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Kapitel 29 - Faden

Ihr Gespräch hatte den Großteil ihrer Mittagspause beansprucht, sodass sie ohne Umwege zum Kräuterunterricht laufen konnten. Millicent plapperte in gewohnter Weise munter vor sich her, wie neugierig sie auf die Pflanzen war und ob die anderen wohl schon dort wären. Sie ließ sich nichts anmerken, ob das Gespräch sie mitgenommen hatte, oder nicht.
 

Evelyn nickte ab und zu, beachtete aber kaum, zu was sie "ja" oder "nein" sagte. Noch immer hielt eine eiserne Hand ihre Innereien in unbändigem Griff, so glaubte es Evelyn zumindest. Millicents Erzählung über Daphne und mit was die Slytherins – ihr Haus –, konfrontiert wurden, war schwer zu verarbeiten. Alte, als sicher hingenommene, Fakten und alteingesessenes Wissen kollidierte mit den von Millicent präsentierten neuen Erkenntnissen, sodass sich ein Strudel in Evelyns Kopf bildete.
 

Zwar hatte sie nur eine Geschichte gehört, ein Schicksal einer Schülerin von so vielen, doch sie konnte erahnen, dass es nirgendwo, auch bei den anderen nicht, nur schwarz und weiß, gut und böse, war. Die Welt war grau, schmückte sich jedoch gerne in den hellsten pastellfarben, um den ekligen Schmutz darunter zu überdecken. Schmutz, der sich wie ein dünner Film über die Gesellschaft gelegt hatte.
 

Der Großteil der Schule badete im Licht und rühmte sich damit zu den Kindern der Sonne zu gehören, während sie die Abtrünnigen mieden. Die Kinder des Kerkers, wo sie hingehörten.
 

Evelyn ballte ihre Hände, sodass ihre Knöchel weiß anliefen.
 

"Alles in Ordnung?" Millicent berührte sie kurz an der Schulter, ohne stehen zu bleiben. Das Gewächshaus war zwar nicht weit entfernt, doch die Zeit war wieder einmal knapp.
 

"Ja", versicherte Evelyn abwesend, "ja, alles in Ordnung. Es ... gibt nur viel zu verarbeiten."
 

Millicent senkte den Blick in dem Wissen, was Evelyn bewegte. "Denk nicht zu viel darüber nach. Es frisst dich sonst auf, glaub mir."
 

Nur ein weiterer Punkt auf meiner Liste der Dinge, die mich innerlich auffressen. "Das sagt sich so leicht. Meinen Ärger über mich selbst kann ich schlecht einfach beiseite wischen."
 

"Jetzt weißt du es ja besser", erwiderte Millicent mit einem aufmunternden Ton.
 

"Tu ich das wirklich? Millicent, es gibt so viel, was ich nicht verstehe. Ich dachte, ich hätte eine genaue Vorstellung wie man hier lebt, aber die habe ich nicht." Sie war sich bewusst, dass sie verzweifelt klang, und hasste sich nur umso mehr dafür vor Millicent eine derartige Szene zu machen. Diese neigte erwartungsgemäß verwirrt den Kopf.
 

"Dein Gehirn arbeitet zu viel, hat dir das schon mal jemand gesagt?" Evelyn rollte nur mit den Augen. Willkommen in meinem Leben. "Es ist der zweite Tag, niemand weiß, wie es ist, in Hogwarts zu leben. Naja gut, ein wenig schon, aber letztendlich muss jeder selbst die Erfahrung machen. Du wirst dich daran gewöhnen."
 

Millicent hatte offensichtlich nicht ganz Evelyns Aussage verstanden – woher auch –, wobei Evelyn es nicht für nötig hielt, sie zu berichtigen.
 

Die Gewächshäuser befanden sich auf dem sonnenzugewendeten Teil des Hogwarts-Geländes, weshalb die beiden die Gärten umrunden und den Innenhof hinter sich lassen mussten. Im Gegensatz zu dem Hügel, wo sie ihr Gespräch gehalten hatten, war der Innenhof voller Schüler, die ihre Zeit im Freien verbrachten. Beinahe alle hatten ihren Umhang abgelegt und die Blusen gelockert. Die einen sonnten sich auf steinernen von Efeu überwachsenen Bänken, die anderen ließen kleine Besen im Wettrennen durch die Gruppen an Schüler fliegen, die nichts weiter taten, als sich zu unterhalten.
 

Leider hatten sie keine Zeit den mit einer Figur geschmückten Brunnen zu begutachten, sondern sie eilten weiter eine Backsteinmauer entlang, die in unregelmäßigen Abschnitten durch gitterne Tore durchbrochen wurde. Im Laufen schielte Evelyn durch die Öffnungen und sah, dass jedes Tor in ein weiträumig angelegtes Beet führte, in dessen Herzen ein gläserner Komplex stand.
 

"Da müssen wir rein", sagte Millicent schließlich und schob Evelyn ungeduldig vor sich her. Das Gitter rasselte leise als sie es durchschritten.
 

Evelyn glaubte Archibald Cravens Geheimen Garten zu betreten, so unwirklich erschien ihre diese Welt hinter der Backsteinmauer. Weiche Erde federte jede ihrer Schritte, während sie umringt waren von mannshohen Pflanzen, kleinen Gestrüppen und Blumen mit Kelchen als Blüten. Immer wieder kreuzten dicke Wurzeln ihren Weg.
 

"Hast du so etwas schon einmal gesehen?" Millicent konnte ihre Verblüffung kaum verbergen. "Was ist das für ein Geruch?"
 

Evelyn schloss die Augen und atmete die Aromen ein, die aus allen Richtungen zu kommen schienen. Säuerlicher, beinahe fauler Obstgeruch vermischte sich mit den süßen Düften verschiedenster Sekrete. Inmitten des atmenden Gartens thronte ein gläsernes Bauwerk, das in der Sonne glitzerte. Annähernd rund erhob es sich aus den sich windenden Pflanzen, das Dach bestehend aus hunderten Glasplatten neigte sich leicht nach unten.
 

Zwischen den Beeten, in denen sich Pflanzen, Pilze und andere Gewächse dicht an dicht drängten, schwirrten unzählige Insekten, deren Farben und Artenpracht mit der der hier wachsenden Flora konkurrierten. Evelyn war kein Freund von Insekten, magischer Natur oder nicht, weshalb sie ihre Arme eng an ihren Körper presste, als sie zum Gewächshaus ging.
 

Durch das Summen der Tiere hörten sie bald das vertraute Gemurmel anderer Schüler, die sich bereits im Gewächshaus versammelt hatten. Die Tür war kaum als solche zu erkennen, sondern war nur ein Loch in einer zugewachsenen Hecke, durch die sie sich zwängten.
 

Das Gewächshaus war eine rund zulaufende Kuppel, gefüllt mit stapeln an Töpfen, sowohl ohne Inhalt, auch mit Erde und Setzlingen, und auf dem Boden türmten sich die Pakete verschiedenster Dünger, die einen unangenehmen Odor verströmten. Der Humus-Gestank überwältigte sie, sodass sie sich fast den Knoblauchgestank aus Quirrells Zimmer wünschte. Die schwüle Hitze, die sich drückend auf ihre Haut legte, verbesserte die Situation nicht. Nach nur wenigen Schritten schien ihr Umhang vollgesogen mit Wasser aus der Luft zu sein, so schwer hing er von ihren Schultern. Zu gerne hätte sie sich von ihm getrennt, schon alleine, weil sich Schweißperlen begannen zwischen ihren Schulterblättern zu bilden, doch ein Blick auf die wachsende Gruppe aus voll bekleideten Schülern vor ihr verriet, dass das Abnehmen des Umhangs nicht gestattet war. Sie alle versuchten sich auf die ein oder andere Weise Linderung zu verschaffen, sei es durch wedeln mit der Hand oder durch flatternden Bewegungen, um durch die Auf und Ab des Umhangs sich mehr Luft zu zufächern.
 

Mit gemischten Gefühlen folgte sie Millicent, die sich ohne zu zögern zu Pansy und Daphne gesellte. Sie würde auch mit ihnen sprechen müssen, doch jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt dazu, was auch die beiden zu spüren schienen. Millicent ließ sich nichts anmerken, sondern redete aufgeregt über den Garten außerhalb des Gewächshauses. Evelyn konnte die Blicke auf ihrem Rücken spüren, was sie versuchte zu ignorieren. Stattdessen stellte sie sich an den groben Holztisch, der wie eine Tafelrunde den einzigen freien Platz im Gewächshaus ausfüllte.
 

Jeder Schritt unter ihnen schmatzte im feuchten Boden, und auch die Platte des Tisches schimmerte nass durch die vielen Tropfen, die auf sie herab fielen. Immer wieder traf warmes Wasser auf ihre Hände und ihr Gesicht, sodass sie es irgendwann aufgab es mit ihrem Ärmel weg zu wischen.
 

Es dauerte eine Weile, bis eine untersetzte Professorin in orangenen, mit Erde besudelten Roben, die sie wie ein Kürbis aussehen ließen, durch die Reihen an Töpfen gewatschelt kam und die sie mit einem warmen Lächeln begrüßte. Der kleine Spitze Hut, der sich schief über ihren Kopf neigte, wippte bei jedem ihrer Schritte. Sie schob sich zwischen die Schüler, die sie mit ihren grauen in alle Richtungen abstehenden Locken kaum überragte, und zog sich abgewetzte Handschuhe aus Leder über.
 

Ihr tapsiges Auftreten amüsierte Draco hinter ihr ungemein, jedoch sprang seine Freude auf kaum einen über. Die meisten, vor allem die Ravenclaw, mit denen sie sich den Unterricht teilten, schauten in angespannter Neugier der kleinen Frau zu, wie sie an jeden Töpfe so groß wie eine Kinderfaust verteilte.
 

Ohne zu wissen, was sie mit dem mit feuchter Erde gefülltem Topf anfangen sollte, drehte sie ihn fragend in ihren Fingern. Einige Schüler rochen sogar daran, doch bevor Evelyn es ihnen nach machen konnte, wurde sie von Professor Sprout scharf unterbrochen.
 

"Ich an Eurer Stellewürde Eure Nasen nicht sofort über einen Pflanzentopf hängen", sie hob mahnend einen Finger in ihrem Handschuh. "Noch wächst dort nichts Gefährliches, doch manche Pflanzen könnten Euch um eure Nasen erleichtert." Betretenes und irritiertes Schweigen machte sich breit, ehe Sprout erneut ein warmes Grinsen aufsetzte und sie freudig den Unterricht eröffnete.
 

Nach der Warnung der Professorin beeilte sich Evelyn den Topf aus ihren Händen zu stellen, wobei sie ihn zusätzlich von sich weg schob. Mittlerweile konnte sie nicht ausschließen, dass ein ausgewachsener Vertreter der Venusfliegenfalle aus dem bisschen Erde sprang und auf ihr Auge zielte.
 

Das Rätsel um die kleinen Töpfe ließ Sprout lange unbeantwortet, und so waren sie gezwungen ihr genau zuzuhören. Notizen zu machen war beinahe unmöglich in dieser feuchten Umgebung. Evelyn erwartete, dass das Pergament sich bereits zu kräuseln beginnen würde, sobald sie es aus der Tasche zog. Nicht zu vergessen der vom Tau feuchte Tisch, der zusätzlich mit Brocken feiner Erde besudelt war, sodass sie nur ungern ihr Papier dort ablegen würde.
 

Besonders einige der Ravenclaw schienen einen innerlichen Kampf zwischen dem Drang sich Notizen zu machen und der Abscheu ihre Ausrüstung auszubreiten zu führen. In einem schwachen Moment, in dem Sprout einen groben Überblick über die von ihr präsentierten roten Teufelsfinger gab, ließ sie ihren Blick hinüber zu bekannten Gesichtern schweifen. Anthony Goldstein hatte seine Hände unter seinen Umhang gezogen und sah nicht begeistert aus inmitten von Wasser, Dreck und mehr oder weniger lebenden Pflanzen zu stehen. Sue Li verzog frustriert ihren Mund und schielte ständig zu dem kleinen Topf, der vor ihr stand. Sie musste ähnliche Gedanken haben, wie Evelyn.
 

Das Stehen wurde nach einiger Zeit mühsam, sodass sie ihr Gewicht immer öfter von einem Fuß auf den anderen wechseln musste, wobei die ohnehin noch den Kater vom gestrigen Treppensteigen verkraften mussten. Ab und an hörte sie Millicent ungeduldig ausatmen und Evelyn war sich sicher, dass wenn Millicent eine Uhr am Handgelenk gehabt hätte, sie ständig überprüfen würde, wie lange sie noch ausharren mussten.
 

Beachtete man die ungemütlichen Bedingungen nicht und die Tatsache, dass sie vermutlich in altem Dünger von Merlin woher standen, gefiel Evelyn der Unterricht sehr. Es war abzusehen, dass sie alle sehr viele praktische Stunden erwarteten, und wenn es eben nur das Umtopfen einer Blume war. Evelyn konnte schon jetzt erkennen, dass sie von diesem Unterricht mehr halten würde, als von dem zähen Verteidigungslehren, von Geschichte ganz zu schweigen. Außerdem gefiel ihr die kleine Professor Sprout, wie sie Dreck beschmutzt hinter dem Tisch stand, irgendwelche rund hängenden und sich windenden Efeuranken in Händen hielt und mit einer Begeisterung darüber erzählte, egal was für Gesichter einige der Anwesenden machten. Ihre Leidenschaft für ihr Fach würde über kurz oder lang alle anstecken, die es zulassen würden.
 

"Bevor ich Euch entlasse, Schüler, wenden wir uns den Keramikschalen vor Euch zu." Die Köpfe aller drehten sich zu den kleinen Geschenken, die Sprout anfangs ausgeteilt hatte.
 

"Sicher wollt Ihr wissen, was das ist."
 

"Ein Topf mit Erde", gab Anthony zum Besten, was Sprout mit einem humorlosen Kichern zur Kenntnis nahm. Anthony wirkte erschrocken von seinen eigenen Worten, so als habe er nicht vorgehabt seine Gedanken laut auszusprechen.
 

"Danke, Mr Goldstein, für diese ausgezeichnete Analyse." Professor Sprout griff sich ein übrig gebliebenes Exemplar und hielt es ähnlich wie die Ranken eben nach oben. "Dies hier wird Ihre Hausaufgabe der nächsten Monate."
 

"Monate?", murmelte Crabbe besorgt und auch die anderen stellten sich ähnliche Fragen, sodass die Lautstärke abrupt anwuchs. Professor Sprout brachte sie jedoch mit nur einem Wort zum Schweigen.
 

"Ruhe!" Sie wartete einige Sekunden um ihrer Aufforderung Gewicht zu geben, ehe sie mit einem freudigen Grinsen weiter sprach. "Dies hier ist mein Willkommensgeschenk an euch, Erstklässler. Jeder von Ihnen darf sich in Zukunft um ein besonderes Exemplar kümmern. Keine Angst", sagte sie versöhnlich, "es wird Sie nichts beißen. Zumindest noch nicht."
 

Ihre letzten Worte brachten niemanden dazu in Jubel auszubrechen. Für Evelyn hatte sie in diesem Moment große Ähnlichkeiten mit Hagrid, der bekannt dafür war die blutrünstigsten Tiere schön und harmlos zu reden. Zwei Kämpfer auf dem Gebiet der unverstandenen Fauna und Flora.
 

"Verzeihung, Professor?", meldete sich Mandy schüchtern. "Was genau ist denn da drin?"
 

Eine berechtigte Frage, die – wenn Evelyn Sprouts Zwinkern richtig deutete – nicht beantwortet werden würde. "Das sollen Sie herausfinden." Sie straffte sich und redete nun in neutralem, belehrendem Ton weiter. "Jede Pflanze, jedes Gewächs, hat seine eigenen Ansprüche. Manche mögen kein Wasser, wie die Succulent, die ich Ihnen zu Anfangs gezeigt habe. Wieder andere beziehen ihre Nährstoffe durch Käse, wie das Penglai-Blatt von gerade eben. Ich möchte, dass Sie sich Ihrer Pflanze annehmen, und sie zum Gedeihen bringen. Wie, das werden Sie in meinem Unterricht lernen."
 

Evelyn starrte mit gemischten Gefühlen auf ihren Topf. Ihre bisherige Beziehung zu Pflanzen war eher nüchtern gewesen. Sie war durchaus in der Lage eine Pflanze am Leben zu erhalten, dass sie einen grünen Daumen besaß, würde sie jedoch niemals behaupten.
 

"Werden wir dafür benotet, Professor?", fragte Draco, der mit unergründlichem Blick seine Pflanze in Händen hielt.
 

"Nein, Mr Malfoy. Allerdings dürfte die Aussicht eine Pflanze gedeihen zu lassen Ansporn genug sein, hoffe ich." Das Kinn streng nach oben gerichtet, sprach sie nun an alle. "Keines Ihrer Exemplare ist anspruchsvoll, sondern sie alle sind für Anfänger wie Sie geeignet. Ich habe keinen Zweifel daran, dass Sie es schaffen werden Ihr Exemplar erfolgreich heranzuziehen."
 

Betretenes Schweigen breitete sich aus, bis Sprout euphorisch in die Hände klatschte. "Es mag zwar keine Bewertung geben, doch seien Sie versichert, dass es keine schönere Belohnung gibt, als einem jungen Spross zuzusehen, wie er beginnt zu blühen. Und nun, auf auf, Sie werden sicherlich woanders erwartet."
 

Mit diesen letzten Worten in ihren Ohren wurden sie entlassen. Evelyn schnappte sich ihr eigenes Pflänzchen, welches sie unschlüssig was sie sonst damit tun konnte, in ihren Händen haltend hinaus trug. Mit so einem Geschenk hatte wohl niemand gerechnet, wobei die Reaktionen darauf nun nicht unterschiedlicher sein konnten. Sie beobachtete einige Ravenclaw dabei, wie sie beim Verlassen des Gartens einige in den Beeten hochgewachsene Pflanzen betrachteten und mit ihren kleinen Töpfen verglichen. Eine völlig sinnlose Aktion, wie Evelyn fand. Doch auch ihre eigene Gruppe, die ohne auf sie zu achten vorne weg lief, war weniger begeistert.
 

"Was soll ich damit anfangen?", murmelte Crabbe zu Zabini, der seinen eigenen Topf spielerisch in die Höhe warf, so als wäre es ein Schnatz.
 

"Wie wäre es mit gießen, Vinc?", erwiderte er mit einem Grinsen.
 

"Aber sie hat doch gesagt, manche Pflanzen brauchen kein Wasser", mischte sich Goyle ein. Auch er starrte nur skeptisch auf das Geschenk in seiner viel zu großen Hand.
 

Evelyn hörte Millicents vertrautes Gekicher. "Betonung liegt auf manche. Gieß es einfach. Wenn es wächst, dann hast du Glück gehabt. Wenn nicht, ... tja." Millicent ließ offen, was passieren würde. Nicht, dass es für sie alle eine Rolle spielte, immerhin wurde diese Aufgabe nicht benotet. Goyle grummelte etwas, was jedoch von niemandem verstanden wurde.
 

Gemeinsam kehrten sie zurück ins Schloss, wo es sofort merklich kühler wurde, als es draußen in der Spätsommerhitze war. Niemand sprach mit Evelyn und diese versuchte auch nicht etwas zu erzwingen. Im Moment war sie zufrieden damit als Mitglied in der Gruppe geduldet zu werden, was mehr war, als sie heute Morgen noch erwartet hatte.
 

Immer wieder ertappte sie sich dabei, wie sie Daphnes Rücken anstarrte. Auch die anderen, die vor ihr scherzten, betrachtete sie hin und wieder. Jeder von uns könnte dir etwas erzählen, hatte Millicent gesagt und Evelyn zweifelte nicht daran, dass unter ihrer Fröhlichkeit einige Geschichten verborgen waren, ähnlich derer, wie Daphne sie erlebt hatte. Nach und nach verschwammen die Versionen dieser Charaktere, dieser Nebencharaktere im Leben eines Jungen, mit den Versionen, wie Millicent sie ihr nahe gebracht hatte.
 

Ihr Griff um ihren Topf wurde fester als sie erkannte, dass auch sie bisher von allen insgeheim nur von Charakteren gedacht hatte, über die sie in einem anderen Leben gelesen hatte. Zwei Tage war noch nicht wirklich genug, um sie kennen zu lernen, doch schon jetzt konnte sie sagen, dass Millicent nicht einfach die Dumme, oder dass Pansy die eiskalte Zicke, oder dass Daphne nur die stumme Mitläuferin war. Ihr Blick fiel auf Zabini, der schief grinsend nach dem Zauberkunst-Zimmer suchte.
 

Zabini hatte einen verspielten Charakter, beinahe so sehr wie Millicent. Daphne war sehr sensibel und Pansy war eine loyale Freundin, wenn man sie zur Freundin hatte. Sie musste lernen sie als Menschen zu sehen, und nicht nur als Schachfiguren dieser Geschichte, die sie an Ort und Stelle halten und jeden ihrer Züge kontrollieren musste. Sie hatte gedacht, dass sie während ihrer Zeit mit Ollivander bereits ihre Sichtweise geändert hatte, doch hier in Hogwarts, am Kern der Sache, musste sie erkennen, dass dem nicht so war. Der rote Faden, der unscheinbar und bisher kaum bedrohlich von ihnen allen ausging, schlängelte sich ungesehen durch die Zeit. Eine Zeit, die nur Evelyn kannte. Erneut wurde ihr klar, dass egal, wie sie handeln würde, sie im Endeffekt nur Fehler machen konnte. Die roten Fäden hatten bereits begonnen sich auch um sie zu winden, obwohl sie ein Fremdkörper in alle dem hier war. Ein Zug von ihr an einem dieser Fäden und das Gebilde würde sich verändern.
 

Die Finger ihrer freien Hand verkrampften sich um die Ränder ihres Umhanges, als sie von Millicent heran gewunken wurde sich neben ihr in einer Reihe niederzulassen.
 

Der Raum war aufgeteilt in drei lange Reihen Bänke, an deren Spitze ein einsamer Stuhl mit viel zu großer Lehne stand, der flankiert wurde von mehreren unterschiedlich großer Stapel Bücher. Direkt auf sie herab fielen die von den hohen Fenstern gebrochenen Sonnenstrahlen, die hoch über ihnen die Wände durchbrachen.
 

Wenn du das mal nicht irgendwann bereust, dachte Evelyn, als sie einen imaginären Faden nahm und daran zog. Mit festem Schritt ging sie auf die Reihe Slytherin zu und ließ sich neben einer quirligen Millicent nieder.
 

Diese Kinder, diese Menschen, hatten eine wichtige Zukunft vor sich, die Evelyns höchste Priorität auf lange Sicht war.
 

"Ich werde jedoch nicht in der Zukunft leben, sondern jetzt", murmelte Evelyn. Den Topf hatte sie vor sich abgestellt und drehte ihn mit den Fingerspitzen hin und her.
 

"Hast du was gesagt?", fragte Millicent. Evelyn blinzelte und schaute in die grau-grünen Augen des anderen Mädchens.
 

"Professor Flitwick lässt sich Zeit", wiederholte sie ihre falschen Worte. Kaum, dass die es ausgesprochen hatte, betrat der kleine Zauberer, dessen Umhang einem Kind kleiner als sie gepasst hätte, den Raum.
 

Ende Part 2


Nachwort zu diesem Kapitel:
Part 2 ist beendet, mit etwa den gleichen Kapiteln wie Part 1. Allerdings haben wir in dieser Zeit ... zwei Tage abgearbeitet. Ich weiß, das Pacing ist momentan sehr langsam, aber das wird demnächst angezogen. Wir werden die sieben Jahre bestimmt nicht in diesem Tempo durcharbeiten, da wäre ich in 10 Jahren ja noch nicht fertig. Ich möchte ihren Anfang und kritisches Einleben jedoch nicht hetzen, und wenigstens jede Unterrichteinheit gebührend durchgehen.

Nächste Woche geht es also mit Part 3 weiter, auf den ich mich persönlich freue :) Noch eine Anmerkung: es folgt ein "Interlude". Der gehört, auch wenn er keine Kapitelbezeichnung hat, zur Geschichte dazu. Mir ist aufgefallen, dass den manche zu überspringen scheinen, was nicht schlimm ist, es funktioniert auch ohne (deshalb keine Kapitelbezeichnung), ich wollte es dennoch gesagt haben :) Komplett anzeigen

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