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Zum Zuschauen verdammt

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Vorwort zu diesem Kapitel:
Hallo und willkommen zu Part 3. Dieser Part wird um einiges länger werden, als die vorigen. Ich wünsche euch viel Spaß und über Rückmeldung freue ich mich natürlich immer :) Komplett anzeigen

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Kapitel 30 - Nervenkostüm

Unruhig trommelte sie mit ihren Fingern auf den Holztisch in der Großen Halle. Das Frühstück war beinahe beendet, doch Evelyn hatte kaum mehr als einen Bissen hinunter zwängen können. Selbst die Ankunft der Eulen, die sie bisher als unangenehme Störung wahrgenommen hatte, hatte sie heute nicht bemerkt. Mit glasigen Augen starrte sie auf den Inhalt ihrer Tasse, wo jede ihrer klopfenden Bewegungen den Kürbissaft zum Vibrieren brachte, sodass er hypnotische Kreise zog.
 

Noch immer spürte sie die Folgen der letzten Nacht, die ein so abruptes Ende genommen hatte...
 

Japsend riss sie die Augen auf und war für einen kurzen Moment völlig orientierungslos. Ihre Nachtkleider klebten nass von kaltem Schweiß an ihren Gliedern, sogar die Matratze unter ihr war unangenehm klamm.
 

Die Hand auf der Brust, wo sie ihren rasenden Puls nur allzu deutlich spürte, versuchte sie langsam zu atmen und ihre Gedanken zu ordnen.
 

Was ist hier los?, schoss es ihr durch den Kopf, während sie mit der freien Hand zur eigenen Beruhigung über die Bettdecke strich; mit wenig Erfolg. Sie konnte sich nicht erinnern, was sie gerade im Traum gesehen hatte, zumindest glaubte sie etwas im Traum gesehen zu haben. Alles, was geblieben war, war die Panik und das seltsame Gefühl nicht alleine zu sein.
 

Du wirst hier noch wahnsinnig.
 

Abwesend strich sie sich mit den Fingern über die Wange, eine harmlose Geste, die ihr plötzlich zuwider war. In der Hoffnung die Panikattacke zu überwinden schloss sie die Augen, legte ihr Gesicht in ihre Hände und versuchte ihren Geist zu leeren, was beinahe unmöglich war. In pfeifenden Geräuschen durchstieß ihr Atem die kleinen Zwischenräume ihrer Finger, die zitternd auf ihrer feuchten Haut lagen.
 

Sie hatte noch nie einen derartigen Albtraum gehabt, der sie schweißgebadet aus dem Schlaf riss, schon gar nicht die Art, die Panikattacken hervorrufen würde, und sie konnte sich nicht erklären, wieso sie ausgerechnet jetzt so etwas erlebt hatte. Gleichzeitig wünschte sie sich, nie wieder diese Erfahrung machen zu müssen. Obwohl sie sich an nichts erinnern konnte, so war das belastende Gefühl geblieben, das jede ihrer Innereien zu erdrücken schien.
 

Während die Sekunden verstrichen wuchs in ihr der Drang den Schlafsaal zu verlassen. Sie hoffte draußen, wo auch immer draußen war, einen klareren Kopf zu bekommen. Im Grunde war es ein Wunder, dass keines der Mädchen aufgewacht war. Evelyn glaubte ihr Atmen hätte laut genug sein müssen, damit man es selbst im Zimmer nebenan hören musste, doch auch das war wohl nur Einbildung während ihrer Panik gewesen. Barfuß und mit noch immer zitternden Händen verließ sie in wenigen Schritten das Zimmer. Ohne ein Ziel im Kopf zu haben lief sie die Treppe hinauf, ließ sich von ihren Füßen tragen, bis sie im völlig leeren Gemeinschaftsraum angekommen war. Das Feuer im Kamin war zu einem kleinen Gluthaufen geschrumpft, der keine Wärme mehr spendete. Auf einem der Sessel im Räum würde sie sich wie auf dem Präsentierteller vorkommen, auch wenn es niemand gab, der sie hätte sehen können. Ohne die bequemen Möbel zu beachten, steuerte sie zielsicher zu den großen Fenstern und griff nach den Kissen, die sie hastig zusammenschob, ehe sie sich darauf niederließ. Die Beine angezogen lehnte sie mit dem Rücken gegen das Glas, welches angenehme Kälte ausstrahlte.
 

Der Temperaturwechsel ließ sie erschauern und es dauerte nicht lang, bis sie nicht nur vor Anspannung zitterte, sondern weil sie fröstelte. Trotzdem verharrte sie an Ort und Stelle.
 

Tief einatmend fuhr sie sich durch die Haare, die an ihren Fingern kleben blieben. Ihr fehlten noch immer alle Details darüber, was sie derart in Angst versetzt hatte, doch sie bemühte sich nicht, sich zu erinnern. Das beklemmende Gefühl und die Panik waren genug um zu wissen, dass sie es vermutlich nicht noch ein zweites Mal sehen musste. Stattdessen konzentrierte sie sich auf den dunklen Gemeinschaftsraum, der nur durch gedämpfte grüne Lampen gerade so viel erhellt wurde, dass man die Umrisse der Einrichtung sah. Hier würde sie warten, sagte sie sich. Darauf, dass sie sich beruhigt hatte, oder bis der Morgen kam, was auch immer zuerst eintreffen würde.
 

"Evelyn? Hey?" Ein leichter Druck gegen ihre Schulter riss sie aus ihren Erinnerungen der vergangenen Stunden. Blinzelnd fokussierte sie ihre Augen auf die Umgebung vor ihr, wendete sich von dem Saft ab und starrte in das Gesicht einer besorgten Millicent. Die Große Halle hatte sich deutlich um sie herum geleert.
 

"Wir müssen los", sagte sie und nickte mit dem Kopf Richtung Tür.
 

Evelyn schluckte den säuerlichen Geschmack, der sicherlich nicht nur vom Kürbissaft kam, hinunter. "Ja, entschuldige, ich bin heute nicht ganz bei mir", sagte sie vielleicht eine Spur zu nervös.
 

"Du hast auch kaum gegessen. Fühlst du dich nicht gut?"
 

"Nur etwas müde, es ist doch später als erwartet geworden, heute Nacht."
 

Die richtige Antwort wäre gewesen Ganz und gar nicht, aber sie hätte ja noch nicht einmal erklären können, weshalb sie innerlich aufgewühlt war. Dank der Strafarbeit für ihren Hauslehrer hätte sie erwartet eher von verärgerten Kesseln oder schmollenden Vertrauensschülern zu träumen als von dem, was auch immer sie so unsanft aus dem Schlaf gerissen hatte.
 

Die Strafarbeit hatte sie einiges abverlangt. Nach Flitwicks Unterricht hatten sie direkt zum Abendessen gehen können, so spät war es geworden. Trotzdem war Evelyn eine der ersten gewesen, die sich zurückgezogen hatte in dem Wissen sich für Snape noch eine Strafarbeit in beachtlicher Länge aus dem Ärmel schütteln zu dürfen. Sie hatte noch nicht einmal einen Titel gehabt außer]Was es bedeutete sich Anweisungen zu widersetzen; ein Essay. Sie hatte gelernt in Essays und Hausarbeiten zu faseln, dafür hatten drei Jahre Leistungskurs Deutsch und die Not sich in sechs Stunden Klausur den größten Mist aus den Fingern auf das Blatt zu ziehen gesorgt. In diesem Fall hatte sie jedoch zu großen Respekt vor dem Empfänger gehabt, weshalb sich etwas in ihr sperrte und sich weigerte sinnlos zu schwafeln.
 

Die anderen waren keine Hilfe gewesen, sondern hatten Evelyn an ihrer persönlichen Kommode ungestört arbeiten lassen; wobei die Hälfte der Anwesenden sowieso agierten, als sei Evelyn gar nicht da.
 

Schließlich, aus Zeitnot heraus, hatte sie doch geschwafelt um die von ihm geforderte Länge zu erreichen und war als letzte zu Bett gegangen. Die vage Beschreibung zu erläutern was passierte, wenn man sich Anweisungen widersetzte, hatte ihr am Ende sogar geholfen.
 

Der Abend war rückblickend gesehen vollkommen normal gewesen. Während sie über ihrem Essay gesessen hatte, hatten die anderen gerätselt was sie mit den Pflanzen von Professor Sprout machen sollten, ehe sie in abendlicher Routine eine nach der anderen hinter ihren Vorhängen verschwunden waren. Es gab keinerlei besondere Vorkommnisse, für Hogwarts Verhältnisse ein friedlicher und normaler Abend sondergleichen und geradezu langweilig.
 

Du wirst wirklich noch verrückt, wiederholte sie ihre eigenen Worte vom Morgen in Gedanken, als sie zusammen mit Millicent hinunter in die Kerker schritt. Die metallenen Kessel und Rührsets, die an ihren Taschen befestigt waren, klimperten bei jedem Schritt. Glücklicherweise waren die topfgroßen Kessel weitaus leichter und handlicher zu transportieren, als das vermaledeite Teleskop.
 

"Bist du auch gespannt, wie Tränke wohl werden wird?"
 

Unverfängliches Gerede, das konnte Millicent. Evelyn nahm die Ablenkung gerne an und zog ihren Mund amüsiert zu einer schmalen Linie. "Ich denke, so heiter wie Zauberkunst wird es nicht werden."
 

Flitwick hatte die ganze gestrige Stunde über wie ein Honigkuchenpferd von einem Ohr zum anderen gegrinst und ausgiebige Gespräche mit jedem einzelnen geführt, was auf Dauer ziemlich ermüden geworden war. Es schien, als hätte er es sich zur Aufgabe gemacht jeden seiner Schüler persönlich kennen zu lernen, was sie eher Professor Sprout zugetraut hätte, und nicht dem Hauslehrer der Ravenclaw. Doch der kleine Mann hatte sich, ganz im Stil von Professor Binns, von dem sich häufenden Gähnen nicht aus der Ruhe bringen lassen und jeden von seinem Platz auf dem erhöhten Sitz aus interviewed. Evelyn war dabei fast ins Schwitzen gekommen, da er Fragen gestellt hatte, über deren Antwort sie noch nie nachgedacht hatte. "Kennen Sie einige französische Zaubersprüche, Miss Harris?", hatte er plötzlich euphorisch posaunt. "Unterscheidet sich unsere Magie von der Ihrer?" "Benutzen Sie andere Zauberstabbewegungen, gibt es die französische Art zu zaubern?", sind nur einige der Beispiele, mit denen er Evelyn gequält hatte. Sie hatte sich schließlich herauswinden können indem sie mehrmals betont hatte, noch keine Erfahrungen im Zaubern gehabt zu haben um diese Fragen zu beantworten; natürlich. Ein Seitenblick auf die auffällig stillen Klassenkameraden verriet, dass die Mehrheit natürlich ebenfalls noch keinerlei Erfahrungen gemacht hatte. Flitwick entschuldigte sich peinlich berührt, ehe er mit dem nächsten Schüler auf seiner Liste fortfuhr. "Ich habe keine Erfahrung im Zaubern, Professor", hatte sie Zabini neben ihr leise in gestellter Stimme sagen hören.
 

"Wir doch nicht", war Dracos Antwort gewesen.
 

"Nein, ich glaube Snape ist niemand, der gerne redet. Eine Fragestunde wird das wohl nicht." Millicents Kommentar holte sie in die Gegenwart zurück.

Du hast ja keine Ahnung, Kind.
 

Vorfreude machte sich breit, die sogar ihre düsteren Gedanken beinahe vertrieb. Sie brachte sogar ein echtes Lachen zu Stande.
 

"Was grinst du denn?", fragte Millicent, kurz bevor sie das Tränkezimmer erreichten, wo bereits ein großer gespaltener Haufen wartete.
 

"Das ist nur die Nervosität", log sie, den Kopf gesenkt.
 

Als sie ankamen, wurde die Luft um sie herum schlagartig dünner, und das lag nicht an dem Kerkergang, der sich unterhalb der Wasserlinie befand. Evelyn realisierte, dass sie heute eine Premiere hatte: dies würde die erste Stunde sein, in der nur Gryffindors und Slytherins anwesend sein würden, was ohne Hufflepuff oder Ravenclaw als neutrale Sperrzone eine explosive Mischung war. Es dauerte nicht lange, bis aus den feindseligen Blicken auf beiden Seiten die ersten Kommentare flogen.
 

Evelyn hingegen starrte zur in rot gekleideten Gruppe, so als sähe sie sie zum ersten Mal. Jeder einzelne sah so anders aus und doch erkannte sie jeden. Parvati, die gedankenverloren ihre zu einem dicken Zopf geflochtenen schwarzen Haare streichelte, stach besonders heraus, während sie mit Lavender redete. Man sah Parvati bereits schon jetzt an, dass sie zu einer natürlichen Schönheit heranwachsen würde. Ihre gebräunte Haut war makellos und ihre dunklen Augen funkelten jedes Mal, wenn sie blinzelte. Ein starker Kontrast zur beinahe biederen Lavender. Zu Evelyns Überraschung ähnelte Lavender ihr in dieser Form sogar, mit ihren kurzen blonden Haaren und hellen Augen.
 

Noch nicht die Freude am Schminken entdeckt, Lavender?
 

Ein Junge mit dunkler Haut stach durch seine schiere Größe heraus, Dean Thomas. Neben ihm, unverkennbar mit seiner schiefen Krawatte und zerknittertem Umhang, war Seamus Finnigan, dessen Sommersprossen auch im Fackellicht deutlich zu sehen waren. Abseits stand Hermine und dort, bei einem plumpen blonden Jungen, den Evelyn schon einmal mit seiner Großmutter in Ollivanders Laden gesehen hatte, stand der schlaksige Rotschopf Ron Weasley in seinem verbleichten Umhang und ein noch immer dünner Harry Potter, der aussah, als wollte er sich in seinen Mantel verkriechen und von niemandem gesehen werden. Evelyn überkam sofort ein nostalgisches Gefühl, als sie ihn zum ersten Mal so dicht sah und sie konnte nicht leugnen, dass sie den Wunsch hatte hinüber zu gehen und mit ihm zu reden. Und wenn es nur ein freundliches Hallo war. Doch das ging nicht. Sie gehörte nicht dort hin, sondern hierher.
 

Beide schielten zu ihnen herüber und immer wieder flüsterte Ron Harry etwas in Ohr, was niemand außer den beiden und vielleicht der rotbackige Neville verstand.
 

Mit einem Mal spannten sich die beiden an und als Evelyn sich umdrehte sah sie, dass das Erscheinen von Draco die Gemüter nur noch mehr erhitzte.
 

Jungs, wartet wenigsten fünf Minuten, bis ih-
 

"Hey, Weasley, hast du einen Kessel ohne Loch bekommen?", rief Draco unter dem Gelächter von Crabbe dem Gryffindor entgegen.
 

"Schön, dass ihr auch den Weg aus eurem Erdloch gefunden habt!", erwiderte Ron mit schriller Stimme. Evelyn musste sich ein Grinsen verkneifen, da die beiden Jungs, ohne im Stimmbruch gewesen zu sein, wie zickende Mädchen klangen. Mit tiefen Stimmen würde ihr Kräftemessen vielleicht eindrucksvoller sein.
 

"Kein Wunder, dass sie so blass sind, man hat sie ja in den Keller gesteckt." Und da sind die Mädchen.
 

Die Gryffindor lachten über Parvatis Bemerkung, sodass Millicent sich beschämt wegdrehte, wobei sie sich hinter ihren Haaren versteckte. Pansy hingegen baute sich vor den lachenden Gryffindor auf.
 

"Besser, als den ganzen Tag den Kopf in den Wolken zu haben, da verliert man den Anschluss an die Realität."
 

Seamus trat nach vorne und wirkte neben Pansy fast winzig. Trotzdem reckte er den Kopf, ehe er mit schwerem Akzent zu reden begann. "Will eine wie du uns etwas über Realität erzählen?"
 

Draco kam hinzu und schwellte die Brust. "Willst du damit etwas sagen, Finnigan?"
 

Gerade, als Ron sich zu der Gruppe gesellte und den Mund aufmachen wollte, sprang die Tür auf, in deren Schwelle ein in schwarz gekleideter Lehrer stand und die Gruppe missbilligend betrachtete.
 

"Was auch immer Sie sagen wollten, Mr Weasley, ich bin sicher es ist wert fünf Punkte abgezogen zu werden." Er ließ seine Worte kurz wirken, ehe er mit einem Schritt den Weg hinein in das Tränkeklassenzimmer frei gab.
 

"Euer Glück, dass Snape euch gerettet hat", fluchte Ron, als er hineinging, wobei er Evelyn mit der Schulter anrempelte, die im gleichen Augenblick wie er entschieden hatte das Zimmer zu betreten.
 

"Gerettet vor einer Horde unzivilisierter, sich aufplusternder Gryffindor? Mir schlottern die Knie", erwiderte Evelyn, die sich sofort eine Ohrfeige hatte geben wollen. Ihr Nervenkostüm war heute Morgen sowieso angespannt, was sie gefährlich schnell die Fassung verlieren ließ. Sie mahnte sich zur Ruhe und ließ Ron passieren, Millicent hingegen nickte belustigt, ehe sie sich auf den Platz setzte.
 

Das Zimmer war leicht abschüssig und von allen Seiten waren sie von Regalen voller Gläser umschlossen. In jedem der Gläser, klein oder groß, waberten die seltsamsten Dinge in halb transparenten Flüssigkeiten. Evelyn konnte nicht sagen, ob der Inhalt der staubigen Gläser, von denen manche ganze Augenpaare in sich trugen, nur zur Abschreckung gedacht waren oder tatsächlich Verwendung in Zaubertränken fanden. Beides erschien Evelyn logisch.
 

Ihre Reihen wurden in regelmäßigen Abständen durchbrochen. Dort, wo es Lücken zwischen ihren Tischen gab, waren kleine Löcher in den Boden eingelassen, über denen metallene Gestelle angebracht waren. Um die Löcher herum waren deutliche Brand- und Nutzungsspuren der letzten Jahrhunderte zu sehen, die sich auf ewig in den Stein der Schule eingefressen hatten.
 

Erstaunlicherweise roch es weder unangenehm, noch nach aromatischen Kräutern. Stattdessen hing ein eher neutraler Duft nach Öl in der Luft.
 

Evelyn tat es den anderen nach und hing ihren Kessel in das Gestell über dem Loch zu ihrer Rechten, als sich die Tür mit einem lauten Knall schloss, wodurch alle sofort verharrten und Stille herrschte. Sie hätte beinahe mitsprechen können, so genau kannte sie die Worte, die nun folgten.
 

"Jeder von Ihnen ist hier um die schwierige Wissenschaft und exakte Kunst der Zaubertrankbrauerei zu lernen." Jede Silbe war deutlich gesprochen, auch wenn es beinahe ein Flüstern war, während er die Reihen nach vorne durchschritt und sich vor ihnen aufbaute.
 

"In meinem Unterricht dürfen Sie nur wenig albernes Zauberstabgefuchtel erwarten, und deshalb werden viele unter Ihnen kaum glauben, dass es sich um Zauberei handelt."
 

Millicent schluckte schwer und rutschte mit blassem Gesicht auf ihrem Schemel hin und her. Evelyn griff mit ihrer Linken nach ihrer Hand, die eiskalt war, und drückte leicht zu. Snape war einschüchternd, das musste auch Evelyn zugeben, doch Angst musste Millicent nicht haben.
 

"Kaum einer von Ihnen wird es lernen die Schönheit des leise brodelnden Kessel mit seinen schimmernden Dämpfen zu sehen, die zarte Macht der Flüssigkeiten, die durch die menschlichen Venen kriechen, den Kopf zu verhexen und die Sinne zu betören..."
 

Ein unangenehmes Kribbeln fuhr ihr über die Haut als sie glaubte, ihre Tränke, die sie heute Morgen genommen hatte, würden sich jetzt in diesem Moment wie Kakerlaken durch ihre Adern fressen. Ein unschöner Gedanke.
 

"Ich kann Euch lehren, wie man Ruhm in Flaschen füllt, Ansehen zusammenbraut, sogar den Tod verkorkt – sofern Ihr kein großer Haufen Dummköpfe seid, wie ich ihn sonst immer das Vergnügen habe in dieser Klasse zu unterrichten."
 

Danke, für diese aufmunternden Worte, dachte Evelyn belustigt, als Snape geendet hatte und eher gelangweilt nach der Namensliste griff.
 

Ihre Klassenkameraden hingegen saßen wie Statuen an ihren Plätzen, ohne auch nur einen Muskel zu bewegen. Von jedem kam nur ein heiseres anwesend, als Snape ohne aufzuschauen die Liste durchging. Nur bei einem hielt er erwartungsgemäß inne.
 

"Ah ja, Mr Potter, welch eine Freude eine wahre Berühmtheit unter uns zu haben."
 

Evelyn lehnte sich nach vorne und ließ ihre Feder gedanklich abwesend über ihrem Pergament kreisen, eifrig zu hören, was gleich passieren würde. Ihre Hand mit der Feder bewegte sich fast von allein.
 

"Sagen Sie, Potter, was bekomme ich, wenn ich einem Wermutaufguss geriebene Affodillwurzel hinzufüge?"
 

Auch ohne ihr Vorwissen sah Evelyn dem armen Harry an, wie verloren er war derart mit Fachwissen konfrontiert zu werden. Einerseits hatte sie Mitleid, andererseits war sie ähnlich euphorisch wie in dem Moment, als ihr Zauberstab zum ersten Mal Funken für sie gesprüht hatte. Hermine wedelte wild mit der Hand, was Professor Snape, der wie ein Schatten über Harry thronte, nicht im Geringsten interessierte.
 

Das ist besser als Kino!
 

Snape wartete kaum auf Harrys Entschuldigung, ehe er die nächste Frage stellte. "Schade. Versuchen wir es erneut, Potter. Wo würden Sie suchen wenn Sie einen Bezoar beschaffen müssten?"
 

Auch das konnte er nicht wissen, und so folgte schließlich die letzte Frage.
 

"Etwas Einfacheres, vielleicht? Was ist der Unterschied zwischen Eisenhut und Wolfswurz?"
 

Evelyn senkte den Blick und konzentrierte sich darauf eine neutrale Miene beizubehalten. Die Ironie der Szene vor ihr war beinahe zu viel für sie.
 

"Was ist los?", fragte Millicent leise. Nun war es an Millicent Evelyns Hand zu drücken, die noch immer auf der ihren ruhte.
 

"Nichts, ich habe nur Mitleid", versuchte sie mit einem Lächeln zu sagen, "mach dir keine Sorgen."
 

Gerade als Millicent etwas erwidern wollte, durchschnitten zwei Worte die Luft und ließ sie beide zusammenzucken.
 

"Miss Harris!" Die Köpfe ihrer Klassenkameraden wendeten sich in einer gemeinsamen Bewegung weg von Harry und, zu Evelyns eigenem Horror, direkt zu Millicent und ihr. Ihr Mund wurde trocken, als sie hastig ihre Hand von Millicents zog und sie flach vor sich auf das Pergament legte.
 

Sie starrte den Tränkeprofessor an, der sie mit Stille strafte und mit kalten Augen betrachtete.
 

"Verzeihung, Sir."
 

Professor Snape schritt langsam, mit hinter dem Rücken gefalteten Händen auf sie zu, bevor er vor Millicent und ihr stehen blieb. Mit jedem Schritt, den er gemacht hatte, hatte sie ihre Hand weiter auf ihr Pergament geschoben, ja sogar ihre zweite darauf gelegt, sorgfältig darauf bedacht jedes Wort zu bedecken, das dort stand.
 

"Wollen Sie der Klasse die Antworten nennen?"
 

Evelyn schluckte schwer, als die Frage gedämpft in ihr Bewusstsein drang.
 

Sag es, schoss es ihr durch den Kopf. Der Wunsch etwas richtig zu machen, das Verlangen eine richtige Antwort zu geben, war beinahe überwältigend. Sie wusste, was er hören wollte, jede einzelne Antwort stand vor ihr, auf dem Pergament, verdeckt unter ihren schwitzigen Fingern.
 

Sag es.
 

Sie wusste, was er hören wollte und sie wusste, von wem er es hören wollte.
 

"Nein, Sir", brachte sie schließlich heraus. Sie war erstaunt, wie fest ihre Stimme geklungen hatte. Eigentlich hatte sie erwartet nur ein Röcheln zustande zu bringen. Weder Millicent, noch sonst jemand wagte es auch nur laut zu atmen.
 

Genau denselben Effekt hatte auch McGonagall auf ihre Schüler, und doch konnten sie und Snape unterschiedlicher nicht sein.
 

"Nein, Sie wollen nicht?" Er neigte den Kopf leicht zur Seite, sodass ihm ein Teil seiner Haare über die Wange rutschte.
 

In diesem Mann steckt wirklich irgendwo ein Sadist.
 

Ihre Gedanken waren weitaus rebellischer, als sie es sich je trauen würde zu sagen. "Nein, Sir, ich kenne die Antworten nicht."
 

Ein zufriedenes Lächeln, das kaum die Augen erreichte umschmeichelte seine Lippen. Plötzlich streckte er ihr einen seiner bis ans Handgelenk zugeknöpften Arme entgegen.
 

"Ich hoffe doch sehr Ihre Strafarbeit ist aufschlussreicher, als Ihr wortkarges Gestammel." Ihr Puls stieg höher als sie realisierte, dass er den Aufsatz verlangte, der sich irgendwo in ihrer Tasche befand. Eine Tasche, die außerhalb ihrer Reichweite lag. Sie würde die Hände vom Tisch nehmen müssen um danach zu greifen, doch wenn sie das tat, ...
 

"Miss Harris, ich habe wichtigere Dinge zu tun, als hier vor Ihnen zu stehen." Ungeduldig fächerte er mit seinen schlanken, blassen Fingern vor ihrem Gesicht. Evelyn nickte und zog ihre Hände mit einem Ruck vom Tisch, als wollte sie sich beeilen seiner Forderung nachzukommen, und riss scheinbar ungeschickt das Pergament vom Tisch. Es segelte langsam zu Boden, was Snape desinteressiert noch nicht einmal zur Kenntnis nahm, während sie hastig nach dem Essay suchte und es ihm aushändigte. Ohne ein weiteres Wort nahm er es entgegen und kehrte nach vorne vor die Klasse zurück.
 

Hermine wedelte indes noch immer ungerührt von der Situation mit ihrem Finger, eifrig endlich die Antworten geben zu dürfen, die er suchte.
 

Alles spielte sich vor Evelyns Augen ab, die noch immer angespannt auf ihrem Platz saß. Die Szene war durchbrochen worden, einfach so. Es hätte anders verlaufen müssen und plötzlich wünschte sie sich, nicht in einem Unterricht zu sitzen, den sie bereits kannte.
 

Sie bereitete sich innerlich vor alles wieder auf Kurs zu bringen, öffnete bereits die Lippen, um die Worte zu sagen.
 

"Ich glaube Hermine weiß die Antwort, wieso nehmen Sie nicht sie?"
 

Erleichter den Satz aus Harrys naivem Mund zu hören, stieß Evelyn einen leisen Seufzer aus und lehnte sich ein wenig in ihren Sitz, während sich vor ihr das Drama weiter abspielte und sich ihre Nervosität langsam legte. Eine sanfte Berührung an der Schulter forderte schließlich zum zweiten Mal an diesem Tag ihre Aufmerksamkeit. Millicent hob ihr das Pergament entgegen, das sie absichtlich zu Boden gerissen hatte.
 

"Dank-"
 

Plötzlich stutzte Millicent und zog das Pergament abrupt zurück. Ungläubig starrte sie auf die wenigen Worte, die Evelyn einfältig und von der Situation mitgerissen geschrieben hatte. Antwort nach Antwort glich sie mit dem ab, was Snape just in diesem Moment für alle Ohren verkündete.
 

"Woher ... wieso, wieso hast du ihm nicht geantwortet?" Sie schüttelte fasziniert den Kopf. "Die ... das sind die Antworten! Alles richtig."
 

Mit einem Mal kam Bewegung in die Klasse, da alle nach einem Pergament griffen und hastig notierten, was ihr Lehrer ihnen gerade über Bezoare oder Wermut erzählt hatte.
 

Millicent wirkte nicht wütend, sondern ehrlich überrascht, als sie Evelyn endlich das Pergament zuschob. Ohne etwas zu sagen öffnete sich Evelyns Mund, nur um sich wieder zu schließen. Wie sollte sie ausgerechnet einer Slytherin erklären, dass sie freiwillig auf Lob verzichtet hatte?
 

"Er wollte die Antworten von Potter, nicht von mir!", gab sie zu, doch Millicent blieb stutzig.
 

"Aber er hat dich gefragt."
 

Darauf wusste sie nichts zu erwidern, weshalb sie es vorzog fürs erste zu schweigen.



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