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Zweifel

von

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Zweifel

Titel: Zweifel

Pairing: KidouxSakuma

Autor:  Mju

Genre: Shonen Ai, Real Life

Anm.: Die Charaktere gehören nicht mir.

 

 Gedanken /…../

 Gespräche, Dialoge „….“

 

 

Zweifel

 

Unaufhörlich prasselte der Regen an die dünnen Fensterscheiben. Durch das gekippte Fenster schlich sich leise die frische Luft durch die geräumige Wohnung und brachte die hellblauen Vorhänge zum tanzen. Es war der dritte Regentag in dieser Woche.

Sakuma hatte sich über einen Stapel Prüfungen gebeugt. Mit dem roten Kugelschreiber an seine Lippen gedrückt las er sich die Antworten seiner Schüler akribisch durch. Dieser Test war der letzte vor den Abschlussprüfungen für dieses Schuljahr – und damit auch die letzte Möglichkeit für die Schüler, an ihren Engpässen zu arbeiten. Während er las fielen ihm immer wieder einige seiner weißen Haarsträhnen ins Gesicht. Seufzend schob er sie abermals beiseite und richtete sich auf. Sein Blick wanderte zum Fenster. Eigentlich hatte er nur Assistenztrainer für das Fußballteam bleiben wollen. Doch als der Direktor der Schule ihn darauf ansprach, ob er nicht als Vertretung für eine schwangere Kollegin für zwei bis drei Jahre ihre Stunden übernehmen konnte, hatte er sich nicht getraut abzulehnen. Nun, warum eigentlich nicht? Die Antwort war simpel: Die Schüler an der Royal Academy gehörten zur aufstrebenden Elite des Landes, selbiges erwartete man da natürlich von den unterrichteten Professorinnen und Professoren. Diese mussten sich allerdings erst unter den strengen Augen des Kollegiums bewähren. Das war weithin bekannt, daher gab es nur vereinzelte Bewerbungen für frei gewordene Lehrerposten. Sakuma fühlte sich geehrt von der Tatsache, dass nicht nur seine Kollegen, sondern auch der Schuldirektor eine hohe Meinung von ihm zu haben schienen. Das war mitunter ein Grund, warum er das Angebot annahm. Seine zugeteilten Fächer waren seine liebsten ehemaligen Schulfächer: Mathematik, Wirtschaft und Englisch. In diesen hatte er mit Auszeichnung abgeschlossen – zwar in allen anderen, Physik ausgenommen, auch, aber er sah in diesen drei Fächern viel mehr als nur Information. Für ihn steckte darin Wissen, das sich nicht nur kombinieren lies, sondern auch Anerkennung brachte. Als einer der wenigen in seiner Klasse konnte er sich fließend mit seiner damaligen Englischlehrerin aus London unterhalten. Sogar den typisch japanischen Akzent hatte er eliminiert.

Dass diese neue Aufgabe allerdings bedeutete, die Wochenenden hinter einem Stapel Papier zu verbringen, damit hatte er nicht gerechnet. Vor allem jetzt, wo die Abschlüsse näher rückten hatte er mehr als sonst zu tun. Er wollte seinen Schülern die Chance geben sich zu verbessern und zu steigern, dafür war er bereit, einen Großteil seiner Freizeit zu investieren. Gerade als er sich wieder seiner Arbeit widmen wollte, spürte er einen Luftzug und kurz darauf zwei warme Hände, die sich auf seine Schultern legten.

„Kidou …“, hauchte er, als er seinen Kopf in den Nacken legte, um dem anderen in die Augen sehen zu können.

„Du arbeitest zu viel. Mach mal Pause.“, sagte Kidou, als er ihm sanft einen Kuss auf die Wange gab. Dann legte er seine Arme um Sakumas Schultern und vergrub sein Gesicht in dessen Halsbeuge.

„Im Moment habe ich dazu keine Zeit…siehst du?“, er zeigte auf die Menge an noch nicht bearbeiteten Prüfungsbögen.

Seufzend hob Kidou den Kopf.

„Ein Arbeitstier warst du ja schon immer, aber jetzt, wo du nur noch arbeitest sehe ich dich kaum noch. Ich habe Verständnis dafür, dass du Prioritäten setzt, aber das geht nun schon seit Wochen so. Meinst du nicht, eine Pause täte dir gut? Du siehst müde aus.“

 

Verlegen senkte Sakuma den Kopf.

 

„Für die Schüler ist diese Phase sehr wichtig, ich möchte, dass sie alle durchkommen. Richtig durchkommen. Ich möchte, dass sie verstehen, was sie da lernen. Hast du dir die Wunschlisten für die Studienfächer der Abgänger angesehen? Die meisten werden das, was sie zu dieser Prüfung bekommen weiterhin brauchen. Sie müssen darauf aufbauen können. Um das zu erreichen investiere ich eben mehr Zeit.“

„Ja, das sieht dir ähnlich. Man hört nur Gutes über dich, die Schüler mögen dich, weil du dir Zeit für sie nimmst.“, antwortete der braunhaarige lächelnd.

Mit geweiteten Augen sah Sakuma Kidou an. „Sie reden über mich…?“

 

Lachend löste sich der Angesprochene von seinem Freund.

 

„Ja, das tun sie. Und weil wir wollen, dass deine Leistungen so lobenswert bleiben…“, Kidou drehte Sakuma mitsamt seinen Schreibtischsessel zu sich herum und stemmte seine Handflächen auf die Armlehnen, „…sorge ich dafür, dass du dich ein wenig entspannst.“

„… entspannen? Woran hast du gedacht?“, fragte Sakuma mit einem skeptischen Blick aus dem Fenster.

„Ein Spaziergang im Regen?“

„Damit ich mich erkälte und du dich ach so rührend um mich kümmern kannst? Nein, danke.“, kam die prompte Antwort.

„Du hast mich durchschaut.“, lachte Kidou und richtete sich auf, während Sakuma auf seinem Drehstuhl sitzen blieb und zu ihm hinaufsah – und diese Position gefiel ihm überhaupt nicht, denn zu oft hatte er in der Vergangenheit zu seinem ehemaligen Teamkapitän aufgesehen und es mehr als einmal bitter bereut, weil er dessen Stärke zu ernst nahm. Mit gesenktem Blick drehte er sich wieder seinem Tisch zu und legte die Hände in den Schoss.

„Lässt du mich jetzt bitte allein?“, sagte er, während er sich wieder seinen Stift griff.

 

Kidou, dem der Stimmungswechsel aufgefallen war, beugte sich zu ihm und sah über Sakumas Schulter auf den Prüfungsbogen.

 

„Sakuma … was bedeutet es dir?“

„Was meinst du?“, fragte der Angesprochene verwirrt und drehte seinen Kopf so, dass er seinen Freund halb anblicken konnte.

„Ich mache mir Sorgen um dich. Ich kenne dich schon so lange und weiß, wie sehr du dich in etwas hineinsteigern kannst, wie ehrgeizig du bist und wieviel Last du immer noch mit dir herumträgst.“

„Das beantwortet meine Frage nicht.“, antwortete er kühl und zog die Augenbrauen zusammen.

„Nein? Ich meinte, wieviel bedeutet dir das, was du tust?“

„Ich tue alles immer mit meiner ganzen Aufmerksamkeit, der Job und der Erfolg der Kinder bedeuten mir sehr viel.“, sagte Sakuma nachdrücklich und wandte sich vollends an Kidou. Dieser wich zurück, da sie sonst beide mit den Köpfen zusammengestoßen wären. Dann richtete er sich wieder auf.

„Ich möchte, dass sie glücklich sind und … mich respektieren.“, Sakuma sagte den letzten Teil leiser und sah aus dem Fenster, indem er sich von seinen Gegenüber abwandte.

 

Einige Zeit verging, bis Kidou seufzend neben Sakuma in die Hocke ging und den Anderen von unten her ansah.

 

„Hast du mir nicht zugehört? Das tun sie doch. Sie sind glücklich und respektieren dich. Lehrer sein ist ein harter Job, wenn man ihn richtig macht – und du machst ihn richtig.“, sagte Kidou, und nach einer kurzen Pause fügte er hinzu: „Sakuma, du hast wirklich etwas Selbstzerstörerisches an dir, weißt du das?“

 

Ohne ein Wort darauf zu sagen, rückte Sakuma seinen Sessel zurück, sodass Kidou notgedrungen auf dem Boden landete und verließ das Zimmer.

/Hätte ich das vielleicht nicht sagen sollen? Er ist in letzter Zeit so empfindlich. Außerdem … er möchte garnicht mehr Respekt von den Schülern, sondern von … mir. Zumindest kommt es mir so vor und ich denke nicht, dass ich mich irre. So war das schon immer, obwohl er es nie zugegeben hätte. Ich respektiere ihn ja, aber es ist so schwer, ihm das klar zu machen.../

Grübelnd verschränkte er die Arme.

/Wie herrgott nochmal soll ich ihm zu verstehen geben, dass ich Respekt vor ihm habe und ich nicht sehen will, wie er sich mit diesem Stress und Druck selbst kaputt macht? Ich will nicht … Ich möchte das nicht noch einmal sehen, das eine Mal war mehr als genug. Und es tat verdammt weh. Es war alles meine Schuld, das weiß ich und dafür habe ich mich bei ihm entschuldigt. Er muss doch nicht meinetwegen perfekt sein./

Seufzend senkte er den Kopf.

/Wieso habe ich damit angefangen? Ich hätte ihm einfach nur Tee bringen sollen …/

Kidou stand auf und machte sich auf den Weg in die Küche, wo er Sakuma mit Teebeuteln hantierend vorfand. Seine langen Haare hatte er sich nach hinten gebunden, so wie immer, wenn er in der Küche arbeitete.

 

„Welche Sorte ist das?“, fragte Kidou und ging näher an ihn heran.

„Guarana-Acai.“, kam die knappe Antwort.

 

Kidou stellte sich hinter Sakuma und legte seine Arme abermals um ihn, sodass dieser für einen Moment in seinen Bewegungen inne hielt.

 

„Kidou … so kann ich den Wasserkocher nicht anfüllen.“

 

Der Angesprochene drückte ihm einen Kuss in den Nacken, woraufhin dieser nicht nur rot anlief, sondern auch vor Schreck fast die Tasse fallen ließ.

 

„Was tust du?!“, fragte Sakuma, der damit nicht gerechnet hatte.

„Hm? Nichts, was ich nicht sonst auch tue. Warum erschreckst du dich so über einen kleinen Kuss? Sonst magst du das gern.“

 

Mit mittlerweile hochrotem Kopf befreite Sakuma sich aus der Umarmung und flüchtete an die andere Seite des Raums.

 

„Warum … gerade hab ich mich noch geärgert und dann tust du sowas.“

„Ich will dich nicht ärgern. Ich wollte nur bei dir sein. Du weichst mir in letzter Zeit immer aus, denkst du, dass mich das nicht verletzt? Man kann es mit seinem Fleiß auch übertreiben.“

 

Etwas genervt verschränkte Kidou die Arme vor der Brust.

 

„Sakuma, ich habe vorhin nicht nachgedacht und es tut mir Leid, was ich gesagt habe. Ich hätte nicht gedacht, dass dich das so aufwühlt. Ich weiß, dass du gerade sehr viel um die Ohren hast. Bitte … hör auf, mir so auszuweichen. Auch, wenn du viel zu tun hast. Es ist doch nicht normal, dass wir uns kaum über den Weg laufen, obwohl wir gemeinsam zu Hause sind! Wieso weichst du mir aus? Wenn ich nicht weiß, was ich falsch gemacht habe kann ich mich nicht dafür entschuldigen. Also raus mit der Sprache. Das letzte was ich möchte ist, dass wir uns streiten…“

 

Eine Weile sagte niemand von ihnen ein Wort. Sakuma hielt seinen Kopf gesenkt während Kidou an die gegenüberliegende Wand starrte. Gerade, als dieser sich zum gehen umwandte fragte Sakuma: „Wieso machst du dir solche Gedanken darüber, wie es mir geht? Warum willst du mich sooft sehen? Warum … versuchst du mich aufzumuntern? Warum bist du so lieb zu mir, obwohl ich dich abweise und dich dadurch verletze? Ich möchte nicht, dass du traurig bist, es tut mir Leid. Ich habe gerade den Kopf mit sovielen Dingen voll, ich hab so viel zu tun. Es ist nur … ich will dir nicht im Weg stehen oder dich stören, ich tue das doch nicht, um dich bewusst zu verletzen. Ich will nur nicht … ich …“

„Kannst du dir das nicht denken? Hörst du mir je zu?“, kam die Gegenfrage. Zeitgleich überwand er die kurze Distanz zwischen ihnen. Vorsichtig hob er Sakumas Kinn an und sah ihm in die Augen.

„Dass du das nicht absichtlich machst, weiß ich schon. Ich möchte wissen, wie es dir geht, weil du mir wichtig bist. Ich möchte dich sehen, weil ich dir nahe sein will. Und ich versuche dich aufzumuntern, weil ich nichts mehr hasse, als dein Gesicht in Sorgenfalten oder traurig zu sehen. Du bist mir noch nie im Weg gestanden. Ich sorge mich um dich, halte dir Standpauken und klebe an dir wir ein Kaugummi, weil ich dich liebe.“

 

Stille legte sich wie eine dicke Wolke über die beiden. Mit großen Augen sah Sakuma sein Gegenüber an, ohne ein Wort herauszubringen. Wie konnte sein Freund so viel peinliches Zeug auf einmal sagen? Und dann auch noch, ohne wegzuschauen?

 

„So direkt … hast du mir … das noch nie … gesagt … also … ich…“, stotterte er, während sein Gesicht immer röter wurde.

 

Lächelnd beäugte Kidou seinen Freund und lies dessen Kinn los.

 

„Ich dachte, ich hätte es. Aber, war das nicht offensichtlich? Dass ich dich liebe, habe ich dir doch schon gesagt. Du denkst manchmal zu viel und zu kompliziert.“

 

Nicht wissend, was er darauf antworten sollte, hielt Sakuma einfach den Mund und lies die Worte auf sich wirken. Ja, er war sich immer unsicher, ob Kidou es ernst meinte und wirklich gern mit ihm zusammen war. Schließlich waren sie erst ein knappes Jahr zusammen.

 

„Sakuma, kannst du das Gesagte abspeichern und akzeptieren?“

„Mh … ja, denke schon. Danke … und tut mir Leid, dass ich es dir so schwer mache…“

„Ich sehe das als Herausforderung.“, lachte Kidou und erwirkte dadurch auch bei Sakuma ein Lächeln. Dieser legte die Arme in Kidous Nacken, zog ihn näher an sich heran und küsste ihn sanft auf den Mund. Bevor Kidou noch regieren konnte, löste er den Kuss wieder und drückte sich ein Stück von ihm weg.

„Ist abgespeichert.“

„Sehr schön.“, antwortete Kidou und gab ihm einen Kuss auf die Stirn.

„Dann bring deine Arbeit zu Ende, sodass ich heute auch noch was von dir habe. Schaffst du es bis drei Uhr?“

„Bis drei? Ich glaube schon, wieso?“

„Weil ich da mit dem Kochen fertig sein sollte.“, antwortete er lächelnd.

„Ah, mach dir keine Umstände, wir können etwas bestellen oder ich koche später.“

 

Kidou war ja an sich sehr talentiert in vielen Bereichen – Kochen war keiner davon.

 

„Nein, ich habe sonst nichts zu tun und im Internet ein Rezept gefunden, das ich gern ausprobieren möchte.“

„Na schön … aber steck nichts in Brand.“

 

Mit diesen Worten löste er sich von seinem Gegenüber und machte sich zurück auf den Weg zu seinem Schreibtisch. Kidou setzte Wasser auf, machte den Tee, den Sakuma vergessen hatte und brachte ihm die Tasse hinein. Zurück in der Küche machte er sich munter ans Werk.

Gegen halb drei lehnte Sakuma sich in seinem Sessel zurück und atmete auf.

/Endlich fertig … ob Kidou noch all seine Finger hat?/

Er stand auf, warf noch einen kurzen Blick auf seine schwarze Tasche, in der noch mehr Aufgaben auf ihn warteten, ging dann in die Küche und lehnte sich dort an den Türstock. Überraschenderweise waren weder beißender Qualm noch Blutspuren zu sehen.

 

„Kann ich dir mit etwas helfen?“, fragte er vorsichtig.

„Nein, ich bin so gut wie fertig. Hast du alles erledigt?“

„Ja... Also, das Meiste.“

„Sehr gut, dann nimm mal die Teller dort mit zum Tisch.“

 

Sakuma tat wie ihm geheißen und deckte den Tisch fertig. Kidou kam mit dem Rest auf einem Tablett und verteilte es zwischen ihnen. Skeptisch musterte Sakuma das Angerichtete.

 

„Kidou ... was genau ist das?“, fragte er mit einem vorsichtigen Blick auf die bläulichen Stücke in der Suppe.

„Das sind Karotten.“

„Nein, Karotten sind orange ...“

„Normalerweise ja, aber es gibt auch blaue und violette Karotten – ich hab sie auf diesem großen internationalen Markt gesehen, sie schmecken ganz normal. Mir hat die Farbe so gut gefallen, und die Suppe hat auch einen leichten Blauschimmer dadurch.“, erklärte er seinem Freund, welcher zweifelnd den Löffel zur Hand nahm und eines der blauen Karottenstücke näher begutachtete.

„Sakuma ... man kann sie ganz normal essen, sonst hätte ich sie doch nicht gekocht.“

„Kidou, du hast schon interessantere Dinge auf den Tisch gebracht, und es waren bei Weitem nicht alle essbar, wenn ich dich daran erinnern darf...“

 

Innerlich wünschte sich Sakuma, sein Partner würde sich an die regionale Küche halten. Aber um ihn nicht zu sehr zu kränken, begann er dann doch, die Suppe zu essen und musste feststellen, dass die Karottenstücke tatsächlich nach Karotte schmeckten. Der Hauptgang bestand aus Nudeln mit einer weißen Zwiebelsoße, die, wie Sakuma zugeben musste ganz gut gewürzt war. Kidous Kochkunst hatte sich mit der Zeit verbessert, so wie alles, was Kidou anfing mit der Zeit seine Perfektion erreichte. Er probierte viel aus, auch internationale Gerichte, wenn er die Zutaten dafür bekam. Nach dem Essen machte Kidou sich an den Abwasch während Sakuma nochmal in sein Arbeitszimmer ging und anfing, alles sortiert in seinen Rucksack zu packen. Dabei fiel sein Blick wieder auf seine schwarze Tasche. Er ging hin und holte die Fragebögen heraus, legte sie auf seinen Tisch und seufzte. Er mochte seinen Job gern, aber weil das nun seit Wochen so ging, wurde es ihm langsam zu viel.

/Selbstzerstörerisch ... Nein, ich bin nur ehrgeizig, das ist etwas vollkommen anderes. Und ich möchte nicht hinter meinen Kollegen zurückstehen./

Ohne noch viel darüber nachzudenken setzte er sich wieder an seinen Schreibtisch. Müde rieb er sich die Augen. Kaum hatte er sich durch die ersten Blätter gearbeitet, stand Kidou neben ihm.

 

„Ich dachte, du bist fertig?“

„Ich sagte, ich habe das Meiste fertig.“, antwortete er mit einem Seitenblick auf seinen Freund.

„Und bis wann müssen die Auswertungen zurückgegeben werden? Der Test war doch erst gestern. Eigentlich dachte ich, du würdest dir den Rest des Tages ein bisschen Zeit für mich – für uns nehmen.“, konterte Kidou genervt, „Wenn du so weitermachst, brichst du bald zusammen. Innerlich und körperlich. So wie ...“

/So wie damals.../

„So wie ... was?“, fragte Sakuma.

„Nichts, vergiss es.“, sagte Kidou und verlies das Zimmer.

 

Mit einem unangenehmen Gefühl in der Brust widmete sich Sakuma wieder seiner Arbeit. Schließlich machte er nicht so viel, wie etliche seiner Kollegen. Wieso sollte ausgerechnet er sich überarbeiten?

 

 

 

Die Schulwoche lief planmäßig ab und Sakuma schaffte es sogar, Sport einzuplanen. Er war zwar für Nachhilfe eingeteilt, die Anzahl der Schüler, die diese Hilfe in Anspruch nahmen war allerdings überschaubar und dementsprechend rasch waren sie durch den Stoff. Kidou sah er während der Schulzeit wenig, da er sich fast ausschließlich dem Schulsport widmete. Mehrmals die Woche lies Kidou seine Mannschaft über den Sportplatz laufen – bei jedem Wind und Wetter. So hatten sie schon desöfteren Vorteile bei Schlechtwetterspielen gehabt.

Von seinem Platz im Lehrerzimmer aus hatte Sakuma einen guten Ausblick auf den Sportplatz, wo er gedankenversunken die Spieler, seine ehemaligen Spieler, beim Training beobachtete.

 

„Sakuma-san?“

 

Erschrocken wandte er sich der Stimme zu.

 

„Ja?“

 

Doch die Person, die er erblickte erfreute ihn absolut nicht. Fudou stand vor ihm, die Hände in den Hosentaschen mit seinem üblichen Grinsen. Freunde würden die beiden niemals werden, soviel stand für Sakuma fest. Allerdings hatte er sich selbst so weit gebracht, mit Fudou normal sprechen zu können und seine Abneigung gegen ihn nicht mehr allzu offen zu zeigen.

 

„Fudou ... was willst du? Kidou ist auf dem Sportplatz.“

„Ich weiß, ich hab ihn gesehen. Aber er hat keine Zeit und ich hab gerade nichts zu tun, daher dachte ich, ich könnte dich ja mal besuchen kommen, jetzt, wo du einen Tisch im Lehrerzimmer bezogen hast.“

 

Und ohne die Antwort abzuwarten zog er sich einen Stuhl heran und lies sich darauf nieder. Mit einem Arm über der Lehne sah er Sakuma an. Diesem schwandte nichts Gutes.

 

„Ich habe leider auch keine Zeit für dich.“, sagte er schnell, bevor Fudou es sich gemütlich machen konnte.

„Herrjeee ... sag bloß du bist beschäftigt? Darauf wäre ich im Traum nicht gekommen.“

 

Sakuma schluckte ein paar böse Bemerkungen hinunter, ehe er antwortete: „Ja, ich habe zu tun, auch wenn du es dir nicht vorstellen kannst. Also was willst du? So gut sind wir nicht befreundet, als dass du zum plaudern vorbeikommen würdest ...“

„Schön schön ... wenn du gleich zum Punkt kommen willst: Ich will deinen ehemaligen Platz als Assistenztrainer haben und wollte mich erkundigen, wie lange du den Job hier machen wirst. War das kurz und präzise genug, Sakuma-san?“, sagte Fudou mit einem undefinierbaren Lächeln.

„Nein.“, war das erste, was Sakuma dazu sagen konnte. /Sakuma-san...?/

„Nein? Nein was? Ob ich den Platz bekomme hängt nicht von dir ab mein Lieber, ich wollte mich nur meinetwegen erkundigen, wie lange der Posten frei sein wird. Ich würde dir doch niemals den heißersehnten Platz neben deinem geliebten Kidou streitig machen.“

 

Fudous Lächeln verschwand.

 

„Davon abgesehen würde Kidou mich in dem Augenblick, da du den Job zurückhaben willst hochkant rauswerfen. Obwohl ich mich als den besseren Assistenten sehen würde, aber diese Kleinigkeit lassen wir mal beiseite. Tatsache ist, er braucht einen Assistenten und ich sehe mich als perfekten Kandidaten dafür. Ich brauche weder deine Einwilligung noch deinen Segen. Also? Wie lange? Alternativ könnte ich auch Kidou fragen, aber der hat mich leider gleich weggeschickt.“

 

Sakuma fehlten die Worte zu dieser unverschämten Aussage. Jedes einzelne Mal, wenn er mit Fudou zusammentraf musste dieser ihm seine Unfähigkeit und seine Schwächen vorhalten. Weil er allerdings vor langer Zeit ein Versprechen gegeben hatte, hielt er nie etwas dagegen und versuchte damit, seinem Kontrahenten die Luft aus den Segeln zu nehmen. Nur schien das nicht immer zu funktionieren. Dass ein Assistent gesucht wurde, wusste Sakuma, aber er kannte mindestens hundert andere Menschen, die er Kidou für diesen Posten wünschte. Wobei er unweigerlich zugeben musste, dass Fudou kein schlechter Spieler war und bestimmt ein Gewinn für das Fußballteam. Sein Manko war dessen Persönlichkeit.

 

„Fudou ...“, begann er, diesmal mit einer Zielstrebigkeit, die er von sich im Hinblick auf Fudou garnicht kannte, „Frag doch nochmal. Nett und höflich.“

 

Sakuma hatte es schlichtweg satt. Er hatte keine Lust mehr, seinem Gegenüber als Spielball zu dienen und er wusste um Fudous Schwächen, nur war er so erwachsen und hielt sie ihm nicht bei jeder sich bietenden Gelegenheit vor.

Erstaunt hob Fudou die Augenbrauen. Nett und höflich zu sein waren zwei Dinge, mit denen Fudou nicht umgehen konnte. Einen Moment herrschte Stille zwischen den beiden, dann legte Fodou den Kopf in den Nacken und seufzte laut.

 

„Schön ... ich interessiere mich für den Platz als Assistenztrainer und möchte wissen, wie lange du den Job nicht machen wirst.“

 

/Das war nur höflich, aber ... ja .../

 

„Wieso willst du ausgerechnet hier arbeiten? Wo arbeitest du im Moment?“, entgegnete Sakuma leicht entnervt.

„Oh, ich arbeite in Kyoto an einer Sportschule. Warum hier? Schöne Jugenderinnerungen vielleicht?“

„Ich weiß nicht genau, wie lange, zwei Jahre bestimmt noch ... Aber Fudou-“

„Na, und dann gibt es auch etwas, das ich gerne erledigen möchte und das kann ich am besten  hier, aber das ist ein Geheimnis.“, erwiderte Fudou augenzwinkernd und legte Sakuma während dem Aufstehen eine Hand auf die Schulter, „Danke für die Auskunft, dann werde ich mich mal nach unten begeben ... vielleicht sind wir dann schon bald Kollegen, das wäre doch ein Spaß.“

 

Ohne auf eine Antwort zu warten verlies Fudou das Lehrerzimmer und zurück blieb ein kochender Sakuma. Spaß? Wohl kaum, zumindest nicht für ihn. Und so nahm er sich vor, gleich nach dem Training mit Kidou zu reden. Sakuma war nach dem Gespräch so genervt, dass er sich nicht mehr auf seine Arbeit konzentrieren konnte und beschloss, die Sachen mit nach Hause zu nehmen. Er packte alles zusammen und ging hinunter zum Sportplatz, wo die Spieler bereits am Wegräumen waren. Seinen Freund konnte er nirgends sehen. Erst, als alles verstaut war und die Spieler sich mit ihren Taschen auf den Weg zum Ausgang machten kam Kidou aus der Umkleidekabine. Er winkte seinen Schülern und Sakuma ging auf ihn zu.

 

„Kidou!“

 

Überrascht drehte sich der Angesprochene um.

 

„Sakuma. Du bist schon fertig?“

„Ja ... also nein, noch nicht ganz aber ich kann mich gerade überhaupt nicht konzentrieren.“

 

Besorgt musterte Kidou sein Gegenüber.

 

„Ist Fudou bei dir gewesen? Tut mir leid, ich hätte wissen müssen, dass du seine nächste Anlaufstelle bist.“

„Ja, er war bei mir. Kidou ... ich weiß, dass ich da kein Mitspracherecht habe, aber ich möchte Fudou nicht an dieser Schule. Du weißt, wie er ist und du weißt, wie ich ... Ich komme nicht mit ihm zurecht.“

„Sakuma, lass uns nach Hause gehen, wir können das dort auch besprechen.“, sagte Kidou und holte seine Autoschlüssel hervor.

 

Auf der Heimfahrt sprachen sie nicht besonders viel.

 

 

Als die Tür ins Schloss fiel, baute Sakuma sich vor Kidou auf.

 

„Ich möchte ihn nicht an dieser Schule. Und schon garnicht in deiner Nähe, er wird dich sabotieren, so wie er Genda, das Team und mich sabotiert hat.“

„Ich lasse mich nicht sabotieren und ich bin mir noch garnicht sicher, ob er den Platz überhaupt bekommt. Beruhig dich bitte.“

„Aber ich kann mich nicht beruhigen! Allein der Gedanke an ihn genügt und mir wird schlecht.“, sagte Sakuma und richtete den Blick an die Wand, während er geistesabwesend seine Schulter berührte.

 

Kidou ging auf seinen Freund zu und zog ihn mit sich ins Wohnzimmer, dort drückte er ihn auf das Sofa. Er setzte sich neben ihn und nahm seine Hand.

 

„Ich weiß, was passiert ist, ich weiß, was er getan hat und ich weiß auch um seinen Charakter. Glaub mir, ich möchte auch nicht unbedingt mit ihm arbeiten. Allerdings muss ich zugeben, dass er ein guter Stratege und Beobachter ist, dass er viel Erfahrung mitbringt und ich weiß auch, dass er sich bis zu einem gewissen Punkt von mir im Zaum halten lässt. Zudem ist die Anzahl der Bewerber überschaubar und ich brauche jemanden, der dir in Können und Erfahrung ebenbürtig ist, sonst kommen wir nicht voran-“

„Aber Fudou ist mir nicht ebenbürtig! Er ist ...“

/Er ist besser als ich, in allem./

 

Sakuma stand auf und ging zwei Schritte nach vorne.

 

„Hör auf, dich deshalb fertig zu machen. Ich kenne euch beide, du bist nicht schlechter als er, ihr seid nur verschieden. Du kannst doch auch mich nicht mit ihm vergleichen.“

„Doch, das kann ich. Ihr seid nicht gleichauf, aber er ist dir ziemlich nahe. Näher als ich es je sein werde.“, sagt Sakuma leise.

 

Kidou griff sich mit der Hand ins Gesicht und rieb sich die Stirn.

 

„Warum machst du das immer? Wieso kannst du dich nicht einfach so akzeptieren, wie du bist? Ich hatte gehofft, das Thema haben wir hinter uns. Mir ist es nicht wichtig, dass du perfekt bist, das ist niemand, das bin auch ich nicht. Und – nein lass mich ausreden! Menschen sind unterschiedlich, du bist wie du bist und ich möchte nicht, dass du dich wegen jeder Kleinigkeit so fertig machst. Und auch, wenn du es mir nicht glaubst, es gibt Dinge in denen ich nicht gut bin und ich versinke deshalb nicht in Selbstzweifel.“

 

Kidou gingen die Argumente aus, sooft hatten sie diese Diskussionen nun schon geführt, nur wurde es mit den Jahren schlimmer und er wusste mittlerweile nicht mehr, wie er damit umgehen sollte, vor allem da seine Gegenargumente nicht mehr den gewünschten Effekt hatten.

Ohne darauf zu antworten ging Sakuma in die Küche. Meistens beendete er solche Gespräche auf diese Weise, doch Kidou wollte ihn diesmal nicht einfach gehen lassen, daher ging er seinem Freund nach.

 

„Lauf nicht weg, wenn wir über dich reden. Was muss ich tun, damit du wieder so wirst, wie damals, als wir uns kennengelernt haben? Ein wenig zu ehrgeizig, aber im Rahmen. Nicht so selbstzerstörerisch wie jetzt.“

„Ich bin nicht selbstzerstörerisch!“

„Wie würdest du das sonst bezeichnen?“, fragte Kidou.

„Ehrgeizig. Und es ist meine Sache, du hast damit nichts zu tun.“

„Doch, weil du dich an mir misst. Ich bin der Auslöser dafür, siehst du das nicht?“

 

Sakuma stand da und starrte Kidou an, einen seltsamen Glanz in den Augen, dann wandte er sich von ihm ab und drehte ihm den Rücken zu. Kidou nahm diese Gelegenheit an und stellte sich hinter ihn, die Hände an seinen Hüften.

 

„Ich will dir helfen, aber du gibst mir keine Möglichkeit dafür. Ich möchte wirklich nicht mit dir streiten. Hör zu, dein Perfektionismus hat auch Schattenseiten. Zum einen finde ich es toll, wie du dich bemühst und dich immer überall reinhängst, dein Bestes gibst und nicht aufgibst, weil du weiterkommen möchtest. Auf der anderen Seite kann ich nicht mit ansehen, wie du dich fertig machst, weil du deine Grenzen nicht akzeptieren willst und einem Ideal nachjagst, dass du nicht schnell genug erreichen kannst. Am Schlimmsten finde ich, dass ich dieses Ideal bin ... Willst du wirklich so sein wie ich? Meinst du, ich bin immer zufrieden mit mir? Meinst du, es ist leicht immer jedermanns Erwartungen zu erfüllen und dabei mit sich selbst zufrieden zu sein?“

„Hm ... So wie du es beschrieben hast sehe ich mich nicht...“, antwortete Sakuma nach einer kurzen Pause.

„Weil ich dich innen und außen beobachte... Wir kennen uns schon so lange. Genda würde dir das Gleiche sagen, nur eben durch die Blume.“

„Kidou ...“

 

Seufzend zog er seinen Freund an sich.

 

„Und mach dir auch wegen Fudou nicht so viele Gedanken, er ist einfach gehässig und das wird sich nicht ändern. Und wer letztendlich eingestellt wird entscheide ich schließlich mit.“

 

Kidou hatte Sakuma Stoff zum nachdenken gegeben. Sah er tatsächlich Kidou als sein Ideal? Das konnte er nicht leugnen, er hatte ihm oft nachgeeifert, doch meistens war er mit dem Ergebnis zufrieden gewesen. Wann war er nur so unzufrieden mit sich selbst geworden? Wo war überhaupt die Grenze zwischen Ehrgeiz und Perfektionismus, und ab wann wurde Perfektionismus zu einer schlechten Eigenschaft?

 

„Ich glaube, mir platzt gleich der Kopf... Ich hab Kopfschmerzen.“, flüsterte Sakuma nach einer Weile.

„Das ist gut, dann denkst du wenigstens über das, was ich gesagt habe nach.“, erwiderte Kidou.

 

Sakuma entwand sich Kidous Griff und schaute ihn an, sah in das rot-braune seiner Augen und fragte sich, wie Kidou wirklich über ihn dachte. Sollte er etwa Fudou auch als Herausforderung sehen? Er sah Fudou eher als eine Verschwendung von Protoplasma...

 

„Ich ... ich versuche es.“, sagte er schließlich.

 

Kidou ging auf Sakuma zu und umarmte ihn. Als er ihn wieder losließ fragte er: „Wie wäre es, wenn wir raus gehen? Laufen oder wir schauen bei Raimon vorbei?“

„Laufen klingt gut – gut um sich abzureagieren...“

 

Lächelnd legte Kidou seinem Freund den Arm um die Taille.

 

„Na dann los, gehen wir uns umziehen.“

 

 

*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*

 

Danke fürs Lesen ... ist irgendwie etwas emotionaler geworden, als ich geplant hatte ^^“ Vielleicht ein wenig zu kurz, aber ich hab alles untergebracht ~

 

Aber wer ehrgeizig/perfektionistisch ist weiß glaub ich sehr gut, wie Sakuma sich fühlt und ich hoffe, dass ich das einigermaßen gut rübergebracht habe.
 

 

Lg

Mju



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