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Pray

for a better Day
von

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Erinnerungen

Hola Gilbert!

Ich hoffe es geht dir soweit gut da wo du jetzt bist? Ich hab mich derweilen super hier eingelebt. Ich habe sogar wieder angefangen Gitarre zu spielen und einen Garten voller Tomaten habe ich auch. Das Wetter hier ist einfach Traumhaft, würde mir wünschen du wärst auch hier, dann könnten wir gemeinsam die Abendsonne genießen, bei einem Gläschen Wein und einer gemeinsamen Zigarette… Ah du fehlst mir mein Kamerad.
 

Adiós, Antonio
 

Lächelnd faltete Gilbert den Brief zusammen und steckte ihn zurück in das Kuvert, legte diesen dann sorgfältig zu den anderen Briefen. Er drückte schließlich die Kippe in dem Aschenbecher auf dem kleinen Holztisch aus und nahm die Krücke zur Hand, hievte sich schwerfällig auf die Beine und stützte sich noch kurz auf dem Tisch ab.
 

Knapp ein Jahr war es bereits her und trotzdem hatte er sich noch kein Stück an dieses lästige Ding gewöhnt.
 

Ein frustriertes Knurren entwich seinen Lippen und er nahm die Zigarettenpackung an sich, steckte diese in die Tasche seiner schwarzen Hose, ehe er nach seiner Jacke und dem Geldbeutel griff.

Langsam stolzierte er zur Wohnungstür vor und öffnete diese, er brauchte ganz dringend frische Luft und einen Drink, so wie gefühlt jeden Abend – Er war gewiss kein Alkoholiker, er genoss nur die kleinen Spaziergänge zur Kneipe, die Musik die dort spielte und die Drinks die es dort gab, sowie die vielen unterschiedlichen Menschen, die so ausgelassen waren und noch ein letztes bisschen Lebensfreude in sich hatten, trotz all der schlechten Dinge die da draußen passierten.
 

Er würde Lügen, würde er behaupten nicht sogar selber Teil davon gewesen zu sein.
 

Bilder traten vor seinem inneren Auge auf und er schüttelte den Kopf, versuchte diese Bilder wieder davon zu treiben. Hinfort zu spülen. So zu tun, als seien sie nicht da.
 

Er konnte es einfach noch nicht. Er konnte noch nicht an das denken, was er getan hatte.

Genau so wenig wie er auch an das denken konnte, was geschehen war.

An das, was er verloren hatte.
 

Nein, diese Wunden waren noch eindeutig zu frisch.
 

Er biss sich auf die Unterlippe und setzte seinen Weg fort.

Langsam lief er die leeren Straßen der kleinen Provinz nahe Paris entlang, die Laternen tauchten diese in ein warmes Licht und er atmete tief die kühle Frühlingsluft ein.
 

„Salut Gilbert“, begrüßte der Barkeeper ihn freundlich, mit einem breiten Grinsen im Gesicht. Der Preuße nickte dem Mann lächelnd zu und hing seine Jacke an den Garderobenhaken, ehe er sich an einen kleinen runden Holztisch im hintersten Eck der Bar verzog.
 

Sein Stammplatz seit Monaten.
 

Einer der Kellner brachte ihm ein Glas Rotwein. Einen Château Mouton Rothschild. Francis hatte ihm an der Ostfront damals diesen Wein empfohlen.

Er grinste bei dem Gedanken an den quirligen Franzosen.
 

Solltest du irgendwann mal nach Frankreich kommen, dann werden wir gemeinsam diesen Wein trinken. Glaub mir mon ami, du wirst es nicht bereuen!
 

Er nahm das Glas in seine Hand und schwenkte es vorsichtig, beobachtete wie die Flüssigkeit die Glaswand entlang lief und atmete tief den herben Geruch des Weines ein, dann setzte er an und trank den ersten Schluck in Gedenken an seinen französischen Kamerad.

Der zweite Schluck ging an Antonio, der sein Leben so führte, wie er es sich immer gewünscht hatte.

Der dritte Schluck ging auf seinen kleinen Bruder, von dem er nicht mal wusste ob er noch lebte.
 

Dieser Gedanke frustrierte ihn irgendwie.
 

Er stellte das leere Glas schließlich ab und lehnte sich zurück, streckte sein linkes kaputtes Bein etwas aus und sah aus dem Fenster. Beobachtete die wenigen Menschen, die vor der Kneipe entlang liefen und lächelte leicht.
 

Der Preuße würde Antonio heute noch definitiv auf seinen Brief antworten, ihm berichten, dass alles gut bei ihm war.
 

So gut wie es eben sein konnte.
 

Er seufzte und wandte den Blick vom Fenster ab, bestellte noch einen Wein und hing dann weiter seinen Gedanken nach, als er plötzlich ein Geräusch vernahm.
 

Die Tür zur Kneipe öffnete und eine kleine Truppe von Menschen kam herein, an der Aufmachung und der Sprache erkannte er schnell, dass es sich hierbei um Amerikaner handeln musste.

Er rutschte etwas tiefer in den Stuhl, was eigentlich im Nachhinein betrachtet Blödsinn war, er war kein gesuchter Verbrecher. Er war damals Erfolgreich untergetaucht und führte nun ein Leben fernab von den Verpflichtungen eines Soldaten oder… was anderem.
 

Aufmerksam sah er die Neuankömmlinge an, die sich an einen der großen Tische niederließen, direkt in der Nähe der Bar. Die Amerikaner hatten wohl eindeutig vor heut noch ein Glas mehr zu Bechern.
 

Der Kellner kam wieder um ihn seinen Wein zu bringen, Gilbert bedankte sich bei ihm und widmete sich dann wieder der stummen Beobachtung der Amerikaner, als ihm plötzlich einer besonders auffiel.
 

Ein ruhiger junger Mann, nicht älter als 20 vielleicht. Er hatte aschblondes Kinnlanges Haar und große blaue Augen, er sah etwas verloren aus zwischen den ganzen anderen Amerikanern aber da war noch irgendwas - Irgendwas, was Gilbert faszinierte, doch er konnte nicht fix ausmachen, was genau es war.
 

Er nippte an seinem Glas und ließ die rote Flüssigkeit seine Kehle entlang laufen, aus dem Augenwinkel sah er immer wieder zu dem Fremden rüber, als sich irgendwann ihre Blicke kreuzten.
 

Lächelte der Junge ihn etwa an?
 

*
 

Hallo Antonio,
 

Ich hab mich sehr über deinen kurzen Brief gefreut. Mir geht es super, ich hab mich echt gut eingelebt und lebe endlich in Frieden mit allem.

Mich freut es zu lesen, dass es dir soweit auch gut geht und dein Vorschlag klingt wirklich verdammt gut, vielleicht können wir tatsächlich irgendwann mal genau das in die Tat umsetzen? Ich vermiss deine Gesellschaft ebenfalls.
 

Bis bald, Gilbert.
 

„Du verrückter Preuße“, schmunzelte Antonio als er den Brief gelesen hatte. Er legte das Stück Papier neben sich auf den Steinboden der Terrasse und drückte die Zigarette aus, stimmte dann weiter die Gitarre um etwas Kleines darauf zu spielen.

Er hatte erst letztens ein schönes Lied im Radio gehört und konnte sich noch recht gut an die Melodie von eben diesem erinnern.
 

Irgendwann hatte er tatsächlich die Töne soweit, dass Antonio sichtlich zufrieden damit war. Er begann damit die Saiten zu zupfen und lauschte den lieblichen Tönen, die das Instrument in seinen Händen von sich gab. Selig lächelnd sah er in den Himmel und spielte.
 

Er wusste nicht wie lange er spielte aber es fühlte sich an wie eine halbe Ewigkeit, er wünschte sich dass diese nie enden würde.

Seinetwegen hätten die Momente für immer so bleiben können.
 

Seufzend stellte er die Gitarre beiseite und fuhr sich mit der Hand durch die dunklen Haare.

Er wünschte sich nichts sehnlichster wie Gilbert und Francis her, er mochte das Leben hier in Süd-Italien in seinem kleinen Haus mit dem regen Briefaustausch zwischen ihm und Gilbert, aber ihm fehlte dennoch dieser physische Kontakt.
 

Und Francis… Er atmete frustriert aus. Er wusste genau, dass der Franzose nicht wieder kommen würde.

Er hatte es gesehen und er wünschte sich, er könne die Zeit zurück drehen.
 

Doch die Zeit lief einfach weiter. Unaufhaltsam lief sie.
 

Er schloss kurz die Augen um die aufkeimenden Tränen nieder zu kämpfen. Es war nun mehr fast ein Jahr her seit dem Vorfall. Er wollte weg davon und das bedeutete auch, nicht weiter darüber nach zu denken.
 

Antonio erhob sich, nahm den Aschenbecher und die Gitarre in die Hände, dann öffnete er die Terrassentür zu seinem Haus und trat ein.

Er stellte die Gitarre neben der Tür ab und den kleinen Aschenbecher auf dem Holztisch, der gleichzeitig auch als Esstisch fungierte.
 

„Ich glaub er ist hier entlang!“, hörte er eine harsche tiefe Stimme von draußen schreien. Genervt verdrehte Antonio die Augen und ging in Richtung Haustür, als es auch schon klopfte.

Er öffnete die Tür und sah zwei schwarz uniformierten Männern entgegen, die ihm gefährlich entgegen blinzelten.

„Hast du einen kleinen Italiener hier rumstreunen sehen?“, fragte der eine Mann harsch und funkelte Antonio aus blauen Augen prüfend an. Es faszinierte ihn immer wieder wie stur diese Deutschen waren und einfach auf Deutsch mit ihm redeten. Er hatte allerdings das Glück ein wenig Deutsch zu verstehen, erwiderte jedoch auf Englisch: „Tut mir leid, habe ich nicht.“

Der Offizier vor ihm zischte verachtend: „War klar. Wenn du doch was siehst, dann gib unverzüglich vorbei oder du machst dich mit strafbar, Spanier!“
 

Damit rauschten die beiden Männer davon, ließen Antonio etwas verwirrt zurück. Kopfschüttelnd ging er zurück in das Haus.

Es war klar, so klar.

Da kämpft man schon an der Seite der Deutschen an der Ostfront und trotzdem wird man behandelt wie Dreck.

Ihm hat es nur noch gefehlt, dass ihm der Mann vor die Füße spuckte.
 

Die Ostfront.

Bei dem Gedanken schüttelte es ihn und er kniff die Augen zusammen, rieb sich den Nasenrücken und versuchte ruhiger zu atmen.

Er würde nicht daran denken, was dort geschah.
 

Bitter jedoch musste er auflachen.

Die freiwilligen Soldaten der blauen Division.

Freiwillig.

Wie er dieses Wort doch hasste, es war ganz und gar nichts freiwillig.
 

Allerdings hätte er dadurch nie Francis und Gilbert kennen gelernt.
 

Er lächelte traurig.

Es hätte ihn eher gefreut, wenn diese unglücklichen Umstände nicht nötig gewesen wären.
 

Antonio öffnete die Augen und bemerkte eine kleine Blutspur auf dem Fußboden. Ungläubig starrte er auf die roten frischen Flecken.

Er ging zu der kleinen Anrichte im Flur rüber und öffnete die Schublade, nahm seinen Revolver – Das einzige was er von der Ostfront behalten hatte – an sich und entsicherte diesen. Auf leisen Sohlen folgte er der Blutspur, stieß vorsichtig die Tür in den Keller auf und schlich die Steintreppe nach unten. Misstrauisch verengte er die Augen, schärfte seinen Gehörsinn, als er ein leises geschocktes Keuchen und ein Klicken ausmachen konnte. Mit erhobener Waffe drehte er sich in die Richtung aus der das Geräusch kam, nur um direkt in den Lauf einer Waffe zu sehen, welche auf ihn gerichtet wurde.

Er schielte an dieser vorbei und blickte in die großen dunklen Augen eines Jungen, der ihm voller Schmerz und Angst entgegen blickte. Die Hand fest um den Griff der Pistole, den Finger zitternd am Abzug.
 

Antonios Blick wurde weicher, doch er hielt weiterhin die Waffe auf ihn gerichtet. Der Spanier senkte etwas den Blick und sah auf das verletzte Bein von ihm, Blut lief aus dem dunklen Hosenbein und bildete eine kleine Pfütze auf dem Steinboden.
 

„Du bist verletzt“, stellte er auf Englisch fest und sah wieder in die Augen seines Gegenübers, welcher nur die Augen verengte und schneidend erwiderte: „Waffe runter oder ich schieße!“



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