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Der Festplan

Weihnachten bei Familie Kaiba
von

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27. Dezember

Joey wurde von einem lauten Piepsen, dass definitiv nicht zu einem Wecker gehörte, geweckt.

Noch im Halbschlaf drehte er sich auf die andere Seite, öffnete dann erst die Augen.

Mokuba neben ihm schien sich vom dem unnachgiebigen Geräusch nicht stören zu lassen. Der Zwerg schnarchte seelenruhig weiter, seinen alten Kuschelhasen in den Armen haltend.

Der Blonde begann zu lächeln, wollte noch einmal die Augen schließen. Allerdings ließ das dieses nervige Piepsen nicht zu. Es war so laut, dröhnend, nervtötend. Fast wie eine Alarmanlage oder ein Rauchmelder ... EIN RAUCHMELDER!

Wie vom Blitz getroffen schoss der Braunäugige hoch, stupste Mokuba schnell, aber trotzdem sachte an und hechtete dann aus dem Bett. Anschließend sah er zu, dass er ins Erdgeschoss kam um die Ursache ausmachen zu können.

Und was er schließlich zu Gesicht bekam, brachte ihn lauthals zum Lachen.

Seto stand vor dem Herd, schien gleichzeitig etwas aus dem Kühlschrank holen zu wollen und auf der Theke etwas zuzubereiten wollen. Sofort kam dem Blonden der Gedanke, dass der Brünette wohl noch nie etwas gekocht hatte - außer Kaffee natürlich.

»Was wird das wenns fertig ist?«, fragte Joey einfach in den Raum hinein, versuchte dabei schroff und verärgert zu klingen.

Allerdings verhinderte dies das Lachen, was ihm noch immer in der Kehle hing.

Erschrocken und ertappt drehte sich der Blauäugige vom Herd weg und sah seinem Freund direkt in die Augen. Nun schien auch ihm das laute Piepen aufzufallen, denn im nächsten Moment kletterte er bereits auf die Küchentheke und fummelte am Rauchmelder herum. Der 16-Jährige öffnete währenddessen das Fenster und die Terrassentür.

Nachdem der ganze Qualm abgezogen war und Seto seine schwarzen Klumpen in den Mülleimer entsorgt hatte, wurde es wieder unerträglich still im Raum.

»Es tut mir Leid!«

Nun war es an Joey sich erschrocken umzudrehen. Er glaubte sich verhört zu haben. Wann hatte sich Seto Kaiba denn schon mal entschuldigt?

Der Blonde straffte die Schultern. Nun war es an der Zeit eine Entscheidung zu treffen, wie es mit Seto und ihm weitergehen sollte. Entschlossen dies jetzt zu tun drehte er sich schließlich wieder um, blickte direkt in des CEO's blaue Augen. Jetzt gab es kein Zurück mehr!

»Du bist ein Mistkerl und ich hoffe das weißt du auch! Und eine Entschuldigung macht nicht immer alles wieder Gut, nur weil du denkst es aus deinem Mund zu hören ändert das!«, fauchte der Blonde und ballte die Hände zu Fäusten. »Und eins noch: Wenn du mir Silvester auch versaust, wird es kein Fest mehr geben, dass du durch deine Art und Weise zerstören kannst, denn dann bin ich wirklich nicht mehr da!«

Seto nickte und in seinen eiskalten Augen zeichnete sich tatsächlich mal eine Emotion ab.

Panik.

Angst.

Panik, Joey könnte seine Drohung ernst machen und einfach von heute auf morgen verschwinden. Und Angst, dass er den blonden Köter nicht glücklich machen konnte. Verdient hatte der es für seine Gutmütigkeit und dieses große Herz, dass er für jeden öffnete, nämlich.

Und Seto wollte dort nicht rausgeworfen werden, denn dann würde die Kälte ihn wieder einnehmen.

»Wir sollten etwas zu essen machen, Moki wird bestimmt gleich runterkommen!«, sagte der Blonde, bevor der CEO etwas erwidern konnte.

Widerwillig schluckte er seine Worte hinunter und nickte erneut.

Joey beließ es ebenfalls dabei, drehte sich zum Kühlschrank um und holte ein paar Eier heraus, damit er seinen Jungs ein kleines Frühstück zubereiten konnte.

Der CEO fühlte sich überflüssig und unnütze. Er würde gerne helfen, wusste aber nicht so richtig wie. Immerhin hatte er das letzte Mal in der Küche geholfen, als er noch ganz klein war und seine Eltern noch gelebt hatten.

Da hatte seine Mum jeden Abend für die ganze Familie gekocht und Seto und Mokuba mussten ihr helfen. Ihr erfreutes Lächeln, wenn ihre Söhne die Kartoffeln geschält hatten oder Gemüse geschnippelt hatten würde er niemals vergessen. Auch dann nicht, wenn jede seiner positiven Erinnerungen von Gozaburos alter Fratze überschattet wurde.

Die kastanienbraunen Augen, die schmalen Lippen und die kleinen Grübchen seiner Mutter würde er niemals vergessen. Auch nicht ihre starke Umarmung oder ihre sanfte Stimme, wenn sie Mokuba und ihm Gute-Nacht Geschichten vorgelesen hatte.

Setos Herz fühlte sich mit einem Mal total schwer an und er ging rückwärts aus der Küche heraus. Er wollte sich nicht wieder zurückziehen und sein Herz verschließen. Aber im Moment konnte er nicht anders. Die Luft in der Küche wurde mit einem Mal so dünn und stickig und Seto bekam das Gefühl als könne er nicht mehr atmen. Raus - er musste sofort hier raus!

Der Brünette verließ die Küche ohne ein Wort zu sagen und stürmte die Treppe hinauf in sein Arbeitszimmer. Er musste in das einzige Zimmer in diesem Haus, in dem er alleine sein konnte, in dem er nur für sich selbst sein konnte. Dort konnte er die Tür abschließen und so tun als würde er das Klopfen und rufen nicht hören.

Mokuba stand im Flur und blickte seinen großen Bruder verwirrt an. Seto stürmte an ihm vorbei als wäre der Teufel selbst hinter ihm her und dann hörte der Schwarzhaarige nur noch eine Tür zuknallen.

Unten hörte er jemanden fluchen und dem schwarzhaarigen blieb einen Moment das Herz stehen. Irgendetwas knallte im Erdgeschoss und Mokuba befürchtete das es die Haustür gewesen war.

Wie ein Blitz flitzte er im Schlafanzug ins Erdgeschoss und suchte alle Räume nach Joey ab. Die Angst, der Blonde könnte sie beide alleine lassen, wuchs von Sekunde zu Sekunde.

Zwar hatte sein Bruder es verdient wieder alleine zu sein, vor allem, weil er Joey behandelte wie ein Stück Dreck, aber Mokuba hatte auch Angst das dann niemals wieder jemand an Setos Seite sein würde. Wenn sein Bruder sich wieder verschloss, hatte vielleicht niemand mehr die Geduld ihn dazu zu bringen sich zu öffnen. Joey konnte man schon als absolute Ausnahme bezeichnen.

Der Schwarzhaarige Knirps konnte bis heute nicht verstehen wie man bei so einem Eisklotz wie Seto einer ist, solange die Geduld behalten konnte.

Der Schwarzhaarige war erleichtert den Blonden Freund seines Bruders in der Küche vorzufinden, wo er Rührei machte und warmen Kakao für Mokuba zauberte.

»Oh«, sagte Joey, als er den Schwarzhaarigen entdeckte, »guten Morgen Kleiner! Das Essen ist gleich fertig - weißt du wo dein großer Bruder hingegangen ist?«

Der ruhige, liebevolle Ton in Joeys Stimme verwirrte Mokuba.

Wenn er nicht der Grund dafür war, dass Seto durch die Villa rannte wie ein Berserker, was dann?

»Er ist in sein Arbeitszimmer verschwunden, gerade eben - ist alles okay zwischen euch?«

Mokuba sah wie Joey die Hände um die Teller verkrampfte und den Kopf senkte, damit der kleine Kaiba Spross seinen gekränkten Blick nicht sehen konnte.

»Ich hätte es wissen müssen«, hörte der Schwarzhaarige den Blonden beinahe verzweifelt flüstern.

Dann drehte er den Kopf, blickte Mokuba direkt in die Augen und grinste breit übers ganze Gesicht.

Nur leider kannte der kleine Zottelkopf ihn gut genug, um zu wissen das es nicht dieses ansteckende, echte Joey-Lächeln war, was er ihm gerade schenkte. Es war bloß eine Kopie, ein billiges Imitat. Ein unwissender würde denken, dass er wirklich lächelte, aber alle die ihn besser kannten, wussten wie dieses Lächeln eigentlich aussehen sollte.

Mokuba wollte etwas sagen, aber wusste nicht genau was. Sie würden ihn eh nicht für voll nehmen, weil sie der Meinung sind er wäre noch zu jung um das zu verstehen. Dabei verstand Mokuba schon mehr, als man ihm zutraute.

»Nimm dir schon mal etwas Kakao«, sagte Joey im nächsten Augenblick und riss den kleinen Schwarzhaarigen somit aus seinen Gedanken. »Ich komme gleich wieder«

Mokuba nickte und sah Joey dabei zu, wie dieser den Herd ausmachte und anschließend die Küche verließ.

Der Blonde kochte nicht vor Wut wie sonst immer, wenn Seto ihm mal wieder mit irgendetwas vor den Kopf stieß, er war eher enttäuscht. Sie hatten gerade noch darüber gesprochen und jetzt machte Seto wieder dieselben Dinge wie sonst immer.

Joey ging langsam zum Arbeitszimmer, überlegte sich auf dem Weg dorthin genau was er sagen wollte. Aber eigentlich war es egal was er sagte, denn bei einer Diskussion mit Seto konnte man nur die falschen Worte wählen. Egal was Joey sagen würde, es würde Seto auf 180 bringen.

Die hohe, breite Tür aus Kirschholz fand Joey schon einschüchternd, als er die Villa zum ersten Mal betreten hatte. Aber mit jedem Mal wo er verschlossener Tür stand, wurde es nur noch schlimmer.
 

Seto hatte solche schlimmen Kopfschmerzen, dass er seinen Vorrat an Tabletten um eine erhebliche Menge verringerte, während er auf seinem Stuhl saß und nicht versuchte seine Mutter vor seinem inneren Auge zu sehen.

Am schlimmsten war es aber, wenn sich die unschuldigen Bilder seiner Mutter mit denen von seinem Adoptivvater vermischten und am Ende nur noch seine hässliche Fratze übrigblieb.

Der Brünette begann wieder am ganzen Leib zu zittern und konnte sich kaum noch auf dem Stuhl halten, so wenig Kontrolle hatte er über seinen Körper.

Er hörte das Joey vor der Tür stand. Er hörte das klopfen und die leisen Worte, aber er konnte sich nicht bewegen.

Das letzte Mal das er einen solchen Anfall hatte war schon lange her. Seit Joey in die Villa eingezogen war, war heute das erste Mal.

Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück, starrte die Decke an und versuchte seinen Atem unter Kontrolle zu kriegen. Er musste sich beruhigen, wenn er heute noch nach unten gehen wollte.

Und wenn er sich nicht bald regte, dann würde Joey ein für alle Mal verschwinden und nie wieder mit ihm reden. Dann wäre er wieder alleine und könnte sich hier verkriechen. Mokuba würde wieder von einem Kindermädchen behütet werden und er könnte sich wie früher in die Arbeit hineinknien. Joey würde jemand besseren als ihn finden.

Seto verlor den Sinn. Gozaburo hatte ihn auch nach seinem Tod noch so im Griff, dass er Setos Leben von morgens bis abends beeinflusste und kontrollierte. Joeys Gesicht mischte sich in seine Gedanken unter und Seto begann stumm nach Hilfe zu schreien. So schlimm waren diese Anfälle eindeutig noch nie gewesen.
 

Joey klopfte ein zweites und ein drittes Mal, danach legte er die Hand flach auf das dunkle Holz und ließ die Stirn dagegen sinken.

»Warum vertraue ich dir nur immer wieder?«, flüsterte Joey gekränkt. »Warum mache ich mir nur immer wieder Hoffnung?«

Joey konnte dieses Mal die Tränen nicht unterdrücken und ließ ihnen kurz freien Lauf. Er wollte nicht mehr stark sein und alles hinnehmen. Am liebsten würde er die Tür eintreten und ihn anschreien, aber er wusste, dass das nicht funktionieren würde.

»Wir frühstücken unten - jetzt ... Ähm«, Joey unterbrach sich selbst durch ein Schniefen.

»Wenn du fertig bist, komm auch runter ... Okay?«

Der Blonde wartete die Antwort, die eh nicht kommen würde, gar nicht ab und ging einfach wieder runter in die Küche.

Der Anblick Mokubas, der so unschuldig am Tisch saß und ihn aus großen Augen anblickte brach Joey endgültig das Herz.

»Es tut mir leid«, sagte der Blonde leise, holte das Rührei vom Herd und tat ihnen dann beiden auf.

Den Rest ließ er in der Pfanne zurück, für den Fall das Seto später doch noch etwas essen wollte.
 

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Der CEO brauchte beinahe zwei Stunden und noch drei weitere Tabletten, damit er sich wieder unter Leute traute.

Er hatte den Rest seines Anfalls damit verbracht sich gegen Gozaburo zur Wehr zu setzen und sich zu fragen, warum er Joey nicht genug vertraute um ihm davon zu erzählen! Er hätte seinem Freund schon viel früher reinen Wein einschenken sollen, dann wäre ihnen beiden einiges erspart geblieben!

Seine angestaute Wut ließ er an seiner Schreibtischplatte aus, die von ihm zwei heftige Hiebe bekam.

Das Stück Gozaburo was er wohl ewig mit sich herum tagen würde lachte ihn innerlich aus.

Schau, sagte die hässliche Fratze vor Setos innerem Auge, du warst schon damals schwach und du wirst es immer sein!

Schwach, grinsten die dicken Lippen, du hast dir immer solche Sorgen um deinen Bruder gemacht, dass es dir egal war was mit dir selbst passiert!

Einfach zu brechen, kreischte die hämische Stimme in seinem Kopf, es war so einfach die zu kontrollieren und so zu formen wie ich es wollte!

Der CEO schüttelte den Kopf, schloss die Augen und raufte sich die Haare. Doch die Stimme ging nicht weg und so schüttelte er den Kopf noch heftiger.

Er wollte einfach nicht wahrhaben, dass das alles hier gerade nur passierte, weil Joey ihn wegen gestern verlassen wollte.

Seto hatte es verdient, aber Joey war wieder einmal gnädig und gewährte ihm noch eine Chance und was machte er - er vermasselte es ... Mal wieder!

Er musste ihn aufhalten, Joey durfte nicht gehen!

Joey musste bei ihm bleiben!

Etwas zu schnell für seine aktuelle gesundheitliche Verfassung erhob sich Seto von seinem Stuhl und nahm den ihn augenblicklich befallenden Schwindel mit Genugtuung an.

Er stolperte mehr, als das er ging und fühlte sich dabei als hätte er eine Flasche von Gozaburos teurem Whiskey getrunken, ohne dazwischen zu pausieren oder gar Luft zu holen.

Wenn er seinen Körper unter Kontrolle hätte, würde er sich vermutlich selbst auslachen, aber seine Gliedmaßen gehorchten ihm nicht. Taten sie nie, wenn er einen seiner Anfälle hatte.

Seine Beine trugen ihn zu allererst ins Schlafzimmer, aber da war niemand. Es sah auch nicht so aus, als hätte es Joey heute schon einmal betreten!

Wäre er kein Kaiba hätte er vermutlich erleichtert aufgeseufzt, aber ein Kaiba ließ ja für bekanntlich keine menschlichen Emotionen zu - Gozaburos Prinzip, das Seto schon so oft gebrochen hatte, seitdem er Joey kannte. Ob es nun positive oder negative Emotionen waren ist ja erst Mal unrelevant.

Fakt war nur: Joey ließ ihn auch etwas anderes spüren als alles verzehrenden Hass und tiefe Trauer!

Seto hatte ganz schön lange dafür gebraucht, um sich das einzugestehen. Zehn Monate, ein ehrlich gemeintes "Ich liebe dich" und eine Kette hatten dafür nicht gereicht. Er musste dem Blonden und Mokuba erst Weihnachten versauen, um das zu kapieren.

Ein Schub Kopfschmerzen überfiel Seto und zwang ihn in die Knie. Im Moment wünschte er sich, er würde Medikamente produzieren und erforschen, statt Videospiele zu erfinden. In dieser Sekunde hätte er davon wohl am mehr profitiert.

Du zerstörst ihn, sagte wieder diese hämische Stimme in seinem Kopf, zu zerstörst ihn so sehr, dass er selbst nicht mehr weiß ob er mit dir noch glücklich werden kann!

Hör auf, schrie Seto innerlich, du hast keine Ahnung!

Er sah es bildlich vor sich: Der große, dicke, fette Gozaburo hinter seinem Schreibtisch mit den fettigen Haaren und dem monsterartigen, selbstgefälligen Grinsen. Und Seto stand ihm gegenüber, aber es war nicht sein 18-Jähriges starkes Ich, was diesen Kampf ausfocht. Es war der kleine, verunsicherte, verwirrte, gebrochene 12-jährige Seto, der eigentlich für seinen Bruder und sich immer nur das Beste gewollt hatte, nachdem ihre Eltern gestorben waren.

Der CEO rutschte an die Wand und schlug sich beide Hände vors Gesicht.

Die Stimme in seinem Kopf flüsterte immer weiter böse Dinge und er nahm die Hände vom Gesicht und drückte sie sich auf die Ohren. Und umso lauter die Stimme wurde, umso fester presste er seine Hände auf die Ohren.

»Ich hasse dich!«, schrie Seto aus Leibeskräften und in diesem Moment war ihm sehr egal wer zuhörte.

Früher hatte er seine Anfälle immer hinter seiner verschlossenen Tür mit sich selbst ausgefochten, damit Mokuba davon ja nichts mitbekam. Der einzige der davon wusste, war Roland und Seto hatte es ihm auch nur erzählt, damit er die passenden Medikamente holen konnte.

Seto merkte wie ihm feuchte Tränen über die Wangen liefen und er fragte sich augenblicklich wann er das letzte Mal so wirklich richtig aus purer Angst geweint hatte.

Einen passenden Termin konnte er nicht nennen, dafür war das letzte Mal schon entschieden zu lange her.
 

Joey und Mokuba hörten das dumpfe Geschrei von oben, ohne zu verstehen was Seto da von sich gab.

»Bestimmt telefoniert er wieder mit einem von seinen Geschäftspartnern«, sagte Mokuba beiläufig und schob sich anschließend eine volle Gabel Rührei in den Mund.

Joey nickte skeptisch, war aber trotzdem verwundert.

Seit wann telefonierte Seto denn im Flur und dann auch noch in dieser Lautstärke?

Der Blonde hatte das Gefühl das irgendetwas nicht stimmte. Und obwohl er sauer auf seinen Freund war, wollte er nachschauen ob etwas passiert war.

Daher legte er seine Gabel nieder, entschuldigte sich beim kleinen Kaiba und ging langsam hoch in den 1. Stock.

Während er die breite Treppe empor stieg überlegte er wieder, was er hier eigentlich noch zu suchen hatte. Seto erzählte ihm eh immer nur das Blaue vom Himmel.

Joey hatte nicht mehr das Gefühl, dass sein Freund irgendetwas ernst meinte. Es kam ihm eher vor, als wären es Worte die er nur sagte, weil er sie sagen musste. Dem Blonden wurde klar, dass er schon längst weg gewesen wäre, wenn Seto einige Dinge nicht gesagt hätte und diese erkannte Tatsache brachte ihn dazu anzuhalten und sich zu fragen, ob er weitergehen sollte um Seto aufzusuchen oder um seine Sachen zu packen und Seto Kaiba ein für alle Mal Lebewohl zu sagen.

Auf die Schnelle wollte der 16-jährige das allerdings nicht entscheiden, weswegen er doch wieder umdrehte und zu Mokuba zurückging.

Vielleicht, fragte er sich selbst nachdenklich, vielleicht sollte ich den Knirps fragen, was ich tun sollte.

Denn manchmal schien Mokuba den besseren Durchblick zu besitzen, als er selbst!
 

Seto fixierte die Wand sich gegen über, setzte sich aufrecht hin und versuchte tiefe, gleichmäßige Atemzüge zu tätigen, in der Hoffnung Gozaburo durch den frischen, neuen Wind vertreiben zu können.

Es half tatsächlich, ein wenig.

Die hässliche Fratze vor seinem inneren Auge verschwand, aber die Kopfschmerzen blieben. Und als der CEO aufstand, merkte er auch, dass der Schwindel noch da war.

Allerdings würde ihn das nicht daran hindern jetzt nach unten zu gehen und Joey aufzuhalten.

Sein Hündchen durfte ihn unter keinen Umständen verlassen, damit könnte er nicht leben!
 

Doch als er in der Küche ankam, war weder von seinem Bruder, noch von Joey etwas zu sehen. Das einzige, was darauf hindeutete, dass sie sich mal hier aufgehalten hatten, waren zwei benutzte Teller, die in der Spüle standen und zwei leere Kaffeetassen, in denen mal Kakao drinnen war.

Setos Kehle schnürte sich zu und das Luft holen fiel ihm plötzlich so schwer, dass er sich an der Küchentheke festhalten musste.

Weg ist er, sagte die Stimme in seinem Kopf, vergrault hast du ihn!

»Nein, nein, nein«, flüsterte der gebrochene Teenager und ließ den Kopf sinken.

Wenn die Stimme wirklich recht haben und Joey wirklich verschwunden sein sollte, dann würde er sich nicht mehr gegen Gozaburo wehren. Wenn der Blonde ihn verlassen hatte, musste er wohl oder übel einsehen, dass er genau so enden wird wie sein Adoptivvater!

Kaltherzig, egoistisch und alleine.

Seto wünschte sich, seine Eltern würden noch leben. Dann wäre er nie hier gelandet und nie so geworden.

Dann würde er noch immer in dem kleinen Reihenhaus am Stadtrand leben, seiner Mutter beim Kochen helfen und seinem Bruder bei den Hausausgaben. Er würde nach der Schule vielleicht studieren gehen und in derselben Firma anfangen wie sein Vater. Er hätte ein einfaches Leben geführt und wäre bestimmt verdammt glücklich damit gewesen.

Doch dann fragte er sich, ob er Joey kennengelernt hätte, wenn es so gelaufen wäre? Wären sich der Brünette und der Blonde überhaupt über den Weg gelaufen?

Seto kam zu dem Schluss das es vermutlich dazu gekommen wäre, aber vermutlich hätten sie nicht viel füreinander übriggehabt.

Denn zusammengekommen waren sie nur, weil sie beide dieser sexuellen Anziehungskraft nachgegeben hatten und im Bett gelandet waren. Und Joey war dann einfach geblieben. Was Seto am Anfang gar nicht gepasst hatte, wollte er jetzt nie wieder missen müssen!
 

»Ist alles in Ordnung mit dir?«

Erschrocken drehte sich der Brünette um und starrte Joey durch seine verschleierten Augen verwirrt an. Er gab keinen Laut von sich, starrte seinen Freund nur an, als wäre dieser das achte Weltwunder.

»Hey? Geht’s dir gut? Hast du geweint?«, fragte Joey und legte seinen Zeichenblock auf dem Boden ab.

Das untypische Verhalten seines Freundes gefiel ihm überhaupt nicht. Es machte ihm regelrecht Angst!

»Du bist nicht gegangen?«

Aus dem 18-jährigen kaltherzigen Seto war mit einem Mal wieder der 12-jährige Seto geworden, für den die Welt noch bunt und schön war. Auch aus seiner Stimme konnte er das im Moment nicht verbannen und aus seinen glasigen Augen erst recht nicht.

»Wie du siehst nicht oder sollte ich etwas gehen? Dann bin ich nämlich ganz schnell weg!«

Seto sagte nichts.

Er würde sein Hündchen nicht aufhalten, wenn es gehen wollen würde. Denn der Brünette wusste, dass es ihm hier nicht gut ging und dass er hier nicht glücklich war und er würde ihn nicht daran hindern sein Glück woanders zu suchen.

Der CEO wollte gerne um seinen Freund kämpfen, aber war sich nicht ganz sicher ob er die Kraft dazu hatte!

»Sag mal, hat’s dir in deinem Kabuff da oben die Sprache verschlagen? Hast du deine Zunge verschluckt?«

Der Blonde wusste wie eklig das gerade klang. Seinem Freund ging es offensichtlich schlecht und er rannte als Elefant verkleidet durch den Porzellanladen. Aber er hatte keine Lust mehr auf Nettigkeiten und zu verdenken war es ihm nicht!
 

Er gab dem Brünetten noch ein paar Minuten zum Antworten, doch als dann immer noch nichts kam, seufzte er nur und hob seinen Zeichenblock vom Küchenboden auf.

»Wir hatten das Thema vor ein paar Stunden!«, erinnerte das Hündchen sein Herrchen energisch. »Und ich kann so nicht weitermachen Seto – ich will so nicht weitermachen! Ich will mit dir glücklich sein und du machst es ständig kaputt!«

Joey atmete tief ein und aus.

»Ich will nur dich! Ich brauch keine Villa, kein Geld und keine schicken Autos! Ich möchte nur mit dir und Mokuba irgendwo – von mir aus auch in einer kleinen Holzblockhütte – glücklich und zu Frieden sein! Aber jedes Mal, wenn ich auch nur kleinste Fünkchen Glück fühle, machst du alles kaputt!«, sagte er wütend und hätte seinem Freund am liebsten den Zeichenblock an den Kopf geworfen, in der Hoffnung das er danach mal klarkommen würde.

Aber der Blonde riss sich zusammen, weil er ganz genau wusste, dass Mokuba oben auf der Treppe hockte und lauschte.

Joey konnte sich bildlich vorstellen wie der kleine Kaiba dort oben gegen die Tränen kämpfte und Pläne ausheckte, um Joey hier gewaltsam festzuhalten. Es tat ihm leid, aber für ihn war es einfach an der Zeit zu gehen!
 

Seto sagte zu Joeys Ansprache noch immer nichts und damit war die Sache für Joey erledigt.

Es war wie bei der Oper, wo der Sänger langsam aber stetig zum finalen Ton ansetzte um dann ganz plötzlich zu verstummen.

Der Blonde straffte die Schultern, sah seinem Freund noch einmal in die starren Augen und drehte sich dann einfach um.

Er begann bereits zu weinen, als er noch im Flur stand und schaffte es nach drei Schritten nicht einen Millimeter weiter voran.

Denn er drehte sich wieder um, sah seinen Freund fragend und kopfschüttelnd an.

»Sag mir wenigstens warum? Warum musste das … Warum mussten wir so enden? Wenigstens darauf habe ich eine Antwort verdient oder etwa nicht?«

Als Seto dieses Mal wieder nichts sagte, schleuderte der Blonde ihm tatsächlich seinen Zeichenblock entgegen.

»Sag was du Arschloch! Los, sag was!«

Joey ging bei jeder Beleidigung, bei jeder Aufforderung einen Schritt weiter auf den Mann zu, den er so sehr liebte.

Als er direkt vor dem Brünetten stand, blickte er ihm tief in die eisblauen Augen.

»Hast du mich eigentlich überhaupt geliebt? Oder war das auch alles nur Show?«

Seto fiel der Anhänger um Joeys Hals auf. Er hatte ihm diesen geschenkt, um ihm zu zeigen, dass er ihn liebte und das tat auch. Egal was Gozaburo dazu sagte.

Und deswegen griff er nach der Kette und zog sie Joey über den Kopf.

Denn was man liebt, dass soll man loslassen.

Erst wenn es zu dir zurückkommt, gehört es dir – für immer.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Lexischlumpf183
2019-05-15T19:14:05+00:00 15.05.2019 21:14
Du kannst doch die Story nicht einfach so stehen lassen 😱😱😱 bitte ein "Ende" (wenn es keine Umstände macht, nehm ich ein happy end 😉😄). Würde mich echt freuen wenn du noch ein abschließendes Kapitel schreiben würdest 😁
Von:  Onlyknow3
2018-06-15T16:29:04+00:00 15.06.2018 18:29
JA wie geht es weiter, was passiert noch? Hat Joey sich von Seto getrennt, sind sie zusammen geblieben?
Würde schon gerne wissen wie sich Joey Entschieden hat.

LG
Onlyknow3


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