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Kapitel 6 - Unerwarteter Fortschritt

Eine Woche war es nun her, dass Tess im Tropfenden Kessel aufgewacht war. Mr Ollivander hatte recht behalten, es gab nicht viel zu tun, denn man konnte nur sooft den Boden fegen und putzen. Zusätzlich zu ihrer Arbeit bei Ollivander hatte sie sich auch um ihre Wohnlage gekümmert. Noch am selben Abend am Tag ihres Erscheinens war sie zu Tom, dem Wirt, gegangen und hatte ihn um denselben Gefallen gebeten, wie Ollivander.
 

Mit den nun weniger auffallenden Klamotten war Tom weitaus geneigter gewesen sich anzuhören, was sie zu sagen hatte. Sie brauchte einen Ort, wo sie vorerst schlafen konnte, doch Ollivander wollte sie damit nicht auch noch belästigen. Also war sie zu Tom gegangen - durch die Mauer, denn wie sich herausstellte, funktionierte der Torbogen mit Zauberstab plötzlich einwandfrei - und hatte ihn gebeten ihr ein Zimmer zu geben. Dafür würde sie ihm abends und nachts am Tresen aushelfen. Sie hatte bereits Erfahrung als Kellnerin gesammelt, als sie sich während ihrer Schulzeit eine Reise nach Asien finanzieren wollte.
 

Besonders Madam Margaret schien begeistert, da sie sich Unterstützung zu den Stoßzeiten im Pub wünschte. Tom hatte dem Druck der zwei Frauen nachgegeben und sich einverstanden erklärt ihr das Zimmer gegen Arbeit zu überlassen.
 

Nun arbeitete sie tagsüber bei Ollivander und nachts einige Stunden bei Tom als Kellnerin. Madam Margaret war so freundlich gewesen ihr Arbeitskleidung zu leihen, da sie selbst nur die zwei Garnituren besaß, die sie sich für ihre Arbeit bei Ollivander aufsparen wollte. Die Kleider waren ihr viel zu groß, besonders um das Dekolleté. Mit einem gezielten Anpassungszauber von Madam Margaret hatte sich jedoch auch dieses Problem schnell gelöst.
 

Die ersten Tage hatte sie gut wegstecken können, denn die Euphorie gab ihr genug Kraft die Nächte durchzuhalten. Doch nach vier Tagen merkte sie, dass die vielen Schichten an ihr zehrten.
 

Sie bekam nur wenige Stunden Schlaf, sodass sie nicht selten in ruhigen Mittagsstunden mit dem Besen in der Hand stehend einschlief, um kurze Zeit später von der Klingel und einem eintretenden Kunden geweckt zu werden. So kurz vor neuem Schulbeginn waren die meisten Kunden junge Schüler. Sobald die Klingel ertönte zog sie sich für gewöhnlich zurück und ließ Ollivander seine Arbeit machen. Außerdem fühlte sie sich noch nicht bereit ein Gesicht aus der Schule zu sehen. Womöglich traf sie Lavender, die ihr 20. Lebensjahr nicht erleben würde, oder eine Slytherin-Familie von der sie wusste, dass sie in wenigen Jahren morden würde. Sie wüsste nicht, wie sie reagieren würde.
 

Sie begnügte sich dann damit die Päckchen abzustauben, Tee zu kochen und abzuwarten. Ollivander selbst war ein angenehmer Chef. Meistens ordnete er still und in sich gekehrt seinen Bestand. Abends zog er sich nach hinten in seine Arbeitsstube zurück, die Tess für gewöhnlich mied. Seine Stube war in den Boden eingelassen und über eine schmale Wendeltreppe zu erreichen.
 

An ruhigen Tagen arbeitete er stundenlang im Keller, von wo der feine Holzstaub nach oben stob. In diesen Momenten hatte sich Tess nicht mehr gewundert, wieso es so staubig war. Anfang hatte sie sofort mit einem nassen Lappen über den Boden geputzt, was jedoch in einer riesigen Schmiererei endete. Nun konzentrierte sie sich eher darauf ihm etwas zu essen zu machen. Dazu hatte er, verborgen vor den Blicken seiner Kundschaft, eine kleine Kochnische, die dem Alter und dem Aussehen nach zu urteilen nie für mehr als heißes Wasser genutzt worden war. Der Gasherd war zunächst ein Problem gewesen, denn so etwas hatte sie noch nie bedienen müssen. Nach anfänglichen Schwierigkeiten und ein paar Brandblasen hatte sie schließlich eine Suppe zustande gebracht.
 

Während Ollivander im Keller seines Ladens verschwand, hatte Tess also sehr viel freie Zeit sich mit absolut gar Nichts zu beschäftigen. Nun eine Woche später erschien ihr selbst die Winkelgasse langweilig und sie hätte sogar die Straße für ein paar Stunden Schlaf eingetauscht. Naja nicht die Straße, vielleicht das Eiscafé oder der Blumenladen.
 

Die Zaubererwelt war Alltag geworden und das sehr viel schneller, als Tess das je geglaubt hatte. Allerdings war ihr auch klar, dass sie noch lange nicht alles gesehen hatte. In ihren Tagen hier hatte sie kleine Beschwörungen beobachtet, als jemand einen Vogelschwarm hergerufen hatte. Sie hatte gesehen, wie jemand seinen kompletten Haushalt hinter sich schweben ließ. Sie hatte gesehen, wie jemand sich zur Belustigung der Passanten einen Schnabel und Hundeohren hat wachsen lassen.
 

Doch andere, größere Magie bekam sie hier nicht vor Augen geführt, geschweige denn etwas Anderes zu sehen, als die paar hundert Meter Einkaufsstraße. An der Abzweigung zur Nokturngasse stand sie bereits an ihrem zweiten Tag, doch ohne Magie fühlte sie sich zu schutzlos um dort entlang zu gehen, selbst am helllichten Tag. Das Schicksal sollte man nicht herausfordern.
 

Schutzlos fühlte sie sich hier zwar nicht, doch sie ertappte sich immer wieder mit ihrem Stab in der Hand und wie sie ihn hoffnungsvoll schwang. In der Theorie war alles einfach, der Zauberspruch war leicht zu sprechen, doch die Handhabung war weitaus schwieriger, als sie sich vorgestellt hatte. Allein den Stab gerade und ruhig zu halten, stellte sich als knifflig heraus. Nicht, dass sie erwartet hätte, dass wirklich etwas passierte. Sie schwang ihren Stab, versuchte das, was sie kannte, doch im Endeffekt war es nur ein Stück Holz in ihren Händen.
 

Mehr als einmal ließ sie sich frustriert auf den einsamen Stuhl im Laden falle um kurz darauf verärgert an ihrem Kleid zu ziehen. Die Dinger saßen nie da, wo sie sitzen sollten, was ein Grund war, weshalb sie bisher nie Wert darauf gelegt hatte so etwas zu tragen. Mit Recht, wie sie nun jeden Tag feststellte.
 

Seufzend schmiss sie ihren wertvollen Stab auf den Tresen, der kullernd zum Stillstand kam, und legte ihren Kopf daneben ab. Das kalte Holz fühlte sich angenehm an ihrer Stirn an.
 

"Ein nutzloser Stab in den Händen eines einfältigen Muggel", nuschelte sie ins Möbel hinein, bevor sie das Klingeln der Tür hörte. Erschrocken schoss ihr Kopf nach oben.
 

"Nun geh schon, Junge", hörte sie eine strenge Stimme, die zu einer noch strenger wirkenden Dame gehörte. Eilig schnappte sich Tess ihren Stab und stand auf.
 

"Willkommen."
 

Die alte Dame schob einen pummeligen Jungen vor sich her in den Laden. Dieser schaute schüchtern nach unten und fummelte an seinem engen Hemd herum. Seine Haare waren fein säuberlich auf die Seite gekämmt. Tess erinnerte der Junge eher an einen Konfirmaten, hätte er zusätzlich noch ein Krawatte getragen. Die Dame war ebenso elegant gekleidet, sah man von dem seltsamen Hut mit riesigen Bommeln ab, der so gar nicht zu ihrem rosefarbenen Anzug passen wollte. Tess wand ihre Augen ab und wartete, bis die zwei an den Tresen getreten waren.
 

"Wir hätten eine Frage an Mr Ollivander, Mrs – ehm?"
 

"Harris, Ma'am. Mr Ollivander ist sicherlich gleich für Sie da. Möchten Sie einen Tee?"
 

Die Dame stellte eine leuchtend rote Handtasche ab und Tess realisierte geschockt, wen sie vor sich hatte. Mit riesigen Augen drehte sie sich zu dem Jungen, der sich hinter seiner schlanken Großmutter versteckte.
 

"Nein, wir wollen nicht lang bleiben", winkte sie ab. "Ollivander?", rief sie an Tess vorbei, die bemerkte, dass sie nicht erwünscht war. Mit einem aufmunternden Lächeln zu dem pausbäckigen Neville zog sie sich zurück.
 

In dem Moment erschien Ollivander. "Augusta, meine Liebe. Und das muss der junge Mr Longbottom sein?" Ollivander bot Neville seine Hand an, doch Neville griff erst auf Mrs Longbottoms Drängen danach.
 

"Ollivander, wir sind hier um zu fragen, ob dieser Stab funktioniert." Augusta kramte aus ihrer Handtasche ein dunkles Etwas und legte es in Ollivanders Hände. Dieser studierte das Holz, wiegte es und bog es sanft.
 

"Mh, biegsam, 13 Zoll, Drachenherzfaser, Erle." Er nickte ihr zu. "Das war Frank Longbottoms Stab."
 

"Ich weiß, wem er gehört", gab Mrs Longbottom trocken zurück. "Ich will wissen, ob er funktioniert."
 

"Natürlich, er ist noch immer in passablem Zustand." Vorsichtig legte er den Stab auf den Tresen.
 

"Neville, nimm ihn in die Hand", befahl Mrs Longbottom, woraufhin Neville gehorchte. Tess wartete, doch alles blieb still.
 

"Sehen Sie? Es passiert nichts." Ollivander versank in Gedanken, während Neville den Stab wild schwang. Augusta legte ihm eine Hand auf die Schulter und sofort hörte er auf.
 

"So wie ich das sehe ist der Stab nicht für den Jungen geeignet." Er zeigte auf einen Stapel rechts an der Wand. "Vielleicht, wenn ich einen anderen Stab vorschlagen dür–"
 

"Nein", unterbrach ihn Augusta barsch. "Er wird diesen Stab nutzen. Solange mit dem Stab alles in Ordnung ist, wird es schon gehen."
 

Sie riss Neville den Stab seines Vaters aus der Hand und verpackte ihn wieder in ihrer Handtasche. Ollivander beobachtete alles still.
 

"Mehr wollten wir gar nicht wissen. Einen guten Tag noch, Ollivander", sie wandte sich zum Gehen. "Sag Auf Widersehen, Neville."
 

"A-auf Wiedersehen", flüsterte Neville, der nun seine ersten Worte gesagt hatte. Ollivander nickte ihm zu. Auch zu Tess winkte er zu Abschluss, obwohl seine Großmutter der jungen Frau keines Blickes mehr gewürdigt hatte. Tess winkte lächelnd zurück und schaute zu, wie sich die Tür hinter ihnen schloss.
 

"Wirklich ein Jammer", hörte sie Ollivander sagen.
 

"Der Stab wird nicht funktionieren." Es war nicht als Frage von ihr formuliert worden.
 

Ollivander kicherte vergnügt. "Gehört das zu den Dingen, die Sie wissen?" Verlegen vergrub Tess ihre Hände im Unterrock.
 

"Das war auch so ziemlich offensichtlich."
 

Ollivander nickte. "Augusta hat recht, der Stab wird es schon tun. Er wird sich sträuben, aber der Junge wird damit klar kommen, wenn er nur möchte."
 

"Aber Sie sagten doch selbst, ein anderer wäre vermutlich weitaus geeigneter."
 

"Wäre er auch, aber er wird damit zaubern können." Tess spürte, wie ihre Emotionen hochkochten. Sie erinnerte sich an all die Schmach die er erdulden würde, nur weil er den falschen Stab hatte. Sie riss ihren Arm nach oben und zeigte auf die Tür, wo die beiden eben verschwunden waren.
 

"Er wird sich quälen und an sich selbst zweifeln, weshalb er so schlecht ist." Ollivander schloss die Augen und ermahnte sie sich zurück zu halten.
 

"Darauf können weder Sie noch ich Einfluss nehmen. Der Stab wird es ihm schwer machen, daran besteht kein Zweifel."
 

"Aber?", harkte Tess nach, die das Gefühl hatte, dass noch etwas folgen musste.
 

"Aber der Junge hat es selbst in der Hand", Ollivander gluckste vergnügt, "buchstäblich. Der Stab spürt seinen Zweifel und selbst wenn der Zauber funktionieren sollte, so tut er es nicht, weil der Junge nicht an sich glaubt. Ein Zauberstab muss sich erst an den Zauberer binden."
 

Ollivander schritt nun durch seinen Laden und griff nach einer scheinbar wahllosen Verpackung. "Jeder Zauberstab hat seinen eigenen Kopf. Manche fügen sich sofort. Bei anderen muss man sich ihr Vertrauen erst verdienen. Das ist keine Frage des Könnens", erneut funkelte es in seinen Augen, als er nun direkt zu Tess schaute, "sondern eine Frage des Willens."
 

Tess schluckte schwer und griff stärker um ihren Stab, den sie verborgen vor den Blicken anderer hinter sich hielt. "Ein anderer Stab wäre geeigneter, weil er sich schneller für ihn fügen würde", schloss Tess beschämt.
 

"Korrekt." Ollivander legte das Päckchen in seinen Händen zurück und machte sich auf den Weg zurück in seinen Arbeitskeller. "Der Junge wird es schon schaffen", hörte sie ihn noch sagen, bevor er völlig verschwand.
 

Allein mit ihren Gedanken stand Tess nun neben Regalen voll mit unzähligen magischen Objekten; das eigene in Händen. Sie hob ihn nach oben und studierte ihn, wie sie in bereits die letzten Tage studiert hatte. Äußerlich hatte er sich nicht verändert, für Tess war er jedoch nun zu etwas anderem geworden. Er war ein Freund, den sie sich verdienen musste.
 

"OK, ich gebe zu, wir hatten einen schlechten Start", begann sie und kam nicht umhin sich ein wenig lächerlich zu fühlen. "Wenn ich ehrlich bin, weiß ich noch nicht einmal wieso du dich für mich entschieden hast. Doch weshalb auch immer, ich", sie atmete tief ein und wiegte den Stab in der offenen Hand, "ich möchte dir von ganzem Herzen dafür danken." Ihr fiel ein, wie sie ihn eben noch frustriert auf den Tresen geschmissen hatte. "Und ich möchte mich entschuldigen dich so unsanft behandelt zu haben. Es ist nicht deine Schuld, dass der Zauber nicht funktioniert, sondern meine." Sie legte ihre zweite Hand auf das Holz und umschloss es. "Das weiß ich jetzt."
 

Wie am ersten Tag durchfloss sie eine wohlige Wärme, die sich in ihren Handflächen zu sammeln schien. Plötzlich ertönte ein Zischen, woraufhin Tess erschrocken nach der Kochnische schaute. Doch der Gasherd war aus und bot keine Gefahr. Stattdessen bemerkte sie ein seltsames Licht, dass aus ihren Händen zu kommen schien. Ungläubig öffnete sie ihre zweite Hand und gab den Blick auf den Stab frei, aus dessen Spitze feiner Sprühregen aus goldenen Funken stob. Zischend flogen sie in alle Richtungen und segelten mit schwachem Licht Richtung Boden, wo sie vergingen.
 

Völlig perplex und mit pochendem Herzen schwang sie ihren Stab, der ein Nachbild dessen formte, was Tess in die Luft schrieb: M-A-G-I-E
 

Mit weit ausholender Geste unterstrich sie das Wort, das bereits zu verblassen begann. "Ich hab gezaubert", lachte sie hysterisch ohne still stehen zu können. "Ich habe wirklich gezaubert!" Laut lachend sprang sie in dem kargen Lädchen umher und wirbelte den noch immer Funken sprühenden Stab umher. Irgendwann blieb sie atemlos stehen und lehnte sich vorsichtig gegen eines der hohen Regale. Langsam verblasste das Licht des Stabes, den Tess nun sanft an ihre Lippen führte und küsste.
 

"Danke", hauchte sie, ehe sie sich nach unten rutschen ließ und auf dem Boden wieder zu Atem kam.



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