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Kapitel 38 - Keine Zeit zum Durchschnaufen

Die gelöste Stimmung der Schüler setzte sich am Frühstückstisch fort. Unter das ständige Klirren des Bestecks mischte sich heiteres Lachen, was um diese Zeit recht atypisch für die Häuser war. Für gewöhnlich war es morgens ruhig in der Großen Halle, die erst gegen Mittag wirklich auflebte. Pansy gehörte zu denen, die ohne Luft zu holen plapperten, während die Augen anderer Anwesenden regelmäßig zur Decke glitten, wo sich die grauen Wolken zu einer dicken Masse zusammengeschoben hatten.

 

Statt nach oben zu schauen, linste Evelyn zur Seite und wunderte sich über die Garderobe so manches Professors. Minerva McGonagall hatte sich eine breite Schärpe im roten Karo Muster umgeworfen, die mit mehreren Lederbänden an ihrer Hüfte festgehalten wurde. Die Hauslehrerin von Hufflepuff hatte mit einigen lebenden Ranken auf ihrem Hut zu kämpfen, die sich etwas von ihrem Frühstück schnappen wollten und ihre gierigen nach Sprouts Teller ausstreckten. Sogar Dumbledore, den Evelyn nur flüchtig im Auge hatte, hatte es geschafft mit seiner scharlachroten Robe, auf der glitzernde blaue Sterne gestickt waren, noch bunter zu wirken.

 

Die einzigen, die aussahen wie gewöhnlich, waren die Professoren Snape und Quirrell, wobei letzterer seinen matten Turban gegen einen neuen, blauen, ausgetauscht hatte. Das Bild eines grimmig dreinschauenden Snape, der nichts weiter tat als seine Tasse zu drehen, neben einem förmlich leuchtenden Flitwick ganz in Goldfarben gehüllt, ließ Evelyn schmunzeln.

 

"Da sind sie!" Millicent boxte Evelyn unsanft in die Seite, bevor sie wie wild mit dem Finger zur Decke zeigte. Dort versuchten sich hunderte Eulen gleichzeitig durch die schmalen Öffnungen direkt über den Fenstern zur Großen Halle zu quetschen. Es war ein Spektakel, wie es jeden Tag passierte und so gut wie nie den Trott des Morgens durcheinander brachte. Heute aber hielt jeder beim Frühstück inne und suchte begierig nach einem bekannten Vogel am falschen Himmel der Halle. Überall wurden die Hände erwartungsvoll nach oben gestreckt, als auch schon die erste Post zu fallen begann.

"Was zum ..." Mit halb offenem Mund konnte Evelyn nur staunen, wie quaffelgroße Pakete, die eben noch an den Krallen der Eulen hingen, in die Hände der umliegenden Schüler fielen. Einige waren in schlichtes Papier gewickelt, andere waren kunstvoll verziert.

 

"Uff." Die Arme weit geöffnet stemmte sich Millicent gegen das Gewicht des Pakets, welches ihr entgegen geflogen kam. Evelyn lehnte sich zu ihr und begutachtete neugierig den Karton, der mit dutzenden Bändern umwickelt war. Er wirkte ein wenig kleiner als der von Zabini, der mit buntem Papier beklebt war. Malfoy hatte sich bereits daran gemacht die Schleifen zu lösen.

 

Über ihnen segelten noch immer die kreischenden Eulen, auf der Suche nach den Empfängern, für die die Post an ihren Krallen bestimmt war. "Millicent", begann Evelyn zögerlich, den Blick nach oben gerichtet, "was ist das?" Kaum hatte sie ausgesprochen zuckte sie zusammen, als etwas Schweres auf ihren Schoß fiel. Der dazugehörige Vogel war bereits in der Menge verschwunden, als Evelyn nach oben blickte. Die Arme von sich gestreckt starrte sie überrascht auf das orangene Ding, das sich nun vor ihr befand.

 

Es war das erste Mal, dass eine Eule etwas für sie gebracht hatte. Einige Zeit hatte sie auf eine Antwort von Ollivander auf ihren Brief gewartet, doch die ist nie gekommen. Irgendwann hatte sie sich damit abgefunden, dass der Brief entweder verloren gegangen war, oder aber Ollivander ihr schlicht und ergreifend nicht schreiben wollte. Tatsächlich glaubte, oder hoffte sie, an ersteres, doch trotzdem war sie skeptisch, weshalb ein unfertiger Brief in ihrem Schlafsaal lag, den sie sich nicht traute abzuschicken. Umso neugieriger war sie nun zu sehen, was all die Aufregung zu bedeuten hatte.

Eilig schob sie ihre Finger zwischen die Falten des Papiers und riss es wie ein ungeduldiges Kind auseinander. Der Tisch füllte sich bereits mit abgerissenen Schleifen, Papierfetzen und unzähligen zusammengeknüllten Bändern, sodass das Essen beinahe nicht mehr zu sehen war. Es interessierte sich sowieso niemand mehr für Brötchen und Marmelade. Alle starrten mit leuchtenden Augen ins Innere der Kartons.

 

In ihrem eigenen fand Evelyn eine metallene Vase, die auf einem Moosbett drapiert war. Erdiger Geruch vermischt mit Kräutern, die sie nicht identifizieren konnte, kroch ihr in die Nase. Die Vase war eckig, hatte unzählige Löcher, die ungleichmäßig das ganze Gebilde durchzogen, und verjüngte sich nach oben hin, wo ein Pfropfen sie verschlossen hielt. Irritiert überlegte sie, weshalb ihr jemand eine Vase geschickt hatte, als sie einen Brief, an die Innenwand des Kartons geklebt, entdeckte. Ein dunkles Wachsiegel hielt das gefaltete Pergament verschlossen. Weder ein Empfänger, noch ein Absender war zu sehen. Als sie jedoch das Pergament öffnete, erkannte sie die eng geschriebene Schrift. Erleichtert fuhr sie sich mit einer Hand durchs Haar und stieß einen verblüfften Seufzer aus.

 

Liebe Miss Harris

 

Ich hoffe Sie haben nicht all die Wochen auf meine Antwort gewartet, ich bin wirklich untröstlich. Die Arbeit hat mich voll und ganz eingenommen. Man mag es kaum glauben, aber mein Vorrat an Buchenstäben ist auf unter 210 gesunken! Mein Vater, und bereits dessen Vater – und ich bin mir sicher dessen Vater auch –, hatte immer zu sagen gepflegt: Der Zauberstabmacher steht in der Pflicht des Zaubererwohls.

 

Sie sehen also, als ich meinen Bestand nach der Hauptsaison geprüft und festgestellt hatte, dass ein gravierender Mangel an Zauberstäben einer Art bestand, habe ich mich in die Arbeit gestürzt.

 

Zu allem Überfluss hatte ich vor wenigen Wochen auch noch eine Auseinandersetzung mit einem meiner Lieferanten. Kein einziges Einhornhaar konnte er mir zustellen. Angeblich herrscht Mangel am Markt, erklären konnte er es mir aber nicht. Er würde selbst schon seit Wochen auf Ware warten. Auf meine Frage hin, wie ich mich auf die nächste Saison vorbereiten solle, ohne ein Drittel meiner Produkt und mit zur zwei verfügbaren Zauberstabkernen, hat er mir ernsthaft ins Gesicht gesagt, ich solle auf andere Kerne zurückgreifen; wie Chimärenhaar. Chimärenhaar, so ein Stümper. Ich habe ihn daraufhin freundlich gefragt, ob er eine Ahnung hätte, wie unstabil Chimärenhaar mit machen Holzarten reagierte? Darunter zählt im Übrigen auch Buche.

 

Verzeihen Sie, ich berichte nur von mir selbst.

 

Es ist zwar schon eine Weile her, doch ich bin froh, dass Sie gut in Hogwarts angekommen sind. Da ich keinerlei Nachrichten, und damit beziehe ich mich auf schlechte, in letzter Zeit erhalten habe, gehe ich davon aus, dass alles nach Ihrer vollsten Zufriedenheit vonstattengeht. Ich muss Sie loben, Ihre Arbeit und ihre Vorbereitung haben sich wahrlich ausgezahlt und ich bin stolz darauf Ihnen auf Ihrem Weg zu helfen.

 

Vergeben Sie daher einem alten Mann, wenn er insgeheim gehofft hatte Sie in Ravenclaw zu wissen. Nichtsdestotrotz ist Slytherin ein würdiges Haus. Nehmen Sie sich ein Beispiel an Alice Liddell oder Florence Nightingale, beides großartige Hexen in ihrer Kunst, die aus dem Haus Slytherin hervorgegangen sind, und mit außergewöhnlichen Zauberstäben. Es freut mich zu hören, dass in diesem in der Vergangenheit geplagten Haus nun ein Funken Glanz eingekehrt ist. Trotzdem ermahne ich Sie zur Vorsicht und ich möchte Sie daran erinnern, was ich über Ihren nun Hausleher gesagt habe.

Ich vertraue Ihnen und bin überzeugt, dass Sie darauf hören, was Ihnen Ihr Herz sagt.

 

Bitte zögern Sie nicht mir zu schreiben, falls Sie etwas belastet. Natürlich freue ich mich auch über Briefe, in denen Sie mir nur von ihrem Tag berichten.

 

Dieser Tuireadh Coinnlear soll Ihnen heute Freude bringen und Sie daran erinnern, dass Sie nicht allein sind.

 

Mit guten Wünschen

Garrick Ollivander

 

Der geschwungen geschriebene Text war schwer zu lesen, trotzdem las sie den Brief mehrmals durch, mit einem Lächeln auf dem Gesicht. Nach so langer Zeit doch noch etwas von Ollivander zu hören, war unglaublich erleichternd. Jetzt musste sie sich keine Sorgen mehr um eine Unterkunft in den Weihnachtsferien machen, da dies bereit eine Sorge in ihrem Hinterkopf geworden war. Dass sie an Weihnachten nicht im Schloss bleiben konnte stand außer Frage. Schon allein, weil sie neue Zutaten für ihre Tränke benötigte.

 

"Zeig her, wie sieht deine aus?", meinte Millicent plötzlich, ehe sie die Augenbrauen hochzog. "Was ist, du strahlst so. Zeig her, ist sie so schön?"

Evelyn hob den Brief ein wenig von sich, sodass Millicent nichts lesen konnte, da sie die Worte von Ollivander im Moment mit niemandem teilen wollte. Allerdings war das junge Mädchen neben ihr sowieso nur am Inhalt des Kartons interessiert, in den sie bereits ihre Nase steckte.

 

"Eckig", hörte sie Millicents gedämpfte Stimme. Sie hob den Kopf und starrte Evelyn nun ins Gesicht. "Deine ist eckig! Meine sieht aus wie ein Kürbis, da schau."

 

Sofort schob Millicent ihr das Packet entgegen, sodass sich Evelyn selbst davon überzeugen konnte, was genau aussah wie ein Kürbis. Im Innern sah sie ein ähnliches Gebilde wie das ihre aus löchrigem Metall. Evelyn biss sie auf die Lippen und schmunzelte. "Das sieht wirklich aus wie ein Flaschenkürbis."

 

Seufzend hob Millicent die Hände nach oben. "Nicht wahr? Schau dir Daphnes an, ihres ist wunderschön eingedreht und mit einem Bukett verziert. Das ist fast zu schade, zum Verbrennen."

 

Evelyn nickte und gab Millicent recht. Was genau das alles zu bedeuten hatte, war ihr völlig zu hoch. Aufgeregt tuschelten alle Anwesenden über den Inhalt des Kartons und als Evelyn sich in der Halle umsah erkannte sie, dass auch an anderen Tischen der ein oder andere Karton angekommen war, auch wenn ihr Tisch eindeutig in der Mehrzahl war. Erneut hob sie den Brief und überflog ihn ein weiteres Mal.

 

"Dieser Tuireadh Coinnlear soll Ihnen heute Freude bringen", zitierte sie leise. Es brauchte nicht viel um eins und eins zusammenzuzählen und die seltsame Vase mit dem noch seltsameren Namen in Verbindung zu bringen. "Tuireadh Coinnlear. Geht das auch in meiner Sprache?"

 

Sie hätte Millicent, oder jemand anderen am Tisch, natürlich fragen können, was genau es mit den Vasen auf sich hatte, stattdessen blieb sie jedoch still und schaute zu, wie nach dem Frühstück jedes Paket an Ort und Stelle zurück gelassen wurde, damit die Hauselfen es in die Räume bringen konnten. Was auch immer die Vasen waren, jeder behandelte sie als etwas Selbstverständliches. Da niemand überrascht gewesen war, eine Vase zu erhalten, ging Evelyn davon aus, dass jeder ganz einfach wusste, was sie bedeuteten, oder sie ähnlich wie Evelyn ihre Unwissenheit verschleierten.
 

So oder so, es wurden keine Fragen gestellt und Evelyn würde sich hüten damit anzufangen. Unwissenheit an der falschen Stelle könnte sie in arge Bredouille bringen, ja sogar ihre vermeintliche Herkunft aus einer Reinblutfamilie in Gefahr bringen.

 

Sie hatte gehofft womöglich über Gespräche einiges zu erfahren, doch bisher waren ihre Informationen nur spärlich.

 

Hinzu kam, dass ihre Gedanken wichtigere Dinge umkreisten und sie eigentlich nur darauf wartete, den Unterricht beenden zu können. Quirrell hatte den Unterrichtstag für sie begonnen und sie in Gruppenarbeit selbstständig einige Aufgaben bearbeiten lassen, während er selbst sie nur stumm von seinem Platz aus beobachtete. Die meiste Zeit wirkte er eher abwesend und reagierte nur bei Fragen.

 

Seit einiger Zeit bearbeiteten sie nun Lektion 2, nachdem sie die theoretische Unterscheidung und Identifizierung von Hexen und Flüchen abgeschlossen hatte. Nun standen gefährliche Kreaturen und wie man sich vor ihnen verteidigte auf dem Lehrplan, was in Quirrells Sprachschatz "wegrennen" bedeutete. Es ist kaum ein paar Tage her, als sie den einzelnen Kreaturen eine Klassifikation zuordnen sollten und Evelyn sich einen kleinen Spaß erlaubt hatte.

 

"Professor", hatte sie unschuldig gerufen, mit der kindlichsten Stimme, die sie im Stande war nachzuahmen, "sollen wir Unterscheidungen zwischen einem Berg- und einem Brückentroll machen oder sollen wir sie alle unter dem Begriff Troll klassifizieren?" Darauf hatte er nur ganz sachlich geantwortet.

 

Es hatte Evelyn überrascht, dass trotz seiner Fehlern Quirrell ab und zu sogar ein ganz passabler Lehrer sein konnte. Zugegeben, es dauerte, bis er eine Erklärung von sich gegeben hatte, was es schwer machte ihm zu folgen, aber seine Theorie hatte eine stabile Basis. Immer wieder kam ihr dabei ins Gedächtnis, dass ausgerechnet Voldemort sie gerade in Verteidigung unterrichtete, und er dabei sogar einen recht guten Job machte; was es nicht unbedingt leichter machte Quirrell in die Augen zu schauen.

 

Nichtsdestotrotz hatte sich das Fach, das sehr theorielastig war, sich zu einem ihrer Lieblingsfächer entwickelt, da Theorie ihr keine Probleme bereitete. Anders sah es in Zauberkunst aus, wo sie regelmäßig Zabinis Hilfe in Anspruch nehmen musste. Mit jedem Zauber tat sie sich schwer, womit sie gerechnet hatte. Für sie bedeutete das zusätzliche Arbeit und lange Nachtschichten, was sie gerne in Kauf nahm. Immer wieder bekam sie jedoch von Millicent zu hören, wie leid sie ihr tat. Selbst Daphne und Pansy bemühten sich aufmunternd zu sein. Eine nette Geste, die Evelyn nicht gebraucht hätte. Dass sie schlecht im Zaubern war, beschäftigte andere mehr, als sie selbst, was sie eher belustigend fand.

 

Auch Verwandlung stellte eine große Herausforderung für sie da, beinahe noch mehr als Zauberkunst. Während sie da wenigstens Zabini zur Unterstützung hatte, der in Zauberkunst geradezu brillierte, stand sie mit Verwandlung weitestgehend alleine da. Kaum einer konnte von sich sagen ein Talent für Verwandlungen zu haben.

 

Die erste praktische Transfiguration, die McGonagall sie hatte durchführen lassen, war beinahe überall eine Katastrophe gewesen. Dabei war die einzige Aufgabe gewesen aus einem runden Knopf einen gerade Gegenstand zu machen; im besten Fall ein Streichholz. Zunächst hatten sie sich aber nur darauf beschränken sollen die Form zu ändern. Evelyn war heilfroh gewesen, dass sie noch lange nicht mit lebendigen Tieren arbeiten würden. Auf die Sauerei konnte sie gut verzichten.

 

Nach Tagen des Übens hatte es schließlich jeder geschafft ein annehmbares Ergebnis zu erzielen. Alle, bis auf Evelyn, die selbst nach all der Zeit einen Bogen im Holzstück hatte, dem auch noch der Zündkopf fehlte.

 

Beinahe jede Stunde sah für sie gleich aus: während die anderen bereits an der neuen Transfiguration arbeiteten – aus dem Streichholz eine solide Nadel machen – übte sie noch an ihrem Knopf. Daran änderte sich auch heute nichts, trotz des Festtages. McGonagalls einziges Zugeständnis an den Feiertag war ihre auffällige Garderobe. Ihren Unterricht bestritt sie wie gewöhnlich. Gerade teilte sie die Aufsätze der letzten Woche aus, als sie vor Evelyn stehen blieb.

 

"Ausgezeichnete Arbeit, Miss Harris. Ihre Ausführungen zum Thema materieller Transfigurationen war bemerkenswert. Das ist 10 Punkte für Slytherin wert", meinte sie, als sie Evelyn ihre Hausaufgabe zuschob. Evelyn stutzte, als sie das Pergament entgegennahm, an dessen Ende nur Minervas elegante Unterschrift zu sehen war.

 

"Danke, Ma'am", brachte sie heraus.

 

"Ich würde gerne nach der Unterrichtseinheit mit Ihnen sprechen", sagte McGonagall mit einem angedeuteten Kopfnicken, ehe sie die Verteilung fortfuhr.

 

Zabini beugte sich nach vorne und klopfte Evelyn von seinem Platz hinter ihr auf die Schulter. "Gut gemacht, du Verwandlungs-Versager!"

Es waren die ersten Punkte, die Evelyn erhalten hatte, was sie innerlich auf mehrere Arten aufwühlte. Einerseits war sie stolz, von McGonagall Anerkennung für ihre Arbeit zu bekommen. Es war nicht üblich für schriftliche Hausaufgaben Punkte zu erhalten, was sie umso mehr freute; ausgerechnet ein Lob, und da hatte Zabini vollkommen recht, in Evelyns schwächstem Fach. Andererseits spürte sie, wie sie ein ungutes Gefühl überkam.

 

"10 Punkte", murmelte sie, wobei ihr das Pergament beinahe entglitt.

 

Sie hatte das Gefühl, als passierte alles auf einmal. Halloween war nur noch wenige Stunden entfernt, wobei sie noch sichergehen musste, dass Hermine wirklich im Mädchenklo verharren würde. Die Pakete vom Morgen waren immer noch ein Rätsel für sie und nun standen schon neue Probleme an. Sie musste diese Punkte loswerden.

 

Die Hauspunkte waren ihr bisher völlig egal. Es nahm ein wenig die Spannung wenn man den Sieger bereits vorher kannte. Gryffindor würde gewinnen, daran hatte für sie nie ein Zweifel bestanden. Zehn Punkte von Neville Longbottom würden den Unterschied machen. So sollte es sein und nicht anders.

"Großartig", sagte sie mit einem schweren Seufzer und bemühte sich den Rest der Stunde gar nicht erst ihren Knopf zu transfigurieren. Als es schließlich Zeit zur Mittagspause war, leerte sich der Raum schnell, bis nur noch Evelyn übrig war.

 

Professor McGonagall wartete an ihrem Pult, die Hände vor sich gefaltet, bis Evelyn Platz genommen hatte. "Ihre schriftlichen Ausführungen sind wirklich außergewöhnlich, Miss Harris. Sie argumentieren auf einem weitaus höheren Niveau, als es für einen Erstklässler üblich ist. Tatsächlich finden sich solche Arbeiten eher in NEWT-Klassen", begann die Professorin, ohne dabei eine Emotion zu zeigen. Evelyn trat sich innerlich selbst ans Schienbein, dass sie sich selbst hatte mitreißen lassen. Natürlich waren ihre schriftlichen Arbeiten besser, sie hatte zehn Jahre mehr Erfahrung im Verfassen solcher Texte, egal ob sie magischer Natur waren oder nicht. Sie hatte versucht einfach und simpel zu schreiben, baute ab und zu sogar absichtlich Rechtschreibfehler ein, doch ihre Bemühungen waren wohl nicht genug. "Umso mehr Sorgen", fuhr McGonagall fort, "mache ich mir um Ihre praktischen Fähigkeiten."

 

Evelyn nickte, blieb aber still.

 

"So bemerkenswert Ihre Hausaufgaben sind, Ihre Leistungen, die Sie im Unterricht zeigen, liegen weit hinter ihren Klassenkameraden zurück; und auch hinter den Erwartungen. Ich habe mit Professor Flitwick gesprochen und auch er berichtete mir Ähnliches."

Mit gesenktem Kopf ließ Evelyn die Ansprache über sich ergehen.

 

"Miss Harris, erinnern Sie sich noch daran, was ich Ihnen bei unserem ersten Treffen ans Herz gelegt habe, nachdem ich Ihrer Bitte Hogwarts besuchen zu dürfen nachgegeben habe?"

 

"Sie sagten, Sie erwarte, dass ich mein bestes gebe. Aber Professor", sie hob den Kopf und fing McGonagalls strengen Blick auf, "das tue ich. Ich bemühe mich."

 

"Das weiß ich. Doch wie ich das sehe, kommen Sie alleine nicht weiter." Mit einer Handbewegung schwebte ein Pergament unter ihrem Pult hervor, zusammen mit einer langen Feder. "Ich lege Ihnen nahe zusätzlichen Unterricht in praktischer Magie zu nehmen", sagte sie, während sie das Pergament beschrieb.

 

Nachhilfe, auch das noch.

 

"Terence Higgs wäre geeignet, doch ich fürchte er hat momentan nicht viel Zeit für Sie. Sie sollten sich den Namen trotzdem merken. Alternativ kann ich Ihnen William Booth vorschlagen, der bereits Erfahrung darin hat lernschwache Schüler zu unterstützen. Bei ihm wären Sie am besten aufgehoben."

 

Evelyn hob bei McGonagalls Bemerkung über lernschwache Schüler die Augenbrauen, was sie Lehrerin nicht bemerkte, da sie das Pergament fixierte.

"Sollte Mr Booth ebenfalls unpässlich sein, wovon ich nicht ausgehe, habe ich noch einen meiner Schüler in der Hinterhand. Percy Weasley, der mit bereits versichert hat sich Ihrer annehmen zu wollen."

 

Mit gezwungenem Lächeln nahm sie die kurze Liste entgegen, wobei sie den letzten Namen bereits kategorisch ausschloss. Ganz bestimmt nicht.

"Hilfe anzunehmen ist keine Schande, Miss Harris. Ich möchte, dass ihr ausgeprägtes Verständnis für magische Materie nicht wegen mangelnder Übung vergeudet wird. Sie dürfen nun in Ihre Pause gehen."

 

Sie schulterte ihre Tasche, wurde aber noch einmal von McGonagall zurück gehalten. "Oh, einen Moment noch. Würden Sie Miss Parkinson bitte ausrichten, dass sie in Zukunft ihre Hausaufgaben möglichst alleine machen soll?" Sie neigte den Kopf und schaute Evelyn schmunzelnd an, die sich ertappt fühlte.

 

"Ich werde es ihr sagen, Professor. Aber ich versichere Ihnen, sie schreibt jede ihrer Hausaufgaben selbst."

 

"Natürlich macht sie das", hörte sie die Lehrerin murmeln, ehe sie auf den Gang trat und sich auf in Richtung Halle machte.

 

"Booth, William, 6. Klässler, Hufflepuff", las sie vor und nickte erleichtert. "Das wird gehen." Terence Higgs war ihr völlig unbekannt, obwohl neben seinem Namen das Haus Slytherin vermerkt war. Er war ein Siebtklässler, so hatte es McGonagall geschrieben. Percy Namen ignorierte sie, da der für sie sowieso nicht in Frage kam. Sie hoffte darauf, dass William zusagen würde.

 

"Was wollte die Gonagall?", fragte Zabini, als sie sich zu den anderen gesellt hatte. Malfoy war nirgends zu sehen, wofür sie ganz dankbar war. Einen dummen Spruch von ihm brauchte sie im Moment wirklich nicht.

 

"Sie will, dass ich Nachhilfe nehme."

 

"Nachhilfe? Aber das machen wir doch schon", meinte Millicent empört, als sie das Pergament aus Evelyns Hand riss und es begutachtete. "Terence Higgs, wer ist das?"

 

Daphne reagierte sofort. "Higgs? Der Sucher?"

 

"Steht hier zumindest", verteidigte sich Millicent, ehe sie das Pergament an Daphne weitergab. "Wieso brauchst du Nachhilfe? Sie hat dir heute sogar Punkte gegeben."

 

"Professor McGonagall meinte, meine Leistungen reichen nicht aus." Sie wandte ihren Blick auf Pansy. "Oh, und sie legt dir nahe, deine Aufsätze selbst zu schreiben."

 

Pansy schlug empört ihre Hand gegen die Brust. "Das mache ich doch immer. Apropos, könnte ich deinen Text zu dieser Blattläuse Sache für Sprout noch einmal sehen?"

 

Während Evelyns kopfschüttelnd ihr Essay für Kräuterkunde, das heute nach Zauberkunst den Unterricht beenden würde, an Pansy weiter gab, schob ihr Daphne das Pergament mit Namen entgegen. "Higgs wird dir nicht helfen können, das erste Spiel der Saison steht an und die Mannschaft trainiert wie besessen."

 

Etwas Ähnliches hatte auch McGonagall gesagt und nun war Evelyn auch klar, was sie gemeint hatte. "Er ist Slytherin-Sucher?"

 

"Ja, dank ihm hat Slytherin die letzten drei Jahre den Pokal geholt. Er ist wirklich gut. Ich kann es kaum erwarten ihn in Aktion zu sehen."

Daphnes Liebe für Quidditch stieß bei Evelyn noch immer auf weitestgehendes Unverständnis, aber sie nahm die Information zu Terence dankend an. "Kennt einer William Booth?"

 

"Nein, nie gehört", antwortete Zabini, der auch für den Rest zu sprechen schien. "Wer er auch ist, er ist sicherlich besser, als diese Pfeife Weasley."

Zustimmend gab es einiges an Gelächter, wobei auch Evelyn schmunzeln konnte. Jetzt musste sie nur noch herausfinden, wer von all den Dachsen, die an der Schule die Mehrheit bildeten, nun William Booth war?

 



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