich dieses Vorhaben der beiden Forscher verlaufen war. „Also, ich weiß nicht, für wen ihr bisher gearbeitet habt, aber ab jetzt arbeitet ihr für mich. Das hier ist mit sofortiger Wirkung eine Außenstelle der Motus!“, legte er fest und hob bekräftigend seine Pistole, um etwaige Widerworte zu unterbinden. Eine so gut ausgestattete Forschungsabteilung, besetzt mit einer top ausgebildeten, russisch-sprachigen Crew, die kein Problem damit hatten, illegale Projekte zu betreiben – konnte ihm denn etwas Besseres passieren? Für diese Knaben würde er gute Verwendung haben, auch wenn sie keine Magier waren.

Professor Doktor Hülsenkorn bekam vor Belustigung weiche Gesichtszüge. „Dafür müssen Sie uns nicht bedrohen, verehrter Landsmann. Wenn Sie uns bezahlen, arbeiten wir schon ganz freiwillig für Sie.“

Sein Kollege nickte zustimmend. „Ja. Sagen Sie uns doch einfach, was Sie wollen und brauchen, und wir legen los. Kein Grund, hier die guten Manieren über Bord zu werfen.“



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