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Cold wind blows

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Nun, ich kann nicht länger warten - bin zu aufgeregt :>
Als kleinen Vorgeschmack schenke ich euch einfach jetzt schon das erste Kapitel. Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Damit hier endlich mal etwas Schwung in die Kiste kommt ^^ Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Da ich noch Urlaub hab, muss ich das ausnutzen und Kapitel posten :D Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Ach Mensch, so schnell sind drei Wochen Urlaub vorbei :( Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Und weil es so schön ist, geht es schaurig rund weiter :) Komplett anzeigen

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Harrys Triumph

Wir machen hier keine Fehler, wir haben nur glückliche Unfälle.

- Bob Ross
 

 

 

Cold wind blows

 

 

 

 

- Kapitel eins -


 

 
 

Der Kampf war vorbei...

 

Ein langer, kräftezehrender Kampf hatte sich dem Ende geneigt. Die dunkle Seite musste sich dem strahlenden Licht der hellen Seite beugen, sich fügen und akzeptieren, dass all die Ideale – an welche sie glaubten – mit ihrem Führer untergegangen waren. Die Menschen, die für das Gute kämpften, würden jubeln, sobald sie all das realisiert hätten, Tränen der Freude würden gewiss fließen, Blut, das an den Händen und im Gesicht klebte, würde man zu späterer Stunde wegwaschen, sodass dieses Bildnis nur noch eine trübe Erinnerung wäre, die zu gegebener Zeit verblassen würde. Ja, sofern die seelischen Narben verheilt waren...
 

Aber wie schnell verheilten Narben? Das wusste Hermine nicht. Ihre Welt hatte plötzlich aufgehört sich zu drehen. Ihre trockenen Lippen waren von Staub und Blut übersät, das ihr abschließend in den Mund floss und einen bitteren Beigeschmack hinterließ. Unbewusst fuhren ihre zitternden Hände zu ihren Wangen, worüber sie behutsam tupfte, ehe sie erschöpft auf die Knie sank – hinab in den Staub. Die einzelnen Finger hatten den Fall zu Boden gestoppt, bevor die Fingerkuppen unter der Erde verschwanden und heftig zu kratzen begannen. Es störte sie dahingehend nicht im Geringsten, dass ihre Nägel schmutzig geworden waren, da das, was sich vor ihren Augen abgespielt hatte, bedeutend schlimmer war. Ebenso die frischen Wunden, denen sie nur geringfügig Aufmerksamkeit geschenkt hatte.

 

Derweil war es ihr gelungen, ihren Kopf zu heben. Ihre bernsteinfarbenen Augen – die zuvor auf ihren Zauberstab gerichtet waren – suchten den staubigen Boden ab, bis sie dort ankamen, wohin Hermines Blick eigentlich wollte. Zu Harry. Zu ihrem besten Freund. Währenddessen rasten ihre Gedanken. Alles, was gerade geschehen war, resümierte die junge Gryffindor.

 

Vor wenigen Momenten stand sie noch auf beiden Füßen und richtete ihren Zauberstab zielsicher auf den Zauberer, der drohte, die gesamte Welt beherrschen zu wollen. Allerdings hatte sie gar nicht eingreifen müssen. Lord Voldemort – der gefürchtetste, schwarzmagische Zauberer nach Grindelwald – war ohne Hermines Zutun zu Boden gestürzt; herbeigeführt von Harrys ausgeführtem Expelliarmus, dessen Macht so kraftvoll war, dass dieser sich mit Voldemorts Fluch verband, ehedem der rote Funkenstrahl den grünen zurückdrängte – immer näher zu Voldemort.

 

Wie lange dieses Duell dauerte, konnte Hermine ebenfalls nicht bestimmen, doch hatte es sich angefühlt, als würde sie seit Ewigkeiten dort stehen. Dennoch war es Harry schlussendlich geglückt, mithilfe seines Zaubers den Todesfluch zurückzudrängen, der sich daraufhin um die leere Hülle des dunklen Lords legte – seinen Körper wahrhaftig verschlang und seines eigenen Lebens beraubt wurde, woraufhin dieser seitlich in den Staub kippte.
 

Voldemort war tot...
 

Dahingerafft durch seinen eigenen Fluch, den er vorher auf Harry abgefeuert hatte. Fies grinsend hatte der einst böseste Zauberer es in Kauf genommen, Harry dorthin zu schicken, wo nun seine geschundene Seele hin gewandert war.

 

Zur selben Zeit war auch Hermine – aufgrund des Drucks, den beide Zaubersprüche ausgelöst hatten – zu Boden gefallen, aber sie konnte ihren Kopf schon wieder anheben und zu dem Jungen sehen, der sie erlöste, die Menschheit aus der Dunkelheit zurück ins Licht führte. Hermine sah zu dem Jungen, dem sie alle zu Dank verpflichtet waren, weil er diese Bürde – Voldemort zu vernichten – selbstlos auf sich nahm und sich der Herausforderung gestellt hatte.

 

Ja, etwas abseits von ihr stand Harry. Ihr Harry. Ihr bester Freund – genauso erschöpft und entkräftet wie Hermine. Zaghaft schlich sich ein Lächeln auf ihre blutigen Züge, ihre Augen funkelten und sie wollte eine Wärme ausstrahlen, die bis zu dem Gewinner des Duells strömte. Allerdings – und wusste der Teufel, wie das passieren konnte – erlosch der Glanz in Hermines Augen, nachdem sie entsetzt dabei zusehen musste, wie ihr Retter von etwas getroffen wurde, das ihn ebenfalls zu Boden warf. Doch anders als bei ihr, rührte sich Harry nicht. Nein, sein nach vorne kippender Körper hatte nach der Kollision mit der Erde nur eine Menge Staub aufgewirbelt – sonst nichts.

 

„Harry?“, ächzte sie mühevoll und Hermine hoffte, in einer ihrer Albträume gefangen zu sein. In einem Traum, in dem sie nie schreien konnte, wenn sie Hilfe benötigte. Doch die herbeigeeilten Menschen suggerierten der jungen Hexe, dass sie sich in keinem ihrer Träume befand.

 

Aber wieso? Was war passiert? Wie konnte Harry angegriffen werden, obwohl Voldemort besiegt wurde? Starr vor Schreck hafteten ihre Augen immer noch auf Harry, jedoch bemerkte sie im Augenwinkel die Zauberer, die sich auf einen Mann stürzten, ihm den Zauberstab entrissen und zu Boden warfen. Aber dieser Umstand wurde zur Nebensache. Wichtiger war, Harry zu helfen. Hermine musste nach ihm sehen, sich vergewissern, dass er bloß aufgrund massiver Schmerzen am Boden lag, weswegen sie sich aufraffte, ihren Zauberstab umklammerte und zu ihm eilte – vorbei an McNair, der für Harrys Zustand verantwortlich war...

 

Er hatte Harry angegriffen, aber warum? Plötzlich verspürte sie den Drang, diesem Todesser einen Faustschlag zu verpassen, aber sie besann sich. Es gab manchmal Dinge, die wichtiger waren als der Zorn, der in ihrem Fall zwar berechtigt doch im Bezug auf Harry bedeutungslos geworden war.

 

Keuchend hatte sie ihren besten Freund erreicht, neben dem sie schniefend zu Boden sank. Die junge Frau fühlte sich, als wäre sie einen Marathon gelaufen. Es dauerte ewig, bis sie Harry erreichte – so kam es ihr zumindest vor. Achtsam glitten ihre Finger durch seine zerzausten Haare, bevor sie bedächtig sein blutiges Gesicht umschloss und ihn beklommen musterte. Seine Augenlider waren geschlossen, sein Mund halboffen. Am Hinterkopf entdeckte Hermine eine Wunde, nachdem sie ihre Finger zurückgezogen hatte und das daran haftende Blut erspähte – Harrys Blut.

 

Grundgütiger! Ihre Hände waren mit Harrys Blut verschmiert, das im Anschluss zu Boden tropfte.

 

Nein, das... das durfte nicht wahr sein.

 

„Harry! Harry, wach auf“, flüsterte Hermine energisch, während ihr Daumen sanft über seine Wange strich. Doch je mehr sie über seine Haut fuhr, desto mehr verteilte sie das Blut darauf und ihr wurde klar, dass... dass Harry nicht aufwachen würde.

 

Schließlich reagierte er nicht – auf gar nichts. Weder seine Lider, noch seine Extremitäten deuteten an, dass Harry in naher Zukunft die Augen öffnete. Von der nackten Panik ergriffen, zerrte sie an seiner Kleidung. Sie legte seinen Hals frei, um ihre dortige Suche nach seinem Puls fortzusetzen. Gleichzeitig beugte sie sich mit ihrem Ohr über seinen Mund und wartete... Sie geduldete sich, was belohnt wurde, denn sowohl sein Puls, als auch seine Atmung setzten ein, woraufhin sie entlastet ausatmete und in sein Gesicht zurück sah.

 

Er lebte und sie spürte, wie sich auch ihr Herz beruhigte.
 

Aber trotz allem drehte sie nach wenigen Augenblicken ihren Kopf herum, um zu den Stimmen zu sehen, die dumpf zu ihr drangen. Überall standen Leute, aber niemand fühlte sich dazu verpflichtet, irgendetwas zu unternehmen. Stattdessen wurde sie angestarrt, als McNair verschwunden war. Sie stierten Hermine an, als... als ob sie Wurzeln geschlagen hätten und sich nicht mehr bewegen konnten. Aufgrund dessen breitete sich auch in Hermine Verzweiflung aus, die sie unverzüglich im Keim ersticken sollte, da sie für Harry stark sein musste. Ja, sie musste. Schluchzend streifte sie ihren von Staub bedeckten Umhang von ihren Schultern, welchen sie vorsichtig unter Harrys Kopf bettete. Zum vorerst letzten Mal blickte sie auf ihren Freund und sie musste sich zwingen, ihn alleine zurückzulassen. Harrys Schicksal war ihr Antrieb, die treibe Kraft die Hermine half, sich zu erheben und zum Portal zu laufen.

 

Oh ja, im Schloss würde sie Hilfe finden.

 

Ob sie nun auch auf Ron und Ginny traf? Die Beiden hatte sie in all dem Desaster aus den Augen verloren. Doch kaum setzte sie einen Fuß ins Schloss, wurden ihr die Ausmaße der grenzenlosen Zerstörung vor Augen geführt. Neben dem Gedanken, dass Harry schnellstmöglich versorgt werden musste, breitete sich zusätzliche Angst in ihr aus. Je mehr sie in das Innere des Schlosses eindrang, umso größer war auch die Gefahr, dass sie die Opfer sah. Die, die im Krieg gefallen waren...

 

Immer schneller lief sie dem großen hölzernen Eichenportal entgegen, das die Eingangshalle von der großen Halle trennte. Unzählige Korridore, zahllose Portraits die ihr hinterher riefen hatte die Gryffindor-Schülerin hinter sich gelassen. Bei Merlins Unterhose, was war sie glücklich, als sie das riesige Tor erblickte, das aus den jeweils angebrachten Scharnieren gerissen worden war und Hermine Einblicke gewährte, vor denen sie sich fürchtete. So sehr sie der Gedanke beflügelte, Hilfe finden zu können, so sehr umnachtete sie wieder die Angst, die ihren Gang automatisch verlangsamte.
 

Vor ihr lag die große Halle. So viele Erinnerungen fluteten Hermines Kopf, aber sie durfte sich davon nicht aufhalten lassen. Es war so leicht, sich dies einzureden, doch die Realität sah oftmals anders aus, denn vor ihr erstreckte sich ein Bild des Grauens. Überall waren Menschen zu sehen – weinende, schreiende, stöhnende, keuchende Menschen. Sie alle ersuchten Hilfe, während Hermine den mutigen Schritt nach vorne wagte. Schweißgebadet durchquerte sie die Halle, sie umrundete die vielen Tragen, auf denen die Verwundeten und womöglich die vielen Opfer des Krieges lagen.

 

Was aber wirklich schlimm war, war die Erkenntnis, nicht allen helfen zu können. So viele Menschen fand Hermine vor. Sie alle hatten an Harrys Seite gekämpft, um die Welt ein bisschen besser zu machen und doch wurden viele von ihnen gestraft, indem sie ihr Leben verloren und trauernde Angehörige zurücklassen mussten.

 

Es tat weh, die Leidtragenden zu sehen, doch wurde ihr Schmerz noch weiter getrieben, als sie abrupt inne hielt und zu zwei Pritschen sah... Sie waren belegt und die Gesichter waren ihr nicht fremd.

 

Sich allerdings zu ihnen zu setzen, dazu fehlte ihr schlichtweg die Kraft. Vor ihr lagen – offensichtlich tot – Lupin und Tonks, deren Hände ineinander verschlungen waren. Ihre kalkweißen Gesichter ließen auf keinen glücklichen Ausgang schließen. Im Gegenteil. Indessen stiegen in Hermine heiße Tränen auf, die ungehindert über ihre Wangen liefen. Ihr war übel geworden und sie lief Gefahr, sich zu übergeben, aber diese Blöße durfte sie sich nicht geben. Nein, sie musste stark sein – für Harry und all diejenigen, die diesen sinnwidrigen Krieg überlebt hatten. Genauso stark musste sie für Lupin und auch Tonks sein, weswegen sie einige Schritte nach hinten trat und ihre Hand fest auf ihren offenen Mund presste. Dennoch sah sie zu Lupin – der Lehrer, den sie immer wollte. Der Lehrer, der auf wundersame Weise Dinge erklären konnte, so dass jeder sie verstehen konnte. Lupin hatte diese Gabe, Schüler in den Bann zu ziehen und doch war er – trotz dass Harry, Ron und sie von seinem damaligen Unterricht begeistert waren – eine einsame Seele... bis Nymphadora Tonks in sein Leben trat, das sie mit ihrer fröhlichen, quirligen Art bereichert hatte.

 

Und... Und nun? Nun sollte dieses Leben zu Ende sein, das zuletzt mit der Geburt ihres gemeinsamen Sohnes gekrönt worden war? Merlin, das war so unfair.

 

Des Weiteren wanderte ihr Blick neben ihren damaligen Lieblingslehrer und wieder weiteten sich ihre von Tränen durchtränkten Augen. Neben ihm lag ein Junge mit mausgrauen Haaren – Colin Creevey. Um Himmels Willen, Hermine erinnerte sich daran, wie Professor McGonagall den Jungen aus der Halle gescheucht hatte. Hermine sah, wie Colin missmutig den Anweisungen Folge geleistet hatte und nun lag er hier? Aufgebahrt auf einer Trage...

 

Er hatte sich womöglich zurückgeschlichen, was ihn das Leben kostete... Verflucht! Hermine hätte schreien können. Der junge Colin Creevey – ein aufgeweckter, fröhlicher Junge, der stets Harry verfolgt und fotografiert hatte. Nie wieder würde sie über diese Tatsache schmunzeln können und es stimmte Hermine wirklich traurig.

 

Wen hatten sie noch verloren?
 

Ängstlich hob sie ihren Kopf und strich sich eine verklebte Strähne hinter ihr Ohr. Weiter hinten entdeckte sie eine kleine Gruppe, die allesamt ein gemeinsames Merkmal aufwiesen. Sie alle hatten rote Haare, doch stach Arthur Weasley deutlich aus der Masse hervor, der in sich gekehrt etwas abseits stand. Daneben erblickte sie George Weasley, oder war es doch Fred? Himmel, sie konnte die Zwillinge noch nie auseinander halten, aber sie war froh, ihre Gesichter zu sehen. Ebenso glücklich war sie, dass ihr Mechanismus funktionierte – in Form ihrer bewegenden Beine. Jedoch beschlich Hermine, je näher sie der rothaarigen Familie kam, ein ungutes Gefühl. Irgendetwas stimmte nicht und es bewahrheitete sich, als sie eine weinende Molly Weasley sah, die sich über etwas gebeugt hatte. Daneben konnte sie – Merlin sei Dank – Ron und Ginny erkennen, die ihre Mutter umarmten und ebenfalls am Boden kauerten.
 

Schnaubend, weil ihr die Luft zum Atmen genommen wurde, näherte sie sich ihnen. Gleichzeitig zog sie die Aufmerksamkeit auf sich und... es war seltsam, als Arthur Weasley zu ihr herangetreten war und sie in die Arme nahm. Röchelnd hatte er ihr zugeflüstert, wie froh er wäre, sie lebend zu sehen. Ron hingegen hob den Blick, wonach sein Mund aufklappte.

 

Rasch hatte er sich erhoben und war zu seiner besten Freundin geeilt, die er aus den Armen seines Vaters entriss um sie selbst in die Arme zu schließen.

 

„Hermine, dem Himmel sei Dank! Du lebst“, entfuhr es dem sonst wortkargen Weasley-Jungen zwanglos. „Ich... Ich kam fast um vor Sorge“, nuschelte er in ihren Haaransatz, über den seine Hand ununterbrochen strich und Hermine die Möglichkeit bekam das zu erkennen, worüber sich Molly Wealsey die ganze Zeit gebeugt hatte.

 

„Ron, ich... ich wusste nicht, dass -“ Ihr stockte selbst der Atem, als sie einen der Zwillinge ausmachen konnte, der... der verstorben auf der Trage ruhte. Auch dieses Gesicht würde Hermine in ihren folgenden Träumen hinterher jagen, sie verfolgen... Nie mehr würde sie das ansteckende Gelächter beider Weasleys hören. Nie wieder einen Streich der beiden Jungs erleben. Hermine würde keine tobende Molly Weasley mehr erleben, die immerzu versuchte, die fixen, abstrusen Ideen der Zwillinge zu vereiteln. „Ich... Es... Es tut mir so unendlich leid, Ron.“ Folglich legte auch sie ihre Arme um Rons Taille – so wie er es bei ihr tat. Auch Ginny fand den Weg zu den beiden Trauernden, woraufhin Hermine einen ihrer Arme von Ron entfernte, um auch Ginny in ihre Umarmung miteinzubeziehen.

 

Der Tod war so endgültig... Der Tod war grausam, er kam unvorbereitet und Hermine wusste, dass kein Zauber der Welt dies ändern konnte.

 

„Her-Hermine, wo... wo ist... Harry?“, fragte Ginny schwer atmend, nachdem sie sich fasste und mit geröteten Augen zu ihrer Freundin hinauf sah. „Geht... Geht es ihm gut? Ist er -“

 

„Harry ist verletzt!“ Verdammt, ja! Sie war hierher gekommen, um Hilfe zu holen. Aber diese erdrückenden Bilder die sie hier vorfand, trugen dazu bei, ihre Rationalität zu trüben und beinahe hätte sie das Wesentliche aus den Augen verloren, anlässlich des Dramas, dessen Zeugin sie geworden war. Jäh hatte Ginny sich von ihnen losgerissen, bevor sie nach draußen eilte – dicht gefolgt von Arthur und Kingsley Shacklebolt.

 

Und das war Hermines Zeichen. Sie hatte ihren Soll erfüllt, hatte dafür gesorgt, dass man nach draußen lief und Harry half. Sie könnte, aufgrund ihrer schwindenden Kraft, zusammenbrechen. Sie durfte Schwäche offenbaren und die anbahnende Ohnmacht willkommen heißen. Ja, der dunkle Mantel durfte sich über ihren Geist und ihren Körper legen, denn Harry würde man retten können. Das wusste sie, weshalb sie ihrer Erschöpfung gelassen entgegenkam und schlussendlich in Rons Armen zusammenbrach.
 

 

 
 

~*~

 
 

Unablässig zerrte seine Mutter an seinem rechten Arm, den sie fest umschlossen hielt – nicht gewillt, ihren Sohn alleine ziehen zu lassen. Nein, sie war entschlossener denn je, ihren Jungen zu beschützen, ihn von all dem Chaos fortzubringen. Weg von den Schreien, weg von sämtlichen Flüchen, weg von Voldemort. Ihre azurblauen Augen starrten stur geradeaus, ihre Schritten waren hektisch, während sie Draco hinter sich her zog und er ließ es kommentarlos geschehen. Zu konfus war er, bezüglich der Ausmaße und er würde es vermutlich nie zugeben, aber er war fassungslos – wahrlich schockiert. Nie dachte er, dass der dunkle Lord Hogwarts angreifen würde. Zu abwegig war der Gedanke, dass die Magie, die das Schloss umgab, von dunklen Flüchen durchbrochen werden konnte. Hinzu kam, dass er glaubte, der dunkle Lord hätte Respekt gegenüber der Magie, die das Schloss am Leben erhielt, doch nichts dergleichen entsprach der Wahrheit. Der dunkle Lord kannte keine Skrupel und es war ihm gleichgültig, wen er in den sicheren Tod schickte. Für ihn zählte bloß das eigene Überleben, frei nach dem Motto: Jeder war sich selbst der Nächste. Für Lord Voldemort waren Todesser nur dann wertvoll, wenn sie seinen Erwartungen entsprachen. Draco hatte sogar daran geglaubt, dass sich der dunkle Lord vor Dumbledores Geist fürchtete, aber seit dieser – durch Snapes Hand – gestorben war, schien ihm nur noch eine Person im Weg zu stehen, die scheinbar mächtig genug war, sein Vorhaben zu verhindern und das war Harry Potter. Und Harry Potter war auf Hogwarts. Demzufolge war es nur logisch, dass das Schloss angegriffen wurde.

 

Parallel fragte er sich, welche Seite gewinnen würde? Das wusste er nämlich auch nicht. Aber war das – nach all den Ereignissen – noch wichtig? Wäre es nicht wichtiger zu erfahren, wo sein Vater blieb? Wieso hatte er nicht zu Draco und seiner Mutter aufgeschlossen, nachdem sie feige die Flucht ergriffen hatten und die Brücke zum Schloss in die ersehnte Freiheit überquerten? Lucius, so wusste sein Sprössling, wollte nicht mehr kämpfen. Wo also war Lucius abgeblieben? Letztendlich kämpfte er nur für die dunkle Seite, weil es von ihm verlangt wurde. Zuzüglich trieb ihn die Angst dazu. Sein Vater fürchtete sich vor dem Zorn des dunklen Lords, aber man würde eine Flucht seinerseits gar nicht bemerken, oder?

 

Hatte sein Vater dies nicht erkannt und blieb deswegen auf Hogwarts? Der junge Malfoy müsste sich gedulden, um Antworten zu erhalten. Unterdessen hatte er noch einmal über seine Schulter gesehen. Er wusste nicht, wieso er das tat. Schließlich hatte seine Mutter zuvor erwähnt, dass er niemals zurückblicken sollte und doch tat er es.

 

Er drehte seinen Kopf und erkannte sie sofort, unabhängig davon, wie weit sie voneinander entfernt waren. Er würde sie immer erkennen.
 

Granger...
 

Potter, Granger und Weasley hatten ihm und Gregory Goyle im Raum der Wünsche das Leben gerettet, aber Vincent.. Vincent fiel den Flammen zum Opfer und er musste mit ansehen, wie einer seiner langjährigen Freunde im Dämonsfeuer den Tod fand. Ein Ereignis, das ihn vermutlich ewig prägen würde. Oder war das die Strafe, weil er sich für die dunkle Seite entschieden hatte? War er gezwungen, aufgrund seiner Ideologie, dem Tod immer wieder ins Auge blicken zu müssen? Musste er Opfer bringen, um ruhmreich zu sein? Wenn ja, würde er... Ja, er würde gerne darauf verzichten. Vor allem auf die Erinnerung, als die Flammen Vincent erbarmungslos verschlangen und er nur noch seinen quälenden Schrei vernommen hatte. Er glaubte, die Schreie noch immer zu hören, aber das war Einbildung. Ja. Crabbe war das Opfer seiner eigenen Waffe geworden. Sein einstiger Freund hatte, unerfahren und naiv, das Dämonsfeuer heraufbeschworen, ohne zu wissen, wie man die Flammen löschte. Aber Crabbe dachte anscheinend nicht so weit und war sich der Gefahr nicht bewusst – was sein Todesurteil war.
 

„Draco, lauf schneller“, drängte Narzissa nervös. „Wir müssen die Appariergrenze erreichen und von hier verschwinden.“
 

Richtig, sie mussten fliehen, aber er wagte noch einen letzten Blick zurück... Granger duellierte sich mit einer Gestalt, eingehüllt in pechschwarzen Roben. Gott, sie war brillant und Draco war mäßig beeindruckt von dem Schlammblut, aber sie war ja immer in allem die Beste; neben ihm.

 

Fokus, Draco!“, ermahnte ihn seine innere Stimme, die immer lauter wurde und Crabbes' Schreie zusehends aus seinem Gedächtnis verdrängte.

 

Nach einem unendlich erschienenen Fußmarsch erreichten sie endlich die Grenze, hinter der seine Mutter und er disapparieren konnten. Er begann sich zu drehen und konzentrierte sich vollständig auf Malfoy Manor, ehe er verschwand. Nur kurz wirbelte etwas Sand an der Stelle auf, die bezeugte, dass hier jemand vor kurzem disappariert war. Aber es war viel zu kurz, um es überhaupt wahrzunehmen...

 

Unvorteilhafte Begegnungen

- Kapitel zwei -

 
 

Träge öffnete Hermine die Augen, doch bereute sie diesen Schritt, da das grelle Licht sie blendete. Merlin, sie hatte einen schrecklichen Traum gehabt und lieber ertrug sie das Licht, das ihr entgegen strahlte, statt sich weiter mit diesem Traum zu befassen, der so... so real war. Sie träumte davon, wie Voldemort Hogwarts angriff und mehrere Menschen in den Tod trieb. Sie hatte von Harry geträumt, von Lupin und Tonks. Schlimme Bilder hatte sie in ihrer Traumwelt standhalten müssen und sie war froh, die weiße Decke über ihr wahrzunehmen, die...
 

Moment. Nein. Sekunde.
 

Sie lag nicht in ihrem Schlafsaal. An ihrem Bett war kein Baldachin, das von vier Bettpfosten getragen wurde, welche mit schimmernd roten Vorhängen geschmückt waren. Unweigerlich war ihr klar geworden, dass sie nicht auf Hogwarts war, woraufhin ihr Oberkörper erschrocken nach oben schoss. Die Gestalt, die neben ihrem Bett saß und deren Konturen noch verschwommen waren, bemerkte sie anschließend, nachdem sie mehrmals blinzelte und die weibliche Stimme hektisch aufschrie.

 

„Bei Merlin, Hermine. Du bist wach!“
 

„Misses Weasley?“, krächzte sie mitgenommen, bevor sie sich aufrecht hinsetzte und ihre Hand zu ihrem schmerzenden Kopf führte. Ihre Stimme klang furchtbar. Als ob sie tagelang nicht gesprochen hätte. Gleichzeitig versuchte sie, ihre Gliedmaßen zu bewegen, was ihr mehr schlecht als recht gelang.

 

„Nein, nicht. Bleib liegen, Liebes“, wisperte Molly, die sich sofort aus ihrem Stuhl erhob, ihr Strickzeug zur Seite legte und Hermine entschieden in ihre Kissen zurück drückte, als diese Anstalten machte, das Bett zu verlassen. „Du bist sicher müde. Bitte stör dich nicht an meiner Anwesenheit, aber ich habe mir Sorgen um dich gemacht“, gestand sie der jungen Frau, während Molly ihr fürsorglich durch die braunen Locken strich. „Ich... Ich wollte dich unbedingt sehen. Arthur war vor zwei Stunden auch noch hier, aber... er... er muss noch einiges erledigen.“ Dass ihr Mann sich um Freds Beerdigung kümmerte, wollte und konnte die gutherzige Molly in Hermines Gegenwart nicht erwähnen.

 

Gerne hätte sie die Fürsorge angenommen, doch plagten Hermine andere Gedanken. Immer mehr wurde ihr bewusst, dass das, was passiert war, kein Traum gewesen war, was es ihr zusätzlich erschwerte, Mollys Sorge zu würdigen. „Wo ist Harry? Wo sind Ron und Ginny?“ Noch vor Sekunden wollte sie aus dem Bett steigen, doch plötzlich fehlte ihr die nötige Kraft. Ob es daran lag, dass sie die Realität immer mehr akzeptierte? Raubte ihr das schlussendlich die Kraft?

 

„Alles zu seiner Zeit, Hermine. Du solltest dich zuerst -“

 

„Nein!“, entkam es ihr beharrlich. Nein, sie wollte nicht außen vorgelassen werden, sondern über die weiteren Erkenntnisse informiert werden. Alleine Mollys Gesicht sprach Bände und Hermine wollte wissen, was geschehen war. „Bitte Misses Weasley, sagen Sie mir die Wahrheit. Wo sind Ron und Ginny? Was ist mit Harry?“ Sie selbst schien im St. Mungo zu sein.
 

„Hermine.“
 

„Bitte!“ Sie würde sich bestimmt nicht beruhigen oder ausruhen, denn darauf würde es hinauslaufen, wenn sie Molly gewähren ließ. Aber wie sollte sie sich beruhigen, wenn sie wusste, dass etwas mit Harry war? Konnte man ihre Sorgen nicht verstehen? Ihre Ängste? Sicher, Molly wollte sie beschützen, ihr nichts gravierendes zumuten, aber sie musste die Wahrheit wissen. „Was ist passiert?“ Schlagartig kehrte die vorherig verwehrte Kraft zurück. „Misses Weasley, ich höre nicht auf zu fragen“, bekräftigte sie energischer.
 

Molly schluchzte heftig und ihre Stimme versagte. Mit fahrigen Fingern zog sie ein gestreiftes Taschentuch aus ihrer Schürze, in das sie hinein schnäuzte. Aber es nützte nichts. Der seelische Schmerz verschwand nicht, so sehr sie sich auch bemühte. Und Molly Weasley wusste, sie konnte vor der Wahrheit nicht davonlaufen. „Harry, er... er liegt im Koma. Was immer die Heiler damit meinen“, begann die schluchzende Mutter von einst sieben Kindern zu erklären.

 

Hermine war, wenngleich es nicht ihre eigene Mutter war, von soviel Emotionalität gerührt. Diese Frau, die an ihrem Bett Wache hielt, durchlebte das, was man keinem Elternteil wünschte - das eigene Kind zu Grabe tragen. Molly litt Qualen, während sie den Verlust ihres Sohnes verarbeiten musste und doch fand diese starke Frau die Kraft, an Hermines Bett zu sitzen, ihr Trost zu spenden und über sie zu wachen. „Im Koma?“

 

„Ja, das... das sagen die Heiler“, bestätigte sie lamentiert. „Ron und Ginny... sie sind beide... bei ihm“, fuhr sie nahtlos fort und auch ihre Stimme wurde wieder fester, nachdem sie erneut in ihr Taschentuch schnäuzte. „Wir... Wir wechseln immer, weißt du?“, erzählte sie schmunzelnd, als würde ihre Schilderung zu einer lustigen Anekdote gehören. Und tatsächlich schien es Molly zu beruhigen, gelassener zu sprechen. Ihre Atmung wurde ruhiger, je länger sie auf Hermine sah.

 

Das war auch Hermines Anlass, abermals den Versuch zu wagen, aufzustehen und zu Harry zu gehen. Sie musste zu ihm. Sie wollte zu Harry, Ginny und Ron. Zu ihren Freunden, um sich selbst davon zu überzeugen, dass Harry hier war. Auch wollte sie sich vergewissern, dass es Ron und Ginny den Umständen entsprechend gut ging. Schließlich mussten auch sie den Tod ihres Bruders verarbeiten. Hermine wollte bei ihnen sein. Sie könnten sich gegenseitig stützen und füreinander da sein. Allerdings sah Molly das ein wenig anders. Zum wiederholten Mal drückte sie die Gryffindor-Schülerin in ihre Kissen zurück.
 

Fein! Ihr Gehirn schlug ihr Diplomatie vor.
 

„Misses Weasley“, entgegnete Hermine darauf versöhnlicher. „Wie... Wie lange liege ich schon hier?“
 

„Seit drei Tagen“, antwortete Molly, die das Mädchen voller Herzlichkeit betrachtete. Sie legte alle Herzlichkeit die sie hatte in diesen einen Blick, um Hermine verständlich zu machen, dass es okay war, dass sie so lange geschlafen hatte, denn ihr Körper brauchte jene Ruhe, um sich von den vorangegangenen Strapazen zu erholen.

 

„Was? Seit... drei Tagen?“ Was war nur passiert? Indes entdeckte sie einen Tagespropheten auf ihrem Nachttisch. Hastig griff sie nach der Zeitung und wäre es möglich gewesen, so wäre spätestens jetzt ihre Kinnlade ungebremst zu Boden geknallt. In ihren Händen hielt sie die heutige Ausgabe des Tagespropheten - datiert auf den 5.Mai.1998.
 

Sie blickte zurück zu Molly und ihr Herz zersprang in tausend Teile. Vor ihr saß eine gebrochene Frau, eine trauernde Mutter. Fred war im Krieg gestorben. Die Bilder, wie Molly über Fred gebeugt lag bohrten sich an die Oberfläche von Hermines Gedankenwelt. Und doch saß Molly hier bei ihr und sorgte sich ehrlich um Hermine. Abschließend sah sie hinab auf Mollys Hände, die sie fest knetete und es zerrüttete die junge Frau so sehr. Sie konnte Mollys Schmerz fühlen und es war belastend. Auch Hermine war traurig, doch unterschied sich ihre Trauer von der einer Mutter, dessen Kind gestorben war. Dennoch wusste Hermine, dass sie beide litten, woraufhin sie sich auf ihre Bettkante setzte, vorsichtig nach Mollys Hand griff und sanft zudrückte, ehe sie aufstand und die rothaarige Frau an sich drückte. Bedächtig glitten ihre Hände über den Rücken der älteren Frau, die Hermines Geste dankbar annahm. Folglich erzählte sie Hermine alles, was sie wusste – von Fred, von Harrys Zustand und davon, wann man Hermine ins Krankenhaus gebracht hatte.

 

 
 

~*~
 

„Mr. Malfoy?“
 

Draco hatte den Namen des Ministeriumsbeamten vergessen, der vor seinem Schreibtisch Platz genommen hatte. Er selbst war aufgestanden, da er sich der Farce nicht länger als nötig hingeben wollte und war zu dem Fenster gegangen, das von einem bodenlangen Vorhang bedeckt war. Draco hätte ihn zur Seite ziehen können, um das dunkle Zimmer in seinem Glanz erstrahlen zu lassen, aber er sah davon ab. Stattdessen hatte er nach dem Stoff gegriffen, den er zwischen seinen Fingern ausgiebig betrachtete. Ja, das war bedeutend interessanter.

 

„Mr. Malfoy, ich bitte Sie.“

 

Prompt ließ er den teuren Stoff nach unten fallen, ehe er abfällig zu dem Mann zurückblickte. Ob es taktlos war, den Mann sekundenlang warten zu lassen? Absolut, aber Draco störte sich nicht sonderlich daran.
 

„Ahm... Ich weiß es zu schätzen, dass Sie sich die Zeit nehmen, mich zu empfangen.“

 

Gewiss wusste er das. Klar. Aber noch schwieg Draco eisern.

 

„Da Sie nun, aufgrund des frühen Ablebens Ihres Vaters – was ich zutiefst bedauere –, zum alleinigen Erben des gesamten Malfoy-Vermögens geworden sind, muss ich Sie darüber informieren, dass Ihnen sofortiger Zutritt zu Ihren Verliesen gewährt wird“, fuhr der Gesandte des Ministeriums unbeirrt fort. Zugegeben, ihm war Malfoys Arroganz zuwider, doch verstand er die ablehnende Haltung des jungen Mannes.
 

Draco hielt dem Beamten insgeheim zugute, dass er den Lordtitel nicht gebrauchte, der nach Lucius' Tod auf Draco übergegangen war. Aber das waren Kleinigkeiten über die er nicht nachdenken wollte. Diesen dämlich Titel fand er ohnehin sinnlos. Was brachte ihm dieser Titel? Gar nichts. Er verhalf ihm weder zu mehr Reichtum, noch zu mehr Ansehen. Es bewirkte lediglich, wenn überhaupt, dass sein Ego aufpoliert wurde, weil er die niederen Klassen von oben herab mustern und dementsprechend behandeln konnte. Tja, früher fand er diesen Titel toll. Früher... als sein Vater noch gelebt und diese Macht versprüht hatte. Jenes Verhalten hatte er stets an Lucius bewundert. Der kleine, naive, infantile Draco hatte seinen großen, übermächtigen Vater vergöttert und es gefiel ihm, wie die Menschen vor der Autorität seines Vaters zurückgeschreckt waren. Heute zeigte ihm dieses Verhalten jedoch nur, wie schwach sein Vater in Wirklichkeit gewesen war. Die Menschen, so hatte der mittlerweile achtzehnjährige Draco erkannt, waren nur solange nett, solange sie auch einen Nutzen aus Lucius' Verhalten ziehen konnten. Denn in Wirklichkeit war es doch so, dass jeder – hätten sie die Gelegenheit gehabt – nur darauf wartete, im richtigen Moment zuzuschlagen. Sie alle würden ohne mit der Wimper zu zucken einen Fluch abschicken, um an seinen Reichtum zu gelangen – dieses raffgierige, materialistische Volk. Von Angst konnte niemals die Rede sein, da sein Vater ansonsten niemals darauf bedacht gewesen wäre, seine Schätze in den tiefsten Verliesen von Gringotts zu sichern.

 

Ebenso wie von den Gedanken an seinen Vater, war er von diesem Beamten genervt, anlässlich der gespielten Höflichkeit. Diese zerrte erheblich an seinem Nervenkostüm. Auch spürte er die Unsicherheit des Mannes, obwohl Draco, soweit es seine Verfassung zuließ, noch relativ harmlos aussah. Aber jeder kannte Lucius, der – trotz seines rapiden Falles in Voldemorts Hierarchie – bekannt dafür gewesen war, den Feind mit Blicken zu quälen und das schien auch Draco in perfekter Manier zu beherrschen. Oder lag der Ursprung woanders, hinsichtlich der Unsicherheit des Mannes? Erhoffte er sich Spendengelder? Graute es ihn davor, Draco darauf anzusprechen? War er aus diesen genannten Gründen so zuvorkommend und höflich? Offensichtlich. Weshalb sollte der Beamte sonst so förmlich und geduldig sein? Im Anschluss kräuselten sich seine Lippen, als der Beamte weitere Pergamente aufrollte. Er hätte sie diesem Bastard am liebsten um die Ohren geschlagen.

 

„Verzeihen Sie, Sir, aber Sie müssen mir schriftlich bestätigen, dass ich Sie darüber in Kenntnis gesetzt habe“, fügte er peinlich berührt hinzu. Anschließend entnahm er eine weitere Pergamentrolle, die er auf dem Schreibtisch entfaltete und glatt strich. „Hier stimmen Sie zu, das Erbe in voller Höhe von fünfhundert Milliarden Galleonen anzunehmen.“

 

Argwöhnisch besah er sich die Schriftstücke aus der Ferne, ehe er dem Beamten entgegensah, der ihm bereitwillig eine Feder entgegenhielt.

 

„Ich verstehe Ihre Verunsicherung, Sir. Sie sind noch so jung. Verständlich, dass das alles befremdlich wirkt und Sie womöglich aus der Bahn wirft.“
 

Natürlich. Seine Phrasen klangen einstudiert. Leere Floskeln äußerte er – sonst nichts. Auch hätte der Mann die Summe nicht explizit erwähnen müssen, aber fünfhundert Milliarden Galleonen waren eine beträchtliche Summe. Darüber hinaus wusste Draco selbst sehr genau, was er erbte. Lucius war kein Mensch, der etwas unbeendet zurückließ. Sein Vater hatte ihm schon seit frühester Kindheit eingeprägt, was auf ihn zukam, wenn Lucius das Zeitliche segnete. Draco glaubte sich zu erinnern, dass Lucius damit begann, nachdem der dunkle Lord zurückgekommen war... Es war beängstigend, da Lucius so abgeklärt geklungen hatte. Jedes Mal, wenn er davon sprach. Als... Als ob er gewusst hätte, dass er kein alter, weiser Mann werden würde und mittlerweile kamen ihm diese Gespräche vor, als lägen sie schon unendlich viele Jahre zurück.

 

„Mr. Malfoy? Bitte.“

 

Mit Zwang kam er bei Draco nicht sehr weit, aber er musste die Dokumente unterzeichnen, um sein Erbe zu erhalten. Nur anhand seiner Unterschrift würde man erkennen können, dass Draco Malfoy tatsächlich auch Draco Malfoy war. In jüngster Vergangenheit war es oft vorgekommen, dass Zauberer sich mithilfe von Vielsaft-Trank bereichert hatten und um das zu umgehen, verstärkte man den Zauber der Pergamente und der darauf befindlichen Unterschrift, um letzten Endes sicher sein zu können, dass der, der unterschrieb, auch tatsächlich derjenige war.

 

Anschließend steuerte Draco den Schreibtisch an, bevor er die Feder in die linke Hand nahm und zischend unterschrieb. Es war wie ein Biss, nachdem er die Feder zurücklegte und seine Unterschrift betrachtete. In filigraner, fein säuberlicher Schrift schimmerte auf dem Pergament sein Name: Lord Draco Lucius Malfoy. Ferner, nach ungefähr zehn Sekunden, leuchtete sein Name blau auf, um dem Beamten zu signalisieren, dass der rechtmäßige Erbe das Pergament unterzeichnet hatte.
 

„Ausgezeichnet!“, erwiderte der ältere Mann erleichtert. Schon bald würde er dieses finstere Zimmer verlassen können. Ja, er zählte die Minuten. „Glückwunsch, Sie sind nun -“

 

„Sparen Sie sich die Worte. Ich will sie nicht hören“, unterbrach Draco ihn scharf. Wollte dieser Penner etwa witzig sein? Ha, er war es keineswegs.

 

„Mr. Malfoy, es liegt mir fern, Sie in irgendeiner Hinsicht zu -“

 

„Ich denke, Sie gehen jetzt besser.“ Instinktiv hatten sich seine Hände zu Fäusten geballt, während seine Augen dunkler wurden – anlässlich der Beeinflussung der herrschenden Dunkelheit im Zimmer. In seinen Augen tobte ein Sturm aus silbernem Stahl, das im blauen Meer versinken wollte. Ihn kotzten Glückwünsche an. Er wollte und brauchte sie nicht. Noch weniger wollte er Beileidsbekundungen hören. Sie wären sowieso geheuchelt und falsch. Und Mitleid wollte Draco erst recht nicht. Zwar gehörten genau solche Äußerungen dazu, sobald sich ein Beamter im Anwesen eines Erben einfand, aber es war für den jeweiligen Beamten zur Routine geworden. Zumindest erweckte der Mann diesen Eindruck, weil ihm die Worte so leicht über seine Lippen kommen wollten.

 

„Natürlich, Sir. Ich möchte Sie nicht länger als nötig belästigen.“ Er spürte, dass er Grenzen überschritt, weswegen er sich eilig aus seinem Stuhl erhob. Dennoch hielt der Beamte dem Jungen freundlich seine Hand entgegen. Allerdings ignorierte der junge Malfoy ihn und wandte sich ab. Ein Zeichen, dass der ältere von beiden gehen konnte. Mit gesenktem Haupt wollte er das Zimmer verlassen, doch hielt er an der Tür inne und blickte zu Draco zurück. „Der Verlust Ihres Vaters tut mir -“

 

„Raus!“

 

„Gewiss.“ Ein letztes Mal nickte er dem Jungen zu, ehe er die Tür öffnete und dahinter verschwand. Schnaufend lehnte er seinen Rücken gegen das massive Holz und wartete auf die Ankunft der Elfe, die ihn zu einem Kamin führen würde, um zum nächsten Termin flohen zu können.
 

Draco hingegen griff neben sich und goss sich aus der Kristallkaraffe Whiskey in sein Glas, das er augenblicklich ansetzte. Die goldene Flüssigkeit erfüllte ihren Zweck, indem sie seinen trockenen Mund befeuchtete. Glücklicherweise spürte er dieses Mal nicht das übliche Brennen, das für gewöhnlich den Whiskeygeschmack begleitete. Hätte er es gespürt, hätte er den Whiskey wohl stehen gelassen und nicht weiter beachtet.

 

Aber was sollte er sonst machen? Galleonen zählen? Nein, das würde ihn bestimmt langweilen, zumal er schon vorher wusste, dass er nun ein reicher Mann war. Aber was nützte ihm all sein Reichtum, wenn er innerlich zerrissen war?

 

Du warst schon immer reich. Hinzufügen möchte ich, dass du verzogen bist“, zischte seine innere Stimme.
 

Unfassbar. Diese Stimme war nervig. Aufsässig, nervig und aufdringlich. Vielleicht sollte er, auch um sich abzulenken, nach seiner Mutter sehen? Sie hegte bis zuletzt die Hoffnung, dass Lucius in Askaban saß, aber diese Seifenblase war zerplatzt, nachdem der Ministeriumsbeamte angekommen war. Ja, mit seinen Plattitüden hatte er Narzissas Hoffnungen zunichte gemacht. Lucius war nämlich nicht in Askaban. Nein, er war auf Hogwarts gefallen – wie viele andere auch.

 

Das brachte ihn zu dem Entschluss, nicht nach seiner Mutter zu sehen. Nein. Draco musste erst selbst mit seiner Trauer zurecht kommen – so unwirklich das Wort in Relation mit ihm auch klang. Seine labile Mutter würde er inmitten seiner Trauerbewältigung nicht gebrauchen können. Und das alles wegen Lucius. Seinetwegen lief Draco Gefahr, in ein tiefes Loch zu fallen, verdammt.
 

Gott ja, er hasste Lucius, aber er war auch sein Vater gewesen. Ein Vater, der ihn wenigstens mit keinen finanziellen Nöten zurückgelassen hatte. Im Gegenteil. Nun hatte Draco die Befehlsgewalt, die er immer haben wollte. Er war der rechtmäßige Erbe von Malfoy Manor, sowie des Malfoy-Vermögens. Er hatte die alleinige Entscheidungsmacht. Wie Narzissa sich wohl dabei fühlte? Draco wusste es nicht, aber sicher dachte sie, dass mit Dracos Aufstieg der nächste Tyrann geboren war, der einen bösen Einfluss auf sie ausüben würde. Des Weiteren öffnete sein Name ihm einige Türen, dafür hatte Lucius immer gesorgt. Mit Geld erreichte man alles und da er über diese Mittel verfügte, hatte er eine enorme Macht. Arbeiten brauchte er ebenfalls nicht. Er musste nur das Vermögen verwalten, Spenden hier und da tätigen und in den Tag hineinleben. Oh ja. Er besaß einzigartige Macht. Was er Lucius jedoch wirklich hoch anrechnete, war die Gabe, Menschen zu manipulieren. Ja, man konnte Lucius nie nachweisen, dass er zu den Todessern gehörte, denn offiziell hieß es, dass Lucius nur auf Hogwarts gewesen war, um seinen Sohn zu retten. Aus diesem Grund wurde das Vermögen nach seinem Tod nicht eingefroren, sonst hätte Draco wirklich blöd dagestanden.

 

Tja... Lucius war in der Tat außerordentlich gewesen.
 

„Auf deinen perfekten Geschäftssinn, Lucius!“ Draco hob erneut sein Glas, setzte es an und trank missmutig einen großen Schluck.
 

Wie geschickt sich Lucius doch aus allem herauswinden konnte und nun entwischte er schon wieder. Allerdings bezahlte er dieses Mal mit seinem Leben. Und das nur, um seinen Sohn zu retten. Na ja, vielleicht stimmte es. Vielleicht wollte Lucius wirklich nur dafür Sorge tragen, dass Draco diesem Krieg entkommen konnte. Sicher war sich der junge Malfoy-Spross dahingehend aber nicht. Was er jedoch wusste, war, dass Lucius seit geraumer Zeit kein loyaler Todesser mehr gewesen war...

 

Pah... Sein eigener Vater schien auf die Ideologie, die er Draco immer eingeprügelt hatte, zu spucken. Ob das gut oder schlecht war... Nun, darüber würden sich noch die Geister streiten.

 

Nachdem er sich abermals Whiskey in sein Glas gefüllt hatte, überlegte er, ob er seiner Mutter vorschlagen sollte, in Urlaub zu fahren. Vielleicht nach Sizilien? Dort besaßen die Malfoys ein Ferienhaus. Ja, das... das wäre eine gute Idee, um beiden die Möglichkeit zu geben, auf ihre eigene Weise zurechtzukommen. Während er darüber nachdachte, wie er seiner Mutter diesen Vorschlag schmackhaft machen konnte, war er zum Fenster zurückgegangen, doch dieses Mal zog er den Vorhang ein wenig zur Seite, um der untergehenden Sonne dabei zuzusehen, wie sie den Horizont erreichte und schlussendlich dahinter verschwand.

 

 
 

~*~
 

Schnaubend stand er vor der cremefarbenen Tür, ehe er entschied, vorsichtig gegen das Holz zu klopfen. Sein Beruf war angenehm, aber er hatte auch seine Schattenseiten. Oft gelang es ihm nicht, die moralischen Aspekte über die der beruflichen zu stellen. Zu fixiert war er darauf, seinen Beruf gewissenhaft auszuüben. Allerdings verstand er, dass er oft von Anwesen getrieben wurde, aufgrund seines recht emotionslosen Auftretens. Aber das gehörte dazu. In seinem Metier durfte man sich nicht von Gefühlen leiten lassen. Dennoch war ihm nicht wohl dabei, als er seine Hand gehoben und gegen die Tür geklopft hatte. Zumal sein vorheriger Termin nicht sonderlich gut verlaufen war. Im Gegenteil. Malfoy war ein anstrengender Bengel. Dahingehend hoffte er, dass Miss Granger nicht so unhöflich war. Aber er wusste auch, wie herzlich das Mädchen war. Schließlich hatte er vieles über sie, Harry Potter, sowie Ronald Weasley gelesen. Immer hatte man die Bescheidenheit der Teenager hervorgehoben, weshalb er auch daran glaubte, mit dem Mädchen vernünftig sprechen zu können. Die Frage war jedoch: Wie lange würde die Vernunft anhalten? Denn wer war ihm gegenüber noch wohlgesonnen, wenn alles, was er mitzuteilen hatte, nicht gerade positiv war?

 

„Ja?“, vernahm er eine sanfte Stimme, wenngleich sie auch geschwächt klang. Schluckend umfing er die Türklinke, bevor er sie nach unten drückte und die Tür nach innen aufschob. Sofort erkannte er die junge Frau, die alleine im Zimmer war. Zum Glück. Er bevorzugte es, mit den Menschen alleine zu sein, die er beruflich traf.
 

„Guten Abend, Miss Granger“, begrüßte er sie freundlich. Abschließend schloss er die Tür, ehe er mit seinem schwarzen Lederkoffer – dessen Griff von seiner Hand fest umklammert wurde – zu ihrem Bett herantrat und diesen auf ihrem Nachttisch abstellte.
 

„Guten Abend, Sir“, erwiderte Hermine skeptisch. Sie kannte den Mann nicht, doch sein sympathisches Auftreten war angenehm, was jedoch noch lange nicht ihre Wachsamkeit zur Seite schob. Dringlicher waren die Gedanken, woher er ihren Namen kannte und wie er sie gefunden hatte? Doch sofort begann ihr Hirn zu rasen, um nach möglichen Antworten zu suchen. Womöglich war nach Harrys Einlieferung im Ministerium die Hölle los. Vielleicht hatte das Ministerium eine Stellungnahme veröffentlicht, woraus man schließen konnte, wo sie zu finden war? Aber das war abwegig, oder?

 

„Verzeihen Sie“, begann er souverän und war dankbar, dass sie zumindest antwortete. „Ich bin Lukas Kent. Ich komme vom Ministerium, Miss.“ Zuvorkommend streckte er ihr seine Hand entgegen, doch in ihren Augen sah er die Skepsis. Er beobachtete ihren prüfenden Blick, woraufhin er zaghaft lächelnd seine Hand zurückzog.

 

„Vom Ministerium?“, fragte sie lauernd. War das zu fassen? Aber noch bewahrte Hermine Haltung. Schließlich wusste sie nicht, was der Grund seines Besuches war. Außerdem lag es ihr fern, jemanden zu verurteilen, den sie gar nicht kannte, obwohl ihre Abneigung dem Ministerium gegenüber nach wie vor Bestand hatte. „Was verschafft mir die Ehre, Mr. Kent?“ Sie wollte nicht bösartig klingen. Wirklich nicht, aber die Diskrepanz war ungewollt gewachsen. Ihre Zurückhaltung war nicht persönlich zu nehmen, allerdings lehrte sie die damalige Erkenntnis, dass das Ministerium keine vertrauenswürdige Institution gewesen war. Vor allem, wenn es um Harry ging...

 

Harry... Den sie nicht besuchen durfte. Der Heiler, den Molly rufen ließ, hatte ihr Bettruhe verordnet. Er hatte ihr sträflich untersagt, Harry zu besuchen und nun stand dieser blöde Beamte vor ihr, der Erinnerungen in ihr hervorrief, mit denen sie nicht konfrontiert werden wollte. Verdammt, das Ministerium brachte wohl über alles sein Übel – ob gewollt oder nicht.

 

Toll. Augenblicklich dachte sie daran, was ihr bisweilen in den dunklen Hallen des Ministeriums widerfahren war. Im fünften Schuljahr wurde Harrys Verfahren in den unteren Gerichtssälen verhandelt. Ein Straftribunal, aufgrund von minderjähriger Zauberei, was an Lächerlichkeit nicht mehr zu überbieten war. Hermine hatte damals unzählige Bücher gewälzt. Hinzu kam, dass... dass Sirius in der Halle des Todes gestorben war – ermordet von seiner eigenen Cousine. Aber das schien dem Schicksal nicht zu genügen, denn während ihres letzten Schuljahres, das sie damit verbrachten, nach Voldemorts Horkruxen zu suchen, beschloss das Ministerium, nach ihnen zu fahnden.
 

„Miss? Ist alles in Ordnung?“, fragte Lukas besorgt. Anscheinend mochte sie das Ministerium nicht – folglich auch ihn nicht. Verständlich, wenn man bedachte, was sie, Harry Potter und Ronald Weasley in den Hallen erlebt hatten. Zuletzt waren sie dort, als sie sich ins Ministerium geschleust hatten und dabei erwischt wurden. Lukas hatte davon gehört... Zuzüglich war er mit den vorhergegangen Vorkommnissen aus ihrem fünften Schuljahr vertraut gewesen. Verflucht. Und nun war er hier... Ein rational denkender Mann, der dem angeschlagenen Mädchen mitteilen musste, dass ihre Mutter zuhause ermordet wurde - zwei Tage vor der Schlacht auf Hogwarts. Grundgütiger, er wollte unter keinen Umständen mit ihr tauschen. Der Weg zum Ziel war allerdings hinderlich. Wie sollte man einem heranwachsenden Menschen einen derartigen Verlust erläutern? Zumal ihre Eltern sowieso gefährdet waren, weil ihre Tochter Hermine Granger war.

 

„Sicher“, bestätigte sie kopfschüttelnd, nachdem sie zu ihm hinaufblickte. „Weswegen sind Sie hier?“, fügte sie hinzu. Währenddessen versuchte sie sich einzureden, dass alles gut werden würde. Harry war in guten Händen, er würde überleben. Punkt.

 

„Miss.“ Ach, verdammter Drachenmist. Es gab kein zurück. Lukas musste ihr die Wahrheit sagen. Das Mädchen verdiente die Wahrheit, da es ihr und den beiden Jungen zu verdanken war, dass die Welt ein Stück weit sicherer geworden war. „Es geht um Ihre Mutter, Miss Granger.“ Infolgedessen sah er, wie sich ihr Mund erschrocken öffnete, bevor ihr Hand davor flog. „Ihre Eltern wurden zwei Tage vor der Schlacht auf Hogwarts angegriffen.“

 

„Was?“, entfuhr es ihr angstvoll. „Und das erfahre ich erst jetzt?“ Fassungslos schlug sie die Decke zur Seite, doch wie Molly Weasley zuvor, war auch Lukas Kent näher gekommen, um sie daran zu hindern, das Bett zu verlassen. Dass sie nicht früher informiert wurde lag womöglich daran, dass man sie nicht hatte aufspüren können, aber das wollte Hermine in ihrer Verzweiflung nicht erkennen.

 

„Miss Granger, bitte bleiben Sie liegen.“

 

„Nein!“ Ärztliche Anordnung hin oder her. Sie würde sich nicht mehr zurückhalten lassen – von niemandem mehr. „Sagen Sie mir lieber, wo ich meine Eltern finden kann.“

 

Wortlos hatte er ihren Protest akzeptiert. Was bleib ihm anderes übrig? „Ihr Vater wurde ins St. Mary's Hospital in London eingeliefert.“

 

„Und meine Mutter?“, drängte Hermine. Wieso musste sie ihm alles aus der Nase ziehen?

 

„Ihre Mutter hat den Angriff leider nicht überlebt“, gestand er seufzend. Unverzüglich wappnete er sich. Er war auf einen emotionalen Ausbruch ihrerseits vorbereitet und obwohl er stets glaubte, Emotionalität nicht an sich heranzulassen, tat ihm die junge Frau leid. Die Tränen in ihren glasigen Augen wurden dicker, ehe sie ihre Wangen hinabrannen, was Lukas verunsicherte, trotz der Annahme, vorbereitet zu sein. Nun... das war offenbar ein Irrtum. Man konnte sich auf so etwas niemals vorbereiten.

 

„Nein“, entgegnete Hermine stoisch, da sie nicht glauben konnte, was der Mann ihr sagte. Niemand, der halbwegs normal war, würde auf solch emotionslose Art eine derartige Nachricht überbringen. „Das muss ein Missverständnis sein, das sich alsbald aufklären wird.“ Dennoch erhob sie sich aus ihrem Bett und steuerte – gekleidet in ein Nachthemd – den cremefarbenen Schrank an, aus dem sie ihre Perlenhandtasche entnahm, in der sie wahllos herumwühlte – nicht sicher, wonach sie genau suchte, aber das Faktum zu verarbeiten, dass ihr Vater verletzt im Krankenhaus lag, erschwerte ihr sonst so sicheres Auftreten. Ihr war schon immer bewusst gewesen, dass ihre Eltern mögliche Ziele der Todesser sein könnten. Dass jedoch ihre Mutter... ermordet wurde, das war etwas, was sie nicht akzeptieren konnte.

 

Alleine der Gedanke, dass die Worte dieses Mannes wahr sein könnten, trieb ihr weitere Tränen in die Augen und Hermine dachte gar nicht daran, sie zurückzuhalten. Sollte Mr. Kent genervt sein, ihr war es völlig gleichgültig.

 

„Bitte beruhigen Sie sich“, erwiderte er besänftigend und versuchte sie gleichzeitig von ihrem Vorhaben abzubringen. Darüber hinaus zerbarsten gerade sämtliche Schutzschichten, welche er sich angeeignet hatte, da er von ihrer Machtlosigkeit ergriffen war. „Wir... Wir konnten leider nichts mehr tun. Uns wurde spätabends das dunkle Mal gemeldet, wonach sich unverzüglich ein Auroren-Team zum Haus Ihrer Eltern begab.“

 

„Sie irren sich, Sir“, konterte sie unnachgiebig, während sie weiterhin eifrig in ihrer Perlenhandtasche wühlte.
 

Gerne hätte er sich geirrt, aber es bestand kein Zweifel. Die Opfer des Angriffs waren Jane und David Granger – Hermine Grangers Eltern. „Wir haben es mehrmals überprüft, Miss. Gerne würde ich Ihnen etwas anderes sagen, aber -“

 

„Nein, das... das kann nicht sein“, unterbrach sie ihn kläglich und doch wusste ihr Verstand bereits, dass die Worte des Ministeriumsbeamten der Wahrheit entsprachen. Noch ein paar Minuten und Hermine würde es auch begreifen, doch bis dahin handelte sie aus dem Bauch heraus. Sie wollte sich der Illusion hingeben, dass sie sich in einem Traum befand. In einem bösen Traum.

 

„Miss Granger, ich -“

 

„Bitte sagen Sie es nicht, Mr. Kent“, verlangte Hermine ausdrücklich. Sie musste darüber nachdenken, wieso man ihre Eltern hätte angreifen können? Schlussendlich hatte man ihr nichts zukommen lassen, woraus man schließen konnte, dass ein Angriff auf ihre Eltern in Erwägung gezogen wurde. Und gewiss hätte man das publik gemacht, weil man wusste, dass darauf reagiert worden wäre. Oder lag es im Bereich des Möglichen, dass... dass ihre Eltern das Ziel einer willkürlichen Ermordung waren? Aber wieso? Warum nur? Wäre es nicht besser gewesen, Jane und David Granger gezielt als Druckmittel einzusetzen? Oder fiel ihre Mutter dem Kalkül eines jedes Todessers zum Opfer, aufgrund ihrer Standfestigkeit? Denn Hermine wusste auch, dass ihre Eltern niemals ihr Wissen preisgegeben hätten. Unter keinen Umständen.

 

Wie Hermine es auch drehte. Sie konnte sich keinen Reim darauf machen. Was aber zum Vorschein kam, war die innerliche Zerrüttung. Während sich die Tränen ihren Weg über ihr Gesicht bahnten, spürte Hermine einen widerlichen Druck in ihrem Brustkorb. Des Weiteren hatten sich ihre Augen geweitet, je mehr sie sich mit dem Szenario auseinandersetzte. Derweil hatte sie auch ihre Handtasche zu Boden sinken lassen. Ferner glitten ihre zitternden Hände über ihr Gesicht, hinauf zu ihren feuchten Augen, bevor sie bitterlich zu weinen begann.

 

Erst jetzt realisierte sie das Ganze wirklich. Die Wahrheit hatte Eintritt gefordert. Zeitgleich wurde ihr der Boden unter den Füßen weggerissen, woraufhin sich Hermine leicht nach vorne beugte. Fast wäre sie in die Knie gegangen, doch war Lukas schneller. Betroffen hatte er ihr unter die Arme gegriffen, ehe sie zu Boden fallen konnte, aber das hätte sie nicht gestört. Nein... Die Aufprall wäre lange nicht so schmerzhaft wie das, was gerade eintraf – die Erkenntnis, ihre Mutter verloren zu haben. In einem sinnlosen Krieg, in welchen ihre Mutter involviert war, angesichts ihrer Herkunft. Hinzu kam, dass ihr Vater verletzt in einem Muggelkrankenhaus lag – vermutlich im Unklaren gelassen wurde, weil das Ministerium sich nicht in der Pflicht sah, ihren Vater aufzuklären.

 

Und für Hermine... für sie brach gerade die Welt ein weiteres Mal zusammen.

 

„Was ist denn hier los?“ Ein Heiler war in der Zwischenzeit in das Zimmer gestürmt, nachdem Hermines Schluchzen immer lauter geworden war und was er vorfand, war für eine schnelle Genesung überhaupt nicht förderlich. „Miss Granger, Heiler Bletchley hat Ihnen Bettruhe verordnet, und was tun Sie hier, Mr. Kent? Können Sie nicht warten, bis unsere Patienten stabil genug sind?“

 

„Heiler Jones, meine Pflicht -“

 

„- die mir nicht egaler sein könnte“, wehrte der Heiler die Rechtfertigung seines Gegenübers ab. „Wir sind in einem Krankenhaus – nicht im Ministerium, Kent. Verstanden? Und nun bitte ich Sie, zu gehen. Miss Granger braucht Ruhe.“ Anstandslos war er zu seiner Patientin gegangen, die er unweigerlich zu ihrem Bett zurückführte.
 

Verständlich, dass ihn jeder weg haben wollte. Niemand wollte schlimme Nachrichten empfangen und auch das Krankenhaus verließ er fluchtartig.
 

Hermine dagegen befand, dass sie keine Ruhe bräuchte. Sie musste zu Harry und zu ihrem Vater. Jawohl.
 

„Sir“, begann sie daher nach wenigen Minuten der Stille, „ich werde mich selbst entlassen müssen. Die Umstände erfordern diesen Schritt“, erklärte sie nonkonformistisch und sie würde ihre Beweggründe nicht weiter vertiefen. Ihr Entschluss stand fest.
 

„Bitte? Das kann ich unmöglich erlauben, Miss Granger. Zwar sind Ihre Werte – zu meinem Erstaunen – stabil, aber ich rate Ihnen dringend davon ab, das Krankenhaus zu verlassen.“
 

Kein Heiler der Welt würde ihre Meinung ändern. Sie würde noch heute das Krankenhaus verlassen.

 

 
 

~*~
 

Seit ungefähr dreißig Minuten saß Hermine nun schon an Harrys Bett. Stumm hatte sie den Jungen angesehen, immer wieder seine Hand gestreichelt oder über seine zerzausten Haare gestrichen. Selbstredend war sie zu ihm gegangen, nachdem sie sich selbst entlassen hatte – trotz wiederkehrender Proteste seitens der zuständigen Heiler, aber das war ihr egal. Man hatte sogar nach Ron und Ginny rufen lassen, in der Hoffnung, sie stünden auf der Seite der Heiler, doch hatte Hermine ihren Freund die Lage erklärt. Unter Tränen erzählte sie ihnen von der Ermordung ihrer Mutter, was sie genauso schockierten und Hermines Standpunkt umso besser nachvollziehen konnten. Zugegeben, begeistert waren sie nicht, aber sie verstanden ihre Intention, was der jungen Gryffindor wichtig gewesen war.
 

„Wieso wachst du nicht einfach auf, Harry?“, flüsterte sie – den Tränen wieder nahe. Bei Merlin, wie gerne würde sie Harrys Stimme hören. Wie gerne würde sie von ihm in den Arm genommen werden. Natürlich gab es da noch Ron, und auch Ginny, aber sie vermisste Harrys Zuspruch. „Du fehlst uns.“
 

Aber er antwortete nicht. Nein, er lag friedlich in seinem Bett und es sah aus, als würde er schlafen. Seine Kopfwunde, herbeigeführt durch den Sturz, hatte man magisch heilen können, sowie alle weiteren körperlichen Verletzungen. Die Heiler sprachen davon, dass sie nicht wussten, was genau dazu führte, dass er nicht aufwachte. Es war einfach so. Eine Antwort, die Hermine nicht zufriedenstellte, aber was sollte sie tun? Weder Ron, noch sie selbst konnten etwas tun, außer zu warten. Darauf, dass der Junge, der überlebte, endlich aufwachte und es zerriss ihr das Herz, Harry hilflos im Bett liegen zu sehen. Zwar war er an keinerlei Gerätschaften angeschlossen, wie es in Muggelkrankenhäuser üblich war, aber der Anblick ihres komatösen Freundes war herzzerreißend, weil man nicht wusste, wie es weitergehen würde und auf den ersten Moment war es... bizarr, ihm etwas zu erzählen. Allerdings hatte sie einmal gelesen, dass Muggelärzte überzeugt davon waren, dass Komapatienten im Stande waren, Stimmen zu erkennen. Darauf hoffend, ihm womöglich helfen zu können, hatte Hermine ihm von seinem Triumph erzählt – nicht sicher, ob er ihre Stimme tatsächlich wahrnahm. Hermine erzählte dem bewusstlosen Harry, wie brillant er gewesen war. Davon, wie sie in Rons Armen zusammengebrochen war, angesichts ihrer aufgebrauchten Kräfte und ebenfalls im St.Mungo gelandet war. Sie sinnierte vor Harry darüber, was sie alles noch gemeinsam erleben würden. Sie bekräftigte ihm, dass sie im hohen Alter noch zusammen scherzen würden. Auch ihr verliehen diese Erzählungen Mut. Sie gaben Hermine Hoffnung. Hoffnung auf einen positiven Ausgang. Jedoch erwähnte sie mit keiner Silbe die Namen, deren Gesichter sie nicht mehr sehen würden. Zu groß war ihre Angst, dass solche Äußerungen Einwirkungen auf Harrys Heilung hätten. Aber wie würde er reagieren, wenn er davon erfuhr? Vermutlich genauso betroffen wie sie selbst...
 

Anschließend schnappte sie ihre Perlenhandtasche, die sie über die Rückenlehne des Stuhls gehangen hatte, ehe sie sich schweren Herzens von Harry verabschiedete. Ein letztes Mal streichelte sie seine warme Hand, bevor sie ihren Umhang überzog und sowohl das Krankenzimmer, als auch das Krankenhaus verließ. Aber der darauffolgende Schritt war genauso schwierig. Ihr nächster Weg führte zu ihrem Vater...
 

Hermine apparierte in eine Seitenstraße, zauberte eine Weste aus ihrer Tasche und näherte sich gleichzeitig dem riesigen Gebäudekomplex, der vor ihr auftauchte. Schwer atmend passierte sie die Glastür, wonach sie sofort von Wärme umgeben wurde, die ihr unvermeidbar ins Gesicht peitschte. Folglich steuerte sie zügig den Tresen an, hinter dem eine Dame saß, die beschäftigt aussah, weswegen Hermine sich dezent zur Seite drehte und wartete.
 

Allerdings schien die Dame es nicht für nötig zu halten, Notiz von Hermine zu nehmen. Offenbar gelangweilt, kaute sie hörbar auf ihrem Kaugummi herum, während sie sich kichernd den Telefonhörer an ihr linkes Ohr presste. Und das war es, was Hermine wütend werden ließ. Deutlich ungehaltener als zuvor, klopfte sie auf das Holz des Tresens, um zumindest angesehen zu werden, doch auch das wurde überhört, woraufhin sich Hermine räusperte. Aber auch das wurde konsequent ignoriert. Stattdessen führte die Dame ihr Privatgespräch fort.
 

„Verzeihung? So ungern ich Ihr scheinbar wichtiges Telefonat unterbreche, aber ich wüsste gerne -“
 

Die Dame unterbrach Hermine schweigend, indem sie ihren Zeigefinger hob und ihren Drehstuhl, inklusive ihrer selbst demonstrativ von Hermine wegdrehte.
 

„Entschuldigen Sie mal!“, entfuhr es Hermine gepresst und noch immer wurde ihr Anliegen nicht wahrgenommen, weshalb sie sich über den Tresen beugte, der Dame den Hörer aus der Hand entriss und auflegte. Merlin, sie war unfassbar sauer geworden. „So, und nun möchte ich Sie bitten, mir zuzuhören. Wo finde ich David Granger?“
 

Auch die Frau auf der gegenüberliegende Seite war wütend – jedoch aus anderen Gründen. Würde sie aber etwas erwidern, hätte Hermine nur zum Direktor des Krankenhauses gehen müssen, weswegen die Dame sich zurückhielt und schnaubend auf der Tastatur ihres Computers herumtippte. Sie lehnte sich etwas nach vorne, schob die Brille ihren Nasenrücken hinauf und sprach: „David Granger liegt im dritten Stock, Zimmer 206.“
 

Kopfschüttelnd und mit halb offenem Mund entfernte sie sich vom Tresen. Zu aufgewühlt war sie, um den finsteren Blick der Frau entsprechend zu würdigen. Ferner erreichte sie den dritten Stock und hielt inne, als sie vor Zimmer 206 stand. Ihre Handinnenflächen waren feucht, ihre Finger kneteten den jeweils anderen Handrücken, bevor sie schluckend zur Klinke griff und sie nach unten drückte. Sie hatte Angst vor der Begegnung, weswegen sie die Tür langsam aufschob, doch ihrem Vater schien es gut zu sehen, denn sie entdeckte ihn auf seinem Bett. Er hatte eine gemütliche Positur eingenommen, in seinen Händen hielt er ein Buch, das er konzentriert las und erstaunlicherweise stand eine gepackte Tasche neben seinem Bett. Ob er heute ebenfalls nach Hause durfte?
 

„Dad?“, machte sie sich leise bemerkbar.
 

„Hermine!“, entkam es ihm erleichtert. Sofort hatte er das Buch aus der Hand gelegt, um seine Tochter in die Arme zu ziehen. „Grundgütiger, Kind. Ich bin so unendlich froh, dich zu sehen. Als die Eule von Ron ankam, dass du und Harry im Krankenhaus liegen, bin ich fast umgekommen vor Sorgen.“
 

Anscheinend hatte man ihren Vater noch gar nicht aufgeklärt, was die Hogwarts-Schülerin noch wütender machte. Man bürgte ihr die Last auf, den Verlust ihrer Mutter zu verkraften. Zusätzlich war sie es auch, die ihren Vater informieren musste, aber vermutlich war das die beste Lösung, wenngleich es Hermines schwerster Gang werden würde – neben der bevorstehenden Beerdigung. Zumindest war auf Ronald Verlass gewesen. Er hatte wenigstens ihren Vater darüber informiert, dass sie aufgrund ihres eigenen Krankenhausaufenthaltes noch nicht zu ihm kommen konnte. „Ich bin auch froh, dich zu sehen, Daddy“, schniefte sie gegen seine Schulter, ehedem ihr Vater ihr Gesicht in seine Hände nahm und ihr einen Kuss auf die Stirn gab.

 

 
 

~*~
 

Drei lange Wochen waren vergangen. Wochen, in denen Hermine stark sein musste. Wochen, in denen ihr das Ziel, ihre Trauer zu akzeptieren, verwehrt wurde und das war der gänzlich falsche Weg. Sie wollte und musste funktionieren, obwohl es in ihr so finster aussah. Vor zwei Wochen musste sie ihre Mutter zu Grabe tragen und sie wusste, die Natur sah es vor, dass Eltern vor ihren Kindern gingen, aber – so makaber es in ihren Gedanken klang – das Wissen, dass ihre Mutter ermordet wurde, war doch noch ein bisschen schlimmer als ein natürlicher Tod. Zu wissen, dass ihre Mutter leiden musste, war unerträglich. Immer wieder kreisten ihre Gedanken darum. Ständig hatte sie darüber nachdenken müssen, was die letzten Gedanken ihrer Mutter waren. Wurde sie gefoltert? Dachte Jane Granger währenddessen an ihre Tochter? All das waren Fragen, die sie auf der einen Seite beantwortet haben wollte, andererseits war sie froh, es nicht zu wissen, da sie Angst davor hatte. Große Angst und ihren Vater würde sie gewiss nicht fragen. Daher war sie froh, dass Ron und Ginny an diesem finsteren Tag ihre Begleiter waren. Sie hatten es geschafft, Hermine eine Stütze zu sein, ihr den Tag etwas zu erleichtern... und doch fehlte etwas – Harry. Nicht, dass Ron kein freundlicher Mensch war, allerdings unterschieden sich ihre zwei besten Freunde. Während Ron eher plump und zurückhaltend war, hatte Harry eine feinfühlige Ader, die er immer einzusetzen wusste und genau das hatte ihr gefehlt.
 

„Dad, ich denke, du solltest Urlaub machen“, begann Hermine bedächtig, nachdem sie das Wohnzimmer betrat - den Blick auf ihren Vater gerichtet, der stur zum Fernseher sah. „Was hältst du davon, wenn du ein paar Tage zu Tante Mila fährst?“, ergänzte sie, bevor sie nach der Hand ihres Vaters gegriffen hatte. Mila war die Schwester ihres Vaters und hatte nach der Beerdigung angeboten, dass Hermine und ihr Vater ein paar Tage zu ihr aufs Land kommen sollten. „Wiltshire und die Landluft werden dir gut tun.“ Das würde ihm mit Sicherheit helfen. Zumal sie vor wenigen Tagen mehrere Flaschen Whiskey neben dem Bett ihres Vaters gefunden hatte, was ihr Antrieb war, entsprechend zu handeln. „Du wärst nicht mehr mit... mit den Erinnerungen konfrontiert.“ Und fernab des Alkohols, fügte sie in Gedanken hinzu.
 

„Nein, ich kann dich nicht alleine hier lassen“, erwiderte er angeheitert. Seine Tochter roch den Alkohol, aber es störte ihn nicht im Geringsten. „Weißt du, ich bereue es, dass wir nicht auf dich gehört haben.“
 

„Dad, das... das ist doch nicht deine Schuld.“ Auch das noch. Ihr Vater machte sich Vorwürfe. Aber das motivierte Hermine umso mehr, ihn zu Tante Mila zu schicken. „Niemand konnte ahnen, dass -“
 

„Doch“, entgegnete er energisch, während seine Hand auf die Armlehne der Couch schlug. „Doch, Hermine, das konnten wir ahnen. Wir wussten, dass wir womögliche Ziele sein könnten, aber wir waren zu stolz, zu uneinsichtig, um auf dich zu hören. Aber Eltern wollen nun mal keine Angst vor ihren Kindern zeigen, was wohl unser Fehler gewesen war.“ Im selben Moment flog seine Hand vor seine Augen, um die Tränen im Keim zu ersticken. „Wir hätten einfach in den Flieger nach Australien steigen sollen.“
 

Es war nicht seine Schuld. Das durfte er nicht denken. „Aber das ist doch nicht deine Schuld. Ich... Ich hätte euch verhexen sollen, damit ihr eure Erinnerungen an mich verliert.“
 

„Deine Mutter hätte dir das niemals verziehen, das weißt du, Schatz“, antwortete David Granger und schmunzelte, als er an seine wunderschöne Frau dachte. Sie war eigen und herrlich einzigartig, weil nur sie es geschafft hatte, ihn jeden Tag zu überraschen.
 

„Ja, das stimmt.“ Auch Hermine schmunzelte. Ihre Mutter war sehr direkt gewesen. Stets selbstbewusst und engagiert. Sie hätte es verteufelt, hätte Hermine über ihren Kopf hinweg entschieden, aber es wäre zu ihrem Besten gewesen. Schließlich kannte Hermine ihre Welt, die so anders war als die Muggelwelt. „Trotzdem. Ich bin der Meinung, dass du zu Mila fahren solltest.“

 

„Ich kann dich nicht alleine lassen.“

 

Konnte er nicht? Doch. Sie war siebzehn Jahre – volljährig in der magischen Welt. Und das war nun einmal Hermines Welt. „Du kannst mich alleine lassen. Bitte fahr zu Tante Mila, Dad.“ Außerdem erhoffte sich Hermine, dass er in Milas Anwesenheit davor bewahrt blieb, mit Erinnerungen konfrontiert zu werden. Ebenso versprach sie sich, dass ihr Vater in Milas Nähe nicht mehr zum Alkohol griff. Hinzu kam, dass Hermine irgendwann wieder in die andere Welt zurückkehren würde – ohne ihren trauernden Vater. Auch wollte sie, dass er sich nicht in dem Haus vergrub, das ihn sekündlich an seine Frau erinnerte. „Komm schon. Wiltshire ist eine herrliche Grafschaft und das weißt du selbst.“

 

Er musste es wissen, weil er dort aufgewachsen war.

Milas Hilferuf

- Kapitel drei -

 
 

Fünf Tage waren seit der Abreise ihres Vaters vergangen und er schien die fremde Umgebung zu genießen. Seine täglichen Anrufe klangen jeden Tag unbefangener, fröhlicher... einfach glücklicher, wenngleich es noch ein langer Weg wäre, zurück in die Normalität zu finden. Aber das war okay. Ihr Vater sollte sich die Zeit nehmen, die er bräuchte. Ja, innerlich war ihr Dad sicher sehr getroffen worden, aber gemeinsam würden sie die Leere ihrer Herzen füllen können, was nicht hieß, dass Hermine ihre Mutter ersetzen wollte. Nein, aber sie müssten lernen, zukünftig ohne die Wärme ihrer Mutter auszukommen. Viel schöner dagegen war, wie detailliert er seine täglichen Spaziergänge schilderte. Voller Euphorie erzählte er von den herrlichen Wanderwegen, den Düften des Waldes und der Freundlichkeit der Leute – ganz anders als in London -, was einem Zahnarzt aus der Hauptstadt Großbritanniens sofort auffiel. Und bald war es wieder soweit. Der große Zeiger der hölzernen Standuhr näherte sich der zwölf. Man konnte die Uhr nach ihrem Vater stellen, der pünktlich um fünf – nachdem er mit Mila Tee getrunken hatte – zum Hörer griff und Hermine anrief. Indessen hatte sie es sich auf der Couch bequem gemacht, den Fernseher eingeschaltet und einen Popcorneimer griffbereit neben sich gestellt. Zur selben Zeit klingelte auch schon das Telefon, woraufhin sie den schnurlosen Hörer nahm und schmunzelnd die Nummer ihrer Tante auf dem Display erkannte.

 

Wie immer war ihr Dad pünktlich.
 

„Hey Dad. Na? Was hast du heute Neues entdeckt?“, fragte Hermine lächelnd, während sie blind in den Popcorneimer griff.

 

„Ich bin's. Mila.“

 

Ihre Tante klang besorgt. Sie selbst war alarmiert und setzte sich aufrecht hin, den Hörer fest an ihr Ohr gepresst. „Tante Mila? Hey, was ist denn los?“

 

„Dein Vater ist noch nicht zurück.“
 

„Was? Aber -“ Nervös blickte Hermine erneut auf die große Standuhr. „Es ist fünf Uhr. War er nicht zum Tee nach Hause gekommen?“ Offensichtlich nicht. Ansonsten hätte ihre Tante nicht angerufen.

 

„Nein, das macht mich ja so nervös. David ging gegen Mittag aus dem Haus und du kennst deinen pedantischen Vater. Er ist immer pünktlich. Kannst du bitte kommen?“ Mila wusste keinen anderen Ausweg mehr, als sich an Hermine zu wenden. Zwar wollte sie ihre Nichte nicht unnötig belasten, aufgrund der Schwere, die ihre jugendlichen Schultern stemmen mussten, aber Hermine zu belügen wäre bedeutend schlimmer. Und spätestens dann, wenn David nicht angerufen hätte, wäre Hermine misstrauisch geworden.
 

„Ich bin sofort da“, antwortete Hermine und beendete panisch das Telefonat. Inmitten des Gesprächs war sie schon aufgesprungen, hatte den Fernseher ausgeschaltet und das Popcorn zurückgelassen, während sie abermals Sorgen plagten. Was war bloß passiert? Wieso war ihr Vater nicht zurückgekommen? War es ein Fehler, ihn zu Mila zu schicken? Nein, aber es war vermutlich keine gute Idee gewesen, ihn alleine spazieren zu lassen, angesichts der fehlenden Ortskenntnisse. Schließlich lebte ihr Vater schon lange nicht mehr in der Grafschaft, in der er geboren und aufgewachsen war. Was, wenn er sich verlaufen hatte und ziellos durch Wiltshire irrte?
 

Schreckliche Szenarien formten sich vor ihrem inneren Auge. Rasch hatte sie ihre Jacke vom Haken geschnappt, ehe sie disapparierte – direkt in Tante Milas Wohnzimmer, doch hatte Hermine sie erst in der Küche finden können, wo sich die beiden Frauen in die Arme fielen. Glücklicherweise wusste Mila darüber Bescheid, dass Hermine eine Hexe war und sowohl über schnelle, als auch angenehme Reisemittel verfügte. Ja, es war von Vorteil, wenn man magisch begabt war.

 

„Ich würde vorschlagen, dass du hier bleibst und ich ihn suchen gehe, oder?“

 

„Hältst du das für eine gute Idee, Hermine?“, warf Mila argwöhnisch ein. „Du kennst dich hier doch genauso wenig aus.“

 

„Und du bist zu aufgebracht. Das bringt doch auch nichts. Außerdem kann ich apparieren“, entgegnete sie fürsorglich. „Alles wird gut, Tante Mila. Vielleicht hat er auch einfach die Uhrzeit vergessen.“ Das redete sie sich ein, aber andere Gedanken wären belastender. Sie hätten dazu geführt, dass Hermine nicht mehr klar hätte denken können und das musste sie.
 

„Vermutlich hast du recht“, erwiderte die ältere der beiden Frauen traurig und führte Hermine zur Hintertür, wo sich ein schmaler – von hohem Gras umsäumter – Weg abzeichnete. „Von hier aus ging er in den Wald. Er ist recht groß, aber übersichtlich – nicht sonderlich dicht bewaldet. Deswegen wundert es mich, dass er... noch nicht zurückgekommen ist.“

 

„In Ordnung. Ich mache mich sofort auf den Weg.“ Sie knöpfte ihre Jacke zu, zog ihren Zauberstab heraus und sah – als sie den Weg entlang schritt – noch einmal zu Mila zurück. Aufmunternd hatte sie der Schwester ihres Vaters zugelächelt, ehe sie entschlossen nach vorne sah und im angrenzenden Wald verschwand. Darüber hinaus ärgerte sie sich, dass sie Ron nicht angefloht hatte. Wäre vermutlich besser gewesen, hinsichtlich der Angst, die sie im Wald befiel. Aber... sie musste sich nicht fürchten. Nein. Die Zeiten der Angst waren vorbei. Voldemort war besiegt und auch die Todesser, die überlebt hatten, könnten ihr kein Leid zufügen, weil sie ihr restliches Leben in Askaban verbringen würden.
 

Dennoch war es ungewohnt, sich ungezwungen bewegen zu können. Peu à peu musste sich Hermine daran gewöhnen, nicht mehr zurückzuschrecken, sobald der Busch raschelte. Sie müsste nicht mehr um die Ecke lugen, nicht mehr die Lage überprüfen, nicht mehr im Sekundentakt über die Schulter blicken und schon gar nicht mehr in Angst leben. Allerdings war es der Macht der Gewohnheit geschuldet, weiterhin vorsichtig zu sein. Schließlich lebten sie alle einige Jahre in Angst – wegen Voldemort. Nach seiner Rückkehr hatte er die Menschen verunsichert, sie verängstigt, eingeschüchtert und somit sein Ziel erreicht – die Menschen in die ausweglose Enge zu treiben. Dass das nun anders war, daran müsste man sich tatsächlich erst gewöhnen.

 

Derweil drang sie immer tiefer in den Wald, aber sie würde erst ruhen, wenn sie ihren Vater gefunden hätte. Selbst wenn sie jeden Stein drei Mal herumdrehen müsste, sie würde es tun, solange ihr Suche am Ende erfolgreich wäre und sie die Arme ihres Vaters um ihre Taille spüren konnte.

 

 
 

~*~

 

 

„Zum letzten Mal. Rede endlich, verflucht!“ Dracos Geduld neigte sich dem Ende zu. Vor allem als ihm klar wurde, dass der Mann vor ihm ein Muggel war. Ja, es deutete immer mehr darauf hin und es regte ihn auf. „Was suchst du hier? Wieso hast du meine Ländereien betreten?“ Es konnte sich nicht um Zufall handeln. Dazu waren seine Ländereien zu groß, das Anwesen zu abgeschottet. Tief verborgen, hinter Wäldern und Seen ragte das Herrenhaus empor und Draco ging stets davon aus, dass das – sowie Lucius' Schutzzauber - der beste Schutz gewesen war. Allerdings, und auch darüber regte sich der blonde Junge auf, schienen die Schutzzauber mit Lucius' Tod untergegangen zu sein, weshalb es dem Muggel möglich war, Malfoy Manor zu sehen.

 

Verdammt. Demzufolge war es Dracos eigene Schuld, einen ungebeten Gast auf seinem Grund und Boden vorgefunden zu haben. Wie konnte ihm dieser Fehler bloß unterlaufen? Warum hatte er nicht daran gedacht, als er die Sperre für den Apparier-Zauber über seinen Landsitz legte?
 

Er war nachlässig geworden, was auf seine Trauer zurückzuführen war, die er noch immer nicht verarbeitet hatte. „Gott verdammt, mach endlich den Mund auf.“ Lucius wäre ausgerastet. Mit Sicherheit. Sein paranoider Vater wäre ganz anders mit ihm umgegangen, aus Angst, der Eindringling könnte den Standort des Hauses weitertragen. Lucius' einzige Sorgen waren immer seine Besitztümer, die er um jeden Preis schützte. Nun, besser als andere Sorgen.
 

Dass Lucius einen einfachen Gedächtniszauber hätte anwenden können wäre auch zu leicht gewesen. Nein, sein herzloser Vater zog die Extreme dem Normalfall vor. Er hatte es immer genossen, sein jeweiliges Opfer zu drangsalieren, obzwar er sich zum Schluss hin besserte. Unterdessen sah Draco ununterbrochen gen Boden – zu dem Mann, der dort am Boden kauerte und nicht mehr wusste, wo hinten und vorne war. Es war kurioserweise dem Zufall zu verdanken, dass er den verwirrten Fremden hinter den Ställen fand – in der Nähe der stattlichen Hengste, die Lucius gezüchtet hatte. Ha, sein Vater rotierte vermutlich im Grab, aufgrund der Tatsache, dass ein Muggel in die Nähe seiner wertvollen Tiere gekommen war.

 

„Sie müssen entschuldigen, Sir. Es war keine Absicht“, stockte der Mann, „Ihr Grundstück unbefugt zu betreten. Ich muss mich verlaufen haben.“ Ächzend stützte er seine gebeugte Haltung am Boden ab, doch wurde er unverzüglich am Hemdkragen gepackt und auf die Beine gezogen. Es erschreckte ihn, als er den Blick hob und in ein Gesicht blickte, das bedrohlicher nicht sein konnte.

 

„Verlaufen?“, wiederholte Draco wortkarg. Er war nicht der Typ, der lange Reden schwang. Für ihn zählten klare Antworten.

 

„Das sagte ich, ja.“

 

Wollte er Draco zum Narren halten? Ihn vorsätzlich verarschen? „Ihnen ist aber bewusst, dass man mein Haus nicht einfach so finden kann?“

 

„Sir, wenn... wenn es Sie so sehr stört, werde ich unverzüglich gehen, nachdem... Nun ja, nachdem Sie mich loslassen.“ Der Mann wirkte eingeschüchtert, aber noch hatte er die Kraft, sich wahrheitsgemäß zu erklären. Seit mehr als zwei Stunden irrte er umher, bis er das pompös wirkende Anwesen entdeckte und sich Zuflucht erhoffte. Hätte er geahnt, in welch Katastrophe er geraten würde, hätte er sich zweimal überlegt, das Grundstück durch das emporragende Gatter zu betreten.
 

„Sie wollen gehen?“, wollte Draco herausfordernd wissen. „Ich muss Sie enttäuschen, denn Sie werden sicher nirgendwo hingehen“, schleuderte er dem verzweifelten Mann entgegen, dessen Augen zusehends größer wurden. Ferner festigte er den Griff um den weißen Hemdkragen des Mannes, um ihm anschließend in die untere Ebene des Hauses zu zerren – hinab in die Kerker und es überraschte Draco ein wenig, dass der Unbekannte sich widerstandslos mitziehen ließ. Kein Wort verließ mehr seine Lippen. Keine Bettelei, keine Anspielung, dass Draco doch Erbarmen haben sollte. Nein, nichts. Im weiteren Verlauf drangen sie immer tiefer in Malfoy Manor ein, bis sie mehrere Zellentüren erreichten. Gleich die erste öffnete Draco, um den Mann angewidert hineinzustoßen, bevor er die Tür ins Schloss feuerte und selbst von sich genervt den Kopf schüttelte, hinsichtlich seines brutalen Vorgehens.
 

Aber wie konnte der Mann es auch wagen, hierher zu kommen? Merlin, der ehemalige Slytherin-Schüler bräuchte einen doppelten Scotch, ehe er sich mit weiteren Gedanken beschäftigen konnte. Außerdem müsste er darüber nachdenken, wie er weiter verfahren sollte. Ob er den Einbruch anzeigen sollte? Aber womöglich würde dies im Sande verlaufen, weil das Ministerium – gerade nach dem Krieg – dazu neigte, Muggelvergehen in der Zauberwelt freizusprechen. Des Weiteren plagten ihn die Gedanken, als er das Studierzimmer betrat – das einst seinem Vater gehörte – und nach der Kristallkaraffe griff, ob dieser Mann in den Kerkern vielleicht Familie hatte?

 

Missgestimmt presste er das Glas gegen seine Stirn, um es anschließend in seiner Hand hin und her zu schwenken, während er die schwappende Flüssigkeit darin beobachtete. Was, wenn es stimmte und der Mann tatsächlich vermisst wurde? Am Ende würde man ihn suchen, oder gar bei dieser Polizei melden, die eine ähnliche Funktion hatte wie Auroren. Oh ja, Draco wusste, wofür Polizisten in der Muggelwelt zuständig waren. Muggelkunde zahlte sich aus, obwohl er nie daran geglaubt hätte. Aber auch das war auf den Misthaufen seiner eigenen Mutter gewachsen, die darauf bestanden hatte, dass Draco alle Fächer belegte. Es würde so gut aussehen, hatte sie gesagt, wenn er alle Fächer mit Auszeichnung bestand. Nun, er hatte ihr den Wunsch erfüllt und Hogwarts mit Bestnoten abgeschlossen. Selbst in Mugglekunde erhielt er eine Auszeichnung, wenngleich er es als Farce empfand – was nicht alleine am Fach lag, sondern auch an Granger...

 

Granger...

 

Zum ersten Mal, seitdem er sie zuletzt gesehen hatte, dachte er wieder über sie nach. Dieses Biest hatte sich ungefragt Zutritt zu seinen Gedanken verschafft und Draco fragte sich, ob sie überlebt hatte? Aber mit Sicherheit hatte sie den Krieg überlebt... Wer war schon zäh genug, all die Strapazen zu überstehen, denen sie ausgesetzt gewesen war? Richtig, das schaffte nur sie, obwohl ihr Selbstbewusstsein nie sonderlich gut ausgeprägt war. Es wunderte ihn jedoch, dass man über Granger nichts las. Lediglich über Potter hatten die Zeitungen geschrieben. Sie waren mit seinem Namen vollgeschrieben. Überall hörte oder las man etwas über das Narbengesicht, das seit Wochen im Koma lag, aufgrund eines Angriffes. Was genau er hatte, darüber wurde nur spekuliert, aber insgeheim glaubte man, dass er die Folgen des Angriffes nicht überleben würde. Einige waren sogar davon überzeugt, dass Potter bereits tot war und man die Gesellschaft über seinen Zustand im Dunkeln tappen lassen würde. Draco selbst war es egal, was aus dem Narbengesicht wurde. Er war bloß dankbar, dass diese Tyrannei ein Ende gefunden hatte. Allerdings war er der Meinung, dass es nur Grangers Intelligenz zu verdanken war, dass Potter überhaupt eine Chance gegen den dunklen Lord hatte. Das Schlammblut war das Gehirn der gesamten Operation, dessen war sich Draco sicher und zollte auch ihr insgeheim Respekt, hinsichtlich des Umstandes, dass sie Willensstärke bewies und sich angesichts der Präsenz des dunklen Lords nie einschüchtern ließ. Das war's aber auch schon...

 

Darüber hinaus hasste er Granger. In allem musste sie immer die Beste sein. Sie wollte in allem glänzen, was sie tat, egal wie der Weg auch aussähe – Granger ging ihn. Wenigstens war er ihr einen Schritt voraus, denn im Gegensatz zu ihm, hatte sie ihren Abschluss nicht machen können. Nein, sie schloss ihr letztes Schuljahr nicht ab, da sie mit Potter und... und dem impertinenten Wiesel auf der Jagd war... Pah, sie warf alles weg, um letztendlich nichts zu erreichen und dabei war ihr ihre Schulbildung doch so wichtig gewesen... Und noch etwas regte ihn zwischen all den Gedanken auf: dass er Granger tatsächlich lobte. Es war kaum zu glauben, aber sie war außergewöhnlich. Nicht vom Äußerlichen her, sondern von ihrer Art und ihrer Abstammung. Ja, Granger stammte von Muggeln ab. Von abstoßenden, widerwärtigen Muggeln – wie der Mann, der in einem der Kerker saß und auf Dracos Absolution wartete. Auch er war ein elender Muggel, ja.
 

Schluss damit. Er sollte nicht weiter über Schlammblüter nachdenken und lieber das Problem, das in seinen Kerkern saß, in Angriff nehmen. Das war wichtiger und sollte seine oberste Priorität sein.

 

„Brisko!“, knurrte Draco folglich in die Stille, woraufhin der kleine Elf vor ihm erschien und sich ehrfürchtig vor seinem Herren verneigte. Erschreckend kam hinzu, wie sehr es den jungen Malfoy anwiderte, dass seine Elfen in diesen zerlumpten Kissenbezügen herumrannten, aber das war nun einmal der Stand eines Hauselfen. Sie waren die niedersten Wesen in ihrer Gesellschaft, was sich anhand ihrer Kleidung deutlich herauskristallisierte. Verblüffend eigentlich, da Elfen über magische Fähigkeiten verfügten, von denen Hexen und Zauberer nur träumen konnten.

 

„Herr, Ihr habt Brisko gerufen?“, erwiderte der alte, verhärmte Elf unterwürfig.

 

„Wir haben einen... einen Gast. Sieh zu, dass er Wasser und Brot bekommt. Sonst nichts.“ Er musste Brisko nicht sagen, wo er den Muggel finden würde. Seine Äußerung, dass er nur Wasser und Brot bekäme, genügte, um den Elf wissen zu lassen, wohin er das recht karge Essen hinzubringen hatte.

 

Aber Draco“, zischte seine Stimme parallel. „Du bezeichnest diesen Muggel als Gast? Du lässt ihm Wasser und Brot zukommen? Das sind ganz neue Töne, oder tust du das, um dein Gewissen reinzuwaschen?“

 

Verdammte Hippogreifkacke, nein. Das tat er nicht, um sich oder sein Gewissen zu beruhigen. Aber er wollte einfach keine Leiche im Keller vorfinden, wenn er nach unten käme und seit wann nervte ihn diese Stimme so sehr? Draco war sogar von sich aus bereit, ihn gehen zu lassen, ohne das Zutun dieser inneren Stimme – nachdem der Mann begriffen hatte, dass man sich niemals ungestraft mit einem Malfoy anlegte und schon gar nicht ohne jegliche Konsequenzen sein Grundstück betrat. Nachdem Brisko verschwunden war, machte sich auch Draco auf den Weg nach unten, doch ehe er die Tür zum Verlies öffnete, beschwor er einen ansehnlichen Stuhl herauf. Danach ließ er mithilfe seines Zauberstabes, der die ganze Zeit in seinem schwarzen Blazer versteckt war, die Tür klicken und betrat die düstere Zelle. Recht schnell gewöhnten sich seine grauen Augen an die Dunkelheit, was er nutzte und den Raum absuchte. Weiter hinten an der Wand, an der eine Pritsche an Ketten angebracht war, entdeckte er schlussendlich den Mann, der gekrümmt darauf lag und die Wand anstarrte.

 

Unterdessen näherte Draco sich dem Mann, während er seinen Stab zurücksteckte und über den Blazer strich, der sich unheimlich matt anfühlte. Allerdings war das weniger primär, stellte er fest, als er den Stuhl vor die Pritschte stellte und seine Masse darauf niederließ. Abschließend spreizte er seine Beine, um dort seine nach unten hängenden Arme zu platzieren. Kurz neigte er seinen Kopf nach unten, um dem Mann die Möglichkeit zu geben, ihm endlich die Wahrheit zu sagen, doch schlug er die Gelegenheit aus, indem er konsequent schwieg.

 

„Sie sollten endlich reden. Ansonsten werde ich deutlicher. Haben wir uns verstanden?“

 

Draco, woher diese Förmlichkeit? Vorhin hast du ihn noch geduzt“, erwähnte die unnötige Stimme amüsiert.

 

Kopfschüttelnd versuchte er die nervtötende Stimme in die hinterste Ecke seines Hirns zu zwängen. Gleichzeitig beobachtete er den Mann dabei, wie er sich umdrehte, sich aufrecht hinsetzte und ein Foto neben sich legte. Anschließend hob er seinen Blick, um in die kalten, dunklen, silbernen Malfoy-Augen zu sehen. „Sir, ich kann Ihnen nur das sagen, was ich eben versucht habe zu erklären. Ich... Ich habe mich im Wald verirrt und bin scheinbar immer tiefer eingedrungen“, antwortete er mit feuchten Augen, wonach er seine fahrigen Finger über das neben sich befindliche Foto legte.

 

„Sie lügen, aber ich gebe Ihnen noch eine Chance.“

 

„Wieso glauben Sie mir nicht?“ Der Fremde nahm es mittlerweile gelassen. Sein Blick war, im Gegensatz zu seinem Gegenüber, nicht angriffslustig, sondern neutral und neugierig. Seine erwartungsvollen blaugrünen Augen starrten nach wie vor auf den blonden Jungen.

 

„Woher kommen Sie?“, überging Draco die Frage und knetete währenddessen seinen linken Handrücken. Indessen musterte er die Kleidung des Mannes, die keinesfalls heruntergekommen aussah. Nein, sein Hemd war blütenweiß, das Jackett und die Hose sauber. Einzig die Schuhe machten einen mitgenommenen Eindruck, was wohl daran lag, dass der Mann eine weite Strecke zurückgelegt hatte.

 

War es vielleicht doch möglich, dass der ältere Herr die Wahrheit sagte und sich gar nicht an Dracos Besitztümern bereichern wollte? Nein, das war schwachsinnig. Menschen waren böse, niederträchtig und selbstsüchtig. Jeder würde die Chance nutzen, auch dieser Mann. Ganz bestimmt.

 

„Ich lebe in London und besuche zurzeit jemanden. Eigentlich bin ich Zahnarzt, doch habe ich mir eine kleine Auszeit gegönnt“, plauderte er bereitwillig, zugleich aber sehr traurig. Man konnte anhand seiner heiseren Stimme deutlich heraushören, dass er geweint hatte.

 

Ein Zahnarzt? Aus London? Wie witzig. Hatte Granger nicht einmal in Muggelkunde erwähnt, dass ihre Eltern ebenfalls Heiler für Zähne waren? Ja, mehrmals hatte sie davon erzählt. Merlin, was er noch alles über Granger und ihre Ausführungen wusste, bezüglich der Tätigkeit ihrer Eltern. Das war ja schrecklich. Das rührte sicherlich daher, weil sie zu viel miteinander zu tun hatten. Sie stritten sich nämlich täglich – zu jeder sich bietenden Gelegenheit. War es auch nur, wenn sie sich über den Weg liefen. Selbst dort hatten sie immer wieder Gründe gefunden, sich zumindest böse anzufunkeln.

 

„Und weiter? Sie wollen mir doch nicht weismachen, dass Sie beruflich in Wiltshire sind, oder?“ Immerhin behielt er dahingehend recht, dass der Mann vor ihm ein Muggel war. Aber was suchte er in Wiltshire? Und wieso fühlte sich Draco in der Gegenwart dieses unbekannten Mannes unwohl? Hielt er etwa einen Menschen gefangen, der in Wirklichkeit keiner Fliege etwas antun konnte?

 

„Nein, ich besuche meine Schwester.“ Derweil hatte er das Foto auf seinen Schoß gelegt, worauf sein Blick nun gerichtet war. Er verzog kaum merklich den Mund, weil er sich bemühte, nicht erneut in Tränen auszubrechen.
 

„Ihre Schwester?“ Scheiße, das war ein Problem. Nicht nur, dass er sich um diesen Mann kümmern musste. Jetzt stellte sich noch heraus, dass Draco sich auch um die Schwester kümmern müsste. Ob der heutige Tag noch beschissener werden konnte? Na ja, Draco bezweifelte es, doch bei seinem Glück würde er sich besser nicht zu weit aus dem Fenster lehnen. Stattdessen sollte er zusehen, diese Schwester ausfinden zu machen, um ihr gegebenenfalls einen Gedächtniszauber aufzuerlegen, in Anbetracht des Aufenthaltes ihres Bruders auf Malfoy Manor. Schließlich wusste Draco noch nicht, wie lange sein Gegenüber hier verweilen würde. Aber, und das war entscheidend, wo bekam er Informationen über die Frau her? „Das nächste Dorf ist einige Meilen von hier entfernt. Kaum vorzustellen, dass ein Mann in Ihrem Alter einen derart weiten Weg zurücklegt.“
 

„Worauf wollen Sie hinaus?“

 

„Darauf“, begann Draco knurrend, „wie es Ihnen gelingen konnte, meinen Landsitz zu finden? Im Umkreis von zehn Meilen werden Sie kein Haus finden.“ Oder etwa doch?

 

„Sie irren sich, Sir. Sie können gerne mit mir kommen, um sich vom Gegenteil zu überzeugen?“

 

„Kein Interesse.“ Nein, auf diesen linken Trick würde Draco nicht hereinfallen. Der Mann schlug ihm die Alternative bloß vor, um sich anschließend aus dem Staub zu machen. Zumindest wusste er nun, in welcher Reichweite er nach der Schwester zu suchen hatte. Vorerst musste er jedoch noch mit dem Mann Vorlieb nehmen, der anscheinend keine Angst mehr hatte. Im Vergleich zu eben, als er ihn ins Haus gezerrt hatte, war er selbstbewusster geworden. Von seiner vorherigen Angst, die sich in den blaugrünen Augen herauskristallisiert hatte, war nichts mehr zu sehen und das machte Draco wahnsinnig, da er seine eiskalte Maske trug und der gewünschte Effekt ausgeblieben war. Stattdessen besaß der Muggel die Dreistigkeit, Draco Gegenfragen zu stellen.

 

Außerdem fragte sich der jüngere der beiden Männer, was auf dem Foto abgebildet war, aber er würde bestimmt nicht danach fragen. Nein, er wollte kein Interesse zeigen. Anstelle dieser Frage wollte er jedoch etwas anderes wissen. „Haben Sie keine Angst vor mir?“ Das wollte er wirklich wissen.

 

„Sollte ich?“, stellte er abermals eine Gegenfrage.

 

„Ja, das sollten Sie. Ich bin kein Mensch, der Nettigkeiten verteilt.“ Unbewusst drückte er seine Handinnenflächen gegen seine Knie, doch verschaffte diese Haltung ihm nicht das, was er sich erhoffte. Nein, seinen Zorn hatte er nicht kompensieren können. Statt sich mithilfe dieser Positur zu beruhigen, wurde seine Wut noch mehr geschürt, angesichts der fehlenden Angst dieses Mannes.

 

„Bedauerlicherweise machen Sie keinen aggressiven Eindruck, junger Mann. Denn wenn Sie mir etwas antun wollen würden, hätten Sie doch längst etwas unternommen, nicht wahr?“ Der Eindringling streckte seinen Rücken durch, wodurch er auf gleicher Höhe wie Draco saß. „Sie würden sich nicht die Zeit nehmen, Informationen über mich zu sammeln. Übrigens“, fuhr er nahtlos fort und bestaunte die Räumlichkeit, „ist es erstaunlich, dass es noch Menschen gibt, die einen Kerker im Haus haben – sehr mittelalterlich.“

 

„Reden Sie sich diesen Blödsinn ein, um die Angst zu verbergen, ja?“ War das der Grund, weshalb der Mann so ruhig blieb? „Ansonsten müsste Ihnen klar sein, dass ich Informationen sammle, um diejenigen, die mit Ihnen zu tun haben, zeitnah auszulöschen. Ich tue das, um einer möglichen Strafe zu entkommen und trage gleichzeitig dazu bei, dass sowohl Sie, als auch nahestehende Personen unbemerkt verschwinden.“ Dass er nebst Kerker einen Keller besaß, erwähnte Draco nicht. Er sah nicht ein, sich vor dieser Person zu rechtfertigen, zumal der Keller auf Malfoy Manor von Lucius' als Tränkelabor benutzt worden war. Zu Hauff hatten sich Tränke, Salben und Tinkturen in den Regalen befunden. „Was lässt Sie demzufolge denken, dass ich Ihnen kein Leid zufüge? Es wäre vermessen, sich hier sicher zu fühlen.“

 

„Das... Das könnte natürlich auch möglich sein.“

 

Merlin, er hätte dem Mann einen Hieb verpassen sollen. Dann wäre Ruhe gewesen, aber nein, er musste sich mit ihm und seiner übermütigen Art auseinandersetzen. Allerdings sah er die Selbstsicherheit des Mannes schwinden, nachdem er Dracos Worten gelauscht hatte. Tja, am Ende siegte ein Malfoy immer, der sein Gesicht stets wahren und hinter einer perfekt einstudierten Maske verbergen konnte. „Das ist so, denn Sie sind hier in deutlicher größerer Gefahr als anderswo. Seien Sie sich sicher.“ Was Dracos Wut anging, stimmte das auch. Im Moment fühlte er sich, als würde man ihn erdrücken, ihn zwischen Wänden einklemmen, die mit rasanter Geschwindigkeit auf ihn zugerast kamen und dabei hatte er noch nicht einmal die schweren, unsichtbaren Ketten berücksichtigt, welche sich um seinen Körper schlangen und zu Boden reißen wollten.
 

„Sir, ich bitte Sie. Begleiten Sie mich zu meiner Schwester. Sie lebt gleich hinter dem Wald. Aus diesem Grund habe ich Ihr Herrenhaus entdecken können“, erklärte der betuchte Mann resigniert, weil er wusste, dass Draco ihn nicht gehen ließ, aber die Hoffnung aufgeben würde er auch nicht.

 

Verdutzt hob sich Dracos rechte Augenbraue. Wieso sollte dieser Mann ihm die Wahrheit sagen? Warum war ihm dieses Haus nie aufgefallen? Womöglich, weil Lucius ihm nie erlaubt hatte, die Ländereien von Malfoy Manor zu verlassen – sein Vater war strikt dagegen, dass sein Sprössling in Kontakt mit Muggelkindern kam. Allerdings war der kleine Malfoy immer sehr neugierig gewesen und natürlich hatte er das eine oder andere Mal einen Rundflug über das Land gewagt – heimlich und vor allem nachts. War das Haus demnach so klein, dass er es nicht fand? Lebte die Schwester alleine? War sie sehr viel älter als der Mann oder deutlich jünger?
 

Fragen, die Draco beantwortet haben wollte.

 

Aber Sekunde. Er könnte sich die Fragen alle selbst beantworten, wenn er Legilimentik anwandte. Er beherrschte die Technik. Aber wollte er das? An den Gedanken dieses Mannes teilhaben? Eigentlich nicht. Nein. Er müsste auch nicht auf jede Frage eine Antwort erhalten. Ihm war das Haus eben nie aufgefallen. Punkt. Die Schwester könnte er ohne dessen Gedanken finden, da sich nicht allzu viele Häuser hier befanden – schon gar nicht in seiner Nähe.
 

Trotzdem regte er sich ein wenig über sich selbst auf, da er all die Strapazen hätte umgehen können, wenn er sofort auf Legilimentik zurückgegriffen hätte. Na ja, jetzt war es auch egal gewesen. Schlussendlich wusste er genug, um die Schwester ausfindig zu machen und das war maßgeblich. Ohne dem Fremden weitere Fragen zu stellen, erhob er sich vom Stuhl, ließ diesen stehen und marschierte zur Tür, doch bevor er sie öffnete, sah er ein letztes Mal über seine Schulter. Der Eindringling saß noch immer auf der Pritschte, aber er hatte schon wieder nach dem Foto gegriffen, das er wieder anstarrte, woraufhin Draco verwirrt die Kerker verließ.
 

Die Ruhe dieses Mannes hatte ihn irritiert. Zwar bemerkte er die Angst des Mannes, die er vor dem blonden Malfoy-Erben hatte, aber doch strahlte er Souveränität aus – eine Gelassenheit, die Draco unheimlich war, weil er in einer ähnlichen Situation niemals so... abgeklärt reagiert hätte.

 

Während er sie Stufen nach oben erklomm, die ihn in die Eingangshalle führten, rief er nach seinem Hauselfen, der daraufhin neben ihm erschien und sie gemeinsam den Weg nach oben marschierten. „Bring mir meinen Umhang, Brisko.“

 

„Gewiss, Herr. Benötigt Ihr sonst noch etwas, das Brisko Euch bringen kann?“

 

„Nein“, entgegnete er und sah zu dem alten Elfen hinab, in dessen Haltung er unendliche Furcht erkannte. „Das wäre alles.“ Und er verachtete Lucius abermals – dafür, dass die Elfen so scheu und ängstlich zurückwichen, sobald Draco einen Wunsch äußerte. Aber das war schon immer so... Elfen wurden wie Ungeziefer behandelt. Draco kannte es gar nicht anders und doch störte es ihn. Zumal er so oft an Dobby hatte denken müssen. Dobby war es immer, der auf den kleinen Draco aufpassen musste, mit ihm spielte und ihm lesen beibrachte... Merlin, er hatte diesen Elfen so gemocht. Indessen war Brisko verschwunden, ehe er einige Sekunden später vor seinen Herren appariert war, um ihm seinen schwarzen Umhang zu reichen. Anschließend warf er ihn sich über, zog die Kapuze tief in sein Gesicht und disapparierte vor den Augen des Elfen.

Die Abmachung


 

- Kapitel vier -

 
 

Jeden Baum hatte Hermine umrundet, jeden Stein herumgedreht, doch fand sie ihren Vater nicht, was für sie jedoch unerheblich war. Die junge Frau würde ihre Suche von vorne beginnen, bis sie erfolgreich wäre. Sie würde erneut jeden Winkel absuchen. Selbst die einkehrende Dämmerung hatte sie nur dezent einschüchtern können. Schließlich war sie eine Hexe und im Besitz eines Zauberstabes, den sie aus ihrer Jacke entnahm und die Spitze entzündete. Die helle Stabspitze würde ihr den weiteren Weg hell erleuchten. Allerdings war das nach wenigen hundert Meilen gar nicht mehr nötig, aufgrund der Lichtung, die Hermine rasch erreichte. Voller Euphorie war sie der Helligkeit entgegen gerannt, welche die Sterne auf die Landschaft warf, doch erstarrte sie sogleich, nachdem sie den Waldrand hinter sich gelassen hatte und stur nach vorne blickte – wie töricht sie war, einfach die Wiese zu betreten. Dabei wusste sie doch, was in Bambi passiert war...

 

Die Jäger im Film assoziierte sie mit Todessern, aber die Meute, die Voldemort gefolgt war und überlebte, saß in Askaban, verflixt. Das musste sie endlich begreifen, um sich nicht weiter von diesen Gedanken ängstigen zu lassen. Schnaubend, dennoch umsichtig, betrat sie die Wiese und entdeckte etwas abseits ein Haus – ein kleines Haus, das einer Stallung glich.

 

Ihr stoischer Blick glitt weiter und obzwar sie nie Wert auf materiellen Reichtum legte, klappte ihr Mund auf, als sich das, was sich vor ihr erstreckte, in voller Pracht entfaltete. Offenbar befand sie sich hinter dem riesigen Anwesen, dessen sieben Türme emporragten. Vorsichtig näherte sie sich dem schwarzen Eisenzaun, wo sie nach einem kleinen Gatter suchte, das sie ebenfalls nach wenigen Minuten fand und öffnete. Bedächtig umging sie die Stallungen, sie erspähte die weiße Fassade des Hauses und blickte zum Dachfirst hinauf. Daneben schossen die schwarzen Turmspitzen in die Luft, die Hermine eine Gänsehaut bereiteten – so furchterregend sah es aus. Noch mehr widerte sie der Gedanke an, dass hier womöglich reiche Menschen lebten, die oft dazu neigten, arrogant zu sein.
 

Die Wiese, rund um das Anwesen, war akkurat geschnitten, überall waren Rosenbüsche gezüchtet worden, die das Gesamtbild vermutlich abrunden sollten. Hermine räumte den fremden Menschen, die hier lebten Geschmack ein. Allemal. Alles wirkte protzig, pompös und doch elegant. Vor den Büschen stolzierten mehrere weiße Pfauen über einen perfekt angelegten Kiesweg, der zur vorderen Seite des Hauses führte. Ob sie zur Tür gehen sollte? Unbedingt. Vielleicht hatte man ihren Vater gesehen? Vielleicht bestand sogar die Möglichkeit, dass ihr Vater Zuflucht gefunden hatte?

 

Ja, sie sollte wirklich nachfragen. Eilig trugen ihre Füße sie zum Kiesweg, der unheilvoll unter ihren Schuhen knirschte, aber das interessierte Hermine herzlich wenig und bevor sie um die Ecke verschwand, sah sie noch einmal nach hinten zu den Stallungen, in die sie gerne hineingesehen hätte. Was sich dort wohl für prächtige Tiere befanden? Ja, das hätte sie gerne gewusst, aber ihr Vater war von viel größerer Wichtigkeit.

 

Vorne angekommen, gab es schon wieder dutzende Gründe, die dazu geführt hätten, ihren Mund zu Boden knallen zu lassen. Vor dem Anwesen umrundete der Weg einen großen, marmornen Springbrunnen, dessen Wasserfontänen hoheitsvoll nach oben sprangen, ehe sie der Schwerkraft nachgaben und klangvoll ins Wasser plätscherten. Dicht neben dem Weg – der weiter zu einem gigantischen schwarzen Tor führte – waren Narzissen und Rosen angepflanzt worden, die auch hier das Gesamtbild geschmackvoll abrundeten. Tja, aber wer genügend Geld besaß, der konnte auf diese Kleinigkeiten Wert legen – anders als Hermine, die für ihren Erfolg hart arbeiten musste und letztendlich doch nichts erreicht hatte...

 

Aber hier... Hier zeugte alles von Wohlstand und Eitelkeit. Aber man musste denjenigen die Eitelkeit überlassen, die sich durch nichts anderes hervorheben konnten. Ja. Rasch huschte sie weiter zur Tür, doch blieb sie wieder stehen – vor einer kreisrunden Treppe, die scheinbar nur prädestinierten Menschen erlaubte, sie zu betreten. Aber Überraschung. Auch das war Hermine egal.

 

„Was ein Unsinn, Hermine“, schimpfte sie mit sich selbst. „Einer Treppe ist es genauso egal, wer sie betritt.“ Im Anschluss bestieg sie die Treppe, ehe sie gegen das große Eingangsportal klopfte und... wartete.

 

Geduldig wartete sie. Etwas, das sie noch nie konnte. Schon in Hogwarts nicht. Schon dort hatte sie immer versucht, den Professoren die Zensuren ihrer jeweiligen Prüfung zu entlocken, was ihr bisher noch nie gelungen war.
 

Währenddessen wechselte sie ununterbrochen ihr Standbein, mit ihren Schuhspitzen tippte sie nervös auf den Boden und noch immer wartete sie, dass die Tür geöffnet wurde. War vielleicht niemand zuhause? Aber vielleicht wurde sie auch nicht gehört? Es könnte auch möglich sein, dass die Besitzer des Hauses ganz oben in einem der Türme waren, oder? Schwer atmend entschied sie, nochmals gegen die Tür zu klopfen – dieses Mal etwas fester, wodurch die Tür aufklickte und das Holz geräuschlos nach innen schwang. Im selben Moment schreckte ihre Hand nach hinten, ein unangenehmer Schauer lief über ihren Rücken, während sie der Dunkelheit im Innern des Hauses entgegensah.

 

Verrückt... Alles strotzte vor Wohlstand und doch öffnete sich die Tür? Das musste doch eine Falle sein und trotz dessen, dass sich Hermine darüber bewusst war, berührten ihre Finger das dunkle Holz, bevor sie in die Dunkelheit trat und erschauderte. Hier drinnen war es kälter als draußen, oder wirkte bloß die Atmosphäre kühl, die automatisch Besitz von ihren Instinkten ergriff?

 

„Hallo?“, hauchte sie und betrat parallel den weichen Teppich, der zur Mitte führte, in welcher zwei prunkvolle Treppen thronten, die in einer Empore mündeten und von dort weitere Treppen in die obersten Stockwerke verliefen. „Hallo? Ist jemand hier?“, rief sie etwas lauter und näherte sich der Treppe, an deren Absatz Steinfiguren standen. An der rechten Wand befand sich – klein und unscheinbar – eine verschlossene Holztür, die offensichtlich von dem zurückgeschobenen Vorhang verdeckt werden sollte. Mit einem mulmigen Gefühl im Magen entfernte sie ihre Hand vom Treppengeländer und starrte zur Holztür, die ihr keine Ruhe lassen wollte, aber sie war schon immer der Typ Mensch gewesen, der pragmatisch vorging. Sie würde sich von unten nach oben arbeiten und darauf hoffen, dass sie bereits im Keller auf die Eigentümer dieses Schlosses traf, wenngleich ihr Bauchgefühl Alarm schlug und darauf pochte, nicht den Keller aufzusuchen, geschweige denn unbefugt ein Haus zu betreten. Aber... Aber sie musste doch nach ihrem Vater suchen und jede Möglichkeit in Betracht ziehen, weshalb eine deduktive Handlungsweise ausgeschlossen war.

 

Stockend fokussierte sie die Holztür, griff – nachdem sie diese erreichte – nach der Klinke und verschwand dahinter. Mit Argusaugen beäugte sie den Raum den sie nach mehreren Treppenstufen vorfand und wieder war die wissbegierige Hermine fassungslos. Sie stand in einem Kerker, der in mehrere Zellen unterteilt worden war.

 

„Hallo?“ Sie glaubte nicht, dass sie hier jemanden finden würde, was sie umso erschrockener zurücktreten ließ, als plötzlich ein leises Röcheln in einer der Zellen zu vernehmen war. „Hallo? Ist hier jemand?“ Überdies drehte sie sich zu einer Fackel, die den Raum nur spärlich beleuchteten. Auf Zehenspitzen entnahm sie die Lichtquelle aus ihrer Fassung, ehe sie zurück zu den Holztüren sah, in die am unteren Ende ein kleines Fenster mit Gitterstäben eingelassen war. „Hallo?“, rief sie nochmals.

 

„Hermine?“

 

Nein! Wahrlich, es hatte vielleicht zwei Sekunden gedauert, bis das angesprochene Mädchen realisierte, was gerade geschehen war, bevor sie bestürzt zu der ersten Tür eilte, wovor sie auf die Knie sank, die Fackel nach unten hielt und durch die Gitterstäbe hindurch sah.

 

„Papa?“, entkam es ihr entgeistert. Ungläubig versuchte sie ein Anzeichen auszumachen, das auf ihren Vater hindeutete und sie bekam es. Das blasse Gesicht von David Granger erschien, der auf Knien zur Tür gekrochen war. „Um Gottes Willen, Papa!“ Die Freude, ihren Vater gefunden zu haben, war enorm. Nicht jedoch der Ort, an dem sie ihn gefunden hatte, aber sie hatte ihn gefunden und das war wichtig, denn es verlieh ihr die Kraft, wieder rational denken zu können. „Was machst du hier?“

 

„Hermine, du... du musst sofort gehen!“ David durfte nicht viele Worte verlieren. Stattdessen musste er seine einzige Tochter auffordern, diesen Ort schnellstmöglich zu verlassen.

 

Anstatt auf seine Bitte einzugehen, schnellte Hermines Hand durch die Gitterstäbe, um nach seiner Hand zu greifen. „Deine Hände sind eiskalt“, flüsterte sie, während sie die eisige Hand ihres Vaters zu ihrer Wange führte, um sie ein wenig aufzuwärmen.

 

„Das ist nicht wichtig. Bitte verschwinde von diesem schrecklichen Ort.“

 

Wer wagte es, ihren Vater einzusperren? Was rechtfertigte diese abnorme Handlung überhaupt? „Nur mit dir gemeinsam. Ich werde dich jetzt aus diesem Gefängnis holen.“ Sie klang wild entschlossen, während ihre Augen nach dem Schloss der Tür suchten.

 

„Nein!“, schnaufte der ältere Mann. „Das darfst du nicht“, fügte er erbarmungslos hinzu und nun war er es, der entschieden nach Hermines Hand fasste. „Du musst gehen. Jetzt, Hermine. Mach schnell.“

 

„Wer hat dir das angetan?“, fragte sie stattdessen, ohne seinen dringlichen Wunsch zu erfüllen. Ihr war es schleierhaft, was dazu führen konnte, ihren Vater in einen verdreckten, modrigen Kerker zu sperren. Es interessierte sie auch nicht, da es menschenverachtend war, unter welchen Bedingungen ihr Vater hier verweilen musste. Indessen streifte sie die braune Jacke über ihre Schulter, die sie achtlos zu Boden warf und auf ihre Beine zurückkam. Skeptisch musterte sie weiterhin das Schloss, auf das sie ihren Zauberstab richtete und auf die Antwort ihres Vaters wartete.

 

„Bitte Hermine. Ich bitte dich inständig. Verlasse endlich diesen Ort.“

 

Alohomora!“, wisperte sie der Tür entgegen, aber es passierte nichts. Aber warum? Hatte sie undeutlich gesprochen? Vorsichtshalber rüttelte sie auch am Knauf, doch blieb das Holz eisern verschlossen. „Alohomora!“, wiederholte sie, darauf bedacht, sehr deutlich zu sprechen. Sie vollführte erneut die Prozedur, aber noch immer gab die Tür nicht nach. „Ich verstehe das nicht. Wieso geht die Tür nicht auf?“, entfuhr es ihr aufgebracht, aufgrund des hartnäckigen Widerstands.

 

„Hermine! Zum letzten Mal. Geh endlich!“ Seine Stimme klang flehentlich, sein Ausdruck war müde. Nichts war mehr von dem Zahnarzt zu sehen, der seine Patienten stets mit einem Lächeln empfing – um ihnen die Angst zu nehmen. Eine Devise, die seine Tochter so sehr an ihm bewunderte, denn selbst der störrischste Patient hatte ihm immerzu ein Lächeln entlocken können.

 

„Nein, ich werde dich nicht verlassen.“
 

„Du musst!“, drängte David nach wie vor.

 

„Nein, Dad!“, erwiderte sie entschlossen. „Ich werde nicht ohne dich gehen. Und jetzt geh zur Seite. Ich werde die Tür aufsprengen. Sie scheint nämlich zu klemmen.“ In ihrem Blick lag eiserne Entschlossenheit. Nichts würde sie von dem Vorhaben – ihren Vater zu befreien – abbringen können. Sie trat, ebenso ihr Vater, ein wenig nach hinten, zog ihren Zauberstab und richtete ihn zielsicher auf das Türschloss. „Bomarda Maxima!“ Der Fluch entzündete sich, verließ die Spitze ihres Stabes und schlängelte sich in unaufhaltsamer Geschwindigkeit nach vorne – geradewegs zum Türschloss. Gebannt sah Hermine dem flackernden Licht nach, doch musste sie mit geweiteten Augen mit ansehen, wie ihr Fluch – bevor er aufprallen konnte – von einer unbekannten Macht abgewehrt wurde, woraufhin sie ihre Arme vor ihr Gesicht hob. Allerdings war der Schutzzauber so gigantisch, dass die zurückgeschleuderte Druckwelle Hermine zu Boden riss. „Das... Das ist doch nicht möglich.“

 

Aber es war möglich... Hier lebten keine Muggel...

 

Hier... Hier mussten Hexen oder Zauberer leben, die mit allen Mitteln verhindern wollten, dass ein Gefangener flüchten konnte. Grundgütiger, das hätte Hermine nicht in ihren schlimmsten Albträumen erwartet.

 

 

 
 

~*~

 

 

Sachte schlug der Regen, der nach und nach einsetzte, gegen die großen bodenlangen Fenster des Anwesens und Draco war froh, rechtzeitig zuhause angekommen zu sein. Nur wenige Tropfen hatten den Weg auf seinen sündhaft teuren Umhang gefunden, den er unverzüglich von seinen Schultern streifte, ehe er eine Elfe zu sich rief, die ihn mitnahm und reinigen würde. Daraufhin ließ er seinen steifen Nacken knacken, um ein wenig Entspannung finden zu können, sobald er in seinem Zimmer ankam, aber sein Aufwand hatte sich gelohnt, obzwar die Arbeit anstrengend und belastend war. Allerdings wusste man schlussendlich, wofür man sich die Arbeit machte. Richtig, und er war erschöpft. Ein Gedächtniszauber war nie einfach. Man konnte so vieles falsch machen...

 

Mit einem Fingerschnips hatte er die Fackeln der Eingangshalle erleuchten lassen und gerade hatte er den ersten Schritt auf den langen Teppich gewagt, da fiel ihm schon die offen stehende Holztür auf...

 

Verflucht, wieso stand die Tür offen? Hatte er sie nicht geschlossen? Doch, Draco war sich sicher, sie geschlossen zu haben. Ob Brisko dem Mann etwas zu essen gebracht hatte? Aber das klang noch absurder. Seine Hauselfen waren – neben ihm und seiner Mutter – die einzigen Wesen, die in seinem Haus apparieren konnten. Dieses Faktum war Auslöser seiner Skepsis. Alarmiert hatte er die Tür anvisiert, bevor er sich ihr näherte. Draco war vorsichtig geworden, um Umgang mit Fremden. Er war wortkarger geworden, misstrauischer... Nicht jeder verdiente sein Vertrauen, weshalb er darauf achtete, nichts anzutreffen, womit er nicht gerechnet hätte. Umsichtig lugte sein Kopf um die Ecke, doch lag der Flur leer vor ihm.

 

Ob der Mann flüchten konnte? Niemals... Ein Muggel konnte seinem Zauber niemals entkommen und wäre er unerwarteterweise Zauberer gewesen, dann... dann hätte Draco ihn doch erkennen müssen.

 

Merlin, er bekam höllische Kopfschmerzen. Augenblicklich war seine rechte Hand zur Schläfe gewandert, mit der anderen hielt er seinen Zauberstab vor sich, während er die Stufen hinabstieg. Es wäre verdammt nochmal sehr ärgerlich, sollte dem Muggel tatsächlich die Flucht gelungen sein, da Draco ihn suchen müsste. Sein System, das ähnlich wie das in Gringotts funktionierte, hätte er komplett über Bord werfen können. Vorbei wäre seine Selbstsicherheit im Bezug auf ausgesprochene Schutzzauber, doch so weit dachte Draco nicht. Schon gar nicht jetzt, wenn seine Nerven blank lagen.

 

Stufe für Stufe ließ er hinter sich, doch je näher er kam, desto argwöhnischer wanderte seine Augenbraue in die Höhe, als er die Stimmen vernahm. So vorsichtig er auch gewesen war, aber er musste einen Zahn zulegen, sich den Kerkern nähern und nachsehen, wer in seinem Haus war. Des Weiteren konnte er eine weibliche Stimme erkennen, die ihm kurioserweise vertraut vorkam – als... als würde er die Person kennen.

 

„Warte“, zischte die weibliche Stimme, „ich werde versuchen, die Tür aufzuhobeln.“

 

„Das bringt doch nichts“, flüsterte Dracos Gefangener hustend zurück.

 

Und Draco hatte wirklich einen Grund zum Schmunzeln gefunden, obwohl ihm gerade das als letztes einfallen sollte. Viel mehr sollte ihm bewusst werden, endlich zu handeln, aber noch wog der junge Malfoy sich in Sicherheit. Aufhobeln würde nämlich gar nichts bringen, was auch dem männlichen Muggel aufgegangen war – anders sah es bei der Frau aus, die Draco – nachdem er sich hinter einer tragenden Säule verstecken konnte – ausgiebig musterte. Ihre braunen Haare waren zu einem Zopf geflochten, der ihren schmächtigen Rücken hinabfiel. Zusätzlich trug sie eine dunkelblaue Röhrenjeans, sowie einen schneeweißen Rollkragenpullover. Dicht neben ihr lag eine braune Jacke – vermutlich ihre. Die Frau war zierlich, von schlanker Figur, was recht ansehnlich war, doch Draco vergaß nicht, was gerade hier geschah.

 

Im Schatten geschützt, trat Draco um die Säule herum, verschränkte missmutig seine Arme und wartete darauf, was noch alles passieren würde.

 

Hermine, bitte. Jetzt geh doch endlich!“

 

Und genau jetzt brannten in Draco sämtliche Sicherungen durch. Seine verschränkten Arme sanken fassungslos zur Seite, seine grauen Augen wurden größer, die Wut in seinem Innern unbändiger. So viele Zufälle, im Bezug auf diesen Mann und die Frau konnte es gar nicht geben. Verdammte Axt. Der Mann, der Dracos Gefangener war, war tatsächlich Grangers Vater.

 

Tja, und entgegen jeder Erwartung, kniete vor seiner Kerkertür keine geringe als die große Hermine Granger höchstpersönlich. Es war fast zum Niederknien, aber auch nur fast. Ferner beobachtete er sie weiter, sah ihr dabei zu, wie sie einen spitzen Gegenstand – scheinbar ihren Zauberstab – vor sich hielt und eine Stange heraufbeschwor. Und genau das war Dracos Beweis. Diese Frau hieß Hermine, der Mann war ein Zahnarzt aus London und alleine der Zauberstab hätte Dracos Zweifel aus dem Weg räumen müssen, die ihn anfangs noch befallen hatten.

 

Ja, es war Granger.

 

Während Draco sich leise nach vorne wagte, überlegte er, wie sehr man vom Pech verfolgt werden konnte? Nannte man das, was gerade passierte Karma? Bestrafte man ihn, weil er immer ein verzogener Bengel gewesen war?

 

Und wenn schon. Es war sowieso egal, da das Kind bereits in den Brunnen gefallen war. Wichtiger war, nicht in Panik zu verfallen, sondern einen kühlen Kopf zu bewahren, die Kopfschmerzen zu verdrängen und Granger in ihre Schranken zu weisen. Selbstsicher hatte auch er unterdessen seinen Zauberstab gezogen.

 

„Das, Granger, wird dir gar nicht helfen.“

 

Keuchend schreckte Hermine nach oben – als wäre sie von etwas gebissen worden. Vor Schreck ließ sie die Fackel zu Boden fallen, welche – aufgrund der Feuchtigkeit auf dem Boden – augenblicklich erlosch und ihr die Sicht nach vorne nahm, woraufhin sie stotternd das Wort an ihr Gegenüber richtete. „Wer... Wer ist da?“

 

Zumindest war es ihr geglückt, ihren Zauberstab nach vorne zu heben.

 

„Ich rate dir dringend davon ab, deinen Zauberstab noch weiter zu heben.“ Vorbei waren die Nettigkeiten, sofern er jemals welche verteilt hätte, aber es reichte ihm endgültig.

 

Davon unbeeindruckt, hob sie weiteren ihren Stab und flüsterte: „Lumos!“ Wie schon im Wald flackerte erneut ihre Stabspitze auf, dessen Licht sie unweigerlich in das Gesicht entgegenhielt, das ihr gegenüberstand. Doch sogleich sie das Gesicht erkannte, desto entrüsteter entkam es ihr: „Malfoy!“

 

„Eine ganz blöde Idee“, grinste Draco, dessen Gesicht hell erleuchtet wurde. „Oder glaubst du wirklich, dass du mir in meinem Haus gefährlich werden kannst?“
 

Expell-“

 

„Anscheinend denkst du das wirklich.“ Galant vollführte Draco einen Zauber, woraufhin Grangers Zauberstab durch die Luft gewirbelt wurde, noch ehe sie ihren Spruch zu Ende knurren konnte und in Dracos Hand gelandet war. Unfassbar langsam ließ er das weiche Holz durch seine Finger streifen, während er zu ihr sah – hinüber in ihr abgeklärtes Gesicht. Jetzt war ihm auch klar, was auf dem Foto zu sehen war, welches ihr Vater in den Händen gehalten hatte. Mit Sicherheit war es ein Familienfoto.

 

Im Anschluss steckte er ihre mächtigste Waffe in seine Gürtelschnalle. Parallel dazu näherte er sich ihr gefährlich langsam und nur anhand seiner Schritte versuchte sie, inmitten der unheimlichen Dunkelheit seinen Standort auszumachen, da sie ihren Kopf hin und her wandern ließ.

 

„Malfoy“, wisperte sie, „was auch immer das soll: Ich sage dir, lass meinen Vater -“

 

„Und ich sagte dir, dass es eine blöde Idee ist, mich in meinem Haus anzugreifen und gehorchst du? Nein“, unterbrach er das starrsinnige Mädchen abermals.

 

„Wieso sollte ich? Du sperrst meinen Vater ein“, polterte Hermine wiederum erbost. Während ihr Gegenüber zielbewusst auf sie zukam, steuerte Hermine blind nach hinten gegen die Holztür, hinter der ihr Vater gefangen gehalten wurde. „Siehst du nicht, dass er in diesen kalten Gemäuern krank wird?“, fügte sie hinzu und deutete mit ihrer Hand hinter sich, nachdem ihr Vater hörbar hustete. Indessen hatte sie ihren Rücken unbewusst gegen das schwere Holz gedrückt, darauf hoffend, Malfoy zu entkommen, doch er hatte sie in die Enge getrieben, ihr keine Möglichkeit zur Flucht gelassen, weshalb sie ihre Angst in das hinter ihr befindliche Holz projizieren wollte, um mehr Selbstsicherheit auszustrahlen.

 

Dein Vater“, begann Draco daraufhin knurrend, schloss den Abstand zu ihr und platzierte seine Hände neben ihrem Kopf auf dem knarrenden Holz, „hat unerlaubterweise meinen Grund und Boden betreten. Niemand“, fuhr er nahtlos fort, „wird ungestraft meine Ländereien betreten.“ Was fiel diesem Schlammblut überhaupt ein, ihn zu maßregeln? War sie von allen guten Geistern verlassen? Nun, er würde ihr schon zeigen, was demjenigen blühte, der sich mit einem Malfoy anlegte.

 

„Du hattest deinen Spaß, der ganz und gar nicht witzig war, aber jetzt lass endlich meinen Vater gehen, damit wir dein Haus – das wir bestimmt nicht freiwillig betreten – verlassen können.“

 

Oh, wie tapfer sie war. Früher hatte sie ihre Beschützer an ihrer Seite – wie Draco auch. Aber heute... Heute war sie alleine. Alleine in seinem Haus. „Er wird nicht gehen!“, entgegnete er, als er sein Gesicht näher an ihres brachte.

 

„Malfoy, ich... ich habe dich schon im dritten Schuljahr geschlagen. Ich zögere nicht, es ein zweites Mal zu tun“, brachte sie schluckend hervor. Dass sie ihn zusätzlich provozierte, rührte daher, dass man weder an Malfoys Gerechtigkeitssinn, noch an sein Verständnis appellieren konnte, weswegen sie auf diese Art der Kommunikation zurückgriff. Schließlich waren Toleranz, Akzeptanz, sowie Feinfühligkeit doch bloß unbedeutende Abstrakta für ihn. Des Weiteren musste sie ihrem Vater helfen. Unter keinen Umständen würde sie akzeptieren, ihren Vater zurückzulassen. Hier war es kalt, feucht und dreckig. „Daher rate ich dir, dass du diese Tür öffnest.“

 

Wäre die Situation nicht so verdammt ernst, hätte er aufgelacht, gegen ihre Stirn getippt und die störrisch braunen Strähnen hinter ihr Ohr geschoben. Auch erinnerte er sich bezüglich der schmerzhaften Ohrfeige. Mit ihrer geballten Faust hatte sie ihm in sein makelloses Gesicht geschlagen – mitten auf die Nase und es tat weh... Verdammt weh. Schon alleine deswegen müsste er dieses freche Weib bluten lassen. „Sieh nach unten, Granger“, empfahl er, als seine Mundwinkel zu zucken anfingen. Nachdem sie seiner Aufforderung schleppend nachkam, betrachtete er ihr blasses Gesicht und sprach weiter: „Siehst du meine Knie? Sie schlottern und ich frage mich, was die starke Granger tun wird? Wird sie mich mit ihrer Jacke bewerfen? Oder doch mit Worten angreifen, weil sie sonst nichts hat, womit sie sich zur Wehr setzen könnte?“ Draco drehte den Spieß herum. „Die Wahrscheinlichkeit steigt tendenziell nach oben, denn ohne Zauberstab bist du ein Nichts und doch wagst du dich, mir – einem Mann, der im Besitz eines Zauberstabes ist – zu drohen? Niedlich, Granger.“

 

„Du siehst doch“, wiederholte sie lauter, „dass er krank wird. Sag deine blöde Losung und lass meinen Vater gehen. Oder bist du neuerdings auf den Geschmack gekommen, unschuldige Menschen zu quälen? Wenn ja, bist du nicht mehr weit davon entfernt, wie dein Vater -“

 

„Aufpassen!“ Unglaublich schnell hatte Draco seinen Stab gezogen, den er unweigerlich vor ihr eingeschüchtertes Gesicht hielt. „Auch ich zögere nicht.“ Das täte er nicht, nein, denn er wusste, was sie sagen wollte. Granger würde ihm vorwerfen, genauso brutal wie Lucius zu werden. „Und in Anbetracht dessen, würde ich mir genau überlegen, was du als nächstes sagst.“ Er würde seine fabelhafte Kinderstube gänzlich vergessen, wenn sie weiter auf seiner Vergangenheit und den daraus resultierenden Charaktereigenschaften seinerseits herumreiten würde. Darüber hinaus betrachtete er ihr verschüchtertes Gesicht. Draco sah in ihren bernsteinfarbenen Augen anwachsende Furcht. Darunter sah er ihre Stupsnase, sowie ihre geschwungenen, vollen Lippen, worüber... worüber sein Daumen gerne gestrichen hätte, diesen Gedanken jedoch unweigerlich verwarf und seinen Kopf benommen schüttelte. Merlin, wollte sie ihn mit ihrer äußeren Erscheinung vergiften? Das durfte nicht passieren, weswegen er seine Muskeln anspannte, sich zu ihr hinabbeugte und flüsterte: „Du solltest dringend darauf achten, was du in meiner Gegenwart von dir gibst, Granger.“

 

„Malfoy, ich... ich -“

 

„Ja?“, hauchte er hämisch grinsend zurück und er genoss die machtvolle Position. Er stand über ihr, hatte die Kontrolle und nur das, was er wollte, würde geschehen.

 

„Ist das eine Drohung?“, keuchte Hermine verbissen, während ihrer Rücken immer härter gegen die Wand gerieben würde, als sie versuchte, an diesem Mann vorbeizukommen, der ihr das Leben stets zur Hölle gemacht hatte – schon in Hogwarts. Ja, dort hatte er deutlich gezeigt, wie wenig er doch von ihr und ihrer Abstammung hielt.

 

„Sieh es wie du willst. Aber wenn das in deinen Augen bereits eine Drohung ist, dann wirst du förmlich zusammenfallen, sollte ich jemals in den Genuss kommen, dir tatsächlich zu drohen“, erörtere er geringfügig, da er ihr eigentlich nicht antworten wollte. Schließlich, so stellte sie sich immer dar, war sie doch so unantastbar, so clever, so schlau... so... so unerreichbar – auch für ihn. Anschließend vernahm er eine weitere Stimme – eine männliche, die sich in das Geschehen abermals einmischte und die hustenden Worte an Granger richtete.

 

„Hermine, ich bitte dich. Geh doch endlich!“, röchelte David Granger, der von seinen Kräften zusehends verlassen wurde. „Ich ertrage es nicht, dich hier in diesen Gemäuern zu sehen.“

 

Augenblicklich drehte sich die junge Frau zu ihrem Vater herum, ehe sie auf ihre Knie zurücksank und nach den Händen des älteren Mannes griff. Folglich blickte sie, wenn es auch dunkel war, in die blassen Augen ihres Vaters und es tat weh, ihn in dieser Zelle liegen zu sehen – kränklich, erschöpft, einfach seiner Kräfte beraubt, aufgrund der Umgebung. „Ich werde dich nicht alleine lassen, Dad. Bitte versteh das doch. Wenn, dann gehen wir gemeinsam!“ Behutsam strich sie unterdessen den knochigen Handrücken ihres Vaters, der die Geste dankend annahm und ebenfalls ihre zarte Hand umschloss.

 

Draco hingegen wirkte gelassen. Innerlich spürte er Befriedigung, als er Granger am Boden knien sah, da sie dort angekommen war, wo sie Dracos Meinung nach hingehörte – auf den Boden. Sie war eben doch ein Schlammblut, das nichts wert war in seiner heiligen, magischen Welt. Ferner erkannte er, wie offen sie mit ihren Emotionen umging, was ihm nie in den Sinn käme, da Draco fest davon überzeugt war, dass jenes Verhalten gefährlich war. Seine Gefühle zu zeigen war nie gut, das hatte er gelernt. Es machte denjenigen angreifbar... und das wollte der junge Malfoy um jeden Preis vermeiden.

 

Allerdings – fernab der restlichen Gedanken – war er noch lange nicht mit ihr fertig, weshalb er grimmig zu sprechen anfing: „Ich gebe dir jetzt noch zehn Sekunden, Granger. Solange hast du Zeit, zu verschwinden. Ansonsten wirst du deinem Vater Gesellschaft leisten.“ Dahingehend hoffte er, dass sie seiner Aufforderung nachkam und ging, weil er sie nicht länger in seinen vier Wänden haben wollte. Was er wollte, war klar. Er wollte seine Ruhe haben. Draco wollte irgendwann eine Frau kennenlernen, die das tat, was er verlangte und nebenbei das Geld, das er von Lucius erbte, wahllos und mit vollen Händen ausgeben – so viel er eben konnte, denn er war sich sicher, dass selbst seine Nachfahren noch von seinem Erbe leben könnten.

 

Aber nein, stattdessen mussten sich ihre Weg kreuzen. Wieder standen Granger und er sich gegenüber – fernab der Schule und es war ernüchternd. Dies veränderte sich jedoch schlagartig, als er ihre Stimme vernahm, nachdem sie über ihre Schulter zu ihm hinaufblickte und sich ihm gegenüberstellte – den Blick beschämt nach unten gerichtet, während ihre schlanken Finger die einzelnen Strähnen nach hinten schoben.

 

„Ginge das etwa?“, fragte sie entgeistert und kaute sich währenddessen auf ihrer Unterlippe herum, um zumindest ein klein wenig ihre Nervosität zu verlieren. Schließlich stand sie ohne Zauberstab vor Malfoy.

 

„Was? Granger, hast du mir nicht -“

 

„Doch“, unterbrach sie harsch und sah vorsichtig nach oben. „Ich habe dir zugehört. Also: Ginge es? Kann ich bei meinem Vater -“

 

„Nein!“, schoss es aus ihm heraus. „Das geht natürlich nicht.“ War sie denn von allen guten Geistern verlassen? Zu glauben, dass er ihr entgegenkam, zeigte, wie verzweifelt das Mädchen war, das betroffen vor ihm stand und ihre zitternden Arme mittlerweile um ihren bebenden Körper geschlungen hatte, da sie scheinbar begriff, wie sinnlos es war, ihn um etwas zu bitten.

 

„Malfoy, bitte.“ Unschlüssig verharrte sie auf ihrer Position, doch war ihre Hand automatisch in seine Richtung gewandert und es erschreckte Hermine, dass sie Malfoy tatsächlich anflehen würde. „Bitte lass mich bei ihm bleiben“, flehte sie anschließend, während sie über weitere Möglichkeiten nachdachte, sollte Malfoy ihr Anliegen abermals ablehnen. Zusätzlich klammerte sie sich an jeden einzelnen Strohhalm, der ihren Vater hier herausholen könnte.

 

„Ich sagte, dass -“

 

„Bitte!“ Hermine rechnete mit Ablehnung, aber sie würde weitergehen, wenngleich sie wusste, dass ihr Vater ihren nächsten Schritt kritisierte, aber das war ihr egal. Für ihren Vater würde sie bis zum bitteren Ende gehen – ganz gleich, was ihr Schicksal wäre. Schließlich war sie jünger, zäher... Das waren Dinge, die ihr helfen würden. „Malfoy, ich werde den Platz meines Vaters ersetzen, nur lass ihn bitte hier raus. Ich... Ich flehe dich an.“

 

Es waren Worte, die ihren Untergang besiegelten, aber auch das war ihr völlig egal. Schlussendlich würde sie sogar einen Pakt mit dem Teufel eingehen, solange dieser dazu diente, ihrem Vater zu helfen, den sie unter keinen Umständen verlieren wollte.

 

„Was? Du willst... seinen Platz einnehmen?“, fragte Draco verstört nach und hob gleichzeitig die linke Augenbraue nach oben, ehedem seine verschränkten Arme kraftlos zur Seite sanken, angesichts ihres Vorschlags, der Draco völlig aus der Bahn geworfen hatte. Niemals hätte er geglaubt, dass sie... dass sie so weit ging. Aber viel mehr darauf eingehen konnte er auch nicht, da er ihren Vater im Hintergrund toben hörte.

 

„Nein!“, entkam es David Granger, dessen Hände fest um die Eisenstäbe der kleinen Luke geschlungen waren. „Das... Das werde ich niemals zulassen.“ Er selbst unterbrach sich, als er den Husten nicht mehr zurückhalten konnte. Erst, als er seinen Kopf nach unten neigte, konnte er weitersprechen: „Sir, meine... meine Tochter weiß nicht, was sie redet!“

 

„Doch, Malfoy. Ich weiß genau, was ich sage.“ Hermine hatte mit Protest gerechnet – seitens ihres Vaters. Jedoch blickte sie ununterbrochen zu dem blonden Mann, ohne sich von ihrem Vater und seinen Worten beeindrucken zu lassen.

 

„Hermine, hör mir zu“, lamentierte ihr Vater hinter ihr weiter, doch seine Tochter ließ sich nicht beeinflussen und er kannte seine Tochter gut genug um zu wissen, dass sie sich – sobald sie sich etwas in den Kopf gesetzt hatte – nicht umstimmen ließ. „Du bist noch jung. Du -“

 

„Granger, spiel keine Spiele mit mir“, fuhr Draco das Mädchen vor sich an, ohne ihrem Vater Gehör zu schenken. Zu sehr genoss er das Flehen, das von Granger ausging, statt sich den Bitten ihres Vaters anzunehmen. Anderseits wunderte er sich: Wie groß musste die Liebe zu ihrem Vater gewesen sein? Sie müsste überirdisch sein. Andernfalls wäre sie doch nie auf die Idee gekommen, den Platz zu tauschen – wohl wissend, wer Draco war...

 

Ha, er selbst wäre niemals auf den Gedanken gekommen, einen derartigen Tausch vorzuschlagen, um Lucius am Ende als freien Mann zu sehen. Nein, Draco hätte einen solchen Einwand nie hervorgebracht, weil... weil Lucius ein schlechter Vater war und Dracos Liebe nie verdiente – zu keinem Zeitpunkt. Allerdings ging es hier nicht um seinen, sondern um ihren Vater, der allem Anschein nach ein rechtschaffener Mann und ein guter Vater gewesen war. Ein Mensch, der seine Tochter liebte und dies auf Gegenseitigkeit beruhte. Ja, Granger liebte ihren Vater, der ihren Vorschlag zu keinem Zeitpunkt akzeptiert hatte... Und Lucius? Er hätte einen solchen Kompromiss ohne mit der Wimper zu zucken angenommen... Das war der gravierende Unterschied zwischen den beiden Vätern gewesen.

 

„Ich spiele keine Spiele“, erwiderte Hermine entschlossener.

 

„Hermine“, mischte sich ihr Vater wieder ein. „Sieh mich an“, ergänzte er, bevor er fortfuhr: „Das wirst du nicht tun. Ich möchte nicht, dass du hier bleibst!“ Aber statt sich zu ihm umzudrehen, blieb Hermine immer noch stehen und starrte den jungen Mann vor sich abwartend an. Als er dann noch mit ansehen musste, wie sein kleines Mädchen diesem... diesem Menschen die Hand entgegenstreckte, war es beinahe um ihn geschehen. David stand kurz vor einem Nervenzusammenbruch.

 

„Wenn... Wenn ich es tue und... und den Platz meines Vaters einnehme... Würdest du ihn gehen lassen?“ Die ehemalige Gryffindor-Schülerin hatte Angst – zurecht, aber niemand könnte an ihrer Entscheidung etwas ändern.

 

Draco blickte daraufhin grinsend zu der kleinen ausgestreckten Hand, ehe er Grangers Blick suchte, den sie erstaunlicherweise erwiderte. Feixend umkreisten seine Finger seine angezogenen Mundwinkel, während er ihr antwortete: „Ja, aber du musst mir versprechen, für immer bei mir zu bleiben.“ Zeitgleich versuchten seine grauen Augen, sich in ihre bernsteinfarbenen hineinzubohren. Auch bemerkte er, wie sie nach seinen Worten schluckte und kurz ihre Hand zurückzog. Daraufhin grinste er erneut, angesichts des innerlichen Kampfes, den sie mit sich austrug. „Was ist, Granger?“

 

Für immer?“, wiederholte sie stotternd und bestaunte ihre noch immer ausgestreckte Hand. Ja... es verwunderte sie, dass sie ihre Hand immer noch nach vorne streckte, obwohl sie wusste, dass es keinen anderen Ausweg gab. Malfoy würde einen anderen Vorschlag niemals akzeptieren. Nein... seine Worte waren auf Malfoy Manor Gesetz und Hermine würde jedwede Demütigung, die ihr bevorstand, in Kauf nehmen – für ihren Vater. Sie würde jedes Leid ertragen, solange sie ihren Vater retten konnte.

 

„Ja, für immer. Das ist eine lange Zeit, nicht?“, entgegnete Draco ruhiger.

 

„Ja“, bestätigte sie nickend. Derweil gelang es ihr auch, ihren protestierenden Vater im Hintergrund zu ignorieren, angesichts ihrer Entschlossenheit. Ja... ihr Entschluss stand fest und sie würde jede Forderung seinerseits akzeptieren. Parallel begann sie bereits, sich mit ihrem weiteren Lebensverlauf zu arrangieren. Es wäre ein Leben in Knechtschaft, ja... Aber das war es ihr allemal wert.

 

„Willst du dieses Leben?“, wollte Draco interessiert wissen, während er ihr kalkweißes Gesicht betrachtete.

 

„Malfoy“, wisperte sie und sah wieder gen Boden. „Bitte lass ihn endlich aus der Zelle.“ Ihre Stimme klang leise, fast so zerbrechlich wie Glas und es war ihr mehr als ernst gewesen.

 

Feixend trat Draco an das Mädchen heran. Seine Handinnenfläche fuhr zärtlich unter ihr Kinn, so dass sie gezwungen war, ihn anzusehen. „Für immer, Granger! Danach gibt es kein zurück, und genau das wird dich zu Grunde richten – sowohl deine Güte, als auch deine Naivität.“ Anlässlich ihrer Zustimmung, sowie dem unbefugten Betreten seines Grundstücks wäre es ein Kinderspiel, ihre Gefangenschaft vor dem Zaubereiministerium zu rechtfertigen. Hinzu kamen seine geerbten Galleonen, die ihm jede Tür öffneten; selbst Freiheitsberaubung könnte man mithilfe von Gold legitimieren. Und nicht einmal Potter – sollte er jemals aus dem Koma erwachen – könnte etwas dagegen unternehmen, da Granger Pflichtgefühl kannte. „Wieso tust du das?“, fragte er, nachdem er mehrere Momente verstreichen ließ und ihre Zerrüttung in ihren Augen ablesen konnte.

 

„Er ist mein Vater“, hauchte sie in sein Gesicht, das so nah vor ihrem war, dass ihr Vater unmöglich das Gespräch belauschen konnte.

 

„Abgemacht. Dein Starrsinn bringt dich noch ins Grab, aber mir soll es recht sein“, antwortete er kühl, ließ ihr Kinn los und schritt an ihr vorbei. Doch noch ehe er ihren Körper hinter sich gelassen hatte, hatte er ihre Schulter berührt, um den magischen Pakt zu besiegeln. Diese Berührung genügte, um Granger sowohl an sich, als auch an sein Anwesen zu binden, das Zeuge dieses Paktes war. Oh ja, sein Haus würde jeden Fluchtversuch zu verhindern wissen, was das Gute an Malfoy Manor war... Es war eben kein gewöhnlicher Landsitz, sondern immer noch Malfoy Manor – ein Gefängnis, dem selbst Draco als Kind nie entkommen war. Und erst wenn Draco den Pakt löste, würde Granger Malfoy Manor als freie Person verlassen können, aber das täte er niemals. Nein... Granger gehörte von nun an ihm. Ihm alleine.

 

Folglich sank Hermine mit ihren Knien auf den Boden und sie war froh, dass ihre Hände einen harten Sturz vermieden. So war es ihr gestattet, ihren Oberkörper langsam nach vorne zu beugen und den Tränen, die sich in ihren Augen angesammelt hatten, freien Lauf zu lassen, ehe sie erschrocken aufsah und eine Hand auf ihrer Schulter spürte, die sanften Druck darauf ausübte. Daraufhin spannte sie ihren Rücken an und sah zu der Hand, die zärtlich, jedoch zitternd auf ihrer Schulter ruhte, bevor sie in das abgeschlagene Gesicht ihres Vaters blickte, den man unsanft aus der Zelle geschleift hatte.

 

„Hermine! Kind, was hast du getan?“, entkam es David panisch und sank – wie Hermine zuvor – ebenfalls auf seine Knie, um seine Tochter in die Arme zu ziehen. „Wie... Wie konntest du das tun? Ich bin schon älter, mein Leben ist gelebt.“

 

Auch Hermine tat es ihrem Vater gleich, indem sie die Umarmung erwiderte. Alleine der Umstand, ihn berühren und in Freiheit sehen zu können, verlieh ihr bis dato unendliche Kraft. „Dad, ich... ich musste -“

 

Augenblick wurde die Umarmung zwischen Vater und Tochter gelöst, da Draco den älteren Herren am Hemdkragen packte und auf seine wackeligen Beine zurückstellte, ehe Draco ihren Vater schnaufend zur Tür zerrte.

 

Im Zeitlupentempo sah Hermine unterdessen dem unwirklichen Treiben zu. Ungläubig betrachteten ihre geröteten Augen die Szenerie, bevor sie reagieren konnte. Zögerlich, nachdem der Schock verflogen war, versuchte sie, sich ebenfalls zu erheben, als ihre Hände zitternd auf dem Boden landeten, um sich von dort abzustützen, doch Malfoy war schneller – sehr viel schneller. Nichtsdestotrotz robbte sie auf den Knien nach vorne, nachdem das Aufstehen nicht so recht klappen wollte, und hob vergeblich ihre rechte Hand, während sie zügellos zu rufen begann: „Nein! Warte! Malfoy, warte!“

 

Aber er wartete nicht. Es interessierte ihn nicht, dass Hermine ihn bat, noch einen Moment zu warten. Kühl und distanziert hatte er sich in die innige Umarmung gedrängt, ihren Vater gepackt und nach draußen gezerrt, ohne dass ihr die Möglichkeit gegeben wurde, sich von ihrem Vater zu verabschieden. Darüber hinaus konnte sie nur noch den Knall der zugezogenen Tür wahrnehmen, ehe sie konsterniert zu Boden sah, auf dessen dunkle Steine sich noch dunklere Farbtöne herauskristallisierten, anlässlich der vergossenen Tränen, welche über ihr Kinn hinab tropften.

 

Wie lange sie in dieser Position verweilte, konnte sie nicht beantworten. Zu konfus war sie gewesen und nur langsam konnte sie ihre Haltung zurückgewinnen, welche ihr half, auf die Beine zu kommen und zur Tür zu rennen. Allerdings konnte sie diese nicht mehr öffnen, da Malfoy offensichtlich Schutzzauber darüber gelegt hatte, die jedem Fremdling untersagten, diese Tür zu öffnen. Dennoch gab sie nicht auf und hämmerte stattdessen stürmisch gegen das alte Holz.

 

Es waren Schläge der Verzweiflung, der Wut, der Trauer, der... Ach, wegen allen Emotionen, die Hermines Körper gerade fluteten. Immer wieder schlug sie gegen das Holz, doch abgesehen von Schlieren in ihren Händen, tat sich nichts. Weder Stimmen, noch sonstige Geräusche vernahm sie, woraufhin sie schluchzend ihre Stirn gegen die Tür presste und abermals zu Boden sank...

 

Grundgütiger, erst jetzt wurde ihr bewusst, was sie getan hatte. Hinzu kam ihr fehlender Zauberstab...

Gefangenschaft

- Kapitel fünf -

 

 

„Draco, ich... ich bitte dich“, flehte David Granger, der Wiedergutmachung leisten wollte und hoffte, ihn zu besänftigen, wenn er den jungen Mann duzte und seinen Vornamen benutzte. „Ich... Ich werde die Strafe absitzen. Ich werde zurückkommen, aber lass meine Tochter mit mir gehen. Bitte.“ Krampfhaft wollte er sich um die starke Hand seines Gegenübers klammern, aber ihm fehlte die Kraft. Die wenigen Stunden, die er im Verlies verbringen musste, forderten raschen Tribut.

 

„Wieso sollte ich das erlauben?“, entfuhr es Draco grollend. Sein Handeln widerte ihn immer mehr an. Allerdings durfte er kein Mitgefühl zeigen. Zumal das letzte Quäntchen Verständnis in jungen Jahren aus ihm heraus geprügelt wurde.

 

Heiße Tränen quollen derweil aus den dunklen Augen des älteren Mannes, ehe er seufzend hinzufügte: „Weil sie erst ihre Mutter verloren hat und jetzt nicht auch noch ihre Freiheit verlieren darf.“ Obwohl ihm kein neuer Kraftschub verliehen wurde, nahm er all die Stärke, die er noch aufbringen konnte und umfasste endlich die kalten Hände des jungen Malfoys, dessen Name schon des Öfteren im Hause Granger gefallen war, wenn Hermine in den Ferien Zuhause gewesen war und sich über jenen Namen aufgeregt hatte.

 

Kurz hielt der Jüngere von beiden inne, während er argwöhnisch den dunkelblonden Mann betrachtete, in dessen Haaren er vereinzelt graue Strähnen ausmachen konnte. Sie waren ungefähr gleich groß – und doch so unterschiedlich. „Ich werde sie nicht gehen lassen. Das sollten Sie endlich verstehen“, erwiderte er lapidar, ehedem er ihren Vater zu sich heranzog. Draco wollte ihn endlich loswerden, ihn des Grundstücks verweisen und nicht mehr sehen.

 

Dass ihre Mutter – scheinbar im Krieg – gestorben war, hatte Draco nicht gewusst und es kümmerte ihn auch nicht wirklich. Schließlich, so hatte er gelernt, gehörte der Tod zum Leben. So war es immer. Man wurde geboren, man lebte und man starb schlussendlich. Man wusste nur nicht, wann die letzte Seite des Lebensbuches geschrieben wurde.

 

„Nein“, schnaufte nun auch David – deutlich zorniger. „Das werde ich nicht dulden. Ich werde, sobald Sie mich hinauswerfen, wieder kommen. Verlassen Sie sich drauf.“

 

„Das müssen Sie auch nicht dulden“, quittierte er die Aussage des Mannes, während seine Mundwinkel zuckten und ein gehässiges Lächeln auf seinen Zügen erschien. „Ihre Tochter hat meine Forderung – für immer bei mir zu bleiben – widerstandslos akzeptiert. Mein Haus war Zeuge dieses Paktes und im Gegensatz zu Ihnen, weiß Ihre Tochter, was ein solches Bündnis in der magischen Welt bedeutet. Ein solcher Schwur gilt für die Ewigkeit. Sie, ein Muggel, der keinerlei Ahnung über unsere Welt hat, unterschätzen unsere Macht, was fatal ist.“

 

„Nein. Ich will das nicht hören!“, pochte Hermines Vater, bevor er versuchte sich aus dem Griff des Mannes zu befreien, aber auch das gelang ihm nicht. Stattdessen näherten sie sich immer mehr dem Eisengitter, das ihn in die Freiheit entlassen würde.

 

„Keine Sorge, das müssen Sie auch nicht länger, da Sie sich schon sehr bald nicht mehr an sie erinnern können“, teilte Draco ihm unverblümt mit, nachdem er das Tor mithilfe seines Zauberstabes geöffnet hatte. „Und anstatt sich weiterhin vergeblich über mein Handeln zu echauffieren, sollten Sie endlich schätzen, dass ich Ihrer Tochter wenigstens kein Leid zufüge, wenngleich sie genau das verdient hätte“, knurrte Draco abschließend in das Gesicht des erschrockenen Mannes.

 

Fassungslosigkeit breitete sich in dem faltigen Gesicht aus, doch noch ehe David Granger realisieren konnte, was genau sein Gegenüber meinte, war auch schon der dünne Holzstab auf seine Nasenspitze gerichtet.

 

„Sie denken doch nicht, dass ich Sie mitsamt Ihrer Erinnerung ziehen lassen werde, oder? Ich wäre verrückt“, erklärte der blonde Malfoy-Erbe ihrem Vater, dessen Gesichtsausdruck Bände sprach.

 

Ja... Davids Augen sprachen eine deutliche Sprache. Starr vor Schreck konnte er nicht einmal mehr wegrennen, als er spürte, dass Draco ihn nicht mehr festhielt. Zu konfus war er, nachdem er die Absichten des jungen Mannes kannte und diese erst nach und nach verarbeiten konnte. Und er erinnerte sich schlagartig, wann er schon einmal Gefahr gelaufen wäre, all seine Erinnerungen zu verlieren – als Hermine ihn und seine geliebte Frau Jane mittels eines Gedächtniszaubers nach Australien schicken wollte, während in der magischen Welt der Krieg zwischen Gut und Böse herrschte. Allerdings – und David ärgerte sich tatsächlich – waren er und seine Frau strikt dagegen. Sie waren überzeugt gewesen, nicht ins Fadenkreuz der Todesser zu gelangen... Wie dämlich sie doch im Endeffekt waren...

 

„Nein, tun Sie das nicht, Mr. Malfoy. Nehmen Sie mir bitte nicht die Erinnerung an meine Familie!“

 

Ohne auf seine Bitte einzugehen, hob Draco erbarmungslos seinen Zauberstab, den er zielsicher auf ihren Vater richtete. „Laufen Sie und nutzen Sie die Chance – vergessen Sie Ihr altes Leben. Ich gebe Ihnen die Chance, von vorne anzufangen – ohne die lebenslange Trauer.“

 

„Wie können Sie so herzlos sein, Draco?“

 

„Gehen Sie!“ Nein, darauf würde er nicht antworten. Er würde sich auch nicht von ihrem Vater provozieren lassen, hinsichtlich dieser impertinenten Frage. „Eins... Zwei... Drei... Vier -“

 

Der Junge meinte es tatsächlich ernst. Betroffen schüttelte David daraufhin seinen Kopf, während er schwankend nach hinten trat und in Dracos eiskalten Blick die Ernsthaftigkeit noch mehr erkannte. Konsterniert drehte er sich urplötzlich um und rannte los – weg von dem Haus, weg von Draco Malfoy und... immer weiter weg von seiner Tochter. Innerlich bat er Hermine um Vergebung – dafür, dass er wie ein Feigling davonrannte.

 

Obliviate!“, flüsterte Draco, der nicht bis zehn gezählt hatte und den Zauber zum Ziel schickte. Zähneknirschend drehte er den Stab, nachdem der Zauber ihren Vater traf, woraufhin dieser erstarrt stehen blieb, um die falschen Erinnerungen zu erhalten, die Draco ihm einpflanzte. David Granger würde sich an sein bisheriges Leben nicht mehr erinnern können – lediglich daran, dass er mit seiner Schwester alleine auf dem Land lebte. Jegliche Erinnerungen an seine Frau, sowie an seine Tochter würde Draco ihm nehmen. Ja, er würde David Granger ein neues, unbeschwertes Leben schenken, obwohl dieser einen hohen Preis zahlen würde, weil er sich schlussendlich nicht mehr an seine Tochter erinnern würde – selbst wenn sie vor ihm stünde. Granger wäre fortan eine Fremde für ihren eigenen Vater.

 

Der gebrechlich wirkende Mann, der in den letzten Wochen mit Sicherheit genug ertragen hatte, würde zu seiner Schwester – der Draco dieselben Erinnerungen eingepflanzt hatte – zurückkehren... Ohne sich zu fragen, was geschehen war. Selbst seine Zahnarztpraxis in London würde nicht mehr existieren. Der Zauber schien auch schon Wirkung zu zeigen, da die blaugrünen Augen des Mannes leerer und glasiger wurden. Man konnte keine Trauer mehr darin erkennen. Abschließend führte Draco ihn mit seinem Zauberstab zum Waldrand, ehe ihr Vater ziellos im Wald verschwand...

 

Etliche Minuten wartete er und starrte zu der Stelle, an welcher ihr Vater verschwunden war, bevor auch Draco sich umdrehte, den Schweiß von seiner Stirn wischte und das große Eingangsportal mühevoll schloss. Im Anschluss kehrte er in die Kerker zurück, stieg hastig die Steinstufen hinab, doch blieb er einen kurzen Moment vor der Holztür stehen, um nicht abgehetzt zu wirken. Erst als er sich sicher war, ruhig und gelassen zu sein, berührte er das Holz, woraufhin sich die Tür selbstständig öffnete, die Fackeln entfacht wurden und der Raum, in dem Granger auf dem Boden hockte, erhellt wurde.

 

Und für einen Moment – er war zu minimal, um überhaupt ernst genommen zu werden – verspürte Draco einen Stich in der linken Brustseite, nachdem er Grangers Hülle entdeckte. Es hätte ihn erfreuen müssen, wie niedergeschlagen sie dort saß – den Rücken zur Wand gelehnt, während ihr schwerer Kopf auf ihren Knien gebettet war, aber er spürte die Genugtuung nicht mehr so stark wie zu Anfang.

 

„Granger, steh auf“, befahl er selbstgefällig, während seine feuchte Hand über seinen verschwitzten Nacken rieb.

 

Schluchzend hob das verzweifelte Mädchen ihren Kopf, um sich anschließend die Tränen mit dem Handrücken aus ihren Augen zu wischen. „Geh weg, Malfoy. Du wirst dein ganzes Leben Zeit haben, mich zu demütigen. Lass mir wenigstens diesen Moment.“

 

„Findest du nicht, dass ich dir genug entgegengekommen bin? Was willst du noch?“, blaffte er sie an. Ja, nicht nur sie war wütend. Draco war ebenfalls zornig, hinsichtlich ihrer Anwesenheit, aber er musste handeln. Oder hätte er sich alles gefallen lassen sollen? Nein, dazu war er zu stolz. „Dass ich dich auf Händen aus dem Kerker trage? Dann muss ich dich enttäuschen.“

 

„Verschwinde! Ich will dich nicht sehen“, knurrte Hermine angriffslustig zurück, ehedem sie sich auf die Beine zurückkämpfte. Herausfordernd stemmte sie ihre Hände in die Hüften und blickte blindwütig zu dem Mann, der ihr Leben binnen weniger Sekunden zerstört hatte.

 

„Granger!“, fauchte Draco zurück und schob das Mädchen, das ihn so viele Nerven in Hogwarts gekostet hatte, zwischen die Wand und sich selbst. Immer näher brachte er ihren geschwächten Körper gegen seinen und er konnte schon ihren aufgeregten Herzschlag gegen seine eigene Brust spüren, doch im Moment war es ihm sowas von egal. „Es ist unerheblich, was du willst. Letztendlich zählt das, was ich will – nicht umgekehrt. Ist das klar?“ Fest hatte er ihr Genick umschlungen, so dass sie gar nicht erst auf die Idee kam, in eine andere Richtung zu sehen. Das hätte dieses sture Miststück nämlich getan, sofern er ihr die Chance eingeräumt hätte. Draco war sogar bereit, sie aus den Kerkern zu holen. Selbstlos – soweit man dieses Wort im Zusammenhang mit ihm benutzen konnte – hätte er ihr auch eines der Zimmer angeboten, in das sie sich zurückziehen konnte, aber ihre Art... Ihr Dasein... Es erschwerte Draco, sie weniger grob zu behandeln. Aus dem einfachen Grund, weil sie genauso stolz und uneinsichtig wie Draco selbst war.

 

„Ich durfte mich nicht einmal von meinem Vater verabschieden“, wimmerte Hermine kläglich. Zeitgleich wollte sie ihren Kopf zur Seite neigen, aber Malfoy gewährte ihr diesen Schritt nicht, weshalb ihr Atem immer schneller und unkontrollierter wurde.

 

Ach, darum ging es. Vorwürfe machen konnte sie schon immer besonders gut. Das war schon in Hogwarts so gewesen. Zugegeben, es war nicht wirklich herzlich, geschweige denn taktvoll, dass er den beiden keinen Moment des Abschieds gegönnt hatte, aber den hatte Draco auch nicht bekommen, als Lucius nach Hogwarts kam, um dort zu kämpfen.

 

Merlin, diese Gedanken und ihre traurige Mimik vergifteten ihn wirklich. Draco hätte sie im Kerker lassen sollen, doch stand sein Entschluss schon fest. Hier roch es nach Tod und so groß ihr Überlebenswille auch war – früher oder später würde Draco sie tot in einer Ecke finden, wenn er nicht handelte. Dunkel erinnerte er sich daran, dass nur wenige in diesem Loch überlebten, als Lucius damals im Auftrag des dunklen Lords Menschen hier einsperrte, die es nicht verdient hatten, am Leben zu bleiben... Bei Merlin, so dunkel die Erinnerung auch war, sie war grauenhaft.

 

„Nein, durftest du nicht“, gestand er und strich sich die weißblonden Haare zurück. „Und wenn du dich jetzt weiter querstellst, bleibst du im Kerker.“

 

„Was? Im Kerker?“, fragte sie verwirrt nach, da sie den Zusammenhang nicht erkennen konnte und wischte sich abermals über ihre geröteten Augen, die mittlerweile von den vielen Tränen wund geworden waren. Allerdings war sie noch viel zu durcheinander von dem Tohuwabohu, das zuvor geherrscht hatte.

 

„Ja? Willst du lieber hier unten bleiben?“, wiederholte er seine Frage noch zorniger, da er allmählich die Geduld verlor. Aber hatte er etwa mit Dankbarkeit gerechnet? Von Granger? Nein, eigentlich rechnete er nicht damit.

 

„Nein. Nein... will ich nicht“, erwähnte sie zögerlich, während sie sanfter über ihre feuchten Wangen rieb.

 

„Na dann“, bemerkte Draco kühl, zog einen seiner Arme zur Seite und ließ Granger passieren, damit sie ihre Jacke – die noch vor der Zellentür lag – aufsammeln und mit ihm nach oben gehen konnte. Jedoch hatte das sture Weib beschlossen, unschlüssig vor der Zellentür stehen zu bleiben und zur geöffneten Holztür zu blicken. Scheinbar wog sie ab, ob sie reelle Chancen hatte, von hier zu flüchten. Daraufhin sah auch Draco schmunzelnd zur Tür und klärte sie auf: „Vergiss es, Granger. Du wirst von hier niemals mehr abhauen können und jetzt beweg dich endlich etwas schneller als gewöhnlicher. Ansonsten mache ich dir Beine.“

 

Ängstlich presste Hermine – aufgrund der Drohung – ihre Jacke fester zwischen ihre Arme und ihre Brust, ehe sie zu ihm aufschloss, gen Boden sah und auf das weitere Verfahren wartete.

 

Ob er sie zur Folterkammer bringen würde? Hermine musste schlucken... Würde Malfoy sie solange quälen, bis sie ihn anbettelte, sie zu erlösen? Wie dem auch war. Sie war zumindest froh, dass sie diesen schrecklichen Ort verlassen durfte und während sie hinter ihm her trottete, bemerkte sie gar nicht, wie er mitten auf der Treppe stehen geblieben war und sich zu ihr herumgedreht hatte – gerade rechtzeitig, um ihre Oberarme behutsamer anzufassen, bevor sie gegen ihn stoßen konnte.

 

„Wir sollten“, flüsterte er eindringlich und betrachtete ihre aufgerissenen Augen, nachdem sie bemerkt hatte, dass er sie berührte, „bevor wir die Haupthalle betreten, noch eines klarstellen.“ Seinen Blick noch immer auf sie gerichtet, pausierte er kurz und spürte den Zorn abermals in sich aufsteigen, im Bezug auf ihre Präsenz in seinem Haus. Aber er war auch selbst schuld. Er hätte sie ja auch einfach mit ihrem Vater gehen lassen können, doch das wollte er auch nicht.

 

„Und... Und was?“ Gedankenverloren sah sie in sein Gesicht. Sie beschwerte sich nicht einmal mehr, dass er sie an den Armen berührte, aber es wäre sowieso vergeudete Liebesmüh, wenn sie sich darüber aufregte. Malfoy tat eben das, was er wollte... Hinzu kam jedoch die Erleuchtung, dass sie in keine Folterkammer gebracht wurde. Nein, er hatte erwähnt, dass sie die Haupthalle betreten würden. Insofern war es ausgeschlossen, dass... dass er ihr etwas antat, oder?

 

„Dir sind sowohl die Räume auf Malfoy Manor, als auch die Stallungen zugänglich, aber betrittst du den Westflügel, wirst du mich kennenlernen. Verstanden?“

 

„Was ist im Westflügel?“, entkam ihr bedauerlicherweise die Frage, obwohl sie gar nicht danach fragen wollte.

 

„Gar nichts!“ Grundgütiger, wie konnte er nur vergessen, wen er vor sich hatte? Schließlich war das Mädchen vor ihm Granger, die per se alles wissen wollte und ihrem Naturell – unendlich viele Fragen zu stellen – entsprach. „Trotzdem ist der Westflügel tabu.“

 

Hermine hätte ihren Mund halten sollen, doch war sie immer neugieriger geworden, angesichts der Geheimniskrämerei, die sie unbedingt entschlüsseln wollte. „Aber wieso ist er dann tabu?“ Sie sah erneut seine Arme, die hervorschossen und sich um ihre Oberarme legten, woraufhin sie zischend auf ihre Unterlippe biss und tapfer die Tränen zurückhielt.

 

„Verdammt nochmal, weil ich es sage“, brummte er blindwütig und ehe er sich versah, ließ er von ihr ab, nachdem er bemerkte, dass er ihr anscheinend wehgetan hatte, weswegen er zwar noch immer erbost, dennoch milder hinzufügte: „Und jetzt hör auf, danach zu fragen.“

 

„Aber -“ Sein Blick alleine reichte aus, um die junge Frau zum Schweigen zu bringen, wenngleich Hermine zu gerne gewusst hätte, was er dort versteckte. Es musste etwas sein, was er vor jeden Augen – nicht nur vor ihren – verbergen wollte. Immerhin war sie in seinen Augen nur Granger – die Granger, vor der er nie ein Blatt vor den Mund nahm. Weshalb sollte er demnach etwas vor ihr verstecken, wenn es nicht brisant genug war, um es selbst vor ihr fern zu halten?

 

Ach, könnte sie dem doch nur auf den Grund gehen... Allerdings sah sie ihre Chancen, überhaupt jemals diesem Haus zu entkommen, rapide sinken. Derweil hatte auch er sich zur Seite gewandt – geradewegs weg von Hermine und ihrem hinab gesenkten Blick, weil es ihn scheinbar anekelte, sie – ein niederes Wesen – weiter anzusehen. Und es traf Hermine. Dass sie diesem hasserfüllten Blick für einen Moment ausgesetzt war, versetzte ihr einen Stich. Nicht, weil sie von Malfoy anders gesehen werden wollte, sondern weil er ihr das Gefühl einer weiteren, tiefen Demütigung anhand dieses Blickes schenkte...

 

Dessen ungeachtet, hatte sich Draco nach vorne bewegt, stieß die Tür zur Haupthalle auf und rief einen seltsam klingenden Namen in die Stille hinein, was Hermine stoisch nach oben blicken ließ, während sie schweigsam neben ihm gegangen war.

 

„Akina!“ Augenblicklich funkelten kleine Sterne vor ihnen auf, ehe etwas kleines, unscheinbares vor ihnen aufgetaucht war und sich ehrfürchtig verbeugt hatte. Daraufhin neigte Dracos Kopf sich zur Seite, um seine Gefangene in Augenschein zu nehmen, die wiederum verwundert zu der kleinen Elfe blickte und ihre Kleidung skeptisch beäugte – die aus einem erbärmlich aussehenden Kissenbezug bestand. „Komm gar nicht auf den Gedanken, meine Elfen befreien zu wollen, klar?“ Abwartend hatte er sie angesehen, bevor er mürrisch fortfuhr: „Ich weiß, dass du ein nie enden wollendes Verlangen danach hast, alle Elfen dieser Welt befreien zu müssen, aber das kannst und das wirst du in diesem Haus nicht tun.“ Im Anschluss sah er wieder nach vorne – die Treppenstufen hinauf, die sie in die nächste Etage führen würden. „Du wirst meine Elfen in Ruhe lassen, kapiert?“

 

Indessen wagte sich die kleine Elfe, sich zu Wort zu melden: „Herr, Ihr... Ihr habt mich gerufen? Wie kann Akina Euch helfen?“

 

Die spitze, lange Nase der Elfe berührte, aufgrund der Verbeugung fast den Boden, was Hermine erzürnte. Aber was konnte sie ausrichten? Leider gar nichts, obzwar es sie regelrecht erschütterte, wie eingeschüchtert das magische Wesen vor ihr war. Des Weiteren wanderte ihr Blick durch die große Halle, die sie sich eben nicht richtig ansehen konnte, nachdem sie dieses Haus betrat. Sie hatte auch zu dem Zeitpunkt nicht gewusst, worauf sie stoßen würde. Alles, wirklich alles wirkte kalt, mondän und distanziert, gar nicht familiär.

 

Kein Wunder, dass Malfoy ein unberechenbares Arschloch geworden war. Wer konnte sich in diesen dunklen Räumen schon wohlfühlen? Allerdings wollte Hermine keine Rechtfertigung für sein Verhalten finden, das nebst seinen charakterlichen Eigenschaften zum Davonrennen war. Selbst sein Reichtum hatte ihn nicht retten können. Viel mehr hatte sie sogar die Vermutung, dass eben jener Reichtum ihn noch mehr abgestumpft hatte.

 

„Malfoy, deine Elfe hat -“

 

„Und ich habe dir gesagt“, spuckte er unweigerlich in ihre Richtung, „dass du meine Elfen in Ruhe zu lassen hast.“ Zeitgleich schnappte er die einstige Gryffindor am Kragen, weil er genau wusste, was sie als nächstes getan hätte: Sie wäre vermutlich zu Akina gegangen, wäre vor ihr in die Hocke gegangen, um mit der Elfe auf gleicher Höhe zu sein, aber Granger wusste scheinbar nicht, dass sie noch tiefer unter dem Stand einer einfachen Sklavin war. Und das musste er ihr klar machen. „Oder bist du doch so dumm?“ Nachdem er ihre geweiteten Augen sah – in denen er ihre Abneigung ihm gegenüber, sowie den Hass und die Angst erkannte – lockerte er seinen harten Griff um sie. Jedoch nur so weit, dass nur er es bemerkte und sein Gewissen nicht mehr so laut schrie. „Krieg es endlich in deinen dicken Schädel, dass du hier nichts zu melden hast.“

 

Bei Merlin, seine Geduld hing am seidenen Faden. Er sah schon die silberne Schere, deren Schneiden geöffnet und zum Faden herangeführt worden waren, um diesen zu trennen.

 

„Denkst du, dass du das schaffen wirst?“ Zur Untermalung der Dramatik waren seine Hände zu ihren Oberarmen gewandert, worum sie sich schlangen und er sie somit besser halten konnte.

 

„Ja“, presste Hermine zwischen zusammengepressten Zähnen hindurch. „Ich... Ich denke, dass... dass ich das schaffe.“ Grenzenlose Angst preschte durch ihren bebenden Körper, der alleine durch Malfoys Kraft gehalten wurde. Sie selbst wäre schon jüngst zusammengebrochen, angesichts der drohenden Ohnmacht, die ihren Körper heimsuchen wollte.

 

„Das rate ich dir auch, Granger. Ansonsten wirst du hier noch weniger Lebensfreude finden.“ Unsanft hatte er seine Hände zurückgezogen, wodurch er sehen konnte, wie sie kurz zusammenzuckte. Für einen minimalen Moment wollte er sogar seine Hände abermals nach ihr ausstrecken, um ihr zu helfen. Glücklicherweise hatte er sich noch besinnen können, ehe er auf die Idee gekommen wäre, ihr zu helfen. „Und jetzt folge mir, damit ich dir das Haus zeigen kann.“

 

Als wäre zuvor nichts vorgefallen, drehte er sich von ihr weg, marschierte zur Treppe und platzierte seine Hand auf dem dazugehörigen Geländer. Weißer Marmor strahlte sowohl den beiden, als auch der Elfe entgegen, während sie zusammen die Stufen erklommen. Und noch immer hatte Draco seiner Elfe nicht erklärt, was er von ihr wollte.
 

Daher sah sich Hermine gezwungen, erneut die Stille zu durchbrechen. Es war ihr unangenehm, neben Maloy zu laufen, ohne etwas zu sagen. Es war auch ihrer Angst geschuldet, dass sie etwas sagen musste, um sich ein wenig zu beruhigen. Ja, es würde sie immens beruhigen, wenn sie sprechen konnte. Es verlieh ihr ein belebendes Gefühl – fernab des Gedankens, zur Schlachtbank geführt zu werden.

 

„Wie... Wie alt ist dieses Haus eigentlich schon?“, fragte sie daher nach mehreren Minuten zurückhaltend – den Blick leicht gehoben.

 

Meinte sie diese Frage ernst? Vor wenigen Augenblicken hatte er sie gepackt und in ihr Gesicht geschrien, aber auch sie tat so, als wäre dieser Vorfall nie geschehen – was Draco recht war. Dennoch ließ es ihn misstrauisch zu ihr blicken. Schließlich – das war nicht nur ihm bekannt – war sie die Letzte, die mit ihm sprechen wollte. Nichts als Hass hatten sie sich in Hogwarts entgegengebracht und wenn Draco ehrlich war, wollte er auch gar nicht mit ihr sprechen.

 

Er hasste Konversation. Vor allem solche, die gezwungenermaßen geführt wurde. Da war er eher der Typ Zauberer, der verschlossen blieb. Dennoch antwortete er ihr zynisch: „Wieso fragst du das, obwohl du mir diese Frage sicher besser beantworten könntest?“

 

Schamesröte durchzog ihre blassen Wangen. „Nein.“ Man würde womöglich auch nichts über Malfoy Manor herausfinden – in keinem einzigen Buch. Dafür hatte Lucius zu Lebzeiten sicher gesorgt. „Ich... Ich war bloß neugierig und weiß nichts über dein Haus“, erklärte sie verängstigt, während ihre linke Hand teilnahmslos über ihren rechten Arm rieb.

 

Schmunzelnd sah Draco wieder nach vorne, weil er wusste, dass sie ihre Angst beschissen verbergen konnte. „Ich weiß es nicht, Granger“, gestand er offen. „Was ich weiß, ist, dass es seit dem 11. Jahrhundert im Besitz meiner Familie ist. Beantwortet das zum Teil deine Frage?“

 

Doch statt ihm zu antworten, entkam ihr prompt die nächste Frage: „Hattest du in diesen alten Gemäuern nie Angst?“, stellte sie unerlaubterweise die Frage, die tief in seine Privatsphäre drang. Aber Hermine dachte sich nichts dabei, da sie mittlerweile jeden Winkel des Hauses mit ihren Augen scannte und mehr über Malfoy Manor erfahren wollte.

 

„Wovor?“ Der junge Malfoy-Erbe hatte eigentlich vorgehabt, sie für heute in Ruhe zu lassen, anlässlich dieses anstrengenden Tages. Er wollte metaphorisch gesehen nicht weiter nach einem Menschen treten, der bereits geschwächt am Boden lag, aber sie machte es ihm auch nicht leicht. Im Gegenteil. Sie stellte Fragen, die ihr nicht zustanden. Fragen, dessen... dessen Antworten sie nichts angingen.

 

„Vor der Dunkelheit?“

 

„Nein“, entgegnete er kühl. „Wieso sollte ich?“ Draco war im Dunkeln groß geworden – er kannte nur die dunkle Seite. Wieso sollte er sich vor etwas fürchten, das er kannte und dem er sich verbunden fühlte?

 

„Weil -“ Weil was? Hermine wusste nicht, was sie erwidern sollte. Sie dachte auch gar nicht so weit, dass Malfoy das Gespräch annehmen würde, da es für sie so geklungen hatte, als würde er alles wollen – bloß nicht mit ihr reden. Daher war sie etwas überrumpelt, was das betraf.

 

„Ich habe keine Angst in meinem Haus. Mein Haus ist mein Verbündeter – es wird mir“, betonte er scharf, „niemals Schaden zufügen.“

 

Unterdessen passierten sie einen langen Korridor und ihn beschlich das Gefühl, als würden seine Ahnen erkennen, dass durch die heiligen, reinblütigen Hallen etwas unreines spazierte. Auch Granger schien es zu spüren, die jedem einzelnen Bild einen mürrischen, wenngleich bösen Blick zuwarf – anscheinend in der Hoffnung, auch Lucius' Bild zu entdecken.

 

„Er hängt nicht in dem Flur, keine Sorge“, griff Draco ihre Frage auf, die ihr auf der Zunge brannte. Zumindest schlussfolgerte er das aus ihren unheilvollen Blicken, der ständig von der einen zur anderen Wand gehuscht war.

 

„Wer?“

 

Mit erhobenen Augenbrauen betrachtete er ihr fragendes Gesicht. „Lucius? Darüber denkst du doch nach? Dass du ihn hier antreffen könntest, aber das wird nicht passieren.“

 

„Können Portraits nicht ihren Rahmen wechseln?“, wollte sie stattdessen wissen, ohne auf seine Frage einzugehen. Allerdings wurde ihr Verdacht bestätigt: Lucius' Portrait existierte, aber hatte sie etwas anderes erwartet? Eigentlich nicht, nein.

 

Plötzlich lachte Draco – was völlig untypisch für ihn war – laut auf. „Clever, Granger. Du hast recht, das können sie - auch Lucius. Aber das tat er bisher noch nie. Er wird es wahrscheinlich auch nicht tun.“ Wenn sein Vater etwas beschlossen hatte, dann hielt er sich auch daran – selbst nach seinem Tod. Kein einziges Mal hatte er seinen Rahmen verlassen. Kein einziges Mal hatte sein Portrait versucht, Einfluss auf Draco und dessen Entscheidungen zu nehmen. Anschließend öffnete er eine der drei Türen, die am Ende des Flures zum Vorschein kamen. Sachte drückte er eine der versilberten Klinken hinunter, stieß das prachtvolle Holz, in das mühevoll Muster eingeschnitzt waren, zur Seite und durchschritt den Rahmen.

 

Vorsichtig – und mit einem Blick zur Zarge – war Hermine ihm gefolgt. Sie hatte das Zimmer noch nicht komplett in Augenschein nehmen können, aufgrund der dort herrschenden Dunkelheit. Jedoch ließen sich Umrisse erahnen, anhand der Schlitze, die die jeweiligen bodenlangen Vorhänge warfen, durch welche blutrote Sonnenstrahlen drangen. Dinge, die das Licht erfassen konnte, begannen zu funkeln. Kleinigkeiten wie der Himmel ihres Bettes erregten folglich ihre Aufmerksamkeit, wonach sie sich umsichtig dem Bett näherte – die Zähne fest auf ihre Lippen gedrückt.

 

Das Zimmer war wunderschön. Trotzdem sollte er nicht denken, dass es ihr gefiel. Vermutlich gab es hundert schönere Zimmer hier. Und es war nur verständlich, dass sie das Zimmer bekam, das er selbst am wenigsten vermissen würde. Schließlich war sie kein Gast, der hier seinen Urlaub verbrachte. Nein, Hermine war seine Gefangene, die es zu schätzen hatte, dass er ihr überhaupt ein Zimmer zur Verfügung stellte, statt sie in den Kerkern verrotten zu lassen.

 

„Das wäre dein Zimmer“, offenbarte er das Offensichtliche, das nicht von der Hand zu weisen war. „Sofern du etwas brauchst, wird dir Akina zur Seite stehen.“ Sein Finger deutete auf die Elfe, die schüchtern, aber freundlich um Malfoys Umhang herum lugte und hinüber zu Hermine lächelte.

 

„Wo ist dein Zimmer?“ Gleichzeitig ging Hermine zu den abgedunkelten Fenstern, zog die Vorhänge zur Seite und wartete indes auf seine Antwort, während sie mit glasigen Augen in die Ferne blickte und den Wald, sowie dessen in die Höhe ragenden Bäume betrachtete. Alles war besser, als ihn anzusehen, da sie ihr Gesicht nicht verlieren durfte. Nein, Hermine wollte und musste für ihren Vater stark sein.

 

„Mein Zimmer?“ Die Hände in seine Hosentaschen gesteckt, musterte er ihren zierlichen Rücken, der von ihren goldbraunen Locken verdeckt wurde. „Wo mein Zimmer ist, braucht dich nicht zu interessieren, Granger.“ Offenbar hatte er ihr nicht deutlich genug gezeigt, wer hier das Sagen hatte, weswegen er schleunigst seine perfide Maske aufsetzen und wieder der Malfoy sein musste, den sie kannte – abschätzig, zynisch und bedeutend unfreundlicher als bisher. „Es genügt, wenn ich weiß, wo du dich herumtreibst.“

 

Es klang böse – wie eine ernstzunehmende Warnung. Dass er unbemerkt verschwinden wollte, hatte auch sie bemerkt, denn wieder hatte die heranwachsende Frau das Wort an ihn gerichtet, bevor er das Zimmer verlassen konnte. „Malfoy?“ Zögerlich drehte sie den Kopf zur Seite, nicht sicher, ob sie ihn tatsächlich ansehen wollte.

 

„Ja?“

 

Zaghaft begann sie weiterzusprechen: „Für immer -“

 

„- bedeutet für immer, Granger.“ Draco wollte gehen. Er wollte wirklich gehen – fort von ihr und diesem Zimmer, dessen Wände ihn zu erdrücken versuchten. An der Tür angekommen hielt er noch einmal inne, platzierte seine Hand auf der Zarge und sah über seine Schulter. Zurück zu Granger, die wiederum nach draußen blickte, um ihre Tränen nicht zu zeigen, dessen Laute er jedoch eindrucksvoll vernehmen konnte. „Und ich sagte dir, dass für immer eine sehr lange, vielleicht auch qualvolle Zeit sein kann.“

 

„Ja“, entgegnete Hermine daraufhin seufzend. „Das sagtest du.“ Ihre zitternden Hände fuhren unterdessen vorsichtig über den seidenen Stoff der Vorhänge, die sie zuvor zurückgezogen hatte.

 

Ihre Haltung, sowie das abgewandte Gesicht zeigten Draco, dass sie alleine sein wollte – alleine in ihrem Elend –, aber den Gefallen wollte er ihr nicht tun, weshalb er weiterhin ihren Rücken betrachtete. Anschließend kräuselten sich seine Lippen, aufgrund der verächtlichen Worte, die seinen Mund verlassen würden. „Akina wird dir -“

 

„Malfoy, ich möchte deine Elfe nicht ausbeuten, verstanden?“, unterbrach sie ihn barsch – ihren Blick wie bisher aus dem Fenster gerichtet.

 

Dieses... Dieses Weib! Er wollte sie lediglich darüber unterrichten, um seine heimlichen Blicke auf ihre Erscheinung vor seiner inneren Stimme zu rechtfertigen. Zusätzlich sagte er sich, dass er Indizien, im Bezug auf ihre Verfassung suchte, um sicherzustellen, dass es ihr gut ging. Zudem hatte er er ihre Entzückung, bezüglich des Zimmers bemerkt, wenngleich sie versuchte, diese vor ihm zu verbergen. Konnte sie demnach nicht einfach Dankbarkeit zeigen, weil Draco sich dazu herabgelassen hatte, ihr eines der Zimmer zu geben? Nein, stattdessen behandelte sie ihn wie immer – nicht unhöflich, allerdings auch nicht zuvorkommend.

 

„Dann eben nicht, du stures Biest“, stieß er unterdessen zornig aus, öffnete die Tür und sah abermals zu ihr zurück. „In einer Stunde essen wir.“ Um selbige Abneigung ihr entgegenzubringen, so wie sie es getan hatte, fügte er nahtlos und in selber Manier hinzu: „Verstanden?“
 

„Das, Malfoy“, begann sie flüsternd, „bezweifle ich.“

 

Schäumend vor Wut blähten sich die Wangen des jungen Mannes auf. Es sah zwar nicht sonderlich attraktiv aus, erfüllte jedoch seinen Zweck – Granger nicht an den Hals zu springen. Beherrscht hob er seinen Zeigefinger, obwohl sie ihn gar nicht ansah. „Du wirst“, betonte er streng, „mit mir zu Abend essen, Granger. Das ist keine Bitte!“ Abschließend passierte er die Tür, die er schwungvoll ins Schloss knallte, ehe er kopfschüttelnd den langen Flur hinter sich ließ und jedem Portrait einen bitterbösen Blick zuwarf.

 

Der laute Knall hatte zur Folge, dass Hermine unweigerlich zusammenzuckte, während ihre Finger sich in dem Stoff der Vorhänge festkrallten. Simultan presste sie ihre Augen zusammen, wodurch es den Tränen gelang, sich aus ihren Augenwinkeln zu zwängen. Aber das Schlimmste war, dass sie ihres Zauberstabes entledigt wurde. Wie sollte sie bloß diesen dicken Mauern entkommen, ohne die mächtigste Waffe, die eine Hexe besaß? Bei Merlins Bart... Das Leben, das sie fortan führen würde, würde ein qualvolles Leben sein, doch bereute sie ihre Entscheidung keine einzige Sekunde...

Konflikte

- Kapitel sechs -

 

 

Von seiner Wut geplagt, tigerte Draco inzwischen seit zwanzig Minuten in Lucius' altem Studierzimmer umher und ärgerte sich über das Mädchen. Sie war berechnend, eiskalt und wusste, wie sie den Malfoy-Erben zur Weißglut treiben konnte. Aber sie wollte doch den Platz mit ihrem alten Herren tauschen. Sie zog die Gefangenschaft der Freiheit vor, weil sie dachte, ihren Vater retten zu können – wie dumm und naiv sie doch war. Dachte sie etwa, dass ihr unfreiwilliger Aufenthalt angenehm werden würde? Dachte sie, dass seine Elfen Rosenblüten vor ihre Füße warfen, sobald sie einen Schritt nach vorne trat?

 

Nein, ging Draco schmunzelnd auf. Davon ging das Schlammblut nicht aus. So viel Intelligenz schrieb er ihr zu und doch wagte sie sich, ihn in seinem eigenen Haus vor den Kopf zu stoßen, als er sie recht freundlich, wenn auch gezwungen zum Abendessen einlud. Zumindest war das für seine Verhältnisse alles, was er ihr gegenüber an Freundlichkeit aufbringen konnte. Folglich hätte er viel herzloser sein können.

 

Nebenbei dachte er an Weasley. Wann würden die ersten Posteulen hier auftauchen, sofern er wüsste, wo sie sich befand? Er sollte dieses Problem bereinigen, indem er ihr erlaubte, ihren jämmerlichen Freunden einen Brief zu schreiben, in dem sie ihnen die momentane Situation erklärte – mit dem entsprechenden Vermerk ihrer Gefangenschaft, was Draco ebenfalls noch abklären würde, ehe er noch Probleme bekäme. Sollte es nämlich soweit kommen, dass Weasley Grangers Vater aufsuchte – der den rothaarigen Idioten gar nicht erkennen würde –, wollte er juristisch abgesichert sein. Ferner ging er zum Schreibtisch, zog die mittlere Schublade auf, aus der er mehrere Pergamente entnahm und wartete einen Moment. Im Anschluss griff er zu einer gebrauchten, alten Feder und einem halbleeren Tintenglas, bevor er zur verschlossenen Tür ging, diese entriegelte und den Westflügel – deren Zugang er ihr verweigert hatte – grinsend verließ.

 

Ja, hier würde sie niemals sein. Hier lief Draco nicht Gefahr, ihr zu begegnen. Hier waren seine Räume – sein Zimmer, sein Studierzimmer und diese Privatsphäre musste er vor ihren neugierigen Blicken schützen.

 

Währenddessen schlenderte er gut gelaunt – aufgrund dessen, dass man Weasley über Grangers Wohnsituation in Kenntnis setzte – wieder zurück zu ihrem Zimmer. Anlässlich seiner guten Laune klopfte er sogar an ihre Zimmertür, da er exzellente Manieren besaß, die er in notwendigen Zuständen einzusetzen wusste. Dass sie ihm jedoch nicht antwortete, war ein zuzüglicher Punkt, der seine gute Laune dezimierte. Dennoch... Draco bewahrte Haltung, strich sich die Haare zurück und atmete tief durch. Angrenzend drückte er die Klinke hinunter und betrat – ohne auf ihre Erlaubnis zu warten – das inzwischen vom Kaminfeuer erhellte Zimmer, wodurch er sie augenblicklich fand. Sie hatte sich einen Stuhl zum Fenster herangezogen und schien die untergehende Sonne zu beobachten.

 

„Ich erinnere mich nicht daran, dich hereingebeten zu haben, Malfoy“, begrüßte Hermine ihn formlos, ohne den Blick vom Fenster abzuwenden. Indessen klammerte sich ihre Hand in der hölzernen Armlehne fest. Die andere hielt ihren Kopf.

 

„Ich brauche deine Erlaubnis nicht“, informierte er sie genauso abgeklärt, während er den Abstand zu ihr verringerte. „Das ist mein Haus.“ Wieder unterbrach sie seine Gedanken. Er hasste das. Vor allem, weil die Mädchen, mit denen er schlief, ähnlich handelten. Sie hatten Draco nach dem Sex ständig mit Fragen genervt, obwohl er seine Ruhe haben wollte. Permanent suchten diese Frauen Bestätigung, die Draco ihnen aber nicht gab. Granger dagegen schaffte das ganz ohne Sex – sie nervte ihn mit Feststellungen, die er nicht einsehen wollte. Etwas, das er so wenig gebrauchen konnte wie Bauchschmerzen. „Was meine Manieren betrifft, so musst du dir darüber keine Sorgen machen, denn im Gegensatz zu dir“, spottete er und spielte auf ihren Einbruch in sein Haus an, „besitze ich welche.“

 

Parallel zu seinen Worten neigte sie ihren Kopf in seine Richtung und erblickte die Schreibutensilien in seiner Hand.

 

„Aber bevor das alles wieder in einer unnötigen Diskussion ausartet, sollten wir zum Punkt kommen. Hier.“

 

„Was soll ich damit?“, wollte Hermine wissen, nachdem sie einen prüfenden Blick auf die Blätter warf. Schließlich konnte man in diesem Haus – zudem als Gefangene – nie vorsichtig genug sein.

 

„Du wirst deinem treudoofen Helden schreiben, bevor noch was schlimmeres passiert. Ich bin nämlich keineswegs erpicht darauf, dass irgendwann die Weasley-Sippschaft vor meinen Toren auftaucht.“ Da sie scheinbar nicht gewillt war, die Blätter zu nehmen, beschloss er, diese auf das neben ihr befindliche Tischchen zu legen.

 

Ja, Hermines Freunde. Ron. Ginny und... und Harry. Es tat weh, wenn sie an ihre besten Freunde dachte. Genauso fühlte sich der Schmerz an, wenn sie an ihre geliebte Mutter dachte – mit dem Unterschied, dass Jane Granger nicht... nicht mehr da war. Ihre Mama würde auch nicht mehr wieder kommen. „Ich werde Ron nicht anlügen“, berichtete sie und sah wieder weg, als sie die Tränen spürte, nachdem sie mit den Erinnerungen an ihre verstorbene Mutter konfrontiert wurde.

 

Natürlich würde sie das nicht. Der tolle Ron, der mit Sicherheit die ätzende Hand des komatösen Potters hielt. „Das ist mir ziemlich egal. Ich möchte nur keinen Ansturm vor meinen Toren haben, was eigentlich unerheblich ist, da er sowieso nicht hierherkommen kann – dazu fehlt ihm die nötige Befugnis.“ Per se hatte er seinen Fauxpas nach Grangers unerlaubtem Zutritt auf Malfoy Manor korrigiert, so dass niemand mehr ohne ausdrückliche Erlaubnis seine Ländereien betreten konnte. „Und wir wissen beide, dass er die weder in diesem, noch im nächsten Leben bekommen wird.“

 

„Was soll das heißen?“, entfuhr es Hermine entsetzt, bevor sie ihren Körper zur Seite drehte. „Willst du mich komplett isolieren und von der Welt abschotten? Das... Das -“

 

„- darf ich nicht?“, beendete er ihren Satz und sah die Trauer in ihren Augen. „Granger, es ist bedauerlich, aber anscheinend begreifst du immer noch nicht, welchen Stand du hier hast.“ Knurrend kam Draco dem Stuhl näher, er wollte nach ihrem Handgelenk greifen, doch war sie schneller, sprang aus dem Stuhl und wich zur Wand zurück, was Draco wiederum lächelnd quittierte, ehe er hinzufügte: „Dir muss eins klar werden, Fräulein. Du bist nicht mein Gast, sondern meine Gefangene, die die Strafe ihres armseligen Vaters absitzt – nicht mehr.“

 

Schwer atmend wanderte indes ihr Blick gen Boden. Hermine war nicht wirklich empört, sie war... einfach nur traurig. Traurig darüber, dass Harry im Koma lag. Darüber, dass sie das Lachen ihrer Mutter nie mehr hören würde. Darüber, dass ihr Vater Stunden in diesem Haus verbringen musste, die sich womöglich wie unendliche Äonen angefühlt hatten. Hermine war wegen so vielen Dingen traurig. Sie war gebrochen und verletzt, im Hinblick darauf, dass er sie einsperrte – was den faden Beigeschmack hatte, als würde er ihren Namen wegrationalisieren wollen.

 

War Malfoy so mächtig? Die nötigen Mittel hatte er jedenfalls, aber verschaffte ihm jenes Geld einen solchen Bonus, der dazu beitrug, ein Leben in Isolation zu fristen? „Du kannst mich nicht einsperren. Das... Das ist illegal!“, klärte sie ihn dahingehend auf, in der Hoffnung zu erfahren, wie mächtig Malfoy war.

 

„Unwissendes Mädchen. Du unterschätzt mich und die dazugehörige Macht, die mit meinem Namen einhergeht – ein böser Fehler.“ Er könnte im Strahl kotzen, weil er – ausgerechnet vor ihr – Stellung bezog. Immerzu suggerierte sie ihm mit ihrem Verhalten, dass er Anzeichen von Schwäche zeigte, aber dieses vernichtende Wort existierte gar nicht in seinem Vokabular.

 

„Raus! Verschwinde, Malfoy“, forderte sie ihn scharf auf, ehe sie den Versuch wagte, ihren Körper an seinem vorbeizuzwängen. Es reichte. Hermine wollte und konnte seine Arroganz nicht mehr ertragen.

 

„Du“, erwiderte er gereizt und deutete mit seinem Finger auf sie, „wirst mich nicht aus meinen Zimmern werfen. Wag dich nicht, Granger.“ Seine Augen funkelten vor Zorn, angesichts ihrer Überheblichkeit und dem Glauben, sie könnte sich in Sicherheit wiegen. „Ich werde gehen, wenn ich es für richtig halte.“ Hinsichtlich seiner Wut packte er grob nach ihrem Handgelenk, um ihren Körper zu sich heranzuziehen und er war sich darüber im Klaren, ihr im Moment Schmerzen zuzufügen, aber wieso musste sie ihn provozieren?

 

„Malfoy, mein... mein Arm“, keuchte Hermine im Anschluss und war zeitgleich überrascht, nicht vor Schmerz aufzuschreien. Es hatte sich wie früher im Kindergarten angefühlt, als die Kinder es lustig fanden, „Brenneseln“ zu spielen, indem sie die Haut des jeweils anderen Kindes in die entgegengesetzte Richtung drehten und die ehemalige Gryffindor weigerte sich vehement, Malfoy diesen Triumph zu gönnen, anhand ihres Aufschreis, an dem er sich erfreut hätte. Nein, diesen Gefallen würde sie ihm nicht tun. Ferner biss sie sich abwechselnd in die Innenseiten ihrer Wangen, um den brennenden Schmerz – der ihren Körper durchzuckte – besser kompensieren zu können. Auch gegen die hartnäckigen Tränen kämpfte sie tapfer an. „Du... Du tust mir weh“, ergänzte sie verbissen, ehe sie die Augen vor Schmerzen schloss.

 

„Ich tue dir weh? Zurecht, obwohl ich noch viel zu freundlich zu dir bin.“ Seiner Meinung nach hätte sie viel schlimmeres verdient und doch hatte er davon abgesehen. Draco war spendabel, überließ ihr eines der unzähligen Zimmer als Rückzugsort. Darüber hinaus hatte er sie zum Essen eingeladen, aber was tat die großartige Granger? Sich querstellen, Draco absichtlich provozieren und reizen. Dennoch sah er ein, dass er zu gewaltsam gegen sie vorgegangen war, weswegen er auch ihren Arm ruckartig nach unten sinken ließ – als ob ihm erst jetzt klar geworden wäre, dass er sie berührt hatte. „Und jetzt“, schloss er seinen Satz, „werde ich dir beweisen, wie legal dein Aufenthalt tatsächlich ist.“

 

Draco war unglaublich wütend. Jedoch nicht auf Granger, sondern auf sich, weil er sich fast vergessen hätte.

 

„Was? Du denkst wirklich -“

 

„Das denke ich, Granger“, entgegnete er lamentiert.

 

Schön. Er schien die Macht zu haben, sie auf legalem Weg festzuhalten. Sie würde auch Ron schreiben, wenn sie mit diesem Brief verhindern konnte, dass ihre Freunde in Schwierigkeiten kamen, sollten sie sich auf die Suche nach ihr machen und letztendlich ebenfalls in Malfoys Kerker landen. Da wäre es gesünder, Ron über die Gegebenheiten aufzuklären. Gleichzeitig auch darum zu bitten, sich keine Sorgen zu machen und keinesfalls zu versuchen, nach Malfoy Manor zu kommen, denn das – so wusste Hermine – wäre fatal. Allerdings war die junge Frau fassungslos. Das Zaubereiministerium schien nichts gelernt zu haben, wenn man die Behörden noch immer korrumpieren konnte.

 

Oder lag es schlussendlich an den Umständen? Schließlich war das Ministerium vor Anbeginn des Zaubererkrieges gefallen. Die Kassen leer gespült, die Menschen verunsichert. Ob Malfoy dieses Faktum ausnutzte, um seinen Willen durchzusetzen?

 

Indessen hatte Draco die Tür erreicht, öffnete sie und blickte – wie zuvor schon – zu Granger. Dieses Mal grinsend. Wissend, dass er das bekam, was er wollte. „Ich werde nicht lange brauchen“, merkte er an und fuhr in Gedanken fort, dass sie – sobald er zurück wäre – auf die Knie zu fallen hatte, weil er recht behielt. Aber auch von solchen Äußerungen nahm er Abstand. Schließlich würde man ihm sein Recht zusprechen, wodurch auch sie einsehen müsste, zu was er fähig war. Das wäre Genugtuung genug, wenn sie bemerkte, dass er derjenige war, der Macht besaß.

 

Auch weigerte er sich, etwas anderes als Abscheu für das Mädchen, das in einem seiner Zimmer gefangen war, zu empfinden. Sie – die wissbegierige, einzigartige Granger – wollte es. Sie wollte freiwillig den Platz ihres Vaters einnehmen, weshalb sie auch zu gehorchen und sich Dracos Willen zu beugen hatte. Anschließend passierte er die Tür, um zu seinem Zimmer zurückzukehren – was er schon die ganze Zeit hätte tun sollen – und endlich zum Ministerium zu flohen.

 

 
 

~*~

 
 

Malfoy war... er war ein arrogantes Aas, welches Hermine – die schon mit ihren Gefühlen kämpfen musste – deutlich vor Augen führen wollte, dass für einen Draco Malfoy keine Angelegenheit von langer Dauer wäre, sofern man die nötigen Galleonen besaß. Seine Worte waren treffender als jeder Zauberspruch, verletzender als jede Messerattacke – es waren Sätze, die Hermine in die Knie zwangen.

 

„Idiot“, schimpfte sie, bevor sie die leeren Pergamente in die Hand nahm und mit ihrem Daumen über das cremefarbene Papier strich, das alsbald mit Worten gefüllt wäre. Mit Worten, mit Bitten an Ron und Ginny. Vielleicht auch mit trostspendenden Worten, die vor allem Ginnys Trauer besänftigen sollten, da die heranwachsende Frau wusste, wie schlecht es ihrer Freundin ging, Hermine selbst jedoch nichts weiter tun konnte, als hier zu sitzen und zu bangen. Darauf hoffen, dass man Harry helfen konnte, so dass er schnellstmöglich aus dem Koma erwachte, in das er nach Voldemorts Fall gefallen war. Im Anschluss erhob sie sich und setzte sich an den Schreibtisch. Doch so richtig wollten ihr die Zeilen, die sie sich im Kopf zusammengeschustert hatte, nicht von der Hand gehen – zitternd schwebte die Federspitze über dem leeren Pergament.

 

Aber lügen würde sie nicht. Nein. Ron war ihr bester Freund, der es nicht verdiente, belogen zu werden.

 

Lieber Ron,

 

es tut mir schrecklich leid, dass ich dir erst jetzt diesen Brief zukommen lasse, aber es haben sich Umstände ergeben, die es mir nicht ermöglicht haben, dir eher zu schreiben. Bitte schreib mir in deinem Brief, wie es Harry geht, ja? Erzähl mir von seinem Fortschritt. Schreib mir, wie es dir, Ginny und deiner Familie geht. Und bitte, Ronald, schreib mir zurück – es würde mir sehr viel bedeuten, das weißt du, wenngleich ich weiß, wie ungern du Briefe schreibst. Allerdings -

 

Hermine hob die Spitze vom Blatt – den Satz auf dem Pergament unbeendet. Stattdessen besah sie sich noch einmal die geschriebenen Sätze – Wort für Wort, Zeile für Zeile. Gleichzeitig drückte sie unbewusst die Feder in ihrer Hand ganz fest zusammen, angesichts der angesammelten Tränen, die ihr schon wieder die klare Sicht rauben wollten.

 

Bei Merlin, was sollte das bloß? Wann war sie so larmoyant geworden? Dieses Getue musste aufhören, sonst würde sie Malfoy Manor keine drei Tage überleben.

 

- wird uns in ferner Zukunft nichts anderes übrig bleiben. Was ich dir auch schreibe, du darfst nichts – ich wiederhole, nichts – unternehmen. Es wird dir nicht gefallen. Womöglich wird es dich schockieren, aber ich bin in Wiltshire – bei Malfoy.

 

Ein kalter Schauer lief über ihren Rücken, während sie die vernichtenden Worte niederschrieb. Es schmerzte Hermine, ihrem besten Freund jene Zeilen zukommen zu lassen, aber alles war besser als zu lügen. Zumal sie sowieso keinen einzigen Buchstaben wegzaubern konnte, da Malfoy ihren Zauberstab einbehielt – auf unbestimmte Zeit...

 

Sicherlich fragst du dich, wieso ich dort bin und ich würde es dir so gerne erklären. Ich hoffe, dass ich dir irgendwann von Angesicht zu Angesicht erklären kann, was dazu geführt hat, dass ich dort bin, wo ich nun mal gerade bin.

 

Hermine konnte sich Rons blaue, immer größer werdende Augen wahrhaftig vorstellen. Sie hätte – sofern sie noch im Besitz ihres Stabes gewesen wäre – ihren Zauberstab darauf verwetten können, dass Ron das Pergament zerknüllen würde, sobald er den Satz gelesen hätte. Ach, wie gerne würde sie gemeinsam mit Ron und Ginny an Harrys Bett sitzen? Wie gerne würde sie Harry erzählen, wie brillant er im Umgang mit seinem Zauberstab gewesen war und Hermine selbst von ihm in den Bann gezogen wurde, da sie stillschweigend in der Ferne gestanden hatte und dem Treiben mitfiebernd zusah.

 

Aber es ging nicht. Ebenso wenig wie die Tatsache, dass Ron nicht hierher kommen durfte.

 

Und so sehr ich es mir auch wünsche, aber du darfst nicht hierher kommen, ja? Du darfst nicht nach mir suchen, Ronald. Malfoy erwähnte diesbezüglich, dass er dir erst erlauben muss, seine Ländereien zu betreten und das wird – wie wir beide leider wissen – nicht passieren. Ich selbst weiß nicht, um welchen Zauber es sich hierbei handeln könnte, aber Malfoy Manor kann ohne Malfoys ausdrückliche Erlaubnis nicht passiert werden.

 

Bitte versprich mir, keinen waghalsigen Versuche zu unternehmen. Auch muss ich dich darum bitten, es niemandem zu erzählen. Bitte mache niemanden mit diesem Dilemma verrückt.

 

Ich werde dir ganz bald wieder schreiben und freue mich auf deinen Brief, der hoffentlich erfreulichere Nachrichten enthält, als mein Brief...

 

Hermine.

 

Ron wäre nicht begeistert – überhaupt nicht. Ron würde vermutlich ausrasten. Alleine Malfoys Namen zu lesen, würde... es würde Ron erzürnen – zurecht, wie Hermine befand. Sie selbst würde sich liebend gerne übergeben, wenn sie an diese hinterhältige Schlange dachte. Hinzu kam ihr Versprechen, das sie Malfoy gab. Aber wie würde Ron darauf reagieren?

 

Schlimme Szenarien entstanden daraufhin in ihrem Kopf, die sie schnell abschütteln sollte. Abschließend nahm sie den Brief in ihre Hände, um ihn nochmals zu lesen. Immer wieder huschten ihre Augen von oben nach unten, während sie überlegte, ob sie noch etwas hinzufügen sollte. Des Weiteren grübelte sie, ob sie den Brief tatsächlich in dieser Form – so direkt und prägnant – abschicken konnte? Aber sie müsste ihn abschicken, da sich Ronald letztendlich noch Sorgen um Hermine machen würde, wenn er tagelang nichts von ihr hörte. Am Ende würde er sich selbst noch auf die Suche nach ihr machen. Dabei hatte er genug um die Ohren, bezüglich Harrys Krankenhausaufenthalt und um dessen Behandlung.
 

Ach, es war doch alles schrecklich. Wirklich schrecklich.

 

 
 

~*~

 

 

Mit noch besserer Laune als vorhin, betrat Draco die große Eingangshalle, nachdem er seinen Umhang legere über seinen Unterarm legte und breit grinsend den Läufer überquerte. Gerade hatte er das Ministerium verlassen und Grangers Aufenthalt in seinen vier Wänden geklärt – nicht sehr ehrenhaft, vielleicht auch nicht legal, aber ein Malfoy bekam seinen Willen. Immer. Und dieses prächtige Ergebnis würde er seiner neuen Mitbewohnerin nun mitteilen, gleichzeitig aber auch kontrollieren, ob sie den Brief an ihren dämlichen Freund geschrieben hatte.

 

Indessen erklomm er die Stufen nach oben, seine – vor Aufregung – zitternden Hände glitten über das kalte Geländer und er stellte sich ihr entrüstetes Gesicht vor, das zinnoberrot anlaufen würde, sobald er ihr offenbarte, dass sie für immer bei ihm bleiben müsste, ohne dass das Ministerium handelte.

 

Es fühlte sich so wahnsinnig gut an.

 

Zielstrebig – das Ziel immer vor Augen haltend – erreichte er die verschlossene Tür zu ihrem Zimmer, doch davor blieb er stehen, um sich seinen Umhang überzuziehen. Dieser verlieh ihm neben seiner eiskalten Maske Sicherheit – er fühlte sich nicht mehr nackt, wenn er ohne Umhang vor ihr stand, wenngleich er der Letzte war, der bezüglich seines nackten Körpers irgendwelche Probleme hätte. Die hatte er bei Leibe nicht, aber er fühlte sich dennoch wohler, wenn er ihn trug. Auch klopfte er wider Erwarten gegen ihre Tür, was den Vorwurf seines mangelnden Anstands widerlegen würde. Nicht einmal der Umstand, dass er freiwillig auf ihre Erlaubnis wartete, konnte seine Freude trüben.

 

Und Granger wusste genau, dass er derjenige vor der Tür war. Missmutig hatte sie ihn hereingebeten, woraufhin er sie freudestrahlend mit den Worten begrüßte: „Granger, ich habe exzellente Neuigkeiten. Bleib ruhig sitzen“, erwähnte er unnötigerweise und grinste noch breiter, nachdem er sie zusammenzucken sah. „Du musst nicht vor Freude in die Luft springen, das tue ich bereits“, ergänzte er provozierend, als er ihre Kehrseite musterte und ihr Gesicht wieder zum Fenster gerichtet war – offensichtlich auf der Suche nach einem Fluchtweg.

 

Aber das würde ihr nicht helfen, geschweige denn gelingen.

 

„Ich sagte, dass ich alleine sein möchte.“

 

Das sagte sie nicht. Unhöflich und unzivilisiert wollte sie ihn vor zwei Stunden aus dem Zimmer werfen. „Nun, dann werden dich meine Nachrichten umso mehr erfreuen, da du für eine sehr lange Zeit alleine sein wirst.“ Bedächtig näherte er sich ihrem Körper, ehedem er dicht hinter ihr stehen blieb und dank seiner Größe über ihren Kopf hinweg nach draußen sehen konnte. „Willst du denn gar nicht wissen“, begann er daraufhin zu flüstern, „was ich dir zu sagen habe?“ Draco wusste, dass das Mädchen vor ihm unendlich neugierig war.

 

Mit zusammengepressten Augen erduldete Hermine zwei Sekunden diese Nähe, bevor sie sich zu ihm umdrehte – nach oben blickend, in diese grauen, durchdringenden Augen. „Wenn... es damit zu tun hat, dass du auswanderst, dann will ich es unbedingt wissen, Malfoy.“ Oh, wie gerne würde sie ihm dieses penetrante Zahnpasta-Lächeln aus seinem schönen Gesicht schlagen und -

 

Sekunde! Was dachte sie da? Dass Malfoys Gesicht schön war? Ja... Zugegeben, Malfoy war überdurchschnittlich hübsch und er selbst wusste das am besten. Er war ein verdammter Adonis, der selbst im Kartoffelsack hübsch aussähe.

 

„Das würde dir gefallen, nicht wahr?“ Er war überrascht, dass sie ihre Meinung so offen zugab. Ja, überrascht und zum Teil beeindruckt, da sie sich ihm trotz ihrer Angst in den Weg stellte. „Aber nein. Ich werde hier bleiben – bei dir. Und weißt du was? Du wirst auch hier bei mir bleiben.“

 

„Wenn Ron -“

 

„Dein kleiner Weasley kann nichts tun. Gar nichts, Granger.“ Kurz ließ er den Satz auf sie wirken, ehe er hinzufügte: „Kein Weasley dieser Welt wird etwas unternehmen können, da ich die Zustimmung des Ministeriums habe. Demzufolge darf ich dich hier einsperren – ganz rechtens.“ Währenddessen hob er seinen Finger unter ihr Kinn, um ihr die Worte noch näher zu bringen: „Verstanden, Granger? Ich darf -“

 

„Nein!“, keuchte sie aufgewühlt, ehe sie seinen Körper von sich stieß. „Du... Du hast deinen Willen durchgesetzt?“, entkam es ihr schockiert, da das Ministerium nichts dazulernte und sich stattdessen weiterhin sowohl erpressen, als auch manipulieren ließ.

 

„Überrascht dich das?“ Sichtlich irritiert hob er verschmitzt seine Augenbraue. „Natürlich habe ich meinen Willen bekommen. Das solltest du nach sieben Jahren Hogwarts wissen, kleine Gryffindor.“ Die roten Wangen standen ihr außerordentlich gut, weil es den Eindruck erweckte, als hätte Draco der verbotenen Frucht einen sündhaft berauschenden Orgasmus bereitet. Es war animalisch, der Gedanke daran, dass er sie in unüberwindbare Höhen treiben würde.

 

Mit offenem Mund stand sie vor ihm... Es sah so verboten aus. Grundgütiger, was dachte er bloß? Zum Glück war sie es, die ihre Fasson bewahrte und verletzt und getroffen zurück zum Fenster marschierte, die Hände auf der Fensterbank platzierte und nach draußen sah – was es nicht besser machte, aufgrund der Hinteransicht, die sie ihm bot.

 

„Ich... brauche eine Eule, Malfoy“, flüsterte Hermine konsterniert, während sie um Fassung rang und seine vorherigen Aussagen überging.

 

„Gib mir den Brief. Ich werde ihn verschicken“, erklärte er ruhiger. In der Tat, Draco beruhigte sich, weil er wusste, dass er sie in der Hand hatte. Noch besser war das Wissen, dass Weasley keine Chance gegen ihn hätte – niemand würde ihm dazwischenfunken. „In der Zwischenzeit kannst du dich für das Abendessen herrichten, das wir aufgrund meiner Erledigungen bereits verschieben mussten.“

 

Pah. Hermines Augen verengten sich unterdessen – den Blick stur auf die schönen Ländereien gerichtet. Niemals würde sie mit diesem... diesem Mistkerl an einem Tisch sitzen und ihre Prinzipien verraten. Ferner spürte sie, dass er sich ihr wieder genähert haben musste, da sein Atem ihren nackten Nacken streifte, nachdem ihre Haare über ihre Schulter nach vorne gefallen waren, als sie sich auf der Bank abgestützt hatte und den Blick kurz nach unten sinken ließ. Anschließend sah sie dabei zu, wie seine Hand ihren Körper umrundete und nach dem Pergament griff. Kommentarlos, den Mund noch immer offen, beobachtete sie seine langen Finger, wie sie nach dem Papier griffen, es... zu sich heranzogen um letzten Endes von Malfoy gelesen zu werden. Und Hermine konnte nichts weiter tun, als zuzusehen.
 

Es war so demütigend.

 

„Bist du sicher, dass du den Brief so abschicken willst?“ Erneut umspielte ein Lächeln seine Züge, das allerdings nicht von ihr gesehen wurde, wie er feststellte, nachdem er über den Rand des Papiers sah und immer noch dem Anblick ihres Rückens ausgesetzt war. „Gerne würde ich Weasleys dummes Gesicht sehen, wenn er den entscheidenden Punkt liest, aber das wird mir leider vergönnt.“

 

„Bitte schick ihn einfach nur ab“, antwortete sie mit brüchiger Stimme.

 

„Deine Entscheidung.“ Folglich schritt er zur Balkontür, öffnete sie und pfiff. In der Ferne konnte er nach einigen Augenblicken eine Eule sehen, die die Balkontür ansteuerte, um im Nachhinein sanft auf seinem Arm zu landen. Selbst Granger war ihm vorsichtig gefolgt, blieb jedoch hinter der Glastür stehen und beobachtete ihn, indem sie ihren Kopf hervorstreckte – vorbei an der Tür. „Beeindruckt?“, fragte er daraufhin und strich dem Tier über das Gefieder.

 

„Überhaupt nicht“, entgegnete sie blasiert, bevor sie die Arme verschränkte und darauf wartete, dass er den Brief an das Bein der Eule band.

 

Ihre Gleichgültigkeit könnte ihm egal sein – war es aber nicht. Es war ihm verdammt nochmal nicht egal, dass sie eine Heuchlerin war, die er einfach in ihrem Bett flachlegen könnte, um ihr diese hässliche Seite auszutreiben. Statt ihr Schicksal zu akzeptieren und seine Gutmütigkeit wertzuschätzen, tat sie jedoch das Gegenteil. Granger konnte nicht zugeben, dass ihr das Zimmer gefiel. Sie konnte Draco nicht einmal sagen, dass sie die Eule schön fand, aber erwartete er immer noch etwas? Von Granger?

 

Nein, er würde und dürfte auch nichts von ihr erwarten – ebenso umgekehrt. „Bring den Brief zu Ronald Weasley.“ All jene Verachtung die er aufbringen konnte, steckte er in den ausgesprochenen Namen, nur um Granger noch mehr zu provozieren, während er den Brief an das Bein des Tieres band, bevor er ihr nachfolgend nachsah – bis die Eule gänzlich verschwunden war. Mit einem letzten Blick in die Ferne, drehte er sich zu Granger um: „Wir essen in einer Stunde – sei pünktlich, Fräulein“, klärte er sie zum Abschluss auf und verließ das Zimmer, aufgrund der dringend benötigten Dusche, die ihm Erlösung verschaffte.

 

„Idiot!“, seufzte sie der Tür entgegen, durch die er verschwunden war, nachdem sie zu dem Sessel zurückgekehrt war und innerlich den Drang verspürte, ihm nächstes Mal einen Gegenstand hinterher zu werfen. Allerdings wurden ihre Rachegelüste jäh unterbrochen, als plötzlich neben ihr eine Elfe erschien.

 

„Hallo Miss“, piepste die ängstliche Stimme, während das Wesen verschüchtert seine Hände knetete.

 

Hermine hingegen erschrak. Geistesgegenwärtig versteifte sich ihr Körper, ihre Hände krallten sich in den Armlehnen fest, weil ihre Sinne immer noch auf Alarmbereitschaft standen. Rasch war ihr Kopf zur Seite gewandert, um dem Wesen entgegenzusehen, das sie erschreckt hatte. „Oh, Hallo... Du... Du hast mich aber erschreckt.“
 

„Oh Miss, bitte entschuldigen Sie Akinas dummes, rücksichtsloses Verhalten.“

 

Wie einst Dobby, schien auch diese Elfe sich selbst strafen zu wollen, da ihr Blick auf der Suche nach einem Gegenstand war, den sie sich gegen den Kopf schlagen konnte – so lauteten Harrys Erzählungen, als er Hermine von Dobbys erstem Besuch im Ligusterweg Nummer vier erzählt hatte. Aber das würde Hermine verhindern, indem sie das Geschöpf in ein Gespräch verwickelte. „Du musst dich nicht entschuldigen, ok?“ Unbewusst nahm sie indes wieder eine gemütliche Position im Sessel ein. „Du hast nichts böses getan.“

 

„Aber Akina hat die Miss erschreckt“, erwiderte sie das Wesentliche. „Das... darf nicht passieren, Miss.“

 

„Aber das kann doch immer mal passieren. Das ist gar nicht schlimm, ja?“ Freundlich lächelte sie der Elfe entgegen, obwohl ihr nicht nach Lachen zumute war. Innerlich war Hermine gestorben, als Malfoy ihr das genommen hatte, was wichtig in ihrem Leben war – sowohl ihren Vater, als auch ihre Freiheit. „Dafür... musst du dich nicht entschuldigen“, betonte sie abschließend, ehe ihr Blick wieder apathisch nach vorne gerichtet wurde.

 

„Da- Danke, Miss. Wünscht die Miss ein Bad, bevor sie zum Essen geht?“, piepste Akina ängstlich und knetete weiterhin ihre faltigen Hände, um die Nervosität zu kompensieren. „Akina würde der Miss sehr gerne ein Bad einlassen.“

 

Ohne es zu wollen, rannen aus Hermines Augenwinkel Tränen, als sie daran dachte, wie schlecht der blonde Idiot seine Elfen behandelte. Es versetzte ihr regelrecht einen Stich, so dass es unvermeidbar war, dass sie Tränen vergoss – anlässlich des Leidens der armen Geschöpfe. „Ich werde nicht zum Essen gehen, Akina. Du musst dir demnach nicht die Mühe machen“, erklärte sie der Elfen-Dame sanft.

 

Augenblicklich weiteten sich die kugelrunden Augen, gleichzeitig schlug sich Akina ihre Hände vor ihre geöffneten Mund. „Aber Miss, Sie... Sie müssen. Der Herr wünscht es“, erwiderte sie daraufhin empört.

 

Ihr Kopf sank, herbeigeführt durch die schiere Müdigkeit, gegen ihre zitternde Brust. Sie wollte nicht genervt klingen. Hermine lag es fern, die Elfe zu verschüchtern, aber sie war gekränkt. „Es ist mir egal, was er sich wünscht.“ Sie war sich auch ziemlich sicher, dass es nicht Malfoys Wunsch war, mit ihr zu essen. Nein, er wollte sie lediglich daran erinnern, welche Macht er besaß. „Du kannst ihm sagen, dass ich keinen Hunger habe.“

 

„Miss, Akina bittet die Miss, diese Entscheidung noch einmal zu überdenken.“

 

„Das muss ich nicht.“

 

„Aber... Miss, der Herr duldet keine Widerworte.“ Die Elfe stand perplex neben dem Menschenmädchen. Noch nie hatte sie zuvor eine solch starke Persönlichkeit kennengelernt, die sich wissentlich gegen ihren Herren auflehnte. „Bitte hören Sie auf Akina, Miss.“ Ihre nackten Füße trugen sie neben das hochgewachsene Mädchen und wäre sie größer, würde sie womöglich ihre Hand auf die Schulter des Mädchens legen, um sie zu trösten, wenngleich es Elfen verboten war, Menschen zu berühren.

 

„Ich kann mit seinem Zorn umgehen“, erwiderte Hermine betroffen. Was dachte Malfoy sich eigentlich dabei, wenn er seine Elfen dermaßen unter Druck setzte? Dachte er, dass er Hermine durch jenen Druck einschüchtern könnte? Dann war er aber auf dem Holzweg. Dieser... Dieser elende...

 

Ach, sie schluckte ihre Beleidigung hinunter – hören konnte er sie sowieso nicht. Dennoch würde sie ihm nur allzu gerne den Hals umdrehen. Mitten im Schlaf – für all die Gemeinheiten, die sie in seiner Gegenwart erdulden musste. Hinzu kam die Schmach. Hermine spürte nun mit aller Härte, wie es war, wenn man unter Malfoys Fuchtel stand...

Abendessen mit Hindernissen

- Kapitel sieben -


 

 

Mit deutlich besserer Laune als zuvor war Draco aus der Badewanne gestiegen – das Handtuch leicht um seine Hüften gebunden. Nichts konnte entspannender sein, als ein heißes Bad – abgesehen von Sex, den er bitter nötig hatte. Es fehlte ihm tatsächlich, jedoch konnte er sich momentan nicht darauf konzentrieren, angesichts der Trauer, die noch auf seinen Schultern lastete. Währenddessen hatten sich um ihn herum dicke Dampfschwaden gebildet, die ihren Weg nach draußen fänden, sobald die Elfen die Fenster öffnen würden, aber das müsste nicht seine Sorgen sein. Wozu hatte er die Elfen, wenn er sich darüber Gedanken machte? Nein, das war nicht nötig, weshalb er die Tür ansteuerte und in seinem angrenzenden Schlafzimmer verschwand.

 

Automatisch trugen ihn seine Füße zu seinem Schrank, aus dem er ein sauberes, schneeweißes Hemd zog, das er feixend über seinen nackten Oberkörper streifte, bevor er nach Socken und einer Boxershort griff, ehe er aus einem weiteren Schrankregal eine schwarze Stoffhose nahm und diese mit einem schwarzen Ledergürtel um seine Hüften festzog. Abschließend schlüpfte er in seine schwarzen Stiefel, da er sich nach dem Essen noch mit Blaise treffen wollte.

 

Doch davor... hatte der Malfoy-Erbe noch andere Pläne, die seinen unfreiwilligen Gast betrafen. Oh, was würde er sich während des Essens auf ihre Kosten amüsieren. Leiden sollte sie, aufgrund seiner penetranten Blicke, die er ihr ununterbrochen zuwerfen würde – ein Spiel, das er allzu gut beherrschte und ihn von seinen sexuellen Gelüsten ablenken würde. Ja, er würde das Spiel letzten Endes gewissen, da er wusste, dass Granger nicht im Stande war, Blickkontakt halten zu können. Das konnte sie noch nie, da sie zu schüchtern, zu schwach und zartgliedrig gewesen war. Insofern war ihm der Sieg gewiss, aus dem er neue Kraft schöpfen konnte.

 

Die letzten Knöpfe seines Hemdes schloss er auf dem Weg zur Tür, die er hämisch grinsend passierte und sich auf den Weg zum Speisesaal machte. Inständig hoffte Draco, dass sein Zorn – im Bezug auf ihre hiesige Anwesenheit – nicht lange andauerte, da er ansonsten Gefahr lief, wirklich unfair zu werden. Außerdem hatte er sich bereits genug darüber echauffiert, dass sie fortan hier lebte. Ja, es war an der Zeit, dass er sie nun bis zum Äußersten trieb und ihr zeigte, was sie mit ihrer dümmlichen Entscheidung eigentlich getan hatte.

 

 
 

~*~

 

 

„Akina!“, brüllte Draco ungeduldig, nachdem er seit einer halben Stunde auf seinem Platz saß, sein Wasserglas beobachtete und darauf wartete, dass sowohl Granger, als auch das Essen kam – aber weder das eine, noch das andere erschien. „Akina!“, wiederholte er erzürnt, woraufhin die Elfen-Dame unverzüglich neben ihm erschien und sich ehrfürchtig verneigte.

 

„Herr, Ihr... Ihr habt nach Akina gerufen?“

 

„Bei Merlin, Akina, wo zum Teufel bleibt sie?“, wollte er wütend wissen, ehedem seine geballte Faust ungebremst auf den bereits gedeckten Tisch schlug. Nicht fest, aber er konnte das Porzellan vibrieren spüren. „Ich warte seit einer geschlagenen halben Stunde. Was treibt Granger da oben?“ Häuslich einrichten würde sie sich wohl kaum. Dass sie zudem zu spät war, war das eine. Dass sie seine Anweisung scheinbar absichtlich ignorierte, das andere – eine Tatsache, die er nicht hinnahm; suggerierte sie ihm damit bloß, dass sie sich über seine Entscheidungen stellte. Hinzu kam, dass er seinen ausgeklügelten Plan nicht in die Tat umsetzen konnte, der vorsah, dass er vorerst warten würde, bis sie zu essen anfing. Anschließend wollte er sie anhaltend anstarren bis sie diejenige war, die die Geduld verlor und verschwand. Und dann... dann würde er sein Essen genüsslich verzehren.

 

Das war sein Plan, den sie mit ihrer Abwesenheit zunichte machte.

 

„Herr“, piepste sie. Indessen verkrampften sich ihre faltigen Hände in ihrem zerlumpten Kissenbezug. „Herr, die Miss möchte nicht zum Essen kommen“, ergänzte Akina schluckend – den Blick gen Boden gerichtet, weil sie befürchtete, die Leittragende zu sein.

 

„Was sagst du da?“, entfuhr es dem jungen Mann aufgebracht. „Sag das noch einmal, Akina“, forderte Draco daraufhin knurrend, doch war die Wut bereits nach oben geklettert. Sein Zorn hatte das Pulverfass in ihm entfacht, woraufhin seine Hand ausholte und die Kristallgläser – die auf der Seidentischdecke thronten – zu Boden feuerte. Als die Elfe folglich dieselben Worte wiederholte, war es um ihn geschehen. Wie eine gezündete Rakete war er aufgesprungen, wodurch sein Stuhl krachend zu Boden fiel. Auch die Gabel, die Draco zwischenzeitlich in seine Hände genommen hatte, um den Hunger anlässlich der Ablenkung zu kompensieren, knallte er mit voller Wucht auf den Tisch.

 

Dieses Miststück.

 

Sie widersetzte sich? Dann musste sie mit den Konsequenzen leben. Unweigerlich umrundete er den langen hölzernen Tisch, stieß zischend das kleine Portal auf und steuerte die Treppe an, die ihn zum ersten Stock führte. Dass seine Elfe dicht hinter ihm war, war nebensächlich. Es war ihr beigebracht worden, dass sie die Seite ihres Meisters erst dann verlassen durfte, wenn er sie ausdrücklich entließ.

 

Mit enormer Wut im Bauch kam er vor ihrer verschlossenen Tür an, und anstatt sich eventuell ein wenig zu beruhigen, war er auf dem Weg zu ihr nur noch wütender geworden – was zumindest einen kleinen Vorteil mit sich brachte. In diesem Moment dachte er wenigstens nicht daran, sich mit irgendeiner Frau in seinem Bett zu wälzen. Aber das waren Probleme, die er nicht in Verbindung mit ihr bringen durfte, weshalb er ohne zu zögern gegen ihre Tür polterte.

 

„Granger, was treibst du da drinnen?“ Seine Hände stemmte er im Anschluss blindwütig in seine Hüften, da er auf eine Antwort wartete, die jedoch nicht folgte.

 

Nein. Nicht ein Laut war aus dem Zimmer zu hören.

 

„Granger!“, schrie er unbändiger. „Ich hab dir doch gesagt, du sollst zum Essen kommen, verdammt nochmal!“ Dass er sich überhaupt die Mühe machte, sie nochmals daran zu erinnern. „Seit dreißig Minuten warte ich mit leerem Magen darauf, dass du deinen Hintern nach unten bewegst.“

 

„Ich werde nicht mit dir zu Abend essen“, rief sie entschlossen durch die Tür.

 

Gott, sie war im Stande, alles Böse in ihm zu wecken, angesichts ihrer vehementen Verweigerung. Dabei war er derjenige, der Anforderungen stellen durfte. Draco war es, der ihr Vorschriften zu machen hatte – nicht umgekehrt. Er wollte sich einen gemütlich Abend machen, indem er sich auf ihre Kosten amüsierte, aber nein, das wurde ihm verwehrt, weil sie das Talent besaß, ihn bis aufs Blut zu reizen.

 

„Du kommst da raus, oder ich schlag die gottverdammte Tür ein!“, drohte er und rüttelte an der blöden Klinke, die sich zwar hinunterdrücken ließ, aber nicht den erwünschten Effekt erzielte. Merlin, sie hatte die Tür offensichtlich mit dem Zimmerschlüssel – der im Moment nicht unnötiger sein konnte – verschlossen. Und wieso hatten diese scheiß Türen auch Schlüssel? Er war ein Zauberer, der stets auf seinen Zauberstab zurückgreifen und mittels eines Zauberspruchs die Tür verriegeln konnte.

 

„Wie schlagfertig, Malfoy“, giftete sie zurück, weil sie sich in ihrem Zimmer in Sicherheit wog, denn allem Anschein nach hatte er seinen Zauberstab nicht bei sich getragen, der es ihm ermöglicht hätte, sich Zutritt zu ihr zu verschaffen. „Wieso sprengst du die Zimmertür nicht einfach auf? Oder hast du etwa deinen Zauberstab vergessen, du Idiot?“ Dass sie sich diesem Jargon bediente, beruhte auf ihrer Verzweiflung.

 

„Du nennst mich Idiot?“ Augenblicklich zuckte seine Augenbraue nach oben, anlässlich dieser Beleidigung. Ihre Position dürfte es ihr gar nicht erlauben, ihm etwas so unverschämtes an den Kopf zu werfen, aber er verstand... Sie fühlte sich sicher. Sie glaubte, ihm die Stirn bieten zu können, doch sie irrte sich gewaltig. „Ich rate dir, deine Zunge zu zügeln, Fräulein“, empfahl er mit erhobenem Zeigefinger, den sie nicht sehen konnte. Schlimmer jedoch war, dass er tatsächlich seinen Zauberstab vergessen hatte. In seiner blinden Wut war er aufgesprungen und zu ihr nach oben gelaufen, während sein Stab seelenruhig auf dem Esstisch ruhte.

 

Eine Dummheit, die eindeutig auf seine Kappe ging. Das berechtigte dieses Weib aber noch lange nicht, ihm diesen Fehler auf zynische Art und Weise vorzuhalten, nur um herauszufinden, wie strapaziös sein Geduldsfaden war. Sie sollte abwägen, ob es wirklich klug war, ihn weiterhin zu provozieren, da er nur nach unten gehen müsste, um seinen Stab an sich zu nehmen.

 

„Ja, das tue ich, Malfoy.“ Seit seiner Ankunft hatte sie starr inmitten des Raumes gestanden. So sehr hatte sie sich erschrocken, als sie ihn durch die Tür toben hören konnte, was sich inzwischen aber änderte, angesichts der Information, dass er unbewaffnet war. Hermine schritt langsam zu dem Bett, auf das sie sich der Länge nach hineinfallen ließ, sich auf ihren Rücken drehte und die Arme hinter ihrem Kopf verschränkte.

 

„Ich warne dich, Granger. Treib es nicht zu weit.“ Innerlich tobte er, im Hinblick auf das ersehnte Verlangen, ihren Körper gegen eine Wand zu pressen und ihren vorlauten, frechen Mund zu stopfen. Was sollte das nun wieder? Wieso holte ihn ausgerechnet jetzt diese Erinnerung ein? Unterdessen stützte er sich mit beiden Händen von der Tür auf, ließ seinen Kopf hängen und schüttelte ihn leicht. Dieses skurrile Verlangen verspürte er zuletzt im sechsten Schuljahr, als ihm bewusst wurde, dass sie recht ansehnlich geworden war. Aber das war es auch schon. So hübsch sie auch geworden war, ein Schlammblut würde sie immer bleiben.

 

Und es war egal, wie schön sich ihr Körper in den Jahren geformt hatte. Es war egal, wie lang ihre Beine -

 

„Und ich sage es dir nochmal: Ich habe keinen Hunger und noch weniger Lust, gemeinsam mit dir zu Abend zu essen.“ Sie war gemein, zugleich erschüttert, wie ausfallend sie hatte werden können, wenn sie in die Enge getrieben wurde. Selbst während ihrer gemeinsamen Zeit als Vertrauensschüler – die meist daraus bestand, sich wegen Banalitäten zu streiten – war sie nie so unbeherrscht. Dennoch wollte sie alleine sein und sich nicht weiter mit ihm und seinen abstrusen Forderungen auseinandersetzen. Ferner musste sie auch noch akzeptieren, dass sie fortan alleine und einsam wäre, hinsichtlich ihrer... neuen Wohnsituation – hier auf Malfoy Manor. Folglich bemerkte sie die heißen Tränen, die sich aus ihren Augen stahlen und nach unten tropften. Allerdings würde sie immer wieder so handeln und ihren Vater vor der Hölle bewahren, wenngleich sie hier nichts weiter als die Einsamkeit erwartete... Jedoch schreckte sie hoch, als sie Malfoys immer lauter werdende Stimme vernahm.

 

„Du kleines Miststück. Komm sofort aus dem Zimmer“, fauchte er ungezügelt. Dieses Mädchen... Sie unterbrach seine Gedanken und er ertappte sich dabei, dass ihn der Gedanke an Granger gar nicht so sehr anekelte, wie er eigentlich sollte. Um dies zu unterbinden, schlug er nochmals gegen die Tür. „Granger, du wirst mich kennenlernen, wenn du nicht augenblicklich diese scheiß Tür aufmachst!“
 

Wieso lag sein blöder Stab auch im Speisesaal?

 

Nun, das kann ich dir sagen, mein Lieber“, überraschte ihn seine innere Stimme, die sich in den unpassendsten Momenten bemerkbar machte. „Du bist unvorsichtig geworden, seitdem der dunkle Lord weg ist – sehr unvorsichtig, Mister.“

 

Super. Nicht nur, dass Granger ihn nervte, nun kam auch noch diese unerträgliche Stimme hinzu, die sich als Gewissen ausgab. Tze, blöde Stimme und noch blödere Granger. Derweil schlug er auch so fest gegen die Tür, dass sie mit Sicherheit doch zu Bruch ging – würde er weiterhin so verfahren. War er schon so weit, dass er ihretwegen sein Mobiliar zerstörte? Nein, weshalb er schlagartig aufhörte, das Holz mit herben Schlägen zu traktieren.

 

„Herr?“, wimmerte Akina kleinlaut. Die ältere Elfen-Dame war geneigt, ihren Herren zur Räson zu rufen, sogar nach dem Saum seines Hemdes zu greifen, um sich Aufmerksamkeit zu verschaffen.

 

„Was ist, Akina?“, brummte Draco ihr entgegen, der gar nicht mehr daran gedacht hatte, dass sie ihm gefolgt war. So blindwütig war er schon nach oben gestürmt, dass er ihre Anwesenheit vergaß.

 

„Herr, vielleicht... vielleicht wäre es besser“, begann sie verunsichert zu erklären, „wenn Ihr sie noch einmal fragt – höflich und zuvorkommend?“

 

„Was?“ Musste seine Elfe ihm jetzt schon den Umgang mit widerspenstigen Frauen näherbringen? Verdammter Mist, er wog tatsächlich ab, ob er den Ratschlag der Elfe in Betracht ziehen sollte und kam zu dem Entschluss, dass sie womöglich recht hatte. Allerdings würde er nie zugeben, dass sie ihn zum Umdenken bewegt hatte, wenngleich er ihren Einsatz mit hochgezogenen Augenbrauen schätzte. Schließlich waren seine Elfen scheue, recht ängstliche Wesen, die sich nie dazu erdreisteten, ihm ins Wort zu fallen, geschweige denn zu erklären, wie man in solchen Situationen vorgehen konnte.
 

Es wäre zumindest ein Versuch wert.

 

Infolgedessen klopfte er nochmal gegen die Tür – dieses Mal behutsamer. „Granger, würdest du bitte zum Essen kommen?“ Mit verzogener Miene richtete er die Worte an sie. Worte, die er hasste und nicht ernst meinte. Zumal ihn dieses bitte extrem viel Überwindung kostete.

 

„Malfoy, bist du taub?“, entgegnete sie konsterniert. „Ich habe abgelehnt.“

 

Verdammte Scheiße! Blanke Wut durchfuhr ihn, nachdem sie ihm so rigoros absagte. Parallel sah er zu seiner zusammenzuckenden Elfe, während er stumm den Finger zur Tür richtete. Als würde er Akina sagen wollen: 'Siehst du, ich habe es gewusst.' Aber er besann sich, zwang sich zur Ruhe und versuchte ernsthaft, sein Temperament zu zügeln. Folglich verkrampften sich seine Finger in seinem sündhaft teuren Blazer – so konnte er gewährleisten, seine Wut zu kompensieren und antwortete dem halsstarrigen Mädchen: „Es wäre mir eine Freude, wenn du mich zum Essen begleitest, Granger.“

 

Oh ja, welch eine Freude aber auch. Nicht einmal er selbst glaubte sich diese hirnrissige Aussage. Nein, stattdessen erduldete er ihre Beleidigung. Draco ließ sich bis zur letzten Instanz hinab, in der er sie höflichst zu Tisch bat.

 

„Wie wäre es mit einem kleinen 'Bitte'?“, fügte Akina leise hinzu.

 

„Bitte!“, wiederholte Draco lauter, damit dieses schreckliche Wort bis zu Granger durchsickerte.

 

„Nein, danke!“ Hermine konnte es nicht glauben. Dass er tatsächlich so dumm war und glaubte, sie würde auf diese geheuchelten Worte hereinfallen. Tze, sie kannte ihn gut genug, um zu wissen, dass keines seiner Worte nett gemeint war. Im Gegenteil. Malfoy nutzte doch diesen Vorwand bloß, um sie anschließend zu schikanieren.

 

„Du kannst nicht ewig in dem Zimmer bleiben!“, brüllte Draco aufgebracht. Zusätzlich kroch die Wut zur Oberfläche, in Form eines festen Schlages gegen die noch immer verschlossene Tür.

 

„Doch, kann ich.“

 

Schön. Was genug war, war genug. Ihm reichte es vollkommen. Draco war doch niemand, der sich ständig zum Affen machte. Immerhin hatte er sie höflich gefragt, ließ seine Prinzipien – Schlammblüter prinzipiell zu hassen – außen vor und stellte sich auf dieselbe Stufe. Er bemühte sich sogar um einen vernünftigen Gesprächsverlauf, nachdem Akina ihn zurechtgewiesen hatte. Was in Merlins Namen wollte sie noch?

 

Hatte er nicht schon seine Würde ihretwegen geopfert? Doch, und sie tat nichts anderes, als ihm – metaphorisch gesehen – in seine Mitte zu treten. Und das, obwohl er seine scheiß Würde geopfert hatte und sie um etwas banales – wie etwa mit ihm zu essen – bat.

 

„Fein!“, schrie er hasserfüllt. „Dann bleib da drin und verhungere!“ Draco hatte seine Beherrschung vollständig verloren. Endgültig. Eigentlich lustig, denn man hatte ihm seit seiner Geburt beigebracht, jene Contenance eben nicht zu verlieren. Aber er hätte verflucht nochmal platzen können, weil er sich von ihr zum Narren halten ließ. Dem gegenüber blickte er finster zu seiner Elfe hinab, da es ihr Vorschlag gewesen war, freundlich und höflich zu sein – ja, Granger gar mit einem Bitte zu Tisch zu bitten. Folglich schüttelte er seinen blonden Schopf und fuhr zornig fort, nachdem er sich an Akina wandte. „Wenn sie nicht mit mir isst“, fauchte er und breitete seine Hände schwungvoll aus, „dann isst sie überhaupt nichts.“

 

Daraufhin nickte Akina heftig.

 

Draco hingegen strich knurrend sein Hemd glatt, ehedem er seine Haare zurückkämmte und mit einer immensen Wut im Bauch von dannen zog. Innerlich war er explodiert, doch war es ihm gelungen, halbwegs normal zu bleiben, ohne seiner Elfe oder Granger etwas anzutun, obwohl Letzte nichts anderes als Leid verdient hatte. Aber egal, die Zeit würde alles weitere richten. Ja, Granger würde von Zeit zu Zeit immer schlimmer aussehen, angesichts ihrer Gefangenschaft.

 

„Scheiß Schlammblut“ bellte er anschließend und steckte seine Hände in die Hosentaschen, wo er sich im Innern festkrallen konnte, während er durch den langen Flur schritt, bevor er die Treppen hinabstieg, um endlich essen zu können – wenn auch alleine.

 

Bibbernd hatte die Elfe seinem Herren nachgesehen, bis dieser schlussendlich verschwunden war und Akina in die Küche apparieren konnte, um die restlichen Speisen aufzutischen.

 

 
 

~*~

 

 

Seit mindestens zehn Minuten presste Hermine ihr Ohr gegen die Tür, um sicherzustellen, dass Malfoy nach seinem glanzvollen Abgang auch tatsächlich verschwunden war und nicht wieder zurückkäme. Schnaubend zog sie sich daraufhin zurück und tigerte weitere zehn Minuten in ihrem Zimmer umher – nicht sicher, was sie machen sollte. Zusätzlich geriet ihr Atemrhythmus außer Kontrolle, weil ihr mehr und mehr klar wurde, was wirklich geschehen war. Die vorherigen Momente schien sie in einer Art Schock gefangen gewesen zu sein, damit ihr Körper funktionierte, doch zunehmend schwand die Starre. Nach und nach wurde ihr bewusst, wie wütend Malfoy gewesen war. Wie sehr er aus der Haut gefahren war, nachdem sie nicht kooperierte... Merlin, hätte er seinen Zauberstab mit sich geführt, geschweige denn, wenn er ihn holen gegangen wäre – Hermine wollte sich nicht ausmalen, was passiert wäre.

 

Allerdings brachte sie das nicht weiter, weshalb sie sich der angrenzenden Tür näherte – die sie zuvor gar nicht bemerkt hatte. Zu aufgewühlt war sie gewesen, um sie wahrzunehmen. Aber zukünftig hätte sie ja nun Zeit, um die Umgebung auszukundschaften. Vorsichtig öffnete sie die Tür, wohinter sich ein schönes Badezimmer befand – stilsicher und geschmackvoll eingerichtet. In der linken Ecke war eine Eckbadewanne eingelassen, die sie fasziniert ansteuerte und zwei ihrer Finger über den glatten Wannenrand gleiten ließ. Sie war umgeben von wohlduftenden Pflanzen, während ihr Blick zu einem der weißen Schränke streifte.

 

Ob sie ein Bad nehmen konnte? Und waren in dem Schrank Handtücher? Sie vergewisserte sich, ehe sie zu der Wanne zurückging und die drei silbernen Wasserhähne aufdrehte, aus denen unverzüglich verschieden duftende Wasserfontänen spritzen – in den unterschiedlichsten Farben. Der eine war grün und duftete nach Tannen, wohingegen der blaue dem Duft von Lavendel gleichkam. Abschließend kristallisierte sie den Duft des roten Wasserstrahls heraus – er duftete nach Rosen. Es ergab ein schönes Bild, nachdem sich das Wasser aus dem Metall drängte und im Innern der Wanne miteinander verschmolz.

 

Doch bevor sie in die Wanne stieg, stellte sie sicher, die Tür verschlossen zu haben. Im Anschluss entledigte sie sich ihrer Kleidung, bevor sie diese ordentlich auf eines der Regale stapelte. Verschmitzt biss sie sich währenddessen auf die Unterlippe, nachdem sie zur Wanne zurückgegangen war und einen ihrer nackten Zehen in das warme Wasser tauchte. Es war angenehm warm und so beschloss sie, ihren Körper vollständig in der wohligen Wärme versinken zu lassen – was unglaublich entspannend auf ihre Muskeln wirkte. Augenblicklich fühlte sie sich besser – soweit es einem in Gefangenschaft gut gehen konnte...

 

Zu ihrem Erstaunen hatte sie es auch gar nicht mehr so getroffen, dass er sie als Schlammblut betitelte. Sie kannte es schließlich seit ihrem zweiten Schuljahr nicht anders. Immer war sie Malfoys Anfeindungen ausgesetzt und mit den Jahren hatte sie sich immer besser damit arrangieren können. Als er sie jedoch zum ersten Mal so genannt hatte, hatte es ihr enorm weh getan. Es hatte höllisch geschmerzt, aber heute? Nun, es war besser geworden und sie dachte daran, wie sich sich mit Harry, Ron und Ginny darüber amüsieren würde.

 

Harry würde Malfoy vermutlich raten, dass er sich etwas Neues einfallen lassen sollte, weil die Platte hängen würde, hinsichtlich seiner Beleidigungen. Oh ja, das war ihr Harry – stets direkt und offen. Im Anschluss würden sie sich vermutlich kringelig lachen, aufgrund dessen, dass Malfoy vergeblich darüber nachdenken würde, was denn eine Platte sei. Nie käme er auf den Gedanken, dass es sich um eine CD handeln könnte.
 

Aber woher sollte er das auch wissen? Malfoy hasste all das, was von Muggeln abstammte...
 

Allerdings ließen die Gedanken auch Hermine wehmütig zur Decke blicken. Sie kam nicht mal in den Genuss, sich eine CD anzuhören, da sie hier nichts ihr Eigen nennen konnte. Hier gab es keine CDs... Sie hatte nicht einmal frische Kleidung, keine Bücher und keine Gesellschaft – abgesehen von Malfoys Hauselfen.

 

„Das ist doch verrückt“, murmelte sie traurig. Und wieder waren die Tränen auf dem Vormarsch, aber sie war alleine. Hermine müsste nur einmal untertauchen, dann wären ihre Tränen verschwunden...

 

 
 

~*~

 

 

„Sie ist nichts weiter, als ein widerliches, stures Stück, verdammt“, bellte Draco unterdessen genervt, nachdem er in seinem Studierzimmer unzählige Kreise gezogen hatte. Er war immer noch in Rage, obwohl er auf Blaise wartete, der ihn jeden Moment abholen wollte, weil er mit Draco etwas unternehmen wollte. Ja, Blaises Unternehmungen kannte Draco zu Genüge, aber was sollte er sonst tun, außer zuhause herumsitzen und sich über Granger aufregen? Da könnte er genauso gut mit Blaise um die Häuser ziehen, sich eine nette Bekanntschaft mit nach Hause nehmen und Spaß haben. Ja, der Gedanke an Sex war zurückgekommen – schonungs- und erbarmungslos. Gleichzeitig verneinte er jenes Vorhaben, da Granger ihm alles versaute.

 

Merlin, wie sollte er Sex haben, wenn sie im Haus war? Indes griff er fast schon cholerisch nach einer Feder, die in ihrer Halterung stand und Dracos ungezügeltem Hass hilflos ausgesetzt war, aufgrund der bevorstehenden Explosion, die drohte, alsbald aus ihm herauszubrechen.

 

Ob er sie einsperren sollte, wenn er in Begleitung nach Hause käme? War das eine geeignete Alternative? Offenbar nicht, da sein Gewissen ihn bereits jetzt schon erdolchte, obwohl er den Gedanken noch gar nicht zu Ende gedacht hatte.

 

„Schön, dann eben nicht“, erwiderte er patzig, um sein Gewissen ruhig zu stellen. Darauffolgend nahm er zum zehnten Mal auf dem Stuhl hinter seinem Schreibtisch Platz. Und als hätte er es genau miteinkalkuliert, loderte im selben Augenblick sein Kamin auf. Grüne Flammen schossen empor, bevor sein bester Freund vor ihm erschien und sich mühevoll den Ruß vom Umhang klopfte.

 

„Hey, fast pünktlich, was?“, gab Blaise entschuldigend von sich, wonach er grinsend vor dem Schreibtisch Platz nahm.

 

Draco kannte ihn nicht anders. Blaise war noch nie pünktlich gewesen – eine unschöne Eigenschaft, die sein Freund besaß, aber man lernte, damit zu leben. Stattdessen sollten beide – Draco, sowie Blaise – dankbar sein, sich überhaupt noch über die Unpünktlichkeit des jeweils anderen aufregen zu können. Sie konnten sich glücklich schätzen, dem Krieg nicht zum Opfer gefallen zu sein und Blaise zeigte diese Freude nur zu deutlich, während Draco der stumme Genießer gewesen war. Doch sehr zu seinem Missfallen, war Blaise mehr als nur dankbar. Er vergötterte Potter regelrecht, was Draco in den wenigen Tagen – in denen der Krieg nun schon vorbei war – in den Wahnsinn trieb. Sicher, er war froh, dass der dunkle Lord keinen Einfluss mehr auf ihn ausüben konnte, aber musste man deswegen Potter in den Himmel loben? Gab dieser Sieg dem komatösen Potter das Recht, dass jeder gottverdammte Zauberer dazu verdammt war, ihm Tribut zu zollen?

 

„Vielleicht bist du das nächste Mal ja pünktlich?“, antwortete Draco hämisch und steckte die in Mitleidenschaft gezogene Feder in ihre Halterung zurück.

 

Folglich hob Blaise vergnügt die Augenbrauen, während er sein Gegenüber ausgiebig bestaunte. „Ja, vielleicht. Vielleicht bist du das nächste Mal auch schon fertig, denn wie ich sehe, sehe ich nichts, das darauf hindeutet, dass wir los können?“ Grinsend verschränkte er seine Arme und fügte hinzu: „Was ist los, Kumpel? Du siehst nicht erfreut aus.“

 

Ach, das sah man, ja? Natürlich sah man seinen Unmut. Er tat auch nicht viel, um diesen zu verbergen. „Die Hölle auf Erden ist los, aber wir können sofort los.“ Rasch sammelte er die Pergamente des Ministeriums zusammen, die Grangers Aufenthalt auf Malfoy Manor bestätigten, bevor er sie in der mittleren Schublade verstaute. Zuzüglich hätte er Blaises dämliches Grinsen gerne aus seinem Gesicht geschlagen, weil er es immerzu gehasst hatte, wenn er so herablassend grinste. Aber Blaise war eben immer gut gelaunt – was untypisch für einen Slytherin war.

 

„Inwiefern?“, wollte der dunkelhäutige Junge interessiert wissen.

 

Klasse, er würde seinem besten Freund erklären, was los war. Zuvor legte er jedoch seinen Kopf in den Nacken, während seine Hände über sein Gesicht rieben.

 

„Draco?“

 

Ja, gut. Er würde es ihm unverzüglich erzählen. Mit einem Ruck hatte er sein Gesicht nach unten sinken lassen, um Blaise entgegenblicken zu können. Parallel faltete er die Hände zusammen. „Granger ist hier.“
 

Schon wieder flog eine Augenbraue nach oben, bevor Blaise schmunzelnd antwortete: „Granger?“

 

„Ja, verdammt. Granger!“

 

Dracos bester Freund konnte nichts dafür, als ihm das unfreiwillige Lachen aus seinem Hals entkam. „Na klar. Sicher doch, Draco.“ Es war um Blaise geschehen, er brach in Gelächter aus. „Erzähl, wie geht es Granger?“

 

„Was soll das, Blaise? Denkst du, ich scherze?“ Die beiden Jungs stellten ein recht amüsantes Bild dar. Während Blaise sich kaum halten konnte vor Lachen, saß Draco angesäuert in seinem Stuhl – die Arme vor der Brust überkreuzt. „Verdammte Hippogreifkacke, das ist nicht lustig.“ Seine linke Hand knallte anschließend auf den Schreibtisch, woraufhin Blaise zu lachen aufhörte. Draco hingegen stützte mithilfe seiner rechten Hand seinen zur Seite geneigten Kopf ab und schloss genervt die Augen.

 

Nachdem der ehemalige Zimmergenosse von Draco die Ernsthaftigkeit bemerkte und ersichtlich wurde, wie Draco womöglich Luft zwischen seinen Zähnen mahlte, entgegnete Blaise schluckend. „Also für mein Verständnis: Wir reden von unserer Granger, ja? Der Bücherwurm Granger? Die Granger, die du nicht leiden kannst?“

 

„Verdammt nochmal, ja. Diese Granger.“ Zumindest waren sich die beiden Slytherin in einer Hinsicht gleich. Beide schienen Sex bitter nötig zu haben. Sie beide suchten keine Bindung, keine Gefühle, doch im Gegensatz zu Draco, war Blaise in der Lage, sich auch längerfristig auf Frauen einzulassen. Draco hingegen nicht. Zu oft hatte er mit ansehen müssen, wie sich ehemalige Klassenkameraden verbrannten – herbeigeführt durch die Liebe.

 

Nicht zuletzt auch Daphne und Pansy. Auch sie hatten sich die Finger verbrannt. Jahrelang hatte Draco die beiden Mädchen ausgenutzt und beide waren dumm genug, für ihn zu schwärmen, obwohl sein Interesse nur von sexueller Natur geprägt worden war. Dennoch wusch er seine Hände in Unschuld, weil er nie einen Hehl daraus gemacht hatte, nur das Eine zu wollen. Schließlich kannte man ihn, seinen Ruf und seine Ambitionen.

 

„Das ist ja witzig“, bemerkte Blaise belustigt, nachdem er sich in seinen Stuhl zurücklehnte und an seinem Daumennagel zu kauen anfing. „Erzählst du mir auch, wieso Granger hier ist? Wir wissen ja, dass ihr euch nicht gerade wohlgesonnen seid. Daher sei die Frage erlaubt, oder?“

 

Fand er den Zustand etwa immer noch lustig? „Blaise, überzeug dich selbst, wenn du mir nicht glaubst“, ergänzte er missmutig und tippte mit beiden Zeigefingern – welche aus seinen ineinander gefalteten Hände herausragten – gegen seinen Mund. „Ihr Zimmer ist im hinteren Ostflügel.“

 

„Warte mal.“ Ihm wurde klar, dass Draco es ernst meinte. „Wie kam es überhaupt dazu, dass sie hier ist – hier, in deinem Haus? Entschuldige, aber das ist doch etwas... seltsam, oder?“

 

„Ist das wirklich relevant?“ Für Draco war es das jedenfalls nicht. Er wollte von Blaise lediglich die Bestätigung, richtig gehandelt zu haben, wenngleich sein bester Freund die Hintergründe nicht kannte.

 

„Ähm, ja?“

 

„Ihr Vater hat eine Dummheit begangen, die Granger jetzt ausbadet.“

 

„Was? Verstehe ich dich richtig, Draco?“ Augenblicklich war der gut gelaunte Ausdruck ins Blaises Gesicht verschwunden. Ebenso seine lockere Haltung, die er unterbrach, nachdem er sich in seinem Stuhl nach vorne beugte. „Du hältst Granger hier gefangen?“ Sichtlich verwirrt darüber, schüttelte er leicht seinen Kopf.

 

„Egal“, lenkte Draco ab und erhob sich anschließend. „Wollen wir?“ Er hatte seinem Freund schon zu viel erzählt, weshalb er sich galant umdrehte, seinen Umhang vom Stuhl nahm und diesen gerade über seine Schulter streifen wollte, als Blaise ihn daran hinderte.

 

„Draco, du weißt, ich schätze dich und deine Entscheidungen – das habe ich immer, aber glaubst du wirklich, dass das dieses Mal der richtige Weg ist?“ Blaise wusste nicht, ob er fassungslos war. Er war jedenfalls nicht sehr angetan von dem Gedanken, dass Granger hier in Gefangenschaft lebte.

 

„Sie ist nicht im Kerker!“ Es bedurfte keine weiteren Worte. Für Draco war diese Diskussion beendet, auch, weil Blaise davon ausging, dass er der Böse in dem ganzen Spiel war – was vielleicht zutraf, aber das war unwichtig. Oder machte Blaise sich ernsthafte Sorgen um Granger?
 

„Nein, das vielleicht nicht.“ Unschlüssig kratzte er sich über seine schwarzen, kurz geschorenen Haare, als er ebenfalls aufstand und Draco entgegensah. „Aber sie in einem deiner unzähligen Zimmer festzuhalten, ist nicht besser.“

 

„Ach nein?“ Seine grauen Augen funkelten, womit er seinem besten Freund signalisieren wollte, dass es gesünder wäre, wenn er den Mund hielt.

 

„Ok, ok“, beschwichtige Blaise ihn und hob einkehrend seine Hände nach oben.

 

„Dann können wir endlich los?“, wiederholte Draco seine Frage bissiger.
 

„Sicher.“ Es würden sich mit Sicherheit noch mehr Möglichkeiten anbieten, sachlich und vernünftig mit Draco zu sprechen. Das hoffe er inständig, bevor er zuerst in den Kamin stieg und zur Winkelgasse flohte.

Mut ist die Tugend, die für Gerechtigkeit eintritt

- Kapitel acht -

 

 

Das Baden tat unheimlich gut. Hermine tat sich schwer, nach etwa einer Stunde aus der Wanne zu steigen, doch wurde ihre Haut bereits faltig, was sie früher immer unheimlich witzig fand. Indessen sah sie sich traurig um, wissend, dass sie wieder auf ihre getragene Kleidung zurückgreifen musste – sie müsste irgendwann improvisieren, da sie nicht ständig ihren einzigen Satz Kleider tragen konnte. Demzufolge ging sie auf nassen Zehenspitzen zu einem der Schränke und entnahm ein weiches Handtuch, das sie sich sorgfältig um ihren Körper wickelte, ehe sie ein zweites hinzuzog und dieses um ihren Kopf band.

 

Mit ihrem Zauberstab hätte sie ihre Haare trocken hexen können, aber da sie nicht im Besitz ihres Stabes war, musste sie sich nach vorne beugen und ihre Haare per Hand trocken rubbeln, was sie auch mehrere Minuten tat, bis schlussendlich kein Tropfen mehr zu Boden tropfte. Im Anschluss betrat sie wieder – bewaffnet mit einer Haarbürste – ihr Zimmer und setzte sich vor die Kommode. Während sie immerzu mit der silbernen Bürste ihre Haare kämmte, beschloss sie, sich darauffolgend etwas zu essen zu besorgen. Malfoy war schließlich kein armer Mensch. Im Gegenteil, er könnte womöglich eine ganze Armee ernähren.

 

Und als hätte ihr Magen nur darauf gewartet, begann er auch schon zu grummeln, woraufhin sie die Bürste zur Seite legte und die Glastür zum angrenzenden Balkon öffnete. Noch waren die Tage angenehm warm, die Sonne war jedoch schon lange untergegangen und nichts als die Schwärze strahlte ihr entgegen, während der Wind ihre gewellten Haare zerzauste.

 

„Du wirst noch verrückt, Hermine“, flüsterte sie sich selbst zu und blickte hinab zu ihrem eingewickelten Bauch, dessen Laute immer eindringlicher klangen. Als würde er der jungen Frau sagen wollen, dass sie ihn endlich mit Nahrung befüllen sollte. Aber wann hatte sie zuletzt etwas wirklich nahrhaftes gegessen? Es musste schon ewig lange her gewesen sein, angesichts der letzten strapaziösen Monate. Der Krieg, die Schlacht auf Hogwarts, der... der Tod ihrer Mutter – es waren Situationen, die ihr nicht die ersehnte Lust nach Essen gebracht hatte und dies forderte ihr Magen nun ein.

 

„Akina?“, wisperte die heranwachsende Frau in die Stille hinein. Unverzüglich ploppte es neben ihr auf dem Balkon – die kleine Elfe schüttelte leicht perplex ihren Kopf und verbeugte sich eifrig, nachdem sie Hermine entdeckt hatte. „Nein, bitte nicht“, fügte Hermine freundlich hinzu, bevor sie vor der Elfe in die Hocke ging. „Du musst dich nicht vor mir verbeugen, in Ordnung?“

 

„Aber Miss, das -“

 

„Nein, bitte verbeug dich nicht vor mir. Ich bin gewiss nicht höher gestellt als du.“ Dass Hermine die Welt der Elfe ein wenig auf den Kopf stellte, bedachte sie gar nicht. Ihr war es nur zuwider, wie schlecht Elfen behandelt wurden und das wollte sie umgehen, ehe sie lächelnd fortfuhr und der Elfe entgegensah. „Kannst du mir vielleicht sagen, wo die Küche ist, Akina?“ Noch immer umspielte ein zaghaftes Lächeln ihre Lippen, während sie nach wie vor neben der Elfe hockte und deren spitzes Gesicht betrachtete. Sie hatte kugelrunde, wunderschöne grün schimmernde Augen, jedoch wirkte ihre Haut – verursacht durch den verdreckten, alten Kissenbezug – sehr blass.

 

„Miss, Akina... Akina würde Ihnen so gerne helfen, aber das darf Akina Ihnen nicht sagen“, antwortete sie mit großen, aufgerissenen Augen, ehe sie sich die Hände vor ihren offen stehenden Mund schlug. „Der Herr hat uns ausdrücklich -“

 

„Wo ist denn dein Herr?“ Was war Malfoy bloß für ein Ekel, das sich an dem Leid und der Angst seiner Elfen bereicherte, indem er sie schamlos ausbeutete? Hinzu kam das Verbot, dass seine Elfen ihr nicht sagen durften, wo sich die Küche befand. Was wollte er damit erreichen? Dass sie irgendwann zusammengebrochen in ihrem Zimmer lag?

 

„Der Herr ist außer Haus“, flüsterte Akina in gebückter Haltung, während ihr Kopf hin und her schwang und sie sicherstellen wollte, dass niemand sie hören konnte.

 

So war es also... Der gnädige Herr war außer Haus, während er sie hier einsperrte. Schön, dass er wenigstens sein altes Leben behielt und Hermine wie... wie eine Sklavin gefangen hielt. Aber das bestärkte die ehemalige Gryffindor nur noch mehr, das zu tun, wonach ihr Magen verlangte – nämlich etwas zu essen. Folglich ging sie – ohne Akina zu antworten – zielstrebig an der Elfe vorbei; geradewegs auf die verschlossene Tür zu.

 

„Miss?“, rief Akina ihr hinterher, aber sie ging einfach weiter, woraufhin die Elfe ihr blitzschnell gefolgt war. An der Tür angekommen, blickte sie verunsichert zu der netten Menschen-Frau hinauf. „Wo- Wohin möchte die Miss gehen?“

 

Schmunzelnd erwiderte Hermine ihren Blick, da sie die Neugier der Elfe süß fand. „Ich werde die Küche suchen.“

 

„Oh nein, Miss. Das... Das dürfen Sie doch nicht.“ Völlig aufgelöst rang Akina mit sich und ihren Worten. Gleichzeitig hüpfte sie angesichts ihrer Aufregung von dem einen zum anderen Bein.

 

„Bitte mach dir keine Gedanken, Akina. Ich werde deinem Herren nichts verraten, das verspreche ich dir. Wenn du mir allerdings sagst, wo die Küche ist, finde ich sie schneller.“ Sie wollte die Elfe gar nicht unter Druck setzen, sondern ihr Vertrauen gewinnen, denn wen hatte sie in diesem Haus schon, außer die Elfen? Aber ihr Hunger... Immer mehr verspürte sie das unaufhörliche Knurren ihres Magens.

 

Unsicher wog die Elfe ab, was sie tun sollte, bis sie entschied, Hermine zu helfen. Akina mochte das Mädchen, das bisher so nett zu ihr gewesen war. „Folgen Sie mir, Miss.“ Aufmunternd blickte sie nach oben und Akina wusste, sie tat das richtige, nachdem sie die erhellten Züge des Mädchens wahrnahm. Ganz selbstbewusst griff die Elfe – trotz ihrer Aufforderung und des Verbots, Menschen zu berühren – nach Hermines Hand, die sie anschließend mit sich nach unten zog.
 

„Ich danke dir“, kommentierte Hermine und ließ sich bereitwillig von Akina mitziehen. Ihr war die Gefahr bewusst und es hätte ihr beinahe wieder Tränen in die Augen getrieben, aufgrund der Geste. Dass die Elfe sich bewusst in Gefahr begab, das... das erinnerte Hermine an Dobby – einen unglaublich lieben Elfen, der sich damals schon Lucius widersetzt hatte, um Harry vor Gefahren zu bewahren. Umso erpichter war Hermine, dass Malfoy niemals erfahren würde, dass die Elfe ihr den Weg zur Küche zeigte.

 

 
 

~*~

 

 

„Du willst mir offenbar immer noch nicht erzählen, wieso Granger bei dir ist?“, offenbarte Blaise fadenscheinig, der im Grunde gar nicht fragen wollte, aber er war im Bezug auf Granger – die Draco nicht ausstehen konnte – total irritiert. Ausgelassen lehnte er sich in seinen Stuhl zurück, während sein rechter Arm gemütlich nach vorne zum Tisch ausgestreckt war und er mit gespitzten Ohren auf Dracos Antwort wartete. „Draco, jetzt erzähl schon. Was hat ihr Vater angestellt, was es rechtfertigen könnte, sie gefangen zu halten?“

 

War er zu forsch? Nach dem Blick seines Gegenübers schien das der Grund gewesen zu sein, weswegen sich der blonde Junge in Schweigen hüllte. Zwar hatte er Blaise im Studierzimmer deutlich gemacht, wie wenig er darüber reden wollte, aber damit konnte sich der dunkelhäutige Junge doch nicht abfinden, oder? Draco zog es nicht in Betracht, sich ihm anzuvertrauen, aber wieso nicht? Als jedoch die Bedienung zu ihrem Tisch kam, wechselte Blaise das Thema auf die notwendigen Spenden, die Draco in Lucius' Namen wohl fortführen würde – eine schleppende, nicht wirklich interessante Unterhaltung, weil er sich überhaupt nicht für Finanzen, geschweige denn für das Ministerium interessierte, aber ungern würde er Draco in Bredouille bringen wollen, bezüglich des brisanten Granger-Themas.

 

„Mal ehrlich, Draco. Wieso möchtest du nicht mit mir reden?“, begann er von vorne, nachdem die junge Kellnerin die nächste Runde Butterbier zu ihrem Tisch gebracht hatte. „Du kannst mir ruhig erklären, was Granger in deinem Haus macht, oder?“ Er war verzweifelt. War er wirklich, weil er seinem besten Freund ins Gewissen reden wollte, obwohl er wusste, wie unnütz sein Handeln war. Dennoch wollte er ihm vor Augen führen, wie falsch seine Vorgehensweise war.

 

„Ich möchte es dir aber nicht erklären, Blaise“, erörtere Draco augenrollend, während er seinen Krug fester umklammerte, so dass bereits seine Knöchel weiß hervortraten. „Oder spreche ich eine andere Sprache, weil du es scheinbar nicht verstehen willst?“

 

„Wieso bist du so giftig?“, fragte er stattdessen. „Wenn du nicht darüber reden willst, dann frage ich mich, wieso du mir überhaupt erzählst hast, dass sie bei dir ist?“ Blaises Energie war unerschöpflich, aber Dracos Starrsinn genauso.

 

Infolge seiner permanenten Fragerei verlor Draco seine Fassung. Schlecht gelaunt landete seine geballte Faust neben seinem Krug, was zur Folge hatte, dass der Schaum seines Butterbiers überschwappte. „Du hast recht. Es war ein Fehler, dir überhaupt davon zu erzählen, mein Freund.“ Parallel lehnte auch er sich in seinen Stuhl zurück, nachdem ihr klar wurde, dass er überreagiert hatte. Zusätzlich ließ er seinen Blick zu der Blondine gleiten, die ihm das Butterbier gebracht hatte und ihm ständig zulächelte. Allerdings schienen ihm braune Haare irgendwie besser zu gefallen...

 

Keine Ahnung, wieso das so war und zuzüglich musste ihn auch noch seine innere Stimme damit aufziehen.

 

Was denkst du da nur, Draco? Dir gefallen braune Haare also besser, ja?“, bemerkte die Stimme anzüglich. Hätte sie ein Gesicht, würde die Stimme vermutlich bis über beide Ohren grinsen.

 

Nein, er durfte sich nicht auf diese Bemerkung einlassen. Angesichts dessen suchte er nochmals Blaises Blick und antwortete genervt: „Sind wir hier um zu feiern, oder weil du über Granger reden willst?“ Er war nicht in der Stimmung, um Granger zum Hauptthema zu machen. Zumal auch die Lust hinsichtlich des Feierns rapide sank, anlässlich der Belagerung durch Blaises Fragerei. Dabei wollte Draco all das mit sich selbst ausmachen. Er musste sich mit ihr alleine arrangieren und auskommen. Auch, weil es seine Idee war, dass sie für immer bei ihm zu bleiben hatte und sie einwillige, jenes Kriterium zu akzeptieren...

 

Sekunde mal. Das tat sie, um ihrem Vater zu helfen!“

 

Merlin, ja, das wusste er auch. Granger war heilig, ja. Sie wollte ihren Vater befreien, weil ihre Mutter gestorben war und sie sich in der Pflicht sah, ihrem Vater die Freiheit zu ermöglichen. Sie nahm die Konsequenzen auf sich, um ihrem Vater weitere Trauer zu ersparen, die sie stattdessen auf ihre zerbrechlichen Schultern lud, aber war das Dracos Problem? Nein, es war nicht sein Problem, dass sie diese Herausforderung selbstlos auf sich nahm – mit dem Wissen, dass es ihr auf Malfoy Manor nicht besser erging.

 

„Draco, bitte“, wagte Blaise dahingehend einen neuen Versuch. „Du weißt, dass du nicht von ihr verlangen kannst, dass sie eingesperrt auf Malfoy Manor lebt. Anfangs dachte ich noch, dass du dir einen Spaß daraus machst und sie gehen lässt, aber mir drängt sich der Verdacht auf, dass du sie gar nicht gehen lassen willst.“

 

„Wird sie auch nicht. Sie hat eingewilligt, für immer bei mir zu bleiben.“
 

„Was?“ Den Schluck, den Blaise gerade getrunken hatte, wäre ihm beinahe wieder aus der Nase gespritzt, da er sich verschluckte. „Du willst, dass sie bei dir bleibt – für immer? Aber... Draco, du kannst sie doch nicht für immer auf Malfoy Manor einsperren?“

 

Woher nahm sein bester Freund diesen unverschämten Mut? Dass er sich wagte und Dracos Entscheidung in Frage stellte... Unfassbar. Oder war das ein abstoßender Bonus einer Freundschaft? Dass man unangenehme Wahrheiten aussprechen durfte? Waren das diese skurrilen Grundbausteine einer echten Freundschaft – Vertrauen und Ehrlichkeit?

 

„Und wie ich das kann. Ich war im Ministerium und habe ihren Aufenthalt abgesegnet“, offenbarte er schnaufend, ehe er fortfuhr: „Sie wird bleiben, verdammt.“ Angestrengt griff er anschließend in seinen verspannten Nacken, um diesen zu massieren, während er Blaise musterte. „Ich will sie im Haus haben, weil sie eine Strafe absitzt. Punkt.“

 

„Ha, natürlich segnet das Ministerium deine Wünsche mit dem größten Wohlwollen ab. Und wir wissen beide, wieso das so ist.“

 

Was erlaubte sich sein Kumpel? „Ach, und woran liegt das?“

 

„Wir wissen beide, dass du das nur deinen Galleonen zu verdanken hast, aber du vergisst eine Sache: nämlich Potter“, entgegnete Blaise mit erhobenem Finger. „Was machst du, wenn Potter aus dem Koma erwacht? Was wirst du tun, wenn er und Weasley vor deiner Tür stehen?“

 

„Dann werden sie ihre gerechte Strafe erhalten, weil ich ihnen die Erlaubnis sicher nicht geben werde.“ Und er wusste selbst, dass er Granger nur dank seiner Galleonen an sich und das Haus binden konnte. Aber wer war Blaise, um ihm Vorwürfe zu machen? Schließlich war Blaise auch nur ein reicher, verzogener Junge, der genauso handeln würde. „Und noch was: Alles verdanke ich auch nicht meinem Gold.“

 

„Nein?“, goss Blaise weiter Öl ins Feuer. „Du verdankst deinen Luxus nicht deinem Gold?“ Nachfolgend amüsierte sich Blaise, hinsichtlich Dracos bröckelnder Fassade, die er zu verbergen versuchte, indem er gespielt langweilig sein Kinn auf seiner Hand abstützte und desinteressiert zu Blaise sah. „All die Frauen, die um dich tänzeln sind natürlich nur an deinem guten Aussehen interessiert, stimmts? Gold spielt diesbezüglich keine Rolle, was?“

 

„Blaise, du -“

 

„Nein, warte“, bemerkte er, da Blaise gerade erst in Fahrt kam und stoppte Draco mit seiner erhobenen Hand. „Die ganzen Mädchen in Hogwarts waren nicht an deinem Status oder an deinem Gold interessiert, richtig? Millicent, Pansy, Daphne – sie mochten dich, weil du ein Gentleman warst.“
 

„Blaise -“

 

„Oh, warte“, sprach Blaise ungerührt weiter. „Ich hab ja noch gar nicht die Schülerinnen aus den anderen Häusern aufgezählt.“
 

„Es reicht, Blaise!“ Dracos Oberkörper beugte sich nach vorne und seine Hand schlug nochmals auf den verschmutzten Tisch. „Das hat alles nichts mit meinem Reichtum zu tun, verstanden?“ Nein, er war tatsächlich von seinem Aussehen und seinen Qualifikationen überzeugt. Aus keinem anderen Grund waren die Mädchen zu ihm gekommen.

 

„Gut, dann kommen wir auf Granger zurück, deren Gefangenschaft du dir erkauft hast. Du kannst von Glück reden, dass Potter im Koma liegt, weil Weasley sich alleine nicht wagen wird, irgendetwas gegen dich zu unternehmen – im Gegensatz zu Potter.“ Blaise gab zu, dass er übertrieb, aber er musste Draco vor Augen führen, wie selbstgefällig er geworden war, nachdem er die Galleonen seines Vaters geerbt hatte.

 

„Du kennst mein Haus, das die beiden Trottel ohne meine ausdrückliche Erlaubnis gar nicht betreten können.“ Er war nun an der Reihe, seinem Gegenüber die Leviten zu lesen, da er Blaise nun lange genug gewähren ließ. „Und wenn man den Zeitungen Glauben schenken darf, wird sich Potters Zustand auch so schnell nicht verändern. Sofern aber ein Wunder geschieht, lasse ich es darauf ankommen. Kapiert, Blaise? Ich lasse es darauf ankommen, dass Potter und Weasley kommen!“ So, er hatte seinen besten Freund Schachmatt gesetzt. Eindeutig.
 

Wie engstirnig Draco sein konnte. Es war kaum auszuhalten, weshalb er sich ununterbrochen mit seinen Fingern über den geraden Nasenrücken rieb. „Wer austeilt, muss auch einstecken können, Draco. Deshalb frage ich dich: Willst du es dir nicht noch einmal überlegen und Granger gehen lassen? Ich versichere dir, Potter wird kommen, wenn er aufwacht und erfährt, was los ist.“

 

„Nein, ich werde es mir nicht noch einmal überlegen.“ Der junge Malfoy war an einem Punkt angekommen, der nicht weiter überschritten werden durfte. Blaise jedoch ignorierte diese Warnung geflissentlich.

 

„Aber -“

 

„Nein, verflucht nochmal!“, schnauzte er los und fegte gleichzeitig mit seiner Hand den Glaskrug zu Boden. „Es gibt kein aber, Blaise.“ Verdammt nochmal, es ging Blaise nichts an. Ferner kam es Draco so vor, als ob Blaise ihm die Schuld an allem geben wollte, aber dem war nicht so. Schuld waren sowohl Granger, als auch ihr Vater. Hätte dieser Mann sein Herrenhaus nicht entdeckt, könnte er jetzt mit Blaise seelenruhig hier sitzen und weiterhin die Blicke der Kellnerin genießen. Allerdings blieb sein Wutausbruch nicht unbemerkt. Die Leute um ihn herum sahen ihn an, als wäre er der Verrückte.

 

Merlin...

 

Nein, diesen abschätzigen Blicken wollte er nicht länger ausgesetzt sein. Angrenzend erhob er sich und bereute es jetzt schon, seinem Freund von Granger erzählt zu haben. Mürrisch warf er sich seinen Umhang über die Schulter, ehe er ihn mit einer schweren Kette verschloss und Blaise den Rücken zuwandte. Zeitgleich klopfte er sich Staub von den Schultern, der gar nicht existent war, um zumindest die Unruhe zu schmälern.
 

„Wohin gehst du?“, entschied sich Blaise unnötigerweise zu fragen.

 

„Ich gehe“, antwortete der Angesprochene grummelnd. „Sieht man das nicht?“

 

„Das ist doch albern, Draco.“ Gerne hätte er die Hand auf die Schulter seines ältesten Freundes gelegt, aber er wusste auch, wie wenig er Berührungen mochte.

 

„Lass gut sein, Blaise.“ Nein, er wollte unter keinen Umständen, dass sein Freund näher kam. Noch weniger wollte er die Berührung, die Draco angeblich Trost spenden würde. Denn das tat sie nicht. Zumal es sich anfühlen würde, als würde ein Vater seinem Sohn einen Rat geben wollen, auf den er gut und gerne verzichten konnte. Zuzüglich würde Blaise ihm vermutlich mitteilen wollen, dass man nie alleine war.

 

Pah... Draco war immer alleine, woraufhin er kopfschüttelnd zu einem der Kamine spazierte, um zurück nach Malfoy Manor zu flohen.

 

 
 

~*~

 

 

Zahllose Gänge passierte Hermine gemeinsam mit der Elfe, bis sie die Küche erreicht hatten – noch immer in ihr weiches Handtuch gewickelt. Umgeben von Schränken besah sich Hermine die große Küche. An einer Wand war ein zirka drei Meter langer Tresen angebracht worden, worauf mehrere Herdplatten thronten – umsäumt von dunklen Fliesen und weiteren Schränken, die den Raum kalt und eng erscheinen ließen. Zur selben Zeit huschten bestimmt dreißig kleine Wesen von der einen zur anderen Ecke, um sich vermutlich vor Hermine zu verstecken.

 

Verständlich. Sie kannten die junge Frau nicht und erwarteten, bestraft zu werden. Offenbar kannten sie es nicht anders und waren es gewöhnt, Schläge zu erwarten, sobald ein Mensch die Küche betrat. Gott, wie erniedrigend das war.

 

Vorsichtig näherte sich Hermine einem der großen Tische, an dem wohl die Speisen garniert und Zutaten geschnitten wurden. Gerne würde sie jeden einzelnen Sklaven befreien, aber sie erinnerte sich an Malfoys Drohung, bezüglich ihres Vorhabens. Doch eins war gewiss: Hätte sie ihren Zauberstab, sie hätte unverzüglich dreißig saubere Kissenbezüge heraufbeschworen, bevor sie jedem einzelnen Elfen eines in die Hand gedrückt hätte – ob gewollt oder nicht. Aber das hier... Diese Atmosphäre war doch eine Zumutung, wenngleich der Raum vor Sauberkeit blitzte.
 

„Ist alles in Ordnung?“, richtete sie ihre Frage an Akina, die ebenfalls verunsichert wirkte. Als wäre ihr gerade klar geworden, dass sie einen Fehler begangen hatte.
 

„Ja, Miss. Bloß... Wir sind keinen Besuch gewöhnt. Sie müssen entschuldigen.“

 

Konnte Hermine überhaupt einen einzigen Elfen befreien? Soweit sie sich erinnerte, erzählte Harry ihr einmal, dass es ihm nur mithilfe eines Tricks gelungen war, Dobby zu befreien. Ja, ein Elf musste von seinem Herren in die Freiheit entlassen werden... Aber sie hätten zumindest saubere Kleidung gehabt, sofern sie im Besitz ihres Stabes gewesen wäre.
 

„Ok, ich... ich bin ein klein wenig hungrig, wisst ihr?“, begann sie daher ein neutrales Gespräch. Sie versuchte des Weiteren ihrer Stimme etwas Fröhlichkeit zu verleihen – auch, um den armen Geschöpfen zu symbolisieren, dass sie anders war als Malfoy.

 

Doch anders als erwartet, zwängte sich ein alter Elf zwischen den Jüngeren hindurch. Er hatte einen unfreundlichen Gesichtsausdruck und ähnelte Kreacher ungemein.

 

„Brisko sagt nein“, teilte er ihr anschließend unverblümt mit. Als das Mädchen jedoch einen Schritt nach vorne wagte, weiteten sich die kugelrunden Augen des Elfen, der sich dazu berufen fühlte, die Wünsche seines Herren anstandslos zu befolgen. „Der Herr hat nein gesagt.“

 

„Ich nehme mir selbst etwas, ja?“ Sie trat einen weiteren Schritt nach vorne und erst jetzt bemerkte sie die kalten Fließen unter ihren nackten Zehen. „Ihr müsst mir nichts servieren. Somit widersetzt ihr euch eurem Herren auch nicht. Wäre das in Ordnung?“, wollte Hermine wissen, aber sie sah es schon in den Augen – der Elf missbilligte ein solches Verhalten zutiefst.

 

„Der Herr hat nein gesagt!“, wiederholte er mit mehr Nachdruck.

 

Hermine verstand die Vehemenz des Elfen durchaus, aber ihr Magen... er konnte kein Verständnis aufbringen. Andererseits wurde den Elfen jahrelang eingebläut, sich selbst Schmerzen zuzufügen, sobald sie sich ihrem Meister widersetzten. Dobby hatte das auch getan, nachdem er ohne Erlaubnis Malfoy Manor verlassen hatte, um Harry zu warnen.

 

Derweil ging sie kommentarlos weiter und ignoriere das kleine Geschöpf, doch sie hatte die Rechnung ohne ihn gemacht.

 

„Nein!“, skandierte Brisko, der sich dem Mädchen in den Weg gestellt hatte. „Der Herr hat nein gesagt und Brisko wird diesen Wunsch respektieren. Ebenso die Miss.“

 

„Sieh doch, ich werde es mir selbst nehmen, dann wird euch gar nichts passieren“, versuchte sie dem uneinsichtigen Elfen zu erklären, nachdem sie sich vor ihn kniete, um auf selber Höhe zu sein. Kurz schenkte sie ihm noch einen aufmunternden Blick, ehe sie wieder auf die Beine kam und begann, die Schränke zu durchsuchen – bis sie das fand, wonach sie suchte. Messer, Gabel, Teller.

 

Von nun an, so wusste sie, würde sie immer unter diesen Umständen essen müssen – heimlich und alleine, während Brisko verzweifelt in der Ecke verweilen würde, unzählige Minuten mit ihr diskutierte und Hermine womöglich alles Schlechte an den Hals wünschte. Im Bezug auf das Essen war sie jedoch nicht wählerisch. Nein, sie würde auch die Reste essen. Immerhin musste sie damals mehrere Wochen mit Harry und Ron durch den Wald reisen – auch dort hatten sie nichts bekömmliches zu sich genommen... Oh ja, es waren karge Mahlzeiten gewesen...

 

Aber hier war es anders. Auf dem Tisch fand sie ein Silbertablett, auf dem mehrere Amuse Bouche standen und es sah so anbetungswürdig aus – viel zu schade, um gegessen zu werden, aber ihrem Magen war es immer noch egal. Bevor sie aber zugreifen konnte, entfernte sie sich noch einmal und suchte nach einem Glas, das sie mit Wasser befüllte, ehe sie an den Tisch zurück schritt und die Kalbsmedaillons betrachtete. Daneben war eine Schüssel, gefüllt mit Pellkartoffeln.

 

Merlin, obwohl es nur die Reste waren, schaufelte sie sich mehrere Kartoffeln auf den Teller, die sie anschließend hastig mittels der Gabel in ihren Mund schob. Doch sobald der Geschmack ihre Nerven berührte, schloss sie erleichtert die Augen... Es schmeckte so unglaublich gut und es war lange her, dass sie so gut gegessen hatte. Währenddessen dachte sie immer noch daran, wie sie damals mit Ron und Harry Pilze essen musste, um zu überleben. Ach, was war es für ein Kampf, Ron zum Essen zu bewegen. Immer hatte er ihr vorgeworfen, ihm irgendwelche Giftpilze zu servieren, während Harry alles still akzeptiert hatte. Beschwert hatte sich ihr bester Freund nie und schon jetzt fehlten ihr die beiden. Sowohl Harrys Gefühlsreichtum, als auch Rons störrische Art.

 

Kurz hielt sie daraufhin inne. Wie es wohl Harry ging? Merlin, sie betete, dass sich sein Zustand schnellstmöglich besserte.

 

Umso mehr genoss die ehemalige Gryffindor-Schülerin anschließend jeden weiteren Bissen und jedes Mal schlossen sich ihre Augen, sobald sie diese Geschmacksexplosion in ihrem Mund spürte. Aber sie musste sich auch beeilen. Wer wusste schon, wann das Ekel zurückkäme? Sicher blieb er nicht über Nacht weg...

 

Gott, die Nacht... Hermine fürchtete sie schon jetzt vor diesem alten Haus.

 

Nichtsdestotrotz spülte sie ihren Teller, sowie das Besteck von Hand, nachdem sie zufrieden über ihren nun ruhigen Bauch gestrichen hatte. Vorbildlich hatte sie das saubere Geschirr weggeräumt, aber ihr Zauberstab fehlte dennoch. Nicht, weil damit alles schneller gegangen wäre, nein... Sie vermisste die Verbundenheit zwischen Mensch und Zauberstab. Bevor sie allerdings die Küche verließ, drehte sie sich am Eingang noch einmal um und lächelte.

 

„Danke. Das Essen war wirklich ausgezeichnet.“ Obzwar sie wusste, keine Antwort zu erhalten und dass jeder Elf ihr zu gerne alles Essbare weggenommen hätte, empfand Hermine es mehr als richtig, sich zu bedanken. Erst danach verschwand sie aus der Küche und stiefelte langsam hinauf... Allerdings – und das war keineswegs gut – vernahm sie Worte aus dem Salon. Worte, die gar nicht nett klangen und Hermines Neugier weckten. Ein Fehler, den sie aber nicht sah, da ihre Füße sie bereits zur angelehnten Tür trugen.

 

„Merlin, was ein Idiot.“

 

Oh nein. Malfoy war zurückgekommen.

 

„Was geht es ihn eigentlich an, was ich mache? Es geht ihn einen feuchten Kehricht an!“ Unterdessen kämmte seine Hand die weißblonden Haare nach hinten, ehe er sich schnaufend dem Kamin näherte und den herauspurzelnden Ruß mithilfe eines Zaubers entfernte. „Brisko!“, brüllte er im Anschluss gelangweilt, ehedem er seine linke Hand auf dem Kaminsims abstützte.

 

„Herr?“

 

So schnell war Brisko noch nie an seiner Seite erschienen, was Draco stutzig werden ließ. „Gab es Probleme?“, fragte er, bevor er sich der Karaffe auf dem nahestehenden Tisch zuwandte und die goldene Flüssigkeit darin in einen Kelch goss.

 

Hermines Gesicht wurde indessen kalkweiß. Der arme Elf müsste lügen, aber sie war sich sicher, dass er Malfoy niemals die Wahrheit vorenthalten würde, um sie zu schützen. Ohne es zu bemerken, biss sie sich fest auf die Unterlippe, während sie genauso gespannt aus Briskos Antwort wartete.

 

Aber wieso rannte sie nicht weg? Ihre Alarmglocken hätten schrillen müssen. Ja, eigentlich. Aber eigentlich wollte sie auch wissen, was Brisko tat, der sich in Schweigen hüllte, angesichts des inneren Kampfes, den er mit sich auszutragen schien. Er war sich anscheinend nicht sicher, ob er Hermine verraten sollte, woraufhin das Mädchen ihre Hände fest ineinander faltete, darauf bauend, dass er vielleicht doch ein Einsehen hatte und Hermine nicht verriet. Sie merkte nicht einmal, dass sich ihre Nägel mittlerweile in ihre Haut gruben.

 

„Brisko!“, knurrte Draco gereizt, nachdem er einen großen Schluck aus dem Kelch getrunken hatte.
 

„Herr, das Mädchen war in der Küche“, teilte Brisko seinem Herren ehrfürchtig mit.

 

Just in dem Moment klirrten in Hermines Kopf abertausende Glasscherben. Der Elf hatte sie verraten und sie konnte nichts weiter tun, als die Luft, die sie umgab, hektisch einzuatmen.
 

„Was? Wo war sie?“

 

„In der Küche, Herr. Brisko hat ihr verboten, von den Speisen zu essen, aber -“

 

„Das darf doch nicht wahr sein“, entfuhr es ihm und knallte gleichzeitig das Glas mit voller Wucht auf den Tisch zurück. Sich aufregen würde er sich erst, wenn er das Mädchen zwischen seinen Fingern hatte und ohne seinen Umhang abzulegen, schritt er eilig zur Tür, ohne auf eine weitere Bestätigung seines Elfen zu warten.

 

Simultan schrie Hermines Verstand, dass sie endlich weglaufen sollte. Immer wieder schrie ihr Kopf: „Renn, Hermine. Renn, so schnell dich deine nackten Beine tragen können!“ Ebenso konnte sie Schritte hören. Schwere Schritte, die von seinen schwarzen Stiefeln ausgingen. Aber was sollte sie tun? Wegrennen? Stehen bleiben? Sollte sie es in Erwägung ziehen, sich vor Malfoy zu erklären? Oder besser schweigen?
 

Aber sie durfte sich hier doch frei bewegen? Dazu zählte doch auch die Küche... 
 

Ja, sie durfte jeden Raum betreten - außer den Westflügel...

 

Was er dort wohl versteckte? Schlimme Bilder liefen an Hermines geistigem Auge vorbei, obwohl sie so unsäglich neugierig war. Doch im Moment wäre es besser, wenn sie hinauf in ihr Zimmer rannte. Ja, das war es, was sie tun sollte. Folglich drehte sie sich um und rannte los. Und vermutlich war sie sich nicht bewusst darüber, aber aufgrund dessen, dass sie barfuß war, konnte man ihre Schritte in der leeren, großen Halle nicht so laut hören, wie Malfoys immer näher kommende Schritte.

 

Doch sie schien zu spät losgelaufen zu sein, da er schon im Türrahmen stand und ihr nachsah, als sie die Treppe hinauflief.

Der Weg zum Entschluss geht über den Zweifel

- Kapitel neun -

 

„Granger!“, schrie Draco ihr hinterher, nachdem er keuchend die Tür aufschlug und das Mädchen im letzten Moment noch erblickte, während sie abgehetzt nach oben rannte – allem Anschein nach weg von ihm. Aber jeglicher Fluchtversuch war zwecklos oder war sie wirklich davon überzeugt, sich erfolgreich in diesem Haus verstecken zu können? So naiv konnte die kluge, clevere Gryffindor doch unmöglich sein? Scheinbar doch, denn seine wütend klingende Stimme nahm keinen Einfluss auf das fortlaufende Mädchen, das nicht erkennen wollte, dass sie ihm nicht entkam. Zudem er dieses Mal auch seinen Zauberstab bei sich trug. Nicht noch einmal wollte er vor einer verschlossenen Tür stehen, hinter der sich Granger in Sicherheit wog und ihn bloßstellte. Diesen Gefallen würde er ihr nicht wieder tun. „Granger, bleib stehen!“, rief er ihr abermals warnend hinterher, obwohl es besser für sie wäre, nicht stehen zu bleiben und zuzusehen, dass sie ihre Beine in die Hand nahm. Denn sobald er dieses stüre Weib zu fassen bekäme, würde sie ihn kennenlernen. Vorbei waren die Zeiten der Höflichkeit. Vorbei war die Zeit, in der sich Draco von seiner Elfe Ratschläge geben ließ und noch weniger würde er sich dazu herablassen, sie ein weiteres Mal zu Tisch zu bitten. Diese Warmherzigkeit würde ihn noch ruinieren, weshalb er beschloss, konsequenter durchzugreifen – angesichts der Hölle, die sie ihm seit ihrer Ankunft auf Malfoy Manor bereitete.

 

Warst du nicht derjenige“, stichelte seine Stimme herausfordern, „der das Leben dieses Mädchens zur Hölle gemacht hat? Hogwarts mal außen vorgelassen.“

 

Nein, nein, nein. Dieses blöde Ding, das sich immer wieder Gewissen schimpfte, würde nicht noch einmal Partei für Granger ergreifen. Er würde diese idiotische Stimme ignorieren. Auf welcher Seite stand sein dummes Gewissen überhaupt? Jedenfalls nicht auf seiner. Darüber hinaus hatte sich die Stimme doch sonst auch nie beschwert – schon gar nicht im Bezug auf Mädchen. Nie hatte die Stimme sich beklagt, wenn er ein Mädchen unliebsam angegangen oder aus seinem Zimmer geworfen hatte, aber bei Granger – der gutherzigen, liebevollen Granger – machte sie den Anfang? Ausgerechnet bei dem Mädchen, das gegen alles stand, an was Draco geglaubt hatte? Ein unverständliches Novum, anlässlich der Tatsache, dass die Stimme sich zuvor nie zu Wort gemeldet hatte.

 

„Granger, du sollst stehen bleiben, verdammt nochmal!“ Endlich erreichte auch Draco die Treppe. Er nahm zwei Stufen auf einmal, um ihren Vorsprung zu verringern, aber sie war unglaublich schnell um die rechte Ecke gebogen – hinein in den Flur, an dessen Ende ihr Zimmer war. Ob sie aufgrund ihrer Flucht im siebten Schuljahr gelernt hatte, schneller als die anderen zu laufen? Nein, das war Quatsch. Draco war genauso schnell; wenn nicht sogar noch schneller. Schließlich war er ein Pedant, der schon in Hogwarts großen Wert auf seine Kondition legte – und ihm hier hoffentlich den entschiedenen Vorteil verschaffte. Zu seinem Bedauern wäre er jedoch nicht aufgrund dessen erfolgreich gewesen, wenn er sie erwischt hätte. Denn fast wäre sie über eine Falte gestolpert, die sich in seinem Läufer gebildet hatte. Aber auch jetzt hatte sie unwahrscheinlich Glück, da sie sich rechtzeitig fangen und weiterlaufen konnte. „Du wirst mir sowieso nicht entkommen.“

 

Fassungslos blickte Hermine über ihre Schulter, um abzuwägen, wie weit Malfoy von ihr entfernt war. Gerne hätte sie ihm geantwortet, dass sie nicht stehen bleiben würde, aber ihr fehlte die nötige Luft. Stehen bleiben wäre die allerletzte Option, die die junge Frau jemals wählen würde. Und jetzt schon gar nicht, da sie ihrer Tür so nahe war. Ferner ignorierte sie die Seitenstiche und rannte einfach weiter. Alles war besser, als ihm in die Quere zu kommen. Es fehlte nur noch ein bisschen. Ein paar Zentimeter, die Hermine im Spurt zurück legte. Erleichtert, aber auch erschöpft stieß sie japsend die Tür auf, schlüpfte durch den Spalt hindurch und knallte die Tür ins Schloss, ehe sie den Schlüssel herumdrehte.

 

„Bei Merlin!“, keuchte sie nach Luft schnappend, nachdem sie ihren Rücken gegen das harte Holz ihrer Tür presste. „Was... mache ich nur?“ Zeit zum Ausruhen blieb ihr aber nicht. Sekunden später spürte sie bereits die Schläge gegen ihre Tür, woraufhin ihre Augen seitlich nach unten zur Klinke huschten. Mit geweiteten Augen blickte sie dem Metall entgegen, das mehrmals nach unten gedrückt wurde, anlässlich ihrer Verschwiegenheit, denn sie hütete sich davor, auf ihn oder seine Drohungen einzugehen.

 

„Mach die Tür auf, Granger“, verlangte er – außer sich vor Wut. „Wirds bald?“, feuerte er hinterher, während er sich die Frage stellte, wieso es ihm in ihrer Gegenwart so schwer fiel, sein Temperament zu zügeln? Zumal er es doch auch sieben Jahre lang in Hogwarts geschafft hatte, ihr kein Leid zuzufügen.

 

„Geh... Geh weg, Malfoy“, forderte sie ihn verzagt auf. Ununterbrochen suchten ihre Augen währenddessen nach einem geeigneten Versteck, das sie aber nicht fand. Allzu viele Möglichkeiten bot ihr das Zimmer nicht. Als sie jedoch den festen Schlag seiner Faust gegen die Tür in ihrem Rücken spürte, musste sie handeln. Eilig rannte sie zu ihrem Bett, sank auf die Knie und kroch um ihren Schlafplatz herum. Laut atmend zwängte sie sich mit angezogenen Knien in die Ecke und wartete darauf.

 

Darauf, dass Malfoy verschwand.

 

„Sofort!“, bellte er, infolge eines weiteren Schlages. „Du wirst sofort die Tür öffnen. Haben wir uns verstanden?“

 

„Bitte geh doch“, flüsterte sie so leise, dass er sie nicht hören konnte. „Bitte geh, Malfoy“, wisperte sie zur Decke hinauf, während eine Träne ihre Wange hinabfloss. Zeitgleich entschied sie, ihm nicht mehr zu antworten. Er würde sowieso nicht auf ihre Bitte reagieren, ob es jedoch der richtige Weg war, ihn zu ignorieren, stand auf einem anderen Blatt. Vermutlich war es falsch, aber in letzter Zeit schien sie ja einen Hang zu falschen Entscheidungen zu haben, da er mit Sicherheit nicht noch einmal so dumm wäre, seinen Zauberstab nicht bei sich zu tragen. Dennoch hoffte Hermine, dass er verschwand, wenn sie nur lang genug schwieg und er die Lust an diesem abartigen Machtspiel verlor. Sie betete inständig, aber der Glaube daran, dass Malfoy kommentarlos verschwand, war genauso naiv wie der Glaube an den Weihnachtsmann. Indessen drückte sie ihren Rücken immer mehr gegen die Wand, während ihre Arme sich immer fester um ihre Beine schlangen. Wehren könnte sie sich gegen ihn nämlich nicht. Hermine hatte nämlich immer noch nicht ihren Zauberstab zurückbekommen.

 

Nein, den hatte der feine Herr ihr mithilfe eines Zaubers abgenommen. Womöglich hatte es ihm sogar noch Spaß gemacht, Hermine dahingehend aufzuklären, dass er sowohl schneller, als auch gewitzter im Umgang mit Flüchen war, wenn die Situation brenzlig wurde. Das suggerierte er ihr zumindest, nachdem er ihr abschätzig – und mit ihrem Zauberstab in der Hand – im Kerker gegenüber gestanden hatte.

 

„Letzte Chance, Granger.“ Zum vorerst letzten Mal rüttelte Draco an der Klinke, aber ihm war schon vorher klar, dass sie nicht antwortete. Rachsüchtig zog er seinen Stab und richtete diesen auf die Tür, die unweigerlich aus ihren Angeln gerissen wurde. Sogleich wurde auch das Kaminfeuer gelöscht, aufgrund des Windzuges, der durch ihr Zimmer fegte.

 

Den nachfolgenden Knall nahm Hermine jedoch nur noch gedämpft wahr, hinsichtlich ihrer zugehaltenen Ohren. Der Radau war ohrenbetäubend; ließ vermutlich das Haus erzittern, aber primär war ihr wichtiger, zu wissen, wo Malfoy lag, wenngleich sie weiterhin in ihrer Stellung verharrte und die Augen schloss. Die Angst überwog eben doch ihre Neugier. Hinzu kam die Zerstörungswut, die sie zusätzlich in Angst und Schrecken versetzte. In seinem Zorn hatte er scheinbar vergessen, dass er die Tür mit einem simplen Alohomora-Zauber hätte öffnen können, doch das schien seinen Horizont zu übersteigen.

 

„So“, murrte der blonde Malfoy-Erbe, dessen Gestalt von dunklem Rauch umhüllt wurde. „Jetzt, Granger, ist Ende im Gelände.“ Im Anschluss wandte er sich der aufgesprengten Tür zu, er bückte sich nach unten und las den Schlüssel vom Boden auf, den er anschließend in seiner Hosentasche verschwinden ließ. „Deinen Schlüssel wirst du nie wieder sehen“, informierte er sie unnötigerweise, während seine Schritte ihn nach vorne trugen – durch die Rauchschwaden hindurch, dessen Gift sich in seinen Lungen festsetzen wollte, doch er verbot sich, zu husten und Schwäche zu zeigen. Er ging weiter und Draco wusste genau, wo er nach dem halsstarrigen Mädchen suchen musste. Unbändige Wut suchte seinen Körper heim, weil er sich dazu verleiten ließ, ihre Tür nun doch aufzusprengen, aber ein kurzer Schlenker seines Zauberstabes genügte, um die Holzsplitter zusammenzusetzen. Darüber hinaus ging er um ihr Bett herum und wurde fündig. Dort saß sie – zusammengekauert am Boden.
 

Mit schnellen Schritt schloss er den Abstand, doch bevor er sie erreichte, hob sie angstvoll die Hände vor ihr verstaubtes Gesicht.

 

„Malfoy, ich -“

 

„Was fällt einem minderwertigen Schlammblut – wie du eines bist – überhaupt ein?“, unterbrach er ihre nichtssagende Entschuldigung, die sie bestimmt einstudiert hatte. Parallel beugte er sich über ihren Körper, bevor er nach ihrem Handgelenk griff und ihr unsanft auf die Beine verhalf. Dass sie zudem von seiner Beleidigung getroffen war, konnte er anhand ihrer aufgerissenen Augen erahnen. Ja, es war ein fürchterliches Wort. Das wusste er, aber er musste Granger treffen. Draco musste ihr das inbrünstige Gefühl von Verachtung entgegenbringen.

 

„Malfoy, bitte“, begann Hermine zu schluchzen. Die Augen waren wieder geschlossen, angesichts seines festen Griffes um ihr Gelenk. „Ich... Ich habe -“

 

„Wenn ich sage“, spuckte er stattdessen, ohne ihr überhaupt Gehör zu schenken, „dass du stehen bleiben sollst, dann hast du verflucht nochmal stehen zu bleiben. Ist das so schwer zu verstehen?“, warf er ihr vor, nachdem er ihr Gelenk losgelassen, dafür aber nach ihren nackten Schultern gegriffen hatte.

 

„Ich bitte dich. Bitte hör mir zu, Malfoy.“ Als hätte man die beiden Streithähne in ihr zweites Hogwarts-Schuljahr zurückversetzt – genau so fühlte sich Hermine, obwohl sie noch eben in der Wanne unbezweifelbar davon ausging, über diesem hässlichen Wort zu stehen. Im Zusammenhang mit seinem wahnsinnig gewordenen Blick schmerzte es jedoch. „Ich wollte -“

 

„Halts Maul!“, spie er der angsterfüllten Granger entgegen, während er gebieterisch die Hand hob, um sie zum Schweigen zu bringen. Draco musste – in Form von drohenden Worten – seiner Wut freien lauf lassen, ehe die Situation noch mehr eskalierte. „Du hast meine Elfen in Bedrängnis gebracht, sie sogar so weit getrieben, dass sie sich mir wissentlich widersetzen und dich essen ließen.“
 

War es nicht lustig? Granger, die stets für die Rechte der Elfen gekämpft hatte, war nun diejenige, die seine Elfen in Misskredit brachte.

 

„Nein.“ Vehement schüttelte Hermine ihren Kopf. Derweil unternahm sie etliche Versuche, sich von ihm zu lösen, doch je mehr sie nach hinten ausweichen wollte, umso boshafter wurde sein Grinsen. Ja, im Gegensatz zu ihr, hatte Malfoy die Wand natürlich gesehen und ihm war auch sonnenklar, dass sie ihm ausgeliefert war. Insofern konnte er natürlich auch sein abfälliges Grinsen grinsen, bevor auch Hermine die Wand im Rücken spürte. „Ich... Ich habe mir selbst etwas genommen. Keine deiner Elfen wollte mir -“

 

„Du sollst ruhig sein.“ Draco bräuchte dringend Zeit zum Nachdenken. Er musste sich etwas überlegen, womit er Granger in Schach halten konnte. Er konnte und er wollte ihr nicht permanent gegenüberstehen, nur weil sie glaubte, anhaltend die Regeln brechen zu können. „Es ist mir scheißegal, ob du dir selbst etwas genommen hast – ich habe es verboten.“ Das war maßgebend. Dracos Worte waren Gesetz, an welche sich auch zukünftig eine Hermine Granger zu halten hatte. „Du lebst in meinem Haus und willst nicht kapieren, dass du kein verdammter Gast bist.“ Wieso legte dieses impertinente Weib es auch andauernd darauf an, mit ihm aneinander zu geraten? Wieso gelang es ihr, dass er binnen weniger Stunden so oft ausgerastet war? „Wann verstehst du das endlich, Fräulein? Oder muss ich doch zu außergewöhnlichen Maßnahmen greifen und noch deutlicher werden? Begreifst du es dann?“ Dass er sie unterdessen wieder zu sich herangezogen hatte – was eindeutig zu oft passierte –, bemerkte er im erste Moment gar nicht, aber er konnte sie mittels seiner Blicke noch mehr einschüchtern, noch mehr Druck auf sie ausüben – der hoffentlich dazu beitrug, dass sie gehorchte. Allerdings beschlich ihn – nebst dem Gefühl von Macht – auch die Skrupel. Er fühlte sich noch schäbiger, noch dümmer und grausamer als Lucius es je war.

 

Dass er auf solch brutale Maßnahmen zurückgriff, indem er sie grob packte und sie zwang, sich mit ihm auseinanderzusetzen, konnte er sich nicht erklären. Er schob es auf seine Wut – eine gute Ausrede in jeder Lebenslage. Er gab seinem unersättlichen Zorn die Schuld, den sein Gegenüber vermutlich absichtlich aus ihm herauskitzeln wollte. Aber tat sie das wirklich aus purer Willkür?

 

Nein, er glaubte es nicht. Granger war kein Mensch, der absichtlich den Unmut des Feindes auf sich zog.

 

„Was... Was meinst du?“, stotterte sie und strich beschämt ihre zerzausten Strähnen hinter ihr linkes Ohr.

 

„Dass – wenn du dich nicht alsbald fügst – du sehr schnell wieder im Kerker landen kannst.“ Schön, dass sie wenigstens diese Drohung zur Kenntnis nahm. Seine vorherigen Worte schienen ja offensichtlich keinen Einfluss auf sie genommen zu haben, da sie ihm ständig Paroli bieten wollte, obgleich sie sich der darauffolgenden Gefahr bewusst war.

 

Aber das war auch alles, was er ihr vorwerfen konnte – dass sie immerzu versuchte, sich ihm entgegenzustellen.

 

„Ja“, schluckte die ehemalige Gryffindor. „Das... Das würdest du gerne tun, was?“ Dann wüsste Hermine zumindest, woran sie war und musste nicht in ständiger Angst leben, wieder vom ihm aufgesucht und gedemütigt zu werden. Im Kerker hätte sie ihre Ruhe – für immer. Und dieser Umstand trieb ihren Überlebenswillen an, der etwas gegen einen Aufenthalt in dem verdreckten, vom Tod umringten Kerker hatte.

 

„Du kannst dir nicht ausmalen“, murmelte er vielsagend, „wie gerne ich es täte, Granger.“ Es war nicht auf seinen guten Willen zurückzuführen, dass sein Griff sich dezent lockerte. Viel mehr war es die Erkenntnis, dass er sie schon wieder anfasste.

 

„Wieso bringst du mich nicht in die Kerker?“, wollte Hermine stockend wissen.

 

„Weil ich dir erst noch eine Lektion erteilen muss“, quittierte er ihre Frage feixend, nachdem er sah, dass sie die Vorstellung – zurück in die Kerker zu müssen – doch mehr ängstigte als sie zugab. „Außerdem habe ich meinen Elfen gesagt“, begann er zu wiederholen – noch immer das Grinsen auf seinen markanten Zügen –, während seine Hand bedächtig über ihre Wange strich, „dass du solange nichts essen wirst, bis du mit mir am Tisch zu Abend isst. Eine ausdrückliche Anweisung – unschwer zu verstehen“, deklarierte er mit einer wegwerfenden Handbewegung. Als würde er ihr etwas belangloses, zugleich auch etwas lustiges veranschaulichen wollen. „Aber was macht die werte Granger? Das, was sie am besten kann: sich mir widersetzen und einen Streit heraufbeschwören, den sie nur verlieren kann. Ist das Absicht?“, wollte er abschließend lapidar wissen.

 

„Nein“, entgegnete sie niedergeschlagen, ehe ihr Kopf nach unten sank und ihr Kinn gegen ihre Brust stieß.

 

„Und wieso“, brummte er und legte zwei Finger unter ihr Kinn, „missachtest du dann meine Befehle? Ob du dir nun selbst etwas genommen hast oder eine meiner Elfen dir etwas gegeben hätte – am Ende kämen wir auf dasselbe Ergebnis.“ Sämtliche Drohungen waren so effektiv, wie ein Tropfen auf den heißen Stein. Um letztendlich die Oberhand zu behalten, würde er handeln müssen. Draco müsste sich etwas überlegen, was ihr für immer im Gedächtnis bleiben würde. Denn er war es, der ihr auf der Nase herumtanzen durfte – nicht sie. Sie war bloß zur falschen zeit am falschen Ort gewesen, aber das war nicht Dracos Problem. Es würde auch nicht zu seinem werden. „Vielleicht läufst du ja in der Spur“, bemerkte er und hob ihr Kinn noch ein Stück weit höher, „wenn ich den jeweiligen Elfen mit dir zusammen einsperre?“

 

„Niemand deiner Elfen -“

 

„Spielt keine Rolle“, erstickte er ihren anbahnenden Protest im Keim. „Einer meiner Elfen muss dir ja den Weg zur Küche gezeigt haben.“ Ganz so dumm wie er in ihren Augen womöglich aussah, war Draco nicht. Das Haus war riesig. Man müsste sich die Zeit nehmen, alles unter die Lupe zu nehmen. Aber selbst wenn sie diese Zeit gehabt hätte, wäre die Wahrscheinlichkeit bedeutend größer, dass sie statt der Küche den Westflügel finden würde. „Und glaub mir, meine Elfen würden es mir sagen, wenn ich nach der Antwort verlange.“ Dieses unfolgsame, unbelehrbare Weib war im Bezug auf seine Elfen unglaublich. Eigentlich war sie zu gut für diese Welt. Alleine ihre selbstlose Art machte sie in seinen Augen schon zu einer Heiligen. Hinzu kam diese unendliche Kraft, die sie aufbrachte, um eines der niederen Geschöpfe zu schützen – es war bemerkenswert. Ihre Facetten waren so... so vielseitig, dass er sogar darauf wetten würde, Granger nicht in einhundert Jahren zu kennen, weil sie ihn immer wieder überraschte.

 

„Du widerst mich an, Malfoy. Du bist genauso verabscheuungswürdig wie dein Vater, der – wie du – die Angst seiner treuen Elfen ausgenutzt hatte.“

 

Das waren die falschen Worte. Mit jedem weiteren Satz der ihren geschwungenen Mund verließ, wurde seine Geduld rissiger. Infolgedessen warnte er sie leise, aber es war – so vermutete er – bereits zu spät. „Vorsicht, Granger!“ Sie hatte ein Thema angeschnitten, worüber er nicht debattieren wollte – schon gar nicht mit einer Muggle, die nichts von Reinblüterkulturen verstand.

 

„Du bist immer noch der kleine Junge“, bemerkte sie kühl, „der durch die Hallen von Hogwarts spaziert und jeden mit der Macht seines Papis bedroht, der mit deiner Meinung nicht konform geht, geschweige denn deinem Willen nachkommt“, provozierte sie ihn weiter.

 

„Granger!“

 

„Ich bin vielleicht deine Gefangene, Malfoy, aber ich werde mich einem Mistkerl wie dir niemals unterwerfen.“ Nein, so gebrochen war sie noch nicht, dass sie jetzt schon das Handtuch warf und nach seiner Pfeife tanzte.

 

„Du begibst dich auf dünnes Eis. Auf sehr dünnes Eis, Madame.“ Dass sie sich überhaupt traute – angesichts seines Wutausbruchs, sowie ihrer Angst – noch zu scherzen, glich einer Farce. Granger war eine Heuchlerin, die ihren falschen Mut gut in Szene setzen konnte, aber er war genauso schlau, wenngleich ihre Vergleiche zu Lucius beinahe seine gute Kinderstube vergessen ließ. Aber sie erlaubte sich, über seinen Vater zu urteilen. Sie wagte sich, über Lucius zu reden, obwohl er nicht nach ihrer Meinung gefragt hatte, stellte dazwischen absurde Thesen auf und glaubte zu wissen, wie Draco war. Dabei wusste das Mädchen vor ihm nichts. Nichts über ihn und noch weniger über Lucius und dessen Stand. Sie wusste nicht, wie tief sein Vater in der Gunst des dunklen Lords gefallen war. Granger hatte keine Ahnung, wie stark sich Lucius' Launen nach Voldemorts Rehabilitation verändert hatten. Ja, im Anschluss hatte Draco das wahre Gesicht seines Vaters kennengelernt. Draco musste danach lernen, mit Lucius' Art umzugehen. Ihm wurde vor Augen geführt, wie berechnend, zynisch und jähzornig sein Vater geworden war – womöglich schon immer gewesen war. In Anbetracht dieser Tragik, wurde seine Affinität zur dunklen Magie noch deutlicher – ähnlich wie Lucius' Unzurechnungsfähig, die sich unaufhaltsam ausweitete, sie hatte sich in jedem seiner abgelassenen Sätze herauskristallisiert und doch wagte sich ein Schlammblut, über Draco zu urteilen. Obwohl sie nicht den Weg gegangen war, den Draco hinter sich hatte. Sie urteilte über ihn, zog Parallelen zwischen ihm und Lucius, ohne die Hintergründe zu kennen.

 

„Irgendjemand muss dir ungezogenem Bengel endlich Grenzen aufzeigen.“

 

„Du strapazierst meine Gastfreundlichkeit aber enorm. Sag mir, liegt es im Bereich des Möglichen, dass du in die Kerker willst und deswegen gegen mich intervenierst?“ Es war eine Scherzfrage – nicht wirklich ernst gemeint.

 

„Malfoy, solange ich dein Gesicht nicht sehen muss, ist mir jeder Ort recht.“

 

Das Resultat ihrer Worte spiegelte sich in seinen immer größer werdenden Augen wider. Sagte sie wirklich, dass sie die Kerker bevorzugte, weil ihr selbst ein so grausamer Ort lieber wäre, als... als hier bei ihm zu bleiben? War das die Dankbarkeit, die Granger ihm entgegenbrachte, ja? War das der Respekt, den sie ihm zollte? Wirklich eine komische Art, diese beiden Komponenten auszudrücken.

 

„Du willst in die Kerker? Aber sei gewarnt“, fauchte er unerbittlich. „Wer um Regen bittet, Granger, darf sich nicht über den Matsch beschweren.“ Wenn sie schon darum bettelte, sollte er ihrem Wunsch nachkommen, oder? Immerhin müsste er sich dann wenigstens keine Gedanken mehr darüber machen, wie er ungesehen eine Bekanntschaft mit nach Malfoy Manor bringen sollte, da Granger bis dato ein Störfaktor gewesen war. „Und wenn du mich schon so liebreizend bittest, dann werde ich dir diesen Wunsch mit Vergnügen erfüllen.“ Unsanft zerrte er sie von der Wand weg, um sie vor ihre Zimmertür zu ziehen. Dort angekommen, stieß er sie so angewidert von sich, dass sie nach hinten taumelte. Er war ihr gegenüber so rüpelhaft, dass sie ins Wanken gekommen war und schlussendlich auf ihren Hintern plumpste, ehe sie zur Seite fiel und aufstöhnte.

 

Ächzend wandte sich das Schlammblut vor ihm auf den Boden, bis ihre Hände mühselig nach dem Knoten ihres...

 

Beim heiligen Merlin!

 

Ihre bebenden Hände griffen hektisch nach dem Knoten ihres weißen Handtuchs, das sie um ihren Körper gebunden hatte. Bemerkte er tatsächlich erst jetzt, dass sie in ein Handtuch gehüllt war? Ja, schnaufte er in Gedanken, weil er sie schließlich nicht körperlich anziehend fand. Sie war ein Schlammblut – ein Wesen, das keinerlei Anziehung auf ihn ausübte. Wieso also sollte es ihn interessieren, was sie trug? Nun, weil das Handtuch infolge seiner Handlung etwas nach oben gerutscht war.

 

Um Himmels Willen. Er durfte sich nicht von ihr beeinflussen lassen. Wo käme er da nur hin, wenn er diesen Gedanken nachhing, die sich klammheimlich in sein Oberstübchen schleichen wollten?

 

„Oh je!“, stöhnte sie auf, während ihre recht Hand den Saum des Handtuchs oberhalb ihrer Brüste fest umklammerte. Es war ihr mehr als peinlich, wogegen ihre linke Hand am unteren Saum zupfte, so dass ihre Oberschenkel wieder etwas bedeckter war. Der Sturz an sich tat nicht weh, aber sie hatte sich erschrocken, nachdem das Handtuch – das nicht bis zu ihren Knien reichte – verrutscht war. Augenblicklich winkelte sie ihre Beine an – ganz eng beieinander, damit dieser Arsch nicht mehr sehen konnte als bisher. Das würde ihr gerade noch fehlen, dass er... mehr als ihre Haut sah und das war schon schlimm, dass sie im Handtuch vor ihm geflüchtet war. „Merlin“, wisperte sie, „das war knapp.“

 

„Halt deine unreine Schnauze, Granger. Als würde ich etwas von deiner widerwärtigen Haut sehen wollen.“ Sie käme in die Kerker – sowas von. Zudem stellte er fest, dass sie geblufft hatte. Die ganze Zeit und Draco wusste es. Sie hatte unglaubliche Angst vor den Kerkern. „Und jetzt wirst du in die Kerker wandern.“

 

„Bastard!“

 

Oh, schön. Sie beleidigte ihn schon wieder, was seine Sicherung vollständig durchbrennen ließ. „Hast du noch mehr Beleidigungen übrig? Sprich dich aus, bevor ich dich im Kerker verrotten lasse.“ Inzwischen konnte Draco gar nicht mehr aufzählen, wie oft er sie innerhalb eines Tages berührt hatte, aber er konnte es bestimmt nicht mehr an zwei Händen abzählen, da er ihr abermals auf die Beine half, nachdem er zu ihr herangetreten war und ihren Körper mit Wucht gegen die Wand stemmte. Ihr Seufzen bewirkte indessen nichts. Viel mehr bewirkte ihre aufmüpfige Art, sie weiterhin zu drangsalieren und dank ihrer Unterlegen, sowie seiner Stärke, war es ein Leichtes, mit einer Hand ihre Hände über ihrem Kopf gegen die Mauer zu fixieren. Schließlich musste er vorbeugen. Ansonsten käme sie noch auf die hirnrissige Idee, ihn schlagen zu wollen. Doch jeder weitere nachkommende Widerstand wäre ineffektiv. Allerdings gab es einen klein Nachteil... Die Nähe zu ihr, sowie die ungünstige Position in der sie verharrten, brachte Dracos Standfestigkeit ins Wanken. Er stand ihr so nahe, dass er im Stande war, die feinen, grünen Linien in ihren bernsteinfarbenen Iriden zu präzisieren. Wie ein unendlicher Faden zogen sie sich durch ihre Regenbogenhaut, die ihm wiederum zögerlich entgegensahen, dass... er an seiner Entscheidung zusehends zweifelte. Aber ihre Aufsässigkeit – wie sie sich ihm gegenüber benahm – zeigte ihm, wie suggestiv sie gegen ihn vorgehen wollte. Merlin, sie sollte das einfach unterlassen...

 

„Du bist -“

 

Ja, sie hatte noch mehrere Beleidigungen auf Lager. „Hör auf, mich zu beleidigen, Granger.“

 

„Wie- Wieso?“, lamentierte sie, während Tränen zu Boden kullerten. Sie fügten dem ehemaligen Slytherin mehr seelischen Schaden zu, als er sich eingestehen wollte.

 

War das zu fassen? Dass er um ihretwillen nicht wollte, dass er aus der Haut fuhr? „Weil es besser für dich wäre, wenn du derartige Äußerung in Zukunft unterlässt.“ Draco war es, der über ihr stand – nicht umgekehrt. Granger war von seiner Gnade abhängig. Er konnte innerhalb weniger Sekunden ihr Leben noch mehr zerstören und das sollte sie beherzigen. „Ich rate dir, es zu lassen. Wirklich.“

 

Simultan kollidierten seine Beine bereits zum zehnten Mal mit den ihren, was ihn zuzüglich aus der Bahn werfen wollte. Nicht nur seine Wahrnehmung hinterging ihn eiskalt, nein, auch seine Sinne, die sich derweil auf den Teil fokussierten, den das Handtuch nicht bedeckte. Draco war in der Position, ihre weiche Haut zu mustern, da sie schon nach wenigen Minuten – hinsichtlich ihrer schwindenden Widerstandsfähigkeit – ihrer Kräfte beraubt worden war. Ihr gelang es nicht einmal mehr, sich aus seinem Griff zu winden. Folglich würde auch sie einsehen, dass sie kapitulieren musste.

 

Draco gab ihr die Zeit, das zu verarbeiten – was sogleich folgte, indem ihr Kopf kraftlos nach unten sank.

 

„Du gibst schon auf, Granger?“ Kurz blitzen seine Augen zum Saum des Handtuchs, das den Anschein erweckte, sich wieder zu lösen. Angesichts ihrer ungünstigen Stellung, war es ihr nicht möglich, die drohende Peinlichkeit zu verhindern, weshalb er seine freie Hand zum oberen Abschnitt des Stoffes führte – woraufhin sie jedoch zaghaft ihren Kopf hob, ehe sie erschrocken zu ihm aufsah. Daraufhin zog auch er kurz seine Hand zurück, unter Berücksichtigung, dass das Handtuch nicht jeden Moment zu Boden glitt. „Beruhige dich. Ich helfe dir bloß und erspare dir eine Demütigung“, ergänzte er, wodurch er scheinbar ihren anbahnenden Protest unterbrach und den Vorgang seiner Hand wiederholte, um den Knoten des Badetuchs wieder festzuziehen. Argwöhnisch sahen seine Augen dem zugezogenen Knoten entgegen, da er nicht länger der Gefangene seine wollte, hinsichtlich dieses... unzüchtigen Anblicks. Draco würde Gefahr laufen, sofern er länger in ihre leeren Augen sah, dass er letzten Endes nachgab, sie zu sich zerrte und ihren blöden Mund schließen würde.

 

Dämliche, bescheuerte Triebe.

 

Der nachfolgende Blick auf ihre langen, schlanken Beine machte es allerdings nicht besser. Es bestärkte nur diese abnormalen Gedanken, die er jetzt schon verteufelte. Was für ein gemeines Spiel spielte sein Gehirn mit ihm? Wieso in Merlins Namen reagierte er überhaupt auf ihr Antlitz? Warum nahm er ihren Körper in Augenschein, obwohl sie ein Schlammblut war? Sie war nur eine Hexe, die es gar nicht verdient hatte, mit magischen Fähigkeiten geboren worden zu sein. Und trotzdem sah er sie an – die Vorurteile über sie ignorierend.

 

„Bitte, Malfoy. Lass... Lass mich los“, wimmerte sie unter ihm auf, nachdem er seine Hand vom Saum gezogen und diese neben ihrem Kopf platziert hatte.

 

Ha, und dieses Flehen erst. Sollte er sich womöglich Gedanken darüber machen, sich lachend von dem höchsten Punkt seines Hauses zu stürzen? Er sollte es zumindest in Betracht ziehen, nachdem sich das Blut sukzessiv in den unteren Lenden staute. Ob sie unter dem Handtuch etwas trug?

 

Was zur Hölle?“, schrie die Stimme aus der hinteren Ecke seines Hirns. „Draco, verdammt! Komm endlich klar“, schimpfte sie weiter. „Das ist Granger. Das Schlammblut, das du zu hassen hast.“

 

Ah, seine lästige Begleiterscheinung war scheinbar wieder auf seiner Seite. Jetzt, wo er die Stimme nicht gebrauchen konnte und sich lieber auf andere Sachen konzentrieren wollte. Ja, denn entgegen jedweder Erwartung war seine Erektion steifer geworden, während sein benebelter Blick über ihre glatten Beine streifte. Darüber hinaus stellte er sich und seiner Stimme die Frage, warum ausgerechnet sie so schön geworden war. Konnte nicht jemand anderes schöner werden? Was war in den wenigen Wochen passiert, dass es Granger war, die hübsch geworden war? Zumal ihr jetziger Zustand es ihr gar nicht erlauben dürfte, so schön auszusehen.

 

Doch wie er es auch drehte, er gestand sich heimlich ein, dass sie bildschön geworden war. Ja, das gab er zu, was nichts daran änderte, dass sie weiter unter ihm stand. Nur weil sie so verboten gut aussah, bedeutete das noch lange nichts. Gar nichts.

 

„Was ist, wenn ich dich nicht loslasse?“, raunte er unbeholfen und richtete seinen Blick nach unten, wo er bereits Anzeichen einer Beule erkennen konnte.

 

„Dann bist du einfach nur erbärmlich, weil du nichts weiter kannst“, flüsterte sie schleppend, „als dich am Leid anderer zu profilieren und die Ausweglosigkeit hilfloser Menschen schamlos ausnutzt.“

 

Ja! Endlich. Es war abzusehen, dass sie ihn weiter beleidigte. Und genau das verschaffte ihm die notwendige Weitsicht, gleichzeitig die benötigte Rationalität um wieder klar denken zu können.

 

„Falsch“, äußerte er schroff, ehedem er nochmals die Hände über ihrem Kopf fixierte. „Weißt du, was erbärmlich ist, Granger?“, fragte er ungeniert, während er mithilfe seiner Beine die ihren spreizte und somit noch mehr verdeutlichte, wie sinnlos sowohl verbaler, als auch körperlicher Protest war. „Das Schlammblut, das denkt, ich wäre im Bezug auf ihre gespielte Heuchelei empfänglich. Das Schlammblut, das denkt, ich würde Grenzen kennen, die mich daran hindern, sie in die Kerker zu werfen. Das Schlammblut, das denkt, ich würde Gnade vor Recht walten lassen, bezüglich ihrer armseligen Lage. Das, Granger, das ist erbärmlich“, fügte er siegessicher hinzu.

 

„Malfoy, du tust mir -“

 

„Ja, ich tue dir bewusst weh.“ Er wusste das selbst. Granger misste ihn mit ihren Krokodilstränen nicht ständig darauf hinweisen. So langsam durchschaute er nämlich ihr kleines Spielchen, ihn zwecks ihrer Tränen zu manipulieren. „Aber du scheinst eine andere Art der Kommunikation nicht zu verstehen, geschweige denn zu lernen, wann es besser wäre, seinen vorlauten Mund zu halten – und dabei dachte ich immer, das Lernen und Verstehen sei deine Königsdisziplin.“

 

Nein, sie war nicht belastbar. Sie war zerbrechlich und schwach.

 

„Was ist, Granger?“, fragte er nach etlichen Momenten der Stille, die zwischen den beiden Heranwachsenden geherrscht hatte. „Denkst du immer noch, dass Weasley dich retten kann?“

 

„Ron wird dich -“

 

„Gar nichts wird er“, schnitt er ihr das Wort ab. „Es ist vermessen, dass du immer noch daran glaubst, dass dir irgendjemand helfen wird. Niemand, Granger, niemand wird dir helfen. Und dir wird es noch weniger helfen, wenn du dich der Illusion hingibst und daran glaubst, dass du die Sache aussitzen kannst, bis Hilfe kommt.“ Er pausierte. Zeit, die er wieder dazu nutzte, seine grauen Augen auf die Reise über ihren Körper zu schicken. So lange, bis er sich besann und in ihr Gesicht sah, in dem er so viele Emotionen ablesen konnte. „Sobald Weasey auch nur einen Fuß auf meine Ländereien setzt, wird er das bitter bereuen, da mein Haus jegliches Eindringen von außerhalb verhindern wird – selbiges gilt für einen Ausbruch.“ Hätte er diesen Fehler doch nur früher ausgebessert. Dann wäre ihm die Zusammenkunft mit Granger und ihrem Vater erspart geblieben, aber er musste sich ja in seiner Trauer zurückziehen und das Wesentliche – Schutzzauber über sein Haus zu legen – außer Acht lassen. Tja, das hatte er davon.

 

„Du bluffst doch.“
 

Nein, das tat er bestimmt nicht. „Tue ich das? Dann sei die Frage erlaubt, wieso Malfoy Manor das Hauptquartier des dunklen Lords gewesen war?“ Aber Draco nahm ihr die Antwort sogleich ab. „Weil es hier so schön aussieht? Wohl kaum“, endete er kritisch.

 

Obwohl er Ron nicht beleidigt hatte, konnte sie anhand seines Tonfalls eine versteckte Beleidigung deutlich heraushören. „Hier ist überhaupt nichts schön“, konterte sie und rümpfte angewidert die Nase, um ihm die Widerwärtigkeit dieses Hauses darzustellen.

 

Feixend quittierte er ihre lächerliche Aussage. „Ja, materielle Dinge können dich nicht beeindrucken, ich weiß. Aber all das ermöglicht es mir, dich solange hier festzuhalten wie ich will. Denk mal darüber nach, Granger.“ Immer tiefer stampfte Draco das entwaffnete Mädchen in den Boden, das inzwischen entkräftet zwischen ihm und der Wand hing. Sie war von ihrem innerlichen Zerfall dermaßen gekennzeichnet, dass sie sogar bei jedem seiner Wimpernschläge zusammenzuckte. „Und jetzt“, murrte er abschließend, bevor er sich zurückzog, ihre Hände freigab und noch böser fortfuhr, „verschwinde. Ich will dich heute nicht mehr sehen.“

 

Er war ganz offensichtlich doch erbärmlich, weil er nicht an seinen Drohungen festhielt, aufgrund der eigenen Schwäche, die von ihrer Konfusion herbeigeführt wurde und sich wiederholt von körperlichen Attributen lenken ließ. Zusätzlich rebellierte sein Körper immer mehr, je öfter er dieses beschissene, kurze Handtuch auf ihrem Körper bestaunte. Andererseits könnte er sich ablenken, indem er seinen Umhang nach hinten schlug, anschließend zur Seite ging und Granger passieren ließ.

 

Das tat Hermine auch sogleich. Dennoch hielt sie vor ihrer Tür inne, sah an dem glatt geschliffenen Holz hinauf und blickte angrenzend über ihre Schulter, während ihre Hand bereits die Klinke umfasste. „Malfoy, wo ist deine Mutter?“ Bisher hatte sie Narzissa Malfoy noch nicht gesehen. Was sie wohl sagen würde, bezüglich Hermines Gefangenschaft? Wie fand sie die Tatsache, dass Hermine eines der Zimmer bekommen hatte, wenngleich sie nach ihrer Meinung nichts weiter als die Innenräume einer Zelle in den Kerkern verdient hätte? Vage, sehr vage konnte sie sich an Malfoys Mutter erinnern – eine kühle, arrogante Frau. Und doch hatte Hermine nie eine schönere Frau als sie gesehen.

 

Ratlos neigte er seinen Kopf in ihre Richtung. Unerklärlich, wieso sie nach seiner Mutter fragte. Noch weniger konnte er sich erklären, wieso sie noch immer das Gespräch mit ihm suchte, obwohl er gemeingefährlich war. „Narzissa ist nicht hier. Nur wir beide, Granger.“ Es ging sie nichts an, wo seine Mutter war. Genauso wenig hatte es sie zu interessieren, wieso Narzissa nicht im Haus war.

 

„Ich... war nur neugierig, weil ich sie noch gar nicht gesehen habe.“ Teilnahmslos stand sie ihm mit Abstand gegenüber. Zeitgleich grübelte sie, wieso er so gemein und grob war? Auch betrachtete sie sein makelloses, feingliedriges Gesicht, dessen Züge so eindringlich und bedrohlich wirkten. Seine silbernen Augen gewährten ihr dahingehend auch keine Einblicke in sein tristes Seelenleben. Es waren verschlossene, einsame und traurige Augen und wäre er kein abgeklärter, anmaßender Arsch, würde sie spätestens jetzt zu ihm gehen – ihn in ihre Arme ziehen und umarmen. Eine Umarmung bewirkte oftmals Wunder, aber bei Malfoy? Hermine wusste das, aber es wäre genauso ad absurdum, in Malfoy etwas zu sehen, was doch so offensichtlich nicht vorhanden war. Dieser Mensch würde immer ein Reinblüter und Schlammbluthasser bleiben.

 

„Geh, Granger“, erwiderte er phlegmatisch. „Oder ich überlege es mir anders.“

 

Seine Wortwahl klang gefährlich. Sein Handeln würde er kein zweites Mal überdenken, weshalb sie sich schnell zur Tür drehte, diese öffnete und schnaubend in ihrem Zimmer verschwand. Sie war sogar froh, dieses Mal den Widerstand der Tür in ihrem Rücken zu spüren, sie zugleich dafür verantwortlich war, sie von Malfoy zu trennen. Und sie stand bestimmt fünf Minuten reglos da. Lediglich ihre unkontrollierte Atmung funktionierte halbwegs, im Gegensatz zu ihrer Motorik, die ihr den nächsten Schritt nach vorne untersagte. Aber sie zwang sich und schritt zur Badezimmertür, hinter der sie ihre getragenen Kleider fand und unverzüglich in ihre Unterwäsche schlüpfte, bevor sie ihren weißen Rollkragenpullover über ihren Kopf stülpte. Merlin, sie hatte sich im wahrsten Sinne des Wortes so nackt vor Malfoy gefühlt... Umso beruhigender war es, als sie den Stoff ihrer Kleidung auf der Haut fühlen konnte.

 

Und so sicher sie sich auch gerade fühlte, es war ein beklemmendes Gefühl gewesen, als sie ihm ausgeliefert gewesen war. Noch nie hatte man sie so herablassen behandelt, wie Malfoy es eben getan hatte. Hoffentlich festigte sich dieses Verhalten nicht zur Norm. Im Nachhinein marschierte sie zu ihrem Bett, in das sie sich fallen ließ und sogleich eingeschlafen war.

 

 
 

~*~

 

 

Zur gleichen Zeit lief Draco unaufhörlich in seinem Zimmer umher, das er sofort aufgesucht hatte, nachdem sie hinter der Tür verschwunden war. Ganz anders als sie, war Draco überhaupt nicht müde, angesichts der angespannten Lage. Wie in drei Teufels Namen konnte dieses Weib ihren Körper so lange verbergen? Grundgütiger, schon wieder dachte er daran, wie gut sie aussah und es kotzte ihn an, ständig daran zu denken. Der junge Malfoy fand sich selbst unausstehlich. Sonst hatte er sich doch immer so wunderbar herrlich unter Kontrolle halten können. Währenddessen verriet ihm ein Blick zur Standuhr, dass es schon nach elf Uhr gewesen war – ein langer, sehr ereignisreicher Tag. Aber nicht einmal die späte Uhrzeit brachte ihm die Ernüchterung, die er sich erhoffte. Stattdessen hatte er sich gehen lassen, ließ es zu, dass... dass er auf Granger reagierte.
 

Wo war nochmal seine Perfektion? Nun, sie glänzte mit ihrer perfekten Abwesenheit. Und wo war seine Selbstbeherrschung? Wahrscheinlich in seine unteren Lenden abgetaucht, wo sie hemmungslos erdolcht wurde. Und seine Souveränität? Tja, die hatte sich heimlich verdrückt, nachdem er Granger Lauschangriff enttarnt hatte.

 

Ja, zweifelsohne. Seine Eigenschaften waren irgendwo. Nur nicht hier bei ihm. Ihre Mutter war gestorben und er behandelte sie wie Abschaum, wie Dreck. Er nahm einem hilflosen Mädchen die Würde, obwohl sie den Verlust einer wichtigen Bezugsperson verarbeiten musste – wenn nicht sogar den Verlust der wichtigsten Bezugsperson im Leben eines Mädchens. Ob er sich bei ihr entschuldigen sollte?

 

Eine Option, die ihn nicht mehr losgelassen hatte.

 

Aber wenn er sich entschuldigte, würde sie ihn noch weniger ernst nehmen, oder? Sie würde sich darin bestärkt fühlen, indem sie ihm immer wieder Fehler vorwarf und ihn zwingen würde, sich nochmals zu entschuldigen. Draco würde ihr die Lizenz erteilen, ihn zurechtzuweisen und daran erinnern, dass er sich für vergangene Fehler ebenfalls entschuldigen müsste. Dabei war sie doch das unreine Geschöpf. Sie war das Schlammblut.

 

„Verdammt! Was macht sie nur mit mir?“, brach es niedergeschlagen aus ihm heraus, ehe er sich in den Lederstuhl hinter seinem Schreibtisch setzte und den linken Hemdärmel vorsichtig nach oben krempelte. Mit gekräuselten Lippen fuhren seine Fingerkuppen die sichtbaren Adern entlang, bis er seine Bewegung abrupt stoppte. Intensiv beäugte er das dunkle Mal, das immer mehr verblasste. Die Konturen waren nicht mehr stark, ebenso wenig die Farbe, die diesen Schandfleck ausfüllten. Er setzte seine Bewegung nach oben fort, bis sein Zeigefinger behutsam über die feine Wölbung strich, die durch das dunkle Mal entstanden war.

 

Unglaubliche Schmerzen waren es gewesen, als man es ihm gestochen hatte. Man konnte den Schmerz gar nicht beschreiben, so qualvoll war es gewesen. Kurz darauf zog er apathisch seine Hand zurück und öffnete daraufhin die oberste Schreibtischschublade. Darin verbarg er seine Todessermaske. Aber noch etwas anderes versteckte er daneben – Grangers Zauberstab. Ha, das Bild, das sich ihm gerade bot, erschuf einen paradoxen Anblick. Granger würde vermutlich einen Tobsuchtsanfall bekommen, wenn sie wüsste, dass er ihren Zauberstab neben seiner Todessermaske aufbewahrte. Aber so kontrovers das Bild auch war, so entsprach es doch irgendwie der Realität. In seiner Schublade lag das Böse neben dem Guten. Dracos Todessermaske neben Grangers Zauberstab.

 

Infolge dieser Gedanken berührte er ihren Zauberstab, der sich im Gegensatz zu seinem bedeutend weicher anfühlte. Im Anschluss zog er jedoch auch hier wieder seine Hand binnen Sekunden zurück, bevor er die Maske herausnahm. Jede einzelne Rune, jede Verzierung die darin eingraviert war, besah sich der junge Mann, während er sich fragte, wie es nur so weit kommen konnte? Wie konnte er in solche Kreise abrutschen? Er hatte doch alles, wonach sich jeder vernünftige Mensch sehnte...

 

Weil dein böser Vater dich zwang, Draco. Er hat dich in diese Kreise geführt“, säuselte sie Stimme versöhnlich, als würde sie sich wie ein schützender Schal um seinen Hals schmiegen wollen, nur um ihm die Worte einprägsamer ins Ohr zu flüstern. „Und versagte letztendlich, weil er diese Prophezeiung nicht beschaffen konnte. Dich trifft keine Schuld.“

 

„Redet sich das nicht jeder ein, der schlussendlich versagt hat?“, widerlegte er die Aussage seines Begleiters, der wieder Partei für ihn ergriffen hatte – solange Granger nicht in der Nähe war. „Dumbledore bot mit Schutz an, aber ich war zu stolz und habe seine Hilfe ausgeschlagen.“ Er war nicht zu stolz. Er war feige und hatte sich in den vergangenen Wochen erfolgreich eingeredet, dass es nicht seine Schuld war. Immer wieder hatte er sich gesagt, dass er so handelte, weil er seine Familie beschützen musste, aber was hatte ihm dieses Opfer – ein Todesser zu werden – eigentlich gebracht? „Ich... wollte die Hilfe nicht, hörst du?“

 

Aus Selbstschutz“, beharrte die Stimme. „Du musstest dich entscheiden und gleichzeitig sicherstellen, dass deiner Familie nichts zustößt.“

 

„Sicher“, nickte Draco ärgerlich, während er der Maske entgegensah. „Selbstschutz klingt auch bedeutend besser als Angst.“ Anschließend legte er seinen Kopf in seine gehobene Handinnenfläche, nachdem er die Maske in die Schublade zurückgefeuert hatte. „Gott, was für eine schlechte Ausrede.“

 

Dieser Krieg, mit all seinen negativen Seiten, hatte alles ruiniert. Familien wurden zerstört, verfolgt, vertrieben und teilweise ausgelöscht. Dieser Gewaltakt hinterließ sowohl psychischen als auch physischen Schaden und alles nur, weil ein paranoider, geisteskranker Vollidiot dachte, die Welt beherrschen zu müssen, indem er die Erdbevölkerung unterdrückte und sie der Tyrannei aussetzte. Draco wusste das, er konnte ein Lied davon singen, weil er selbst ein Opfer gewesen war, der mit den Nachwirkungen der Revolte zu kämpfen hatte. Seit Kriegsende träumte er von Crabbe. In fast jeder Nacht musste er tatenlos mit ansehen, wie sein Freund schreiend in den Flammen des Dämonsfeuer umkam, weil Vincent das Feuer nicht unter Kontrolle halten konnte. Draco wäre beinahe darin umgekommen, aber Potter war es, der sich erbarmte. Potter war es, der mit Weasley und... und Granger zurückgeflogen kam. Im letzten Moment war es dem Goldjungen gelungen, Draco auf seinen Besen zu ziehen, obwohl er so abfällig und grausam zu Potter gewesen war.

 

Ob sich Potter dafür revanchierte, dass Draco ihn auf Malfoy Manor nicht verriet, obwohl er das Narbengesicht eindeutig – trotz Brandzauber – erkannt hatte? Nein, das konnte man unmöglich gleichsetzen. Potter war es gewohnt, dem Tod ins Auge zu blicken. Draco lernte dieses Gefühl erst später kennen, weshalb er auch unglaubliche Furcht vor dem Feuertod hatte.

 

Er stand in Potters Schuld. Nicht umgekehrt.

 

Kannte Granger das Gefühl wie Potter auch? Was musste sie schon alles mit ansehen? Wurde sie auch von dieser erdrückenden Trauer verfolgt und fast erschlagen? Gewiss hatte sie viel mehr schrecklicheres sehen müssen als Draco. War es daher nicht umso dringlicher, sich bei ihr zu entschuldigen? Eigentlich schon. Wild entschlossen schob er daraufhin den Stuhl zurück und verließ seine Räumlichkeiten. Doch mit jedem hinzugekommenen Schritt verließ ihn auch der Mut. Was, wenn er sich bloß lächerlich machte? Was, wenn Granger ihn auslachte? Schlussendlich stand er dennoch vor ihrer Tür – noch immer unsicher darüber, ob er ihr Zimmer betreten sollte. Es war ein beklemmendes Gefühl, vor ihrer Tür zu stehen; gleichzeitig zu wissen, dass nur dieser Gegenstand es gewesen war, der ihn von Granger trennte.

 

Trotzdem. Er war immer noch der Überzeugung, dass er sich entschuldigen musste. Schluckend öffnete er die Tür ohne sich vorher anzukündigen, aber er wollte anscheinend wieder streiten, um sich eben nicht entschuldigen zu müssen. Aber er müsste sich womöglich gar nicht mehr entschuldigen, da das Zimmer abgedunkelt war. Granger hatte scheinbar keine Elfe gerufen, die das Feuer im Kamin neu entzünden konnte. Lediglich der Mond war es, der Draco den Weg zu ihrem Bett wies, wo er ihre schlafende Gestalt erahnen konnte.

 

Wäre es besser, wenn er gehen würde? Sollte er sie nicht lieber schlafen lassen? Nun ja, der Gedanke stand jedenfalls nicht lange zur Debatte, da er bereits die Tür schloss und sich dem Bett genähert hatte. Als würde eine fremde Macht seinen Gang steuern und je näher er kam, umso deutlicher wurde ihre Silhouette im Mondlicht – ihre körperlichen Konturen, die nur zum Teil von der Decke, sowie dem Laken bedeckt waren, brannten sich förmlich in seine Netzhaut.

 

Wieso war er nochmal hierher gekommen? Sicher nicht, um Granger anzustarren. Das hatte er doch schon hinter sich, aber es fiel ihm so schwer, den Blick von ihr abzuwenden. So oft er es versuchte, es gelang ihm nicht. Draco war eben nur ein Mann. Ein Mann, der seit Wochen unfreiwillig im Zölibat lebte. War es daher nicht irgendwie... nachvollziehbar, dass er deshalb so heftig auf sie und ihren Körper reagierte? Schließlich war ihr Körper ansehnlich und welcher Mann sah nicht gerne einen schönen Frauenkörper an. Es war zwar keine Entschuldigung, aber es war zumindest eine schlechte, klischeehafte Erklärung – dafür, dass seine Augen mit jedem Augenschlag länger auf ihr hafteten. Ausgiebig besah er diese sündhaft langen Beine, bevor sein Blick höher wanderte.

 

Merlin, er musste mehrmals blinzeln, um zu realisieren, dass sie nur in Unterwäsche und in einem kurzen, weißen Rollkragenpullover im Bett lag. Sie lag in Unterwäsche in ihrem Bett. Hinzu kam, dass es nicht einmal Unterwäsche war, die ihn hätte abschrecken können. Im Gegenteil. Granger trug verruchte Dessous. Ein enges schwarzes Höschen, das nur wenig Haut ihres Hintern verdeckte. Und natürlich musste sie bei Dracos Glück auf dem Bauch liegen, so dass er praktisch gezwungen war, diesen Teil ihres Körpers anzustarren.

 

Das durfte doch nicht wahr sein. Er war schließlich hier, um sich zu entschuldigen und dann lag sie einfach so in ihrem Bett, schlief und provozierte ihn, weil sie es wagte, sich im Schlaf um ihre Decke zu wickeln.

 

Und sie schlief in Dessous! Das kam erschwerend hinzu. Ja, er wiederholte es immer wieder, bis er sich auf seine geballte Faust biss, in der Hoffnung, sich zu besinnen. Glücklicherweise gelang es ihm, so dass er wieder rational denken und vorsichtig nach ihrer Decke greifen konnte, ohne der Versuchung nachzugeben, ihre Haut zu berühren. Ja, er wollte ihr lediglich helfen und sie zudecken. Einfach gewährleisten, dass sie nicht fror. Jedoch machte sie es ihm nicht gerade einfach, nachdem er die Decke berührte und sie sich bewegte.

 

Starr vor Schreck hielt er inne – noch immer die Decke in der Hand haltend. Aber das Glück war ihm hold. Granger wachte nicht auf und drehte sich bloß zur Seite, woraufhin er ihre Bettdecke ein Stück mehr unter ihr herausziehen konnte. Es reichte gerade aus, um ihre Beine und ihre... Kehrseite zuzudecken. Doch bevor er die Decke behutsam darüber legte, erhaschte er noch einen letzten Blick darauf und bevor er verschwand, besah er sich noch einmal ihr friedlich schlafendes Gesicht.
 

Wäre sie doch immer nur so.

 

Allerdings drehte er sich nach mehreren Minuten ruckartig um und verschwand fluchtartig mit einer abermaligen Erektion aus ihrem Zimmer.

 

„Verdammt, wieso hat sie auch keine Kleider an?“ Er würde seine Elfen morgen früh sofort zu Madam Malkin schicken, damit sich dieser Vorfall nicht wiederholen und er Granger nicht noch einmal fast nackt im Bett vorfinden konnte. Und seine Mutter erst... Gott, Narzissa würde Herzrasen bekommen, wenn sie wüsste, dass sie nur dieselben Kleider trug – bestehend aus einer engen Röhrenjeans und einem noch engeren Rollkragenpullover. Beides Kleidungsstücke, die ihre Proportionen wunderbar zur Geltung brachten.

 

Ihm wäre es zukünftig auch egal, ob sie zum Essen runter käme. Draco würde nur noch an ihre Beine, ihren Hintern – ach, an ihren gesamten Körper – denken können. Nein, nein. Seinetwegen könnte sie von jetzt an in ihrem Zimmer essen. Ihm war es sowas von egal. Jawohl.

Gut lehrt, wer die Unterschiede klar darlegt

- Kapitel zehn -

 

Leise war Akina in das Zimmer des Mädchens appariert, bevor sie die gekauften Kleidungsstücke ordentlich in den Schrank einräumte. Im Anschluss stellte sie sich neugierig, aber immer noch leise neben das Bett und konnte gerade noch so mit ihren kugelrunden Augen über die Matratze blicken, um zu erkennen, dass das traurige Mädchen noch schlief. „Guten Morgen, Miss“, flüsterte Akina dennoch, da sie auch schon im Bad gewesen war, um alles herzurichten.

 

Verschlafen drehte sich Hermine im Bett herum, nachdem sie glaubte, dass ihr jemand Guten Morgen gesagt hatte. War sie etwa schon im Fuchsbau angekommen? Stand Molly Weasley neben ihrem Bett – mit einem Tablett in der Hand, das sie auf den Nachtschrank stellen würde? Aber die gutherzige Molly würde doch niemals den Zusatz Miss hinzufügen, oder? Nein, und Ginny genauso wenig.

 

Nein, sicher erlaubten Harry und Ron sich einen bösen Scherz. Kichernd würden sie neben Hermines Bett stehen, während sie sich gegenseitige Zauber zuflüsterten, die ihre Stimmen weiblich klingen ließen. Demgegenüber war Harry aber doch weniger der Mensch, der sich auf solch infantile Spiele einließ, oder doch? Nein, Harry war immer besonnen, ruhig und nie darauf aus, jemandem einen Streich zu spielen, den er mochte. Wie schaffte es Ron demzufolge immer, Harry von solchen Spielchen zu überzeugen?

 

Merlin, sie müsste den Jungs wieder einmal erklären, dass sie sich lieber auf ihre Prüfungen konzentrieren sollten, anstatt sich gegenseitig abzulenken. Aber auch dieser Gedanke wurde von einer inneren Stimme unterbunden, die immer lauter und drängender wurde, je mehr Hermine zu sich kam.

 

Ja, sie hörte die Stimme immer deutlicher. Aus dem Flüstern wurden verständliche Worte: „Harry liegt im Koma, Hermine. Du bist auch schon lange nicht mehr in Hogwarts gewesen, weil du deinen Abschluss nicht gemacht hast.“

 

Aber natürlich. Harry befand sich noch immer im St.Mungo, wo er partout nicht aufwachen wollte, woraufhin die ehemalige Gryffindor schlagartig ihre Augen öffnete, diesen Schritt jedoch bereute, aufgrund der strahlenden Sonne, die ihr Zimmer in hellem Licht erstrahlen ließ. Grundgütiger, wie von Sinnen schreckte Hermine nach oben. Augenblicklich saß sie kerzengerade in ihrem Bett, während die Realität auf sie einschlug.

 

Sie war nicht mehr in Hogwarts, sondern auf Malfoy Manor – eine Gefangene von Draco Malfoy.

 

Ach, wie schön war noch eben die Vorstellung, dass sich sowohl Harry, als auch Ron einen Scherz mit ihr erlaubten, aber diese Illusion wurde ihr genommen, nachdem ihr auch die Umgebung bewusst wurde. Wie eine Seifenblase war ihr Traum zerplatzt. Aufgrund dessen schlug sie sich schluchzend die Hände vor ihr müdes Gesicht.

 

„Oh, Miss? Ist alles in Ordnung?“

 

Schon wieder diese Stimme. Vorsichtig lugte sie zwischen ihren Finger hindurch, bevor ihre Hände nach unten sanken, um sich folglich umzublicken, da sie niemanden erkennen konnte. Erst als ihre Augen tiefer wanderten, erspähte sie abstehende, lange Elfenohren, die aufgeregt wackelten.

 

„Geht es Ihnen nicht gut, Miss?“ Wieder streckte Akina ihre Hand nach dem Mädchen aus, doch sie zögerte. Akina verfiel in alte Muster und erinnerte sich an den Elfen-Kodex, der besagte, keine höhergestellten Wesen zu berühren.

 

„Guten Morgen, Akina. Ja, es... es ist alles in Ordnung, danke“, gab sie der Elfe traurig zu verstehen. Allerdings verwandelte sich ihre Traurigkeit recht schnell in Verwunderung, nachdem sie einen Satz Kleider auf ihre Decke vorfand – bestehend aus einer blauen Röhrenjeans, einem schwarzen Pullover, sowie... Nein, das... das konnte doch nicht wahr sein, oder? Ihre Augen wurden immer größer, je mehr sie die zusätzliche Kleidung in Augenschein nahm. Sie war gewillt, danach zu greifen, aber sie wollte die feine Spitze nicht berühren.

 

Hermine wollte nicht registrieren, dass vor ihr tatsächlich frische Unterwäsche lag.

 

„Akina“, flüsterte sie peinlich berührte und zeigte mit dem Zeigefinger auf das Bündel. „Was... ist das?“

 

„Oh, gefallen Sie Euch, Miss?“ Wieder wackelten ihre Ohren, ihre Stimme klang erfreut. „Der Herr sagte, Sie würden sich in dieser Kleidung wohler fühlen als in Roben“, erklärte sie euphorisch, bevor sie zu der frischen Kleidung tapste, um diese Hermine zu bringen.

 

„Sagte er das, ja?“, vergewisserte sich Hermine und war, angesichts dieser netten Geste überrascht. Aber sie führte diesen Gedankengang gar nicht zu Ende, weil Malfoy nicht nett war. Mit Sicherheit waren die Stücke verhext, die ihre wahre Macht erst zeigen würden, wenn Hermine sich hineinzwängen würde. Woher sollte Malfoy auch ihre Größe kennen?

 

„Oh ja, schauen Sie.“ Eilig trat die Elfe an den Schrank heran und schob eine der Türen auf. „Der Herr hat noch andere Kleidung für die Miss bereitgelegt, sollten Sie den Wunsch verspüren, sich umzuziehen, Miss.“ Ihre funkelnden Augen suchten Hermines Blick, woraus Akina fälschlicherweise etwas anderes schloss, statt die darin erkennbare Traurigkeit zu sehen. „Oder wünscht die Miss etwas anderes?“

 

„Mach dir keine Umstände, Akina.“ Doch als sie die Regale aus der Ferne sah, konnte sie nicht anders, als über ihre trüben Augen zu reiben. In ihrem Schrank stapelten sich zahllose Jeans- und Stoffhosen. Unzählige Pullover reihten sich neben einem weiteren Berg Tops ein. In einem weiteren Schrank den die Elfe öffnete, konnte sie acht Roben zählen. Daneben hingen die passenden Umhänge.

 

Was für Kosten dieser Arsch ihretwegen auf sich nahm... Ob sie diese Schulden ebenfalls mit Lebenszeit abzahlen musste? Womöglich würde es darauf hinauslaufen, stellte sie gedanklich fest.

 

Und obzwar sie es nicht wollte, aber das schlechte Gewisse – anlässlich ihrer Beleidigung – beschlich die junge Frau, denn im Gegensatz zu Malfoy, hatte Hermine immer noch ein stark ausgeprägtes Gewissen, das sie unwiderruflich einholte. Obwohl sie seinen Plan durchschaute, beschloss sie, zukünftig auf Beleidigungen zu verzichten. Dennoch würde sie diese Kleidung nicht tragen. Malfoy war weder liebenswürdig, noch freundlich. Er käme niemals auf den Gedanken, ihr etwas Gutes zu tun. Schon gar nicht würde er Galleonen für sie ausgeben. Oh nein, sie würde ihre Kleider anbehalten, selbst wenn diese an ihr kleben würden.

 

„Weiß die Miss auch schon, was sie essen möchte?“, entkam es Akina, die unterdessen die Schranktüren schloss und zum Bett zurückkehrte – bereit, Hermines Wünsche zu erfüllen.

 

„Essen? Ich... Ich habe keinen Hunger, Akina.“

 

„Sie wollen wieder nichts essen?“ Noch bevor sie ihren Satz beendete, fielen ihre Ohren schlaff nach unten. Gestern hatte das Mädchen sich auch schon geweigert, gemeinsam mit ihrem Herren zu essen, weshalb dieser zu ungewöhnlichen Maßnahmen griff. „Der Herr sagte, dass Sie Ihr Essen hier oben essen können, Miss“, fuhr sie im Anschluss unbekümmert fort, in der Hoffnung, das Essen servieren zu können.

 

„Hier oben?“, wiederholte Hermine irritiert. Das sollte Malfoy gesagt haben? „Das hat dein Herr erlaubt?“

 

„Ja.“

 

Unweigerlich beschlich die junge Frau ein ungutes Gefühl. Noch gestern hatte der soziopathische Malfoy sie sowohl gemaßregelt, als auch bedroht, nachdem Brisko ihm offenbarte, dass Hermine unerlaubterweise in der Küche gewesen war, um etwas zu essen. Und heute sollte sich das geändert haben? Woher dieser über Nacht kommende Sinneswandel? Oder war es kein Sinneswandel? War es lediglich ein Versuch, Hermine aus dem Weg zu räumen? Gedanken überliefen sie, dass das Essen vergiftet wäre und Hermine sich hüten sollte, etwas von den Speisen zu essen.

 

Allerdings war das Essen gestern Abend so gut, dass nach einem Blick zur Uhr ihr Magen erneut zu rebellieren begann – die Gefahr der Vergiftung gänzlich ignorierend.
 

Umsichtig zog Hermine daraufhin ihre Decke zur Seite, ehe sie langsam aufstand. Auf Zehenspitzen ging die ehemalige Schülerin zu dem Schrank und strich über die Umhänge, die in ihrem Schrank hingen. Sie fühlten sich unglaublich an. Einer war Innen mit Einhornfell ausgestattet, den sie mit Sicherheit niemals ragen würde – viel mehr war sie entsetzt. Nein, diesen Umhang würde sie nicht tragen!
 

Anschließend blickte Hermine über ihre Schulter, um zu sehen, was die Elfe tat, doch die schien mit sich und der Erfüllung ihrer Träume beschäftigt zu sein, indem sie Hermines Bett machte. Bei Merlin, es war der jungen Frau ein Dorn im Auge, jedoch schüttelte sie lediglich ihren Kopf, ehedem sie sich wieder den vor ihr befindlichen Kleidungsstücke zuwandte. Wie ein junges Mädchen grinste sie verschmitzt, bevor sie ihre Nasenspitze in den weichen, seidigen Stoff presste. Es glich dem Bild eines Kindes, das sich auf Weihnachten freute und artig darauf wartete, dass das Christkind die Geschenke brachte. In ihrem bisherigen Leben waren ihr noch nie solch edle Stoffe untergekommen und obzwar sie das Bedürfnis verspürte, eine der Roben anzuziehen – die wie gewobenes Wasser durch ihre Finger glitten –, verbot sich Hermine zeitgleich jenen Gedanken, angesichts des Umstandes, dass es Roben waren, die mit schmutzigen Galleonen bezahlt wurden. Hinzu kam, dass es Malfoy war, der es veranlasst hatte, ihr Kleidung zu kaufen – ein Unding. Und nachdem sie sich ausgiebig an dem Geruch erfreut hatte – und daran, es niemals zu tragen – drehte sie sich noch einmal zu Akina um, die allerdings verschwunden war...

 

Ohne sich zu verabschieden, war die Elfe gegangen.

 

„Merkwürdig.“ Hermine mochte die Elfe, aber sie war ein wenig erleichtert, dass das Geschöpft verschwunden war. So lief sie nicht Gefahr, der eigenen Lüge überführt zu werden – nämlich der, dass ihr dieses mitternachtsblaue Seidenkleid unglaublich gut gefiel.

 

 
 

~*~

 

 

Schnaubend blätterte Draco sich durch die Artikel des Tagespropheten und er bereute es tatsächlich, diesem Schundblatt so viel Aufmerksamkeit zu schenken, da jedes Blatt einer Verschwendung gleichkam. In fast jedem Artikel konnte man den Namen des Goldjungen lesen. Es genügte schon, die Zeilen zu überfliegen, da dieser schäbige Name ein jedem ins Gesicht sprang. Es war unerträglich, dass das Narbengesicht während seiner unfreiwilligen Abwesenheit in den Himmel gelobt wurde. Ja, noch immer lag Potter im Koma. Noch immer war sein Zustand unverändert und noch immer schien sich Potter nicht dazu entschlossen zu haben, endlich seine hässlich grünen Augen zu öffnen, um der Zaubererwelt entgegenzutreten und die unverdienten Lorbeeren einzusammeln. Merlin, es regte ihn tierisch auf – bis zu dem Moment, als seine Elfe unweigerlich vor seiner Nasenspitze erschien, woraufhin Draco zusammenzuckte.

 

„Merlin nochmal, Akina. Bist du übergeschnappt?“, entgegnete der Malfoy-Erbe genervt, nachdem er die Zeitung zur Seite legte und das Wesen, das auf seinem Schreibtisch gelandet war, ungeduldig musterte.

 

„Herr, bitte... bitte verzeiht Akinas dummes Verhalten“, wisperte sie ehrfürchtig, während gleichzeitig ihre Arme schützend über ihrem Kopf schwebten.

 

„Um Himmels Willen, nimm die Hände runter, Akina.“ Wie übel musste Lucius den Elfen mitgespielt haben, dass diese annahmen, dass der Spross des Sklaventreibers ähnlich agierte? Nie war Draco auf den Gedanken gekommen, seinen Elfen gegenüber handgreiflich zu werden. Allerdings müsste er sich wohl oder übel an den Zustand gewöhnen...

 

„Natürlich, Herr.“

 

Augenrollend lehnte Draco sich daraufhin in seinen Stuhl zurück. Parallel beobachtete er die Elfe, wie sie bibbernd den Schreibtisch hinunterkletterte, die Falten aus ihrem Bezug strich und abschließend zu ihrem Gebieter sah – ängstlich, verunsichert. „Und?“

 

„U-Und?“, stotterte Akina, woraufhin sie ihre Finger in dem mit Schmutz behafteten Bezug verhakte.

 

„Ist sie wach? Hat sie die Kleider gesehen?“ Augenblicklich war seine Neugier geweckt – war er es doch gewesen, der Akina befohlen hatte, ihm unverzüglich Rapport zu liefern, sobald Granger aufgestanden wäre. „Gefallen sie ihr?“ Zu gerne hätte er jedes noch so kleine Detail aufgesogen – angefangen bei Grangers überraschtem Gesichtsausdruck, aber das wäre womöglich zu auffällig gewesen. Ja, gewiss. Es wäre ungewöhnlich, würde sich Draco Malfoy für etwas banales wie einen Ausdruck interessieren. Noch bizarrer war der Umstand, dass... dass es Grangers Mimik wäre, für die sich Draco interessierte.

 

„Oh... Oh, offensichtlich, Herr“, entfuhr es Akina erleichtert, als ihr klar wurde, dass sie nichts zu befürchten hatte. „Die Miss ist erst aufgestanden, nachdem Akina das Mädchen geweckt hatte.“

 

„Dann gehe ich recht in der Annahme, dass das Mädchen gut geschlafen hat?“ Als würde es ihn nicht interessieren, hatte er die Frage an die Elfe gerichtet. Simultan strich sein Finger gelangweilt über das Polster der Armlehne.

 

„Oh ja, Herr. Akina musste die Miss zwei Mal begrüßen. Erst danach“, schilderte die Elfe euphorisch, „öffnete die Miss ihre Augen. Natürlich hat Akina ihr sofort die Kleidung gezeigt und -“

 

„- und was?“

 

„Sie... Sie war überrascht, aber Akina hat es trotzdem gesehen.“ Die schüchterne Elfe sah sehr wohl, dass ihr Gebieter ungeduldig wurde, weshalb sie augenblicklich fortfuhr: „Akina sah, wie die Miss ihr Gesicht in eine der Roben vergrub. Oh ja, Akina sah es genau, wenngleich die Miss dachte, Akina sähe es nicht.“

 

„Ist das so, ja?“

 

„Ja, Herr.“

 

Wie niedlich. Die mutige, tapfere Löwin versuchte sogar, ihre aufkeimende Freude vor seinen Elfen zu verbergen – um bloß nicht zugeben zu müssen, dass sie sich an den Kleidern erfreute, die der böse Draco Malfoy spendiert hatte. Es musste ihr unendlich schwer gefallen sein, ihre Freude zu verstecken und wäre sie kein niederes Schlammblut, würde Draco tatsächlich einen Gedanken daran verschwenden, wie die hübsche Granger unter ihren Klamotten aussähe. Indessen bemerkte er gar nicht, dass die Elfe – im Hinblick auf Granger – bereits weitersprach.

 

„Aber Akina denkt, dass die Miss das mitternachtsblaue Kleid tragen möchte.“

 

„Ein Kleid?“ Nun, Draco dachte, Granger würde diesen Muggelschund den üblichen Gewändern einer Hexe vorziehen, weshalb er nur wenige Einzelstücke dieser Art besorgen ließ. Gleichzeitig überlief es ihn, als er daran dachte, wie sie wohl darin aussähe. Und... natürlich machte sich auch seine pochende Mitte bemerkbar, die ebenso erpicht darauf war, Granger in den Roben und Kleidern zu sehen. Er bediente sich gerne dem Klischee, dass er schließlich auch nur ein Mann wäre, woraufhin er ganz unauffällig seine Hose richtete, ehe er den Stuhl zurückschob und aufstand – die Elfe außer Acht lassend. Zugegeben, sein Verstand verbot ihm, genau das zu tun, was er vorhatte... aber er wollte es so dringend. Er wollte unbedingt wissen, ob Granger tatsächlich eines der Kleider tragen wollte.

 

Und bevor er es sich noch anders überlegte, oder ihn letzten Endes doch der Mut verließ, verschwand er eilig. Korridor um Korridor ließ er hinter sich, Draco ignorierte die Portraits an den Wänden – mit einem klaren Ziel vor Augen. Jedoch hoffte er inständig, dass – wenn er in ihr Zimmer platzte – sie bereits angezogen war. Nackt würde er sie ungern sehen wollen – das führte gestern schon zu unschönen Gedanken. Gedanken, die er nicht noch einmal durchleben wollte, wenngleich die Versuchung enorm gestiegen war, herauszufinden wie der restliche Teil aussähe, der von ihrer Unterwäsche bedeckt gewesen war. Aber nicht heute...

 

Demgegenüber erschien auch endlich ihre Tür am Ende des Flures, die er alsbald erreichte und schwungvoll nach hinten zog – ohne sich anzukündigen. Das müsste er auch gar nicht. Schließlich war das sein Haus, doch als er sie vor dem befüllten Schrank stehen sah, wünschte er sich einen kurzen Moment, er hätte vorher angeklopft. Somit hätte sie zumindest Zeit gehabt, sich einen Bademantel überzuwerfen – den sie in diesem Augenblick sicherlich lieber getragen hätte als das mitternachtsblaue Kleid, das nun ihren Körper zierte.

 

„Grundgütiger, Malfoy!“, entkam es Hermine erschrocken, deren Arme sich schematisch nach oben vor ihre Brust gehoben hatte – als würde sie nackt vor Malfoy stehen und versuchen, alles sichtbare zu verdecken. „Du... Du hast mich erschreckt.“ Verdammt, wieso musste er ausgerechnet jetzt zu ihr kommen? Konnte er nicht noch fünfzehn Minuten warten? Bis dahin wäre Hermine längst wieder in ihre Klamotten geschlüpft. Stattdessen war er jetzt hier – sah ihr mit feixendem Blick entgegen, was die junge Hexe nur noch mehr verunsicherte.

 

Ob er darauf wartete, dass sie tot umfiel – aufgrund der verhexten Kleidung?

 

„Hab ich das?“ Oh, er hätte wirklich nicht zu ihr gehen dürfen, da seine Augen auf dem figurbetonten Kleid hafteten.

 

„Ja!“, betonte das Mädchen, deren zinnoberrotes Gesicht deutlich zu erkennen war. „Hättest du vielleicht die Güte und würdest gehen?“

 

„Ich... ähm.“ Ja, irgendetwas schlaues hätte er sagen sollen. Allerdings war das gar nicht so einfach, wenn man sich in einer Situation ertappte, in der man zuvor noch nie war. Schon gar nicht, wenn Granger der Grund für seine Unbeholfenheit war. Aber verflucht, sie sah immer noch so gut aus. Anscheinend konnte dieses Weibsbild nichts entstellen – das Kleid war bloß ein weiterer Bonus, der ihre Figur hervorhob. Etwas, das nicht gut war.

 

Scheiße!“, warf Dracos Stimme im Anschluss mahnend ein. „Malfoy, du Idiot, sag etwas. Bitte mach endlich dein Maul auf“, brüllte die Stimme weiterhin.

 

Folglich räusperte sich der junge Mann, um zumindest etwas selbstsicherer aufzutreten. „Wie ich sehe, gefallen dir die Kleider?“

 

Gut gerettet, Blödmann.“

 

Der Malfoy-Erbe hatte sich überhaupt nicht gut retten können, denn Granger warf ihm einen skeptischen, nicht gerade vertrauenswürdigen Blick zu. Ein Grund mehr, seiner Stimme mehr Autorität zu verleihen, indem er das Mädchen, das ihm mürrisch gegenüberstand, lasziv angrinste und einen Schritt nach vorne wagte.

 

„Überhaupt nicht“, bemerkte Hermine – die Arme nach wie vor verschränkt. „Sie gefallen mir nicht und jetzt verschwinde.“ Sie würde sich nicht kleiner machen als sie war und vor diesem Krösus würde sie sich gewiss nicht zum Wurm machen, nur weil er die in dieser ungünstigen Situation erwischt hatte. Auch müsste sie ihm keine Rechenschaft ablegen, geschweige denn zurückweichen, weshalb sie ihm auch tapfer entgegensah, nachdem er vor ihr stehen geblieben war. Allerdings gab es da noch dieses kleine aber... Denn mit jedem Schritt war ihre neu gewonnene Tapferkeit davon geschwommen – ähnlich wie ihre Selbstsicherheit, die auf einem Floß davon segelte und Hermine aus der Ferne hämisch zuwinkte.

 

„Ich bleibe.“

 

„Malfoy, raus!“ Ihn weiter ansehen wollte sie nicht. Aus diesem Grund drehte Hermine auch ihren Kopf zur Seite, um die Ländereien anzusehen.

 

„In meinem Haus“, murrte Draco daraufhin, „darf ich mich aufhalten, wo immer ich will, kapiert?“

 

„Pah“, schnaubte sie verächtlich, ohne ihn anzusehen. Hermine wusste, dass er ihre Abneigung heraushören konnte. „Was soll das? Du willst doch gar nicht hier sein.“

 

„Wer sagt dir das?“, entgegnete er amüsiert.

 

„Weil ich dich kenne“, antwortete sie, während sie sich betrübt eine ihrer Strähnen hinter ihr Ohr kämmte. Merlin nochmal, wieso schaffte es dieser Idiot auch immer wieder, Hermine buchstäblich in die Enge zu treiben? Sie fühlte sich wie das Kaninchen vor der Schlange – im wahrsten Sinne des Wortes, denn der Mann vor ihr war eine perfide, durchtriebene Schlange, die konsequent ihr Ziel verfolgte. So lange, bis die Beute wehrlos am Boden lag. „Ich... Ich weiß, wer und was du bist“, ächzte sie abschließend und konnte erneut die Wand spüren, mit der ihr Rücken abermals kollidierte.

 

„Du kennst mich?“ Wenn Granger wüsste, wie zerstreut Draco insgeheim war, würde sie viel eher die Kontrolle über diese kontroverse Unterhaltung gewinnen, aber Lucius' Sohn war eben auch recht gut darin, wenn es darum ging, etwas wie Emotionen oder Gefühle zu verbergen.

 

„Ja, Malfoy, ich kenne dich.“

 

„Kein Stück kennst du mich.“ Indessen waren seine gehobenen Hände neben ihrem Kopf gelandet, um jegliche Fluchtmöglichkeiten aus seinen Fängen zu unterbinden. Aber anstatt sich zu beruhigen, verwirrte es Draco nur noch mehr. Die Nähe zu ihr war wie ein Gift, das sich von seinen Nerven ernähren wollte. Und wo verflucht waren ihre verdammt grässlichen Locken hin? Wann hatte sie damit angefangen, ihre Haare zu zähmen?

 

Tjaha, mein Lieber, hättest du dich eher mit Granger befasst, statt sich besinnungslos durch Hogwarts zu schlafen, wäre dir viel früher aufgefallen, dass Granger nicht mehr das Mädchen mit den schrecklichen Locken und den viel zu großen Zähnen ist“, informierte ihn seine nervige Stimme, die wieder einmal das Talent bewies, sich in den ungünstigsten Momenten bemerkbar zu machen.

 

Aber bevor Draco sich gedanklich seiner Stimme zuwenden und diese zurechtweisen konnte, wurden sowohl er, als auch Granger von einer Eule unterbrochen, deren Schnabel unaufhörlich gegen das große Fenster klopfte und um Einlass bat. Bei Merlin. Nicht nur die Stimme war quälend, nein, auch die Eule – angesichts dessen, dass Dracos Kopf Grangers Gesicht immer näher gekommen war. Jedoch sollte er für diese Unterbrechung dankbar sein, da er womöglich etwas getan hätte – gefangen in seinen Trieben –, was er am Ende noch bereut hätte. Unterdessen zog er sich zurück und näherte sich dem Fenster, wovor die ältere, zerzauste Eule saß, die sich – nachdem das Fenster geöffnet wurde – blitzschnell auf dem Stuhl niederließ und erschöpft nach Luft japste. Gleichwohl schien sie auch darauf zu hoffen, dass sie reichlich belohnt werden würde, weil sie den Brief erfolgreich zugestellt hatte.

 

Hermine hingegen nutzte seine Unaufmerksamkeit. Auch sie entfernte sich von der Wand und ging zu der zierlichen Eule. „Pig, du armes Ding.“ Sie hatte keine Eulenkekse, aber sie würde – sobald Malfoy das Zimmer verlassen hatte – eine Schüssel mit Wasser auftreiben. Ferner band sie Pigwidgeon vorsichtig den Brief von ihrem Bein, entfaltete das Pergament und las. Inständig hoffte sie, erfreuliche Nachrichten zu hören, doch wurde ihre Hoffnung im Keim erstickt.

 

Hermine,

 

was willst du mir mit deinem Brief eigentlich sagen? Wolltest du dir einen bitterbösen Scherz mit mir erlauben oder wieso schreibst du mir, dass du bei Malfoy bist? Das ist doch ein Scherz gewesen, oder? Und wenn das kein Spaß gewesen sein sollte, dann werde ich alles erdenkliche tun, um dich nach Hause zu holen.

 

Was mich zu meiner nächsten Frage bringt: Was fällt diesem Wichser überhaupt ein, dich auf Malfoy Manor gefangen zu halten?

 

Hermine musste den Satz zwei Mal lesen, um sich zu vergewissern, dass Ron – ihr bester Freund Ron, dessen Mutter Molly Weasley peinlichst darauf achtete, dass ihre Kinder einen anständigen Jargon an den Tag legten – tatsächlich Wichser geschrieben hatte. Dass er dazu aus ihren spärlichen Worten herauslesen konnte, dass sie Malfoys Gefangene war... Das... Das erleichterte Hermine. So müsste sie es nicht mehr explizit im nachfolgenden Brief erwähnen.

 

Bitte schreib mir, was zu dieser Katastrophe geführt hat, Hermine. Zusammen werden wir das lösen können – wenn auch über Umwege, aber wir werden eine Lösung finden. Nach dem Erhalt deines Briefes habe ich natürlich mit meinem Vater gesprochen, doch der erwähnte lediglich, dass Malfoys Vorgang rechtens wäre – angesichts des Malfoys-Vermögen und der daraus resultierenden Gefahr, dass sich jemand ungefragt Zutritt zu seinem Anwesen verschaffen könnte. Aber mal ehrlich, Hermine: Wer will schon nach Malfoy Manor? Und das auch noch freiwillig?

 

Jedenfalls erklärte mir Dad, ähnlich wie du, dass ich Malfoys Erlaubnis bräuchte. Ist das zu fassen?

 

Hermine konnte sich Ronalds puterrotes Gesicht bildlich vorstellen, während er den Brief geschrieben hatte. Merlin, er war sicher unfassbar wütend gewesen. Hinzu kam die Frage, ob das gesamte Ministerium darüber informiert war, dass sie hier war – als Malfoys Gefangene. Ja, vermutlich war dem so. Schließlich war der blonde Idiot doch dort gewesen, nicht wahr? Er hatte doch erwähnt, dass er dafür sorgen würde, dass ihr Aufenthalt rechtens wäre... Aber wenigstens konnte sich Hermine darauf verlassen, dass Ron keine Dummheiten begehen würde, denn wer wusste schon, was dieses Horror-Haus mit Ron anstellen würde, wenn dieser unüberlegt hierher käme?

 

Das wollte sich die ehemalige Gryffindor gar nicht ausmalen.

 

Versuch die Erlaubnis zu bekommen – irgendwie, Hermine. Foltere ihn meinetwegen. Du könntest ihn auch von den Türmen seines schäbigen Hauses werfen – es wäre mir recht. Und selbst wenn das nicht hilft, vergiss eines nicht, Hermine: Ich lasse dich nicht hängen.

 

Was Harry betrifft: Sein Zustand ist unverändert.

 

Oh nein... Hermine hatte es befürchtet, aber sie war verletzt, dass Ron dieses Faktum so beiläufig erwähnte. Aber er tat es, um Hermine womöglich nicht noch mehr zu belasten, anlässlich der recht bescheidenen Situation. Dennoch, sie hätte gerne gewusst, wie es mit Harry und den nachfolgenden Behandlungsmethoden weitergegangen wäre... Hinzu kam die Sorge um Harry, aber auch um Ginny, der es bestimmt elendig ging. Und Hermine? Ihr ging es genauso schlecht, aber etwas dagegen unternehmen konnte sie auch nicht. Nein, sie saß hier fest. Ihr war es nicht gegönnt, ihrer besten Freundin Trost zu spenden, sie in die Arme zu nehmen und Harry Mut zuzusprechen, dass er doch endlich aufwachen sollte. Es war ungerecht. Außerdem vermisste sie Harry...

 

Doch noch ehe sie sich weiter mit ihren Gefühlen und der Traurigkeit befassen konnte, entdeckte sie auf der Rückseite des Pergaments eines Zusatz. Einen recht eindeutigen Zusatz, der alles andere als freundlich war. Nun, sie wusste ja, wie ungern Ron Briefe schrieb, aber sie konnte sich vorstellen, welch ein Genuss es für ihren besten Freund gewesen sein musste, jene Zeilen zu schreiben

 

Und zu dir, Malfoy: Du bist eine widerwärtige Ratte. Ein elendiges Subjekt und ich warne dich. Glaub mir, ich warne dich und verspreche dir – solltest du Hermine etwas antun –, dass ich dich den Regenwürmern zum Fraß vorwerfen werde.

 

Ron Weasley.

 

„Was schreibt dein idiotischer Pantoffelheld?“, klinkte sich Draco in ihre Gedanken ein, nachdem er sah, wie sie den Brief zusammenfaltete.

 

„Das geht dich nichts an“, teilte Hermine ihm unverblümt mit. Nicht einmal sein dummes Grinsen konnte das Mädchen beunruhigen. Dank Rons Brief hatte sie neue Kraft tanken können und es tat so gut, diesen Brief erhalten zu halten, da das etwas war, was sie brauchte – Zuspruch von ihren Freunden. Und genau das tat Ron. Er gab Hermine die Hoffnung zurück, diesem Gefängnis irgendwann zu entkommen. Sie müsste bloß durchhalten. Dass ihr infolgedessen eine Träne die Wange hinunterlief, bemerkte sie gar nicht. Lediglich Malfoys genervtem, zur Seite gerichteten Blick konnte sie entnehmen, dass sie etwas tat, was ihn nun mal nervte.

 

„Das geht mich nichts an?“ Ruckartig waren seine Augen wieder auf Granger gerichtet, deren freches Mundwerk er zu gerne stopfen würden.

 

„Du hast es erfasst, Malfoy.“

 

Mit einem flinken Handgriff war es ihm gelungen, ihr den Brief aus ihrer Hand zu entreißen. „Ich denke doch, Granger. Ich will unbedingt wissen, was dein toller Ronald so geschrieben hat. Zumal es mich brennend interessiert, was er von deiner neuen Bleibe hält.“

 

„Malfoy, was soll das?“ Sie versuchte es ihm gleichzutun, streckte ihr Hand aus und wollte nach dem Pergament greifen, doch Malfoy war schneller. „Es gibt etwas, das sich Briefgeheimnis nennt.“

 

„Vielleicht in deiner Welt, was allerdings nicht in meinem Haus zählt. Hier gelten meine Regeln“, offenbarte er ihr, bevor er grinsend hinzufügte: „Außerdem scheint Weasley mich sehr zu mögen, wenn ich das richtig sehe. Immerhin erscheint mein Name gleich vier Mal in diesem stumpfsinnigen Brief.“ Um seiner anfänglich versteckten Drohung noch mehr Ausdruck zu verleihen, glitt seine freie Hand zu seiner Gürtelschnalle, in der sein Zauberstab steckte. „Und ich rate dir, meine Geduld nicht zu strapazieren, Fräulein.“

 

Anschließend überflogen seine Augen den Brief, woraufhin sein Grinsen immer breiter wurde. Ja, er hatte mit ähnlichen Worten gerechnet und steckte den Brief in seine Hosentasche. Zuvor hatte er ihn absichtlich vor ihren Augen noch zerknüllt, um ihre Wut noch ein wenig zu schüren.

 

„Malfoy, gib mir den Brief zurück.“ Auffordernd hielt sie ihm ihre Hand entgegen, doch alles was sie spürte, war die Luft, die sie umgab.

 

„Nein“, erwähnte er, während seine Finger den Brief in seiner Hosentasche weiter bearbeiteten. „Schreib deinem Idioten lieber, dass er meine Erlaubnis nicht bekommen wird. Und dieses Mal so, dass er es versteht, sonst werde ich ihm schreiben und das willst du doch vermeiden, oder?“ War Weasley wirklich davon überzeugt gewesen, dass er die Erlaubnis bekäme? Wie naiv. „Und bevor ich es vergesse: Ich bin kein Wichser, klar? Weasley soll nicht von sich auf andere schließen.“

 

Dieses Aas. Er schaffte es, Ron zu beleidigen, ohne überhaupt ein Schimpfwort in den Mund zu legen. Dieses Talent gehörte alleine Malfoy. „Das werde ich ihm bestimmt nicht schreiben.“

 

„Dann nicht. Aber erklär deinem Helden – da er anscheinend wirklich so dumm ist, wie er aussieht –, dass, selbst wenn er die Erlaubnis von mir bekäme, du Malfoy Manor nicht verlassen kannst. Selbst wenn ich ihm weitere tausend Mal die Erlaubnis gäbe, er könnte dich nicht mitnehmen.“
 

„Was?“ Hermine war indes kalkweiß geworden.

 

„Richtig gehört. Solange du“, betonte Draco und zeigte auf sein Gegenüber, „nicht explizit die Erlaubnis von mir erhältst, Malfoy Manor verlassen zu dürfen, wirst du keinen Fuß von meinen Ländereien setzen können. Ich dachte“, fuhr er langsam fort, „sein Vater wüsste das, aber scheinbar sind in dieser Familie alle etwas... nun, sagen wir beschränkt“, endete er vergnügt.

 

„Im Gegensatz zu dir“, holte Hermine zum verbalen Gegenschlag aus, „sind die Weasleys freundlich. Sie sind hilfsbereit und lieb – nicht so borniert und herablassend wie du.“

 

„Soll mich das etwa treffen, Granger? Es tut mir ja nicht sonderlich leid, dir das sagen zu müssen, aber etwas anderes als nett zu sein, können die Weasleys auch nicht – sie besitzen nämlich nichts. Weder Galleonen, noch Stolz.“

 

„Doch, Malfoy. Doch“, beharrte die junge Hexe. „Die Weasleys besitzen ein Herz. Etwas, das dir gänzlich fehlt.“

 

„Wie rührend.“ Sie wertschätzte diese erbärmliche Familie, weil sie ein Herz besaßen? „Aber ich sage dir was, Granger. Anatomisch gesehen besitze ich auch ein Herz und trotzdem denkst du, ich bin ein kaltes, herzloses Monster, weil ich andere Ideale schätze als du.“

 

„Andere Ideale? Du meinst wohl die falschen Ideale.“

 

„Sei es drum. Es soll mir recht sein, dass du das in mir siehst, denn ich würde es gar nicht begrüßen, wenn du etwas anderes als den bösen Malfoy in mir sehen würdest.“ Das wollte er wirklich nicht. Sie sollte nicht auf den Gedanken kommen, etwas in ihm zu sehen, das augenscheinlich nicht vorhanden war. Niemals würde er so werden wie Potter. Niemals. Alleine der Gedanke an Potter genügte, um in Draco Brechreiz hervorzurufen.

 

„Ha, mach dir darüber keine Sorgen, Malfoy. Ich käme nicht auf die Idee, etwas anderes in dir zu sehen, als das, was ich bisher von dir kenne.“ Gleichzeitig vollführte sie eine wegwerfende Handbewegung. Mittlerweile war sie einfach nur noch von ihm genervt – auch, weil sie vor ihm stand. In einem Kleid, das er gekauft hatte. „Würdest du nun die Freundlichkeit besitzen und gehen? Ich würde mir nämlich gerne wieder meine Klamotten anziehen.“

 

Oh nein“, rief die leise Stimme, die Granger nicht hören konnte. „Ich würde gerne hier bleiben und dir dabei zusehen.“

 

Glücklicherweise verließen Dracos Mund aber andere Worte: „Du bist eine dumme, naive Weltverbesserin, Granger. Aber es beruhigt mich, dass ich nie in den Genuss kommen werde, diese ätzende Eigenschaft kennenzulernen, da ich ja das Arschloch bin, nicht? Irgendjemand muss ja immer der Böse sein.“

 

„Auf Nimmerwiedersehen.“

 

„Schön, sei weiterhin ein stures Miststück, das sich nicht einmal für eine nette Geste bedanken kann.“

 

„Mich bedanken? Malfoy, du bist doch gar nicht in der Lage, jemandem eine Freude zu machen“, erwiderte sie verlegen, da sie insgeheim doch dankbar war, mal etwas anderes zu tragen – vor allem frische Unterwäsche.

 

„Na dann“, fauchte Draco ungehalten, der sich prompt umdrehte und das Zimmer verließ.

Unfreiwillige Zusammenkunft

- Kapitel elf -

 

 

Seit nun mehr als vier Tagen ging der Herr des Hauses seiner Gefangenen aus dem Weg – ob er diesen Schritt aufgrund heimlicher Schadensbegrenzung ging oder weil er sich selbst nicht über den Weg traute, vermochte Draco nicht zu sagen. Fakt war lediglich, dass er sie weder hören, noch sehen wollte, wenngleich er sich den abnormalen Drang angewöhnt hatte, nachts durch das Anwesen zu schleichen, um vor Grangers Zimmertür sicherzustellen, dass im Innern alles in Ordnung war. Er lauschte bloß und verbot sich selbst, das Zimmer nochmals zu betreten. Nicht noch einmal wollte er sie in Unterwäsche vorfinden, bevor er sich selbst zwingen musste, den Blick von ihrem recht ansehnlichen Körper abzuwenden. Aufgrund dessen beschloss der Malfoy-Erbe zukünftig nur festzustellen, ob sie unruhig schlief oder sich womöglich in den Schlaf weinte, doch nichts dergleichen war zu hören. Allem Anschein nach schien das Mädchen einen ruhigen Schlaf zu haben – im Gegensatz zu ihm selbst. Denn während Draco sich in den Schlaf quälen musste, weil ihn die toten Gesichter des Krieges verfolgten, war sie es, die Draco im Traum zusätzlich verfolgte. Merlin nochmal, war das zu fassen? Ein Schlammblut, das ihn gar nicht interessieren durfte, hatte es geschafft, ihn im Traum aufzusuchen. Ein Umstand, der ihm extrem gefährlich werden konnte, da auch seine Mutter nächste Woche zu Besuch käme.

 

Was sie wohl zu dem neuen Gast sagen würde? Erfreut wäre sie sicherlich nicht, zumal Granger hier nicht freiwillig lebte, sondern anlässlich eines makaberen, unschönen Abkommens. Narzissa würde nach einer Erklärung verlangen, die Draco ihr nicht liefern könnte. Wie auch? Sollte er seiner Mutter erzählen, dass er sich in Grangers Gesellschaft wohl fühlte? Mitnichten. Narzissa würde es niemals verstehen. Zwar hatte er seine Mutter über den jetzigen Zustand mittels einer Eule aufgeklärt, doch war Narzissa Malfoy immer noch eine geborene Black. Eine Frau, die jene negativen Facetten perfekt verbergen konnte. Erst wenn sie vor ihrem Sohn stünde, kämen die wahren Charaktereigenschaften aus ihr heraus – das war immer so. Immer dann, wenn seine Mutter sich unbeobachtet fühlte, konnte sie nicht länger den Schein wahren.

 

Gott, seine Mutter war wie Granger, was das betraf. Auch die nervige Gryffindor konnte ihre Eigenschaften – wie ihren schönen Körper – immerzu verstecken.

 

Frauen! Sie waren allesamt Biester. Berechenbarer als Männer. Herzloser und kälter als jeder Stein. Zumindest waren das die Frauen, mit denen Draco verkehrte – leicht bekleidete Damen, nichts verpflichtendes oder verbindliches. Es waren schnelle Nummern, die ihn an nichts banden und es erschreckte ihn noch immer, wie kalt Frauen sein konnten. War er es doch gewohnt, nach außen hin kühl und distanziert zu wirken.

 

Und anstatt sich mit diesen Gedanken weiterhin seelisch selbst auf den Wecker zu gehen, sollte er sein Frühstück beenden und keinen weiteren Blick in den Tagespropheten werfen, der aufgeschlagen neben seinem Teller lag. Schließlich beherrschte noch immer der komatöse Potter die Schlagzeilen. Ein Mann, der sich gegen keines der Worte wehren oder verteidigen konnte, war nach wie vor Thema Nummer eins. Es würde sich vermutlich auch nicht so schnell ändern. Schon gar nicht, so lange er noch im Koma lag. Ja, es gab scheinbar nichts spannenderes, als um den Helden zu trauern oder zu beten, in der Hoffnung, er würde endlich erwachen.
 

Wie würde die Presse ausrasten, wenn das Narbengesicht aufwachte?

 

Tze, es war immer lächerlicher geworden. Zu Anfang war er überrascht, dass sowohl Granger, als auch Weasley nur beiläufig erwähnt wurden. Und nun? Nun las man nirgends mehr ihre Namen. Draco wunderte sich, dass nicht einmal erwähnt wurde, dass Granger für etwaige Interviews nichts zu erreichen war, aber da hatte vermutlich das Ministerium seine Finger im Spiel, die nach wie vor die Hand über den Tagespropheten hielten.

 

Deute ich das gerade richtig?“, meldete sich Dracos freudige Stimme zu früher Stunde. „Nimmst du gerade das Mädchen in Schutz, das du gar nicht leiden kannst?“

 

„Nein, verdammt. Das tue ich nicht.“ Draco schäumte vor Wut, weil er schon wieder an sie dachte – gleichzeitig hoffte er, dass das nicht nur Routine wurde. Dass er ihren brillanten Kopf hervorhob und ihre Intelligenz lobte, war das Eine. Dass er jedoch permanent mit ihrer Statur konfrontiert wurde, war das Andere – etwas, das seine Ideologie missbilligte. Granger war in seinen Augen doch sowieso nichts weiter, als ein Nichts. Ein wertloser Mensch, dessen Daseinsberechtigung nur galt, weil niemand etwas gegen unreines Blut unternahm.

 

Wenn ich etwas dazu sagen darf, dann -“

 

„Nein, du darfst nichts dazu sagen, Herr Gott nochmal“, knurrte Draco die innere Stimme leise an.

 

Davon ließ sich die unsichtbare Stimme allerdings nicht abhalten. Sie sprach fröhlich quiekend weiter: „Ich denke, dass du sie gut leiden kannst. Und das, Draco, ist noch harmlos ausgedrückt, weil ich die offensichtliche Wahrheit noch nicht aussprechen möchte.“

 

„Was für eine Wahrheit?“

 

Du willst sie hören?“, wollte sie lauernd wissen. „Nun, dass du das Schlammblut gerne -“

 

„Stopp!“ Er würde sich von dieser penetranten Stimme nicht vorwerfen lassen, dass er Granger gerne... näher kommen würde. Es entsprach nämlich nicht der Wahrheit. Einen letzten Ausweg, diesem desaströsen Gespräch zu entkommen, sah der junge Malfoy darin, sich zu erheben und Ablenkung zu suchen, in Form weniger Schritte zum bodenlangen Fenster. Aber auch das schien ein Fehler gewesen zu sein, denn wie der Zufall es so wollte, entdeckte er augenblicklich sie – Granger. Umsichtig tapste sie durch das Gras – ihr Kopf immer in Bewegung; scheinbar auf der Suche nach etwaigen Gefahren, die auf Malfoy Manor lauerten.

 

Toll, er wollte sich ablenken und dann lief sie ausgerechnet vor seiner Nase herum. Sie trug eine der verwaschenen Jeans, die er gekauft hatte und mit Bedauern musste Draco erkennen, dass ihr die Kleidung gut stand. Sie sah wirklich gut darin aus. Frauenbekleidung hatte den Nachteil, dass sie die richtigen Stellen hervorhoben. Die enge Jeans brachte ihre langen Beine wundervoll zur Geltung.

 

Ob er sich auch mal eine Jeans kaufen sollte? Natürlich nur um zu sehen, wie er darin aussah, da er lediglich Stoffhosen trug – einfach, weil diese ein eleganteres, mondänes Abbild gaben. Aber er könnte womöglich auch einen Kartoffelsack anziehen; entstellen würde es ihn jedenfalls nicht. Was nicht an Arroganz grenzte. Nein. Draco hatte sich mit den Jahren an sein eigentlich gutes Aussehen gewöhnt. Es gehörte einfach zu ihm.

 

Unterdessen schweifte sein Blick wieder nach draußen – zu Granger, die sich vorsichtig den Stallungen näherte. Gleichzeitig fragte er sich, was sie wohl jetzt wieder machen wollte?

 

Du wirst es nur erfahren, wenn du nach draußen gehst und nachfragst. Immerhin hast du ihr erlaubt, sich frei zu bewegen, oder?“

 

„Schnauze, du bescheuertes Etwas. Das weiß ich selbst.“

 

 

 
 

~*~
 

Hermine fiel auf, dass Malfoy sich ihr nicht mehr näherte. Auf der einen Seite war das perfekt, auf der anderen Seite fehlten ihr die Sticheleien zwischen ihnen. Immerhin war er die einzige Gesellschaft, die sie hier hatte – umso trauriger, dass sie seine Nähe anstatt der anhaltenden Stille durch sein Fernbleiben bevorzugte. So weit war sie bereits gesunken... Allerdings gab es noch die Elfen. Sie mochte jeden einzelnen. Sogar Brisko, und das, obwohl er sie an Malfoy verraten hatte. Aber sie verstand auch diesen Zwiespalt. Natürlich hielt er zu seinem Herren. Aber Malfoy war mit ihr intellektuell gesehen auf einer Stufe. Mit Malfoy hätte sie interessante und beachtenswerte Gespräche führen können - sofern er bereit gewesen wäre, sich vernünftig mit ihr zu unterhalten, aber das lag wohl in weiter Ferne.
 

Demgegenüber wollte sie jedoch wissen, was sich auf den Ländereien so versteckte. Welche Wesen, abgesehen von den Pfauen, hier noch beheimatet waren. Schließlich gehörten die Malfoys zu einer sehr alten, sehr mächtigen Zaubererfamilie, die es sich mit Verlaub nicht nehmen ließ, zu zeigen, wie machtvoll ihre heutige Position war. Mit Sicherheit gab es hier Geheimnisse, die entschlüsselt werde wollten. Hinzu kam, dass sie sich auch den Stallungen nähern durfte – Malfoy hatte es gleich am ersten Tag erwähnt... Dass sie sich frei bewegen durfte; abgesehen vom Westflügel...
 

Dieser mysteriöse Westflügel. Unbedingt wollte Hermine diesem Geheimnis auf den Grund gehen, weil sie von Natur aus eine neugierige Person war. Aber wer wäre nicht neugierig geworden? Immerhin steigerte etwas verbotenes den Reiz, oder? Etwas, das man nicht durfte, schrie praktisch danach, ergründet zu werden. Aber nicht heute. Hermine wollte nicht noch einmal Malfoys Unmut auf sich ziehen, weshalb sie sich entschied, sich heute die umliegenden Stallungen anzusehen. Ebenso seine Ländereien, die gigantisch groß waren. Darüber hinaus wusste die wissbegierige Hexe aber auch, dass hier draußen Gefahren auf sie warteten – wie jene Grenze, die Malfoy gezogen hatte, ohne zu wissen, was passierte, wenn man sich dieser näherte. Hier draußen konnte man sie jedoch nicht erkennen. Es war eine transparente Schichte – schwer zu erkennen. Womöglich wusste nicht einmal der Hausherr, wie weit er sie gezogen hatte. Zuzutrauen wäre es ihm jedenfalls... Ja, Hermine wusste nicht, wie weit sie gehen müsste, um an die Grenze der Ländereien zu kommen. Nichtsdestotrotz erinnerte sie sich an einen Artikel der Hexenwoche, den sie im zweiten Schuljahr zufällig gelesen hatte, weil einer der Schüler die Zeitung aufgeschlagen im Gemeinschaftsraum vergessen hatte – dort stand geschrieben, dass der malfoy'sche Garten zum schönsten der Zauberergemeinde Großbritanniens gekürt wurde.
 

Ein Zustand, der sich bis heute nicht geändert hatte. Überall waren Rosenbeete hochgezüchtet worden – fein säuberlich gehegt und gepflegt. Währenddessen kam sie der braun gestrichenen Fassade näher. Durch die großen runden, farbenprächtigen Kristallfenster schien bestimmt das Sonnenlicht hindurch, welches dem Inneren einen besonderen Charme verlieh. Selbst hier konnte Hermine den Wert der Extravaganz spüren, den die Malfoys herauskristallisieren wollten und trotz ihrer Skrupel – weil sie niemals diese Eleganz besäße – legte sie ihre Hand vorsichtig gegen das Holztor, das sich nach innen aufschieben ließ, ehedem sie herum lugte und etliche Boxen erkannte.

 

„Bei Merlin“, flüsterte Hermine in ihre hervorgehobene Hand, bevor sie an eine der Boxen herantrat und einen prächtigen Schimmel hinter dem Gatter entdeckte. Daneben erspähten ihre müden Augen einen pechschwarzen Hengst, dessen Mähne weit über sein langgezogenes Gesicht reichte – das Schnaufen unschwer zu hören. Dieses Pferd wirkte angesichts seiner Statur und der Farbe furchteinflössend. Dennoch war sie fasziniert von den Tieren, entschied sich jedoch, nur dem Schimmel – der an das Gatter herangetreten war – feinfühlig über seine vibrierenden Nüster zu streicheln, woraufhin das Pferd vertrauenswürdig seinen Kopf entgegenstreckte. „Du bist ja ein hübsches Tier“, wisperte Hermine, bevor sie ihre Stirn gegen die weichen Nüster drückte und weiterhin den Kopf des Pferdes streichelte.

 

„Lucius“, begann Draco und genoss es mit einem schelmischen Grinsen sichtlich, dass das Mädchen erschrak, „hatte schon immer großen Wert auf prachtvolle Pferde gelegt.“

 

„Malfoy, du... du hast mich erschreckt.“ Noch ehe Hermine zu Ende sprach, hatte ihr Körper sich eigenständig herumgedreht und ihrem Rücken gegen das schwere Holz gepresst. „Ich dachte, ich... ich wäre alleine“, rechtfertigte sie sich, da es ihr vorkam, als würde er sie mit seinen grauen Augen durchbohren wollen. Verärgert sah er allerdings nicht aus – viel mehr interessiert daran, was sie wohl hier trieb. Aber wieso erwischte dieser Mensch sie immer in Situationen, in denen sie sich unbeobachtet fühlte? Zumal er ihr seit mehreren Tagen aus dem Weg ging, was Hermine nur recht war. So lief sie nicht Gefahr, ihn abermals zu verärgern.

 

„Schlechtes Gewissen, Granger?“

 

„Nein“, entfuhr es ihr hektisch. Was veranlasste ihn bloß, hierherzukommen? Sie war doch noch gar nicht so weit, dass sie sich gegen ihn gewappnet fühlte. „Aber man erschrickt sich eben, wenn jemand unverhofft von hinten kommt.“

 

„Von hinten?“ Draco wusste nicht, ob sie ihre zweideutige Anspielung – die sie gewiss nicht so gemeint hatte – verstand, aber er war immer noch ein Mann, der auf den Zug aufsprang und gerne seine zweideutigen Spielchen trieb. „Klingt ja spannend.“

 

„Was?“

 

Gut, sie verstand es offenbar nicht. „Ach, gar nichts.“ Stattdessen kam er dem Mädchen näher, das sich offenkundig in seiner Umgebung nicht so wohlfühlte, wie er sich in ihrer Gegenwart. Es war nicht von der Hand zu weisen, da Granger einen Schritt zur Seite gegangen war, was Draco nicht abhielt, ihr näherzukommen. Gleichgültig hatte er sich neben sie gestellt, die Hand gegen das Gatter des schwarzen Pferdes gelegt. „Gefällt dir der Schimmel?“, wollte er wissen, ohne Granger aus den Augen zu lassen.

 

Erwartete er tatsächlich eine Antwort? „Ja, er sieht wirklich schön aus.“

 

Schmunzelnd sah Draco in die schwarzen Augen des ihm gegenüber befindlichen Pferdes. „Das ist meiner“, fügte er blasiert hinzu, während seine Hand behutsam durch die lange schwarze Mähne des Mustangs fuhr. „Bisschen wild, im Herzen jedoch ein stattliches, mutiges Pferd. Nicht wahr, La Coste?“ Unzählige Stunden hatte Draco als kleiner Junge damit zubringen müssen, das Pferd reiten zu lehren. Bei Merlin, und wie oft hatte La Coste ihn schon abgeworfen? Draco konnte es gar nicht zählen.

 

„La Coste?“, wiederholte sie kichernd und mit erhobenen Augenbrauen.

 

„Was?“, brummte er mit zusammengekniffenen Augen – wie in Hogwarts; bissig und angriffslustig.

 

„Ähm... nichts. Aber wusstest du, dass ein französisches Modelabel der Muggel den Namen Lacoste trägt?“, erklärte sie ihm bereitwillig und Hermine tat es vermutlich ganz unbewusst, aber sie lächelte ihn aufrichtig an – ohne jegliche Anzüglichkeit oder den Hauch von Sarkasmus. Nein, es war offen und ehrlich gemeint.

 

Verwirrt darüber, dass sie ihn so herzlich anlächelte und er derjenige war, der sie immer noch böse ansah – so dass selbst Blaise schreiend davongelaufen wäre -, schüttelte er seinen Kopf und sah wieder zu seinem Pferd. Grundgütiger, ihr Lächeln war fast ansteckend und... und schön. „Meinetwegen“, entgegnete er daraufhin kühl, weil er sein Gesicht nicht verlieren durfte, indem er ihr Lächeln erwidern würde. Nein, bloß nicht ihr Lächeln erwidern. Außerdem war ihm ihr Hinweis mit dieser seltsamen Modemarke egal und doch störte er sich minimal daran, dass sie sein Pferd mit einer Kleidermarke der Muggel verglich.

 

Ferner verstrichen die Minuten, in denen die beiden unterschiedlichen Magier abseits voneinander standen, bis Hermine sich durchrang und ihn unverfroren fragte: „Darf ich den Schimmel reiten?“

 

Diese Frage entlockte es ihm wieder – sein niederträchtiges Grinsen. „Kannst du denn reiten?“ Und es war wieder eine so herrlich sexuelle Anspielung, die Draco gerne weiter verfolgt hätte. Er besann sich jedoch und konzentrierte sich auf das Wesentliche.

 

„Ich würde nicht fragen, wenn ich es nicht könnte, Malfoy“, antwortete sie pikiert.

 

„Ich weiß ja auch nicht“, erwiderte er schulterzuckend. „Vielleicht möchtest du auch einfach nur, dass ich dir dabei behilflich bin?“ Ok, er konnte sich doch nicht zurückhalten... Er antwortete ihr zweideutig und man konnte die Frage nun interpretieren, wie man wollte. Entweder in die Richtung, dass er ihr beim Aufsteigen half und sich vielleicht vor sie setzte, damit womöglich heraufbeschwor, dass sie sich an ihm festhielt oder aber... dass sie auf ihm saß und -

 

Nein, Schluss. Genug von diesen Gedanken. Waren sie doch nur wieder Futter für seine innere, nervige Stimme, die ihm jene Gedanken irgendwann vorwerfen würde.

 

„Ich verzichte auf deine Hilfe.“

 

„Dann nicht.“ Wie sie vor der Box stand – jederzeit bereit, sich verbal mit ihm zu messen. Granger war nicht nur eine Weltverbesserin. Nein. Sie war scheinbar auch eine unbeugsame Tierliebhaberin. Es wäre aber auch verwunderlich gewesen, wenn sie keine Tierschützerin wäre. Schließlich kämpfte sie schon immer erfolglos für die Rechte magischer Geschöpfe. Und was tat Draco? Seinen Trieben nachgeben, indem er ihr wie ein pubertierender Teenager nachgelaufen war. Und wofür? Um sich von ihr blöd anmachen zu lassen. Und er hasste seine nachfolgenden Gedanken: Granger hatte recht – er war einfach nur erbärmlich.

 

Folglich stieß er sich von der Box ab und marschierte zum Ausgang. Sollte sie doch selbst zusehen, wo der Sattel und der restliche Quatsch lag. Zu seinem Leidwesen waren seine Elfen jedoch so gedrillt worden, dass sie jedes Mal wenn er von einem seiner Ausritte zurückgekommen war, Zaumzeug und Sattel ordentlich in den dafür vorgesehen Schrank einräumten, so dass es Granger nicht schwerfallen würde, die Reitutensilien zu finden.

 

Und bevor er den Ausgang passierte, drehte er sich noch einmal um. „Granger“, eröffnete er die nächste Runde zwischen ihnen, „pass auf, dass du der Grenze nicht zu Nahe kommst.“

 

„Wie meinst du das?“, entkam es ihr skeptisch.

 

„Man“, ertönte seine tiefe, genervte Stimme, während seine Hand nach oben flog. „Keine Ahnung! Ich weiß nicht, was das Haus macht, wenn du dich der Grenze näherst, klar?“ Seine Tonlage war mit jedem weiteren Wort höher geklettert, bis er schlussendlich in ihre Richtung brüllte. Aber es hatte nicht den gewünschten Effekt erzielt. Noch immer stand die ehemalige Gryffindor vor dem Gatter – ihre traurigen Augen auf seinem Gesicht haftend.

 

„Verstehe ich das richtig?“

 

„Was genau, Prinzessin?“, spottete Draco, weil er wieder keinen anderen Ausweg sah, als sich dem Mittel des Hohns zu bedienen.

 

„Du sprichst eine Formel aus, ohne zu wissen, was sie bezweckt?“ Im Hinblick auf seine zusätzliche Beleidigung, rollte Hermine bloß genervt mit ihren Augen. „Das... ist fahrlässig, Malfoy!“

 

„Ganz genau, Granger. Genau das tue ich: eine Formel über mein Eigentum legen, um es vor kleinen flüchtigen Gryffindors zu schützen, die freiwillig den Platz ihres diebischen Vaters eingenommen haben.“ Draco wurde immer wütender, nachdem sie seine Fähigkeiten in Frage gestellt hatte. Merlin nochmal, wieso stellte sie ihn auch hin, als wäre er der Idiot? Er hatte es sich bestimmt nicht gewünscht, auf seinen Ländereien auf ihren Vater zu treffen. Verdammt.

 

Gekränkt von seinen Worten, drehte sich Hermine zu dem Schimmel um – ihre Augen fest zusammengedrückt, aus denen sich vor wenigen Sekunden noch dicke Tränen heraus zwängen wollten. Es war unfair, dass er ihr das Verhalten ihres Vaters – der nichts Böses im Sinn hatte – weiterhin vorwarf. Hinzu kam, dass das Haus sie tatsächlich angreifen würde, sobald sie den Versuch unternahm, von hier abzuhauen. Dass... Dass Ron ebenfalls etwas passieren könnte, wenn er unerlaubt Malfoys Grund und Boden betrat, war eine zuzügliche Belastung auf ihren Schultern. Hermine musste unbedingt dafür sorgen, dass Ron nichts unternahm.

 

Sie glaubte nämlich nicht, dass Arthurs Worte eindringlich genug waren. Schließlich hatte Rons Vater etwas ähnliches gesagt: Dass Ron erst Malfoys Erlaubnis bräuchte, um Malfoy Manor unbeschadet betreten zu können. Merlin, wie sollte sie jemals die Erlaubnis bekommen, um wenigstens ihre Freunde sehen zu können? Hermine wurde deutlich vor Augen geführt, dass sie weder Ginny, noch Ron jemals wieder sehen würde. Und Harry auch nicht mehr... Ein Umstand, der an ihrem Nervenkostüm zerrte.

 

Nachdem sie sich anschließend vergewisserte hatte, dass Malfoy verschwunden war, ging sie zu den Schränken, woraus sie schlussendlich Sattel, Trense und eine Decke entnahm. Folglich führte sie den Schimmel aus der Box, band ihn fest und legte ihm die Trense an. Infolgedessen sattelte sie vorsichtig das Pferd, doch bevor sie es bestieg, hielt sie inne und schnaufte. Hermine war unendlich traurig, dass sie fortan mit Pferden, Elfen und Pfauen sprechen müsste, um der Einsamkeit zu entkommen. Hinzu kam ihre Lüge: denn reiten konnte Hermine nicht – jedenfalls nicht perfekt, aber sie wollte sich einfach nicht die Blöße vor Malfoy geben und außerdem war der Schimmel ruhig, was ihr das Reiten hoffentlich erleichtern würde. Hilflos steckte sie – nachdem sie sich endlich gefangen hatte – ihren Fuß in einen der Steigbügel, umfasste wacker den Sattel und war davor, sich auf den Rücken des Tieres zu ziehen.

 

Bis hierhin klappte auch alles, doch plötzlich schien das Pferd das Bedürfnis zu verspüren, sich bewegen zu müssen. Eine einzige Bewegung hatte ausgereicht, um Hermine den Boden unter den Füßen zu entreißen. Sie verlor den Halt und stürzte zu Boden.

 

„Mist“, schimpfte die ehemalige Gryffindor von Schmerzen geplagt, die jedoch nicht lange anhielten – zum Glück. Nach wenigstens Minuten konnte Hermine wieder stehen und griff fester nach der Zügel. „Himmel nochmal, bitte tu das nicht wieder, ja?“, flüsterte sie in das Gesicht des Tieres, in dessen Augen sie eine Gestalt im Hintergrund ausmachen konnte.

 

Oh nein... Hatte er etwa -

 

„Granger“, ertönte im selben Augenblick auch schon seine gehässige Stimme, „du steigst -“

 

„Ich will es gar nicht hören, Malfoy.“ Verflucht. Hatte sie sich nicht eben noch vergewissert, dass er gegangen war? Doch, das hatte sie, aber wieso wunderte sie sich überhaupt noch? Malfoy besaß eben das Talent, Hermine in peinlichen Situationen zu erwischen. Daran sollte sie sich vielleicht gewöhnen? „Hättest du demzufolge die Güte, und würdest einfach nur still sein?“ Ob dieser Mistkerl apparieren konnte? Höchstwahrscheinlich. Immerhin konnte Dumbledore – trotz des Apparier-Schutzes – zu Lebzeiten in Hogwarts apparieren.

 

Unbeeindruckt von ihrer Wut, kam Draco mit verschränkten Armen näher. „Man steigt von links auf“, erklärte er ungeniert – ihre Aufforderung, endlich ruhig zu sein ignorierend.

 

Wieder stand Hermine in ihrer Anfangspostion – vor dem Sattel, die Hände oberhalb des edlen Leders. Sie wollte ihn nicht ansehen. Nicht jetzt, nachdem sie vom Pferd gefallen war. Aber nicht einmal das stimmte. Sie war schon zu Boden gestürzt, ohne überhaupt auf dem Pferd gesessen zu haben – peinlicher ging es doch nicht mehr, oder? „Wieso tust du das, Malfoy?“

 

„Wieso tue ich was?“, erwiderte er formlos, nachdem er neben ihr angekommen war und im Gegensatz zu ihr Blickkontakt suchte. Wollte sie darauf hinaus, dass er zurückgekommen war, um sie womöglich zu weiterhin zu schikanieren und seinem Spott auszusetzen? Das wäre zumindest lobenswert für ihn gewesen, aber das war nicht der Grund, weshalb er zurückgekommen war. Draco beschlich einfach ein ungutes Gefühl, was ihre Reitfähigkeiten betraf und er hatte schließlich recht gehabt. Reiten konnte sie offensichtlich doch nicht.

 

„Wieso bist du nett?“

 

„Das denkst du?“, schmunzelte Draco.

 

„Ja?“, antwortete sie unsicher, ehe sie um das Pferd herumging, um – wie von Malfoy vorgeschlagen – von links aufzusteigen. Dass er ihr folgte hatte sie nicht bedacht, weswegen sie auch recht verdutzt zu ihm sah, als er wieder neben ihr stand.

 

„Keine Sorge, Granger. Ich bin nicht nett. Ich erleichtere dir lediglich das Reiten, was du ja laut eigener Aussage angeblich kannst.“ Im Anschluss streckte er die Hand aus, die er jedoch unweigerlich zurückzog, nachdem ihm aufgegangen war, was er kurz davor war, zu tun. Unmöglich konnte er ihr die Hand reichen, um das Pferd leichter besteigen zu können. Das... war einfach zu viel des Guten. Ja, er würde einfach hier stehen bleiben und warten, bis sie im Sattel saß. Das war doch ebenfalls eine großzügige Geste, nicht wahr? „Ich sehe übrigens“, fuhr er fort, nachdem er mit ansah, wie beschwerlich sie den Fuß in den Steigbügel setzte, „wie gut du reiten kannst.“

 

Idiot! Er war wirklich nicht nett. Wie konnte Hermine das nur gedacht haben? Malfoy und das Wort Nettigkeit in Verbindung zu bringen? Ha, vorher würde die Hölle gefrieren. „Und wieso bist du zurückgekommen?“, keuchte sie, als sie endlich fest im Sattel saß und die Zügel in die Hand nahm, ohne Malfoy nochmals eines Blickes zu würdigen.

 

„Da wir ja nicht gemeinsam essen, und mir somit die einmalige Chance entgeht, mich mit dir zu unterhalten, sehe ich hier die beste Möglichkeit dir mitzuteilen, dass meine Mutter nächste Woche kommt. Und ich gehe jetzt gleich in die Winkelgasse.“ Draco pausierte und er bemerkte ihre rasche Kopfbewegung sofort. Augenblicklich starrten ihre Augen auf ihn hinab, was es ihm nur erschwerte, die nächsten, bitterbösen Worte auszusprechen, aber er hatte es sich schließlich selbst eingebrockt. „Brauchst... Brauchst du etwas?“

 

Doch anstatt ihm zu antworten, stellte Hermine ihm – konfus von seiner Ausgangsfrage – aufgeregt eine Gegenfrage. Prompt drehte sie ihren Körper, stützte sich mit einer Hand auf dem Hintern des Pferdes ab und sah mit leuchtenden Augen zu Malfoy. „Kann ich mitkommen?“

 

Vergnügt zuckten seine Mundwinkel. Zeitgleich hoben sich seine Augenbrauen nach oben. „Vergiss es. Ich will dir ja nicht den Spaß – den du hier hast – verderben, aber hast du vergessen, dass du das Grundstück nicht verlassen kannst?“ Wurde die großartige Granger etwa senil, oder vergaß sie den Punkt absichtlich? Draco tippte auf das Zweite. Aber war es ihr zu verdenken? Nein, er würde womöglich auch alle Register ziehen und das Wesentliche ausblenden. Es tat ihm sogar ein bisschen leid – wenn er etwas wie Feingefühl besessen hätte – den Glanz in ihren Augen sterben zu sehen.

 

„Kannst du die Regeln nicht ändern?“, wagte sie erneut den Versuch, kurzzeitig ihrem Gefängnis zu entkommen. „Das... Das kannst du doch?“

 

„Ich will sie gar nicht ändern, Granger.“ Noch immer belustigt von ihrer Frage, steckte er die Hände in seine Hosentaschen, während er das Mädchen beäugte. „Oder sehe ich so aus, als ob ich das wollen würde?“

 

Lass ihn gehen, Hermine. Lass ihn seiner Wege gehen und wir gehen unsere Wege, die uns geradewegs in den Westflügel führen“, zischte ein leises Surren verführerisch, das nur Hermine wahrnahm. Ja, ihre innere Stimme verleitete Hermine dazu, sich gegen Malfoys Regeln aufzulehnen und wäre sie nicht so neugierig, würde sie die schrillen Alarmglocken hören. „Nein, du siehst keineswegs so aus, Malfoy“, schnaubte die betroffene Hermine, bevor sie wieder über den Kopf des Pferdes hinwegsah.

 

„Richtig. Ich will doch nicht, dass du mir unterwegs – aus welchen Gründen auch immer – abhanden kommst“, grinste er frech.

 

„Willst du mir etwas unterstellen?“

 

„Merlin bewahre, nein.“ Oh doch, das tat er. Draco wusste, dass sie bloß auf den passenden Augenblick wartete, um von hier zu verschwinden. „Aber es wäre doch schade, wenn du nicht mehr hier wärst, oder?“

 

Nein! Was zu viel war, war eindeutig zu viel. Hermine stieg mit dem Anmut, den sie aufbringen konnte, vom Pferd. Sie schnappte sich ächzend die Zügel und führte das Tier zu seiner Box zurück, da ihr die Lust zu reiten vergangen war. Anscheinend war er nur hier, um sie zu maßregeln, sie auszulachen und ihr Dinge vorzuenthalten, nach denen sie sich so sehnte. Ja, ein Ausflug ur Winkelgasse hätte genügt, um sie glücklich zu stimmen. Aber dazu war Malfoy nicht im Stande. Er lehnte es ab, ihr eine Freude zu machen.

 

„Auf wiedersehen, Malfoy“, erwiderte Hermine bloß, denn auf seine Provokationen würde sie nicht eingehen. Das wollte er doch nur, um ihr dann wieder einmal zu zeigen, dass er am längeren Hebel saß und Hermine sich zu beugen hatte. Nein, heute würde sie ihm dieses Machtgefühl nicht gönnen. Stattdessen zog sie dem Pferd umsichtig das Zaumzeug vom Kopf, entfernte die Trense und legte den Sattel samt der Decke zurück auf den vorgesehenen Platz. Zu ihrem Erstaunen sah sie von Malfoy nur noch seinen aufbrausenden Umhang, der rasch in der Tür verschwunden war. Scheinbar hatte der Erbe dieses Hauses mit einer so rigorosen Antwort von Hermine nicht gerechnet?

 

Aber das war egal. Hermine sollte es nicht kümmern. Sie war nur froh, dass er wortlos gegangen war und sobald er seine Ländereien gänzlich verlassen hätte, würde sie sich im Haus umsehen. Punkt. Hermine würde sich diesen verdammten Westflügel ansehen.

 

So schlimm konnte es doch nicht sein, oder? Was konnte er schon großartig darin verstecken? Nichts. Überhaupt gar nichts, was ihr Angst machen könnte. Darüber hinaus stellte sie sich jedoch die berechtigte Frage, wie lange er weg sein würde? Jedenfalls lange genug, um sich diesen verbotenen Trakt ansehen zu können.

 

Flink hatte sie alles weggeräumt, um den Elfen nicht die Bürde aufzuerlegen, bevor sie zum Eingang des Stalls rannte. Achtsam schaute sie um die Ecke, aber worauf wartete sie eigentlich? Dass Malfoy durch die Tür spazierte und per pedes zur Winkelgasse stolzierte? Wohl kaum. Das war unwahrscheinlich, angesichts seines Stolzes, der mit seiner Herkunft einherging. Schließlich baute Malfoy enorm große Stücke sowohl auf seinen Ruf, als auch auf seinen Status als Reinblut. Da würde es ihm doch nicht im Traum einfallen, in die Winkelgasse zu gehen – wie Muggelstämmige es bei ihrem ersten Besuch taten. Demzufolge müsste sie es selbst herausfinden, ob er bereits verschwunden war oder nicht. Sorgfältig – den Blick immer wieder nach hinten gewandt – näherte sie sich dem Haus. Ohne Umschweife griff sie nach der Klinke, die sie jedoch vorsichtig nach unten drückte und im Innern des Hauses verschwand. Jetzt – belastet mit ihren Beweggründen – wollte sie ihm unter keinen Umständen begegnen, denn sie hatte etwas vor, das er ihr ausdrücklich verboten hatte. Würde sie ihm jetzt in die Augen sehen, Malfoy würde sofort wissen, dass sie etwas im Schilde führte.

 

Hermine hoffte inständig, dass er bereits gegangen war. Sie wollte ihm endlich alles zurückzahlen – all jene Gemeinheiten, die er ihr an den Kopf geworfen hatte, jede Demütigung, die sie unter ihm erdulden musste, jede Maßregelung, die er ihr hatte zukommen lassen. All das wollte sie ihm nun heimzahlen, indem sie ihm zeigte, wer jetzt die Macht besaß. Das waren ihre Gründe, weshalb sie sich endlich diesen dummen Westflügel ansehen wollte. Ob sie ihm im Zuge dessen irgendwann mal vorschlagen sollte, sich die Star-Wars-Filme anzusehen? Alleine die Vorstellung, wie Malfoy einen Fernseher ansehen würde, wäre es wert, ihm jenen Vorschlag zu unterbreiten. Malfoy wäre von der dunklen Seite der Macht mit Sicherheit fasziniert... Indessen blickte sie sich missmutig im Salon um, den sie nach wenigen Schritten erreichte. All der Prunk, all sein Reichtum... Malfoy hatte es nicht verdient, so luxuriös und komfortabel zu leben. In keinster Weise.

 

Ron hätte es verdient. Die gesamte Familie Weasley hätte es verdient, diesen Reichtum in all seinen Vorzügen auszukosten – nicht Malfoy.

 

Es war so ungerecht...

 

Aber nicht nur das war unfair. Ebenso ungerecht war es, dass seine Mutter nächste Woche zurück nach Malfoy Manor käme. Im Zuge dessen könnte sich Hermine aber selbst davon überzeugen, wie es Narzissa ging. Malfoy war diesbezüglich nicht besonders redselig gewesen, als sie ihn auf seine Mutter angesprochen hatte. Jedoch fürchtete sich Hermine vor der Begegnung. Ob Narzissa sie durch die Flure jagen würde und ihr einen bösartigen Fluch nach dem anderen auf den Leib hetzen würde?

 

Nein, vermutlich nicht, da Malfoys Mutter die einzige Person in diesem Haushalt war, die vermutlich noch etwas wie Würde und Stolz in sich trug. Unterdessen bemerkte sie gar nicht, wie sich ihr jemand näherte, bis dieser entschloss, sich bemerkbar zu machen.

 

„Miss, ist alles in Ordnung?“

 

„Um Himmels Willen“, keuchte Hermine, während ihre Hand auf ihrer Brust landete, worunter sie ihr pochendes Herz spüren konnte. Ein kleiner Elf – kleiner als die anderen – war neben ihr erschienen. Es war nicht Akira und auch nicht Brisko, woraufhin Hermine eilig nach oben sah – auf der Suche nach Malfoy, der vermutlich in einer Ecke saß und sich einen Ast ablachte. Allerdings war er nirgendwo zu sehen, weswegen sie ihren Blick wieder auf den kleinen Elfen richtete. „Du hast mich aber erschreckt, junger Mann.“

 

„Oh. Oh, bitte entschuldigen Sie, Miss. Es liegt Cesidio fern, die Miss zu erschrecken.“

 

Hermine war es ganz und gar nicht recht, dass der Elf sich unaufhörlich vor ihr verbeugte. Dieses mittelalterliche Verhalten war aus den kleinen Geschöpfen einfach nicht rauszukriegen. „Sag mal, Cesidio. Ist Malfoy schon gegangen?“ Hoffentlich wollte der Elf nicht wissen, wieso Hermine danach fragte. Ungern würde sie den nervösen Elfen belügen wollen.

 

Misstrauisch suchte der Elf den Blick seines Gegenübers und Hermine fiel auf, dass er dieselben grünen, kugelrunden und großen Augen wie Dobby hatte. Ob alle Elfen grüne Augen hatten? Nein, ihr fiel augenblicklich Winky ein. Die Elfe, die gemeinsam mit Dobby in Hogwarts in der Küche gearbeitet hatte. Sie war eine Elfe mit braunen Augen.

 

„Malfoy?“, flüsterte der Elf perplex, bevor sich seine Augen weiteten und seine Hände entrüstet vor seinen Mund schlug. „Oh, Cesidio ist böse. Unfassbar böse. Cesidio darf seinen Herren nicht so nennen.“ Das kleine Geschöpf war wie ausgewechselt und scheinbar außer sich.

 

„Oh je, bitte beruhige dich doch“, begann Hermine einfühlsam auf den Elfen einzureden, ehe sie in die Hocke ging und nach den Armen des kleinen Wesens griff, damit es sich nicht weiterhin selbst verstümmeln konnte.

 

„Nein!“, spie Cesidio, dessen Augen geschlossen waren, während sein Kopf hin und her schwand. „Cesidio ist -“

 

„Ich bitte dich, Cesidio. Bitte beruhige dich. Du hast nichts falsches getan, ja?“

 

Außer Atem sahen die grünen Kulleraugen nach oben und der Elf erinnerte sich an die Frage, die an ihn gestellt wurde. „Der Herr... Er ist außer Haus, Miss.“

 

„Darf ich mich trotzdem umsehen? Dein Herr hat mir erlaubt, dass ich mich frei bewegen darf.“

 

„Aber natürlich darf die Miss sich umsehen“, sprach Cesidio erleichtert, da er keine Strafe zu befürchten hatte. Akina behielt recht, als sie ihm von der Güte der Miss erzählt hatte. Als das Mädchen jedoch an ihm vorbeilief, geradewegs zur Haupthalle zurück und den Anschein erweckte, die Treppen zum Westflügel zu erklimmen, apparierte der Elf direkt neben sie. „Soll... Cesidio die Miss lieber durch das Anwesen führen?“

 

Nein, das sollte der Elf nicht tun. Wie sollte sie sonst den Westflügel betreten, wenn jemand neben ihr ging, der mit Sicherheit wusste, dass ihr der Zutritt zu jenem Teil des Hauses untersagt wurde? Der Elf würde es bestimmt verhindern, aber das sollte die junge Hexe nicht davon abhalten, ihr Ziel zu erreichen. Prompt lief sie zum nächsten Treppenabsatz, der in das zweite Stockwerk führte, ehedem sie Richtung Westflügel abbog.

 

„Miss?“, rief der Elf ihr panisch hinterher.

 

Ignorieren, Hermine. Einfach ignorieren und weitergehen.“ Dass Hermine den Elfen tatsächlich ignorierte, entsprach nicht ihren Prinzipien, aber sie wollte unbedingt in den Westflügel und davon wollte sie sich unter keinen Umständen abbringen lassen.

 

„Miss!“, wiederholte das magische Geschöpf sorgenvoll. „Sie gehen in die falsche Richtung.“

 

„Tue ich das?“, entgegnete Hermine scheinheilig.

 

„Aber ja“, bemerkte Cesidio mit erhobener Hand. „Sie befinden sich am Anfang des Westflügels. Hier befinden sich die Räumlichkeiten des Herren“, fuhr er bereitwillig fort, in der Hoffnung, sie würde verstehen, wieso er sie aufhielt.

 

„Aha, da ist also der Westflügel.“ Das wusste Hermine, die den Schein wahren wollte. Überlegend tippte ihr Zeigefinger gegen ihren geschlossenen Mund, bevor sie sich dem Elf zuwandte. „Ich frage mich, was er dort oben versteckt?“

 

„Versteckt?“, lächelte das Wesen beherzt, nachdem es sich dem Mädchen in den Weg stellte. „Der Herr versteckt gar nichts.“

 

„Dann“, erwiderte Hermine feixend, „wäre es nicht verboten, Cesidio.“ Im Anschluss stieg sie einfach über seinen Kopf hinweg.

 

„Äh... Bitte warten Sie.“ Er wurde merklich nervös – gut daran zu erkennen, dass er seine zerbrechlich wirkenden, langen Finger ineinander verhakte und dehnte. Hermine befürchtete schon, dass er sie sich brechen würde, wenn er sie weiter dehnte und zog es vor, noch einmal auf den Elfen zu warten, bevor sie ihn endgültig abwimmeln würde. „Vielleicht... Vielleicht wollen Sie vorher die Bibliothek sehen?“

 

„Eine Bibliothek?“, entfuhr es Hermine begeistert. Unweigerlich war sie stehen geblieben und stützte ihre Hände auf den Knien ab, während sie mit großen Augen auf die nächsten Worte des Elfen wartete. „Hier gibt es eine Bibliothek?“

 

Blindlings schien sie in Cesidios Falle zu laufen, was ihn anhand ihrer strahlenden Augen bezüglich der Bücher erfreute. Anders hätte er zu Magie greifen müssen und das wollte er nicht. „Oh ja, Miss. Mein Herr besitzt eine riesige Privatbibliothek“, erzählte er mit unaufhörlichen Armbewegungen. „Viele Bücher, aus sämtlichen Epochen, Miss“, erläuterte er, um ihr die Bibliothek noch schmackhafter zu machen.

 

„Aus sämtlichen Epochen sagst du?“ Begierig, mehr darüber zu erfahren, legte sie ihr Kinn in ihre erhobene Hand.

 

„Ja“, bekräftigte der Elf nickend und tänzelte aufgeregt vor der Hexe. „Oh ja, Miss. Das sagte ich – aus sämtlichen Epochen. Der Herr ist sogar im Besitz einiger Bücher, die die Koboldzeit betreffen.“

 

Fasziniert von Malfoys Bücherbesitz und der Freude, die der Elf ausstrahlte, während er von seinem Herren sprach, ließen Hermine eine Stufe nach unten streifen – wohl wissend, dass sie es nicht in Erwägung zog, Cesidio zu folgen, der tippelnd vorm Treppenabsatz wartete und sich rasch umdrehte, nachdem er bemerkte, dass die Hexe ihm folgen würde. Unverzüglich begann er daraufhin, sowohl etwas über die Gemälde, als auch die Ahnen der Malfoys zu erzählen, wodurch er die ehemalige Gryffindor nicht weiter beachtete.

 

Los! Das ist deine Chance, Hermine. Eine bessere wirst du nie wieder bekommen“, schrie ihre Stimme verzweifelt.

 

Diese böse Stimme – sie glich dem sprichwörtlichen Teufel auf der Schulter, während der Engel auf der anderen Seite saß und Hermine zur Räson zwingen wollte, angesichts ihres Vorhabens. Sie war kurz davor, gegen Malfoys Gesetz zu verstoßen – auch belog sie den Elfen, der sie anscheinend ebenfalls vor Unheil bewahren und seine eigene Haut retten wollte. Aber die Treppenstufen waren mit edlem Teppich ausgelegt, so dass der Elf ihre Schritte nach oben nicht hören würde... Merlin, nein. Sie hatte nur diese eine Chance. Wer wusste, wann Malfoy wieder das Haus verließ?

 

Jetzt oder nie!

 

Eine Stufe nach der anderen erklomm Hermine – bis sie in einem langen Korridor ankam, an dessen Ende ein großes Holzportal in die Höhe ragte; umsäumt von Marmorsäulen. Erschöpft lehnte sie sich ein letztes Mal gegen das Geländer, auch wagte sie einen letzten Blick nach unten, aber Cesidio war nirgends zu sehen. Somit hatte sie freie Bahn – vor ihr lag jedoch ein Portal, das ihr Angst einjagte. Es war ein Portal, das in eine tiefe, andere Welt führte – weit weg von der Illusion, etwas schönes dahinter vorzufinden. Dem war gewiss nicht so. Immerhin lag hinter dieser Tür Malfoys Reich. Hermine war im Begriff, in Malfoys Privatsphäre einzutauchen...

 

Kurz befielen sie Zweifel. Sollte sie so weit gehen und in seine privaten Räume eindringen, worin sie womöglich Dinge vorfand, sie sie rein gar nichts angingen? Aber sie war schon zu weit gegangen, oder? Schließlich war sie hier – entgegen jedweder Warnung, die man in ihre Richtung bereits ausgesprochen hatte.

 

Nein, für Zweifel aufkommen zu lassen, war es zu spät, woraufhin sie das Holz vor sich bedächtig berührte und den Blick entlang der Säulen wandern ließ.

 

„Natürlich. Marmor, was auch sonst“, sprach sie sich selbst zu, als ihre Hand über die glatte Oberfläche strich. Daneben strahlten sie zwei goldene Türgriffe an, die bereit waren, die verschlossene Tür in der Mitte zu teilen. Bei Merlins Bart, einer dieser beiden Türgriffe würde ausreichen, um Harrys Behandlung voranzutreiben und den Weasleys zu helfen. Doch bevor sie einen der Griffe nach unten drückte, atmete sie noch zwei Mal hörbar ein und aus. Anschließend drückte sie den Griff nach unten, während sie die Luft in ihren Lungen behielt und durch den dünnen Spalt im Innern des Zimmers verschwand. Blitzschnell hatte sie im Anschluss die Tür geräuschlos zugezogen – jedoch nur so weit, dass ein winzig kleiner Lichtspalt hindurchsickern konnte. Es war eine reine Vorsichtsmaßnahme. Bei ihrem Glück würde sie in dieser vollkommenen Dunkelheit ansonsten gegen irgendetwas laufen, dieses Etwas auch vermutlich noch zerstören und dann müsste sie sich vor Malfoy rechtfertigen. Was ihr kleinstes Problem wäre, da er außer sich vor Wut wäre, wenn sie ihm erklären müsste, was sie in seinen Räumen zu suchen hatte.

 

Trotzdem musste sie anfänglich ihre Augen zusammenkneifen, bis sie sich an die dunkle Umgebung gewöhnt hatte. Schemenhaft konnte sie ein großes Bett erkennen, das von einem ähnlichen Baldachin wie das in Hogwarts umrahmt wurde. Aber es war weder grün, noch rot, noch blau oder gelb, sondern silbern. Weiterhin suchten ihre Augen akribisch jeden Quadratzentimeter ab und... und plötzlich erstarrte ihr Blick.

 

Für vier Sekunden. Danach blinzelte sie mehrmals.

 

Aber es war keine Imagination, sondern real. Ihre Augen entdeckten einen Kamin.

 

Bei Merlin. Ein Kamin! Wann hatte sich Hermine zuletzt so dermaßen gefreut, einen alten, abgenutzten Kamin zu sehen? Noch nie, aber heute tat sie es.

 

Ihre Vorsichtsmaßnahme völlig außer Acht lassend, hechtete sie zu dem Kamin. Davor angekommen, glitten ihre zitternden Hände über den steinernen Kaminsims, um sich zu vergewissern, dass sie sich dieses Abbild nicht einbildete und sie hätte vor Freude weinen können, als ihr bewusst wurde, dass dieser verdammte Kamin echt war. Rasch suchten ihre Augen den Kaminsims ab, wo sie am rechten Ende das fand, was sie so dringend benötigte – eine Schale, gefüllt mit Flohpulver.

 

„Merlin, ich danke dir. Tausend Mal.“ Keuchend nahm sie eine handvoll Flohpulver, das – bedingt durch ihre Nervosität – ein wenig durch ihre Finger zu Boden rieselte, aber das war ihr sowas von egal. Schon bald wäre sie hier weg und verstand nun auch, wieso sie nicht in den Westflügel durfte... Ja, sie hatte den Kamin entdeckt – ihr Los in die Freiheit. Ha, aber dachte Malfoy, sie wäre blöd? Nun, er hatte sie unterschätzt. Indes kniete sie sich vor den Kamin und warf enthusiastisch das Pulver hinein.

 

Gespannt wartete sie darauf, dass die grünen Flammen erschienen.

 

„Grafschaft Devon, Fuchsbau, Ron Weasley!“, brüllte sie abschließend in den Kamin. Währenddessen strich sie sich lose Strähnen hinter ihr Ohr, während sie begierig darauf wartete, dass der Kamin die Verbindung herstellte. Und er tat es. Die grünen Flammen loderten auf, als hätte man ein Glas Alkohol hineingeworfen, doch weder Ron, noch ein anderes Mitglied der Familie Weasley tauchte auf. „Was zur -“

 

Eine nebelhafte Gestalt manifestierte sich zu einem Körper, was Hermine erschrocken auf ihren Hintern fallen ließ. War... War das, was vor ihr erschien, etwa ein Drachenkopf?

 

„Losung?“, schnurrte der Drache sanft – die leeren Augen weit aufgerissen.

 

Losung?“, wiederholte sie entgeistert. „Was für eine Losung? Wovon sprichst du?“, donnerte sie dem Geschöpf hilflos entgegen. Noch immer saß sie auf ihrem Hintern, wohingegen sich ihre Hände in ihren Haaren verhakten, ehe sie den Weg zum Boden fanden, um sich dort abzustützen und zum Kamin zurückzukehren.

 

„Losung für das Schlammblut Granger – Gefangene von Malfoy Manor“, verlangte der Drache wortkarg.

 

„Das... Das kann doch nicht wahr sein.“ Dieses Haus war eine verfluchte Qual. Folglich hatte Malfoy sie keineswegs unterschätzt. Er rechnete wohl damit, dass sie sich über seine Regeln hinwegsetzte. Demzufolge konnte auch wirklich niemand ohne seine Erlaubnis hierherkommen...

 

… Niemand kommt ohne meine ausdrückliche Erlaubnis hier rein...

 

… Glaubst du, der dunkle Lord war zum Spaß hier?...

 

… Du kannst, ohne meine explizite Erlaubnis, das Haus und die Ländereien nicht verlassen...

 

Genau das waren seine Worte.

 

Mist. Mist. Mist.

 

Vielleicht hatte sie auch einfach einen Fehler gemacht? Sie sollte nicht Ron, sondern Ronald sagen. Ja. „Grafschaft Devon, Fuchsbau, Ronald Weasley“, betonte sie gepresst. „Bitte. Ich bitte dich“, flehte sie zusätzlich, bevor sich ihr Körper nach vorne beugte, die Hände – die zu Boden krachten – zu Fäusten geballt. Die heranwachsende Frau wollte partout nicht wahrhaben, dass es ihr nicht möglich war, von hier zu flüchten. Es musste doch einen Ausweg geben. Nichts war perfekt und einen Weg gab es doch immer. Es gab schließlich auch keinen perfekten Mord – weder in Malfoys, noch in ihrer nichtmagischen Welt. Überall gab es Fehler. Diesen musste es auch hier geben. Hermine musste ihn nur finden.

 

Ja, der Fehler war, dass dein Vater dieses Haus gefunden hat. Der Fehler war, dass du, Granger, den Platz getauscht hast.“

 

Exakt. Hätte ihr Vater – aufgrund Malfoys Nachlässigkeit – dieses Haus nicht gefunden, würden sie jetzt gemeinsam zuhause sitzen, sich trösten und gegenseitigen Halt schenken, angesichts der Trauer, die Hermine zusehends in sich hinein fraß. Und so schnell würde auch niemand mehr Malfoy Manor finden – ein Muggel schon gar nicht. Diesen Fehler hatte Malfoy bestimmt schon längst behoben. Aber es war kein Fehler gewesen, den Platz ihres Vaters eingenommen zu haben, oder? Nein, niemals. Diesen bösen Gedanken verbannte sie aus ihrem Kopf. Es war kein Fehler gewesen. Hermine würde jederzeit wieder so handeln – für ihren Vater, für Harry, für Ron und für Ginny.

 

Allmählich verlor sie dennoch die Fassung, weshalb sie betrübt ihren Kopf hob, den Drachen anvisierte und die Augen zusammenkniff. „Du... Du dummes Scheusal, stell endlich die Verbindung her, verdammt nochmal“, schrie sie dem Drachen in den Flammen aufgebracht entgegen und wüsste sie es nicht besser, Hermine hätte längst nach etwas gegriffen, um es dem Untier entgegen zu werfen.

 

„Losung?“

 

„Verflucht. Ich habe keine Losung!“

 

„Dann brauche ich die Bestätigung von Lord Draco Lucius Malfoy“, antwortete der Drache und noch ehe Hermine darauf reagieren konnte, verschwand das Tier, mitsamt der Flammen, die augenblicklich erstarben und das Zimmer in die gewohnte Dunkelheit verwandelte.

 

„Du meinst wohl Lord Idiot“, äffte Hermine das Zischen des Drachens nach und schnappte sich etwas Ruß, das sie blindwütig zurück in den Kamin warf, bevor sie aufstand. Dass dieser Arsch den Titel eines Lords inne hatte, verwunderte Hermine. Es passte nämlich nicht zu Malfoy. Darüber hinaus drehte sie sich genervt vom Kamin weg und grübelte, wie sie dennoch entkommen konnte. Angestrengt dachte sie nach – immerhin hatte sie mit Harry und Ron Horkruxe gejagt. Sie hatten Voldemort zu Fall gebracht – es musste doch möglich sein, eine Lösung zu finden. „Hermine, denk logisch. Rational. Das kannst du. Das ist deine Stärke – Rationalität.“

 

Während sie umherwanderte, entdeckte sie neben dem Kamin eine weitere Tür – kleiner, unscheinbarer. Auf diese ging sie langsam zu – jegliche Skrupel jedoch verloren. Wenn sie nicht durch den Kamin abhauen konnte, würde sie eben nach weiteren Möglichkeiten suchen. Solange, bis ihre Ausdauer mit Erfolg belohnt werden würde. Ja, sie würde nicht ruhen, bis sie diesem Haus entkommen war. Vielleicht bestand sogar die Chance, dass Malfoy seine Losung aufgeschrieben hatte? Immerhin gab es auch unzählige Muggel, die beispielsweise den PIN-Code ihrer Bankkarte aufschrieben, weil sie sich die Zahlenfolge nicht merken konnten.

 

Im Nachbarzimmer angekommen, das ebenfalls in völliger Dunkelheit lag, fand sie sich nicht so gut zurecht. Bis hierhin reichte das Licht nicht, das in das Zimmer nebenan fiel. Blind lief sie geradeaus und zu ihrem Glück erspähten ihre Augen eine Lichtzufuhr, die durch eine der Gardinen zu scheinen schien. Ruckartig riss die diese zur Seite, wonach das Zimmer in der Mittagssonne erstrahlte. Plötzlich erkannte sie Schränke, gefüllt mit Büchern. Anhand der Buchrücken konnte sie irische Literatur erkennen. Bücher über Architektur, über Philosophie und Astronomie. Vor dem Schrank stand ein großer Schreibtisch, links daneben befand sich ein weiterer Kamin, über dessen Sims ein großes Portrait angebracht worden war. Ein Portrait von Malfoy, das sich bewegte und jeden Schritt von Hermine beobachtete.

 

„Ach, Malfoy? Du auch hier?“, bemerkte sie schnippisch und kam dem Abbild ihres Feindes näher. „Na? Was tust du denn hier? Oder... sollte ich dich angemessen deines Lordtitels ansprechen?“, warf sie die Frage verächtlich in den Raum, doch das Bild gab keinen Laut von sich. „Merlin, wieso antwortest du mir nicht? Weil ich unter deine Würde bin?“ Halbherzig setzte sie sich auf den Schreibtisch und musterte weiterhin das Bild, das ihre Wut zu spüren bekäme. „Wie du siehst, bin ich in deinem dummen Westflügel und du kannst gar nichts tun, du Blödmann. Nein, das kannst du nicht, weil dein fester Körper vermutlich – gerade jetzt, in diesem Moment – hoheitsvoll durch die Winkelgasse spaziert, während ich mein einsames Dasein hier fristen muss“, pöbelte sie mit verschränkten Armen und abgewandtem Blick. Nachfolgend griff sie nach einem der Bücher aus dem Regal. „Siehst du das, Malfoy?“ Abwartend stellte sie sich vor den handgemalten Malfoy, der sie lediglich betrachtete und eine Augenbraue nach oben zog, anlässlich ihrer vorgetäuschten Betroffenheit, hinsichtlich ihres Handelns. „Ich – das Schlammblut Granger – berühre deine Bücher. Willst du nicht schreien oder mich verfluchen?“, lachte sie auf und schob das Buch zurück in den Schrank. „Dein wahres Ich täte es – hätte es vermutlich schon längst getan, ohne mir die Chance zu lassen, einem der Bücher überhaupt zu nahe zu kommen. Aber du“, fuhr sie unbeherrscht fort, „bist ja nur ein dummes Portrait, das nichts dagegen unternehmen kann.“

 

Zeitgleich fragte sich Hermine, wie alt Malfoy wohl gewesen war, als das Bild gemalt wurde?

 

„Soll ich vielleicht deinen Rahmen berühren? Verlierst du dann endlich deine Beherrschung und sprichst mit mir?“ Seit sie ihn erblickt hatte, konnte sie keinen klaren Gedanken mehr fassen. Viel zu wütend war sie auf ihn und Hermine war froh, endlich Luft ablassen zu können. „Merlin, weißt du eigentlich, wie es mir geht? Nein, vermutlich nicht. Es interessiert dich auch gar nicht, hab ich recht?“ Kopfschüttelnd sah sie nochmals zur Seite, weil er ihr noch immer nicht antwortete. „Ich sag es dir trotzdem: Mir geht’s echt beschissen und weißt du wieso? Weil ich meine Mutter in deinem Krieg verloren habe. In einem Krieg, den deine Sippschaft geführt hat. Sie hatte nichts mit unserer Welt gemein – sie gehörte nicht in diese Welt und doch hat mir diese Welt das genommen, was einem Kind so wichtig ist. Aber das ist noch nicht alles, Malfoy“, sprach Hermine mit erhobenem Zeigefinger weiter. „Du hast mir die Chance genommen, angemessen und gemeinsam mit meinem Vater – der seine Frau verloren hat – zu trauern. Das ist das schlimmste. Du hast mir nicht einmal die Möglichkeit eingeräumt, zu trauern – nichts. Und weißt du, was genauso schlimm ist und wovor ich mich fürchte? Dass ich irgendwann vergessen könnte, wie herzlich, schön und wunderbar meine Mutter gewesen war. Ich -“ Aufgebracht stemmte sie ihre Hände in die Hüften, bevor sie sich erneut schluchzend zur Seite drehte. Alle angesammelten Emotionen die sich zu Hauff in ihr gestaut hatten, lud sie ungefragt hier ab. Sie musste es tun, sonst wäre sie noch irgendwann geplatzt, weil ihr klar wurde, dass sie niemals entkommen würde. „Du willst es nicht hören, das weiß ich, Malfoy, aber ich sage dir noch etwas. Deinetwegen – und das ist tatsächlich deine alleinige Schuld – habe ich auch meinen Vater verloren.“ Die erste Träne rollte ihre Wange hinab und sie schämte sich keineswegs dafür, sondern ließ sie ungehindert hinabperlen. „Durch deine Geiselnahme werde ich meinen Vater nie mehr wieder sehen können. Gar nicht, verstehst du das? Aber was erzähle ich dir das überhaupt? Du warst es ja, der ihn gefangen genommen und anschließend – ohne, dass ich mich verabschieden konnte – gewaltsam aus dem Haus geworfen hat.“

 

Inmitten ihres zornigen und mit Trauer befüllten Monologs kam sie dem malfoy'schen Portrait immer näher, wo sie links unten ein Datum vorfand. August 1997.

 

„Aha, 1997. Vor einem Jahr wurdest du gezeichnet, aber macht das einen Unterschied? Du warst schon letztes Jahr ein Arschloch – eigentlich warst du schon immer eins. Du kannst deine abstoßende Art also ruhig rauslassen.“ Ihr tat es nicht im Geringsten leid, ihn als Arschloch tituliert zu haben, da es ihrer Wahrheit entsprach. Außerdem nannte er sie jahrelang Schlammblut. Da konnte sie ihm auch einmal sagen, was sie von ihm hielt. „Ich jedenfalls kann mich nicht daran erinnern, dass du mal kein Arschloch gewesen warst. Du erinnerst dich sicher auch daran, oder?“ Obzwar es in seiner Abwesenheit passierte und sie ihren Zorn einem Portrait entgegen blies, so fühlte sich Hermine mit jedem Wort freier. „Was versuchst du eigentlich hier vor mir zu verstecken?“, fragte sie unverblümt, nachdem sie einmal um den Schreibtisch gegangen war und den mondänen Ledersessel zurückzog, auf den sie sich setzen wollte. „Es muss ja was geben, das dich dazu bewegt, mir den hiesigen Zutritt zu verwehren, richtig? Ich meine, deine Privatsphäre alleine kann es unmöglich sein.“

 

Gerade als sie sich setzen wollte, entdeckte sie auf dem Leder etwas glänzendes.

 

Misstrauisch streckte Hermine die rechte Hand danach aus, doch bevor sie es berühren konnte, zuckte ihre Hand. Überprüfen konnte sie es nicht, da ihr der Zauberstab fehlte, aber sie war neugierig und auch mutig genug, das Ding in die Hand zu nehmen. Es war schwer und silbern. Mit beiden Händen hielt sie die äußere Umrandung fest, ehe sie es herumdrehte und -

 

„Das... Das kann unmöglich wahr sein. Nein.“ Erschrocken richtete sie ihren Blick zu dem stummen Portrait – die Maske fest in ihrer Hand haltend. „Das“, spie Hermine angewidert, „wolltest du also vor mir verstecken?“ In ihren Händen hielt sie eine Todessermaske. Wahrlich eine mit Runen besetzte Maske, an der womöglich das Blut unschuldiger Menschen haftete. „Also doch, Malfoy. Du hast wirklich zu ihnen gehört“, flüsterte sie Malfoys Abbild entgegen. In ihren Händen hielt sie den Beweis, den sie anhaltend hin und her drehte – vermutlich suchte sie nach einem Anzeichen, das die Maske als eine Fälschung herausstellte, aber sie fand nichts dergleichen. Nein, selbst die schwarzen Zeichen am Rand schienen echt zu sein.

 

Die Runen waren unschwer zu entziffern; waren es Worte, die man recht früh im Unterricht lernte.

 

 

Ewige Treue und Loyalität dem dunklen Lord

 

 

Treue und Loyalität. Dass sich diese Menschen überhaupt wagten, diese Worte mit ihren Gräueltaten in Verbindung zu bringen, glich einer Farce. Und das wollte er vor ihr verstecken – seine Maske. Mit Sicherheit versteckte er hier auch die dazugehörige Robe. Irgendwo hier; in diesen Räumen. Aber wieso bewahrte er diese Sachen noch auf? Der Krieg war vorbei. Voldemort war tot. Wieso hatte er diese Sachen in seinem Zimmer?

 

Verwirrt und mit der Maske in der Hand rannte Hermine zurück in sein Schlafzimmer, wo sie unverzüglich eine der sechs Schranktüren aufriss und damit begann, auf der linken Seite die Umhänge zu durchsuchen. Darunter befand sich bestimmt der Umhang, den ein jeder Todesser trug. Sie müsste nur gründlich danach suchen und sobald sie ihren Zauberstab wieder hätte, würde sie einen Patronus zu Ron schicken.

 

Zu ihrem Bedauern fühlte sich der erste Umhang, der ihr in die Hände fiel, unglaublich weich an und Hermine wusste auch, woran das lag – an dem Einhornfell, womit die Innenseite des Umhangs ausstaffiert worden war. Widerlich. Angeekelt schob sie den Umhang zur Seite und untersuchte den nächsten.

 

„Granger?“

 

Erschrocken ließ Hermine den sündhaft teuren Stoff los, bevor sie sich umdrehte – die Todessermaske noch immer in ihrer Hand...

Am Abgrund

- Kapitel zwölf -

 

 

Draco hatte diesen kleinen, ausdruckslosen Laden zuvor nie beachtet, doch heute war es anders gewesen. Er wusste nicht, wieso es ein solches Geschäft gab, aber womöglich gab es etliche Magier, die sich ab und zu einen Spaß erlaubten und sich Muggelkleidung kauften, um unauffällig durch London zu spazieren. Mit der Zeit hatte man gelernt, wie auffällig man war, wenn man in Umhängen und Hexenhüten durch die Straßen Londons streifte. So auch Draco, der mit mehreren kleingezauberten Tüten über die Schwelle seines Anwesens apparierte und augenrollend die Tüten zurückzauberte, während er an die Verkäuferin im Laden dachte. Unvoreingenommen hatte er sich von der Hexe, die höchstens dreiundzwanzig war, beraten lassen, deren Rock so kurz war, dass sie sich nur hätte bücken müssen, um Draco Einblicke zu gewähren, die nicht normal wären – aber es beeindruckte ihn nicht. Der Reiz war verloren gegangen, etwas zu tun, was nicht der Norm entsprach – dasselbe galt der Verkäuferin in ihrem Rock und der hautengen Bluse. Es war durchaus nett anzusehen, und das war es dann auch schon. Sie war belanglos, uninteressant und inhaltslos. Selbst die Kleidung in seinen Einkaufstaschen war essenzieller.

 

Ich will mich ja nicht einmischen, aber -“

 

„Dann misch dich auch nicht ein“, fauchte Draco dazwischen, wovon sich sein Inneres aber in keinster Weise beeindruckt zeigte.

 

- aber hat dieser Wandel etwas mit Granger zu tun?“, vollendete die Stimme ihren Satz.

 

Nein, dieser – wie die Stimme ihn nannte – Wandel hatte überhaupt nichts mit Granger zu tun. Wieso brachte diese nervige Stimme alles, was neu war, mit Granger in Verbindung? Draco wollte bloß wissen, wie sich die Stoffe einiger Muggelkleidung anfühlten und ob genauso viel Wert auf die Verarbeitung gelegt wurde, wie in der Zaubererwelt, denn dort zählten keine Markennamen, sondern ausschließlich die Stoffe, die verwendet wurden. Merlin, es war doch nur ein Versuch – nichts, was zu bedeuten hatte. Er kam sich vor, als würde er sich für einen Seitensprung entschuldigen, gar rechtfertigen.

 

Genau das solltest du Lucius sagen, wenn er dich auf deine neue Kleidung anspricht, die natürlich nur als Versuch gedeutet werden sollte“, erwiderte die durchschneidende Stimme hämisch.

 

Er würde die Stimme unterdrücken und sich nicht weiter davon irritieren lassen. Was Lucius' Portrait betraf, auch davon würde er sich nicht einschüchtern lassen. Ha, als ob das Abbild seines Vaters etwas an seinem Kleidungsstil ändern konnte – lächerlich. Was im Gegenzug zu den Gedanken an seinen Vater nicht lächerlich war, war die Stille in seinem Haus, nachdem er das Tor aufgestoßen hatte und dahinter verschwunden war. Die Tage zuvor – als er noch alleine hier war – genoss er die Ruhe, die herrschte. Zweifelsohne, das tat er. Aber seit Granger hier lebte, empfand er jegliche Ruhe als störend, weil es nichts Gutes bedeuten konnte.

 

Ausgelaugt stellte er die Taschen neben sich ab, strich sich über die feuchte Stirn und knurrte in die Dunkelheit: „Brisko!“

 

Unmittelbar darauf erschien auch schon der alte Elf vor ihm – ehrfürchtig, den Blick nach unten gewandt, als er sich verbeugte. „Ja, Herr?“

 

„Wo ist das Mädchen?“, fragte er sublim, während seine Hand unsichtbaren Schmutz von seiner Kleidung klopfte. Es war eine unnötige Angewohnheit, die sich Draco von seinem Vater abgeschaut hatte, der selbiges tat, um Autorität vor dubiosen Geschäftspartnern zu erzeugen.

 

„Das Mädchen?“ Brisko hob seinen faltigen Kopf, da er nicht wusste, was er tun sollte. Dass er auf den Gast ein Auge werfen sollte, war ihm bisher unbekannt, weshalb er sich schuldig fühlte und sich am liebsten sofort bestraft hätte, da er scheinbar die Aufgaben seines Meisters nicht gewissenhaft genug erledigte. „Brisko weiß es nicht, Herr. Das Mädchen war nicht in der Küche.“

 

„Es wäre mir lieber, sie wäre es heute gewesen.“ Ein ungutes Gefühl breitete sich in ihm aus. Zudem ärgerte es ihn, dass seine Elfen nicht wussten, wo sie sich herumtrieb. Zugegeben, Malfoy Manor war kein kleines, gewöhnliches Häuschen, aber spurlos darin abtauchen konnte auch niemand, zumal siebenundsechzig Elfen sein Haus beherbergten. Irgendjemand musste sie doch gesehen haben, aber wenn man etwas wissen wollte, musste man es selbst in die Hand nehmen.

 

Das tat Draco auch. Er zückte seinen Zauberstab, was den Elf wenige Schritte zurückgehen ließ, und vollführte eine galante Zauberstabbewegung.
 

„Zeig mir das Mädchen“, befahl er murrend. Des Weiteren hatte er sich extra beeilt, weil er sich vorgenommen hatte, sie nie allzu lange alleine zu lassen. Er konnte sich bereits ausmalen, auf welch skurrile Ideen das Weib kommen würde, wenn er ein oder zwei Tage wegbleiben würde. Nicht auszudenken, was sie alles in seiner Abwesenheit anstellen würde. Würde er – sofern er für einige Tage verschwinden würde – nach Hause kommen, hätte sie vermutlich – schadenfroh wie sie nun mal ihm gegenüber war – sein Haus niedergebrannt. Aus diesem Grund hatte er beschlossen, sie nie länger als notwendig war, alleine zu lassen. Unterdessen schossen aus seiner Stabspitze hellblaue, funkelnde Strahlen die zueinander fanden und einen riesigen Komplex bildeten. Vor seinen grauen Augen erschien der Bauplan von Malfoy Manor – unterteilt in die jeweiligen Abteile und Stockwerke. Brisko stand derweil neben Draco und wagte sich nicht vom Fleck. Angesichts der Zufuhr von Magie, begannen seine Fledermausohren heftig zu wackeln. Sogar die weißen, feinen Härchen, die aus seinen langen Ohren sprießten, leuchteten unter dem Bauplan hellblau auf.

 

Eigentlich war es unnötig, dass Draco diesen komplizierten Zauber heraufbeschwor. Er wusste es schon vorher, wo sie sich befand. Er hatte es einfach gespürt, dass sie sich ihm widersetzte und etwas tat, was er ihr verboten hatte, aber er wollte es eben genau wissen und das tat er nun, nachdem ein kleiner Punkt in seinem Schlafzimmer aufleuchtete...

 

„Nein!“, murmelte er zornig, ehedem er mit einem Schlenker seines Zauberstabs den Bauplan verschwinden ließ. „Nimm meine Sachen, Brisko, und bring sie später nach oben.“

 

„Gewiss, Herr“, versicherte ihm der Elf mit wenigen Worten, ehe er mit den Taschen in die Küche apparierte.

 

Draco hingegen apparierte vor seine Schlafzimmertür, wo er mit Erschrecken feststellen musste, dass seine Schlafzimmertür einen Spalt weit offen stand, woraufhin ein bedrohliches Knurren seine Kehle verließ. Dieses Weibsbild hatte es ganz offensichtlich darauf angelegt, hierher zu kommen. Andernfalls hätte sie keine Vorkehrungen getroffen, wie beispielsweise die Tür offen stehen zu lassen. Sie strapazierte seine Gastfreundlichkeit bis zum Äußersten, aber heute würde er keine Gnade vor Recht walten lassen. Heute würde er sie in die Kerker werfen und darin schmoren lassen. Bis sie begriff, dass sie sich ihm nicht zu widersetzen hatte. Bis sie verinnerlichte, dass sie seine Regeln befolgen musste, wenn sie einigermaßen vernünftig leben wollte. Und irgendwann würde sie es lernen – sei es mit roher Gewalt. Draco würde dem widerspenstigen Miststück zeigen, wie skrupellos er sein konnte. Sie würde auf ihrem verdammten Zahnfleisch kriechen, bis es blutete. Granger würde ihn um Gnade anflehen. Ja, genau das sollte sie auch.

 

Bis heute hatte er mehrere Tage Ruhe, er ging ihr geflissentlich aus dem Weg und heute? Heute war er ihr nachgegangen, als sie in diese blöden scheiß Stallungen gegangen war – ein Fehler. Ein sehr böser Fehler, da er sich besser weiterhin von ihr ferngehalten hätte. Aber das Kind war in den Brunnen gefallen und es konnte sehr wohl noch schlimmer kommen, das bewies sie ihm gerade mit ihrer Durchtriebenheit. Ha, und ihm warf sie dasselbe vor – dass er niederträchtig und hinterlistig war... Der Unterschied war, dass er dazu stand. Sie nicht.

 

Im Nachhinein brachte es aber alles nichts. Draco öffnete die Tür noch weiter und konnte nichts weiter hören, als Hände, die etwas zu durchsuchen schienen. Granger besaß nicht einmal den Anstand zu erschrecken, sie bemerkte gar nicht, dass noch mehr Licht in sein Zimmer flutete. Nein. Sie durchforstete ungeniert seinen Kleiderschrank weiter, während seine rechte Hand sich fest im Türrahmen verkeilte.

 

„Granger?“, knurrte er leise.

 

Und endlich kam die ersehnte Reaktion ihrerseits. Erschrocken drehte sie sich um und verlor daraufhin fast ihren Halt, was sie im letzten Moment verhindern konnte, indem sie sich an der Außenverkleidung seines Schrankes festhielt. Im Licht konnte er ihre aufgerissenen Augen, sowie ihren herunterklappenden Mund erkennen.

 

„Mal- Malfoy, ich... ich -“

 

„Was machst du hier?“ Draco ließ den Türrahmen los, bevor er seinen Zauberstab zog. Unsanft stieß er währenddessen das große Tor auf, wodurch sein Zimmer hell erleuchtet wurde und er seinen Zauberstab zielsicherer gegen sie richten konnte.

 

„Ich -“

 

Was fragte er sie überhaupt noch? Sie würde ihm sowieso nur Lügen auftischen, obwohl er genau wusste, was sie hier tat – ihn ausspionieren. In seinen Räumen, in denen er ihr ausdrücklich den Zutritt verboten hatte.

 

„Ich wollte nur -“

 

„Was wolltest du?“ Abschätzig blickte er an ihr hinab, bis seine Augen abrupt an ihrer Hand kleben blieben. Was zum Teufel hielt sie da in ihrer Hand? Was war es?

 

„Ich weiß, ich darf nicht hier sein und dass es verboten -“

 

„Verboten?“, schrie er sie an. „Ja, verdammt, es ist dir verboten, Granger!“ Plötzlich zuckte kurz ihre Hand, aufgrund seines Aufschreis, was es dem Malfoy-Erben ermöglichte, den Gegenstand in ihrer Hand zu identifizieren. Es flackerte nur kurz im Licht silbern auf, aber es genügte, um erkannt zu werden. Granger hielt seine Todessermaske in ihrer Schlammbluthand, woraufhin er sich wie ein wild gewordenes Tier auf sie stürzen wollte.

 

Daraufhin erschrak sich Hermine abermals, nachdem sie sein Vorhaben entschlüsselte und ihren Körper lediglich gegen eine der noch verschlossenen Schranktüren pressen konnte. Unbemerkt hatte sie sogar die Luft angehalten. „Malfoy, bitte hör auf!“, bat sie wimmernd, aber es war vergeblich. Jüngst hatte er sie erreicht und zwischen seinem Körper und dem Schrank eingeschlossen, bevor er ihr die Maske aus der Hand riss und seinen Zauberstab gegen ihre Kehle drückte. Mit seinen grauen Augen bohrte er sich in ihren angsterfüllten Blick, während seine freie Hand ihre Schulter packte.

 

„Ich habe dir verboten, den Westflügel zu betreten!“, schrie er ihr hemmungslos ins Gesicht.

 

„Ich hatte nichts Böses vor, Malfoy. Wirklich.“ Ihr Körper zitterte wie Espenlaub, während sie mit bebenden Lippen zuerst zu seinem Zauberstab und anschließend auf seine Hand sah, die zitternd auf ihrer Schulter lag.

 

„Du hattest nichts Böses vor?“ Die Hand, die noch immer ihre Schulter umfing, sank langsam zur Seite, weil er – trotz seiner unbändigen Wut – anhand seines Zauberstabs, den er an ihre Kehle drückte, sehr wohl ihren rasenden Puls spüren konnte. Etwas, das ihn in die Realität zurückholte und ihm half, sich nicht gänzlich zu vergessen. „Was suchst du dann hier?“

 

„Ich war nur neugierig und -“

 

„Neugierig?“ Zurück war die Wut, die er schamlos in ihr Gesicht schleuderte, während er mittels seines Stabes unzählige Bücher aus den Regalen katapultierte. „Neugier kann fatale Folgen haben, Fräulein. Und ich muss gestehen, dass es mir endgültig reicht. Mir reichts wirklich.“ Nachdem er seine Wut in die herumliegenden Bücher projiziert hatte, presste er nochmals den Stab an ihren Hals. Was hatte er sich nur ins Haus geholt? Was hatte er sich bei Merlin nur eingebrockt, als er Granger an sich und das Haus band? Er hielt ein Mädchen gefangen, auf das er unglaublich wütend war. Draco war wirklich sauer, was den Grund rechtfertigen würde, sie in Stücke zu fluchen. Aber würde ihn das weiterbringen? Mitnichten, denn selbst wenn er sie in ihre Einzelteile zerlegt hätte, fände dieses Weib einen Weg, sich ihm weiterhin zu widersetzen. Was also sollte er noch machen?

 

Er sollte schleunigst darüber nachdenken und währenddessen trinken. Ja, viel trinken. Das erschien ihm im Moment als eine passable Lösung, die er dringend umsetzen sollte. Draco wollte einen doppelten Whiskey trinken, während er nachdachte – das war stets seine Passion gewesen. Abschließend war er seine Todessermaske mit voller Wucht nach hinten, dass man den Aufprall gegen die Wand deutlich hören konnte.

 

Im Anschluss sank sein Kopf leicht nach unten, bevor er ihn nochmal nach oben hob und das eingeschüchterte Mädchen ansah. „Raus, Granger.“

 

Wortlos sah sie ihm entgegen, ohne etwas zu tun, was mit seinen Worten in Relation stand.

 

„Raus!“ Brummend legte er seinen Kopf in den Nacken, weil er seine Fassung nicht verlieren wollte, aber sie machte es ihm unglaublich schwer und eigentlich gehörte dieses Mädchen in die Kerker, aber war es zu fassen? Er konnte ihr nicht einmal das antun, geschweige denn ihr Wesen in irgendeiner Art verletzen, weil es ihn womöglich noch mehr schmerzen würde. Verdammte Axt. Er konnte ihr nicht einmal mehr Leid zufügen, da sich sein Inneres vehement dagegen sträubte.

 

Oh, er entwickelt Gefühle? Ich hätte da eine Vermutung, die -“

 

Nein! Seine Stimme würde ihm nichts mehr einreden – keine falschen Wahrheiten mehr, keine leeren Floskeln. Gar nichts mehr. Rigoros blockte er ab und fixierte sich vollständig auf seinen Zauberstab, den er in seiner linken Hand hielt. Wenn er diese Stimme fangen könnte, hätte er ihr längst den Garaus gemacht – soviel stand fest.

 

Ferner drehte er sich von ihr und dem Kleiderschrank weg, aber noch immer verharrte sie in ihrer Position, wie er zornig feststellte, als er sie wutentbrannt über seine Schulter hinweg ansah. „Bist du schwerhörig?“, feuerte er ihr entgegen. „Raus hier, Granger.“

 

Aber sie gehorchte ihm nicht. Stattdessen stand sie immer noch wie zur Salzsäule erstarrt an seinem Kleiderschrank, was ihn nur rasender werden ließ. Verdammt. Ob sie das absichtlich tat, indem sie seinen Befehlen nicht Folge leistete? Infolgedessen schritt er hasserfüllt zu einem kleinen Holztisch, den er mit einer Hand umwarf.

 

„Verschwinde endlich, verdammt nochmal!“ Um seiner Drohung noch mehr Ausdruck zu verleihen, zog er seinen Zauberstab, den er sofort einsetzte und sie mit einem ohrenbetäubenden Zauber – der unvermittelt neben ihr einschlug – zur Flucht bewegen wollte.

 

Und es schien zu helfen. Der Einschlag ließ sie aus ihrer Starre erwachen, woraufhin sie ängstlich davonrannte – durch das große Portal. Hermine nahm zwei Stufen auf einmal und hätte fast Akina umgerannt, die inmitten der Stufen plötzlich aufgetaucht war, um ihren Herren zu fragen, welches der Zimmer für seine Mutter hergerichtet werden sollte, da Draco es bevorzugte, seine Mutter in einem der Gästezimmer unterzubringen, statt in ihrem Schlafzimmer, das voller Erinnerungen an Lucius war. Aber auch das war Hermine herzlich egal, sofern sie von diesen Beweggründen gewusst hätte. Sie wollte einfach nur noch hier weg. Raus aus diesem schrecklichen Haus, in dem sie selbst schon so viel Leid mit ansehen musste.

 

„Miss?“, entkam es der Elfe irritiert, die ihre Hände nach oben hob, um Hermine aufzuhalten. Nebenbei sprang sie zwei Stufen hinunter, weil sie dem Mädchen hinterherrennen wollte, aber Hermine war bedeutend schneller und hatte die Eingangshalle, samt Portal bereits erreicht. „Miss, so warten Sie doch bitte.“

 

„Es tut mir leid, Akina – versprochen oder nicht. Aber ich kann nicht eine Minute länger hier bleiben“, rief sie über ihre Schulter und zog sich gleichzeitig ihren Umhang über, bevor sie die Tür aufzog und die liebe Elfe zurückließ. Die kleine Elfe, die sich als erstes Malfoy widersetzte und Hermine in die Küche geführt hatte. Die Elfe, die ihr jeden Tag das Frühstück brachte und ihr Bett gemacht hatte... Schwungvoll riss Hermine derweil das Eingangsportal auf und lief eine weitere Treppe hinab. Sie rannte krächzend den Kiesweg entlang und sah am Ende des Weges das schmiedeeiserne Tor. Oh Merlin, sie würde es einfach aufreißen und nach draußen stürmen – weg von Malfoy, weg von allem. Ganz egal, was sie danach zu erwarten hatte. Es war egal, dass sie Malfoy ihr Wort gab, für immer hier zu bleiben. Es war sowas von egal. Selbst wenn das Ministerium sie einsammeln und wieder hier abliefern würde, angesichts dieses dubiosen Abkommens Hermine hier festhalten zu dürfen. Es war vollkommen egal, denn obwohl Malfoy die Macht hatte, sie auf legalem Weg zu zwingen hier zu bleiben, war es immer noch Hermine, die im Bezug auf ihre Geiselnahme das letzte Wort hatte. Undsi würde ihrem Gefängnis nun den Rücken kehren, denn hinter dem Wald, den sie bereits erkennen konnte, war irgendwo Tante Milas Haus, in dem ihr Vater bestimmt auf die warte würde. Es wäre ein wenig zu laufen, aber dieses Hindernis nahm sie liebend gerne in Kauf.

 

Während sie immer schneller lief, bemerkte sie gar nicht, dass die Erde unter ihren Füßen mit jedem Schritt den sie tat, immer kräftiger zu beben begann. Hermine war so sehr darauf fixiert gewesen, dieses Tor zu öffnen, als dass sie überhaupt ihre Umgebung wahrnehmen konnte.

 

 
 

~*~

 

 

 

Inzwischen war Draco in seinem Schlafzimmer bestimmt schon dutzende Male im Kreis gelaufen. Die Maske, die auf dem teuren Parkettboden vor dem Schrank lag, starrte mit leeren Augen zur Decke hinauf und bekam nicht die Aufmerksamkeit von Draco, die man ihr zu Voldemorts Glanzzeiten schenkte. Merlin, diese dämliche Maske hatte alles ruiniert. Aber wieso musste sie auch in sein Zimmer gehen? Hatte er ihr nicht am ersten Tag ganz unmissverständlich klar gemacht, dass dieser Bereich des Hauses tabu war? Warum hatte sie immerzu den Drang, gegen Regeln – und speziell gegen seine – zu verstoßen? Das, genau das, hatte sie auch schon in Hogwarts getan – zusammen mit Potter und Weasley. Schnaufend marschierte er zurück in das Studierzimmer, in dem sie mit Sicherheit auch gewesen war. Doch anders als sie, setzte er sich in den Stuhl und zog die Schublade auf, in der sonst immer die Maske lag. Tja, er hatte die Maske – nachdem er beschlossen hatte, ihr in die Stallungen zu folgen – wahllos auf den Stuhl geworden. Ein Fehler, der auf seine Kappe ging. Aber – und das war sein Glück – hätte sie die Maske in der Schublade gefunden, wäre sie auch auf ihren Zauberstab gestoßen...

 

Was war nun das größere Übel? Dass sie die Maske fand oder noch immer ohne Zauberstab herumirrte?

 

Und wieso hatte er seine Maske überhaupt noch? Nun, er behielt die Maske, damit er diesen abscheulichen Krieg niemals vergessen würde. Dass er niemals vergaß, wie viele Opfer – auf beiden Seiten – dieser Krieg gekostet hatte. Damit er niemals vergaß, auf welcher Seite er stand – nämlich auf der falschen. Diese Maske – so viel Blut auch daran klebte – würde ihn immer wieder in die Realität zurückholen. Sie würde Draco immer daran erinnern, was er getan hatte. Sie würde ihm anhaltend seine Fehler aufzeigen und ihn daran erinnern, nie mehr dieser gefährlichen Macht zu verfallen und während er zeitgleich überlegte, wie er den Westflügel vor ihr schützen konnte – weil er nicht noch einmal wollte, dass sie in seine graue Welt eintauchte und sie vielleicht auch vor weiterem Elend bewahren wollte -, kam Akina aufgewühlt hineingestürmt.

 

„Herr!“, piepste die Elfe aufgeregt und fuchtelte wild mit ihren dürren Armen.

 

„Nicht jetzt, Akina“, murmelte Draco – den Blick zur Seite geneigt.

 

„Aber Herr, die -“

 

„Akina, lass mich alleine“, forderte er das ängstliche Geschöpf mit ruhiger Stimme auf.

 

„Herr, bitte hört Akina an. Die -“

 

„Akina!“, brüllte Draco letztendlich, weil er sich nicht noch einmal erklären wollte, es aber dennoch tat. „Ich sagte, du sollst abhauen. Raus hier!“ Fingen seine Elfen etwa auch an, sich gegen ihn zu stellen? Planten sie etwa eine Revolte gegen ihn oder woher kam der Mut, seine Befehle wissentlich zu missachten? Lag es an Granger, dass sie für sie Partei ergriffen? Merlin, sie alle konnten froh sein, dass er sie nicht bestrafen würde – dafür, dass sie Granger ungeachtet in seine Räume gelassen hatten.

 

Folglich zuckte das magische Geschöpf zusammen, bevor sie im Schleier des aufgewühlten Feinstaubes verschwand, um einer Bestrafung zu entgehen, weil sie bereits zu weit gegangen war.

 

„Diese verdammten Elfen“, knurrte er und schlug mit der geballten Faust auf den Tisch, den er am liebsten verbrannt hätte, weil es ein altes Erbstück von Lucius gewesen war. „Scheiß Granger!“

 

Wieso konnte Potter nicht endlich aufwachen und das Schlammblut retten? Weasley – der wandelnde Misserfolg – würde sich nicht wagen, seinen Grund und Boden ungefragt zu betreten. Dazu fehlte ihm die nötige Courage, aber dem Narbengesicht traute er zu, dass er hierher käme. Potter besaß dieses heuchlerische Helden-Gen, das er gerne nach außen trug. Aber nein, Sankt Potter musste ja im Koma liegen, wo er offenbar beschloss, nicht mehr aufzuwachen, weil es sich so viel schöner leben ließ. Ja, er schien nur darauf zu warten, bis der ganze Spuk vorbei war. Weasley hingegen war feige und schickte Draco bloß mehrere Briefe und keinen hatte der blonde Malfoy-Junge bisher beantwortet. Er würde sich hüten, etwas derartiges zu tun.

 

Der Gedanke an Weasley trieb ihn fast zur Explosion. Wütend öffnete er die zweite Schublade, in der die zerknüllten Briefe von Ronald Weasley verstaubten. Wahllos hatte er nach dem erstbesten Brief gegriffen, den er im Anschluss glatt strich und las.

 

Ich verzichte getrost auf eine formelle Begrüßung, Malfoy, aber wieso antwortest du mir nicht? Ich habe dich bereits mehrmals darum gebeten, mir endlich deine Erlaubnis zu geben, dass ich Hermine zumindest sehen und mich davon überzeugen kann, dass es ihr gut geht. Ich erwarte gar nicht, dass du mir erklärst, wieso sie bei dir ist, aber bitte erlaube mir doch wenigstens, Hermine zu sehen.

 

Wieso tust du das?

 

Ich bettle doch schon. Das ist es doch, was du immer willst, oder? Dass man dich um etwas bittet, im schlimmsten Fall anfleht und um Gnade winselt. Was willst du noch?

 

Draco konnte schon anhand der immer unsauber werdenden Schrift erkennen, wie viel Kraft und Überwindung es den rothaarigen Jungen gekostet haben musste, ihm diese Zeilen zu schreiben.

 

Wieso lässt du sie nicht gehen, wenn du mir schon nicht erlaubst, nach Malfoy Manor zu kommen? Was erhoffst du dir nur? Wenn Harry wüsste, was du dir erlaubst, er würde dich ins Nirwana hexen, das versichere ich dir, Arschloch.

 

„Oh“, äffte Draco und sah die Zeilen an, „wenn Harry das wüsste. Du dummer Idiot, Potter weiß es aber nun mal nicht und dir fehlen die Eier dazu, etwas zu unternehmen.“ Ihm wäre es auch lieber, wenn der Goldjunge hier antanzte, aber das ging ja nicht und Granger einfach gehen lassen, konnte er auch nicht. Wie stünde er denn da? Wie ein feiger Schwächling, der an seinen Prinzipien nicht festhalten konnte. Ha, nein. Dieser Schmach würde er sich niemals freiwillig aussetzen.

 

Du weißt scheinbar nicht, was Hermine alles mitmachen musste? Sie hat erst ihre Mutter verloren – soll sie jetzt auch noch ihren Vater und ihre Freiheit verlieren? Wieso quälst du sie nur so dermaßen? Ich kann nicht verstehen, wieso das Ministerium so etwas duldet.

 

Als ob Weasley ihn damit ködern konnte. Und wieso das Ministerium so etwas duldete? Weil er die nötigen Mittel besaß, darum. Er spendete Summen in beträchtlichem Ausmaß, die Weasley nicht einmal aussprechen könnte. Natürlich bekam er im Gegenzug das, was er wollte und konnte damit bezwecken, dass Granger ihre Strafe hier absaß. Er hätte dem rothaarigen Bastard doch antworten und ihn fragen sollen, ob es ihm lieber gewesen wäre, seine Prinzessin in Askaban zu sehen. Sollte sie dort zu Grunde gehen, ja? Wäre das dem Wiesel lieber gewesen? Denn das wäre die Alternative gewesen, wenn er ihr damaliges, unbefugtes Betreten seines Grundstücks zur Anzeige gebracht hätte. Und Draco ärgerte sich, dass er diesen einfachen Weg nicht gegangen war – all seine Sorgen, bezüglich Granger, wäre er los gewesen. Ja, es ärgerte ihn maßlos, dass er auf die Gefühle dieser undankbaren Gryffindor eingegangen war und sie vor Askaban bewahrt hatte. Er hätte jetzt hier sitzen und genussvoll seinen Whiskey trinken können, ohne Weasleys dämlichen Brief in der Hand. Er könnte Frauen verführen, wann immer er Lust dazu hätte. Alles Alltagssituationen, die ihm lieber waren als das, was er jetzt hatte.

 

Ich schwöre dir auf Merlins Grab, wenn du ihr etwas antust oder etwas gegen ihren Willen von ihr verlangst, dann prügle ich alles aus dir heraus – ich reiße dir alle Gedärme und Gliedmaßen aus deinem schäbigen Körper.

 

Ron Weasley

 

Etwas gegen ihren Willen? Nochmals las Draco die Passage, bevor er den Brief mit schnalzender Zunge auf die Oberfläche des Schreibtischs warf. Unfassbar, dieser Junge. So nötig hatte es Draco nun auch wieder nicht, obwohl er sehr wohl eine Gegenleistung von Granger erwarten könnte. Schließlich hatte er dafür bezahlt, dass sie hier bleiben konnte und vor Askaban verschont wurde. Fünftausend Galleonen hatte er gezahlt, damit Granger nichts geschah. Da könnte er verdammt nochmal auch von ihr verlangen, mit ihm zu schlafen. Aber er hatte auch fünfhundert Milliarden Galleonen von Lucius geerbt – da taten ihm fünftausend Galleonen nicht weh, solange er das bekam, was er wollte.

 

Missgestimmt nahm er daraufhin nochmal den Brief, um ihn zu den anderen zerknüllten Briefen in die Schublade zurückzuwerfen. Anschließend legte er sich entspannt in seinen Stuhl zurück, um das Weasley-Problem auszublenden. Seinen Kopf lehnte er ebenfalls zurück und schloss die Augen, um nachzudenken. Aber nicht einmal das schien man ihm zu gönnen. Nein, niemand gönnte ihm etwas – nicht einmal die dumme Erde, die von einer fürchterlichen Erschütterung heimgesucht wurde und Draco fast aus dem Stuhl geworfen hatte.

 

„Verdammt, kann man in diesem verfluchten Haus nicht einmal seine scheiß Ruhe haben?“, rief er zur hellen Decke hinauf, doch antwortete sie ihm nicht und wieder ballte er seine Hände zu Fäusten, bevor er zum Fenster schritt und zum Eingang seines Grundstücks starrte – wo ihn ein Bild erwartete, das ihm das Blut in den Adern gefrieren ließ. Grundgütiger, war das etwa Granger?

 

Bei Merlin!

 

Hatte er ihr nicht auch noch gesagt, dass sie die Grenze nicht überschreiten durfte, wenngleich sie nicht wusste, wo die Grenze anfing? Egal, er hatte es ihr jedenfalls gesagt und hatte schon wieder nicht auf ihn gehört. Verdammt. Er ließ alles stehen und liegen und rannte die Treppen hinunter – Granger zur Hilfe eilend.

 

 
 

~*~

 

 

Es kam ihr vor wie ein Fußmarsch durch Sibirien, aber sie erreichte endlich das Tor, das sie in die lang ersehnte Freiheit entlassen würde. Nur wenige Meter trennten Hermine von der Freiheit, weshalb sie immer schneller darauf zulief und ihre Hand nach dem Griff des Tores ausstreckte. Sobald sie es berührt hatte, passierte alles im Bruchteil einer Sekunde. Es geschah so rasend schnell, dass Hermine gar nicht frühzeitig reagieren konnte. Die feste Erde unter ihren Füßen heulte auf, sie bebte unaufhörlich, sie wurde weich und matschig, was Hermines Halt in Mitleidenschaft zog. Ihre Hand wurde von einer anderen, unbekannten Macht vom Griff zurückgezogen, bevor sich die Erde unter ihr spaltete und eine Kluft entstand – ein Abgrund, so tief, dass man das Ende nicht ausmachen konnte.

 

Panisch versuchte sie sich auf den Beinen zu halten. Hermine versuchte vergeblich, nach hinten zu gehen – was angesichts ihres Schocks, aber auch der Faszination des Zaubers nicht so einfach war. Währenddessen verschluckte die unendliche Tiefe das Tor, bevor diese Feuer nach oben zur Oberfläche spuckte. Es war ein Bild des Grauens – jenseits von Gut und Böse. Das Feuer war so strahlend hell, dass es Hermine blendete und sie nichts mehr sehen konnte. Aus ihrem Reflex heraus hob sie die Arme vor ihre Augen, weshalb sie nicht sah, wie der Flecken unter ihr bröckelig wurde, die Risse immer breiten wurden und sich schlussendlich teilte. Ein großes Stück Erde brach ab – ausgerechnet dort, wo sich Hermines linker Fuß befand. Schreiend entfernte sie die Arme vor ihrem Gesicht, verstummte und blickte nach unten, bevor sie in den Abgrund hinabrutschte. Mit letzter Kraft gelang es der verschüchterten Hexe, sich an einer heraushängenden Wurzel festzuklammern.

 

„Oh nein, Hilfe!“, schrie Hermine aus Leibeskräften, während ihr Körper in der Luft taumelte und sie gleichzeitig versuchte, mit ihren Füßen irgendwo an der lehmigen Wand Halt zu finden. Hinzu kamen ihre schwindenden Kräfte, die sie alsbald in die Knie zwingen würden.

 

Außerdem... wer konnte schon wissen, wie lange die Wurzel ihr Gewicht tragen konnte?

 

„Malfoy!“, kreischte sie nach oben, doch glitt ihr Blick immer wieder hinab – hinab in die Schlucht, die keinen Boden hatte. Stattdessen wütete unter ihr ein Sturm aus Lava und Feuer. „Malfoy, bitte hilf mir!“

 

Und es fiel ihr wie Schuppen von den Augen, was dazu führte, dass sie sich in dieser brenzligen Situation befand – Hermine hatte die Grenze überschritten. Sie durfte sowohl das Haus, als auch das Grundstück nicht verlassen.

 

Das Haus wird es zu verhindern wissen...

 

Das waren Malfoys Worte, als sie ihre Strafe angetreten hatte und dieses Anwesen hielt sich strikt daran. Im Gegensatz zu Hermine gehorchte es seinem Herren, indem es Hermines Flucht verhinderte. Grundgütiger, das Haus würde sie unter der Erde begraben, nachdem die Flammen sie verschluckt hätten...

 

„Malfoy, bitte!“, schrie sie erneut nach oben, aber wieso kam er nicht? Würde er sie wirklich sterben lassen – hier in dieser Kluft? Hatte er es letzten Endes darauf angelegt, dass sie fluchtartig das Haus verließ, um sich ihr zu entledigen und darauf zu hoffen, dass das Haus den Rest erledigte? Großer Gott, plötzlich rann der Schweiß in Strömen über ihren Körper. Die Hitze, die unter ihr aufstieg war erdrückend und würde schlussendlich dazu führen, dass sie sich nicht mehr lange an der Wurzel festhalten konnte. Zusätzlich stieg ihr dunkler Rauch in die Nase, der sie – je länger sie dem Dunst ausgesetzt wäre – in die Ohnmacht treiben würde, was ebenfalls zum sofortigen Tod führte. „Bitte lass mich nicht hier unten sterben!“

 

Es war der Situation geschuldet, dass sie bitterlich zu weinen anfing. Ja, sie würde sterben. Malfoy würde nicht hierher eilen und sie retten, egal wie laut sie auch schreien würde, egal wie sehr sie um eine schnelle Rettung bettelte und... und sie verstand ihn. Würde sie ihm helfen? Aber darüber konnte sie sich keine Gedanken machen, da sie weiterhin kläglich versuchte, ihre Füße in die harte, lehmige Erde zu rammen, um etwas mehr Halt zu haben, statt sich auf eine vereinzelte Wurzel zu verlassen. Allerdings war der Lehmboden so hart, dass sie befürchtete, es nicht zu schaffen und mehr Schwung in ihren Körper konnte sie auch nicht bringen, aus Angst, dass ihre verschwitzten Hände sich nicht länger an der Wurzel festhalten konnten.

 

„Granger?“

 

Von der Panik ummantelt, blickte Hermine nach oben – in das Gesicht von Draco Malfoy. Würde er jetzt zusehen, wie sie abstürzte? Sie hoffte nicht. „Malfoy, dem Himmel sei Dank. Bitte... Bitte zieh mich rauf“, hustete sie ihm entgegen, die Augen aufgrund des Qualms zusammengekniffen.

 

Blitzschnell sank der ehemalige Slytherin auf die Knie, ehe er seinen Arm nach unten ausstreckte. Seine Sinne teilten ihm unterdessen mit, dass die Erde unter ihm fest genug war, um sich abstützen zu können. Ja, sein Haus würde nicht zulassen, dass er abstürzte. Das Haus schützte schließlich seinen Erben.

 

„Nimm meine Hand“, ächzte er und streckte seinen Arm so weit nach unten, wie es ihm möglich war.

 

„Ich... Ich kann nicht“, röchelte Hermine verzweifelt zurück und sah zu den aufbrausenden Flammen.

 

„Doch, du kannst. Lass eine Hand los und gib sie mir.“

 

Bitte was? Sie sollte eine Hand von der rettenden Wurzel lösen? War er denn verrückt geworden? Sie würde sofort nach unten fallen, da sie nicht genügend Kraft hatte, um sich mit einer Hand festzuhalten. „Nein, das... das geht... nicht. Ich... Ich werde fallen, wenn... ich die Wurzel loslasse.“

 

„Granger, sieh mich an“, befahl er und war dankbar, dass sie diesem Befehl endlich nachkam. Eindringlich sah er in ihre Augen, in denen er die Angst deutlich herauskristallisieren konnte. „Ich werde dich nicht fallen lassen, aber du musst mir dabei helfen, in Ordnung?“

 

„Malfoy, bitte! Bitte tu etwas“, brüllte sie angsterfüllt. Sie war so in Panik versetzt, dass sie sich nicht mehr konzentrieren konnte. Sie verstand nicht, dass Malfoy ihr helfen wollte.

 

„Sieh nicht nach unten, Granger. Sieh mich an!“

 

„Malfoy, ich... ich hab Angst!“, erwiderte sie mit Tränen in den Augen, die sofort vertrockneten, anlässlich der Hitze, der sie ausgesetzt war.

 

Was sollte er machen? Er kam einfach nicht weit genug nach unten, um sie am Arm packen zu können. Sie mit Magie hinaufschweben lassen ging auch nicht. Das Haus wollte sie strafen, weil sie weglaufen würde. Würde Draco mit Magie dazwischenfunken, würde das Haus nur noch wütender werden – nicht auf ihn, aber auf Granger. Dass sie dadurch noch mehr Schaden davontragen würde, konnte er mit seinem Gewissen auch nicht vereinbaren. Hinzu kam Grangers Angst... Etwas, das ganz neu für ihn war, was ihm aber gleichzeitig erneute Divergenzen zwischen ihnen aufzeigte. Granger konnte ehrlich zugeben, dass sie Angst hatte. Etwas, das Draco nicht konnte... Eine weitere Möglichkeit sie aus dem Dilemma zu befreien, wäre womöglich sein Besen gewesen, aber diese Idee schlug er sich ebenfalls aus dem Kopf. Der Schweif des Besens würde vermutlich Feuer fangen, was die Balance des Flugbesens erheblich beeinträchtigen würde.

 

Ihm fiel nur noch eine Möglichkeit ein. „Brisko!“, brüllte er über seine Schulter hinweg.

 

„Herr, Ihr habt -“ Weiter konnte der Elf nicht sprechen, als ihm bewusst wurde, was sich gerade vor seinen großen Augen abspielte. Es versetzte den alten Elfen in Panik.

 

„Brisko, halt meine Beine fest.“ Sie hatten keine Zeit, sie mussten sofort handeln. Draco legte sich flach auf den Bauch und robbte sich anschließend nach vorne – so hatte es auch Blaise getan, als Draco einmal im Eis eingebrochen war... Was Jahre zurücklag, als sie noch kleine Kinder gewesen waren... Binnen kürzester Zeit hatte er wieder den Blick auf das Wesentliche richten und sich auf Granger fokussieren können. Dank Brisko, der Dracos Beine fest umschlang, kam er ein gutes Stück weiter als zuvor. Jetzt müsste Granger nur noch ihre Hand loslassen, damit er sie hinaufziehen konnte.

 

Aber die Angst die sie umhüllte... Sie macht ihm einen Strich durch die Rechnung.

 

„Granger, lass eine Hand los. Ich kann dich sonst nicht hinaufziehen.“

 

Kritisch blickte Hermine nach oben und sah, wie weit sich Malfoy in die Schlucht hinabließ – ihretwegen. Sollte sie es wirklich versuchen und... und ihm vertrauen? Es kam ihr vor, als wären Jahre vergangen, seit sie eine solch enorme Angst verspürt hatte.

 

„Bitte, Granger“, rief er ihr aufmunternd zu. Auch ihm stand bereits der Schweiß auf der Stirn. Selbst seine Haare waren nass und vereinzelt tropften Schweißperlen hinab, die während des Falls verdampften. „Ich verspreche dir, dich nicht fallen zu lassen!“

 

Indessen kämpfte Hermine mit sich. Sie hatte furchtbare Angst. Nicht nur, dass sie sterben konnte, nein, sie konnte Malfoy nicht vertrauen. Er hatte ihr nie das Gefühl gegeben, ihm vertrauen zu können. Er hatte ihr nie etwas Gutes getan. Wie sollte sie demzufolge eine Hand loslassen, damit Malfoy angeblich nach dieser greifen konnte? Ihr blieben nur zwei Möglichkeiten. Entweder sie würde solange hier hängen, bis sie sich nicht mehr halten konnte, oder sie vertraute dem Menschen, der sie lieber tot, statt lebendig sah. Noch einmal blickte sie hinunter – zur tosenden Lava, die Hermine verschlingen würde, wenn sie sich für ihre erste Wahl entschied.

 

Aber das Mädchen mit den gezähmten Locken, die mittlerweile in sanften Wellen über ihren Rücken fielen, entschied sich für Letzteres.

 

„Malfoy“, stöhnte Hermine, die sich davor krampfhaft in ihrer Unterlippe verbiss, „bitte, ich flehe dich an. Bitte lass mich nicht fallen“, keuchte sie und krampfte sich mit ihrer letzten Kraft an der Wurzel fest.

 

„Versprochen!“, entgegnete Draco entschlossen und beugte sich noch ein wenig tiefer in die Schlucht, um ihr zu signalisieren, dass er sofort nach ihrer Hand griff, sobald sie sie gelöst hätte.

 

„Okay!“, krächzte sie, ehe sie noch einmal ihre letzten Reserven zusammensammelte und ihre Hand kraftvoll nach oben hob.

 

„Noch ein bisschen höher!“ Nicht nur ihre Hand war feucht, auch Dracos Handinnenfläche schwitzte, weshalb er das Risiko wagen musste und sich noch weiter in die Schlucht hinablassen musste. Brisko quälte sich indessen mühsam hinter ihm, doch hielt er tapfer die Beine seines Herren fest und Draco hoffte inständig, dass der Elf sein Gewicht halten konnte, denn er müsste sich so weit hinunter schieben, bis er Grangers Hand packen konnte. „Granger, nimm endlich meine Hand!“

 

Wild wirbelte das Mädchen mit seiner Hand hin und her, doch sobald sie Dracos Hand berührte, entglitt sie ihm.

 

Intuitiv wischte er seine Hand an seinem Umhang trocken, ehe er sie nochmals Granger entgegenstreckte. Er hätte ihr auch den Umhang hinunterwerfen können, doch in ihrer jetzigen Verfassung, in der Erschütterung, in der sich Grangers Geist befand, bezweifelte er, dass sie seine Handlung deuten konnte – selbst wenn er es ihr sagen würde. Granger war von ihrer Angst so eingenommen, dass sie vermutlich nicht einmal mehr eins und eins zusammenzählen konnte. Derweil hielt sie immer noch ihre freie Hand nach oben, aber das würde nichts bringen – ihre Hand war zu schwitzig. Also musste er die Initiative ergreifen, indem er ruckartig nach ihrem Handgelenk griff.

 

Ja! Endlich.

 

Endlich hatte er etwas, woran er sie nach oben ziehen konnte. Und bei Merlin, er würde dieses Handgelenk so lange festhalten, bis sie beide wieder festen Boden unter ihren Füßen hatten. Nicht eher würde er dieses Gelenk loslassen. Mit ganzer Kraft zog er anschießend ihren Arm nach oben, aber er bemerkte auch, dass ihre Kräfte nachließen. Schön, er würde sie demzufolge ganz ohne ihre Hilfe hinaufziehen müssen.

 

Aber dann war das eben so.

 

Nach zehn nervenaufreibenden Minuten hatte er Granger endlich aus der Kluft hinaufziehen können. Merlin, das war anstrengend. Vorsichtig platzierte er ihren Körper auf den Boden, entledigte sich seines Umhangs, den er über ihren bebenden Körper legte und wandte sich wütend dem Haus zu, dem er schreien befahl, sich endlich zu beruhigen, woraufhin sich auch die Schlucht vor seinen Füßen eigenständig schloss... Im Bruchteil einer Sekunde war Ruhe eingekehrt...

 

„Granger?“, flüsterte er ihr zu, doch sie antwortete ihm nicht. Sie hatte bereits in der Schlucht das Bewusstsein verloren und nun lag sie hier – bewusstlos zwischen seinen Beinen, geschützt durch seinen Körper, den er über ihren beugte. Hier liegen lassen konnte er sie aber auch nicht. Missmutig verzog er daraufhin den Mund, ehe seine Arme unter ihren Körper fuhren, um sie schlussendlich ins Haus zu tragen. Unbeabsichtigt hatte er sie so auf seine Arme gehoben, dass ihr Kopf gegen seine Schulter gelehnt war und nun lag sie da – federleicht in seinen Armen.

 

„Malfoy?“

 

Überrascht blieb Draco stehen, nachdem er ihre Stimme hörte. Doch nachdem er sie angesehen hatte, waren ihre Augen wieder verschlossen. Lediglich ihr zarte, leise Stimme konnte er noch hören.

 

„Danke“, hauchte sie geschwächt und tauchte wieder in die Ohnmacht, die Hermine wohlbehütet in eine schmerzfreie Welt bringen wollte.

 

Hatte er das gerade richtig verstanden? Hatte Granger sich bei ihm bedankt? Das setzte ihm doch etwas zu, denn wenn Granger sich bedanke, meinte sie das aus tiefstem Herzen ernst. Das konnte Draco mit Bestimmtheit sagen, denn so gut kannte er sie nämlich doch. Sie war nicht der Typ Mensch, der leere Phrasen von sich gab. Nein, Granger war nicht wie Draco.

 

„Brisko, ruf... ruf den Familienheiler.“
 

„Jawohl, Herr.“ Sofort apparierte der Elf.

 

Draco hingegen trug sie den ganzen Weg hinauf zu ihrem Zimmer. Er wollte nicht das Risiko eingehen und sie zersplintern, wenn er apparierte. Vorsichtig legte er sie auf ihrem Bett ab und sah sie an. Merlin, das alles hätte wunderbar schief gehen können... Wieso war sie auch so unsagbar stur und unbelehrbar? Warum musste sie sich auch in sein Zimmer schleichen? Draco hob abschließend die Decke, bedeckte ihren Körper und nahm auf dem Sessel Platz.

 

 
 

~*~

 

 

„Nun, Lord Malfoy“, begann der Heiler, nachdem er den Zauberstab von Hermine entfernte und die hellblaue Blase um ihren Körper verschwand. „Miss Granger hat eine starke Rauchgasintoxikation. Wie lange war sie dem Rauch ausgesetzt?“, wollte er wissen, während er seine Utensilien in eine kleine Tasche hexte.

 

Woher sollte er das wissen? Zufällig hatte er nicht auf die Uhr gesehen, nachdem er nach unten geeilt war, um ihr zu helfen. Aber er hatte für einen kurzen Moment – und das sehr peinlich berührt – Akina dabei zugesehen, wie sie die bewusstlose Granger in bequemere Kleidung hüllte, nachdem er sie auf ihrem Bett niedergelassen hatte. Ja, er hatte sich zwar weggedreht, doch trotzdem hatte er einen kurzen Blick auf ihren halbnackten Körper erhaschen können. Gott, ihre Haut sah einfach umwerfend aus – trotz der Strapazen, denen sie hier täglich ausgesetzt war. Ihr flacher Bauch schrie ihn an – so empfand er es zumindest –, ihn endlich zu berühren...

 

Fuck! Fokus, Draco.

 

„Lord Malfoy?“

 

Unverzüglich reagierte der Angesprochene, der sich nichts anmerken ließ, im Bezug auf seine Gedanken, die momentan Granger und ihrem Körper galten. „Nun, ich kann es Ihnen nicht genau sagen.“

 

Er könnte Ihnen aber sagen, wie lange er das Mädchen angesehen und vor seinem geistigen Auge ausgezogen hat“, fügte die Stimme kichernd hinzu.

 

„Vielleicht zehn oder fünfzehn Minuten?“

 

„Nun gut“, nickte der Heiler bedächtig. „Brauchen Sie medizinischen Beistand, mein Lord?“

 

Draco hasste den Lordtitel, der nach Lucius' Tod auf ihn überging. „Nein, danke“, erwiderte er beiläufig. „Bei mir ist alles in Ordnung.“

 

„Also schön.“ Der betuchte Herr griff nach seiner Tasche und schritt zur Tür, da hier kein Kamin zu finden war. „Ich habe ihr einen Beruhigungstrank gegeben. Vor morgen früh wird sie nicht aufwachen.“

 

„Aber sie wird aufwachen?“
 

Aufrichtig lächelte der ältere von beiden dem jüngeren entgegen. „Lassen Sie sie schlafen, auch wenn es Ihnen womöglich schwer fällt. Aber sobald ihr Körper bereit ist, wird sie auch wieder aufwachen – keine Sorge.“

 

„Sicher?“, wollte Draco ungläubig wissen und ignorierte die dreiste Anspielung des Heilers. Stattdessen ruhte sein Blick auf der schlafenden Granger.

 

„Sicher. Es war gut, dass Sie so schnell reagiert haben, Draco.“ Und zum ersten Mal wirkte der Mann vermutlich menschlich und das sollte schon etwas heißen. Draco kannte den Mann schon sehr, sehr lange – er war diskret und kompetent. Ein Mann, der schon lange im Dienst der Malfoys stand. „Wenn es Komplikationen geben sollte, rufen Sie mich – zu jeder Zeit. In Ordnung?“ Als er jedoch Dracos mürrischen Blick bemerkte, hob er schmunzelnd eine Hand. „Reine Routine, Draco. Schließlich kann es immer zu Komplikationen kommen und ich wollte Sie lediglich darauf hinweisen, dass ich immer erreichbar bin – nichts weiter. Aber es ist schön zu wissen, dass die junge Miss so umsorgt wird.“

 

Der junge Malfoy nickte bloß, während sein Blick auf ihr ruhte. Der Heiler hatte das getan, was nötig war. Alles würde gut werden. Schließlich war Granger zäher als eine Schuhsohle. Hinzu kam, dass sie im Kampf gegen den dunklen Lord eine entscheidende Schlüsselrolle spielte. Da würde eine Rauchvergiftung sie keineswegs umbringen. Außerdem würde er Akina befehlen, in bestimmten Zeitintervallen nach ihr zu sehen und ähnlich wie der Heiler, verschwand auch Draco nach wenigen Minuten aus dem Zimmer.

Hermines Machtlosigkeit

- Kapitel dreizehn -

 

 

Was waren das für grässliche Schmerzen, die Hermine aus ihrem wunderbaren Traum entrissen? Sie fühlte sich, als würden zehn Testrale über ihren Kopf trampeln, aber was war nur passiert, dass sie solche Kopfschmerzen hatte? Dumpf überlegte sie, ob es sich lohnen würde, die Augen aufzuschlagen. Täte sie es, würde ihr Kopf noch mehr brummen, dennoch entschied sie sich, zaghaft die Lider nach oben zu schlagen – was sofort unterbrochen wurde, nachdem das hineinströmende Sonnenlicht ihre Netzhaut berührte und sie blendete.

 

„Merlin, ich hätte die Augen nicht öffnen sollen“, nuschelte sie erschöpft, doch raffte sie sich langsam in ihrem Bett auf. Das Kissen in ihrem Rücken bescherte ihr eine angenehme Position, die sie beibehalten konnte.

 

„Guten Morgen, Miss Granger.“

 

Nun waren ihre Augen sperrangelweit offen. Egal wie sehr das Sonnenlicht sie blendete, Hermine musste die Augen offen halten, da sie die fremde Stimme nicht zuordnen konnte – Akina war es nicht, denn ihre Stimme konnte Hermine mittlerweile sehr gut unter den anderen Elfenstimmen ausmachen.

 

„Wer... Wer ist da?“, stellte sie benommen die Frage, nachdem sie ihre Hand über ihre Augen legte, um das Licht ein wenig abzuschirmen.

 

„Legen Sie sich zurück.“ Feingliedrige Finger drückten Hermines Schulter dezent zurück in ihre Kissen. „Sie haben sicher Hunger, nicht? Aber wo bleiben meine Manieren: Wie geht es Ihnen?“

 

Die junge Frau presste mehrmals ihre Augen zusammen, sie blinzelte verwirrt und öffnete sie anschließend nochmals, ehe sie fast erschüttert feststellen konnte, wer auf der linken Seite ihres Bettes saß. Nochmals blinzelte Hermine, weil sie nicht glauben konnte, dass das Bild der Wahrheit entsprach, weshalb sie auch an ihren Sinnen zu zweifeln anfing.

 

„Misses Malfoy?“, krächzte sie ungläubig. Hermine war regelrecht geschockt über den Anblick der Frau – nicht, weil sie seltsam aussah. Nein, weil sie immer noch nicht wahrhaben konnte, dass Malfoys Mutter neben ihr saß. Gleichsam fragte sie sich, wie lange sie geschlafen haben müsste? Erwähnte Malfoy nicht, dass seine Mutter in einer Woche zurückkommen wollte? Aber unmöglich konnte Hermine eine Woche lang geschlafen haben. Nachdem sie in Rons Armen – nach Voldemorts Fall – zusammengebrochen war, hatte sie drei Tage im St. Mungo durchgeschlafen, aus dem Grund, weil ihr Körper seiner Kräfte beraubt wurde, woraufhin dieser sich erst wieder regenerieren musste, indem er sich den Schlaf zurückholte, der ihm fehlte. Der Sturz in die mysteriöse Kluft konnte sie doch nicht so sehr mitgenommen haben, dass sie eine Woche schlief? Oder war ihr Körper doch so angeschlagen und geschwächt?

 

„Sie scheinen überrascht zu sein?“, durchbrach Narzissa die unangenehme Stille, die sich fortwährend ausbreiten wollte, weil niemand der Frauen scheinbar wusste, was sie sagen sollten.

 

„Ich... Ich muss gestehen, ja. Ich bin etwas überrascht.“ Das war sie wirklich, doch raufte sie sich zusammen, strich verlegen ihre Haare – die wirr in alle Richtungen standen – zurück und betrachtete Narzissa Malfoy. „Misses Malfoy, was machen Sie hier?“

 

„Nun“, begann Narzissa, während sie ihre Nase rümpfte und sich im Zimmer umsah, „ich wohne hier, falls Ihnen das entgangen sein sollte? Außerdem war ich nicht sonderlich angetan, als mein Sohn mir mitteilte, dass Sie, Miss Granger, womöglich ein dauerhafter Gast“, betonte sie spitz, „in unserem Haus sein werden. Nachdem ich dann auch noch hören musste, dass Sie einen Unfall hatten, bin ich unverzüglich zurückgekommen.“

 

„Einen Unfall?“, wiederholte Hermine mit hochgezogener Augenbraue. Das war alles, aber kein Unfall. Hermine wäre beinahe durch die Hand dieses Hauses ums Leben gekommen – beabsichtigt.

 

„Ja, nennen wir es einfach mal Unfall“, bestätigte Narzissa herausfordernd. Sie wusste schon immer, wie sie einen Streit heraufbeschwören konnte, ohne anzunehmen, dass sie diejenige war, die das Pulverfass entzündete.

 

Folglich konnte Hermine daraus schließen, dass sie keine Woche geschlafen hatte. Narzissa – eine Frau, die nicht unbehaglich war, aber ihr auch nicht wohlgesonnen – kam aufgrund Hermines Unfall nach Hause. Auch konnte man anhand ihrer gewählten Worte spüren, dass Narzissa nicht gerne hier war – hier, neben Hermine am Bettrand sitzend. Neidlos musste Hermine aber zugeben, was für eine schöne Frau Narzissa Malfoy gewesen war, die die black'sche Arroganz hervorragend zeigen konnte – gepaart mit der malfoy'schen Arroganz war es sicher keine vorzeigbare Eigenschaft. Aber wann war Arroganz schon vorzeigbar? Nie.

 

„Und da Sie nun aufgewacht sind“, erwähnte Narzissa, die sich abrupt erhob nachdem ihr scheinbar klar geworden war, bei wem sie überhaupt am Bett saß, „und ich mich überzeugen konnte, dass es Ihnen gut geht, werde ich Sie noch ein wenig zur Ruhe kommen lassen.“ Beide Frauen wussten, dass weder die eine, noch die andere in der Gegenwart ihres jeweiligen Gegenübers sein wollte. Narzissa war nur noch zu höflich, es auszusprechen, weshalb sie ihren Abschied nett verpackte. „Allerdings würde ich es begrüßen, wenn Sie uns während dem Essen Gesellschaft leisten.“ Im Anschluss – ohne Hermine zu Wort kommen zu lassen – verließ sie das Zimmer, um sich selbst wieder in einem der Gästezimmer einzurichten. Lange würde sie hier nicht verweilen. Hermine Grangers Gefangenschaft war ihr ein Dorn im Auge – nicht, weil sie das Mädchen mochte, sondern sich dem Mädchen verbunden fühlte. Denn nichts anderes hatte Lucius mit ihr getan – sie in diesem Haus gefangen zu halten. Sie war – im Gegensatz zu Hermine Granger – nur zu streng erzogen worden, um sich dem stärkeren Geschlecht zu widersetzen. Ja, Narzissa trotzte ihrem Schicksal und hatte es akzeptiert. Was sie nicht akzeptieren wollte, war, dass Hermine Granger weiterhin hier lebte und dieses Mal konnte ihr Sohn ihr nicht einfach eine Eule zukommen lassen und sich einem weiteren Gespräch entziehen.

 

Anstandshalber klopfte sie sogar gegen Dracos Tür, nachdem sie den Westflügel erreichte und betrat ihn auch erst, als Draco ihr die Erlaubnis dazu erteilte und sie hineinbat.

 

„Mutter, dich hatte ich gar nicht erwartet?“, begrüßte er sie gelangweilt, als er seinen Kopf hob und ihre Erscheinung im Türrahmen erblickte. Aber wen hätte er sonst erwarten sollen? Etwas Granger? Nein, diese Person hatte er hier ganz bestimmt nicht erwartet und schon gar nicht nachdem, was gestern passiert war. „Wie kann ich dir helfen?“

 

„Ich war gerade bei Miss Granger“, antwortete Narzissa brüsk, bevor sie die Tür schloss und sich ihrem Sohn näherte, der am Schreibtisch saß und sich irgendwelche Unterlagen durchsah.

 

„Warst du das?“, entgegnete er lauernd, aber doch so, dass es belanglos klang. Er wollte keineswegs interessiert klingen. „Ist sie wach?“, wollte er weiterhin teilnahmslos wissen.

 

„Das interessiert dich doch nicht etwa?“ Augenblicklich hielt sie für wenige Sekunden in ihren Schritten inne, ehe sie zu Draco aufschloss und ihre Hände auf dem gegenüberliegenden Stuhl abstützte.

 

„Es interessiert mich nicht.“ Verdammt. Draco hatte vergessen, dass seine Mutter eine intelligente Frau war, die im Bezug auf so etwas ein ausgeprägtes Gespür hatte. Aber er würde sich nicht von ihr durchschauen lassen. Stattdessen würde er sich später selbst von ihrem Wohlergehen überzeugen. Es war immerhin sein Haus, worin er entscheiden konnte, wann und wo er sich befand. Und wenn das Grangers Zimmer war, dann war es eben Grangers Zimmer, verflucht. Diesbezüglich müsste er sich nicht vor seiner Mutter rechtfertigen.

 

Indessen hatten ihre Füße sie zu einem der Fenster getragen, die Gardinen waren zur Seite gezogen, wodurch sie einem herrlichen Herbsttag entgegensehen konnte. Draco aber sah ihre tiefen Augenringe, er bemerkte ihre blasse Haut, sowie die eingefallenen Wangen. Er hasste es selbst, aber der Gemütszustand seiner Mutter zog nie spurlos an ihm vorbei. Sogar ihre Angst die sie hatte, nachdem man Draco im sechsten Schuljahr auftrug, Dumbledore zu ermorden, hatte ihn tief bewegt. Ja, er konnte damals die Panik in ihren blauen Augen sehen.

 

„Bist du sicher, dass es dich nicht interessiert?“

 

„Ich bin mir sicher, Mutter.“ Es gefiel ihm nicht, seine Mutter zu belügen, denn es interessierte ihn sehr wohl, aber er wollte Narzissa nicht mehr zumuten als nötig. Würde er zugeben, dass ihn Grangers Gesundheitszustand interessierte; Merlin, seine Mutter würde womöglich aus dem Fenster springen. Draco konnte sich nicht einmal erklären, wieso er daran interessiert war. Wahrscheinlich, weil sie hier lebte und er in gewisser Weise Verantwortung für sie trug? „Und jetzt hör auf, alles in Frage zu stellen, was ich antworte.“

 

„Worüber denkst du sonst nach?“ Narzissa drehte sich nicht weg, sondern schaute beharrlich in die Ferne. Worauf sie wartete, während sie aus dem Fenster sah, konnte sie nicht genau sagen, aber etwas sagte ihr, dass Draco log und diese Lüge wollte sie nicht in den Augen ihres Sohnes sehen.

 

„Über nichts besonderes. Ich gehe lediglich die Zahlen der Spenden durch – nichts aufregendes.“ Nach Lucius' Tod hatte er die Aufgaben seines Vaters übernommen – langweilige Tätigkeiten, die ihn nicht forderten.

 

„Denkst du... Denkst du über das Mädchen nach?“, rückte seine Mutter spärlich mit den Worten heraus und sah nur halb über ihre Schulter – nicht direkt in das Gesicht ihres einzigen Kindes, das sie vermutlich belog.

 

Sicher dachte er über Graner nach. Täglich, wenn nicht sogar stündlich kreisten seine Gedanken um sie, aber auch diese Wahrheit würde er seiner Mutter vorenthalten. Es ging sie einfach nichts an. Es genügte schon, dass Narzissa anwesend war. „Mutter, ich denke über vieles nach.“ Beispielsweise darüber, wie er wieder in den Genuss käme, unauffällig ihre Haut zu mustern.

 

„Wieso lässt du sie nicht gehen, Draco?“ Versteift drehte sie ihren Körper wieder zum Fenster herum, die Hände fest ineinander gefaltet. Draußen konnte sie die weißen Pfaue dabei beobachten, wie sie über den Kiesweg stolzierten. Ach, sie war immer so stolz auf ihre Herkunft und den Reichtum gewesen, der ihr all das ermöglicht hatte, doch heute konnte sie nur noch auf den Scherbenhaufen ihres Lebens zurückblicken.

 

„Weil ich nicht will“, teilte er ihr genervt mit. Nicht nur ihre Abgeschlagenheit nebst ihren noch nicht vergossenen Tränen berührten ihn. Nein, auch ihr Sturkopf und ihre Unnachgiebigkeit – allerdings nicht im positiven Sinne. Draco hasste die Charakterzüge seiner Mutter und er fragte sich, wieso sie nicht genauso stur gewesen war, als man ihn dazu zwang, einem Mann zu folgen, der unter Größenwahn litt. Wieso hatte sie sich nicht so vehement gegen Lucius gestellt, wie sie es gerade hier tat? Aber diese Frage würde man ihm vermutlich nie beantworten können, da seine Mutter ein Buch mit sieben Siegeln war – wie Draco auch. Es ärgerte ihn so sehr, dass seine Knöchel bereits weiß hervortraten, nachdem er seine Hände zu Fäusten ballte. „Sie muss leiden, weil ihr Vater unbefugt meinen Grund und Boden betreten hat und nur für dein Verständnis, Mutter“, äffte Draco. „Sie hat es sich selbst so ausgesucht. Sie wollte den Platz ihres Vaters einnehmen.“

 

„Aber -“

 

„Ich habe sie zu nichts gezwungen!“, fügte er gereizt hinzu, weil seine Mutter offenbar nicht wusste, wann Schluss war. Merlin, sie war wie Blaise, der auch jedes kleine Detail wissen wollte. Zu Dracos Leidwesen schien sich seine Stimme dazu entschieden zu haben, sich an dieser idiotischen Unterhaltung zu beteiligen.

 

Bist du sicher, dass das der Grund ist, weshalb Granger noch in deinem Haus lebt?“, spottete die Stimme fadenscheinig. „Meine Vermutungen willst du ja nie hören, aber ich hätte da wieder eine.“

 

Verbissen raufte sich der ehemalige Slytherin die blonden Haare und war froh, dass seine Mutter diesen Aussetzer nicht bemerkte. Nachher kämen weitere Anschuldigungen aus ihrem Mund, die er letztendlich nicht entkräften konnte, weil seine Mutter alles so darlegen würde, dass Draco sich nicht mehr aus der Schlinge ziehen konnte.

 

„Das weiß ich, Draco, aber du hast dich seit meiner Abreise verändert“, stellte sie erschüttert klar, wohingegen ihr Blick standhaft nach draußen gerichtet blieb. Dass dies womöglich mit Hermine Granger in Verbindung stand, wollte Narzissa nicht aussprechen.

 

„Inwiefern?“, wollte er süffisant wissen. Parallel flog eine Augenbraue nach oben.

 

„Du lässt das Mädchen nicht gehen, hab ich recht?“, überging sie dreist seine Frage.

 

„Sie wird gehen, wenn ich es für richtig halte – nicht eher. Und das ist mein letztes Wort.“ Dass er damit suggerierte, sie irgendwann doch gehen lassen zu können, ignorierte er. Abgemacht war für immer und damit würde es Draco auch belassen. Aber nun war endgültig Schluss. Seine Mutter wollte ihre Spiele spielen, indem sie diejenige war, die die Unterhaltung führte, aber diesen Zahn würde er ihr ziehen. Draco war schon lange nicht mehr der kleine Junge, der sich etwas gefallen ließ.

 

„Draco, ich -“

 

„Genug, Narzissa.“ Draco erhob sich aus seinem Stuhl, während seine Mutter sich zeitgleich umdrehte und ihrem zornigen Sohn entgegensah. „Es reicht“, fuhr er mit den Händen abgestützt auf der Tischplatte fort, in der Hoffnung, seiner Mutter eindrucksvoll symbolisieren zu können, dass sie zu weit ging.

 

Diese Tonlage ging Narzissa durch Mark und Bein, weil es sie so sehr an Lucius erinnerte. Wie ihr verstorbener Mann, wechselte Draco seine Stimmung innerhalb von Sekunden, was beängstigend war. Allerdings – stellte Narzissa fest – oblag diese Stimmungsschwankungen nur einem Thema – Hermine Granger. Ob ihm das Mädchen etwas bedeutete? Lag es vielleicht sogar im Bereich des Möglichen, dass sie ihm am Herzen lag und Draco es nicht zulassen, geschweige denn zugeben konnte, weil er sich betreffs ihrer Abstammung schämte? Wieso ließ er es überhaupt zu, dass sie hier, statt in Askaban war? Hermine Granger bekam sogar einen eigenen Raum, in den sie sich zurückziehen konnte. Wieso wurde ihrem Vater nicht dieselbe Gastfreundschaft zuteil?

 

Würde sie ihn darauf ansprechen, würde er Narzissa sowieso wieder ausweichen. Was nicht hieß, dass sie das Verhalten ihres Sohnes im Auge behalten würde. Und obzwar sie die Ansichten der Reinblüter vertrat, hinsichtlich der Vermischung von Reinblütern und Muggelgeborenen, würde sie sich niemals erheben und ihrem Sohn vorschreiben, wen er mögen durfte, wenngleich sie sich eine reinblütige Partnerin für ihren Sohn wünschte. Aber das lag nicht in Narzissas Hand, da Draco erwachsen wurde.

 

„Kannst du mir sagen, was es heute zu essen geben wird?“, lenkte Narzissa betrüblich das Gespräch in eine andere Richtung. Auch wenn er ihr einen Wink mit dem Zaunpfahl gab und sie gehen sollte, wollte sie ihren Abkömmling noch nicht aus ihren Fängen entlassen. Ungern gab sie es zu – weil man ihr etwas wie Gefühle seit jeher untersagte –, aber sie hatte Draco in Sizilien unglaublich vermisst und wünschte sich, dass er sie mal besuchen käme.

 

„Was soll das, Narzissa?“, bemerkte Draco, der mittlerweile wieder Platz genommen hatte. Nachdem er so garstig war, zog seine Mutter es immer noch vor, mit ihm zu sprechen? Unglaublich, wo sie ihren Platz doch bestens kannte. Ja, seine Mutter hatte sich gefügt und akzeptiert, dass er der Mann im Haus war – würde Granger nur mal so gefügig sein... Aber Draco wusste auch, wie unnachgiebig Narzissa Malfoy sein konnte. Demnach wollte sie wirklich mit ihm reden, was in seinen Augen grotesk war, weil sie sich nie ernsthaft unterhielten. „Du hast zwanzig Jahre in diesem Haus gelebt, während ich immer in Hogwarts war. Müsstest du den Speiseplan nicht besser kennen?“

 

„Ich dachte, dass -“

 

„Wieso gehst du nicht nachsehen?“, schlug Draco blasiert vor, weil er wusste, seine Mutter mit dieser Aussage noch mehr zu reizen und es ihn nicht im Ansatz interessierte, was sie angeblich dachte. Außerdem brachte sie ihn aus dem Konzept. Zum viertel Mal las er nun die Zahlen, die auf dem Pergament aufgelistet waren.

 

Innerlich brodelte die geborene Black, angesichts dieser forschen Worte, aber sie wusste, dass sie eine Teilschuld daran trug, was aus Draco geworden war. Sie konnte sich nicht freisprechen, sondern hatte tatenlos daneben gestanden, was Dracos Erziehung anging. „Wird sie denn auch zum Essen kommen?“

 

Schnaufend blätterte er die Pergamentrollen durch, bevor er sich zurücklehnte ohne seine Mutter anzusehen, deren Stimmlage verdeutlichte, dass es ihr egal war, ob Granger zum Essen käme oder nicht. Anscheinend wollte sie bloß wissen, ob sie einen Beruhigungstrank nehmen müsste, um bei Tisch nicht gänzlich die Nerven zu verlieren. „Unwahrscheinlich. Sie war nicht einmal zum Essen gekommen – das wird sie auch heute nicht.“

 

„Willst du damit sagen, dass -“

 

„Ja, Narzissa. Ich habe veranlasst, dass sie in ihrem Zimmer essen darf.“ Nun sah er doch genervt zu seiner Mutter, deren Arme vor ihrer Brust überkreuzt lagen. „Und wenn es dir nichts ausmacht, würde ich hier gerne zum Ende kommen“, fügte er noch gestresster hinzu und deutete mit einer Hand zur Tür, woraufhin die Arme seiner Mutter erschöpft zur Seite sanken.

 

„In Ordnung.“ Unmöglich würde sie sich mit Draco jetzt vernünftig unterhalten können, weshalb sie – wenn auch recht widerwillig – das Zimmer verließ, um sich für das Essen herzurichten. Ihr Sohn widmete sich wieder seinen Pergamenten, doch schob er die Blätter schnaubend zurück. Mühsam rieb er sich über seine Schläfen, da er wusste, dass das eine lange Nacht werden würde, wenn er alles erledigt haben wollte.

 

 
 

~*~

 

 

 

Gebannt hingen Hermines Augen seit geschlagenen zehn Minuten an ihrer Zimmertür, durch die soeben Narzissa Malfoy graziös geschritten war. Sie war nicht über den Umstand überrascht, dass sie Malfoys Mutter irgendwann in diesem Haus sehen würde, sondern über die Tatsache, dass sie sich dazu herabgelassen hatte, sich nach Hermines Befinden zu erkunden und neben ihr auf dem Bett zu sitzen. Es war so untypisch für eine Frau wie Narzissa, was Hermine nachdenken stimmte. Natürlich hatte sie das Unwohlsein dieser schönen Frau bemerkt, doch gelang es Narzissa, dies gut zu verbergen. Ob es daran lag, dass sie seit jeher ein falsches Spiel spielte, anlässlich ihrer Herkunft? Reinblüter kannten es nicht anders, als guten Willen vorzuspielen, oder? Zumindest die Reinblüter beherrschten die Taktik, die Voldemort jahrelang gefolgt waren. Sie alle konnten diese Durchtriebenheit ihr Eigen nennen, aber Hermine wusste, wie unangenehm es Malfoys Mutter gewesen war, neben ihr zu sitzen. Noch schlimmer musste sie sich gefühlt haben, als sie ein Gespräch begannen, in dem Narzissa Hermine zu Tisch bat.

 

Und genau das war das nächste Problem.

 

Die Frau, die Hermines Herkunft intolerant und verachtend gegenüberstand, bat sie, gemeinsam mit ihr und Draco an einem Tisch zu sitzen. Ob es Narzissa körperlich geschmerzt hatte, sie zu Tisch zu bitten? Ihr menschlicher Verstand verneinte das. Schließlich ging Malfoys Mutter nicht in Flammen auf oder dergleichen. Aber sollte sie wirklich dort unten erscheinen? Mit beiden essen und sich anschließend höflichst entschuldigen, bevor sie zurück zu ihrem Zimmer ging? Oder sollte sie dem Essen doch fernbleiben? Nein, das schloss Hermine aus, denn somit würde sie auch Narzissa verärgern, obwohl sie sich sicher gewesen war, dass seine Mutter nichts dagegen gehabt hätte. Aber um unnötigen Streit zu vermeiden, sollte sie sich eventuell doch im Salon blicken lassen, da ihr Dracos Hass bereits reichte. Es wären schlussendlich nur weitere Qualen, wenn auch noch Narzissa damit begann, sie zu drangsalieren.

 

Vorsichtig, um ihrem Körper die Zeit zu geben, schlug sie die Decke zur Seite, stellte sich unsicher auf ihre Beine und umschlang mithilfe ihrer Arme ihren noch etwas geschwächten Körper, ehedem sie durch die Balkontür ging und die Sonne – die ihren Zenit erreichte – bestaunte. Unschlüssig was sie tun sollte, stand sie nun da. Hermine fürchtete sich vor Malfoys Reaktion, sofern sie zum Essen kam. Schließlich trug sie immer noch das schneeweiße Hemd, das ihr hoffentlich Akina angezogen hatte, als sie bewusstlos gewesen war.

 

Langsam öffnete sie die Balkontür und trat hinaus, wo eine sanfte Brise durch ihre Haare wehte. Sie genoss die abgekühlte Sommerluft, die auch um ihre Beine strich. Eine wohlige Gänsehaut breitete sich darauf aus, die unaufhaltsam nach oben zu ihren Oberarmen wanderte, die Hermine anschließend rieb um Wärme zu erzeugen. Indessen atmete sie ein und aus, während ihre Gedanken zu Harry streiften... Harry, der im Koma lag, während sie so weit entfernt von ihm war und nicht an seiner Seite sitzen konnte. Ob er vielleicht schon aufgewacht war? Diese Hoffnung ließ Hermine gar nicht aufkeimen. Wäre dieses Wunder geschehen, hätte Hermine davon erfahren. Zumal Harry ihr schon längst geschrieben hätte...

 

„Guten Morgen, Miss.“

 

Schmunzelnd drehte sich Hermine um. Ja, diese Stimme erkannte sie sofort. „Guten Morgen, Akina. Hast du gut geschlafen?“

 

Verwundert von der Frage, wackelte die Elfe mit den Ohren. Noch nie wurde sie danach gefragt, weshalb sie auch nicht wusste, ob die Frage ernst gemeint war. Dieses Menschenmädchen war ganz anders als die anderen Menschen. „Oh... Ja, Miss. Akina hat gut geschlafen, danke.“

 

Noch immer lächelte Hermine. Innerlich war sie dennoch zerrissen, weil sie sich nicht die Blöße geben und zu Tisch bitten lassen wollte. Immerhin besaß sie noch etwas Stolz, wenngleich man ihr die Würde an dem Tag genommen hatte, als sie den Platz ihres Vaters einnahm. Aber ihr Wille würde immer unbeugsam bleiben, ihren Stolz würde Malfoy ebenfalls niemals brechen können.

 

„Möchte die Miss vielleicht nach dem Bad etwas Puder auftragen, bevor sie zum Essen geht?“

 

Puder? Nein, Hermine würde sich nicht schminken. Malfoy würde mit ihrem Aussehen zurechtkommen müssen, wenn seine Mutter darauf bestand, dass sie mit ihnen am Tisch saß. „Das wird nicht nötig sein. Dein Herr wird meine derzeitige Erscheinung ertragen müssen.“

 

„Dann... Dann wird Akina Ihnen nur ein Bad einlassen.“ Sofort hatte sie den rauen Ton des lieben Menschenwesens heraushören können. Dabei schien das Mädchen gar nicht zu bemerken, dass sie es war, die Akinas Herren in irgendeiner Form zu verändern schien.

 

Im Nachhinein tat Hermine ihr Verhalten leid, nachdem sie sah, wie betrübt die kleine Elfe im angrenzenden Badezimmer verschwand. So forsch wollte sie das Geschöpf nicht angehen, aber alles was in Verbindung mit Malfoy stand, trieb die ehemalige Hogwarts-Schülerin zur Verzweiflung – nagten an ihr doch noch alle Erinnerungen, die sie mit dem blonden Teufel verband. Aber sie würde dieses eine Essen mit ihm gemeinsam überstehen. Schließlich überlebte sie auch Hogwarts. Schlimmer konnte ein gemeinsames Essen demzufolge nicht sein. Trotzdem würde sie sich viel Zeit lassen, bloß um ihn zu ärgern. Dass sie dadurch noch Öl ins Feuer goss, war ihr gelinde gesagt egal. Sollte er doch auf sie warten. Hermine würde ihn nur dafür leiden lassen, weil seine eigene Mutter sie nötigte, mit ihnen zu essen. Dass er es womöglich gewesen war, der es veranlasst hatte, Hermine in bequemere Kleidung zum Schlafen zu stecken, missachtete die junge Frau geflissentlich. Es war zwar eine nette Geste gewesen, aber in all den Jahren bewies Malfoy, dass er niemals nett war und bei ihr bestimmt nicht den Anfang machen würde.

 

Aufgrund dessen ging sie mit deutlich besserer Laune zu Akina ins Bad, die bereits die sprudelnden Wasserhähne aufgedreht hatte und lächelnd verschwand, nachdem die junge Hexe ebenfalls im Bad erschienen war.

 

 
 

~*~

 

 

 

Mit der Gabel in der Hand saß Draco am Tisch und echauffierte sich darüber, dass Frauen grundsätzlich zu lange im Bad brauchten. Er selbst ging ins Bad, wusch sich und richtete seine Haare – fertig war er. Weiber verbrachten Stunden darin und das Resultat sah am Ende meist schlimmer aus als zuvor. Und wozu in drei Teufels Namen machte sich seiner Mutter überhaupt zurecht? Weil Narzissa schon immer der Mensch war, der nach außen zumindest hübsch wirken wollte, wenn das Innere schon so hässlich war. Aber im Moment regte ihn der Perfektionismus seiner Mutter auf, weil er mal wieder wartete – seit einer Stunde.

 

Dieser Frau tat es nicht einmal leid. Sie entschuldige sich auch nicht, als sie galant im Salon erschien, um sich links neben ihrem Sohn – der schnaubend die Arme vor der Brust verschränkte – niederzulassen. Merlin nochmal, er hätte auch ohne sie zu essen anfangen können, aber er besaß – entgegen Grangers Erwartung – eben doch Manieren und Anstand, weshalb er eine Stunde auf seine Mutter gewartet hatte.

 

Murrend legte er die Gabel zurück neben den Teller. „Mutter, ich habe nachgedacht und -“ Ein Schatten unterbrach ihn plötzlich, woraufhin Draco missmutig aufblickte um denjenigen zurechtzuweisen, aber... er konnte nicht. Dass er zusätzlich seine Mutter zurechtweisen und sie anweisen wollte, zurück nach Sizilien zu gehen, vergaß es letztendlich. Darüber hinaus rückte sogar sein Plan einfach zu essen, während er noch mit seiner Mutter sprach, immer mehr in den Hintergrund.

 

Sie sah... annehmbar aus.

 

Das Essen wurde kurzweilig nebensächlich, nachdem Dracos Blick auf Granger ruhte, was Narzissa bemerkte und ebenfalls zur Tür sah.

 

„Ah, Miss Granger, da sind Sie ja.“ Obwohl Narzissa sitzen blieb, war es Draco, der räuspernd aufgestanden war, als sie den Raum betrat. „Bitte, setzen Sie sich.“ Ihre Hand deutete auf den Stuhl rechts neben Draco.

 

Der Herr des Hauses folgte jedem ihrer Schritte, bis sie an dem ihr zugewiesenen Platz ankam, sich setzte und eine Serviette über ihre Beine legte. Kein einziges Mal kam Granger zum Essen, woraus er schloss, dass seine Mutter sie wohl dazu gezwungen haben müsste, als sie bei ihr gewesen war. Narzissa besaß das Talent, obwohl sie zur gehobenen Gesellschaft gehörte, die etwaiges Verhalten verpönte, Menschen mittels eines Blicken zu ihren Gunsten zu modellieren. Auch Draco gehörte dazu; er besaß selbiges Talent, das ihm von seinen Eltern in die Wiege gelegt wurde. Die Malfoys waren im Bezug auf Manipulationen wie Marionettenspieler – sie zogen die Fäden im Hintergrund.

 

„Wie schön, dass Sie gekommen sind. Ich freue mich.“ Das tat Narzissa nicht. Sie freute sich nicht. „Draco sagte mir, dass das nicht üblich sei, aber ich missbillige das Fernbleiben. Zukünftig erwarte ich, dass Sie mit uns gemeinsam dinieren.“ Wie herrlich sie sich immer ausdrücken konnte, wenn es darum ging, jemandem zu zeigen, wie weit man unter Narzissas Würde stand. Das war ihre Königsdisziplin.

 

Aha. Seine Mutter hatte ihre Finger also tatsächlich im Spiel. Draco wollte noch an das Gute in seiner Mutter glauben, indem er sich darauf festlegte, dass womöglich Akina das Mädchen doch noch gebeten haben könnte, zu Tisch zu kommen. Ja, er wusste um das gute Verhältnis zwischen Granger und seiner kleinen Elfe Akina. Aber nein, seine Mutter steckte hinter allem. Ob er diesbezüglich seine Mutter gerne verfluchen würde? Viel zu gerne, weil er nicht wusste, wie er mit Granger umzugehen hatte. Sobald sie in ein Gespräch kamen, endetet es sowieso im Streit. Allerdings wurde sein Gedankengang jäh unterbrochen, als Granger das Wort ergriff.

 

„Misses Malfoy, ich bin zwar eine Gefangene in Ihrem Haus, aber -“

 

„Zurecht, Granger.“ Draco wusste genau, was sie sagen wollte. Dass sie entschied, ob sie zum Essen kam oder nicht, aber Hermine Granger wusste eines nicht: wie herrisch seine Mutter werden konnte, wenn nicht das getan wurde, was sie wollte. Aber das war nebensächlich, weil Draco zornig wurde, angesichts ihrer Worte. Denn so langsam sollte auch das undankbare Weib wissen, wo ihr Platz war. „Vergiss nicht, dass du das so wolltest.“

 

„Malfoy, ich -“

 

„Fang an, dich endlich zu fügen. Du alleine hast es dir so ausgesucht und bei Merlin, du wirst deine verdammte Strafe restlos absitzen.“

 

„Das tue ich bereits“, bemerkte sie bissig, bevor sie nach der Serviette griff und sie auf den Tisch warf. Hermine war nicht gekommen, um sich desavouieren zu lassen. Dazu war ihr ihre Zeit zu kostbar. „Und ja, ich wollte den Platz tauschen, richtig.“

 

„Dann -“

 

„Aber nur“, unterbrach Hermine ihn mit erhobenem Zeigefinger, während Narzissa dem Streit genüsslich folgte und immer wieder an ihrem Wasserglas nippte, „weil du meinen Vater elendig im Kerker verrotten lassen wolltest.“ Anschließend erhob sich Hermine aufgebracht von ihrem Stuhl.

 

„Setz dich!“, befahl Draco, ohne zu ihr hinaufzusehen.

 

„Nein“, entgegnete sie ruhig. Einmal wollte sie ihm aufzeigen, dass auch er ihr gegenüber Grenzen einzuhalten hatte.

 

„Granger“, atmete Draco leise aus. „Setz. Dich. Hin. Verdammt!“

 

Nein, das würde sie nicht tun, und so beschloss sie, ihn fortwährend zu ignorieren, ehe sie sich an seine Mutter wandte. „Wie ich bereits erwähnte, Misses Malfoy. Ich bin eine Gefangene, aber ich bin der Auffassung – und das werde ich weiterhin so handhaben –, dass immer noch ich entscheide, wo und wann ich essen möchte.“ Hermine sah sehr wohl, dass Narzissa sich unbedingt äußern wollte, aber zuerst wollte Hermine ihren Standpunkt vertreten. „Ich bin auch nicht zum Essen gekommen, weil Sie es wollten, sondern weil ich guten Willen zeigen will.“

 

So, jetzt war sie fertig und bereit, sich Narzissas Tiraden hinzugeben, was sie auch sogleich tat.

 

Vergnügt stellte Lucius' Ehefrau ihr Glas auf den Tisch zurück, tupfte mit einer Serviette über ihre hautfarbenen geschminkten Lippen und sah zu Hermine nach oben. „Nun, Miss Granger. Genau da liegt der Fehler. Sie entscheiden zukünftig gar nichts mehr.“

 

Daraufhin wollte Hermine protestieren, was ihr misslang, denn Narzissa sprach ungebremst weiter.

 

„Sie werden sich fügen!“, wiederholte sie die Worte ihres Sohnes. In Narzissas Blick konnte man – anlässlich Grangers Verhalten – die Abneigung nur zu gut erkennen. „Bedenken Sie, dass mein Sohn weitaus unangenehmer sein könnte, denn so sehr es Ihnen missfällt, er wäre dazu befugt und doch benimmt er sich Ihnen gegenüber ausgesprochenen zuvorkommend.“

 

„Zuvorkommend?“ Konnte man das glauben? Malfoy und umgänglich? Gerne hätte Hermine gelacht, weil Narzissa das Wort scheinbar falsch interpretierte.

 

„Ja, und Sie werden sich an gewisse Regeln zu halten haben.“

 

Sie musste sich an gewisse Regeln halten? Wie sollten diese Regeln denn bitteschön aussehen? „Was erwarten Sie? Gehorsam? Beugsam?“ Was erlaubte sich Malfoys Mutter bloß? Darüber hinaus war sich Hermine sehr wohl bewusst, dass sie sich dem Arsch zu fügen hatte oder glaubte Narzissa Malfoy, dass Frauen zu allem Amen sagen musste? Wenn das ihre Interpretation von Gleichberechtigung war, hatte Narzissa eindeutig in der falschen Zeit gelebt.

 

Draco, der dem Gespräch wortlos lauschte, hing seinen eigenen Gedanken nach. Hätte er ihren Vater wirklich verrecken lassen? Ja, gestand er sich ein. Er hätte diesen Mann verenden lassen, obwohl ihr Vater niemandem ein Leid angetan hatte und Draco wusste, dass ihr Vater ihn nicht bestehlen wollte... Aber genau das – dass sie recht behielt – würde er sich nicht von ihr vorwerfen lassen. Ebenso wenig würde er es kommentarlos auf sich beruhen lassen. Demgegenüber musste sie aber auch lernen, was sie ihm gegenüber äußern durfte und was nicht.

 

„Natürlich werde ich mich an bestimmte Regeln halten, Misses Malfoy – solange sie im Rahmen liegen.“ Hilfesuchend blickte Hermine indes zu Draco, der nichts weiter als ein stummes Feixen für sie übrig hatte. Aber was erwartete sie von ihm? Dass er ihr beistand in Gegenwart seiner Mutter? Nein. Folglich sah sie zu Narzissa zurück. „Aber das, was Sie erwarten, liegt nicht -“

 

„Ach, tun Sie das, ja? Sich an unsere Regeln halten?“

 

Ah, belächelte Draco innerlich die Aussage seiner Mutter. Jetzt waren es schon nicht mehr Dracos Regeln, sondern auch Narzissas Regeln. Interessant.

 

„Bitte, Miss Granger“, fuhr Narzissa mit einer wegwerfenden Handbewegung fort. „Bitte erklären Sie mir, wie es zu diesem Fauxpas am Rand unseres Grundstücks kommen konnte?“ Sie wirkte kühl und abgeklärt, als sie ihr Kristallglas hob und nach einer Elfe rief: „Akina, mehr Wasser!“ Anschließend richtete sie ihren kalten Blick wieder auf Hermine. „Wissen Sie was, Miss Granger? Sagen Sie besser nichts dazu, denn jedes Wort wäre bereits eins zu viel.“ Im Anschluss stellte sie ihr Glas auf den Tisch zurück, bis Akina es erneut gefüllt hatte. „Aber ich sage Ihnen, wieso es dazu kam: Sie hatten diesen Unfall, weil Sie sich eben nicht an die Regeln gehalten haben.“

 

Oh, Narzissa war eine so boshafte Person und jetzt wusste Hermine auch, dass das Narzissas Intention war – sie am Tisch zu vierteilen. Sie wollte Hermine untergraben und vor Malfoys Augen lächerlich machen. Ihm anscheinend vor Augen führen, wie man mit unangenehmen Dingen – wie ungehorsamen Schlammblütern – umzugehen hatte.

 

„Ihr Vater hat sich unerlaubterweise Zutritt zu unserem Eigentum verschafft und Sie erwarten ernsthaft, dass wir das hinnehmen?“ Die Stimme der erwachsenen Frau wurde immer rauer und dunkler. „Sagen Sie mir, Miss Granger, wieso werden in manchen Teilen der Muggelwelt anderen Menschen die Hände abgehakt, wenn sie stehlen?“

 

Empörung zierte Hermines Gesicht. „Mein Vater ist kein Dieb!“ War seine Mutter wirklich davon überzeugt, dass ihr Vater etwas stehlen wollte? Dass ihr Vater sich etwa bereichern wollte? Aalglatt waren sie – allesamt. Nur weil es liebenswürdige, nicht so reiche, dafür aber höfliche Menschen gab – die keinerlei böse Absichten hegten –, hieß das noch lange nicht, dass man ein Dieb war. Reinblüter kannten es nur nicht besser und verteufelten alles, was nicht mit ihren arroganten Ansichten konform ging. „Ihre Ansichten sind wirklich befremdlich, Misses Malfoy. Mein Vater hatte Zuflucht gesucht, weil er sich verlaufen hat und nicht, weil er irgendetwas von Ihnen stehlen wollte.“

 

„Das gibt Ihrem Vater nicht die Lizenz dazu, sich auf unserem Besitz herumzutreiben, verstanden?“, wiegelte sie Hermines Rechtfertigung ab, bevor sie an ihrem Glas nippte.

 

Amüsiert beobachtete Draco das Kräftemessen zwischen seiner Mutter und Granger. Er musste gar nicht tätig werden, geschweige denn etwas dazu beitragen. Seine Mutter schaffte das ganz ohne sein Zutun und Granger tat ihm wieder fast ein bisschen leid. Denn sie wusste nicht, dass sie mit dem Verlassen ihrer ersten Worte verloren hatte. So clever und intelligent Granger auch war, aber in Wortgefechten und Machtspielen war Narzissa die ungeschlagene Königin.

 

„Sie wollen nicht verstehen, dass mein Vater sich verlaufen hat, oder?“, widersprach sie Malfoys Mutter mit bebender Stimme. Merlin, sie würde noch weinen. Hinzu kam die Hilflosigkeit und die Unterlegenheit ihr gegenüber – nicht auf intellektueller Basis, sondern auf mentaler und psychischer Ebene.

 

„Dann hätten wir Ihren Vater wohl besser doch dem Ministerium übergeben sollen, aber ich versichere Ihnen, dass das Ministerium nicht weniger hart mit ihm ins Gericht gegangen wäre.“ Schließlich waren sie Malfoys – eine Familie, die das Ministerium finanziell unterstützte.

 

„Malfoy hat meinen Vater in eine Zelle eingesperrt – eine Methode, die Voldemort sicher stolz gemacht hätte.“

 

„Es reicht, Miss Granger. Seien Sie lieber dankbar, dass mein Sohn tausende Galleonen für Sie bezahlt hat, um Ihnen dieses Martyrium im Ministerium zu ersparen.“

 

Gerade noch schwebte Draco auf Wolke sieben – bis er die vernichtenden Worte seiner Mutter vernahm. Hatte sie ihr gerade wirklich verraten, dass er für sie bezahlt hatte? Verdammte Scheiße, als ob es Granger etwas anginge. Dass sie das nun wusste, dass er sie quasi freigekauft hatte, war eine Katastrophe.

 

Auch Hermine war – ähnlich wie Draco – schockiert. Fassungslos neigte sie ihren Kopf in seine Richtung – die Augen geweitet und den Tränen nahe. „Malfoy, ist... ist“, begann sie zitternd, „das wahr?“ Inständig hoffte sie, dass es nicht stimmte, weil sie sich nicht bei ihm bedanken wollte.

 

Die dunklen grauen Augen versprühten nahezu Hass in ihre Richtung und um diesen besser kompensieren zu können, krallte er sich unterhalb des Tisches fest. „Ja, ist es, du undankbares Stück.“

 

„Du hast Geld -“

 

„Galleonen“, spuckte er verächtlich. „Galleonen sind mehr wert, als britische Pfund.“

 

„Du hast Galleonen“, korrigierte sich Hermine, „ausgegeben, um mich vor Askaban zu bewahren?“ Wäre es nicht Malfoy gewesen, wäre sie tatsächlich gerührt, aber ob sie nun hier oder in Askaban versauerte... Es machte letzten Endes keinen Unterschied, oder? Für Hermine waren beide Orte schrecklich.

 

„Offensichtlich habe ich das.“ Er ließ den unteren Teil des Tisches los und lehnte sich feixend in seinen Stuhl zurück, nachdem er sah, wie mitgenommen sie daraufhin aussah. Scheinbar wurde ihr jetzt erst so wirklich klar, dass sie in seiner Schuld stand. „Geht es dir jetzt besser, nachdem du das weißt?“

 

„Nein“, entgegnete sie mit gesenktem Blick.

 

„Dachte ich mir und dabei weißt du nicht einmal, wie schlimm es in Askaban ist. Wahrscheinlich vergleichst du dein Leben hier mit Askaban, was?“ Dass er sie bewusst vor dem Zauberergefängnis bewahrte, teilte er ihr nicht mit, aber noch immer war Draco der Meinung, dass sie genug Grausamkeiten mit ansehen musste. Aber seine Beweggründe hatten sie nicht zu interessieren, weil das seine Baustelle war. Er alleine musste mit dem Gedanken fertig werden, Granger beschützt zu haben. Und das konnte er am besten mit sich alleine ausmachen – er bräuchte keine Granger, die ihm vor Dankbarkeit vor die Füße fiel, wenngleich er wusste, dass dieser Fall niemals der Realität entsprach, sondern ein Trugbild seiner Phantasie bleiben würde. Jedoch hatte sie sich aber auch bei ihm bedankt, als er sie aus der Schlucht hinaufgezogen hatte. Ob sie sich vielleicht anderweitig bedanken würde? Vielleicht... wenn sie ihn der Länge nach in ihrem Mund verschwinden ließ?

 

Grundgütiger, er hatte den Gedanken noch nicht zu Ende gedacht, schon überlief ihn ein kalter Schauer, während er an ihren geöffneten Mund dachte und gezwungen war, die Augen zu schließen.

 

Verdammt nochmal, Draco. Mach die Augen auf, du notorischer, dauergeiler Bock!“, spie seine aufgebrachte Stimme, die die peinliche Situation rechtzeitig erkannte. Aber er hatte auch seit Granger hier war, keinen sexuellen Kontakt gehabt, obwohl er ihn so dringend wie ein Schluck Wasser in der Wüste gebrauchen könnte.

 

„Und jetzt setz dich endlich hin, Granger“, wies er das angeschlagene Mädchen in einem herrischen Ton zurecht.

 

Hermine dachte keine Sekunde daran, ihm zu gehorchen. Stattdessen drehte sie sich unvermittelt um und ließ die beiden Malfoys alleine im Salon zurück. Sie wollte nur noch hier weg – hinauf in ihr Zimmer und die Tränen vergießen, um den seelischen Ballast abzuwerfen.

 

„Wie aufschlussreich“, plapperte Narzissa nonchalant.

 

Für Draco war es aufschlussreich, da nun wusste, wie sehr sie unter den Bedingungen litt und... wie sehr sie ihren Vater wohl vermisste. „In der Tat, Narzissa. Sehr aufschlussreich“, murmelte er mehr zu sich, weshalb seine Mutter auch nicht darauf eingehen konnte, da sie ihn nicht verstanden hatte.

 

„Sag mir, Draco. Wird... sie hier bleiben? Wird dieses Mädchen weiterhin auf deine Kosten leben?“ Narzissa nahm kein Blatt vor den Mund. Nein, sie wollte sogar ganz klare Kante zeigen, dass sie von der Situation nicht angetan war. „Auf den Galleonen, die dein Vater hart erarbeiten musste.“

 

„Hart erarbeiten musste?“ Augenblicklich lachte Draco laut auf. „Du redest doch nicht von den kriminellen Machenschaften und den illegalen Geschäften, die dein Mann hinter unserem Rücken betrieben hat?“

 

„Draco!“, brummte seine Mutter. „Er war dein Vater.“

 

„Oder redest du von dem Großteil, den er als alleiniger Malfoy-Erbe von seinem Vater geerbt hatte, den er wiederum durch seine krummen Dinger vervielfältigt hat?“ Auch er nippte anschließend an seinem Whiskey, bevor er seinen Vater weiter in den Dreck zog. „Aber vermutlich hast du recht. Galleonen erben, sich darauf ausruhen und krummen Geschäften nachgehen war wohl auch harte Arbeit.“

 

„Du wirst ihm immer ähnlicher.“

 

„Wem? Lucius?“, belächelte Draco ihre Aussage.

 

„Ja. Dieselbe sarkastische Ader wie dein Vater, aber ich bitte dich. Bitte wirf all die schönen Dinge, die dir dein Vater hinterlassen hat, nicht einfach weg.“ Sehr wohl wollte sie auf die fünfhundert Milliarden Galleonen hinaus. „Hörst du, mein Sohn? Wirf es nicht weg“, wiederholte sie alarmierend, ehe sie ihre Hand auf den Handrücken ihres Sohnes legen wollte, der – flink wie er war – diese rechtzeitig nach hinten zog.

 

„Worauf willst du hinaus? Schon wieder auf Granger?“ Nochmals ließ er sich in seinen Stuhl zurücksinken. Wollte seine Mutter ihm etwa wieder etwas mitteilen? Oder sah man ihm an, dass er zur Zeit keinen Sex hatte und deshalb so... komisch auf Granger reagierte? „Ich denke, du beruhigst dich, Narzissa, bevor du noch in deinem Wahn ersäufst. Der heutige Tag, deine Anreise, all das war scheinbar zu viel für dich.“

 

„Beruhigen soll ich mich, während dieses Mädchen all das, an das wir geglaubt haben, mit ihrer Anwesenheit in unserem Haus beschmutzt? Bedaure. Solange sie hier wohnt“, erklärte Narzissa gereizt, „werde ich zurück nach Sizilien gehen.“

 

„Du willst mich ködern? Das enttäuscht mich, Narzissa. Ich hätte dich für klüger gehalten.“ Als ob er auf diese Schuljungenstreiche anspringen würde. Er konnte im Verlauf des gesamten Gesprächs auch kaum glauben, dass seine Mutter – eine erwachsene, gestandene Frau – versuchte, ihren Sohn mit so etwas ineffektivem zu ködern. Es war lächerlich und Draco – der in wenigen Tagen achtzehn wurde – kam sich vor, als wäre er der reife, erwachsene Mann; im Gegensatz zu seiner Mutter.

 

„Schön, wie du willst.“ Sie erhob sich ohne Umschweife aus ihrem Stuhl, ohne das Essen überhaupt angerührt zu haben. Sie stolzierte zum Kamin, nahm das Flohpulver und hielt inne. Bevor sie es zu Boden warf, drehte sie sich noch einmal um. „Kann ich wenigstens ab und zu mit dir in Sizilien rechnen?“

 

„Vielleicht“, entgegnete er lapidar und befand, dass sein leerer Teller interessanter war als seine Mutter anzusehen.

 

Seufzend stützte sie sich am Kaminsims ab. „Geht es vielleicht auch konkreter, Draco.“

 

„Nein, ansonsten wüsstest du schon längst, dass ich dich nicht in Sizilien besuchen werde.“ Er war nur ehrlich und wirkte nicht betrübt, als seine Mutter kopfschüttelnd im Kamin verschwand. Es interessierte ihn wirklich nicht, zumal er sich über die Aussagen seiner Mutter noch immer aufregen könnte. Ständig hatte sie betont, dass es das Anwesen von ihr und Draco sei, dass es der Grund und Boden von ihr und Draco sei – dabei gehörte ihr nichts. Gar nichts. Nicht einmal die Staubmäuse die die Elfen übersahen gehörten ihr. Aber dennoch... das Gespräch hatte etwas Gutes. Granger bewies Tapferkeit. Sie stellte sich seiner Mutter, erschien zum Essen und blieb trotzdem höflich, was Draco ganz konfus machte. Dass sie zudem eines der Kleider getragen hatte, welches er ihr gekauft hatte... war ein netter Bonus für seine Augen gewesen. Ja, er gestand sich ein, dass sie einfach umwerfend aussah – in dem Kleid sogar atemberaubend, was zur Folge hatte, dass das Bild ihrer nackten Beine und ihres Hinterns wieder vor seine Augen projiziert wurde. Böse Gedanken, die Draco verbannen wollte, indem er seine Schläfen massierte.

 

Er zählte gar nicht die Minuten, aber es mussten etliche vergangen sein, als er ihre leise Stimme vernahm und die Augen öffnete.

 

„Malfoy?“

 

Man gönnte ihm eben keine Ruhe. „Was ist?“, blaffte er zu ihr hinüber und war erstaunt, dass sie immer noch das Kleid trug. Es war smaragdgrün. In den Stoff waren kleine silberne Fäden filigran hineingearbeitet worden. Ihre Harre hatte sie zu einem gewöhnlichen Zopf gebunden. Merlin, sie sah hübsch aus, obwohl sie barfuß zum Essen erschienen war. Anscheinend behagten ihr die hohen Absatzschuhe nicht.

 

„Ist deine Mutter gegangen?“

 

„Siehst du sie etwa?“ Er erwartete keine Antwort. „Nein, also ist sie offensichtlich gegangen – deinetwegen, wohlgemerkt.“

 

„Wohin ist sie denn gegangen?“

 

„Wieso interessiert dich das?“, fragte er und folgte jedem ihrer Schritte, die das Mädchen langsam wieder zum Tisch führten.

 

„Weil ich es wissen möchte.“

 

„Zurück nach Sizilien, wo sie so lange bleiben wird, bis unsere Hallen gesäubert sind.“

 

„Also wird sie erst zurückkommen, wenn ich weg bin?“

 

„Und der Preis der klügsten Hexe geht doch an dich, Granger.“ Sie sah nicht im Entferntesten gekränkt aus, angesichts seiner Beleidigung. „Aber mach dir darüber keine Gedanken. Der Abgang meiner Mutter wird nichts an unserem Abkommen ändern. Es sei denn -“

 

„Wenn was?“, entkam es ihr skeptisch und blieb hinter dem Stuhl stehen, den sie zurückgezogen hatte, um sich wieder hinzusetzen.

 

Draco hätte ihr beinahe ein unmoralisches Angebot unterbreitet, woraus er sich schnell retten musste. „Es sei denn, du willst wieder in einer Schlucht hängen und tatsächlich abstürzen wollen – dann wäre unser Abkommen dahin.“

 

Lächelnd – weil er nicht das sagte, was sie dachte – ließ sie sich neben ihm nieder. „Es tut mir leid, dass deine Mutter meinetwegen gegangen ist. Dennoch solltest du darauf achten, deine Mutter nicht zu erzürnen.“

 

„Was?“ Was redete sie da bloß? Sprachen sie gerade von derselben Narzissa oder hatte Granger von einer anderen Frau gesprochen? Es musste so sein, oder wollte das Mädchen Narzissa als gute, fürsorgliche Mutter darstellen? Ha, das wäre ja lustig. Man könnte so viel Whiskey saufen wie man wollte, Narzissa wäre immer eine unerträgliche Person.

 

„Eine Mutter ist das höchste Gut, das man besitzt – für mich jedenfalls.“

 

Richtig. Ihre Mutter war gestorben. Granger hatte keine Mutter mehr, mit der sie sich streiten konnte. Merlin, was musste sie ihre Eltern lieben? Vermutlich waren sie ihr mehr wert, als ihr eigenes Leben. Ja... andernfalls hätte sie ihr Leben nicht für ihren Vater aufgegeben... Nachdenklich sah er ihr dabei zu, wie sie nach einem der Kristallgläser griff und sich eigenständig Wasser eingoss.

 

„Solltest du nicht sauer auf Narzissa sein, angesichts ihrer Provokationen?“

 

„Nein“, erwähnte sie kopfschüttelnd. „Mütter sorgen sich nun mal immer um ihre Kinder und wieso nennst du deine Mutter Narzissa?“ Wie befremdlich es geklungen hätte, wenn Hermine ihre Mutter Jane gerufen hätte. Und es tat immer noch so unglaublich weh, an sie zu denken.

 

„Ist das so, ja?“ Er würde auf ihre Frage – bezüglich der Nutzung ihres Vornamens – keine Stellung beziehen. Er nannte Narzissa schon lange so...

 

„Ja, Malfoy, das ist so.“

 

„Tze, dann kennst du meine Mutter aber schlecht, Granger.“ Es war ja schön für sie, dass sie in geordneten Bahnen aufwuchs – das musste sie ihm aber nicht unter die Nase reiben. „Meine Mutter sorgt sich um niemanden. Es sei denn, es geht um ihre eigene Haut. So viel sollte dir klar sein.“

 

„Manche Eltern können ihre Gefühle nicht zum Ausdruck bringen. Vielleicht war das bei Narzissa und Lucius so? Aber Eltern erziehen uns, sie verändern uns und -“

 

„Glaubst du wirklich“, spottete Draco, der seine Arme auf den Tisch legte und sich nach vorne lehnte, „dass meine Eltern mich richtig erzogen oder verändert haben? Denkst du, sie haben mir die richtigen Werte mit auf den Weg gegeben?“

 

„Sie haben dich zumindest nicht zum Mörder erzogen, insofern haben sie vielleicht nicht alles richtig gemacht und dich mit falschen Idealen genährt, aber sie haben dich wenigstens erkennen lassen, dass Mord keine Lösung ist.“

 

Aufgrund ihrer Analyse verzog sich Dracos Mund zu einer schmalen Linie. Ja, er sollte Dumbledore ermorden und hatte auf ganzer Linie versagt. War das etwa positiv? Damals nicht. Er hatte gegen Windmühlen gekämpft und mit allen Mitteln versucht, den alten Mann umzubringen. Als der dunkle Lord erfahren hatte, dass Draco gescheitert war, waren die Konsequenzen umso härter. Das Tribunal war hart gewesen, in dem der dunkle Lord ihm androhte, seine Eltern noch schlimmeren Qualen auszusetzen. Natürlich war es im Nachhinein gut gewesen, seinen alten Direktor nicht getötet zu haben. So war wenigstens sein Gewissen leichter zu tragen, doch damals hatte er teures Lehrgeld zahlen müssen.

 

Nachdem er ihren ernsten Gesichtsausdruck zu Ende studiert hatte, lehnte er sich abermals gegen die Rückenlehne des Stuhls. „Du denkst also wirklich, dass meine Eltern mich positiv verändert haben, es womöglich immer noch können?“

 

„Selbstverständlich.“

 

„Närrin.“ Als ob Lucius in seinem verdammten Portrait irgendetwas ausrichten könnte. Nichts konnte sein Vater machen – abgesehen davon, sich Dracos Beleidigung anzuhören, die er Lucius gelegentlich entgegenschleuderte.

 

Entmutigt schaute Hermine auf ihre gefalteten Hände hinab, die zitternd in ihrem Schoss lagen. „Du hast dich verändert, Malfoy.“

 

„Ich bitte dich.“ Was sollte das? Hatten sich die beiden Frauen hinter seinem Rücken verbündet oder woher kamen diese stupiden Andeutungen? „Geb dich keinen falschen Hoffnungen hin, was meine Persönlichkeit betrifft. Ich bin immer noch der, den du seit Hogwarts kennst.“

 

„Na ja, ich lebe in einem deiner Zimmer, anstatt im Kerker zu versauern.“

 

„Granger“, brummte Draco, der allmählich die Geduld verlor. „Hör endlich auf, in mir etwas Gutes zu suchen – du wirst es nicht finden.“

 

„Aber -“

 

„Du lebst in einem meiner Zimmer, weil ich denke, dass du genug mit ansehen musstest. Glaub mir, ich könnte durchaus schlimmer sein und dein seltsames Helfer-Syndrom ausnutzen, das dir tatsächlich noch zum Verhängnis wird, wenn du es nicht schleunigst ablegst, aber ich bin eigentlich ein ganz netter Kerl.“ Dass er ihr seine wahren Gründe nun doch verraten hatte, störte ihn in diesem Moment nicht. Schließlich könnte er sich immer noch später darüber aufregen. Was ihn allerdings ankotzte, war ihre Wahrnehmung ihm gegenüber. Er war nicht Potter und wollte nicht mit ihm verglichen werden. „Trotzdem solltest du nicht vergessen, wer vor dir sitzt. Ich bin weder Potter, noch Weasley – beides Idioten, die du vielleicht beeinflussen konntest, aber das zieht bei mir nicht.“

 

„Aber -“

 

Inzwischen hatten die Elfen das Essen aufgetragen, ohne von den beiden diskutierenden Zauberern wahrgenommen zu werden. Dennoch nahm Draco das Messer in die Hand, das er zum Schneiden benutzen wollte, es aber zuvor vor Grangers Gesicht hielt – mit genügend Abstand. „Granger, es reicht. Treib es nicht zu weit.“

 

„Malfoy, ich -“

 

„Es war nicht geplant, dass du hier lebst. Das war eben ein unglücklicher Umstand und das weißt du.“
 

„Und trotzdem bin ich hier.“ Hermine tat es ihm gleich, indem sie ihr Besteck nahm und anfing, ihr Gemüse zu essen.

 

„Sag mal, versuchst du gerade, an dir selbst ein Exempel zu statuieren?“ Anhand ihrer entgleisenden Gesichtszüge dachte er kurz darüber nach, ob er zu hart gewesen war. Hätte er es vielleicht anders formulieren sollen?

 

„Nein, ich möchte wissen, wieso ich hier oben im Haus leben darf, obwohl -“

 

„Ganz einfach, weil ich es möchte. Hier oben kann ich dir, Miss-Oberschlau, endlich zeigen, dass nicht jeder nach deiner Pfeife tanzt. Das hat vielleicht bei deinen trotteligen Beschützern funktioniert, tut es aber nicht bei mir.“ Bevor sie protestieren konnte, hob er die Hand und sprach weiter: „Du sitzt eine Strafe ab, verstanden? Du bist meine Gefangene, Granger, und ich weiß, dass du das unter keinen Umständen hören willst, aber – und jetzt halte dich fest – du gehörst mir.“

 

„Bitte was?“

 

„Du hast mich schon verstanden. Wenn ich wollte, könnte ich alles von dir verlangen und du hättest zu gehorchen.“

 

„Das glaubst du doch selbst nicht, Malfoy“, entfuhr es ihr pikiert. Sie hätte nicht zurückkommen dürfen, aber sie hatte das Bedürfnis verspürt, sich zu entschuldigen – selbst bei Narzissa –, hinsichtlich ihres kindlichen Abgangs. Sie war doch erwachen und reif genug, um eine vernünftige Unterhaltung zu führen. Selbst wenn ihre Gesprächspartner Narzissa und Draco Malfoy waren.

 

„Bring mich nicht in Versuchung, Granger“, quittierte er feixend.

 

Und wieder einmal erhob sie sich – dieses Mal jedoch zorniger, wie Draco feststellte. Ihr offener Mund verleitete ihn sogar dazu, wieder zu feixen und daran zu denken, wie er ihn stopfen konnte.

 

„Setz dich“, knurrte er im Anschluss. Kaum dachte er mit den unteren Lenden, machte sie ihn im selben Augenblick wieder rasend. Es geschah immer dann, wenn er sich verlor und an unanständige Sachen mit ihr dachte. Als würde sie es spüren, wenn er daran dachte und ihn absichtlich reizte, um ihn von solchen Gedanken abzubringen.

 

„Ich denk nicht dran, du blöder Idiot“, fauchte sie angriffslustig zurück und knallte die Gabel auf ihren Teller.

 

Unverzüglich griff er nach ihrem Handgelenk und zerrte sie auf ihren Stuhl zurück, bevor er sich mit erhobenem Zeigefinger zu ihr hinüberbeugte. „Das mit dem Idiot mag vielleicht stimmen, aber blöd bin ich nicht. Oder bist du etwa auch blöd?“

 

„Was?“ Sie verstand nicht, was er meinte. Mit schmerzverzerrter Miene versuchte sie indessen, ihr Gelenk zu befreien, doch er schien nicht daran zu denken, sie aus ihrem Griff zu entlassen. Dabei wusste sie doch bereits, dass er grob zupacken konnte.

 

„Hatten wir nicht dieselben Noten im sechsten Schuljahr? Ich wage mich auch daran zu erinnern, dass wir beide alle Fächer belegt hatten.“

 

„Ha, nur weil wir alle Fächer belegt und gute Zensuren hatten, bedeutet das nicht, dass du intelligent bist.“

 

„Nein, natürlich nicht. Willst du mir jetzt noch unterstellen, dass ich gemogelt habe?“ Sein Satz triefte vor Sarkasmus.

 

„Nein, das will ich nicht.“
 

„Fein“, entgegnete er und zog seine Hand zurück, um sich wieder zurückzulehnen.

 

Hermine hingegen verschränkte ihre Arme vor der Brust und starrte durch die Tür hinaus auf die Ländereien. Ja, sie hatten dieselben Fächer belegt und ja, sie waren beide recht gut was das Lernen betraf und trotzdem waren es qualvolle Jahre. Während andere Schüler sich im Unterricht langweilten, schrien Malfoy und sie sich ununterbrochen an – was sich überwiegend durch die ganzen Stunden zog. Und Hermine glaubte, dass es auch für die Professoren eine Qual gewesen sein musste, solch resolute Schüler gehabt zu haben.

 

„Mein Verhalten tut mir im Übrigen ebenfalls leid.“ Sie ignorierte seinen vorhergegangenen Einwand und begann damit, wofür sie auch eigentlich zurückgekommen war.

 

„Was genau?“

 

Schön. Provokation. Etwas, das Malfoy wie kein zweiter beherrschte. Davon sollte sich die ehemalige Gryffindor aber nicht unterkriegen lassen. Schließlich hatte sie jahrelang Zeit gehabt, sich an diese Eigenschaft zu gewöhnen. „Dass ich einfach aufgestanden und gegangen bin. Das tut mir leid.“

 

Ihm wäre es lieber gewesen, dass sie sich dafür bedankte, nicht in Askaban zu sitzen. Draco wollte, dass sie es schätzte, dass er fünftausend Galleonen zahlte, um sie vor schlimmerem zu bewahren und – im Gegensatz zu Askaban – in luxuriöser Atmosphäre lebte. Immerhin wusste sie ja nun, dass er tief in die Tasche gegriffen hatte. Demzufolge könnte sie sich auch verdammt nochmal bei ihm bedanken. Denn im Gegensatz zu ihr, wusste Draco, wie es in Askaban zuging. Im sechsten Schuljahr war sein Vater inhaftiert worden und Draco sah, wie kräftezehrend dieses Loch sein konnte. Sein Vater sah nicht mehr adlig und hochwohlgeboren aus. Nein, Lucius war zu einer leeren Hülle geworden, die nur auf den Tod wartete – etwas, das er bei Granger vermeiden wollte. Sie sollte keine leere Hülle werden und... auch nicht das Strahlen in ihren Augen verlieren, das bei jedem erlosch, der Askaban von innen gesehen hatte. Nachdem sie ihre Mutter verlor und nun auch – bedingt durch ihre Gefangenschaft – ihren Vater nicht mehr sah, war Draco sich sicher, dass sie bereits einen Teil ihrer Lebenslust verloren hatte. Mehr konnte er ihr nicht mehr zumuten und das war der Grund seiner fast selbstlosen Tat, als er zum Ministerium ging und zahlte...

 

„Ich bin fast geneigt, beeindruckt zu sein. Du kannst zugeben, wenn du einen Fehler gemacht hast?“ Amüsiert schaute er ihr entgegen. „Ganz neue Worte, an die ich mich gewöhnen könnte.“ Dass sie sich entschuldigte, klang auch nett. Besser wäre es gewesen, wenn sie sich kniend entschuldigt hätte – mit geöffnetem Mund und darauf wartend, dass er seine steinharte Erektion in ihren Mund drückte. Immer tiefer und -

 

„Ja, ich kann Fehler zugeben und mich im Gegensatz zu anderen Menschen entschuldigen“, schilderte sie, während sie ihn aus den Augenwinkeln heraus anklagend ansah.

 

Ach ja. Wie schön. Dachte er nicht eben noch daran, dass sie es spürte, wenn er an verruchte Dinge mit ihr dachte? Jawohl, denn Granger bewies wieder dieses sagenumwobene Talent, ihn in seinen sexuellen Gedanken mit ihr zu unterbrechen. Wie herrlich.

 

„Wie schlagfertig von dir.“ Natürlich bemerkte er ihren an ihn gerichteten Seitenhieb. Kein wirklich treffender Seitenhieb, aber er konnte sich vorstellen, wieso sie das tat. Weil sie ebenfalls eine Entschuldigung erwartete, die sie allerdings nicht bekäme. „Aber ich muss dich enttäuschen: Ich bin nicht sonderlich getroffen, Granger.“ Er war eben ein Arsch, der Frauen zu seinem Zweck gebraucht. Ja, Draco war ein egoistischer Mensch, der per se zuerst an sich dachte. Granger kannte ihn doch. Er bräuchte sich in ihrer Gegenwart niemals zu verstellen und das hatte er auch nicht vor. Slytherins waren keine sentimentalen Kinder gewesen, denen das Leid anderer nahe ging. Im Gegenteil. Viele – wenn nicht sogar alle – ergötzten sich an dem Leid anderer Menschen; Draco mit eingeschlossen.

 

„Es ist unmöglich, mit dir zu reden.“ Kraftlos widmete sie sich wieder ihrem Essen, das sie zu Ende essen würde, um abschließend in ihrem Zimmer zu verschwinden. Hermine hätte es genossen, sich etwas mit ihm zu unterhalten, nachdem er sie gerettet hatte, aber das war schlicht und ergreifen nicht möglich, weshalb sie nun die Stille vorziehen würde.

 

„Nun, es kommt auf das Thema an.“

 

„Ich kann mir vorstellen, welche Themen du bevorzugst.“ Sie beeilte sich mit dem Essen, schob den Teller eilig zur Seite und stand auf. Folglich blickte sie zu Akina, die die ganze Zeit neben dem Tisch stand und scheinbar darauf wartete, die Wünsche der Menschen zu erfüllen. „Danke für das gute Essen, Akina. Es war wie immer fabelhaft. Bitte richte das auch in der Küche aus, ja?“

 

Unsicher blickte die Elfe zu ihrem Herren, weil sie nicht wusste, ob sie antworten durfte.

 

„Granger, das Essen -“

 

„- hast du bezahlt, ja. Aber“, fuhr sie einschneidend fort, „das Essen haben deine Elfen zubereitet. Wenn ich mich dafür bedanken wollte, dass du das Essen bezahlt hast, hätte ich es auch genau so ausgedrückt und mich an dich gewandt, Malfoy.“

 

Dieses... Dieses Weibsstück. Knurrend umklammerte er sein Besteck, während er das Fleisch aggressiv zwischen seinen Zähnen mahlte. Zum Abschluss schnappte er sich seinen Zauberstab und murmelte: „Und Tschüss, Granger.“ Mit einer einzigen Bewegung seines Stabes knallte er die Tür zu – die Granger gerade passiert hatte. Der Punkt, an dem er sie nicht mehr sehen wollte, war für heute erreicht. Nachfolgend richtete er sein Augenmerk auf Akina, die zusammengezuckt war. „Das Essen ist wirklich gut, Akina.“

 

Die Ohren der Elfe wackelten aufgeregt, ehe sie sich ehrfürchtig vor ihrem Herren verneigte und zu Boden lächelte.

Die Vernunft erscheint im Leben zuletzt

- Kapitel vierzehn -

 

 

 

Übermannt von den Gedanken und den Gefühlen, bezüglich des Wissens, dass Malfoy für sie in die Breche gesprungen war, war... es war erdrückend. Ein Mensch, der Hermine womöglich nichts sehnlicher wünschte als den Tod, war zum Ministerium gegangen und erkaufte ihre Freiheit. Eine eingeschränkte Freiheit, die die ehemalige Gryffindor vor dem sicheren Tod – aufgrund der psychischen Belastung – in Askaban bewahrte. War das zu fassen? Trotz ihrer stringenten Abneigung Malfoy gegenüber, fühlte sie sich ihm gegenüber zu Dank verpflichtet – etwas, das nicht sein durfte. Immerhin war er derjenige, der Hermine gefangen hielt. Ferner öffnete sie zaghaft die Tür zu ihrem Zimmer, das von der Nachmittagssonne erleuchtet wurde und die Konturen ihrer Möbel rot schimmerten. Er hatte sie demzufolge nicht angezeigt, sondern lediglich erwirkt, dass sie bei ihm bleiben musste. Ja, sie musste bei ihm bleiben. Malfoy – der Mann, den sie nie leiden konnte – tat etwas, das Hermine nie von ihm erwartet hätte: Sie vor Schaden bewahren. Anfangs glaubte sie, dass er es tat, um sie hier zu Tode zu quälen, aber im Nachhinein tat er ihr einen Gefallen, über den Hermine zuvor nicht nachgedacht hatte. Nein, so weit hatte sie zuvor nicht gedacht.

 

Wozu auch? Malfoy war ein Arsch. Ein Mann, der nicht an andere, sondern nur an sich dachte.

 

Dieser Gedanke hinterließ einen faden, bitteren Beigeschmack. Zumal ihm die Summe, die er gezahlt hatte, nicht wehtat. Malfoy musste sich bezüglich seiner finanziellen Situation niemals Sorgen machen – er schwamm in Gold. Allerdings war es nicht selbstverständlich – schon gar nicht für Draco Malfoy. Seine Devise war vermutlich, dass man nur reich blieb, wenn man das Gold nicht sinnlos ausgab und in ihrem Fall war es – laut seiner Auffassung – sicherlich ineffektiv, eine solche Unmenge an Galleonen zu zahlen. Aber konnte man nicht genau daraus schließen, dass er sich verändert hatte, wenngleich er das nicht hören, gar sehen wollte? Schließlich hätte er niemals für Hermine gezahlt, wenn nicht ein Funken Anstand in ihm ruhen würde, oder?

 

Und genau das war das Thema, das Hermine beschäftigte. Sie stand in seiner Schuld und dachte ernsthaft darüber nach, inwiefern sie sich bedanken konnte. Hinzu kam auch noch, dass er sie aus der Schlucht gezogen hatte und egal wie lange sie darüber nachdachte, es würde niemals zur Selbstverständlichkeit werden, obwohl sie sogar in Betracht zog, es seiner Berechnung zuzuschreiben – aus dem einfachen Grund, jemanden zu brauchen, den Malfoy willkürlich schikanieren konnte. Wollte er deshalb, dass Hermine von seiner selbstlosen Handlung erfuhr, um sie in falsche Sicherheit zu wiegen, ehe er zum nächsten verbalen Schlag ausholte? Nein, denn dagegen sprach, dass er sichtlich erschrocken wirkte, als Narzissa ihr offenbarte, dass Malfoy die Angelegenheit mittels Galleonen geklärt hatte.

 

Bei Merlin, die ehemalige Hogwarts-Schülerin war gar nicht mehr in der Lage zwischen Ernst und Spaß zu differenzieren, nachdem sie dem natürlichen Treiben außerhalb der malfoy'schen Grenzen zusah. Wenn man es letzten Endes genau nahm, war Malfoy ein schlechter, niederträchtiger und gemeiner Mensch – schon immer, aber er hatte ihr geholfen. Ob aus Eigennutz oder Selbstlosigkeit, das war Hermine im ersten Moment egal. Jedoch durfte es ihr nicht egal sein.

 

Merlin, ihre Gefühle fuhren Achterbahn. Was sollte sie noch denken? Wie sollte sie sich ihm gegenüber zukünftig verhalten? Kopfschüttelnd wandte sie sich vom Fenster ab, um sich anschließend auf ihr Bett fallen zu lassen – gefangen in ihrem Gefühlschaos, denn Hermine war – wie sie selbst befand – eben kein schlechter Mensch. Im Gegensatz zu ihm, konnte sie ihre Dankbarkeit zeigen, sogar in Worte fassen. Es waren stets ehrliche und aufrichtige Worte, worum es letztendlich auch ging, wenn man dankbar war. Malfoy hingegen... nun, er fühlte sich noch nie für etwas schuldig – sei es für seine Diffamierungen oder Schandtaten. Oh ja, Hermine würde arg daran zweifeln, wenn er sich jemals entschuldigen würde. Der verzogene Draco Malfoy tat nämlich nur das, was für ihn gut war und dazu gehörten keine versöhnlichen Worte. Zugleich dachte sie immer noch daran, wie sie sich erkenntlich zeigen konnte – bis ihr seine unmoralischen Worte in den Sinn kamen...

 

Dass er alles von ihr verlangen könnte und sie zu gehorchen hatte.

 

Eine Tatsache, die Hermine seufzend aufstehen ließ.

 

Ob es einstudierte Phrasen waren, die die junge Frau einschüchtern sollten? Wollte er ihr aufzeigen, dass er die Macht über sie besaß? Er, der reinblütige Draco Malfoy. Dagegen sprach jedoch, dass er niemals ein Schlammblut, das unter seiner Würde stand, freiwillig berühren würde – zumindest ein kleiner Wermutstropfen, der Hermine beruhigte. Aber wieso in Merlins Namen schützte er sie vor Askaban? Weil Lucius in dem Zauberergefängnis war? Nahm die Erfahrung Einfluss auf Malfoy? Hatte es den damals noch unreifen Draco erschrocken, seinen gebrochenen Vater in dem Zustand zu sehen, weshalb er Hermine vor selbiger Erfahrung bewahren wollte? Gleichzeitig fragte sie sich, ob Malfoy seinen Vater jemals besucht hatte?

 

Oder aber beruhte sein Mitgefühl auf der Tatsache, dass er sich verändert hatte, wie Hermine zuvor angenommen, Malfoy diese Idee jedoch zerschlagen und sie als einfältige Närrin hingestellt hatte? Ja, irgendwie belächelte auch Hermine ihre eigene Naivität, bezüglich ihrer Gedanken. In Anbetracht dessen hätte sie sogar fast aufgelacht, obzwar es keinen Grund zum Lachen gab, seit ihrer Anwesenheit auf Malfoy Manor. Womöglich schützte er sie bloß, um wieder einmal an seine eigene Haut zu denken, hinsichtlich des Umstandes, dass bereits genug Dreck an seiner Zauberstabspitze hing und diese nicht mit noch mehr Schmutz behaftet werden sollte.

 

Wie sie es auch drehte, Hermine würde sich bedanken, weil sie sich sicher war, dass Malfoy im ersten Moment aus Mitgefühl und Anstand gehandelt hatte und nicht, um sein Gewissen zu beruhigen. Sie würde sich etwas überlegen müssen, das sie gemeinsam machen könnten – was wiederum die Frage aufwarf, was sie auf Malfoy Manor machen konnten, ohne sich Vorwürfe zu machen.

 

Vielleicht sollten sie etwas außerhalb ihrer Gefängnismauern unternehmen – auf neutralem Boden? Aber würde er sie überhaupt mitnehmen – nach draußen? Hinzu kam die Frage, wie sie die Zusammenkunft mit Malfoy rechtfertigen konnte, sofern sie gemeinsam in der Öffentlichkeit gesehen wurden?

 

Ach herrje, es war alles so kompliziert, aufgrund dessen dass Malfoy eine einsame Seele war. Ein verlassener Mann, der wenig über sich preisgab. Keinen einzigen Freund hatte sie bisher hier gesehen – weder Gregory Goyle, noch Blaise Zabini. Freunde aus seiner Jugend. Menschen, mit denen Malfoy in Hogwarts seine Zeit verbracht hatte und es war seltsam, aber Hermine konnte sich nicht vorstellen, dass sie nach der Schule keinen Kontakt mehr zu Ron, Harry oder Ginny haben könnte. Natürlich wusste sie, dass man sich nach der Schule aus den Augen verlor, jeder lebte sein eigenes Leben, man ging neue, getrennte Wege, aber... man würde sich doch immer noch sehen können, etwas unternehmen und zusammen lachen können, oder? Merlin, sie war bis dato tatsächlich der Auffassung, dass Zabini und Goyle die Einzigen seien, die zu Malfoy standen, aber das schien bloß ein Irrglaube ihrer eigenen Vorstellung einer langen Freundschaft zu sein. Allerdings, fernab dieser düsteren, niederschmetternden Gedanken, kam ihr eine rettende Idee – Malfoy war für Sport zu begeistern. Immerhin war er in Hogwarts Sucher des Slytherin-Teams gewesen und sie wusste – wenngleich sie auch unfreiwillig Zeugin von Lavenders damaliger Schwärmerei wurde –, dass er während seiner gesamten Schulzeit sportlich aktiv gewesen war. Jedoch wollte sie nicht zu einem Quidditch-Spiel, weil die Gefahr zu groß war, erkannt zu werden. Zumal sie schon in Hogwarts immer versucht hatte, sich vor einem bevorstehenden Spiel zu drücken. Ha, und doch war sie bei jedem Spiel anwesend... Harry, Ron und Ginny zuliebe.

 

Es sollte – im Bezug auf Malfoys Überraschung – allerdings etwas sein, das nichts mit Zauberei zu tun hatte. Ob Fußball geeignet wäre? Eine Sportart fern jeglicher Magie. Ok, nicht ganz. Hermine konnte nicht ausschließen, dass kein einziger Zauberer dort wäre, nachdem sie sich daran erinnerte, dass Dean Thomas ein begnadeter Fußball-Fan gewesen war. Außerdem erinnerte sie sich daran, wie Harry ihr einmal erzählt hatte, dass er Ronald dabei erwischte, wie er vor Deans Fußballposter stand – das über seinem Bett hing –, und die Spieler darauf aufforderte, sich endlich zu bewegen.

 

Ach, was waren das schöne Erinnerungen... Erinnerungen, die hoffentlich niemals verblassten.

 

Aber sie sollte ihren Fokus auf Malfoy und ihren Plan legen. Sofern ihr Vorhaben klappte, würden die Erinnerungen nämlich weiterhin Bestand haben und nicht von der düsteren Umgebung auf Malfoy Manor verdrängt werden. Zwischenzeitlich dachte sie fieberhaft darüber nach, wann Malfoys Geburtstag war – instinktiv rief sie sich die Schulakten zu denen sie als Schulsprecherin Zugang hatte ins Gedächtnis und plötzlich blitzte das Datum vor ihr auf. Es war der 5.Juni 1980 – Malfoys Geburtstag. Demzufolge könnte sie es so aussehen lassen, als würde es sich bei ihrer Überraschung um ein Geburtstagsgeschenk handeln, in der Hoffnung, mithilfe dieser Farce auch wieder in den Besitz ihres Zauberstabes zu kommen. Hermine müsste ihm bloß genügend Honig um den Mund schmieren.

 

Oh ja, begierig rieb sich Hermine daraufhin ihre Hände. Das war eine brillante Idee. Sie würde zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen – sich erkenntlich zeigen und Malfoy weismachen, ihm etwas zu Geburtstag zu schenken. Wäre sie ein durchtriebenes Weibsbild, müsste sie sich dafür feiern, angesichts dieses Plans. Ja, nicht Malfoy steuerte sie... Oh nein, Hermine würde Malfoy zu ihren Gunsten steuern – nach ihren Wünschen und Vorstellungen.

 

„Akina?“, flüsterte Hermine ehrfürchtig, weil sie tatsächlich glaubte, die Wände hätten Ohren und jemand Bestimmtes würde hören, wie sie nach der Elfe rief. Aber noch keine fünf Sekunden waren vergangen, da konnte sie das ihr bekannte Plopp hören, bevor die Elfe vor ihr erschien.

 

„Die Miss hat Akina gerufen?“ Freudig wackelte das Geschöpf mit den Ohren – darauf hoffend, dem Mädchen einen Wunsch erfüllen zu können.

 

Lächelnd ging Hermine anschließend in die Hocke. Sie sah dem Wesen eindringlich in die Augen und sprach: „Akina? Sag mal, kannst du disapparieren?“

 

Überrascht von der Frage, flog einer ihrer knochigen Finger zu ihren rauen Lippen, bevor sie wortlos nickte.

 

„Du kannst an beliebige Orte apparieren – von Malfoy Manor aus?“ Irgendwie keimte Hoffnung in der ehemaligen Gryffindor auf. „Wenn... Wenn du das kannst, dann -“ Sie pausierte, nicht sicher, wie sie ihre Frage fortführen konnte. „Kannst du jemanden mitnehmen?“

 

„Oh Miss.“ Akina verstand, worauf ihr Gegenüber hinauswollte. „Akina beherrscht das Seit-an-Seit-apparieren.“ Gleich würde sie dem Mädchen die Hoffnung nehmen müssen, was ihr unendlich leid tat, aufgrund der leuchtenden Augen, die Akina entgegenstrahlten. „Aber ich kann die Miss nicht mitnehmen – das Anwesen meines Herren würde das verhindern.“

 

„Ich verstehe“, entgegnete Hermine betroffen, aber sie versuchte, es sich nicht anmerken zu lassen. „Könntest du dann für mich ein Geschenk für deinen Herren besorgen?“

 

Unglaube blitzte in den runden Elfenaugen auf.

 

„Dein Herr hat doch demnächst Geburtstag, oder? Ich möchte ihm gerne etwas schenken.“ Einmal – so erinnerte sie sich – war Hermine mit ihrem Vater im Stadion. Es war ein warmer Sommertag und die Welt war in Ordnung. Damals kannte sie den Namen Voldemort noch nicht, die Zaubererwelt war ihr unbekannt, da sie damals noch ein kleines Mädchen war, das in ihrer friedlichen Seifenblasenwelt – beschützt von ihren Eltern – lebte. Außerdem konnte sie sich daran erinnern, dass ihr Vater ihr haargenau die Regeln erklären musste. Ja, Hermine wollte all das verstehen, was ihren Vater so begeisterte. Jedoch – und sie hätte es fast beschwören können – war ihr Vater leidenschaftlicher Arsenal London Anhänger, wohingegen Hermine damals für die schönen blauen Trikots des FC Chelsea schwärmte. Und plötzlich – als wäre ihre Zaubererwelt surreal – wirkten die Erinnerungen an ihre Eltern so klar, so... so als wäre es erst gestern passiert. Alles andere – Hogwarts, Voldemort, die Schlacht, sowie ihre Fähigkeiten zaubern zu können – schien auf einmal nebensächlich zu werden.

 

„Ich weiß, Miss. Der Herr hat bald Geburtstag.“

 

„Genau“, erwiderte Hermine paralysiert – noch immer in ihren damaligen Gedanken versunken. „Kannst du ins Highbury Stadium in London apparieren?“ Zugleich schämte sie sich, nachdem sie die Frage laut gestellt hatte. Immerhin benutzte sie die kleine Elfe, sie forderte quasi ein magisches, hilfloses Geschöpf dazu auf, in ein Muggelgebäude zu apparieren um Fußball-Karten zu entwenden. Allerdings fehlte ihr das nötige Muggelgeld, um es irgendwo platzieren zu lassen... Schlussendlich war es Diebstahl, keine Frage, aber im Fußball würde es niemandem wehtun, wenn zwei Karten nicht gezahlt wurden. „Dort suchst du nach Fußball-Tickets. Das sind kleine langgezogene Kärtchen, wovon du bitte zwei Stück mit hierher bringst, ja?“

 

Auch bat Hermine Akina nicht darum, Tickets für die Tribüne oder eine Lounge zu nehmen. Sie wollte Malfoy den beliebtesten Sport der Muggel näher bringen – was am Besten ging, wenn man das Feeling, sowie die Stimmung nicht hinter einer gläsernen Wand miterlebte. Außerdem erhoffte sie sich Chancen, in dem Trubel verschwinden und abhauen zu können und wenn sie die Karten bereits hätte, würde er es ihr nicht abschlagen, gemeinsam mit ihr ins Stadion zu gehen, oder?

 

„Kannst du das machen, Akina?“

 

Die Elfe überlegte kurz, doch willigte sie innerhalb weniger Sekunden ein, da sie – ihrem Anschein nach – etwas wichtiges erledigen musste, das außerhalb von Malfoy Manor lag. „Akina wird der Miss zwei Tickets besorgen und hierher bringen.“

 

„Aber sei bitte schnell zurück, bevor Mal-“ Hermine unterbrach sich selbst, räusperte sich und fuhr in ruhigem Ton fort: „Ich meine, bevor dein Herr etwas merkt. Es soll ja schließlich eine Überraschung sein, nicht?“

 

Wieder nickte Akina und verschwand. Indessen hoffte Hermine inständig, dass niemand die kleine Elfe erwischen würde.

 

 

 
 

~*~

 

 

Inzwischen war auch Draco zum Ende gekommen, wonach er – sehr zu seinem Missfallen – feststellen musste, dass das Essen wirklich gut war. Das war es schließlich immer, bemerkte er innerlich, nachdem er die Gabel neben den Teller legte, nach der Serviette griff und diese über seinen Mund tupfte. Granger musste ihm diesbezüglich keine Vorträge halten. Insofern war es unnötig zu erwähnen, dass das Essen von seinen Elfen zubereitet wurde. Draco wusste das, verdammt nochmal. Aber womöglich wollte sie ihn provozieren – absichtlich. Dabei war er es, der stark war. Draco war derjenige, der verbal über sie herfallen durfte. Immerhin war er frei, er konnte Malfoy Manor verlassen, wann immer ihm danach war – im Gegensatz zu ihr. Und sich noch einmal der Grenze nähern, das würde sich Madame auch nicht mehr wagen, aufgrund der Erfahrung, die sie am eigenen Leib machen musste. Ja, sein Anwesen würde jeglichen Ausbruch zu verhindern wissen – eine Tatsache, über die er Granger aufgeklärt hatte. Und hatte sie gehorcht? Natürlich nicht. Irgendwann würde er nach Hause kommen und Granger noch im Brunnen vorfinden, in den sie hineinstürzen würde. Ja. So weit gingen bereits seine Gedanken – ihretwegen. Wegen einem impertinenten Weib, das seine Hilfe nicht zu schätzen wusste, seine Warnungen ignorierte und mit den Konsequenzen nicht leben konnte. Dass Draco aber derjenige war, der sie gerettet hatte, das berücksichtigte das sture Mädchen nicht. Stattdessen verschlimmerte sie alles – mit bloßen Äußerungen, die Dracos Blut zum Kochen brachte.

 

Merlin nochmal. Er wollte sie eigentlich quälen, sie leiden lassen und gleichzeitig auf Abstand halten. Jedoch war er gezwungen – angesichts der Vorkommnisse – in ihrer Nähe zu bleiben, bestenfalls noch auf sie aufzupassen. Himmel nochmal, er verabscheute den Gedanken daran schon jetzt. Vielleicht sollte er sie wirklich einfach laufen lassen. Immerhin hätte er dann Ruhe und könnte sein reiches, sorgenloses Leben auskosten.

 

Aber gehen lassen war letztendlich keine Option.

 

Ob er sie einmal mit nach Hogsmeade nehmen sollte? Oder... Oder vielleicht zu Potter? Vielleicht bestand dann die Möglichkeit, dass die Situation sich beruhigte oder... dass Granger sich beruhigte, wenn sie ihren Pantoffelhelden einmal sah und sich selbst vergewissern konnte, dass es ihm... nun ja, den Umständen entsprechend gang? Allerdings – und Dracos Mundwinkel sanken daraufhin genervt nach unten – bezweifelte er, dass sich danach die Stimmung verbesserte. Nie würde Granger so sein, wie es sich vorgestellt hatte. Sie war keine Marionette, die sich so einfach lenken ließ.

 

Aber wie konnte er dafür Sorge tragen, dass sie sich endlich fügte? Sein Blick wanderte durch den Raum, bis er schlussendlich nach draußen sah und den wehenden Bäumen einige Minuten stillschweigend zusah. Es war beruhigend, den Blättern zuzusehen, wie sie sanft und geräuschlos zur Erde fielen – was auch zu Dracos Gedankenblitz führte.

 

Sie liebte Bücher. Und Draco besaß eine Privatbibliothek, die er dieser halsstarrigen Person zeigen könnte, oder? Es war jedenfalls eine nette Geste, die er gewillt war, preiszugeben. Außerdem wollte er endlich Frieden in seinem Haus. Hinzu kam, dass er mit jemandem reden musste. Er brauchte einen Freund, der ihm zuhörte. Und war es nicht herrlich lächerlich? Er, Draco Malfoy, bräuchte jemandem zum Reden... In Hogwarts hatte er diesen Stress nie gehabt. Nie hatte er jemanden gebraucht – abgesehen von den Mädchen, die er reihenweise im Schloss bestiegen hatte. Das war ein schönes Leben gewesen und Draco vermisste diese Zeit. Damals war alles so... so einfach, doch mit dem Alter wuchs auch die Verantwortung.

 

„Scheiß drauf“, murmelte Draco beflissen, ehedem er aufstand und zum Kamin marschierte. Sollte Blaise doch denken – wie Dracos es selbst von sich dachte –, dass er weich geworden war. Infolgedessen lehnte er einen Ellenbogen auf den Kaminsims, während seine andere Hand nach dem Flohpulver griff, das er übergangslos in ie Flammen streute und sprach: „Zabini Manor, Grafschaft Bristol, Blaise Zabini.“

 

Augenblicklich loderten die giftgrünen Flammen auf, bevor die Verbindung hergestellt und Zabinis Zimmer nebulös zum Vorschein kam. Ungeduldig tippten seine Finger abwechselnd auf dem Sims, bis eine schemenhafte Gestalt hervortrat und den Kopf in die Flammen steckte.

 

„Ach“, vernahm Draco die lachende Stimme seines besten Freundes. „Was für ein seltener Anblick und ich muss gestehen, deine Beine reizen mich nicht wirklich, Malfoy“, scherzte Blaise, der – bedingt durch Dracos Haltung – eben nur seine Beine erkennen konnte.

 

„Ha, echt witzig, Zabini, aber die Zeiten, in denen ich mich wie ein kleines Kind begeistert in die Flammen setze, sind vorbei. Hast du Zeit?“, fuhr der ehemalige Slytherin nonchalant fort.

 

„Eigentlich nicht. Ich bekomme später noch Besuch, wenn du verstehst.“ Blaise war sich sicher, dass Draco ihn nicht gut sehen konnte, dennoch wackelte er frivol mit den Augenbrauen.

 

„Aha.“ Merklich angespannt, verschränkte Draco die Arme vor der Brust, trat vom Kamin weg und fügte mürrisch hinzu: „Der Kamin ist offen, komm durch.“

 

Binnen weniger Sekunden vernahm Draco – der inzwischen wieder Platz genommen hatte – ein Geräusch, das ihm signalisierte, dass Blaise durch den Kamin gestiegen war.

 

„Was ein... herzlicher Empfang, Draco. Woher die gute Laune?“

 

Weshalb hatte er sich nochmals an Blaise wenden wollen und nicht an Gregory? Ach ja, Blaise schimpfte sich bester Freund, der alles bis ins kleinste Detail ausdiskutieren wollte. Gregory hingegen dachte pragmatischer, weswegen er auch zuerst an Blaise dachte. Das nächste Mal würde er Gregory rufen oder alles einfach aussitzen. Punkt. Anmutig, wie es nur Draco schaffte, schob er den leeren Teller zur Seite, während die Elfen damit begonnen hatten, im Hintergrund den Tisch abzuräumen. Zeitgleich umfingen Dracos Zeige-, Mittelfinger, sowie sein Daumen den Hals seines Glases, um sich weiterhin zu beschäftigen. Ungern wollte er vor Blaise sein Gesicht verlieren, aufgrund seiner Arroganz, die er stets perfektionierte. Ja, Eitelkeit, Wohlstand und Arroganz zeichneten Draco aus und würde er diese Maske fallen lassen, wäre er gesellschaftlich ruiniert. Aus dem Grund musste er es so aussehen lassen, als ob es ein belangloses Gespräch werden würde. Anschließend schnappte er sich die Flasche Whiskey, deren goldener Inhalt er in sein Glas füllte, ehe er das Glas hob und mithilfe einer galanten Bewegung die Flüssigkeit hin und herschwappen ließ.

 

„Möchtest du auch etwas?“, wollte Draco der Höflichkeit halber wissen.

 

„Nein, danke“, erwiderte Blaise mittels einer knappen Handbewegung. „Aber du kannst mir erklären, wieso du säufst?“

 

„Saufen? Blaise, ich bitte dich“, empörte sich der Malfoy-Erbe. „Ein Glas.“ Was glatt gelogen war, aber Draco konnte schon gar nicht mehr die Anzahl seiner bereits getrunkenen Gläser aufzählen.

 

„Natürlich“, seufzte sein Gegenüber. „Ein Glas – muss ich mir Sorgen machen?“

 

„Du machst dir Sorgen?“, antwortete Draco leicht gehässig, wohl wissend, dass sein bester Freund sich eher um Granger sorgte, wie er in ihrem letzten Gespräch nur allzu deutlich gemacht hatte. „Das musst du nicht. Erzähl mir lieber von deinem Besuch“, versuchte Draco gekonnt abzulenken. „Ich nehme an, sie ist blond?“ Anzüglich hob er sein Glas und trank einen kräftigen Schluck.

 

„Du hast mich kommen lassen, weil du wissen willst, wie Geneviève aussieht?“ Nun lächelte auch Blaise, der sich im Anschluss nach vorne lehnte und Draco eindringlich ansah, bevor auch er nach einem der sauberen Gläser griff und sich Whiskey eingoss, ohne den Blick von seinem Gegenüber abbrechen zu lassen. „Draco, ich kenne dich, auch wenn dir das unangenehm ist.“

 

Fuck, ja. Blaise kannte ihn und das zu gut offenbar. Na und? Anscheinend durfte man seinen besten Freund nicht mehr einladen, ohne dass der direkt an irgendwelche Verschwörungen dachte.

 

Falsch!“, klinkte sich die innere Stimme in den Zwiespalt mit ein. „Du hast ihn zu dir kommen lassen, weil du reden willst. Hierbei handelt es sich in keinster Weise um eine Verschwörung, mein Lieber.“ Die Stimme kam wieder in Fahrt, was man deutlich an den gewählten Worten erkannte und vor allem daran, dass sie wieder nicht auf Dracos Seite stand – was nichts Neues war. „Sei wenigstens dir selbst gegenüber so fair und ehrlich.“

 

Dracos Freund wusste, dass er recht behielt, weshalb er unbeeindruckt fortfuhr: „Nun ja, sie ist tatsächlich blond. Recht schlank – Standard, Draco. Du kennst ja meinen Geschmack, aber deinen scheine ich seit Neustem nicht mehr zu kennen, richtig?“

 

„Was soll das, Blaise?“

 

Bevor er antwortete, gönnte sich Blaise ebenfalls noch einen kräftigen Schluck. Nachdem er das Glas abgesetzt hatte, leckte er sich freudestrahlend über seine feuchten Lippe, beäugte Draco und wischte sich abschließend über den Mund. „Na ja, Granger ist ja so blond, wie ich es bin, richtig? Erzähl, wie geht es unserer Miss? Oder sollte ich eher deine Prinz-“

 

„Untersteh dich, Blaise!“

 

„Draco“, begann Blaise erneut – dieses Mal sanfter. „Du willst doch über Granger reden.“

 

Ja, vorhin wollte er das auch noch. Aber jetzt... Jetzt, nachdem die Situation eingetroffen war und er sich seinen Ballast von der Seele reden konnte, wollte er zurück in sein Schneckenhaus kriechen. Er war schlichtweg feige, zuzugeben, dass er jemanden zum Reden brauchte und baute auf Blaise, dass er derjenige war, der den Fokus auf Granger rückte – was er auch tat. Eben weil er erkannte, dass Draco ein Feigling war.

 

„Du offensichtlich mehr“, ergänzte Draco daraufhin.

 

„Nein“, entfuhr es ihm entnervt. Draco hielt ihn also tatsächlich für dumm. Er war scheinbar der Annahme, dass er so unnahbar wäre, so undurchschaubar, aber das war Draco momentan so gar nicht. „Du“, betonte Blaise, „willst über Granger reden. Das ist der Grund, wieso du mich angefloht hast“, offenbarte er das Unaussprechliche.

 

Und genau das führte auch dazu, dass Draco sein Whiskeyglas auf die Tischplatte knallte, woraufhin etwas der goldenen Flüssigkeit überschwappte. „Brisko!“

 

„Zum Henker, Draco. Was brüllst du so nach dem Elfen? Die können am allerwenigsten etwas dafür, dass du in der Situation steckst, in die du dich selbst manövriert hast. Komm mal wieder runter.“ Argwöhnisch, weil er Draco nicht einschätzen konnte, faltete er seine Hände ineinander, ohne seinen Freund aus den Augen zu lassen. „Erzähl mir lieber, was Granger macht? Hat... sie sich eingelebt?“

 

Lachend lehnte er sich in seinem Stuhl zurück, hob das Whiskeglas und sah hindurch zu Blaise. „Ist das dein verdammter ernst? Ich glaube nicht, dass sie sich jemals einleben wird.“

 

„Das sollte sie aber“, entgegnete Blaise.

 

„Das sollte sie nicht!“

 

„Draco, für immer ist eine recht lange Zeit.“ Er wusste, dass man Feuer nicht mit Benzin löschen konnte, aber so wie Draco sich benahm, war es kein Wunder, dass Granger sich nicht einleben konnte. Wer wusste schon, wie abtrünnig er mit ihrer ehemaligen Schulkameradin sprach?

 

„Wenn du denkst, dass du witzig bist, dann lass dir gesagt sein, dass du es nicht bist.“ Unterdessen stellte er sein Glas zurück und beobachtete seinen Elfen, wie er herbeigeeilt kam um die Flüssigkeit wegzuwischen.

 

„Glaub mir, ich will nicht witzig sein“, betonte er händeringend. „Aber du willst über Granger reden, doch sobald wir das tun, wirst du hitzköpfig und stur, weil du scheinbar die Wahrheit nicht verträgst. Verständlich“, provozierte Blaise weiter. „Wer will schon hören, dass man jemanden gerne um sich hat, den man eigentlich nicht mögen darf, weil man es jahrelang eingetrichtert bekam.“

 

„Was? Du spinnst dir was zusammen.“

 

„Im Gegensatz zu dir, bin ich aber hier, Draco. Ich bin da und ertrage deine Launen, obwohl ich mir was besseres vorstellen könnte, als deine Stimmung zu erdulden.“

 

Schnaufend wandte Draco seinen Blick ab. Wollte sein bester Freund ihm gerade vorwerfen, was für ein miserabler Freund er war? Das musste er nicht. Draco wusste das auch ohne Blaises Worte.

 

„Tze, ja. Schnaufen kannst du gut – das konntest du schon immer. Aber merk dir, dass du mich herbestellt hast. Also rede endlich mit mir. Sowas machen Freunde nämlich und auch wenn du das nicht gerne hörst, aber ich bin dein Freund.“

 

Wusch Blaise ihm gerade den Kopf? Es sah ganz danach aus, was Draco nicht einordnen konnte und Verblüffung seine markanten Züge zierte. Zumal sich Blaise noch nie zuvor so gegen ihn aufgelehnt hatte, indem er ihm den Zauberstab – im wahrsten Sinne des Wortes – auf die Brust drückte. Es war ein Novum, woraufhin sich der ehemalige Slytherin abermals Whiskey in sein Glas goss.

 

„Schön“, blaffte Blaise anschließend, nachdem sein Gegenüber schweigsam blieb. „Dann eben nicht.“ Im Umkehrschluss erhob er sich, schnappte nach seinem Umhang und legte diesen um seine Schultern.

 

„Ihr geht es gut“, murmelte Draco – den Blick noch immer abgewandt. „Körperlich jedenfalls“, fügte er hinzu, ohne zu bemerken, wie sich sein Mund bei diesen Worten verzerrte. Er verabscheute sich womöglich selbst dafür, was er Granger bisher alles angetan hatte, doch Blaises Reaktion versetzte ihm den Rest. „Sie ist oben – glaub ich.“

 

„Aha, und weiter?“, pochte Blaise, während er sich nach vorne beugte und die Hände auf der Stuhllehne abstützte.

 

„Dein Blick auf mich ist beunruhigend“, antwortete Draco stattdessen, ohne Bezug auf Blaises Frage zu nehmen. „Was ist los?“

 

„Was los ist, willst du wissen?“, entfuhr es Blaise entnervt, ehe er den Stuhl umrundete und sich nochmals setzte. „Man, Draco. Es gibt Menschen, die reißen sich den Arsch für dich auf, aber du schätzt das nicht einmal – das ist los. Du nimmst alles für selbstverständlich und das ist es nicht“, fuhr er gereizt fort. „Ich schenke dir meine aufrichtige Zeit, ich bin dein Kumpel und ich weiß, dass du... schwierig bist und man vielleicht etwas mehr Verständnis für dich aufbringen muss. Das weiß ich, Draco. Immerhin verbringen wir seit unserer Kindheit Zeit miteinander, weswegen ich auch weiß, dass du es nie für nötig halten wirst, Opfer zu bringen, geschweige Aufopferung zu schätzen. Das hat sich seit Hogwarts nicht geändert und du denkst, dass man dir zu Füßen liegen muss – was okay ist. Manche brauchen diesen... Narzissmus. Aber“, murmelte Blaise mit erhobenem Finger, „nur weil du wie ein Adonis aussiehst und du es deinem guten Aussehen verdankst, dass dir alle Frauen zu Füßen liegen, heißt das noch lange nicht, dass ich dir auch hörig bin, okay?“

 

Jap. Das nächste Mal würde Draco definitiv zuerst an Goyle denken und ihn anflohen. Der warf ihm wenigstens keine Gemeinheiten, und vor allem keine Wahrheiten an den Kopf. „Ich bin ein Adonis?“ Draco wusste, dass er gut aussah und das hatte nichts mit Arroganz zu tun, aber sein Erscheinungsbild gehörte nun einmal zu ihm, wie der Zauberstab zum Zauberer.

 

„Als ob du das nicht wüsstest“, bemerkte er augenrollend. „Aber das zieht nicht, Draco. Also, wie geht es Granger?“

 

Mürrisch versuchte Draco, sich weiter in seinen Stuhl zu pressen, in der Hoffnung, er würde ihn verschlingen. „Wie soll es ihr gehen, Blaise? Beschissen, man. Ich halte sie gefangen.“ Unbewusst strich er sich währenddessen die Haare aus dem Gesicht. Vielleicht tat er es auch bewusst, um Blaise nicht länger anzusehen.

 

„Das dachte ich mir. Wieso lässt du sie nicht gehen?“

 

Ja, Draco. Wieso lässt du sie nicht gehen?“ Seine innere Stimme rieb das Salz noch tiefer in die offene Wunde – herrlich. „Wenn du darauf bestehst, kann ich meine Vermutung doch noch aussprechen. Oder kommst du von alleine drauf?“

 

Nein, bei Merlin. Die Stimme musste gar nichts sagen. Sie sollte sich am Besten gar nicht mehr dazu äußern und Draco in Frieden lassen, aber selbst das gönnte man ihm nicht. Sein Innerstes stellte sich wieder einmal gegen ihn und zu allem Überfluss trat Blaise auch noch nach.

 

„Ich werde dir sagen, wieso du sie nicht gehen lässt“, holte Blaise aus. „Weil du ihre Anwesenheit in diesem großen, verdammten Anwesen genießt. Mittlerweile ist es nämlich so, dass du sie gerne um dich hast, wenngleich du sie dir noch auf Abstand hältst – sei es um ihret- oder um deinetwillen. Das weiß ich noch nicht, aber ich weiß, dass du gerne in ihrer Nähe bist, und weißt du, wieso das so ist?“ Blaise ließ sein Gegenüber gar nicht antworten, er sprach einfach weiter: „Weil Granger keine von deinen Gespielinnen ist. Sie ist keine Schlampe, wie all die anderen Weiber, die du mit hierher genommen, ausgenutzt und beglückt hast. Scheiße, was?“

 

„Was willst du mir eigentlich sagen, Blaise?“ Nachdenklich schloss Draco seine Augen, bevor seine Finger mit leichtem Druck über die geschlossenen Lider rieben.

 

„Dass Granger anders ist. Dass Grangers Art dich fasziniert, aber wieso sage ich dir etwas, was du schon längst weißt?“

 

Entsetzt über diese Analyse, öffnete er seine grauen Augen, legte sie Arme auf die Lehnen und versuchte, sich mühevoll in dem Holz festzukrallen. Kannte Blaise ihn wirklich so gut, obwohl Draco immer verschlossen, rücksichtslos und wortkarg im Umgang mit seinen Gefühlen und Emotionen war? Hatte Blaise ihn nicht sogar indirekt einen miserablen Freund genannt, eben weil er so war, wie er eben war?

 

„Du strapazierst meine Nerven ganz schön. Weißt du das auch, Blaise?“

 

„Leb damit, und ich werde nicht müde, dir weiterhin auf die Nerven zu gehen.“

 

„Tja, dann hoffe ich, dass du nicht allzu enttäuschst sein wirst, wenn ich dir sage, dass deine Vermutungen kompletter Nonsens sind“, grinste Draco ihm entgegen – sicher, das Wortgefecht gewonnen zu haben. Schließlich war Lucius sein Vater – ein Meister in Wortkriegen. Abschließend setzte er sich wieder gerade hin und sah dem Menschen entgegen, der Draco zu kennen schien – allerdings mit leerem Blick, so dass es Blaise schwerfallen würde, irgendetwas in seinen Augen herauskristallisieren zu können.

 

„Ah“, lachte auch Blaise. „Da ist er wieder: Dein Schäm-dich-Blick. Clever, Draco. Wirklich clever, aber du wirst noch an mich denken, wenn auch du zu der Erkenntnis kommst, dass Granger anders ist.“

 

Dazu müsste er nicht an Blaise denken. Draco wusste bereits, dass Granger anders war. Allerdings war es nichts Positives. Granger war... sie war eben Granger. Die Granger, die keinen Sex hatte. Die Granger, die weder trank noch rauchte. Granger war ein Mädchen, das ein langweiliges Leben führte und es scheinbar genoss – im Gegensatz zu ihm. Draco wollte Sex. Draco hatte auch Sex. Er trank und rauchte das eine oder andere Mal. Demzufolge gab es nichts, was er auch nur annähernd anziehend an ihr fand.

 

Lügner!“, spie die Stimme halsbrecherisch. „So langweilig kann sie gar nicht sein, wenn du dauernd an ihre Beine und ihren Hintern denkst. Und wieso stellst du dir immer wieder vor, wie sie nackt aussieht?“

 

Natürlich. Die Stimme... sie durfte nicht fehlen. Das Gespräch mit Blaise war schon kräftezehrend, aber seine innere Stimme war eine Herausforderung.

Gute Miene zum bösen Spiel

- Kapitel fünfzehn -

 

 

 

Unnachgiebig lief Hermine in ihrem Zimmer auf und ab – unzählige Kreise hatte sie bereits gezogen, während sie seit dreißig Minuten auf Akina wartete. Immer wieder kreisten ihre Gedanken um die kleine Elfe und allmählich begann Hermine, sich Sorgen zu machen. Ob es vielleicht doch keine gute Idee gewesen war, ein Geschöpf inmitten nach London zu schicken, das weder die Sitten noch die Angewohnheiten der Muggel kannte? Hinzu kam auch, dass die Möglichkeit bestand, dass Akina erwischt wurde und was dann? Wie sollte sie das vor Malfoy rechtfertigen? Im Nachhinein dachte Hermine auch daran, dass Akina doch gar nicht genau wusste, wonach sie überhaupt suchen sollte – trotz Hermines Erklärungen.

 

Und die Zeit zog sich wie Kaugummi. Sie verging einfach nicht. Es war zum Verrückt werden. Vermutlich irrte die Elfe ziellos durch das Stadion, auf der Suche nach Tickets, die Hermine in ihrem Wahn des Egoismus unbedingt haben wollte, weil sie hoffte, sich davonstehlen zu können. Zusätzlich hatte es die Muggelstämmige Hexe riskiert, dass Muggel von der Existenz von Elfen erfahren könnten, wodurch Hermine für ein unendliches Chaos verantwortlich wäre. Das Ministerium müsste eine Spezialeinheit von Auroren losschicken, um die Gedächtnisse der Muggel zu löschen... Bei Merlin, mittlerweile empfand sie diese ganze Aktion als unüberlegt und zu vorschnell.

 

„Ganz ruhig bleiben, Hermine“, bestärkte sie sich selbst. „Akina geht es gut und sie wird alsbald wieder hier sein. Ganz bestimmt.“ Diesen Satz wiederholte sie drei Mal, denn je öfter sie es sagte, umso mehr glaubte Hermine auch daran, dass alles gut werden und Akina wohlbehalten nach Hause kommen würde. Aber trotz ihres Zuspruchs dachte sie darüber nach, ob sie sich nicht sogar vielleicht verlaufen haben könnte? Aber nein, das... das war sicher nicht der Fall. Dennoch war sie so panisch, dass sie anfing, nervös auf ihren Fingernägeln zu kauen. Im Anschluss schlug sie sogar die Hände über ihrem Kopf zusammen, nahm auf einem Stuhl Platz und starrte zur Decke hinauf – sich immer wieder in Gedanken rufend, dass Akina gleich zurückkäme.

 

Und genau so war es auch. Nach weiteren fünfzehn Minuten erschien die Elfe vor ihr.

 

Endlich.

 

Augenblicklich sprang Hermine aus dem Stuhl. „Akina, dem Himmel sei Dank, du bist zurück.“

 

„Aber natürlich, Miss. Akina hat den Auftrag der Miss gewissenhaft ausgeführt.“ Lächelnd wedelte sie mit ihrer linken Hand, in der zwei silberne Karten funkelten, die sie sogleich Hermine reichte.

 

„Hab vielen Dank, Akina.“ Behutsam strich Hermine ihr über den Kopf, worauf sie einen zarten Flaum ihrer dünnen Elfenhärchen spüren konnte, ehe sie sich die Karten besah. Auf beiden schimmerten in goldenen Lettern die Worte 'FC Arsenal London gegen Manchester United.' Das Spiel würde am 06.Juni im Emirates Stadium in London stattfinden – einen Tag nach Malfoys Geburtstag. Somit wäre es auch das letzte Spiel der gesamten Saison, wo es sich auch zugleich entscheiden würde, wer englischer Meister wurde. Vielleicht – und Hermine ließ seit langem wieder das Gefühl von Hoffnung zu – würden die Gunners zuhause gewinnen und somit die Meisterschaft der Premier League mit einem Punkt Vorsprung auf Manchester United gewinnen. Ach, was würde sich Hermine für ihren Vater freuen, wenn seine Mannschaft gewann...

 

Aber zuerst müsste sie sich eine kluge Taktik überlegen, wie sie Malfoy den Besuch in London schmackhaft machen konnte. Sie würde erst einmal nachsehen, wie seine Laune war. Anschließend zog sie sich eine weiße Hose, samt passender Bluse an, bevor sie das Zimmer verließ und die Treppen zur unteren Etage nahm. In einem der vielen Zimmer würde sie bestimmt ein Kuvert finden, in das sie die Karten hübsch verpacken konnte. In wenigen Tagen hätte der Mistkerl nämlich Geburtstag und sie wollte ihm die Karten unbedingt freudestrahlend überreichen. Gute Miene zum bösen Spiel eben und Hermine schwor sich, ihn während des Spiels leiden zu lassen, wenn er umgeben von Muggeln war. In dieser Ausnahmesituation würde er sich benehmen müssen. Malfoy würde sich hüten, einen Zauberstab und somit die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Ha, und genau diesen Moment würde Hermine nutzen, um aus dem Stadion zu marschieren. Sie würde ihn stehen lassen und gehen. Denn wie sollte er bitte die Gedächtnisse tausender Muggeln verändern, wenn er zuvor einen Aufstand machen würde?
 

Das ging gar nicht.

 

Mit deutlich besserer Laune schritt Hermine die Treppen zur riesigen Eingangshalle hinab, und noch immer bewunderte sie insgeheim die Schönheit im Innern des Hauses, das ihr bereits Schaden zugefügt hatte. Aber trotz all dem... hier strotzte alles vor Wohlstand. Schon der Eingangsbereich zeigte jedem, der die Halle zum ersten Mal betrat, dass Luxus an erster Stelle stand und dem Besitzer des Anwesens nichts zu teuer war. Vorsichtig strich ihr Zeigefinger über eine wunderschöne Kommode, auf der eine kleine goldene Standuhr thronte. Ferner dachte Hermine daran zurück, wie oft sie in den letzten Tagen schon hier gewesen war, kurz inne hielt und die Halle betrachtete. Jedes Mal wurde ihr dann wieder vor Augen geführt, wie reich Malfoy eigentlich war – ein Zustand, den Hermine verabscheute. Geld formte schlussendlich immer einen hässlichen Charakter, was man an Malfoy hervorragend sehen konnte. Natürlich, sie wusste keine genauen Zahlen, hinsichtlich seines Vermögens und sie würde es auch nie wissen, aber ihr war sonnenklar, dass Malfoy wohl der reichste Mensch Englands sein musste. Doch etwas anderes zog Hermines Aufmerksamkeit auf sich – leise Stimmen in einem der Salons, woraus sie schließen konnte, dass der Idiot nicht alleine war.

 

Vorsichtig schlich sie zu den zwei Flügeltoren, die nur angelehnt waren, statt verschlossen. Die Stimmen dahinter wurden deutlicher und lauter. Folglich müsste sie nur noch etwas näher herangehen und sie könnte dem Gespräch -

 

„Granger!“, ertönte es plötzlich im Innern, woraufhin sich ihr Körper unverzüglich versteifte. „Nett, dass du uns belauschen willst.“

 

Das... Das konnte nicht sein? Er konnte sie doch unmöglich gehört haben, oder? Sich darüber jedoch Gedanken zu machen, dazu fehlte Hermine schlichtweg die Zeit, da eines der angelehnten Tore aufflog. „Ich... Ich wollte niemanden belauschen.“ Was sollte sie auch sonst sagen? Die Wahrheit? Malfoy noch mehr Gründe liefern, sie zu nerven?

 

„Das wolltest du nicht?“ Feixend stand Draco auf, um sich ihr anstandslos zu nähern. Ja, in gewisser Weise hatte Blaise recht. Er genoss die Angst in ihren Augen. Er genoss die Furcht, die sich in ihrer Haltung widerspiegelte und nachdem er ihren ängstlichen, ausweichenden Blick bemerkte, musste er unwillkürlich schmunzeln. Es ermutigte den damaligen Slytherin, den Abstand zu ihr zu schließen, bevor er flüsternd weitersprach: „Mittlerweile müsstest du doch wissen, dass du in meinem Haus nichts tun kannst, ohne dass ich Kenntnis darüber erhalte, oder? Das weißt du doch, Granger. Du bist doch ein schlaues Mädchen, nicht?“ Belustigt sah er auf sie hinab, die Hände inzwischen in seinen Hosentaschen verschwunden... Nicht dass er vor Blaise noch auf dumme Gedanken kam und sie... berühren wollte.

 

Oh, hallo. Was ist los, Mister? Du schnauzt sie ja gar nicht an – man mag es kaum glauben“, amüsierte sich seine Stimme. „Für diese außerordentliche Leistung“, provozierte sein Innerstes weiter, „sollte man dir ein Denkmal errichten – ein großes Denkmal.“ Indessen blies sich Draco – die Stimme ignorierend – eine Haarsträhne aus dem Gesicht.

 

„Ich... weiß, Malfoy, und es lag mir fern, dich zu belauschen. Ich... Ich wollte ein wenig... spazieren und -“

 

„- und bist zufällig hier vorbei gekommen, richtig?“

 

Entgeistert stand Hermine in der nun offenen Tür. Ihr entging es nicht, dass Malfoy nicht gut gelaunt war und ihr Verhalten missbilligte. Er machte auch keinen Hehl darauf, er verbarg seine Stimmung nicht und zeigte ihr sehr deutlich, dass das Konsequenzen nach sich ziehen würde. „Es war wirklich Zufall, Malfoy. Das... Das versichere ich dir, aber... ich“, fing sie zu stottern an, nachdem sie eine weitere Gestalt wahrnahm, die sie zuvor nicht entdeckt hatte. Umsichtig lugte sie an Malfoy vorbei und erkannte Blaise Zabini, der ihr lächelnd winkte. Aber statt ihre Starre loszuwerden, versteifte sie sich noch mehr.

 

„Sprich weiter, Granger“, murmelte Draco ungeduldig. Er war fast geneigt, über ihre zitternden Hände zu streicheln, aber das würde sie vermutlich nicht beruhigen.

 

„I- Ich... werde einfach wieder gehen, ja?“ Eingeschüchtert zeigte sie mehrmals Richtung Treppe.

 

„Unsinn. Blaise erkundigt sich so offenherzig nach dir.“ Grinsend trat er zur Seite, so dass sie seinen Freund besser erkennen konnte. „Da solltest du doch soviel Anstand haben und ihm deutlich machen, dass du körperlich unversehrt bist.“ Mit einem Arm deutete er ihr an, dass sie vorgehen sollte. Parallel dazu umgriff er mit der anderen Hand ihre Taille, um sie zum Tisch zu begleiten.

 

Einen besseren Zeitpunkt hätte Draco nicht erwischen können, um Blaise vorzuführen.

 

Du willst Blaise vorführen? Nun, mein Lieber, er ignoriert ja auch deine Signale, wenn du ihm versuchst klarzumachen, dass deine Grenzen erreicht sind. Sei dir also nicht so sicher, dass du ihn vorführst – am Ende bist du noch derjenige, der vorgeführt wird“, zischte sein innerer Begleiter hämisch, der sowohl Dracos Gegenwehr, als auch die Signale ignorierte, wenn er die Stimme nicht hören wollte – was, seit Granger hier lebte, immer der Fall war. Der Unterschied zu Blaise war, dass er wenigstens ihn ignorieren konnte, seine innere Stimme allerdings tatenlos ertragen musste.

 

Körperlich unversehrt?“, wiederholte Hermine gekränkt. Immerzu behielt sie Malfoy im Auge, dass dieser die Karten nicht entdeckte, während er sie zu Blaise heranführte.

 

„Sicher. Seelisch wissen wir ja beide, dass das alles nicht ganz ohne Schaden blieb, was?“ Er konnte sich den Seitenhieb nicht verkneifen, aber es geschah ihr ganz recht. Schließlich gehorchte sie ihm nie, nahm seine Warnungen nicht ernst genug und lief somit immerzu Gefahr, in irgendwelche Schwierigkeiten zu geraden, die man eigentlich umgehen könnte. „Andernfalls würdest du meine Worte ernst nehmen, aber“, lachte Draco süffisant auf, „was erzähle ich dir? Du ignorierst es ja so oder so.“

 

Dieser... Arsch, schrie Hermine innerlich. Wie konnte er nur so taktlos sein? Hastig steckte sie indes die Karten in ihre hintere Hosentasche, bevor sie sich neben Blaise setzte, der sie eindringlich, aber dennoch freundlich ansah. Vielleicht fand sie in ihm einen Verbündeten, wenngleich sie sich für diese Gedanken ohrfeigte. Trotzdem versuchte sie ihm mit Blicken mitzuteilen, dass es ihr alles andere als gut ging, doch sobald sie ihrem Ausdruck mehr Traurigkeit verleihen wollte, hatte Blaise auch schon den Kopf zur Seite geneigt – geradewegs in Malfoys Richtung, der ebenfalls Platz genommen hatte.

 

„Draco, was soll das werden?“ Sicher, er kannte Draco nicht anders. Lucius' Abkömmling verschloss sich, nachdem er sich einen Spalt weit geöffnet und diesen Fehler bemerkt hatte.

 

„Was? Du wolltest doch wissen, wie es ihr geht?“, erklärte Draco gut gelaunt. „Nun hast du sogar die Gelegenheit, sie selbst zu fragen. Das ist doch wunderbar, oder?“

 

„Das... Das stimmt“, räusperte sich Blaise, der das Spiel mitspielen würde, Dracos Intention allerdings nicht nachvollziehen konnte. Womöglich wollte er sich nicht die Blöße vor Granger geben, wenn er inmitten des Gesprächs mit Blaise zugab, dass er Granger vielleicht doch mochte. Aber okay, Blaise bekäme wieder die Gelegenheit, ihm den Zauberstab auf die Brust zu drücken und es wäre ihm das nächste Mal völlig egal, ob Granger alles mit anhören könnte. Sie säßen erst gar nicht hier, wenn Draco offen und ehrlich mit ihm die Probleme besprechen und bewältigen würde. Unlängst hätten sie einen Weg gefunden, wie Draco mit diesem Dilemma zurechtkäme, aber nein. Der werte Herr Malfoy wählte den diffizilen Weg, indem er ein Spiel mit gezinkten Karten spielte. „Nun, dann. Wie geht es dir, Granger?“, wollte der dunkelhäutige junge Mann wissen, wohl wissend, dass Draco ihn genau beobachtete.

 

„Ich lebe?“, erwiderte sie kühl. Aufgrund dessen, dass sie den Blickkontakt zu Blaise nicht noch einmal herstellen wollte, angesichts der Nervosität, schaute sie stattdessen laut atmend in ihren Schoss – zu ihren Händen, die den jeweils anderen Handrücken kneteten.

 

„Ähm, ja. In der Tat, daran besteht keinen Zweifel.“ Ihm behagte die Situation nicht, aber Blaise versuchte, sich nichts anmerken zu lassen. „Wieso sollte es das auch? Oder gibt es Gründe?“ Er sah im Augenwinkel augenblicklich, wie sich Dracos Augenbrauen nach oben zogen und auch Blaise konnte nicht glauben, dass er das sagte. Er bezweifelte, dass Draco ihr jemals erheblichen Schaden zufügen würde, aber sein Anstand gebot ihm nachzufragen.

 

„Ob es Gründe gibt?“ Hermine sah ihren Sitznachbarn direkt an – schockiert. Sie konnte sich kaum noch an Zabini erinnern, aber sie hatten nie viel miteinander zu tun. Der junge Mann neben ihr war groß, er hatte schwarze, kurz geschorene Haare und dunkle Augen. Sie waren so kräftig, dass man die Pupillen schwer deuten konnte. Auch hatte er nie ein böses Wort in ihrer Gegenwart verloren, was ihn sympathisch machte. Ebenso sah sie in seinem Blick, dass sie ihm gegenüber ehrlich sein konnte. Aber konnte sie das wirklich? Immerhin wäre sie schutzlos, sobald er das Haus verlassen hätte. Hermine wäre wieder mit Malfoy alleine – wie zuvor auch schon. Demzufolge könnte sie ihm endlich einen verbalen Schlag verpassen, da ihr Gehör geschenkt wurde.

 

„Ich weiß es ja nicht“, erwiderte Blaise ruhig.

 

„Wie soll es mir schon gehen?“

 

„Das will ich ja von dir wissen, Granger.“

 

„Mir geht es beschissen, Zabini“, knurrte Hermine säuerlich. „Wie würdest du dich fühlen, wenn man deinen Vater einsperrt und anschließend wie Abfall aus dem Haus wirft, nachdem du zugestimmt hast, die Strafe abzusitzen, die dein Vater begangen hat?“ Ihre Hände traktierte sie immer mehr, weil sie sich so in Rage sprach. „Die Gelegenheit, dich zu verabschieden, bleibt dir per se auch verwehrt.“ Hermine wollte sicherlich kein Mitleid, aber sie konnte sich endlich den Frust von der Seele reden, der sich seit Tagen in ihr angestaut hatte. Zudem zeigte Blaise wirkliches Interesse an ihrem Wohlbefinden, was das Sprechen erleichterte.

 

„Mir würde es wohl ähnlich gehen – unter diesen Umständen.“ Blaise kannte diese Situation ebenfalls. Auch sein Vater war ein Gefangener gewesen – jedoch in Askaban. Er verbüßte eine Strafe wegen Veruntreuung, sowie als verurteilter Todesser, der in einer Zelle auf den Kuss eines Dementoren gewartet hatte. Auch ihm wurde keine Möglichkeit eingeräumt, sich von seinem Vater zu verabschieden. Um aber nicht zu viel von sich preiszugeben, nickte er lediglich mit dem Kopf, um ihr zu signalisieren, dass er es immerhin verstand, was sie fühlte.

 

„Tja, manchen ist das allerdings egal.“ Mit zusammengekniffenen Augen blickte sie zu Malfoy hinüber. Der schien sich aber gar keine Gedanken zu machen. Nein, er saß nur in seinem sündhaft teuren Stuhl und schien sich das Lachen zu verkneifen und selbst dabei gab er sich nicht einmal Mühe. Es schien ihm gar nichts auszumachen, dass sie einem seiner Freunde erzählte, wie es ihr in Wirklichkeit ging. Diesem arroganten Bastard schien das alles an seinem majestätischen Hintern vorbeizugehen. Selbiges betraf ihr Wohlergehen. Kein einziges Mal hatte er sich nach ihr erkundigt. Nicht einmal in den vielen Tagen.

 

„Und wieso war dein Vater hier?“, fragte er und rieb sich stirnrunzelnd über seine kurzen Haare. Von Granger würde er eine Antwort bekommen. Eine Antwort, die Draco ihm bisher nicht geben wollte.

 

„Mein Vater war spazieren und muss sich verlaufen haben. Sicher bin ich mir nicht, weil ich mit meinem Vater ja nicht reden konnte.“ Wieder warf sie einen bösen Blick in Malfoys Richtung. „Er ist schlussendlich in diesem Horrorhaus gelandet und wurde eingesperrt – von dir, Malfoy!“ Sie sprach nicht mehr mit Blaise, sondern richtete ihre Worte an ihn. „Du hast aus einer Bagatelle ein Schwerverbrechen gemacht, und das, weil mein Vater sich offensichtlich verlaufen hat. Kannst du dir vorstellen, wie schmerzhaft es war, meinen Vater in dieser Zelle kauern zu sehen?“ Vergessen waren die Gedanken, dass sie Mitgefühl für Malfoy hegte, als sie daran dachte, dass er seinen Vater mit Sicherheit in Askaban besucht hatte. Viel zu wütend war Hermine. „Vermutlich kannst du dir das nicht vorstellen.“ Er zeigte keinerlei Regung. Immer noch saß er gelassen auf seinem Stuhl, die Beine übereinander geschlagen, während seine Hände hinter seinem Kopf verschwanden.

 

„Ach, du gibst also zu, dass es nicht in Ordnung ist, das Grundstück fremder Leute zu betreten – ohne deren Erlaubnis? Wie fortschrittlich.“ Passend wäre es noch gewesen, wenn er geklatscht hätte, aber es war bereits eine Genugtuung, dass er lediglich auf etwas eingegangen war, das sie unter keinen Umständen hören wollte. Statt einzusehen, dass er zu brutal vorgegangen war, hatte er es einfach ignoriert und sie weiter provoziert. Dass er zudem seine Hände hinter seinem Kopf zusammenschlug, lag daran, dass er es in seinem Innern brodeln spürte – es glich einem Vulkan. Und dadurch, dass er seine Hände beschäftigte, kompensierte er die aggressive Stimmung in sich. Grund dazu hatte er nämlich, angesichts Blaises Verhalten, der mehr Interesse an Granger zeigte, statt an ihm. In seinen Därmen schlängelte ein verfluchter Wurm, der stets größer wurde, je mehr Sätze Granger mit Blaise wechselte.

 

Das sind Emotionen. Diese zum Beispiel nennt man Eifersucht“, lachte seine innere Stimme dreckig. Merlin, und es fuchste Draco, dass diese nervige Anhängsel immer seinen Senf zu allem geben musste. Er stellte sich die Stimme wie einen kleinen Jungen vor, der sich lachend den Bauch hielt, weil einem anderen Jungen sein Eis aus der Hand gefallen war. Genau so verhielt sich die Stimme ihm gegenüber – immer.

 

„Du bist ja ein Witzbold, Malfoy. Wie hätte mein Vater um Erlaubnis bitten -“

 

„Indem er an das verdammte Tor klopft.“ Frustriert schlug seine Faust auf die Tischplatte. Auch er wurde wütend.

 

Daraufhin verschränkte Hermine die Arme vor ihrer Brust. Malfoy war ein anstrengender Mensch, der immer die Oberhand behalten wollte. Malfoy wollte stets derjenige sein, der recht hatte. Niemand schien seine Ansichten anzweifeln zu dürfen, was Hermine ebenfalls an einen kleinen Jungen erinnerte. Nur statt des lachenden, schadenfrohen Jungen, sah Hermine in Malfoy ein weinendes Kind, dem man zuvor die Bauklötze weggenommen hatte. Ihm das aber zu sagen, dazu fehlte ihr gerade der Mut, hinsichtlich seiner aufkeimenden Wut, obzwar ihr der Gedanke gefiel – Malfoy weinend in einer Ecke sitzen zu sehen.

 

„Da fällt dir nichts mehr ein, was?“

 

„Ich für meinen Teil, finde es jedenfalls schön, dich gesund zu sehen, Granger“, klinkte sich Blaise in den Streit ein – auch, um ihn zu schlichten und die Gemüter zu beruhigen, die inzwischen Blaises Anwesenheit scheinbar vergessen hatten. Und er meinte seine Worte ernst. Den Krieg mussten genügend Menschen mit ihrem Leben bezahlen, weshalb er umso dankbarer war, dass er zu den Lebenden zählte und Granger ihren Teil dazu beigetragen hatte, diesen Horror zu beenden, indem sie gemeinsam mit Weasley und Potter die Welt befreite. Zeitgleich spürte er aber auch die Spannung zwischen sich und Draco, der ihm wüste Blicke zuwarf. Offenbar deshalb, weil er sich mehr mit Hermine Granger befasste und ihren Erzählungen mehr Gehör schenkte, anstatt weiterhin Dracos Halbwahrheiten zu ertragen.

 

„Was?“, antwortete Draco irritiert, weil er mit Blaises Aussage nicht gerechnet hatte.

 

Doch statt auf seine Verwirrung einzugehen, sah Blaise über seine Schulter zur Uhr und erhob sich, nachdem er sah, wie spät er bereits dran war. Er wollte seinen Damenbesuch nicht warten lassen, nickte Draco zu und fuhr fort: „Also, ich muss mich leider entschuldigen – ich bin spät dran.“

 

„Was?“, kam es abermals aus Dracos Mund.

 

„Du weißt schon... Ich muss jetzt leider los.“ Im Anschluss sah er lächelnd zu Granger. „Machs gut, Hermine, und zu dir, Draco: denk dran, was ich dir gesagt habe.“

 

Draco verstand gar nichts mehr. War ihm die Situation zu unangenehm geworden? Aber weiter darauf eingehen würde er auch nicht. Stattdessen schüttelte er die Hand seines besten Freundes fester, um ihm zu zeigen, dass hierüber das letzte Wort noch nicht gesprochen war. Zumal er nicht wusste, worüber er nachdenken sollte. Darüber, dass er Granger angeblich um sich haben wollte? Ha, da konnte der feine Herr Saubermann – der, im Gegensatz zu Draco, bestimmt Sex haben würde – aber lange warten.

 

Unterdessen warf sich Blaise seinen Umhang über, doch bevor er in den Kamin stieg, sah er noch einmal zu Hermine. „Vielleicht sieht man sich ja wieder.“ Anschließend drehte er sich um und klopfte Draco noch einmal aufmunternd auf die Schulter, ehe er beherzt in die Schale mit Flohpulver griff und in den grünen, auflodernden Flammen verschwand.

 

Oh, vielleicht sieht man sich ja wieder“, äffte die Stimme den dunkelhäutigen Jungen nach, der bereits weg war. „Zum Glück kannst und wirst du das verhindern, oder Draco?“ Und wie gerne hätte sich Draco just in dem Moment mit beiden Fäusten gegen den Schädel geschlagen, um abschließend laut zu schreien. Aber wenigstens war seine Stimme ebenso wenig begeistert wie er und schien einschlägig auf seiner Seite zu stehen.

 

Und Hermine? Sie blickte trotzig aus dem Fenster, während sie darüber nachdachte, wie Malfoy innerlich so hässlich, aber äußerlich so schön sein konnte. Selbst seine unsägliche Arroganz sah beneidenswert an ihm aus und Zabini hatte indessen alles wieder aufgewühlt, als er sie nach ihrem Vater befragte. Folglich hingen ihre Schultern schlaff nach unten, nachdem sie wieder an ihre Familie zurückdachte. Wie es wohl ihrem Vater ging? Ging es ihm gut? Hatte er Tante Milas Haus gefunden? Sie bemerkte währenddessen nicht einmal, wie sich Malfoy ihr wieder gegenübersetzte – zu traurig war sie.

 

Auch ihm entging ihr Blick nicht. Sie schaute wehmütig zum Fenster hinaus und erst jetzt war ihm aufgefallen, dass sie ihre Haare zu einem Zopf gebunden hatte, was ihr eindeutig besser stand als die buschige Löwenmähne, die wild in alle Himmelsrichtungen stand. Wie ein Brett saß sie auf dem Stuhl – in sich gekehrt, von Trauer übermannt. Vorsichtig überschlug er seine Beine wieder, bevor er seine Hände auf den Tisch legte und sie ansah. Es erschreckte ihn, als er ihren glasig leeren Blick wahrnahm. In Hogwarts hatten ihre Augen immer vor Freude geglänzt. Immer, wenn sie ihm entgegenkam – vermutlich um in der Bibliothek zu verschwinden –, strahlte sie pure Lebensfreude aus. Anders als andere Frauen, deren Augen funkelten, wenn man den Sack Galleonen öffnete und diesen bereitwillig zur Verfügung stellte.

 

„Granger?“, sprach er leise – den Zeigefinger gegen seine Unterlippe tippend. Aber es kam keine Reaktion. Nichts. Daraufhin hob er seine linke Hand, mit der er vor ihrem Gesicht hin und her wedelte und wartete, bis sie mehrmals blinzelte und ihren Blick schlussendlich auf ihn richtete. „Hey, ist alles in Ordnung?“

 

„Malfoy?“

 

„Ja?“

 

„Als... du meinen Vater zur Tür gebracht hast“, begann sie stockend, weil sie nicht sicher war, ob sie ihn das fragen sollte. Nicht weil sie Angst vor ihm hatte, sondern weil sie sich vor der Wahrheit fürchtete. „Ja, als du ihn nach draußen gebracht hast“, fuhr sie fort und schluckte den Kloß in ihrem Hals runter, da er sie abwartend ansah, „hast du ihm bloß die Erinnerung an die Gefangenschaft gelöscht oder... oder sein Gedächtnis komplett verändert?“ Ihre bernsteinfarbenen Augen trafen auf silberne Augen.

 

„Ist das noch wichtig?“

 

„Ja“, erwiderte Hermine befangen. „Für mich wäre es sehr wichtig.“

 

Sie wollte es wirklich wissen, was nun Draco schlucken ließ. Sollte er sie belügen oder bei der Wahrheit bleiben? Sein Gewissen drängte ihn zur Wahrheit, aber egal was er täte, sowohl die Lüge, als auch die Wahrheit würden sie verletzen. Würde er lügen, würde sie mit dem Gedanken leben müssen, dass ihr Vater mit seiner Trauer alleine wäre. Würde er die Wahrheit sagen, würde sie womöglich zusammenbrechen. Seine Logik zog es ebenfalls in Erwägung ehrlich zu sein. Nur der kleine Teufel auf seiner Schulter beharrte darauf, dass es sie nichts mehr anging. Aber war dem so? Ging sie das Schicksal ihres Vaters sie wirklich nichts mehr an?

 

„Malfoy?“ Hermines Hände klammerten sich in dem Stoff ihrer Hose fest. Zeitgleich biss sie sich auf die Unterlippe.

 

„Ich habe sein Gedächtnis komplett verändert.“ Die Wahrheit tat immer weh, das musste Draco selbst schon am eigenen Leib erfahren.

 

„Mein Vater hat -“

 

„Richtig. Er hat weder eine Erinnerung an dich, noch an deine Mutter.“ Er fühlte sich furchtbar, weil er ihre Zerrissenheit und ihre Trauer mit voller Härte spüren konnte.

 

„Wie... Wie kannst du das so kalt und herzlos sagen?“, schluchzte Hermine. Unweigerlich flogen ihre Hände vor ihr Gesicht, bevor sie zu weinen anfing.

 

Draco hingegen wechselte die Position seiner Beine, indem er nun das linke über das reichte Bein legte. Eine Ablenkung die er benötigte, da er Grangers Tränen sah und er einen Grund brauchte, um wegzusehen. „Weil du mich gefragt hast. Die Wahrheit schmerzt, aber ich habe deinem Vater einen Gefallen getan.“

 

Blitzschnell nahm sie ihre Hände weg von ihrem Gesicht und Draco konnte sehen, dass ihre Augen bereits gerötet waren. Ihre Wangen waren nass und ihre Augen glänzten wie in Hogwarts, aber nicht vor Freude, sondern weil sie weinte – das war ein kleiner, aber feiner Unterschied.

 

„Einen Gefallen? So nennst du das also, ja?“ Schniefend reckte sie ihr Kinn in die Höhe, doch sah sie davon ab, ihre Tränen wegzuwischen. Wozu auch?

 

„Ja, so nenne ich das, und weißt du wieso?“

 

„Wieso?“, wollte sie grimmig wissen und rieb sich nun doch über ihre verweinten Augen.

 

„Weil dein Vater somit keiner Trauer mehr ausgesetzt ist. Er erinnert sich nicht an deine Mutter und kann ein neues, ein glückliches Leben anfangen.“ Irgendwo war Draco sogar neidisch auf ihren Vater. Er konnte von vorne anfangen – ohne all den Zwang, die Trauer und die Erinnerung.

 

„Aber... Mein Vater hatte ein glückliches Leben – mit meiner Mum und... und mit mir.“ Das hoffte Hermine jedenfalls. Oder? Väter waren doch glücklich? „Wieso bist du so, Malfoy? So... So kalt?“

 

Wieso er so war? Wollte sie das wissen? War nicht sie diejenige, die die Meinung vertrat, dass Eltern einen formten, veränderten und beeinflussten konnten? Glaubte sie nicht immer an das Gute im Menschen, obwohl sie genau wusste, wie tiefschwarz sein Innerstes war? Obwohl sie wusste, dass es zwei Zauberer gegeben hatte, die weder Güte noch Gnade kannten – nämlich Grindelwald und Voldemort? Draco wusste selbst nicht einmal genau, wieso er so geworden war. „Ich glaube, ich bin so kalt, weil du mich anders wohl nicht so mögen würdest, oder?“

 

Überrascht streckte sie ihren Kopf in die Höhe, die Hände noch immer über ihre Augen reibend. „Hast du... Hast du gerade einen Scherz gemacht?“, fragte sie schmunzelnd, wenngleich ihr nicht nach Schmunzeln zumute war, aber... sie konnte nicht anders. Sie schien selbst Malfoy mit ihrem Lächeln anzustecken, da er ebenfalls zaghaft grinste. Abschließend wischte sie noch einmal beherzt über ihre Augen, doch hatte ihr Lachen nicht nachgelassen. Vielleicht meinte Malfoy es wirklich nur gut... Zwar tat ihr der Gedanke unheimlich weh, dass ihr Vater – würde sie vor ihm stehen – sie nicht erkennen würde, aber... er hatte ihrem Vater tatsächlich geholfen. Er würde nicht in Trauer leben und nicht an Hermines Verlust gänzlich zerbrechen und das war doch etwas, das sie auch wollte? Sie durfte nicht so egoistisch sein und an sich denken, indem sie ihren Vater an sich band, ohne wirklich bei ihm zu sein. Am Ende würde er wirklich noch daran zerbrechen.

 

Ohne auf ihre Frage zu antworten, lächelte er ihr bloß entgegen und befand, dass ihr Lächeln wirklich schön und faszinierend zugleich war. Diese Facette – bezüglich ihrer Güte und ihrer Auffassung – war etwas, das er zuvor nie an ihr bemerkt hatte, während sie gemeinsam nach Hogwarts gingen. Er sah immer nur den Bücherwurm und Streber in ihr, was daran lag, dass er sie vermutlich nie lächeln gesehen hatte, aber dieses Lächeln... dieses eine Lächeln jetzt, das galt ihm – ihm alleine, weil er einen Scherz machte, den sie sogar lustig fand.

 

„Weißt du, was ich glaube?“ Kurz darauf wirkte sie fast wieder ernst, nachdem sie sich auch die feuchten Wangen mithilfe ihrer Handrücken trocken gerieben hatte.

 

„Nein, aber du wirst es mir sicher sagen?“

 

„Ich glaube, du bist einsam, Malfoy.“

 

„Was?“, lachte er, sichtlich amüsiert, angesichts ihrer Äußerung. Was redete sie da bloß? Er war gewiss nicht einsam. Draco war lediglich genervt von ihr und ihrer hiesigen Anwesenheit, doch es störte ihn nicht mehr so sehr wie zu Anfang. Was ihm vielleicht fehlte, war Sex.

 

Und weiß du, was ich glaube?“ Nein, Draco wollte gar nicht wissen, was seine innere Stimme glaubte. Allerdings ignorierte diese sein Flehen und fuhr nahtlos fort: „Ich glaube, Blaise hat mit seiner Vermutung recht und du hast Hermine Granger wirklich gerne in deiner Nähe. Er hat es einfach nur früher erkannt als du, aber du wirst das bestimmt auch noch erkennen.“

 

Bei Merlin, nein. Blaise hatte nicht recht – mit gar nichts. Allerdings hob er anlässlich ihrer Aussage eine Augenbraue nach oben, legte seinen linken Ellenbogen auf die Tischplatte und war gespannt, was sie ihm auf seine nächste Frage antworten würde. „Was lässt dich denken, ich sei einsam?“

 

„Na ja“, begann sie munkelnd und ihr Zeigefinger zog wahllos Kreise auf dem edlen Holz des Tisches. „Du bist ja immer hier, richtig? Du gehst nicht aus und... und du hast auch keinen Besuch.“ Keinen weiblichen Besuch, fügte sie in Gedanken hinzu. Hermine dachte wirklich, dass er einsam war. Andernfalls wäre er nicht so verbissen und introvertiert. Sie konnte es ihm jedoch nachfühlen, da sie ebenso einsam war, in diesem großen Haus.

 

„Du machst dir Sorgen, dass ich einsam sein könnte?“ Nun, das überraschte ihn. Er war so abartig zu ihr und trotzdem war sie besorgt – um ihn?

 

„Also... nicht direkt. Aber du brauchst doch auch Menschen um dich, selbst wenn es nur darum geht, sie zu schikanieren“, erwiderte sie und ihre Mundwinkel zuckten kurz, als sie diesen Satz aussprach.

 

Was sollte er davon halten? Wollte sie ihm vor Augen führen, dass sie ebenfalls einsam war, aufgrund der Isolierung? Wollte sie ihm ein schlechtes Gewissen einreden, damit er klein bei gab? „Nun, dafür habe ich ja immer noch dich, nicht?“

 

„War das etwa wieder ein Scherz?“

 

„Glaub mir, Granger“, überging er ihre Frage, weil es sich hierbei um keinen Scherz handelte. „Ich bin nicht einsam. Du bekommst es bloß nicht mit, wenn ich außer Haus bin – was mir ganz gelegen kommt.“ Draco streckte sowohl seinen Körper, als auch seine Beine aus, ehedem er es sich in seinem Stuhl gemütlich machte. Ihre forensische Analyse war ja herzallerliebst. Auch ihre geweiteten Augen entzückten ihn. Es zerriss sie vermutlich, zu wissen, dass er ohne Probleme das Haus verlassen konnte, während sie zuhause saß, weil das Haus sie verschlingen würde, sobald sie das Grundstück verließ.

 

„Wie soll das denn funktionieren, Malfoy, und wo bist du dann, wenn du das Haus verlässt?“

 

„Sag mal, verfolgst du mich etwa?“

 

Sie lachte wieder. „Nein, bestimmt nicht“, gestand sie mit erhobenen Händen und schüttelte parallel ihren Kopf.

 

„Ich werde dir nicht sagen, wohin ich gehe.“ Das wäre auch viel zu intim. Sie musste nicht wissen, dass er ab und zu seine Mutter besucht hatte, bevor sie hier gewesen und wutentbrannt wieder gegangen war. Seit diesem Vorfall hatte er sie nicht mehr gesehen und er würde sich hüten, sie aufzusuchen.

 

„Wieso nicht?“ Zugleich versuchte sie einen Schmollmund fertig zu bringen, doch alles was sie zustande brachte, war Gelächter, statt Traurigkeit vorzutäuschen.

 

Bedauerlicherweise erfrischte ihr Lachen Draco. Ihr Lächeln erinnerte ihn an Zeiten, in denen es noch nicht dunkel um ihn herum geworden war. Es erinnerte ihn an die Zeit, als er noch klein war und Dobby, Brisko und Akina mit ihm gespielt hatten. Es erinnerte ihn an Zeiten, als Rassentrennung und Hetze Fremdwörter für ihn waren. Es erinnerte ihn an Zeiten, als... als seine Eltern sich noch liebevoll um ihn gekümmert hatten, aber das lag bereits Jahre zurück.

 

„Ich bin nachts unterwegs, wenn du schon schläfst und von einer heilen Welt träumst.“ Er klang verbittert, denn wenn er ehrlich war, wusste er, dass Granger ihn abgrundtief hasste. Ihn verabscheute – für alles. Für sein Gedankengut, für seine Herkunft, für seine Beleidigungen, für seine Ideale und für das, was er ihrem Vater angetan hatte. Er vermutete, dass sie wohl auch sein Aussehen bis aufs Blut verteufelte. Und genau das störte ihn. Er wollte nicht, dass sie ihn hasste und schon gar nicht sein Aussehen.

 

„Und wieso faszinieren dich die dunklen Künste so sehr?“

 

Ein Thema, das ihm gar nicht lag. „Granger, dir muss immer klar sein, dass eine Medaille zwei Seiten hat und -“ Moment. Inmitten des Satzes fing sich Draco und unterbrach sich. Im letzten Augenblick hatte er geschnallt, dass er kurz davor war, ihr seine innersten Gefühle und seine Betroffenheit, hinsichtlich des Krieges, offen zu legen. Er stand kurz davor sein Gesicht zu verlieren, weil ihm beinahe herausgerutscht wäre, wie schwer es für ihn war, mit all den Qualen und Nachfolgen des Krieges zu leben. Er hätte ihr fast gesagt, dass er seine Familie schützen wollte, weil sein verkommener Vater es nicht auf die Kette gekriegt hatte, sowohl seine Frau, als auch seinen Sohn vor Unheil zu bewahren. Nein, das wollte er ihr nicht anvertrauen.

 

„- und was, Malfoy?“

 

„Nichts. Vergiss es.“ Und prompt kam ihm die rettende Idee. Wäre nicht jetzt – nachdem sie sich mal nicht stritten – ein geeigneter Zeitpunkt, ihr die Bibliothek zu zeigen? Außerdem wollte er sie wieder lachen sehen. Er wollte, dass ihre Augen strahlten und das würden sie – im Zusammenhang mit Büchern.

 

„Aber -“

 

„Lass gut sein, Granger. Ich würde dir aber trotzdem noch gerne etwas zeigen.“ Langsam schob er seinen Stuhl zurück, doch plapperte sie einfach weiter.
 

„Was genau muss mir klar sein?“, hakte sie nach. Gerne hätte sie gewusst, was er ihr erzählen wollte. Wenn sie ihren Hintern schon nicht vor die Tür bewegen durfte, sollte er gefälligst mit ihr reden. Gerne hätte sie verstanden, welche Intentionen sich hinter Malfoys Verhalten verbargen.

 

„Granger, es reicht.“

 

Widerwillig stand sie auf und ging voran. Allerdings warf sie immer wieder einen Blick über ihre Schulter, um sicherzustellen, dass er keinen Unfug hinter ihrem Rücken anstellte. Als sie die Treppen emporstiegen, ging er an ihr vorbei und Hermine wagte einen neuen Versuch. „Wieso willst du es mir nicht erzählen?“

 

Abrupt drehte er sich zu ihr um, wodurch es ihr nicht gelungen war, rechtzeitig stehen zu bleiben. Stattdessen stieß sie frontal gegen ihn. Innerlich lächelnd, da er ihre Art, ihre Ausdauer, ihre Intelligenz, sowie ihr Durchhaltevermögen zu schätzen anfing. Ob sich Potter und Weasley genauso in ihrer Gegenwart fühlten? Bemerkten sie überhaupt, was sie an Granger hatten? Bestimmt nicht.

 

„Weil“, fing er gelassen und mit erhobenem Zeigefinger an, nachdem sie taumelnd einen Schritt zurückgetreten war, „es unwichtig ist und du nicht alles wissen musst. Außerdem will ich mich nicht nochmal mit dir streiten – jedenfalls nicht heute, Granger.“ Er war es wirklich leid, sich ständig mit ihr in den Haaren zu haben. Es zerrte an seinem Nervenkostüm. Dabei wollte er doch nur seine Ruhe haben, in Frieden leben und die Ereignisse aus der Vergangenheit loswerden. Hinzu kam, dass er gerade den ersten Schritt wagte, und einem anderen Menschen eine Freude machen wollte.

 

„In... In Ordnung. Entschuldige.“

 

Draco wusste nicht, wie er darauf reagieren sollte, weshalb er sich wortlos umdrehte und sie nebeneinander den weiteren Weg zurücklegten. Stumm durchliefen sie die endlos langen Flure, bis sie schließlich vor einem riesigen Holztor ankamen, das in der Mitte geteilt war.

 

„Wir sind da.“

 

„Was befindet sich hinter der Tür?“, wollte Hermine vorsichtig wissen und wagte sich nicht, um ihn herumzugehen.

 

„Mach vorher die Augen zu.“ Als der Satz ausgesprochen war, hätte er sich gerne die Hand vor den Mund geschlagen. Sagte er wirklich, dass sie die Augen zumachen sollte? Gott, wie peinlich war das denn? Es... Es klang so rührselig und romantisch.

 

Du willst, dass sie die Augen schließt, damit du einen Grund hast, ihre Hand zu halten, mein lieber Freund.“ Seine innere Stimme war mal wieder keine große Hilfe – wie so oft.

 

„Bitte? Wieso das denn?“, entkam es Hermine skeptisch. Verlangte er wirklich von ihr, dass sie ihm vertraute?

 

„Bitte, Granger. Es ist -“ Ihm stockte der Atem. „Es ist eine Überraschung“, brach es aus ihm heraus, da es für ihn ungewohnt war, einmal im Leben tatsächlich nette Absichten zu haben. Aber sie machte es ihm mit ihrem Verhalten nicht gerade leicht, was in seinen Augen sein Vorhaben noch skurriler und seine Aufforderung noch grotesker wirken ließ. Es hörte sich einfach unecht und primitiv an.

 

Hermine hingegen war verwirrt. Er meinte es tatsächlich ernst und nachdem sie ihm ins Gesicht blickte, konnte sie ihm beim besten Willen nicht vorwerfen, dass er irgendetwas böses gegen sie plante. Dennoch, sie hob mahnend den Finger. „Malfoy, ich warne dich.“ Doch statt sie anzukeifen, griff er bloß nach ihrer Hand.

 

Es war süß, dass sie ihm drohte... War sie es doch, die nicht im Besitz eines Zauberstabes war. „Jetzt mach endlich die Augen zu, oder ich überlege es mir nochmal anders.“ Er wollte sich nicht drängen lassen, aber seine Geduld war auch nicht die längste.

 

Schnaufend schloss sie im Anschluss die Augen, bevor sie ihre Hand mit Malfoys Hand verschloss und gewiss gaben sie in diesem Moment ein verstörendes Bild ab. Sie und Malfoy – Hand in Hand. Niemand würde ihr jemals glauben, was hier gerade geschah. Nicht einmal Ginny. Nein, Ginny würde sie für verrückt erklären lassen und ihr nahelegen, dass sie schleunigst ins St.Mungo sollte. Und im Gegensatz zu ihrer, war Malfoys Hand angenehm warm.

 

Aber bevor er mit ihr den Saal betreten würde, prüfte er noch einmal, dass sie auch wirklich die Augen verschlossen hatte. Wie ein kleines Kind winkte er vor ihrem Gesicht, aber sie rührte sich nicht.

 

„Du, Malfoy?“ Sie konnte hören, wie seine freie Hand die Türklinke nach unten drückte. „Wusstest du eigentlich, dass man Spannung in Volt und die Ladung in Coulomb angibt?“ Noch immer waren ihre Augen geschlossen und sie fragte sich, was sie ihm für einen Unsinn erzählte? Als ob Malfoy sich mit Elektrizität jemals auseinander gesetzt hätte. Er war schließlich ein Reinblut, aber sie musste mit ihm sprechen. Sie musste sich ablenken, damit ihr Vertrauen nicht in Misstrauen umschlug und das würde solange aufrecht bleiben, wie sie Malfoy hören und seine Hand fühlen würde.

 

Grinsend blickte er zu ihr hinab. „Du wirst überrascht sein, aber ja. Das wusste ich“, antwortete er. „Ich halte zwar nichts von Elektrizität, aber ich weiß das.“ Mit seiner freien Hand stieß er eine der beiden Flügel auf, bevor er in die Dunkelheit eintrat. Selten kam er hierher, da er alle Bücher, die ihn interessierten, in seinem Zimmer hatte. Womöglich waren die dicken Wälzer mit einer dicken Staubschicht bedeckt, aber das würde Granger nicht stören. Er hatte seinen Elfen auch niemals aufgetragen die Bibliothek zu entstauben, aber bestimmt taten sie es sowieso.

 

„Wirklich? Du wusstest das?“ Kichernd stellte sie sich vor, wie es wohl aussähe, wenn Malfoy mittels eines Hammers einen Nagel in die Wand schlagen würde, nur um ein Bild aufzuhängen. Ebenso lustig wäre es, wenn er eine Glühbirne wechseln müsste. Es war schwer vorzustellen, aber sie fand es dennoch amüsant. Malfoy verkörperte nämlich all das, was nichts mit Muggelerfindungen zu tun hatte. Parallel schritt sie vorsichtig hinter ihm her – immer noch seine Hand haltend und sie zuckte kurz zusammen, als eine kühle Brise ihren Körper umspielte, als sie die Tür passiert hatten. Offenbar war der Kamin nicht angezündet worden, weswegen es in dem Raum recht zugig und kalt war.

 

„Ja, wirklich. Das muss dich zerrütten, was? Ich hoffe allerdings, dass das dein Bild von mir nicht über den Haufen wirft?“, ergänzte er lachend, während er nochmals kontrollierte, ob ihre Augen geschlossen waren. Anschließend führte er sie weiter in die Bibliothek hinein und insgeheim erwartete er tatsächlich, dass sie sich freute. Ja, ein Funken Menschlichkeit besaß er nun mal doch und Granger war die erste Person, die es schaffte, jene Eigenschaft zur Oberfläche zu ziehen. Andere Menschen kitzelten höchstens seine Aggressionen aus ihm heraus. Nachdem er ungefähr die Mitte des Raumes mit ihr erreichte, hielt er inne, atmete einmal ein und ließ ihre Hand los, da er die Gardinen ganz ohne Zauberstab zur Seite ziehen wollte. Aber er wollte auch nicht ihre Hand loslassen. Ihre Haut fühlte sich unglaublich weich an und es war auch das erste Mal, dass er ihre Haut absichtlich und bewusst berührte. Erst jetzt spürte er die Intensität ihrer sanften Haut.

 

Aber er musste sie loslassen.

 

„Malfoy?“, entkam es Hermine im Nachhinein hektisch. Sie hatte gerade ihren einzigen Schutz verloren, da Malfoys Hand momentan ihre Augen ersetzt hatten.

 

„Lass die Augen zu... Bitte“, beharrte er und lief nacheinander zu den acht Fensterbögen, die bis zum Boden reichten. Hastig riss er einen Vorhang nach dem anderen auf, und je mehr Stoff zur Seite geschoben wurde, umso mehr Licht drang in das Innere des Raumes, das gleichzeitig auch Hermines Lider kitzelten. Wie ein hilfloses Rehkitz stand sie da, wie er bemerkte, als er sich wieder zu ihr umdrehte. Orientierungslos und aufgeregt. Ja, das beschrieb ihre Fassung sehr gut.

 

„Wann... Wann darf ich sie denn aufmachen?“ Sie wurde immer neugieriger. Wo hatte er sie bloß hingeführt? Oder war sie nun an dem Punkt angekommen, wo sie Angst verspüren sollte? Ihr Verstand hätte Alarm schlagen müssen, oder? Standen sie vielleicht auf einer Zinne und Malfoy würde sie gleich in die Tiefe stoßen? Nein, sie waren im Haus, ganz sicher.

 

Bevor er ihr die Erlaubnis gab, griff er nach ihren Händen und führte sie noch etwas mittiger in den Raum. „Jetzt... kannst du deine Augen öffnen.“ Und da war er. Der vernichtende Satz. Ob sie gleich laut auflachen würde? Würde sie ihn aufziehen? Wenn ja, dann könnte sie aber wirklich den Rest ihres Daseins im Kerker verbringen. Schließlich würden ihr Ausdruck, sowie ihre Meinung einen erheblichen Einfluss auf ihn ausüben. Von ihrer Ausstrahlung und ihrer Mimik hing alles ab, ob es sich überhaupt lohnte, etwas für einen anderen Mensch zu riskieren.

 

Ganz langsam öffnete sie die Augen. Nachfolgend blinzelte sie mehrmals, bis sie realisierte, wo sie sich befand. Vor ihr türmten sich Regale. Regale, die bis zur Decke reichten. An vielen standen sogar Leiter, damit man die Bücher ganz oben problemlos erreichen konnte. In jedem Regal waren Bücher. So viele Bücher. Kleine Bücher, dünne Bücher, aber auch dicke Wälzer. Sie war so fasziniert von dem Anblick, dass sie sich langsam um die eigene Achse drehte, aber egal wohin sie ihren Blick auch wandern ließ – überall waren Bücherregale. Prall gefüllte Bücherregale. Und je mehr Bücher sie erblickte, umso weiter öffnete sich auch ihr Mund. Grundgütiger, Hermine war überwältigt. Sie hatte zuvor nie so viele Bücher auf einmal gesehen. Nicht einmal in Hogwarts und das, obwohl sie bisher der Annahme war, dass niemand mehr Bücher besaß als die Bibliothek in Hogwarts. Merlin, ihre Euphorie trieb sie dazu, auf eines der Regale zuzulaufen und es zu berühren. Einfach um sich zu vergewissern, dass das hier kein Traum war. Ehrfürchtig strichen ihre Fingerkuppen über die Buchrücken, woraufhin der Geruch von altem Pergament in ihre Nase stieg. Es roch himmlisch.

 

Draco beobachtete jeden ihrer Schritte. Er sah, wie ihre Finger über die Bücher streiften und er wusste nur zu gut, dass sie am liebsten sofort jedes Buch lesen wollte. Er verwettete sein Vermögen, dass das ihr Lieblingszimmer werden würde und sie noch heute anfing, Bücher zu lesen. Und sie sah so perfekt aus. So anmutig. So hinreißend und wunderschön. Wie sie da stand und sich über etwas so belangloses wie Bücher freute. Gott, zum Glück besaß er Selbstbeherrschung – zumindest in Situationen, in denen es bitter nötig war.

 

„Malfoy.“ Lächelnd und zugleich überfordert, blickte sie über ihre Schulter – eine Hand noch immer auf den Büchern. „Ich... Ich weiß nicht, was ich sagen soll.“ Er hatte ihr wirklich eine Freude bereitet. Er tat etwas, wovon er keinen Nutzen hatte, weil er wusste, dass sie Bücher liebte. Nach all dem Streit und Zank, den sie auf sämtlichen Ebenen ausgetragen hatten, war das etwas, womit sie niemals gerechnet hätte. „Es... Es ist überwältigend. Ich bin sprachlos.“

 

„Dann hoffe ich, dass deine Sprachlosigkeit ausdrückt, dass dir zumindest diese Halle auf Malfoy Manor gefällt?“ Das hoffte er inständig, aber seit wann gebrauchte er solch übelerregende Sätze? Würde er weiterhin so reden, könnte er sich gleich den Zauberstab gegen die Schläfe richten.

 

„Ob es mir gefällt?“ Achselzuckend drehte sie sich um, hob die Arme und deutete um sich. „Es ist atemberaubend.“

 

„Dann... soll dieser Raum dir gehören, Granger.“

 

„Ehrlich?“, kam es strahlend aus ihre Mund. „Ich wusste nicht, dass du so viele Bücher besitzt.“

 

„Tja, es gibt vieles, was du nicht von mir weißt“, konterte er gönnerhaft und blickte von oben auf sie herab. Allerdings fand er es schade, dass sie seinen Blick nicht erwiderte und sich stattdessen wieder den Büchern zuwandte.

 

„So? Was denn zum Beispiel?“, entgegnete sie nonchalant, bevor sie sich mit verschränkten Armen wieder zu ihm drehte.

 

„Zum Beispiel, wie groß mein Penis ist?“

 

„Interessant, Malfoy.“ Vorbei war das schöne Gefühl, das sie bis gerade eben noch verspürte. Nun benahm sich Malfoy einmal menschlich und schaffte es doch, binnen Sekunden, diese Atmosphäre mithilfe seiner perfiden und bizarren Art zu zerstören. Seine eigentümliche, sarkastische, kaltschnäuzige und mokante Art kam wieder zum Vorschein.

 

Bist du von allen guten Geistern verlassen? Wo ist dein verdammtes Hirn?“, zischte die Stimme panisch. „Du tust nicht nur so, nein. Du bist auch noch wirklich sau dämlich, du Vollidiot. Jetzt überleg mal, wie du da wieder rauskommst.“

 

„Das war ein Spaß meinerseits, Granger. Vergiss es einfach.“

 

Vergessen... Na ja, aber sie erinnerte sich an die beiden Fußball-Karten in ihrer hinteren Hosentasche. Eigentlich wollte sie ihm die Karten erst an seinem Geburtstag geben, aber sie wollte sie Stimmung retten, da sie befürchtete, sie könnte kippen, angesichts der Verschwiegenheit der beiden. „Weißt du, ich habe auch etwas für dich.“ Anschließend zog sie eilig die Karten aus der Tasche.

 

Überrascht griff er nach den Papierfetzen. Es waren zwei rechteckige Formen, worauf Arsenal London, Football Club stand. Skeptisch begutachtete er erst die Karten, danach Granger. „Was soll das sein?“

 

„Das... Das sind Fußball-Karten.“ Augenblicklich spürte sie den rapiden Temperaturabfall. „Kennst du -“

 

„Frag nicht, ich kenne Fußball“, unterbrach er sie barsch. „Ich bin nicht so blöd, wie du es glauben magst, aber ich hatte auch Muggelkunde, falls du dich erinnerst?“ Er wollte den Namen seiner damaligen Lehrerin Charity Burbage nicht aussprechen, da ansonsten die Erinnerungen hochkämen. An die Nacht, in der sie vor Dracos Augen getötet und Nagini zum Fraß vorgeworfen wurde.

 

„Entwickelt da etwa jemand Gefühle?“, wollte seine innere Stimme lauernd wissen. „Dir macht der Tod Angst, ja?“
 

Was für eine hirnrissige Frage. Natürlich machte der Tod ihm etwas aus. Im sechsten Schuljahr lebte er tagtäglich in Todesangst und mit Verlustängsten. Seine innere Stimme war anscheinend der Annahme, dass er die Emotionen eines Grabsteins hatte.

 

„Was soll ich damit?“, fragte er kühler als beabsichtigt und streckte ihr die Karten entgegen. Die Erinnerung an Charity Burbage schien ihm die gute Laune aus dem Leib zu saugen.
 

Hermine erschrak über diesen plötzlich Tonwechsel in seiner Stimme. Eben war seine Stimme noch klar und ohne jegliche Arroganz und Bosheit und plötzlich strahlte er genau das wieder aus.
 

„Ich.. ich“, stotterte Hermine, „ich wollte sie dir zu deinem Geburtstag schenken.“
 

Das warf ihn nun völlig aus der Bahn. Sie wusste, wann er Geburtstag hatte und gleichzeitig fragte er sich, wann sie Geburtstag hatte. Er rief die Schulakten in seinem Gedächtnis auf, doch ihr Geburtstag wollte ihm partout nicht einfallen. Verdammt. Er konnte nicht einmal den Monat sagen. Mist! Er fand es auch erstaunlich, dass sie ihm überhaupt etwas schenkte, nachdem er so grauenhaft und ungesittet zu ihr war. Grinsend steckte er die Karten in die Innentasche seines Blazers zurück, nachdem sie die Karten nicht wieder an sich genommen hatte. Er musste wieder zu seiner Überheblichkeit zurückkehren.
 

„Und du erwartest nun, dass wir beide“, Draco deutete auf Granger und sich selbst, „dahin gehen? In ein Stadion, in dem eine Muggelsportart betrieben wird, die, wenn ich hinzufügen darf, völlig uninteressant und unspektakulär ist?“
 

„Ja“, antwortete Hermine, doch sobald sie über ihre Antwort nachgedacht hatte, bemerkte sie, dass das gar keine wirkliche Frage von Malfoy war, sondern eine Feststellung. „Außerdem hat es dasselbe Prinzip wie Quidditch. Nur, dass beim Fußball zwanzig Menschen einem Ball hinterher rennen, statt vierzehn Menschen auf ihrem Besen einem Ball nachjagen.“
 

„Vergiss es. Ich zwänge mich nicht zwischen tausende Muggel. Und nein, es ist nicht dasselbe Prinzip. Im Quidditch geht es um Geschick und Schnelligkeit.“
 

„Wieso nicht, Malfoy? Es würde dir Spaß machen.“ Im Fußball ging es auch darum, aber diese Diskussion würde sie mit Malfoy nicht beginnen. Sie wollte ihn mit aller Macht überzeugen. Hermine wollte ihrem Gefängnis endlich entfliehen.
 

„Was mir Spaß macht, entscheide immer noch ich!“
 

Die Stimmung kippte und mit jedem Wort, welches beide weiter miteinander wechseln würden, umso schneller und weiter würde auch die Stimmung kippen.
 

„Glaubst du wirklich, ich erkenne dein Ziel dahinter nicht?“ Zuerst seine Mutter, die ihn nicht für clever genug hielt. Nun reihte sich auch Granger ein. Auch sie hielt ihn für so unterbelichtet. Als ob er ihr Vorhaben nicht durchschaut hätte, denn im Gegensatz zu ihm, erkannte er in ihren Augen alles. Sie erkannte in seinen Augen höchsten den Hass, den er anhand seiner Augen symbolisierten konnte. Draco hatte sie ertappt, er spürte und sah es. Ihre Augen verrieten sie immer wieder. Er erkannte kein Siegeswille mehr darin, sondern sah ihre innerlich Unruhe, die sich durch ihre geweiteten Augen widerspiegelte und genau damit hatte sie sich verraten und ihm bestätigt, dass sie genau das vorhatte - nämlich abzuhauen. Ihr Geburtstagsgeschenk war in keinster Weise ernst gemeint und dabei hätte dieses Schauspiel viel besser zu ihm gepasst, aber er meinte seine Überraschung wenigstens ernst. Nie hätte er Granger diese Abgebrühtheit zugetraut.

 

„Du willst, dass wir dahin gehen, damit du abhauen kannst, weil du tatsächlich glaubst, ich würde keinen Zauberstab ziehen, um dich daran zu hindern.“ Auch Granger hatte er Schachmatt gesetzt – wie Blaise.

Das Misstrauen gegenüber dem Witz ist der Anfang der Tyrannei

- Kapitel sechzehn -

 

 

 

Außer Stande etwas zu sagen, öffnete sich lediglich Hermines Mund. Aufgrund ihrer mangelnden Selbstsicherheit war es für Malfoy ein leichtes gewesen, sie der Lüge zu überführen. Er wusste genau, was sie vorgehabt hätte, wenn er dem stattgegeben hätte und mit ihr nach London gegangen wäre. Verflucht, wieso konnte sie nicht auch so schamlos lügen wie er? Wieso war sie so unsicher? Nun, weil Hermine ein Mensch war, der weder Regeln brechen, noch Leute belügen wollte, aber in dieser Situation wäre es so angebracht gewesen, um ihrem Gefängnis zu entkommen. Betrübt rieb sie sich indessen ihre Arme, um zumindest etwas zu tun – rauf und runter, immer wieder. Und jetzt im Nachhinein tat es Hermine sogar ein wenig leid, dass sie ihn ausnutzen wollte, um ihr Ziel zu erreichen, aber konnte Malfoy sie nicht verstehen? Konnte er nicht nachvollziehen, dass sie hier raus wollte? Dass sie sich eingeengt fühlte und dieser Beklommenheit entfliehen wollte?

 

Nein, vermutlich konnte er das nicht nachempfinden. Schließlich war er nie ein Gefangener. Malfoy war diesem Gefühl, von Wänden erdrückt zu werden, nie ausgesetzt gewesen. Wie sollte er demzufolge etwas verstehen, das er zuvor nie erlebt hatte? Zumal ihm die nötige Empathie fehlte.

 

„Und du denkst, dass deine Überraschung ernst gemeint war?“, giftete sie ihm im Anschluss entgegen, während sie versuchte, Blickkontakt zu ihm zu halten. „Als ob du mir diese Bücher geben würdest. Das war doch nur ein Vorwand, um -“ Ja, um was, Hermine? Möglich, dass aus ihr der Trotz sprach, vielleicht entglitten ihr die Worte auch im Affekt, um diesem... diesem Idioten aufzuzeigen, dass sie nicht auf den Kopf gefallen war.

 

„Um was, Granger?“

 

„- um mich ruhig zu stellen.“ Als sie in sein Gesicht blickte, musste sie wieder einmal neidlos anerkennen, dass Malfoy ein schönes Gesicht hatte, wenngleich sie so sauer auf ihn war. Zusätzlich fielen ihm seine weißblonden Haare vor die Stirn, was ihn so unnahbar erscheinen ließ. Das eine oder andere Mal musste er sie zurückkämmen, sodass sie ihm nicht die Sicht versperrten – sie waren länger geworden. Nicht so kurz und nach hinten gekämmt wie im sechsten Schuljahr und es stand ihm ausgesprochen gut. Es wirkte erwachsener... männlicher. Er sah perfekt aus. Seine schiefergrauen Augen passten unheimlich gut zu seinem äußeren Erscheinungsbild. Seine Lippen waren voll und so schön geschwungen, dass Hermine gezwungen war, auf ihre Lippe zu beißen. Mittels ihrer Zähne versuchte sie herauszufinden, ob ihre Lippen ebenso schön geschwungen waren, aber sie bezweifelte es. Seine weißen Zähne blitzen durch den Spalt seiner Lippen und Hermine war sich sicher, ihr Vater wäre hingerissen gewesen... genauso wie... wie ihre Mutter. Malfoy wäre ideal für Zahnpasta-Werbung geeignet. Ob das nur Mädchen auffiel – diese äußerlichen Eindrücke? Worauf Männer wohl achteten? Sie wusste es nicht, aber in ihren Augen war Malfoy ein schöner Mensch gewesen – was sowohl das Aussehen, als auch seine Intelligenz betraf. Charakterlich war er mit Sicherheit der größte Idiot unter der Sonne.

 

„Du kleine Besserwisserin“, murmelte er genervt, ehe er sich zu ihr beugte. „Ich kann dieses Mal mit ruhigem Gewissen behaupten, dass meine Intention ernst gemeint war.“ Himmel nochmal, dieses Weib. Wie schaffte sie es nur, ihn innerhalb weniger Sekunden zur Weißglut zu treiben, ihn gleichzeitig jedoch so zu faszinieren? Unnachgiebig haftete sein Blick auf ihrem Gesicht, während Draco versuchte, alles darin zu studieren. Aus ihrem geflochtenen Zopf fielen einzelne Strähnen, die sich orientierungslos über ihre Schultern legten. „Kannst du das auch von dir behaupten?“ Alleine ihre Gestik verriet ihm, dass Kalkül dahinter steckte. Die Arme verschränkte sie vor ihrer Brust, ihr Mund hatte sich zu einer schmalen Linie verzogen, bevor sie missmutig ihren Kopf zur Seite drehte.

 

Tja, er hatte sie ertappt. Draco war eben nicht so dumm, wie Miss-Superschlau sich erhoffte.

 

„Ha“, lachte er anschließend auf. „Erwischt, Granger. Aber du bist auch einfach eine grottenschlechte Lügnerin“, klärte er sie siegessicher auf. Draco war nicht einmal wirklich wütend – es amüsierte ihn viel mehr. Viel mehr rechnete er schon eher damit, dass sie wieder irgendwelche Dummheiten plante, die Draco vereiteln würde.

 

„Malfoy, ich lege gar keinen Wert darauf, ob ich jemals eine gute Lügnerin sein könnte.“

 

Unverzüglich mussten die amüsanten Gesichtszüge den harten, markanten Zügen weichen. Dracos Lachen verblasste nach dieser unverfrorenen Dreistigkeit, die das Miststück an den Tag legte. Zu seinem Leidwesen wurde allerdings nicht nur seine Mimik alleine härter. Auch andere Regionen erwachten zum Leben, darunter auch der untere Lendenbereich. Wusste Merlin, wie dieser Bereich unter diesen Bedingungen hart werden konnte, aber es passiert, was Draco zusätzlich erzürnte. Verfluchter Mist. Sie vermittelte ihm doch geradewegs, dass es ihm nicht egal war, ein guter Lügner zu sein. Ja, er genoss das Talent – half es ihm doch oft, wenn man nur an seine Zeit in Hogwarts zurückdachte. Bei Merlins Bart, wie oft hatte er schon Snape angelogen, wenn er seinen Hals aus der Schlinge ziehen musste, nachdem er dabei erwischt wurde, wie er spät abends mit einem Mädchen aus dunklen Nischen kroch? Er müsste lügen, aber es waren bestimmt unzählige Male.

 

„Neidisch, Granger?“

 

„Worauf? Dass ich nicht gut lügen kann? Bedaure, Malfoy.“

 

Daraufhin kräuselten sich seine Lippen. Die Wut steigerte sich in unermessliche Höhen, während sein Blick auf ihren Lippen haftete. Zu allem Überfluss fragte er sich in diesem Dilemma auch tatsächlich, wie sie schmeckten. Eine Tatsache, die ihn maßlos enervierte.

 

„Granger, der Punkt ist doch, dass -“ Inmitten seines Satzes, der in seinen Gedanken so schön spöttisch klang, erstarrte er. Die verdammte Härte, die unaufhörlich gegen die Innenseite seiner Hose stieß, ließ ihn verstummen. Sie zwang ihn in die Knie, obwohl er ihr sagen wollte, dass er sie lediglich veralbern wollte, seine Geduld jedoch nicht grenzenlos war und sie die Grenzen nicht überschreiten sollte. Das war alles. Dafür wurde er nun mit einer Erektion bestraft, die unpassender nicht sein konnte?

 

„Was ist der Punkt?“

 

Konnte sie nicht einfach ihren blöden, vorlauten Mund halten? Musste sie weiterhin Öl ins Feuer gießen? Wieso musste die Erektion ausgerechnet jetzt auftreten? Warum suchten ihn Gedanken heim, die ihn nahezu zwangen, seinem Verlangen nachzugeben? Hinzu kam der Schmerz, dieses beengende Gefühl, das er nicht abschütteln konnte und was blieb ihm übrig? Draco hatte zwei Alternativen – eine störender als die andere. Entweder er drehte sich um und ging wortlos, oder er würde sich weit aus dem Fenster lehnen und der Versuchung – ihre Lippen zu erkunden – nicht länger widerstehen. Er könnte das Gespräch als Verlierer verlassen oder er könnte sich eine Ohrfeige einfangen – beides unschöne Szenarien, die ihm in Erinnerung bleiben würden.

 

Was sollte er tun? Noch immer starrte er auf ihre Lippen, die ihn sowohl schon angelacht, als auch schon angeschrien hatten. Es waren so viele unschöne Worte aus ihrem Mund gekommen – ebenso aus seinem. Wobei seine Worte bedeutend treffender und schlimmer gewesen waren, als all das, was sie bisher nur gedacht hatte.

 

Wie dem auch war. Er musste eine Entscheidung treffen und das schnell.

 

„Merlin, ich -“ Keuchend suchte er Halt an einem der Bücherregale, das ihm am Nächsten stand.

 

„Malfoy?“ Erschrocken wich Hermine zurück, doch fing sie sich recht schnell, woraufhin sie erneut nach vorne trat und nach Malfoys Arm griff. „Malfoy, ist alles in Ordnung?“ Vorsichtig wanderte ihre Hand über sein Gelenk, bis hin zu seinem Handrücken, worüber sie behutsame Kreise mittels ihres Daumens fuhr, in der Hoffnung, ihn zu beruhigen. Aber anstatt ihm zu helfen und die Situation zu verbessern, schien sie mit ihrer Berührung alles verschlimmert zu haben. Immer heftiger schüttelte er seinen blonden Schopf, als würde er versuchen, ein lästiges Insekt abzuschütteln.

 

„Geh, Granger“, schnaufte Draco, der mehr und mehr den Verstand zu verlieren schien. Allein ihre Berührung, die aus freiwilligen Stücken und aus Sorge geschah, warf ihn völlig aus der Bahn.

 

„Was hast du denn?“

 

„Du sollst endlich gehen!“, befahl er knurrend, ehe sein Kinn gegen seine Brust sank. Seine Atmung wurde lauter, er kniff widerwillig die Augen zusammen, während er sich mühsam auf die Lippen biss.

 

„Ich kann dich in dem Zustand doch nicht alleine lassen“, entgegnete sie vorwurfsvoll. Egal wie gemein und grobschlächtig er war, Hermine dachte keine Sekunde daran, ihn alleine zu lassen. Schließlich war er ihr auch zu Hilfe geeilt, als sie fast die Schlucht hinabgestürzt wäre. Sie wäre die Letzte, die ihm Hilfe verweigern würde. „Bitte rede doch mit mir. Ich kann dir nicht helfen, wenn du nicht sagst, was dir fehlt.“ Unterdessen suchte sie immer wieder seinen Blick, den er ihr jedoch verwehrte, da seine Augen konstant geschlossen blieben.

 

Sie war zu gütig. Ein viel zu guter Mensch, der es nicht verdiente unter diesen Umständen zu leben. Das wusste Draco, der – als der Schmerz kurz nachließ – ihren Blick erwiderte. Er sah ihr direkt in die Augen, was ihre Wangen erröten ließ und es stand ihr verdammt gut. Gott, Merlin selbst wusste es auch, sie sah bildschön aus. Nochmals schüttelte er seinen Kopf – dieses Mal, um einen klaren Gedanken fassen zu können. Aber was nützte es einem, wenn man die Augen vor der Wahrheit verschloss? Es würde ihn nicht voranbringen. Sie war eben schön, das entsprach der Wahrheit. Das konnte er sich noch so oft schlecht reden wie er wollte. Ein weiteres Kopfschütteln würde das nicht ändern, weshalb er erneut in ihr Gesicht blickte, das solch ehrliche Sorge ausdrückte. Eine Sorge, die so ehrlich war und er sie noch nie in dem Ausmaß verspürt hatte. Nicht einmal seine Mutter hatte ihn so angesehen, als er – etwa im Alter von sechs Jahren – von einem Baum gefallen war und sich sowohl den linken Arm, als auch das dazugehörige Bein gebrochen hatte.

 

„Du... Du solltest wirklich gehen“, informierte er sie mit einem aufgesetzten Lächeln, das ihm zusehends schwerer fiel.

 

„Nein. Ich -“

 

„Dann tut es mir leid, Granger“, erklärte seine raue Stimme halbherzig. Im Anschluss berührte er mit beiden Händen ihre zinnoberroten Wangen, ehe er ihr Gesicht rasch zu seinem heranzog und ihre Lippen mit seinen verschloss. Zumindest würde sie jetzt den Mund halten. Oh, aber er würde in Bredouille und arge Erklärungsnot geraten, sobald sie sich aus dieser verfänglichen Situation befreit hätte. Sie würde ihn rund machen, aber es war ihm egal. Vielleicht gefiel es ihm sogar, wenn sie ihm ordentlich den Marsch blies? Er würde es jedenfalls darauf ankommen lassen, weshalb er den Kuss intensivierte. Und es war, wie er vermutet hatte – ihre Lippen waren göttlich weich. Er konnte sogar ihr Parfum riechen, das sie offenbar in ihrem Bad gefunden hatte. Sie roch so verdammt gut und es machte sie noch unwiderstehlicher. Ihr Hals duftete nach Flieder – ein so betörender Duft. Parallel wanderte eine Hand zärtlich über ihre Wange, hinauf zu ihrem Haar, während er den unangenehm Druck – herbeigeführt durch ihre Hände – auf seiner Brust spüren konnte. Aber auch das kümmerte ihn nicht. Sollte sie ihre zarten Hände doch gegen seine Brust stemmen – es würde nichts bezwecken.

 

„Mal-“ Weiter konnte ihre empörte Stimme nicht sprechen, da er ihre Lippen augenblicklich wieder in Beschlag nahm. Er ließ ihr gar nicht die Zeit, sich gebührend darüber zu echauffieren. Er machte sich nichts daraus, dass sie sich erschrak. Stattdessen waren seine Hände nach vorne geschossen, um sie mit seinem Vorhaben zu überrumpeln. Und dann küsste er sie auch noch. Es war so ungewohnt und skurril, aber der Kuss war... er war so anders. Malfoy war anders... Fordernder und doch einfühlsamer als Ron und Dean es gewesen waren. Ja, mit Dean Thomas hatte sie ihren ersten Kuss erlebt. Im vierten Schuljahr – ziemlich am Anfang. Es geschah noch vor dem trimagischen Turnier. Zugegeben, es war alles andere als traumhaft, aber sie beide dachten, dass das der richtige Zeitpunkt wäre, es doch einmal auszuprobieren. Allerdings war das auch das einzige Mal, dass sie Dean geküsst hatte. Durch nichts in der Welt wollte sie ihre Zensuren gefährden, wodurch jedoch ihr Liebesleben – sofern man es so nennen konnte und dies nicht einmal aus Berührungen und Intimitäten bestand – auf der Strecke geblieben war. Im Vergleich zu Ronalds Kuss, war das mit Dean sowieso nur... nur ein gewöhnlicher Kuss. Was zwischen ihr und Ronald in der Kammer des Schreckens passiert war, war schon intensiver. Doch auch hier wussten sie beide, dass der Kuss für keinen von Bedeutung gewesen war. Der Funke war einfach nicht übergesprungen, obwohl Hermine felsenfest davon überzeugt war, in Ron verliebt zu sein und irgendwann eine Schar Weasley-Kinder zu hüten. Eine – wie Hermine mittlerweile befand – verstörende Vorstellung. Aber Merlin, sie war damals sogar eifersüchtig auf Lavender gewesen, nachdem sie eine Liaison mit Ron anfing. Letztendlich war sie froh, auch, dass der Kuss zwischen ihnen nichts an ihrer Freundschaft verändert hatte.

 

Aber das! Das ging dann doch zu weit. Sie ignorierte auch rigoros die innere Stimme, die schadenfroh lachte und ihr zuflüsterte, dass ihr insgeheim der Kuss gefiel.

 

Nein, der Kuss gefiel ihr nicht, oder? Gerne hätte Hermine laut geschrien, ihrer Stimme gesagt, dass ihr der Kuss missfiel, aber... das wäre gelogen. Obwohl sie sich anfänglich noch gegen ihn wehrte und vergeblich versuchte, Malfoy von sich zu stoßen, schien es diesen Arsch nur noch mehr zu animieren, genau damit weiterzumachen, was er eben tat. Das alles war aber allem Anschein nach noch nicht schlimm genug. Nein, denn Hermine verspürte plötzlich ein seltsames Ziehen. Woher es genau kam, konnte sie aufgrund ihrer Benommenheit gar nicht sagen, aber es war ein ihr unbekanntes Gefühl, das sich schleichend seinen Weg suchte. Zu ihrem Entsetzen ging es sogar so weit, dass sie Malfoys Kuss erwiderte.

 

Bei Merlin, sie erwiderte den Kuss.

 

Auch Draco blieb der Sinneswandel nicht verborgen. Er fühlte, wie ihre Hände nunmehr sanft auf seinem Hemd lagen, statt sich weiter darin zu verhaken, darauf hoffend, ihn von sich zu stoßen. Ihre Gegenwehr erstarb langsam, was Draco zum Anlass nahm, beide Hände über ihren zierlichen Rücken wandern zu lassen, bis er schlussendlich sein Ziel erreichte – ihren Hintern. Endlich. Wären ihre Lippen nicht miteinander verbunden, hätte er jubelnd aufgeschrien. Endlich berührte er ihren Hintern. Der Hintern, der ihm schlaflose Nächte bereitet hatte und bereits seine Gedanken kontrollierte. Durch die eng anliegende Hose wurde die Form noch mehr hervorgehoben und selbst das war perfekt. Es ließ ihn unvermindert knurren – kein böses Knurren. Es war eher ein lustvolles Knurren.

 

Was wohl noch alles perfekt an ihr war? Er wollte es unbedingt herausfinden. In dem Moment vergaß er alles. Er vergaß, was sie war, woher sie kam und wer sie war. Momentan war sie Hermine. Eine Frau, die perfekt zu ihm passte und die er problemlos gegen eines der Bücherregale drücken konnte. Es fühlte sich so richtig an, weshalb er seine Lenden gieriger gegen ihre Mitte presste. Er wollte, dass sie spüren konnte, was sie alleine mit ihm und seinem Körper gerade anstellte. Ja, sie sollte ruhig wissen, was sie mit ihm tat.

 

Recht widerwillig zog er sich zurück. „Bei Merlin, spürst du das?“, stöhnte er verheißungsvoll in ihr Gesicht, nachdem er sich für eine Sekunde von ihren Lippen entfernte – nur um sie im gleichen Moment wieder zu küssen. Aber das war womöglich der Angst zuzuschreiben. Er fürchtete sich vor ihrer Antwort... Stattdessen begann er mit seiner linken Hand über ihren Hosenbund nach vorne zu wandern. Mit einem geschickten Handgriff – ohne den Kuss nochmals zu unterbinden – hatte er den Knopf geöffnet. Doch um sie noch ein bisschen erzittern zu lassen, ließ er seine Hand zu ihre Oberschenkel gleiten – ganz sachte, nur mit den Fingerspitzen, die über den weichen Stoff ihrer Hose strichen. Anschließend wanderten sein Zeige- und Mittelfinger zur Mitte, bis zum Bund hinauf. Mit dem Daumen drückte er den Bund etwas nach unten, so dass es leichter war, seine Hand hineinzuführen, wo er den Saum ihrer Unterwäsche bereits fühlen konnte. Und noch etwas fühlte Draco – die Nässe. Granger war so verrucht und vor allem verboten für ihn. Sie war tabu, aber er konnte sich nicht mehr aufhalten.

 

Er würde verrückt werden, wenn er all das jetzt unterbrach, weshalb er seine Hand unter der Hose zu ihrem Hintern gleiten ließ. Bedingt dadurch, schob er auch ihre Hose ein Stück weit über ihre Hüften. Abschließend packte er sie an ihrem Hintern und hievte sie nach oben, wodurch sie gezwungen war, ihre Beine um seine Hüften zu schlingen. Dass sie das mitmachte... das ließ tief blicken und erahnen, dass sie bereit war, all jene Schandtaten mit ihm auszuüben, die sich in seinem kranken Kopf Gehör verschafft hatten.

 

„Fuck, Granger... Das... Das ist kaum auszuhalten.“

 

Hermine brachte allerdings nichts weiter zustande, als zu Keuchen. Auf seine Worte konnte sie sich nicht fokussieren, stattdessen warf sie bloß ihren Kopf in den Nacken, während das Ziehen immer hartnäckiger wurde. Draco hingegen nutzte die Chance. Wer ihm so bereitwillig das Dekolletee entgegenstreckte, der wollte, dass es mit der Zunge erforscht wurde, was er auch tat. Seine Finger knöpften inzwischen ihre weiße Bluse auf – mithilfe seines Körpers, sowie des Bücherregals und ihren Beinen, die noch immer um seine Hüften geschlungen waren, war es ein Leichtes, sie oben zu halten. Knopf für Knopf ließ er aufspringen, bis er die Mitte erreichte und den oberen Teil vorsichtig über ihre Schultern streifte. Ähnlich verfuhr er auch mit den Trägern ihres BH's.

 

Draco wollte jeden Zentimeter ihrer Haut mit Küssen bedecken. Er spürte wie sie unter seinen Fingerkuppen erzitterte, während ihm bereits die Schweißperlen im Nacken hinabrannen. Aber irgendetwas fühlte sich anders an... Etwas, das nicht zur Situation passte. Es schien, als würde er plötzlich dehydrieren, hinsichtlich der vielen Schweißperlen.

 

Und es fiel ihm wie Schuppen von den Augen.

 

Was tat er hier? Was zum Teufel ritt ihn? Resigniert beendete er seine Tortour, ihre Haut weiterhin zu küssen und hob angeschlagen seinen Kopf.

 

„Malfoy?“, röchelte Hermine. Augenblicklich war ihr die Veränderung aufgefallen, weshalb auch sie ihren Kopf nach unten sinken ließ und zu Malfoy blickte.

 

Nicht sie war es, die sprachlos war, sondern er. Draco wusste nicht, was er sagen sollte. Er konnte sich nicht aus der Schlinge befreien wie in Hogwarts, wenn Snape ihn wieder einmal nach einem Schäferstündchen erwischt hatte. Dieses Mal hatte er keine passende Lüge. Dieses Mal musste er sich der Realität stellen, aber wie? Wie konnte er seine Ignoranz am besten ausdrücken? Und was hatten sie beide gerade getan? Als er sich ihrer Brust genähert hatte, umso mehr schien auch sein Verstand zurückzukehren, den er zuvor noch lächelnd über Bord geworfen hatte.

 

Ja, es war ihm sogar egal, dass es Granger gewesen war. Es war ihm scheißegal, dass es ihre Haut gewesen war, über die seine Lippen sanft strichen. Himmel nochmal, hatte sein Verstand es genau darauf angelegt? Dass er sich fallen ließ, bis er sich schlussendlich nicht mehr kontrollieren konnte und das erreicht hatte, was er wollte? War das das Ziel? Dass seine Rationalität kurz vor der Ziellinie ihn einholte, um ihn auf den Boden der Tatsachen zurückzubringen – ihn zuvor aber noch von der Klippe stieß und der Aufprall die Erkenntnis assoziierte, die er gerade verspürte?

 

Ja, er verspürte Abscheu – sich selbst gegenüber. Er fühlte sich schäbig.

 

Fuck.

 

Langsam wanderte sein Blick zu ihrem Gesicht, er akklimatisierte sich und setzte das Mädchen vorsichtig ab, ehe er schluckend einen Schritt nach hinten setzte. Jetzt, genau jetzt, nachdem er sie intensiv betrachtete, wurde ihm bewusst, dass vor ihm Granger stand. Die Granger, die er jahrelang gedemütigt und verachtet hatte. Die er zu sich jeder bietenden Gelegenheit beleidigt und schikaniert hatte.

 

„Malfoy?“, wiederholte sie stotternd. Auch Hermine wusste nicht, was gerade geschehen war. Nun, sie wusste es, aber sie konnte sich den abrupten Abbruch nicht erklären. War sie in einem ihrer Albträume gefangen, aus dem sie nicht aufwachen konnte? Diese Träume sollte es ja auch geben.

 

Unterdessen drückte er Daumen und Zeigefinger gegen seine geschlossenen Lider. Er musste hier raus.

 

„Malfoy!“, entfuhr es Hermine nun lauter.

 

„Was?“, giftete der Angesprochene genauso laut zurück. Was wollte sie denn jetzt noch?

 

Fassungslos wich Hermine daraufhin zurück, wo sie prompt mit dem Rücken gegen das Regal stieß, gegen... gegen das Malfoy sie vor Minuten noch hievte. „Was... Was hast du denn?“, wollte sie konsterniert wissen, ausgelöst durch seinen plötzlichen Sinneswandel.

 

„Was ich habe, willst du wissen, ja? Willst du das?“, entkam es ihm nüchtern, bevor er künstlich lächelte, seine verschwitzten Haarsträhnen nach hinten kämmte und zu Granger aufschloss. „Verdammt nochmal, ich habe dir gesagt, dass du gehen sollst!“, bemerkte er bösartig und schlug im selben Atemzug wenige Zentimeter neben ihrem Kopf gegen das Regal. Ja, es war ihre Schuld. Ganz allein ihre Schuld. Nicht seine. Schließlich hatte er sie zuvor noch aufgefordert, zu gehen. Er wollte, dass sie ihn alleine ließ. Ihn in Ruhe ließ, weil er die Situation alleine bewältigen wollte, aber nein. Wie könnte es auch anders sein? Sie missachtete natürlich seinen Befehl, bemühte sich sogar noch um ihn, indem sie fragte, was ihm fehlte.

 

Typisch Granger. Typisch Gryffindor. Hilfsbereit und freundlich – wie immer. Und genau diese Eigenschaften wäre den beiden fast zum Verhängnis geworden. Verflucht, er war so kurz davor, mit ihr zu schlafen. Sie an sich heranzuziehen und das zu tun, was er schon so oft getan hatte. Sie war eben doch nicht anders. Granger war genauso ein Miststück wie all die anderen Frauen. Auch sie wurde unter seinen Händen zu Wachs und Blaise, der große Frauenversteher, hatte Unrecht. Gott verdammt, ja. Sie war nicht heilig. Denn wäre sie das gewesen, hätte sie Größe und Stärke bewiesen. Sie hätte ihn in seine Schranken gewiesen, ihn abserviert und das Fiasko verhindert, das entstanden war. Aber nein. Sie tat nichts dergleichen. Im Gegenteil, sie hatte ihn gewähren lassen.

 

Ach, mein lieber Draco, ist es nicht erfrischend?“, meldete sich seine Stimme kichernd zu Wort. „Es ist so einfach, die Fehler anderer zu sehen, nicht? Aber die eigenen Fehler, die ignoriert man so gerne.“

 

Schnaufend hielt er sich seine Hände gegen seine pulsierenden Schläfen. Das hatte ihm gerade noch gefehlt, aber das war abzusehen, dass sich die Stimme in Momenten meldet, in denen Draco am verwundbarsten ist. Aber wo war sein glorreicher Helfer denn, als die Situation ihren Anfang fand und drohte, Überhand zu nehmen? Ja, wo war da die Stimme? Jedenfalls nicht da, um ihn davon abzuhalten.

 

„Ich dachte, dass -“

 

„Verfluchte Scheiße, was dachtest du, Granger?“, unterbrach er sie schonungslos. „Dass ich Hilfe brauche? Von dir?“

 

„Ich... Ich -“

 

„Kannst du immer noch keine normalen Sätze bilden, oder was?“ Er spürte die drohende Explosion, die sich in seinem Innern anbahnte. „Ist dir eigentlich klar, was hier beinahe passiert wäre?“ Vermutlich war dem prüden Weib nicht klar, was sie beinahe getrieben hätten.

 

„Was soll das heißen? Willst du mir sagen, dass das meine Schuld war?“, schlussfolgerte sie aus seiner herausfordernden Fasson. „Willst du das sagen, Malfoy?“, fuhr sie mit mehr Bissigkeit in der Stimme fort, während sie sich beschämt die Träger ihrer Unterwäsche, sowie die Bluse über ihre Schultern zog, bevor sie diese hastig zuknöpfte.

 

„Ja, verdammt. Es ist deine Schuld, Granger!“

 

Dieser Satz ließ Hermine schockiert und empört zu ihm aufblicken. War er nicht derjenige, der seine Lippen ungefragt auf ihre presste? Sich für dieses Verhalten im Voraus sogar noch entschuldigte? Wortlos öffnete sich ihr Mund, Tränen sammelten sich in ihren Augen, die den Nebel der aufkeimenden Lust wegspülten und sie seinen wahren Beweggrund erkannte. Schamlos ausnutzen wollte er sie. Nein, er hatte sie bereits ausgenutzt und man durfte das Kind ruhig beim Namen nennen. Malfoy wollte sie flachlegen.

 

„Du bist ein verdammtes... Arschloch, Malfoy.“ In letzter Sekunde hatte er im wahrsten Sinne des Wortes den Schwanz eingezogen, nachdem ihm scheinbar aufgegangen war, wer eigentlich unter ihm lag und das... das machte Hermine irgendwie traurig. Dass er sich an ihrer Herkunft so festhielt und dies ein triftiger Grund zu sein schien, einen Rückzieher zu machen. Nicht dass Hermine es darauf angelegt hätte, aber... sie konnte wenigstens sich selbst gegenüber zugeben, dass sie... dass sie es vermutlich gewollt hätte. „Ein... Ein Vollidiot, der Frauen ausnutzt, um sein Ziel zu erreichen.“

 

„Wach endlich auf, Granger. Es ist nicht alles Gold was glänzt. Der Mensch ist nun mal so – zielstrebig und egoistisch.“ Nicht alle Menschen waren so... Das Mädchen vor ihm jedenfalls nicht.

 

Sie war wütend, aber nicht einmal auf Malfoy, sondern auf sich selbst. Zielsicher ging sie zwei Schritte nach vorne – zu verlieren hatte sie nichts mehr und solange sie noch ein Quäntchen Mut in ihren Knochen fand, würde sie ihr Vorhaben in die Tat umsetzen. Ohne weiter darüber nachzudenken – bevor es ihr am Ende doch noch leid täte – hob sie ihre Hand, die anschließend krachend in Malfoys Gesicht landete. Und es tat gut, als ihre flache Hand seine Wange mit voller Wucht traf.

 

„Bist du jetzt fertig?“, fragte er erbost nach, ehedem er sich über seine schmerzende Wange rieb. Oh ja, der Schlag tat weh und selbst die langsame Berührung darüber ließ ihn kurz zusammenzucken. Nicht im Ansatz hätte er damit gerechnet, dass sie ausholte und zuschlug, angesichts ihrer eingeschüchterten Haltung zuvor. Hinzu kamen die lästigen Tränen, die über ihre Wangen rannen, die er vorher noch berührt hatte. Es waren Tränen, an denen er Schuld war. Tränen, die er nicht sehen wollte und dennoch schaute er die weiterhin an, weil er sein Gesicht wahren musste.

 

Hermine indes schwieg eisern. Jetzt konnte sie an ihm vorbeigehen – mit erhobenem Haupt. Im Vorbeigehen rempelte sie ihn noch absichtlich an, ehe sie fluchtartig die Bibliothek verließ. Sie war perplex, bezüglich der Information, dass Malfoy ihr an allem die Schuld gab und seit wann war sie so oberflächlich, dass sie auf sein blödes makelloses Aussehen hereinfiel?

 

„Ich hab es deinetwegen getan“, flüsterte Draco in die Stille, doch hören konnte sie ihn nicht, da sie bereits gegangen und verschwunden war. Mit herunterhängenden Armen stand er mitten in der Bibliothek – den Blick zur Tür gerichtet, durch die Granger mit nassen Augen geflohen war. Ja, im Grunde hatte er es auch um ihretwillen beendet. Nicht, weil sie unrein oder ein Schlammblut war, nein. Er tat es um sie zu schützen – vor sich. Weil er ein Arschloch war, das sich letztendlich nicht zügeln konnte. Granger war in seinen Augen eine Blume, der er keinen Schaden zufügen wollte und doch hatte er sie verletzt. Gefangen im Wahn seiner Gelüste, was dazu führte, dass die Rose einen Knick bekommen hatte. Aber hatte er wirklich diese schmerzliche Ohrfeige verdient?

 

Du hast noch viel mehr verdient, Draco“, murmelte die Stimme. „Diese Ohrfeige hast du noch viel mehr verdient, als die, die sie dir im dritten Schuljahr verpasst hatte.“

 

Natürlich. Sein Innerstes war mal wieder auf Grangers Seite – wie üblich. Im Anschluss zog er die Vorhänge wieder zu, verließ die Bibliothek und schloss die Tür, denn so schnell würde sie sicherlich nicht mehr diesen Ort aufsuchen. Schon gar nicht, wenn sie ständig mit der Erinnerung konfrontiert wäre, die sich vermutlich in ihr Gedächtnis gebrannt hatte. Verdammt.

 

Das hast du dir selbst zuzuschreiben“, flötete die Stimme.

 

„Schnauze!“, brüllte Draco dem nervigen Etwas entgegen, das sich von seinen Tiraden nicht beeindrucken ließ. Viel mehr war die Stimme darauf bedacht, noch Salz in die offene Wunde zu pressen. Nie hatte er eine Frau auf sexueller Ebene sitzen lassen – ein Novum. Aber genau für diese Andersartigkeit hatte er einen Orden verdient – ein riesigen Orden. Einen monströs großen Orden. Man hätte die Winkelgasse nach ihm benennen sollen, weil er seine Triebe hinten anstellte, aus Furcht, er könnte Granger verletzen. Man, er genoss stets das Anhimmeln der Frauen, das Gefühl der Macht beflügelte ihn, aber diese neue Erfahrung setzte ihm zu und er fühlte sich genötigt, Blaise anzuflohen. Zum Einen, um ihm zu sagen, dass Granger doch wie all die anderen Frauen war – was er im Nachhinein sowieso wieder verneinen würde –, und zweitens, um mit ihm darüber zu spekulieren, wieso er alles abgebrochen hatte. Schließlich behauptete Blaise doch von sich, ein Genie zu sein, hinsichtlich solcher... Neuheiten und Situationen. Blaise kannte sich doch so wundervoll gut mit dem anderen Geschlecht und den ach so herzlichen Gefühlen aus. Jetzt bekäme er die Gelegenheit, endlich unter Beweis zu stellen, wie himmlisch gefühlvoll Blaise doch war, oder Draco bekam eindrucksvoll vorgeführt, wie lächerlich Blaise sich mit seinen Ansichten machte.

 

 

 

 
 

~*~

 

 

 

 

Mit wässrigen Augen rannte sie die Korridore entlang. Die Überraschung, die Malfoy ihr versprochen hatte, war am Ende nach hinten losgegangen. Zwar waren die vielen Bücher wundervoll, aber was danach folgte, war anscheinend nicht miteinkalkuliert. Weder von ihm, und schon gar nicht von ihr. Oder sollte sie auch eine namenlose Trophäe werden? Ein Gedanke, der sie noch trauriger machte, weil sie nicht stark genug gewesen war, ihm zu widerstehen. Hermine achtete doch sonst nie auf Äußerlichkeiten und war stets darauf fokussiert, sich nie in solch einer Zwickmühle wiederzufinden. Aber seine grauen Augen und diese weißblonden Haare trugen waren nicht förderlich, ihn unattraktiv zu finden. Es lag vermutlich daran, dass sie seit Hermines Ankunft auf Malfoy Manor immer aufeinandertrafen. Wenigstens erreichte sie zügig ihren Zufluchtsort. Die ehemalige Gryffindor hatte sich schnell an das schöne Zimmer gewöhnt, doch so schön es auch war, es war ein Teil von Malfoy, woraufhin sie abgeklärt die Tür ins Schloss knallte, bevor sie zu ihrem Bett rannte und sich wie ein nasser Sack fallen ließ.

 

„Man, Hermine, wie konntest du nur so dämlich sein?“, schniefte sie in ihr weiches Kissen hinein. Schluchzend wischte sie mithilfe des weichen Stoffes die feuchten Wangen trocken. Nicht nur, dass Malfoy ihr Leben zur Hölle macht, nein, nun gesellte sich auch der Gedanke hinzu, dass er das Gedächtnis ihres Vaters verändert hatte – mit allen Erinnerungen, die er an seine Frau und Hermine hatte. Dieses Elend versuchte er wohl mit seiner Überraschung zu kaschieren und Hermine ließ sich davon blenden. Gott, wie konnte sie so naiv sein?

 

Als ob das alles nicht schlimm genug war, musste sich Hermine eingestehen, dass der Kuss zwischen ihnen alles andere als miserabel war. Sie wünschte sich sehnlichst, der Kuss würde spurlos an ihr vorziehen, aber das tat er nicht. Der Kuss war schön, so sehr es Hermine auch missfiel. Und was in Merlins Namen trieb Malfoy bloß dazu, sie zu küssen? War alles wirklich nur Berechnung? Das hatte er doch gar nicht nötig. Und was dachte sie sich eigentlich dabei, dass sie diesem Sadisten Fußball-Karten schenkte? Wie kam sie auf die hirnrissige Idee, Malfoy überhaupt etwas zu schenken? Das war absurd. Zumal er sie nach dieser Aktion für die größte Idioten halten musste, was ihr im Grunde egal war, aber die Möglichkeit – ihrem Gefängnis zu entkommen – war zum Greifen nah gewesen. Allerdings würde sie sich von dieser Vorstellung nun endgültig verabschieden müssen. Ihr Wunsch, nach draußen zu kommen, war binnen Sekunden zerplatzt – wie eine Seifenblase. Sie könnte sich aber auf die Suche nach ihrem Zauberstab machen und Malfoy in eine andere Dimension hexen, einfach so, weil sie es konnte. Für all die Gemeinheiten, die Frechheiten und Dreistigkeiten, die er sich bisher erlaubt hatte. Wäre da nicht die Sache mit dem Kuss und dem Wissen, dass er sie vor Askaban verschont hatte. Oder die Überraschung mit der Bibliothek. Sie wollte unbedingt die Bücher lesen – alles Aspekte, die dagegen sprachen, Malfoy zu verhexen.

 

War es vielleicht auch Schicksal, dass ihr Vater ausgerechnet auf Malfoy Manor landete? Nein, sie glaubte nicht an Schicksal oder Zufälle. Fieberhaft überlegte sie auch, wieso sie plötzlich so viel in diesen dummen Kuss hineininterpretierte. Es war doch nur ein Kuss...

 

Für sie war es außergewöhnlich, für Malfoy Routine. Für Hermine war ein Kuss etwas intimes, was sie schmunzeln und an Pretty Woman denken ließ – den Lieblingsfilm ihrer Mutter. Oh, wie oft hatten die beiden Frauen diesen Film gesehen? Jedes Mal quietschten sie erfreut, bezüglich des glücklichen Endes. Ja, die Liebe hatte am Ende gesiegt. Aber es war nur ein Film. Es entsprach nicht der Realität, die oftmals grau und finster war. Sie würde womöglich nie wieder Pretty Woman sehen können. Schließlich war sie auf Malfoy Manor. Ein Ort, wo Muggelgegenstände nicht erlaubt waren.

 

Aber Bücher waren erlaubt, was sie zum Anlass nahm, wieder zurück in die Bibliothek zu gehen. Bevor Malfoy sie überfiel, hatte sie sogar ein paar bequem aussehende Ohrensessel erhaschen können. Danach – je nachdem, wie lange sie blieb – würde sie sich unauffällig umsehen. Vielleicht würde sie ja rein zufällig ihren Zauberstab finden? Möglich wäre es, und Hermine klammerte sich an jeden erdenklichen Strohhalm.

 

Enthusiastisch und mit neuem Elan, schlenderte sie zu ihrer Zimmertür. Sichtlich besser gelaunt als zuvor, weil sie gleich unzählige Bücher berühren und verschlingen konnte, schwang sie die Tür auf und trat hinaus in den Flur. Allerdings blieb sie abrupt stehen, ihr Entsetzen zeichnete sich auf ihren zuvor erschienenen glücklichen Zügen ab, da vor ihr eine Person stand, mit der sie gar nicht gerechnet hätte.

Die Kritik ist eine Steuer, die der Neid dem Talent auferlegt

- Kapitel siebzehn -

 

 

 

Wie eine Gazelle die sich vor dem jagenden Löwen verstecken musste, rannte Draco geradezu in den Westflügel. Die stechenden Schmerzen in der Seite ignorierte er professionell, während er zu seinem Schlafzimmer rannte, die Tür wie ein Verrückter aufzog und dahinter verschwand. Bevor er in dem abgedunkelten Raum jedoch das Feuer im Kamin entzündete, lehnte er sich mit dem Rücken gegen die Tür, den Kopf nach oben zur Decke gerichtet. Als würde er keine Luft mehr bekommen, schnappte er nach Luft, weil er einsah, dass er mit Blaise sprechen musste. Dieses Mal wirklich. Also er hatte es vor, das Gespräch über sich ergehen zu lassen. Er wusste, dass unangenehme Fragen auftauchen würden, aber er musste sich diesen Kummer – ja, es war Kummer – endlich von der Seele reden. Er musste und er wollte verstehen, was gerade eben mit ihm passiert war, als das Verlangen – mit Granger zu schlafen – unersättlicher wurde. Es war verwunderlich, dass er reden wollte. Die Tatsache hatte ihn genauso erstaunt wie die Entdeckung von Grangers Vater auf seinem Grundstück – mit dem Unterschied, dass er damals gänzlich falsch reagiert hatte. Doch war sein Mut gewachsen – wie ein Riese. Draco war so eingenommen, noch so benebelt, dass er seine Prinzipien – alles mit sich selbst zu klären – außer Acht ließ. Darüber hinaus war es ihm momentan auch egal, dass er durch das Gespräch seine Maskerade nicht länger aufrecht halten konnte.

 

Hastig stieß er sich folglich von der Tür ab, um im angrenzenden Studierzimmer zu verschwinden. Hechelnd erreichte er den Kamin, in den er das Flohpulver regelrecht hineinwarf und wartete, bis die Verbindung zu seinem Freund Blaise aufgebaut wurde. Es fühlte sich wie Stunden der Folter an und Draco merkte, wie seine Euphorie sank. Währenddessen tippte er ungeduldig mit den Fingern abwechselnd auf den Kaminsims, während die andere Hand fahrig durch seine Haare fuhr.

 

„Draco?“, ertönte Blaises verdutzte Stimme, nachdem er seinen besten Freund auf der anderen Seite der Flammen entdeckte. „Ähm... So schnell habe ich nun auch wieder nicht mit dir gerechnet. Ist etwas passiert?“, fügte er amüsiert hinzu.

 

Ja. Es war etwas passiert, sonst würde er doch nicht hier stehen wie ein Ochse vor dem Ölberg.

 

„Hast du Zeit?“, kam es lediglich aus Dracos Mund. Unnötige Diskussionen versuchte er tunlichst zu vermeiden, was bei einem Freund wie Blaise recht schwer zu bewerkstelligen war. Aber Draco zeigte zumindest guten Willen.

 

„Nun ja“, räusperte sich der dunkelhäutige Junge im Kamin, bevor er sich umdrehte, kurz lächelte und zu einer großen Standuhr hinter sich sah. „Es sind noch keine zwei Stunden vergangen, weißt du?“

 

„Also eher nicht?“ Merlin, er stand kurz vor einem Nervenzusammenbruch und alles was Blaise einfiel, war dämlich nach hinten zu kichern – vermutlich zu der Dame, die nicht so prüde und frigide wie Granger war. Wieso hatte er eigentlich nicht das Glück, eine ähnlich gestrickte Frau hier zu haben? Er musste sich stattdessen mit einer Gryffindor herumärgern, die sein gesamtes Leben auf den Kopf stellte – schon immer. „Oder was ist jetzt, Blaise?“ Draco klang genervt und Blaise sollte ruhig wissen, dass er die Geduld verlor. Scheißegal, dass sein Besuch scheinbar noch da war.

 

„Oh, wie schön“, klatschte Dracos ehemaliger Häuserkamerad in die Hände. „Ich freue mich, dass wir wieder bei unseren Vornamen angekommen sind, Draco. Klingt gleich viel vertrauter.“ Er blickte abermals über seine Schulter, worauf im Anschluss eine kleine Hand landete. „Wenn du mich nämlich Zabini nennst“, fuhr er nahtlos fort, „komme ich mir total ausgeschlossen vor, wobei das – wenn man mit dir befreundet ist – keine Seltenheit ist.“

 

Wollte er Draco verarschen? Verspürte Blaise das Verlangen, seinen angeblich besten Freund vor seiner Bekanntschaft – die er heute mit Sicherheit zum ersten und letzten Mal sah – bloßzustellen? „Blaise, ich verliere allmählich die Geduld. Was ist jetzt?“ Nein, er verlor nicht seine Geduld, sondern seinen Mut, der seiner Rationalität weichen musste, die sich zusehends ausbreitete.

 

„Du verlierst die Geduld?“, spottete Blaise und brach ohne ein weiteres Wort die Verbindung im Kamin ab.

 

Argwöhnisch und mit einer hochgezogenen Augenbraue starrte Draco in die erloschene Glut. Hatte er etwas falsch gesagt? Für seine Verhältnisse verhielt er sich noch recht normal, er hatte nicht einmal gedrängelt.

 

Oh, doch. Du hast gedrängelt, Draco. Du siehst den Wald schon vor lauter Bäumen nicht mehr und weißt daher auch nicht, wie nervig und idiotisch du sein kannst.“

 

„Verdammt nochmal, sei endlich ruhig!“, zischte Draco säuerlich, bevor er sich endlich ungesehen die Haare raufen konnte. Im Anschluss wollte er sich gerade umdrehen und gehen, als plötzlich die Flammen aufloderten und Blaise hustend durch den Kamin stieg.

 

„Dein Kamin ist staubig, Draco. Du nutzt ihn scheinbar nicht sehr oft“, bemängelte der Ankömmling, während er sich schwarzen Ruß vom Umhang klopfte.

 

Blaise wirkte abgehetzt und ja, Draco nutzte den Kamin nicht oft. „Ist alles in Ordnung?“, wollte er nun doch wissen, da ihn das schlechte Gewissen leicht plagte. Schließlich hatte Draco seinen Freund um eine Nacht gebracht. „Ich hoffe, dein Besuch war nicht allzu sauer.“

 

„War sie nicht. Sie hat sogar gesagt, dass ich zu dir gehen soll“, erklärte er anschließend, ehedem er seine Hände vor der Brust verschränkte und darauf wartete, dass Draco vorausging.

 

„Tatsächlich?“ Überrascht von der Wendung, marschierte er kurzerhand und wortlos, bezüglich dieser Nettigkeit, zum Schreibtisch, wohinter er Platz nahm, die Beine legere ausstreckte und die Arme auf den Lehnen positionierte. Wenigstens konnte Blaise keine Gedanken lesen, sonst wüsste er, dass sich Draco insgeheim freute, dass er heute keinen Sex haben würde. Wieso sollte auch nur Draco alleine leiden?

 

Schon mal darüber nachgedacht, dass er schon Sex gehabt haben könnte?“, munkelte die Stimme hämisch, um Draco wirklich alles schlecht zu reden. „Oder vielleicht ist es auch so, dass die Dame auf ihn wartet?“

 

Nein, Draco würde nicht die Contenance verlieren. Nein. Stattdessen richtete er seinen dunklen Blazer, in dessen Augenblick er nicht bemerkte, wie etwas funkelndes aus der Innentasche herausfiel.

 

Es geschah wie in Zeitlupe und aufgrund dessen, dass Blaise sich noch nicht hingesetzt hatte, bemerkte er das Funkeln, wonach er um den Schreibtisch auf Draco zuging, sich danach bückte und etwas vom Boden auflas. Es war eben immer von Vorteil, wenn man auf seine Umgebung sehr viel Acht gab und jeder kleinsten Veränderung Beachtung schenkte. Zumal es zur guten Grundausstattung während des Krieges gehört hatte – stets achtsam und vorsichtig sein. Das waren die Grundvoraussetzungen, aber wie befanden sich nicht mehr im Krieg. Allerdings ließen sich alte Gewohnheiten schwer ablegen.

 

„Fußball-Karten?“, erwähnte Blaise nonchalant, als er sah, was er da überhaupt aufgehoben hatte. Eigentlich wollte er gar keinen Blick darauf werden, da es ihn nichts anging, aber die Neugier war in dem Moment stärker als kollegiales Verhalten. Man konnte es ihm auch nicht wirklich übel nehmen, so wie Draco sich benahm... Man musste ja automatisch davon ausgehen, dass er immer was zu verbergen hatte. „Ich wusste gar nicht, dass dein Interesse neuerdings dem Muggelsport gilt. Das hast du mir noch gar nicht erzählt.“ Blaise wollte noch hinzufügen, ob es vielleicht daran lag, dass Granger hier lebte, aber er verkniff sich den Seitenhieb.

 

„Frag nicht“, entgegnete Draco, der parallel seine Hand nach den Karten ausstreckte. Es war ihm unangenehm, dass Blaise nun wusste, dass er im Besitz von solchen Tickets war. Zwar war er noch bereit dazu, mit Blaise über Granger zu reden, aber dass sie ihm etwas geschenkt hatte, wollte er für sich behalten. Er wollte dieses Geheimnis nur mit ihr teilen, wenngleich sie eigennützig gehandelt hatte, aber... er freute sich doch ein klein wenig über das Geschenk.

 

Aha“, posaunte die Stimme fröhlich. „Du freust dich über ihr Geschenk. Du fängst also an, das Ganze zu akzeptieren. Schöne Sache, Draco. Schöne Sache.“

 

Was auch immer die Stimme andeuten wollte, Draco verneinte es innerlich. Egal was es war. Ganz egal. Bloß nicht von diesem provozierenden Etwas reizen lassen. Schließlich wusste Draco es doch besser. Er wusste, dass die Stimme immer gemeiner und sarkastischer wurde.

 

Ganz falsch, Draco. Ich spiegle nur dein Inneres wider. Ich habe die Ehre – sofern man von Ehre im Bezug darauf sprechen kann –, deine innere Hässlichkeit nach Außen zu tragen. Zwar ist es mir nur gegönnt, sie insofern auszutragen, dass du es hörst, aber das ist doch auch schön, oder? Das reicht ja auch fürs Erste, nicht?“, beharrte die Stimme.

 

„Okay, ich frage nicht“, witzelte Blaise nach wenigen Sekunden. „Aber erzähl es mir trotzdem. Ich habe nämlich die Vermutung, dass du mich nicht grundlos zu dir gerufen hast.“ Schmunzelnd stützte er seine Hände auf dem Stuhl auf, während er sich nach vorne beugte und sein Gegenüber musterte. „Du hattest doch keine Epiphanie, oder?“

 

„Witzig, Blaise.“ Er schaufelte sich sein eigenes Grab, das wusste er und Draco bereute es schon jetzt, dass er Blaise gerufen hatte. Verschwunden war sein Mut, der ihn zu dieser idiotischen Aktion getrieben hatte. Ja, sein Mut hatte ihn eiskalt im Stich gelassen, nachdem es ans Eingemachte ging.

 

Blaise dagegen umrundete den Stuhl und setzte sich, sein Blick wurde ernst als er die Beine überkreuzte. „Das sind nicht deine Karten, oder?“

 

„Nein.“ Sein Kumpel traf genau ins Schwarze. „Also doch“, korrigierte sich Draco kopfschüttelnd, ehe er sich ebenfalls die Karten nochmals ansah. „Irgendwie sind es schon meine Karten.“

 

„Aha?“, grinste Blaise – doch leicht irritiert. „Ich rate einfach mal ins Blaue hinein: Du hast sie geschenkt bekommen?“ Sein Grinsen wurde mit jedem weiteren Wort breiter. „Soll ich noch erraten, wer sie dir geschenkt haben könnte?“

 

„Halt doch dein Maul, du blöder Idiot“, erwiderte Draco – ebenfalls grinsend.

 

„Fassen wir zusammen.“ Erst jetzt gab er Draco die Karten zurück. „Du“, kicherte Blaise und zeigte mit dem Finger auf ihn, „hast die Karten von Granger bekommen.“ Noch ehe sich Draco rechtfertigen konnte, hob Blaise die Hände. „Nein, nein, Draco. Bestätige es nicht, ich weiß es einfach.“

 

Genervt verdrehte der Malfoy-Erbe die Augen. Es war nicht zu übersehen, dass Blaise sich köstlich amüsierte. Aber er würde genauso reagieren, wenn Blaise ihm erzählen würde, dass Ginny Weasley ihm etwas geschenkt hätte.

 

„Geht ihr hin?“

 

„Nein“, kam es schroff aus seinem Mund. Dracos Gegenüber bemerkte sofort, dass es wehleidig klang, doch noch ehe er nach dem Warum fragen konnte, fügte Draco hinzu. „Glaubst du wirklich, dass ich mit ihr zu einem Fußballspiel gehe, dessen einziger Grund es ist, dass Granger abhauen kann? Zu nichts anderem dienen diese Karten.“

 

„Kann man es ihr verübeln?“, wollte Blaise wissen, aber es sah Dracos Ausdruck. „Ich meine, sie ist eingesperrt. Sie klammert sich an jeden Strohhalm – wie die hilflose Ratte, die vergeblich nach einem Ausweg aus einem sinkenden Schiff sucht.“

 

„Ja, weil sie glaubt, ich könnte sie in einer Masse von Muggeln nicht aufhalten. Das Mädchen, -“

 

„- das du augenscheinlich magst?“
 

„Das spielt doch überhaupt keine Rolle“, warf Draco mit einer wegwerfenden Handbewegung trotzig ein. „Viel mehr geht es darum, dass sie mich gewaltig unterschätzt.“ Und nein, er war nicht sauer, hinsichtlich ihres Versuchs, diesem Gefängnis zu entkommen. Er würde genau dasselbe versuchen, was es ihm zum ersten Mal ermöglichte, sich in eine andere Person hineinzuversetzen und... Empathie zu empfinden.

 

„Inwiefern spielt das keine Rolle?“ Blaise handelte richtig. Zwar grob, aber... richtig. „Dass du sie vielleicht gar nicht zwingen willst, weiterhin hier zu bleiben? Ist das deine Angst? Oder ist es die Angst, dass sie gehen würde und die wieder alleine wärst?“ Seinen ehemaligen Häuserkameraden explizit auf aufkeimende Gefühle anzusprechen, wäre fatal. „Ich denke nämlich, dass du sehr wohl in der Lage wärst, sie aufzuhalten – sofern sie abhauen würde.“

 

Daraufhin hob Draco lediglich eine Augenbraue, was seinem Kumpel sehr deutlich machen sollte, dass er natürlich fähig genug war, Granger aufzuhalten.

 

„Hm, ja. Das dachte ich mir“, nickte Dracos ältester Freund, der parallel seine Hände auf seinen Knien ausbreitete. „Ungeachtet dessen, dass du glaubst, dass sie dich linken wollte, hoffe ich, dass du sie am Leben gelassen hast – auch bezüglich dessen, nachdem ich gegangen bin?“

 

„Blaise, verdammt. Was denkst du bitte von mir?“, erwiderte er anschließend tonlos, wonach sein Blick aus dem Fenster glitt. Abschließend lehnte er sich in seinem Stuhl zurück, drehte sich darin leicht und ließ seinen leeren Blick über die Felder streifen. Am liebsten würde er gerade jetzt Granger rufen, um mit ihr über diese Wiesen zu spazieren – auch, weil er ihr zeigen wollte, dass er gar kein so mieser Kerl war, wie sie vermutlich von ihm dachte.

 

„Ich denke, dass du dich manchmal vergessen könntest.“

 

Sein Kumpel hatte nicht unrecht. Draco neigte oft dazu, die Fassung zu verlieren – grundlos. „Offensichtlich. Umso überraschter wirst du sein, wenn ich dir sage, dass ich ihr die Bibliothek gezeigt habe“, ergänzte er, ohne den Blick in Blaises Richtung zu lenken. Er wollte ihn in diesem Moment nicht ansehen. Draco wollte nicht den wohl wissenden Blick in Blaises Gesicht sehen – zu groß war die Scham. Allerdings vernahm er gar kein angrenzendes Kichern, was ihn stutzig werden und den Blick von draußen doch abwenden ließ.

 

„Hast du? Wie hat sie darauf reagiert?“, entkam es dem dunkelhäutigen heranwachsenden Mann verblüfft, ehe er sich interessiert nach vorne beugte.

 

„Wie wird Granger wohl reagiert haben, wenn sie von einer Wand voller Bücher erschlagen wird? Im Gegensatz zu uns beiden, hat sie sich über die Wälzer gefreut.“ Doch bevor er fortfuhr, wanderten seine Augen zu seinen Händen, die fest ineinander geschlungen waren – er schämte sich für die nachstehenden Worte. „Granger und Bücher gehören zusammen, wie die Schlange zu Slytherin. Danach -“

 

„Lass Granger diesen Vergleich bloß nicht hören, Draco. Sonst muss ich mir am Ende noch Sorgen um dein Leben, statt um ihres machen“, feixte Blaise.

 

„Ja... Ja“, lachte dieser auf. „Na ja, danach habe ich wohl ziemliche Scheiße gebaut.“

 

„Moment“, ruderte Blaise wild gestikulierend zurück. „Also, du redest von der Scheiße, in der man steht und die falschen Schuhe trägt?“

 

„Was für eine nette Metapher, Blaise.“ Draco musste, angesichts dieses Satzes tatsächlich lachen. Jedoch wurde er recht schnell wieder ernst. „Aber ja. Genau diese Scheiße meine ich.“

 

Blaise empfand das Verhalten seines Freundes nicht als beunruhigend, sondern eher sonderbar, aber so benahmen sich Menschen, die Gefühle entwickelten und es juckte Blaise in den Fingern, weiter zu fragen. Er wollte wissen, wie weit diese Gefühle gingen und vor allem, in welches Dilemma sich Draco manövriert hatte.

 

„Und was hast du gemacht?“, stellte er anschließend die Frage, die ihm auf der Zunge brannte. Bei Draco musste man das Pferd eben von hinten aufzäumen.

 

„Ich hab Granger geküsst. Kannst du -“

 

„Sekunde, du hast was?“ Nein, Blaise hatte sich bestimmt verhört. Im Leben hatte Draco nicht gesagt, dass er das Mädchen geküsst hatte, das er nie mochte. „Wiederhol das, Draco.“

 

„Verdammt, was soll das, Blaise? Du hast mich schon verstanden“, entgegnete er – die Hand vor seine Augen geschlagen. Aber beim heiligen Merlin, es tat ungeheuer gut, sich seinem besten Freund gegenüber zu öffnen. Es war ungewohnt, aber unglaublich entlastend und befreiend.

 

„Ähm, und... und dann?“ Ok, sein Kumpel war scheinbar schon einen Schritt weiter. Na ja, wohl eher zehn Schritte weiter. Nicht im Ansatz hätte Blaise mit einer solchen Beichte gerechnet. Ja, das Geständnis kam... es kam überraschend und wenn es schon in die Richtung ginge, hätte Blaise eher vermutet, dass Draco unabsichtlich ihre Haut gestreift hätte, sie vielleicht auch umarmt hätte; aber küssen?

 

Küssen?

 

Merlin, Draco war immer der Mensch, der mit Intimitäten nie lange vor dem Berg hielt, sogar des Öfteren damit prahlte. Aber Granger küsste er bloß? Wobei das auch schon zu viel war.

 

„So kurz“, murmelte Draco, dessen Daumen und Zeigefinger sich fast berührten, während er seinem Freund aus Kindertagen eindrucksvoll demonstrieren wollte, wie kurz sie davor waren. „Ich war so kurz davor und habe alles abgebrochen.“ Auf ungalante Art, fügte er bitter, aber in Gedanken hinzu.

 

„Was?“, fragte Blaise zum besseren Verständnis nach, obwohl er sehr wohl jedes einzelne Wort verstanden, es aber nicht glauben konnte. „Du hast abgebrochen? Einfach so?“

 

„Ja, einfach so!“, murrte Draco, der sich nach und nach albern vorkam, hinsichtlich Blaises Verhalten.

 

„Ok, und was erwartest du jetzt?“

 

„Ich erwarte gar nichts, Blaise. Ich will lediglich wissen, wieso ich abgebrochen habe? Ich will von dir hören, dass ich richtig gehandelt habe, weil Granger ein Schlammblut ist und man Schlammblüter nicht anfasst.“ Sichtlich rang der blonde Junge um Fassung, da er selbst die Antwort nicht kannte – oder nicht kennen wollte.

 

Du musst nur ein Wort sagen, Draco, weil ich kenne die Antwort“, schnatterte seine innere Stimme vergnügt. „Und du... du kennst die Antwort auch.“

 

Nein, ignorieren. Konsequente Ignoranz dieser verdammten Stimme gegenüber. Irgendwann musste sie nachgeben und mit diesen Verleumdungen aufhören. Draco müsste... er müsste es nur aussitzen und sich in der Zwischenzeit die Haare nach hinten kämmen, ja.

 

„Ich kann dich verstehen. Immerhin -“

 

„Was, wirklich?“, wollte Draco argwöhnisch wissen.

 

„Sicher. Ich verstehe zumindest, wieso du sie geküsst hast. Immerhin ist Granger wirklich hübsch geworden und -“

 

„Was?“ Unbewusst schob er den Stuhl über das knarrende Holz nach hinten, bevor er überschwänglich aufgesprungen war – im nächsten Moment diese Reaktion aber augenblicklich bereute und sich besann. Kurz schloss er seine Augen, um sich zu beruhigen, ehe er sich zurück auf den Stuhl setzte und seine Hand abermals vor sein nach unten gesenktes Gesicht schlug. Im Anschluss rieb er mittels Daumen und Zeigefinger über seine geschlossenen Lider. „Ja, stimmt wohl. Sie... Sie ist recht ansehnlich geworden.“

 

Ha, er war in Blaises Falle gelaufen. Das war eine kleine, aber dennoch eindeutige Reaktion. Vielleicht etwas gewagt, aber aufschlussreich, was Blaises keineswegs dazu bewog, mit seinen Sticheleien aufzuhören. Im Gegenteil.

 

„Ansehnlich? Also ich“, betonte Blaise daraufhin, „würde mir eine solche Gelegenheit nicht entgehen lassen.“ Amüsiert stellte er fest, wie sich Dracos Nasenflügel blähten. Jederzeit rechnete Blaise mit einem Ausbruch. „Ich hätte jedenfalls nicht abgebrochen“, fuhr er provokant fort. Er war sich darüber hinaus bewusst, dass er womöglich zu weit ging, doch wenn sein Vorhaben Früchte tragen sollte, würde Blaise einen Teufel tun und gewiss nicht mit ähnlichen Sätzen aufhören.

 

Verärgerte wippte der nun inzwischen zornige Draco mit einem Bein auf und ab. Er müsste sich ablenken, um nicht gänzlich aus der Haut zu fahren, was früher oder später – wenn er alleine wäre – bestimmt passieren würde. „Ach, wirklich? Du hättest nicht abgebrochen, ja?“, knurrte er zusätzlich.

 

„Auf keinen Fall“, bemerkte Blaise spitzbübisch. „Wenn du dir Granger mal genauer ansehen würdest, würdest auch du merken, dass -“

 

„Warte mal. Du hast sie dir etwa genau angesehen?“ Dracos Blut fing zu kochen an, es schlug förmlich Blasen.

 

„Klar habe ich sie angesehen.“ Es war fast schon witzig, wie schnell Dracos Wut angestiegen war. „Hast du sie dir etwa nicht angesehen?“ Wäre Draco doch nur geübter im Umgang mit Gefühlen... Ihm wäre sofort aufgefallen, dass Blaise eine Reaktion aus ihm herauskitzeln wollte. Aber nicht einmal das schien Draco aufgrund seiner Eifersucht zu merken.

 

„Verflucht nochmal, doch. Ich habe Granger angesehen!“ Die Worte waren gesprochen und hätte er die Gelegenheit, Draco würde sie unweigerlich zurücknehmen. Ja, er würde den kompletten Satz allzu gerne nehmen und sich zurück in den Mund stecken, bevor er sie hinunterschluckte.

 

„Hast du das, ja?“ Es tat Blaise wirklich leid, seinen Kumpel derart leiden zu lassen, doch nur so bekam er sowohl Emotionen, als auch ehrliche Antworten. Man sprach oft die Wahrheit, wenn man wütend war und das war gut so. Draco könnte noch so gut lügen, aber in Rage neigte der damalige Slytherin dazu, sehr offen, direkt und ehrlich zu sein. Zwar nicht im Bezug auf Gefühle oder die Liebe, aber er würde Draco darin bestärken, zu seinen Gefühlen zu stehen, wenngleich es für Lucius' Sohn ein Novum sein musste, mit so etwas umzugehen. Schließlich kannte Draco keine Liebe, was es ihm umso schwerer machte, all das zu verstehen. „Aber wenn du ja schon mit allem abgeschlossen hast, hätte ich nichts dagegen, wenn du mir Granger vorstellst – so wie es die Etikette verlangt, bevor... nun... bevor ich ihr näher komme.“

 

Blaise war bereit. Jetzt würde der verspätete und doch zu erwartende Ausbruch kommen.

 

„Nein, vergiss es!“, raunte Draco angriffslustig und erhob sich erneut aus seinem Stuhl. „Es gibt hundert andere Frauen, Blaise. Es muss nicht Granger sein“, erwähnte er mit erhobenem Finger, der ein eindeutiges Warnsignal darstellen sollte. Dass er sich immer tiefer in das Schlamassel beförderte, obwohl er doch genau darüber mit Blaise sprechen wollte,war irrelevant geworden. Er wollte jedenfalls jetzt nicht mehr mit Blaise reden. Sein Unterbewusstsein schimpfte ihn dagegen einen Lügner, denn insgeheim wollte er genau das. Jemanden, der ihm die Wahrheit mit voller Härte ins Gesicht knallte. Jemand, der ihm deutlich machte, was seine innere Stimme längst vermutete.

 

Auch Blaise erhob sich, hinsichtlich der heftigen Reaktion. Beruhigend hob er seine Arme. „Draco, bleib ruhig.“

 

„Ich soll ruhig bleiben? Du willst doch zu Granger. Soll ich das kommentarlos dulden?“

 

„Nein, das sollst du natürlich nicht.“ Er sah, wie sich die Schultern seines Freundes hoben und rasch nach unten sanken. Draco schien diesbezüglich sehr aufgewühlt zu sein, was Blaise verstehen konnte. „Ich bin aber echt ein wenig enttäuscht, Draco. Denkst du wirklich, ich habe Interesse an genau der Frau, die du eigentlich interessant findest?“ Blaise spielte Betroffenheit vor, weil er seinem besten Freund keinen Vorwurf machte. Draco war gefangen in seiner Wut, was ihn unkontrolliert handelt ließ – eine unschöne Eigenschaft. „Du müsstest mich doch besser kennen, oder?“

 

„Du hast mir doch gerade gesagt, dass du -“ Er stoppte sich selbst, nachdem er Blaises Grinsen im Gesicht erspähte.

 

„Na ja“, begann Blaise verlegen und kratzte sich derweil am Hinterkopf. „Es gibt angenehmere Wege, aber... Draco, du machst es einem echt nicht leicht. Ich wollte damit bezwecken, dass du endlich kapierst, wieso du so empfindlich auf sie reagierst, du engstirniger Pedant.“

 

„Aha.“

 

„Kann natürlich auch sein, dass du es gar nicht verstehen willst“, endete Blaise blasiert – die Arme vor der Brust verschränkt. Manchmal musste ein bester Freund seinem besten Freund in den Hintern treten, um gewisse Dinge zu verstehen – auch das gehörte zu einer Freundschaft.

 

„Was? Du... Du willst gar nicht -“, keuchte Draco letztendlich ertappt.

 

„Nein, will ich nicht. Glaubst du, ich habe die Spannung zwischen euch im Salon nicht gespürt? Du musst wirklich denken, ich bin blind.“ Umsichtig trat Blaise um den Schreibtisch herum, bis er schlussendlich Draco gegenüberstand und behutsam beide Hände auf dessen Schultern legte. Deutlich sah er den Zwiespalt in Dracos grauen Augen, er sah, wie sein bester Freund einen Kampf mit sich selbst ausfocht.

 

„Was willst du damit sagen?“ Er wollte die Worte von Blaise hören – nicht von seiner inneren Stimme. Und wenn es ihm nicht so beschissen gehen würde, hätte er schon längst die Hände seines Freundes zur Seite geschlagen, aber er war dankbar. Dankbar dafür, dass Blaise hartnäckig geblieben und Draco eine Stütze war.

 

„Du bist eifersüchtig.“

 

„Eifersüchtig?“, lachte Draco spöttisch auf.

 

„Skeptizismus steht dir zwar gut, mein Lieber, ist aber in Anbetracht der Situation unglaubwürdig. Du weißt selbst, dass du eifersüchtig bist, Draco. Deine Ausstrahlung bedarf nur dieses eine Wort und Eifersucht ist wohl eines der ältesten Motive, wieso wir Menschen zu ungewöhnlichen Maßnahmen greifen.“ Nachdem Blaise die Hände von Dracos Schultern nahm, schlug er ihm – wie man es unter Kumpels manchmal tat – gegen die Schulter. „Sei ehrlich. Habe ich je eine Frau berührt, die du haben wolltest?“ Lächelnd unterbrach er sich und fügte hinzu. „Ok, ehrlich gesagt hattest du bisher nie wirkliches Interesse an einer Frau, aber du weißt, dass ich niemals einen einzigen Finger an dein Mädchen legen würde.“

 

„Ich denke, das reicht jetzt. Genug mit Gefühlsausbrüchen, ja?“ Draco konnte Blaises Aussage per se bestätigen.

 

„Hey“, echauffierte sich Blaise theatralisch. „Du bist doch derjenige, der gerade einen Gefühlsausbruch hatte – nicht ich. Worüber ich mehr als froh bin.“ Ob er darüber froh war, dass er selbst keinen Ausbruch hatte oder sich darüber freute, dass Draco es nicht bestritt, behielt er für sich.

 

„Ja, is' klar, Blaise.“ Er drehte sich um, marschierte zum Fenster und sah nochmals nach draußen, bevor er ernster weitersprach: „Hast du eben gehört, was sie gesagt hat?“, wollte er von seinem Freund wissen und sah mit gesenktem Blick über seine Schulter.

 

„Was genau meinst du? Sie hat einiges gesagt, Draco.“

 

„Ihr geht es beschissen. Ihr... gefällt es hier nicht.“ Missmutig trat er nach vorne, stützte seine Hände auf der Fensterbank ab und sah gen Boden. „Ist es wirklich so schlimm hier?“ Mit zusammengebissenen Zähnen sah er etwas zur Seite – ohne Blaise anzusehen. Wollte er darüber hinaus die ehrliche Antwort von Blaise? Ja, er wollte es hören, weil es ihn massiv störte, dass Granger sich in seinem Haus unwohl fühlte. Ja, es ging ihr sogar beschissen. Das waren ihre Worte und das waren die Worte, die ihn so hochgradig impulsiv hatten werden lassen.

 

„Ich will es mal so ausdrücken, Draco.“ Er gesellte sich neben Draco, der in sich gekehrt noch immer am Fenster stand und zum Boden sah. „Du hast ein schönes Haus – äußerlich betrachtet, aber in diesen Hallen sind unschöne Dinge passiert. Dinge, die Granger miterleben und mit ansehen musste.“

 

„Das musste ich auch, Blaise.“ Man musste nur an Dobby denken, der das goldene Trio, Luna Lovegood, Mr. Ollivander und einen Kobold gerettet hatte, nur um selbst sein Leben zu lassen.

 

„Hör mal, du kannst dich aber im Gegensatz zu Granger frei bewegen. Sie ist isoliert und eingesperrt. Unter anderen Umständen“, ergänzte Blaise, der Dracos anbahnender Protest mit erhobener Hand unterband, „wäre es bestimmt angenehmer. Und ich denke, dass du mit ihr zu diesem Spiel gehen solltest.“

 

„Ich soll was? Und ihr die Chance einräumen, dass -“

 

„Ich dachte, sie könnte dir niemals entkommen?“

 

„Das kann sie auch nicht“, beharrte Draco säuerlich.

 

„Dann sehe ich keinen Grund, wieso ihr nicht gehen solltet. Mach ihr die Freude, Draco, weil ich glaube nicht, dass sie abhauen wird. Sie hat dir die Karten geschenkt.“ Erneut wollte Draco protestieren, was Blaise abermals unterbrach. „Ja, von mir aus. Von mir aus hat sie eigennützig gehandelt, aber“, betonte er spitz, „immerhin hat sie an deinen Geburtstag gedacht. Granger hat sich Gedanken gemacht und möchte dir vielleicht sogar ihre Welt – zu der auch die Muggelwelt gehört – zeigen? Wieso sollte sie das tun, wenn sie abhauen will?“

 

„Sie will abhauen.“

 

„Ok, Draco. Wir sind also wieder bei Null. Sag mir nur noch eins: Wann hat Granger Geburtstag?“

 

„Was weiß ich“, nörgelte der blonde Malfoy-Spross verbittert.

 

„Ah, gut. Ich hätte wirklich um Galleonen wetten sollen – ich hätte dir 'ne Menge abgenommen, Draco.“

 

„Und was soll das nun wieder heißen?“

 

„Dass Granger anders ist, Merlin verdammt!“

 

„Ach, ist sie das, ja? Nun, dann erklär mir doch mal, wieso sie nicht diejenige war, die mich zurückgewiesen hat?“, erwähnte Draco siegessicher. Er war gespannt, was sein bester Kumpel darauf erwidern würde. Schließlich war der tolle Blaise sich doch so sicher, dass die heilige Gryffindor-Prinzessin so völlig anders war.

 

„Du willst darüber sprechen? Ernsthaft?“ Blaise betrachtete sein Gegenüber genau, doch Draco verzog keine Miene. „Gut, sprechen wir darüber. Wie würde der werte Herr denn reagieren?“

 

„Es geht nicht um mich, Blaise. Ich bin ein triebgesteuertes Arschloch.“

 

„Das bist du, aber wärst du – wenn es dein erstes Mal wäre – auch so cool? Oder lässig?“

 

Unterhielten sie sich gerade darüber, dass Granger womöglich noch Jungfrau war? Ha, das taten sie und Blaise behielt wieder einmal recht. Das fuchste Draco, weil er nicht auf die Idee gekommen war, dass es Granger vermutlich überfordert hatte. Er wusste doch, dass Granger bisher immer alles in Hogwarts abgeblockt hatte. Das Mädchen war viel zu schüchtern und zu prüde. Sie konnte ja noch nicht einmal Blickkontakt halten – wie hätte sie jemals Sex gehabt haben können?

 

Himmel, er wollte sich das gar nicht vorstellen. Es war gut, dass er davon ausging, dass sie Jungfrau war, da er gedanklich nicht sehen wollte, wie Granger eventuell Sex gehabt haben könnte. Grausam.

 

„Nochmal: Es geht nicht um mich. Sie hätte locker alles abbrechen können – Jungfrau hin oder her. Wenn ich etwas nicht will, dann tue ich es nicht.“ Jetzt war es Draco, der sich umdrehte und Blaise galant ansah. „Und du warst derjenige, der darauf bestand, dass sie anders ist. Ist sie aber scheinbar gar nicht. Demzufolge hätte ich dich wohl besser um etliche Galleonen erleichtern sollen.“

 

Lächelnd schritt Blaise zurück, bevor er seinen Hintern gegen den Schreibtisch lehnte. „So so, du kannst natürlich alles sofort, richtig? Du hättest das locker abgebrochen“, zitierte er ihn. „Weil du ja so clever bist und es dir gar nichts ausmacht, wenn man dich überrumpelt. Schon mal daran gedacht, dass sie Angst hatte? Dich vielleicht nicht enttäuschen wollte, weil wir ja beide wissen, dass Granger der Typ Mensch ist, der Enttäuschungen nicht mag?“

 

„Nein, nicht im Bezug auf Sex, mein Lieber. Diese Ausrede zieht nicht, Blaise.“ Sie hatte keine Angst. Schließlich hatte sie seinen Kuss erwidert und das geschah definitiv nicht aus Angst. So viel Leidenschaft konnte nicht von Angst verursacht werden. „Und überhaupt. Kann es sein, dass du mir die Schuld an all dem zuschieben willst?“ Daraufhin verengten sich die Augen des ehemaligen Slytherins, obwohl es auf der Hand lag. Draco war Schuld gewesen, ja. Dennoch stützte er seine Hände gleichmütig auf dem Stuhl ab.

 

„Ja, eigentlich wollte ich das, aber du bist von alleine drauf gekommen.“ Zuversichtlich stolzierte Blaise zu seinem Stuhl zurück, ließ sich nieder und streckte gemütlich die Beine nach vorne. Gerade in dem Moment, als er seine Arme auf die Stuhllenhen sinken ließ und auf weitere Ausweichmöglichkeiten seitens von Draco wartete, vernahmen beide Männer einen fürchterlich lauten, ohrenbetäubenden Knall.

 

Es war schwer, den Ursprung zu lokalisieren, aber beide waren sich sicher, dass der Knall im Haus entstanden war, denn die Erschütterung die darauf folgte, ließ jeden Winkel des Hauses erzittern.
 

Ohne weitere Worte sprangen beide aus ihren Stühlen und hechteten aus dem Studierzimmer.

Jenseits von Gut und Böse

- Kapitel achtzehn -

 

 

 

Pures Entsetzen zeichnete sich in Hermines Gesicht ab, nachdem sie realisierte, wer dort wenige Meter entfernt vor ihr stand. Noch immer konnte sie es nicht wirklich glauben, da sie nicht damit rechnete, jene Person jemals wieder zu sehen. Es war surreal – im ersten Moment. Aber die ehemalige Gryffindor musste sich zusammenreißen – war sie doch in einem Haus, das ihr nicht wohlgesonnen war. So viele schlimme Erinnerungen hatte sie an Malfoy Manor, weshalb sie keinesfalls etwas unterschätzte. Verunsichert strich sie die Haare, die in einen Zopf gebunden waren, nach hinten. Schierer Unglaube verkörperte sie, im Gegensatz zu dem Menschen, der ihr hasserfüllt gegenüberstand.

 

„Pansy?“, entfuhr es Hermine bestürzt – den Kopf hin und her schüttelnd. Sie musste den Namen ihres Gegenübers laut aussprechen, um sich zu vergewissern, dass das wirklich Pansy Parkinson war, die vor ihr stand – umhüllt von einem... einem kurzen Bademantel. Doch als Hermine ihren Namen aussprach, bemerkte sie sofort, dass Pansy kurz vor eine Explosion stand – ähnlich wie Malfoy, wenn er wütend war. Auch er zeigte diese Anzeichen, in Form von geweiteten Augen, ehe sich der Mund zu einer dünnen Linie verzog. Ebenso hoffte Hermine darüber hinaus aber immer noch, dass es sich hier um ein Trugbild handelte. Inständig hoffte sie, dass der ganze Stress sich nun in Form von Halluzinationen zeigte und Hermines inneres Auge ihr einen Streich spielen wollte.

 

„Wie Pansy?“, keifte das schwarzhaarige Mädchen plötzlich, das sich augenblicklich den viel zu kurzen Bademantel noch enger um ihre Taille schnallte.

 

„Was machst du denn hier?“ Es klang, als würden sie einen Plausch halten, doch Hermine wusste, dem war nicht so. Es fehlten nur noch Sekunden, bis das ihr bekanntlich schlimme Wort fallen würde.

 

„Was ich hier mache? Meinst du das ernst, Granger?“, spuckte Pansy, die genauso perplex stehen geblieben war wie Hermine, nachdem sie das Mädchen aus der Tür hatte kommen sehen. „Ich sollte eher dich fragen, was du hier treibst?“ Wüsste Pansy es nicht besser, dass ihre schwarzen Augen fest in den dazugehörigen Höhlen verankert waren, würde sie spätestens jetzt glauben, dass sie ihr bei diesem Anblick ausfallen würden.

 

„Es tut mir leid, aber das geht dich bei aller Liebe nichts an, Pansy“, erwiderte Hermine höflich. So sehr sie ihre ehemalige Feindin auch verabscheute, gebot es ihr Anstand, freundlich zu sein. Man musste sich schließlich nicht auf dasselbe Niveau herablassen. Allerdings hätte sie vorsichtiger sein müssen. Erst recht, wenn Pansys Mopsgesicht puterrot wurde.

 

„Was? Das geht mich nichts an?“, empörte sich die heranwachsende Frau. „Bist du von allen guten Geistern verlassen, du wertloses Schlammblut? Was fällt dir überhaupt ein, in das Haus meines Freundes einzubrechen und dann die Frechheit zu besitzen, mich zu fragen, was ich hier mache?“ Aber sie wartete gar nicht darauf, dass Hermine sich rechtfertigte. Stattdessen drehte sich Pansy wutschnaubend um und starrte in den leeren Flur, ehe sie aufgebracht schrie: „Draco!“

 

„Schrei doch -“

 

„Sei still, Schlammblut“, tobte Pansy weiter. „Draco, wo zum Teufel steckst du?“ Aber sie erhielt keine Antwort, woraufhin sie sich erneut zu dem Mädchen umdrehte, das ihr schon seit jeher ein Dorn im Auge war. „Was hast du mit ihm gemacht, Granger?“

 

„Was? Spinnst du?“, äußerte sich Hermine fassungslos. Wie konnte Pansy es wagen, ihr zu unterstellen, dass sie Malfoy etwas angetan haben könnte? Zumal sie dem blonden Schönling körperlich unterlegen und gar nicht im Besitz eines Zauberstabs war – somit völlig hilflos. Über diesen Umstand würde sie Pansy aber nicht aufklären. Nein, ein ganz klares nein. Sie würde sich nur angreifbar machen, weil sie sich nur mit Worten zur Wehr setzen konnte. Außerdem musste sie ihr gegenüber keinen Offenbarungseid ablegen. Punkt. „Wieso bist du überhaupt hier?“

 

„Ich bin hier, weil ich Draco sehen will.“ Pansy schäumte vor Wut. „Er hat sich seit Ewigkeiten nicht mehr gemeldet und jetzt weiß ich auch, wieso er sich nicht gemeldet hat. Los, was hast du mit ihm gemacht?“

 

„Du hast doch echt nicht mehr alle Nadeln an der Tanne.“ Indes schüttelte Hermine ihren Kopf. Sie war nie der Mensch gewesen, der über andere Menschen urteilte oder herablassend wirken wollte, bezüglich ihres Aussehens, ihrer Herkunft oder ihres Bildungsstandes, aber diese Person – Pansy Parkinson – war tatkräftig dabei, Hermine vom Gegenteil zu überzeugen. „Und du fragst dich wirklich“, begann Hermine, die anschließend auf Pansys Aufmachung deutete, „wieso Malfoy sich nicht bei dir meldet?“ War es clever, sie zu verärgern und zu desavouieren? Mit dem Wissen, dass Hermine keinen Zauberstab hatte und Pansy nur einen Handgriff tätigen müsste, um sie ernsthaft zu verletzen?

 

„Du hast irgendetwas mit ihm gemacht. Wo ist er?“ Pansy ließ nicht mit sich reden und wollte nur das sehen, was sie sehen wollte. Folglich griff sie hasserfüllt in die Außentasche ihres Bademantels. Sie war so unglaublich wütend, dass sie fast den Halt auf ihren viel zu hohen Schuhen verloren hätte, sich im letzten Moment aber wieder fangen konnte.

 

„Pansy, ich hab Malfoy nichts angetan.“ Grundgütiger, wieso musste sie ausgerechnet ihr in die Arme laufen? Einem wandelnden Clown, dessen Schminke fürchterlich aussah. Sicher, Hermine war die letzte Person, die Ahnung von Schminke hatte, hinsichtlich des Umstandes, dass sie nie sonderlich viel Wert darauf gelegt hatte, perfekt gestylt zu sein, aber sie war mit Ginny Weasley befreundet – das genügte, um zu wissen, wie man sich stilvoll schminkte. Und Pansy war weit von stilvoll und Eleganz entfernt.

 

„Ich frage noch einmal: Wo ist Draco?“, wiederholte Pansy, ehedem sie ihren Zauberstab gegen Hermine richtete. „Antworte!“

 

„Um Gottes Willen, Pansy, nimm den Stab runter.“ Augenblicklich hob Hermine ihre Hände, um der Angreiferin zu zeigen, dass sie keinen Zauberstab ziehen würde – ha, wie auch? „Ich weiß nicht, wo Malfoy ist.“ Es war ein verzerrtes Bild. Nie hätte Hermine sich dermaßen einschüchtern lassen – schon gar nicht von Pansy, aber dieser irre, leere Blick ließ Hermine nur im Ansatz erahnen, wozu Pansy fähig war.

 

„Wenn du es nicht weißt“, giftete Pansy und fuchtelte unüberlegt mit ihren Zauberstab herum, „dann bist du ja scheinbar doch hier eingebrochen und ich habe dich erwischt. Du willst deinen Kopf doch jetzt nur mit fadenscheinigen Ausreden aus der Schlinge ziehen. Ja, es sind Ausreden – alles bloß Ausreden!“ Sie redete sich immer mehr in Rage. „Draco!“

 

„Nimm endlich den Zauberstab runter.“ Nein, sie durfte sich nicht länger einschüchtern lassen, weswegen sie die Arme nach unten sinken ließ und die Hände leicht angespannt in die Hüften stemmte. Angesichts dieser Fasson konnte sie wenigstens etwas an Autorität zurückgewinnen.

 

„Nein, das werde ich nicht!“

 

„Du wirst dir nur weh tun, Pansy.“ Ob es sinnvoll war, sie weiter zu reizen? Nein, aber Hermine würde ihr auch gewiss keinen Respekt zollen.

 

„Halt dein verfluchtes Maul, Schlammblut.“ Sie dachte gar nicht daran, den Zauberstab sinken zu lassen. Stattdessen richtete sie ihn nur zielsicherer auf Hermine.

 

„Ich bin freiwillig hier, Pansy. Ich bin weder hier eingebrochen, noch habe ich Malfoy etwas angetan.“ Dass sie eine Gefangene des Hauses war, würde sie nicht erwähnen. Glaube würde Pansy ihr sowieso nicht. Nie ließ sie etwas über Malfoy kommen – das war schon auf Hogwarts so gewesen. Seit Anbeginn der ersten Stunde auf Hogwarts, himmelte Pansy den blonden Arsch an, ohne zu merken, dass er sie nur ausnutzte. Aber Pansy war selbst Schuld, wenn sie das nicht selbst bemerkte und im Grunde ging es sie letzten Endes auch nichts an, wieso Hermine hier, statt wo anders war.

 

„Niemals. Nein. Draco würde das nicht zulassen, und Narzissa genauso wenig.“ Dahingehend nahm Pansys Gesicht immer seltsamere Züge an. Ihr Unglaube schien sich minutiös in Hass umzuwandeln.

 

„Narzissa ist auch gar nicht hier, aber wir haben uns bereits gesehen und etwas kennenlernen können“, berichtigte Hermine sie, während ihre Hände sich aus Angst immer fester in ihre Hüften krallten. Aber sie musste standhaft bleiben. Nur so konnte sie Pansy ohne Furcht entgegentreten.

 

„Nein, ausgeschlossen“, brüllte das schwarzhaarige Mädchen aufgewühlt. „Du bist ein minderwertiges Dreckstück. Ein Schlammblut, das Narzissa in Dracos Haus niemals dulden würde.“

 

„Pansy, du -“

 

„Du wirst mir Draco nicht wegnehmen.“ Sie trat einen Schritt nach vorne – den Zauberstab noch immer auf Hermine gerichtet. „Das ist dein Ziel, oder? Du willst ihn mir wegnehmen.“

 

„Jetzt fantasierst du aber wirklich.“

 

„Ich fantasiere? Sagst du das gleich immer noch?“, fauchte Pansy und hob den Stab. „Stupor!“ Ein roter Strahl züngelte sich aus ihrer Zauberstabspitze, der unheilvoll und in horrender Geschwindigkeit sich einen Weg zu Hermine bahnte.

 

Völlig schutzlos wurde Hermine von dem Fluch getroffen, der sie gnadenlos gegen die Wand schleuderte. Sie konnte Pansy nicht einmal mehr bitten, weitere Flüche zu unterlassen, wenngleich der Zauber nicht stark genug war, um sie bewusstlos zu hexen. Allerdings war sie dem verrückt gewordenen Weib auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Pansy würde erbarmungslos sein, was sich schon darin äußerte, dass sie Hermine wehrlos angegriffen und in Kauf genommen hatte, dass sie mit dem Rücken gegen die Wand krachte und schnaufend zu Boden fiel. Zitternd versuchte sich unterdessen, sich mit den Händen vom Boden abzustützen, ehe sie torkelnd auf die Beine zurückkam.

 

„Oh nein, Fräulein, das kannst du gleich vergessen, dass du wieder festen Halt unter den Füßen hast.“ Rachsüchtig vollführte sie erneut einen Zauber. „Locomotor Mortis!“

 

Der Beinklammerfluch ergriff von Hermines Beine unverzüglich Besitz, wodurch sie nicht mehr bewegungsfähig war, angesichts der gefesselten Beine. In ihrer Verzweiflung versuchte sie – trotz besserem Wissen – die unsichtbaren Seile zu berühren. Immer wieder fassten ihre Hände nach unten zu ihren Beinen, weil sie der schutzlosen Auslieferung vor Pansy nicht länger ausgesetzt sein wollte. Sie musste einfach jede Möglichkeit – so sinnfrei sie auch war – in Betracht ziehen.

 

Indessen wirbelte Pansy den Zauberstab über ihrem Kopf – es sah fast aus, als würde sie einen Wirbelsturm heraufbeschwören wollen. Stattdessen war es ein weiterer, stärkerer Stupor, der Hermine nochmals gegen die Wand feuerte. Es war der gemeinen Gravitation geschuldet, dass sie schon wieder unsanft auf den Boden fiel und sowohl ihr Rücken, als auch ihre anderen Gliedmaßen schmerzen bereits höllisch, aufgrund des abermaligen Aufpralls.

 

„Du Miststück“, brüllte Pansy, bevor sie einige Schritt nach vorne trat, doch gesunden Abstand zu Hermine hielt. „Redest du jetzt endlich und sagst mir, wo Draco ist?“ Die gefletschten Zähne und das diabolische Grinsen zeigten, wie viel Spaß Pansy hatte, ihr Opfer zu quälen. Die sadistischen Züge kam mehr und mehr zum Vorschein – Züge, die sie in Hogwarts immer zu verbergen wusste.

 

Benommen hob Hermine den Kopf, doch lange konnte sie die Kraft nicht aufbringen. Zu schwach war sie gewesen, woraufhin ihr Kopf zu Boden sank. Merlin, wieso hörte Pansy nicht auf? Sie sah doch, dass Hermine keinen Zauberstab zog.

 

„Du willst also nicht reden? Gut, deine Augen, deine Ohren, deine Zunge – ich werde dir all das herausreißen, damit du in der Hölle dich nicht einmal mit den Untoten unterhalten kannst. Aber nicht einmal das bist du wert – dass ich dich berühre. Du und dein verdrecktes Blut seid es nicht wert, dass ich meine Zeit mit so etwas verschwende.“ Anschließend spritzte sie mittels eines weiteren Zaubers einen gigantischen Wasserstrahl auf Hermine. So stark, dass das Schlammblut Atemnot bekäme und es war Pansy egal. In ihren schwarzen Augen tobte der blanke Wahnsinn. Ein Sturm der Entrüstung, der weder Maß noch Ziel kannte.

 

Mit halb geöffneten Augen realisierte Hermine, dass Pansy wahnsinnig geworden war. Sie konnte die Wut in ihren Augen sehen und die am Boden liegende Frau war sich sicher, dass ihre Peinigerin im Stande war, sie umzubringen. Bei Merlin, die durchlebte hier mehr Höllenqualen als im Krieg. Unzählige Flüche feuerte sie in Hermines Richtung – etliche gingen daneben. Viele gewaltige Zauber preschten gegen die Wände, was das Haus ums eine oder andere Mal erzittern ließen.

 

„Wieso wehrst du dich nicht?“ Schnelle, unsichere Schritte trugen Pansy zu Hermine, ehe sie vor dem gekrümmten Körper stehen geblieben war. Kurz war sie geneigt, dieses Weib an ihren Haaren auf die Beine zu ziehen. Doch stattdessen spuckte sie ihr angewidert ins Gesicht. „Los, du dumme Schlampe. Du kannst doch sonst auch immer alles.“

 

 

 

 
 

~*~

 

 

 

 

Nach Luft schnappend, rannten die jungen Männer die unendlich langen Flure entlang. In jede erdenkliche Richtung ließen sie im Vorbeirennen ihren Kopf schweifen, um jeden Winkel zu erspähen und nachdem sie im ersten Stock angekommen waren, konnten sie furchterregende Schreie hören, die den zwei ehemaligen Slytherins durch Mark und Bein gingen. Schlimmer noch, die Schreie kamen aus der Richtung, in der Grangers Zimmer lag.

 

„Scheiße, was kann sie nur angestellt haben?“, hechelte Blaise, der dicht hinter Draco war.

 

„Weiß ich nicht. Anstellen kann sie eigentlich gar nichts, weil ich ihren Zauberstab habe“, antwortete Draco, bei dem die Luft ebenfalls knapp wurde.

 

Sie rannten so schnell sie konnten, während Draco die auftauchenden Seitenstechen ignorierte. In solchen Situationen konnte man Schmerzen scheinbar wunderbar unterdrücken. Das Nachteil war, dass sie später mit doppelter Stärke bewusst wahrgenommen wurden. Aber bis dahin war Zeit. Sie kamen – so fühlte es sich zumindest an – nach weiteren zwei Minuten in dem Korridor an, der sie geradewegs zu Grangers Zimmer führen würde, doch Draco war abrupt stehen geblieben, als er das Ausmaß erkannte, das sich vor ihm ausbreitete. Sofort entdeckte er die Person, die mit dem Rücken zu ihm stand – den Zauberstab auf den Menschen gerichtet, der geschwächt am Boden lag. Grundgütiger, es war Granger, die am Boden lag und offensichtlich nicht für den lauten Knall verantwortlich war. Viel mehr war sie diejenige, die den blanken Zorn zu spüren bekam und es erschreckte Draco. Es ließ ihn erzittern, sie kauernd am Boden zu sehen. Bei ihrem Anblick lief es ihm eiskalt den Rücken runter. Ihre rechte Wange berührte den Boden, während ihr restlicher Körper bewegungslos am Boden lag.

 

„Du widerliches, dreckiges Schlammblut. Ich werde dich leiden lassen“, spie Pansy in ihrer Wut, bevor der nächste Fluch folgte. „Levicorpus!“

 

Entsetzt über diese Boshaftigkeit, sahen Draco und Blaise, wie Grangers Hülle nach oben geschleudert wurde, ehe sie kopfüber zu Boden in der Luft schwebte. Ihre nassen Haare hingen schlaff nach unten – einzelne Strähnen klebten ihr jedoch im Gesicht, wo Draco erkannte, dass sie verletzt war und stark blutete. Augenblicklich zückten die Jungs ihre Stäbe.

 

Liberacorpus!“, murmelte Draco geschickt, wonach sich aus dessen Stabspitze ein nebulöser Schleier erstreckte, der sich vorsichtig um Grangers Körper wickelte. Erleichtert beobachtete Draco, wie ihr Körper schlängelnd zurück zu Boden glitt. Allerdings zeigte sich keine Regung in ihrem Körper, was ihn in leichte Panik versetzte und dazu führte, dass er stürmisch zu Pansy schritt. Er sah das Leuchten in den pechschwarzen Augen und es erzürnte ihn nur noch mehr, das Strahlen in ihrem abtrünnigen Gesicht zu sehen.

 

„Draco!“, hauchte Pansy. Der Zauberstab sank nach unten und bevor sie die Arme heben konnte, wurden diese von Draco schon nach unten geschlagen.

 

„Pansy“, knurrte er im Anschluss, „was machst du hier?“ Kein Wort der Begrüßung, nichts. Er war nicht besonders gut gelaunt. Wirklich nicht. Dennoch steckte er seinen Zauberstab in seinen Blazer zurück, weil die Gefahr gebannt war.

 

„Draco, ich -“ Sichtlich erschrocken, wich Pansy zurück, hinsichtlich seiner Abneigung. „Ich habe dieses Schlammblut“, begann sie blindwütig und deutete auf die am Boden liegende Hermine, „erwischt, wie sie hier eingebrochen ist. Was willst du jetzt von mir?“

 

„Was ich von dir will? Gar nichts, oder erwartest du Dankbarkeit?“

 

Unterdessen schritt Blaise an den beiden Streithähnen vorbei, ehe er sich über die verletzte Hermine beugte. Behutsam legte er eine Hand auf ihre Brust, während er sein Ohr zu ihrem Mund heranführte. Flache, aber vorhandene Atemzüge konnte er vernehmen, was ihn erleichtert zurücksinken ließ, ehe er abschließend ihren Puls ertastete.

 

„Und was tust du da, Blaise? Bist du verrückt geworden?“, schimpfte Pansy, die sich offenbar von Draco Rückendeckung erhoffte, da sie ihn erwartungsvoll ansah.

 

„Ich kümmere mich um das, was du verbockt hast, verflucht.“

 

„Um das, was ich verbockt habe?“, wiederholte sie pikiert. „Sag mal, spinnst du, Blaise? Ich habe eine Verbrecherin gestellt. Was haltet ihr von etwas mehr Dankbarkeit?“, empörte sie sich weiter und verschränkte genervt die Arme vor ihrer Brust, ehedem sie wieder Dracos Blick suchte. „Statt mich anzumachen, sieh lieber zu, dass du sie wegschaffst.“ Kurz darauf drehte sie sich lächelnd zu Draco. „Ich habe dich so vermisst, das glaubst du mir gar nicht. Wieso hast du dich nicht bei mir gemeldet?“ Als wäre nichts passiert, sah sie ihrem Mann der Träume mit klimpernden Wimpern entgegen. Ihr Lächeln ließ erahnen, dass es ihr nichts ausgemacht hatte, Granger anzugreifen. Stattdessen hob sie zum wiederholten Male ihre Arme, in freudiger Erwartung, dass Draco die Geste erwiderte und sie in die Arme schloss.

 

„Sieh zu, dass du mir vom Leib bleibst, Pansy.“ Er dachte gar nicht daran, sich zu freuen. Worüber auch? Draco war tief bestürzt darüber, wie grob, unbarmherzig und inhuman Pansy werden konnte, wenn es nicht nach ihrem Willen lief. Kurzerhand griff er wütend nach ihrem Handgelenk und zog sie genauso herzlos zu sich heran. „Aber eins muss ich dir lassen. Du bist echt so blöd, wie du aussiehst, du blöde Schnepfe.“

 

„Bitte was?“

 

„Granger ist auf meinen Wunsch hier. Sie ist niemals hier eingebrochen, verstehst du das?“ Abschätzig betrachtete er die Frau vor sich. „Vermutlich nicht, was? Aber zu deinem Verständnis: Ich wollte, dass Granger hier ist und sie wird hier bleiben – für immer!“, flüsterte er ihr entgegen, ehe er ihr Handgelenk zur Seite schlug und zu Blaise ging, der sich bereits um Hermine kümmerte. Etwas, das ihn tatsächlich verletzte... Er war doch derjenige, der Granger gerettet hatte – zum zweiten Mal. Er war... Er war ihr Held, nicht Blaise und er verspürte einen kleinen Stich, als er Blaises Bestürzung und Fürsorge realisierte.

 

„Aber... Aber Draco, das -“ Schluchzend streckte Pansy ihre Hand aus, doch Draco ignorierte sie und entfernte sich immer weiter von ihr, was Pansys Wut schürte. Sie musste mit ansehen, wie ihr Draco zu der Frau ging, die sie abgrundtief hasste. „Das kann doch nicht dein ernst sein? Sie sagte, sie wäre freiwillig hier. Irgendetwas stimmt doch hier nicht. Hat sie dich verflucht?“ Ja, sie merkte, dass er nicht zu ihr zurückkam, was ihre Trauer in unverkennbare Wut zurückverwandelte.

 

„Was?“, entkam es ihm verwundert. Kurz hatte er sich zu Pansy umgedreht. Granger soll was gesagt haben? Dass... Dass sie freiwillig hier war? Bedeutete das etwa, dass... dass sie gar nicht mehr weglaufen wollte? Dass sie womöglich hier bei ihm bleiben wollte? Der Wurm, der sich sonst vor Eifersucht in seinen Därmen schlängelte, hüpfte vor Freude.

 

„Du willst doch jetzt nicht wirklich zu dieser Schlampe gehen, Draco. Zu... Zu diesem Schlammblut?“ Sie war sichtlich geschockt, da sich ihr Mund immer weiter öffnete.

 

„Jetzt willst du sie auch noch diskreditieren. Deine körperliche Gewalt ihr gegenüber reicht dir scheinbar nicht, was?“ Er kräuselte angewidert die Lippen. Aber war er nicht auch so gewesen? Er war genau dasselbe Ekel wie Pansy gewesen – nur in männlicher Form. Woher kam dieser Wandel? War es Granger, die ihn zum Umdenken animierte? „Und wenn du schon jemanden beleidigen willst, dann fang am Besten gleich bei dir an, denn du warst diejenige, die in Hogwarts – neben Millicent – für jeden die Beine breit gemacht hat. Demzufolge bist du die Schlampe – nicht Granger“, erklärte er ihr nonchalant.

 

„Es hat dir doch gefallen, wenn wir beide -“

 

„Geh mir aus der Optik, Pansy“, befahl er knurrend. „Verschwinde, weil du hast kein Recht, einfach in mein Haus zu kommen.“

 

Knirschend biss sie ihre Zähne zusammen. Unheilvoll mahlten sie aufeinander. „Du Arschloch. Du -“

 

„Ja, ja. Erzähl mir mal was Neues, Pansy“, unterbrach er das schäumende Weib barsch, bevor er sich auf den Weg zu Granger machte. Dort angekommen ging er in die Hocke und streifte liebevoll ihre blutende Wange, die sich so kalt anfühlte. Aber sie atmete und ihre bernsteinfarbenen Augen waren mittlerweile auch offen. Granger war in der Zwischenzeit zu sich gekommen. Sie war bloß zu kraftlos und geschockt, um etwas zu sagen.

 

„Den Beinklammerfluch habe ich bereits gelöst, Draco“, murmelte Blaise, dessen Züge ehrliche Sorge aufwiesen. Allerdings war er souverän genug, den Fluch richtig zu lösen.

 

„Draco, ich... ich werde zu Weasley gehen, wenn du das alles, was du gerade tust, ernst meinst. Verlass dich drauf, ich gehe zu Weasley!“, drohte sie im Hintergrund.

 

„Was willst du bitte bei Weasley?“, frage Draco belustigt, nachdem er aufgestanden und sich wieder zu Pansy umgedreht hatte. Wollte sie ihn damit eifersüchtig machen? Mit Weasley? Nun, er würde sich größere Sorgen machen, wenn Weasley den Versuch wagen würde, sich an Granger heranzumachen. Aber nicht, wenn Pansy ihm drohte, mit Weasley anzubandeln. Lächerlich.

 

„Was ich dort will?“

 

„Ja, Pansy. Was willst du bei Weasley? Bei einem Mann, der auf derselben Stufe wie ein Schlammblut steht.“ Denn, das war Weasley doch in ihren Augen. Ein Blutsverräter. „Willst du ihm sagen, dass Granger hier ist? Nur zu, das weiß er.“

 

„Nein, ich... ich werde mit ihm ausgehen!“, peitschte sie ihm die Worte entgegen. Ja, damit könnte sie ihn bestimmt ködern, weil sie wusste, wie sehr Draco den rothaarigen Jungen hasste.

 

„Ach, echt?“, amüsierte sich Draco zusehends, dessen Augenbrauen und Mundwinkel in die Höhe schossen. „Nun, dann wünsche ich dir viel Spaß. Ich werde der Letzte sein, der eurem Glück im Weg steht.“ Aber Draco war sich sicher, dass Weasley – im Gegensatz zu Pansy – noch einen Funken Würde im Leib trug. Niemals würde er sich darauf einlassen und mit Pansy ausgehen. Es war eine miserable Ausrede, um ihn aus der Reserve zu locken, aber Pansy definierte mit ihrer Absicht das Ausmaß der Gelotologie völlig neu. Laut lachend breitete er die Arme aus, um ihr Vorhaben noch mehr ins Lächerliche zu ziehen. Parallel schien es Pansy noch mehr aufzuregen, was man an ihren zusammengezogenen Augenbrauen und ihren blähenden Nasenflügeln erkennen konnte.

 

„Du glaubst mir nicht?“, wollte sie ungestüm wissen. „Du willst alles aufs Spiel setzen, wegen ihr – wegen eines Schlammblutes, das gar nichts wert ist.“ Ihr Blick wanderte zum Boden, während ihre Hand auf Granger zeigte. „Das... Das ist allein deine Schuld, du Dreckstück. Was hast du Draco angetan, dass er so etwas absurdes von sich gibt?“ Böswillig hob sie ihren Zauberstab. „Das wirst du mir büßen.“ In Sekundenbruchteilen ging sie in eine geeignete Kampfposition über und ohne ein weiteres Wort der Warnung brüllte sie: „Crucio!“

 

„Nein!“, keuchte Draco fassungslos. Er reagierte sofort, doch um seinen Zauberstab zu ziehen, fehlte ihm die Zeit. Der rote, unverzeihliche Fluch bahnte sich bereits seinen Weg nach vorne. Auch Blaise hatte sich erheben wollen, doch war er lediglich zurück auf seinen Hintern gefallen – herbeigeführt durch die Hektik. Niemand hatte die Chance, den Fluch mittels eines Protego-Zaubers abzuwenden. Allerdings – und das war Dracos Glück – durchlief er jahrelang den privaten, als auch bestialischen Unterricht seines Vaters und seiner Tante Bellatrix. Doch hatten die beiden Tyrannen die Rechnung ohne Snape gemacht, mit dessen Hilfe Draco seinen Horizont erweitert hatte. Mit ihm trainierte Draco oft Stundenlang – bis zur bitteren Erschöpfung. Snape hatte den jungen Malfoy in immer tiefere Gefilde geführt, wodurch es ihm mittlerweile möglich war, weitaus höhere und kompliziertere Magie zu erlernen und auszuführen. Und genau jetzt war der Zeitpunkt gekommen, das Erlernte in der Praxis zu vollführen. Er würde die schützende Hand über Granger halten. Ja, Draco würde sie schützen.

 

Er sicherte seinen Stand – den Fluch im Auge behaltend. Anschließend breitete er zähneknirschend die Hände aus und er erinnerte sich, wie Snape ihm erzählt hatte, dass – wenn man nur zielstrebig genug war – Magie ohne Zauberstab abgewehrt werden konnte. Nur wenige Hexen und Zauberer waren dazu in der Lage. Snape selbst hatte diese Technik nie beherrscht, konnte sie aber theoretisch an Draco weitergeben und anders als sein ehemaliger Zaubertränkelehrer, waren sowohl Dumbledore, als auch Salazar Slytherin mächtig genug, zauberstablos zu zaubern. Draco verstand die Grundregel, er wusste, wie es funktionierte und er... er konnte ebenfalls ohne Zauberstab zaubern. Konzentration war der Schlüssel und das tat Draco. Er fixierte den gefährlichen Zauber, der unaufhaltsam gegen seine Hände prallte, die unter Einfluss des Drucks zu vibrieren begannen.

 

Würde es funktionieren? Ja, es musste.

 

Er stellte sein linkes Bein vor das rechte, wodurch er einen sicheren Halt gewährleisten konnte und mit geweiteten Augen sah er, wie der Cruciatus-Fluch an einer unsichtbaren Mauer zerbarst. Für Draco war sie jedoch ersichtlich genug, anhand der Schwingungen, die nach dem Aufprall entstanden waren. Und wieder wurde ihm vor Augen geführt: Außergewöhnliche Umstände erforderten eben außergewöhnliche Maßnahmen. Wieder wurde ihm bewiesen, dass gefährliche Situationen den Menschen zu ungeahnter Stärke verhalfen. So auch hier. Mit dem Unterschied, dass Draco nicht daran dachte, seine eigene Haut zu retten, sondern... sondern Granger. Er tat das selbstlos – für Granger und Blaise. Um zwei Menschen zu beschützen, die ihm am Herzen lagen. Eine Banalität, die er sich auch immer von seinem Vater erhofft hatte und nachdem er sich sicher war, den Fluch abgewehrt zu haben, sanken seine zitternden Hände nach unten, die sich anfühlten, als wären sie verbrannt.

 

Mit einer einzigen Handbewegung wischte er sich triumphierend über den Mund. „Ich mag ja sogenannte Helden, die bisher keinen Gegner fanden, Pansy“, spuckte er dem leichenblassen Mädchen entgegen, das starr vor Schreck an Ort und Stelle stehen geblieben war, statt das Weite zu suchen und bevor sie das in Erwägung ziehen konnte, hatte er sie bereits erreicht und wieder einmal nach ihrem kalten Handgelenk gegriffen. „Ich wäre ja abgehauen. Spätestens, als ich die Hände runter genommen habe. Ein böser Fehler, dass du stehen geblieben bist.“

 

„Das... Das ist nicht... nicht möglich“, stotterte Pansy.

 

„Wenn“, pochte Draco und seine Stimme bebte vor Zorn, „du noch ein einziges Mal deinen Zauberstab gegen Granger richtest – egal in welcher Form –, wirst du meinen Stab kreuzen und das, Pansy, wird dann das Letzte sein, das du tust.“

 

„Ich...Ich hätte doch niemals dich... verletzen wollen. Draco, was war das?“ Unweigerlich erstarrte sie zur Salzsäule.

 

„Es ist mir scheißegal. Du hast es in Kauf genommen, irgendjemanden zu verletzen.“ Er zog sie so nah zu sich heran, dass sie nur sie ihn hören konnte und sie sich fühlen konnte, als würde er sie mit seinem Blick erdolchen. „Und jetzt raus.“

 

„Draco, ich -“

 

„Muss ich deutlicher werden?“, schrie er aufgebracht. „Hau ab, bevor ich mich vergesse, du verlogenes Stück Dreck“, spuckte er in ihr Gesicht. „Sieh zu, dass du Land gewinnst und lass dich hier nie wieder blicken.“ Wieso hatte er Pansy die Losung überhaupt genannt? Was hatte ihn damals geritten? Weil er dachte, dass sie zu seinem näheren Bekanntenkreis gehörte. Ein gewaltiger Irrtum. Zumal Draco gar keine Freunde hatte – abgesehen von Blaise, der ihn mit seiner echten Freundschaft erdrückte und es im Endeffekt nur gut meinte. Aber selbst Blaise musste achtzehn Jahre warten, bis Draco sich ihm gegenüber öffnen konnte. Und er beschloss, sobald Pansy aus dem Haus wäre, unverzüglich das Passwort zu ändern. Grob schubste er Pansy daraufhin von sich, damit sie sich endlich in Gang setzte. Beinahe wäre sie gefallen, nachdem sie unsanft nach vorne gestoßen wurde, doch konnte sie sich auf ihren hässlichen, hochhackigen Schuhen rechtzeitig fangen. „Schade, Pansy. Du hättest es echt verdient, mal so richtig auf die Fresse zu fliegen“, klärte er sie mit einer gewissen Bissigkeit in der Stimme auf.

 

Erschrocken und beschämt zugleich, hielt Pansy sich an ihrem Bademantel fest, bevor sie die Stufen hinunter eilte, die Haupthalle passiert und das Eingangsportal ins Schloss knallte.

 

Erst danach ging Draco zu Granger zurück, die mithilfe von Blaise mittlerweile auf ihrem Hintern saß und von Blaise – der hinter ihr in die Hocke gegangen war – gestützt wurde. „Hey Granger, ist... ist alles n Ordnung?“ Wie schon zuvor, hätte er ihr gerne über die verletzte Wange gestrichen, aber sie war scheinbar wieder bei Sinnen, weshalb er genau davon absah. „Soll ich unseren Familienheiler rufen?“ Voller Sorge richtete er die Worte an sie, weil er nicht wusste, was Pansy im Vorfeld mit ihr angestellt hatte. Sie redete auch nicht, was ihm erschwerte, in Erfahrung zu bringen, was ihr fehlte. Lediglich ihren Kopf schüttelte sie.

 

„Kannst du aufstehen?“, stellte Blaise die Frage, aber sie antwortete nicht.

 

Das nahm Draco zum Anlass, ebenfalls in die Hocke zu gehen, ehe seine Hände langsam um ihren zierlichen Körper glitten und er sie auf seine Arme hob.

 

„Geht's?“, krächzte Blaise, dessen Hand vorsichtshalber auf Grangers Rücken landete – auch um Draco zu entlasten, sollte ihm die Kraft ausgehen. Was nach seinem Einsatz nicht verwunderlich gewesen wäre, aber Draco hielt sich tapfer auf den Beinen. Zusätzlich war auch der dunkelhäutige Junge schockiert, angesichts der Brutalität, die seine ehemalige Häuserkameradin an den Tag gelegt hatte.

 

Auf Blaises Frage nickte er nur. Viel mehr war sein Fokus auf Hermine gelegt. Es erinnerte ihn daran, als er sie aus dem Abgrund gezogen und zu ihrem Zimmer getragen hatte – damals war sie jedoch ohne Bewusstsein. „Du sahst hübsch mit deinem Zopf aus.“ Er wusste nicht, wieso er ihr dieses Nettigkeit sagte, aber es fühlte sich richtig an, denn es hatte der Wahrheit entsprochen. Er hoffte, dass sie zukünftig öfter die Haare zusammenband. Es sah schön aus, wenn ihre gebändigten Haare in einen Zopf zusammengebunden waren und in leichten Wellen über ihren Rücken fielen.

 

Hey Dummkopf, das wird als Kompliment gewertet“, flüsterte seine innere Stimme erfreut.

 

Draco hingegen ignorierte den berechtigten Einwand, da er wusste, dass sie Stimme es dieses Mal nicht böse gemeint hatte. Darüber hinaus bemerkte er aber auch, dass Granger bis auf die Knochen durchnässt waren und ihre Kleider an ihrer Haut klebten. Das... und Draco musste schlucken... Das fatale daran war, dass... dass sie weiße Kleidung trug. Allerdings hütete Draco sich, einen Blick zu viel zu wagen. Nein, nicht in dieser Situation.

 

„War... War das wieder ein Scherz?“ Das waren die ersten Worte, die aus Hermines Mund krochen.

 

„Nein, das war kein Scherz, Granger“, entgegnete er ernst.

 

„Jetzt muss ich mich wieder bei dir bedanken“, röchelte sie lächelnd, aber sie war noch immer zu schwach, weshalb sie wieder die Augen schloss und ihren Kopf an seine Schulter legte. Dass er ihr zudem etwas Nettes sagte, war – trotz der Umstände – schön.

 

Bevor Blaise den beiden folgte, war wer derjenige, der mit einem Schlenker seines Zauberstabes den nassen Boden, aber auch die nasse Wand trocken zauberte. So, als wäre hier nie etwas geschehen. So, als hätte hier kein einseitiger Kampf stattgefunden...

Lucius' Erbe

- Kapitel neunzehn -

 

 

 

Es war schrecklich, die Gebrechlichkeit der Frau auf seinen Armen zu spüren, gar zu sehen. Die Brutalität war unbeschreiblich und es tat Draco leid, was eben passiert war. Tatsächlich – und es schmerzte, das zuzugeben – befand sich Granger in einem Haus, an das sie nie mehr eine gute Erinnerung haben würde. Selbst das vorhergegangene Szenario in der Bibliothek, nachdem er ihr die Schuld an dem Dilemma gab, tat ihm schrecklich leid, weil er wusste, dass nicht sie, sondern er Schuld gewesen war. Draco alleine. Schließlich war er es gewesen – wie Blaise es schon zum Ausdruck brachte –, der Granger überrumpelte, indem er seine Lippen ungefragt und ohne ihre Erlaubnis auf ihre gepresst hatte. Aber er würde es wieder tun. Zu jeder sich ihm bietenden Gelegenheit würde er den Schritt wagen und wiederholen. Draco würde abermals ihren schönen Mund verschließen, um den wunderbar süßen Geschmack ihrer Lippen zu schmecken.

 

„Du musst aus den Sachen raus, Granger“, brachte er über die Lippen, bevor er sie zu ihrem Bett trug und darauf niederließ. „Ich kann dich aber auch trocken hexen, wenn -“ Ihm wurde klar, was er gerade sagen wollte. Doch um nicht völlig als Versager vor ihr zu stehen, raffte er seinen Körper auf und beendete den Satz würdevoll. „Wenn dir das Recht wäre? So nass kannst du jedenfalls nicht bleiben.“ Wo war seine Selbstsicherheit hin verschwunden? Früher rollten solche Sätze problemlos und lasziv grinsend über seine Lippen.

 

„Das... ist nett, aber ich ziehe mich einfach um.“ Auch Hermine war verwundert, während Blaise einfach nur stillschweigend im Türrahmen stehen geblieben war.

 

„Sicher.“ Am Liebsten hätte er sich mit der flachen Hand gegen die Stirn geschlagen. Natürlich könnte sie sich auch einfach umziehen – nichts leichter als das. „Ich dachte nur, dass es einfacher wäre, wegen eventueller Schmerzen.“ Das Bett war nun auch nass. Das konnte man ohne Mühen trocken zaubern. Granger auch, aber dazu müsste er sie in den weißen Sachen – die triefnass waren und das Wasser bereits zu Boden tropfte – ansehen. Draco würde somit Körperstellen sehen, von denen er mittlerweile träumte, allerdings diese besonderen Stellen nur sehen wollte, wenn sie das auch wollte. Und das würde niemals passieren. Granger verabscheute ihn und schon jetzt war es ihm unangenehm, daran zu denken, weshalb er sich schuldbewusst am Hinterkopf kratzte.

 

„Du kannst zauberstablos zaubern, Malfoy“, stellte sie nüchtern fest, ehe sie aus dem Bett stieg und sich vor Malfoy stellte. Auch sie wollte dem seltsamen Gespräch entgehen.

 

„Ja, kann ich.“ Lächelnd sah er ihr entgegen. Ausgerechnet das war ihr aufgefallen, natürlich.

 

Hermine lag zwar am Boden, doch hatte sie Pansy gehört, wie sie den Fluch aussprach. Sie hörte, wie der Fluch sich zischend seinen gefährlichen Weg zu ihnen bahnte, woraufhin sie mühevoll den Kopf gehoben und erkannt hatte, wie Malfoy derjenige war, der den Fluch mit seinen bloßen Händen abwehrte. „Ich habe so viele Fragen diesbezüglich. Ich habe schon so viel darüber gelesen und -“

 

„Granger, du liest?“ Immer noch lächelnd fasste sich Draco an die linke Brust. „Das ist ja nahezu erstaunlich. Ich wäre niemals auf die Idee gekommen, dass du liest“, neckte er sie, wonach er Blaise zuzwinkerte, der das Kichern jedoch erfolgreich unterdrückte.

 

Davon ließ sie sich nicht aus dem Konzept bringen. „Jedenfalls können das nur sehr wenige. Und die, die es können sind bereits tot – unter anderem Dumbledore.“

 

„Ich kann zauberstablos zaubern, ja. Hast du erwartet, dass ich nicht zaubern kann?“ Draco war nicht beleidigt, es amüsierte ihn vielmehr, dass sie erstaunt darüber war, dass ausgerechnet er derjenige war, der es konnte und eben nicht ihr sagenumwobener Potter. Demnach schien er sie beeindruckt zu haben, was folglich sein Ego steigerte.

 

„Doch, natürlich weiß ich, dass du zaubern kannst“, erwähnte sie lachend. „Aber zauberstablos zaubern ist eine sehr komplizierte Form der Magie. Man muss mit seinem Inneren tief verbunden sein und sich vollständig auf den Fluch fokussieren. Ansonsten kann das auch ganz schnell nach hinten los gehen.“

 

Oh, wenn sie wüsste, wie tief er mit seinem Inneren und der damit einhergehenden Stimme verbunden war, sie würde Bauklötze staunen. „Nun, ich kann es eben“, erwiderte er achselzuckend.

 

„Woher?“

 

Und es ging los. Sie wollte alle Einzelheiten wissen. Die wissbegierige Granger erwachte, obwohl sie Minuten zuvor angegriffen und verletzt wurde. Das schien allerdings nebensächlich geworden zu sein, da es etwas interessanteres gab, als Wunden zu versorgen oder die Klamotten zu wechseln. „Unwichtig. Du solltest dir wirklich lieber etwas anderes überziehen“, bemerkte er anschließend und musste nun doch den Teil seines Charakters hinauslassen, der ihn ausmachte – seine forsche Klappe. Er konnte es auch nicht mehr verhindern, seinen Blick nun doch über ihren nassen Körper streifen zu lassen, was seinem Gegenüber recht schnell aufgefallen war und sie wusste, es zu verhindern. Augenblicklich schossen ihre Arme nach oben zu ihrer Brust.

 

„Ähm... Ja, du hast recht“, antwortete sie peinlich berührt und sah zur Seite. „Ich sollte mich wirklich besser umziehen und... und Danke. Für deine Hilfe, Malfoy. Ich... Ich hätte dich ja umarmt, aber ich bin klatschnass“, versuchte sie die Situation zu retten und sich aus der unangenehmen Situation zu manövrieren. Ferner hielt sie ihm stattdessen lediglich ihre Hand entgegen, die Malfoy ohne zu zögern ergriff.

 

„Nicht dafür, Granger.“

 

„Ja... Danke nochmals – für alles halt“, wisperte Hermine, die mit ihrer anderen Hand lose Strähnen nach hinten schob und im selben Moment Malfoys Hand losgelassen hatte. Die Berührung fühlte sich nicht falsch an, aber seltsam und im Gegensatz zu ihrer, war Malfoys Hand warm.

 

„Kein Problem. Wirklich nicht.“ Ihm war es nicht schwer gefallen, vorhin nach ihrer Hand zu greifen. Er hatte keinerlei Berührungsängste verspürt.

 

Wortlos wandte sie sich nickend von ihm ab und ging anschließend zu Blaise, dem sie ebenfalls die Hand entgegenstreckte.

 

„Bitte Granger, alles gut.“ Ohne dass sie etwas gesagt hatte, hatte Blaise bereits geantwortet, dessen Blick unverzüglich in eine andere Richtung gewandert war. Denn im Gegensatz zu seinem Kompagnon, besaß er genügend Anstand um die Situation nicht auszunutzen.

 

„In Ordnung. Ich... Ich geh dann mal, ja?“ Hermine deutete unsicher auf die Badezimmertür. „Mich umziehen und so.“ Abschließend ließ sie die beiden Jungs in ihrem Zimmer zurück und verschwand hinter der Tür, gegen die sie ihren Rücken lehnte und erschöpft ausatmete. Ihre Beine zitterten, ihr Körper bebte, weil sie sich so schwach fühlte, aber die Berührung mit Malfoy... Sie schien Hermine zu stabilisieren, zu rehabilitieren. Sie fühlte sich nicht mehr so angeschlagen wie zuvor, obwohl sie seine Hand recht schnell losgelassen hatte. Dieser Mensch... seit Neustem übte er eine kontroverse Anziehungskraft auf Hermine aus, die ihr schleierhaft war. Was sollte das bedeuten? Dass sie gerne in seiner Nähe war? Dass sie ihn nicht mehr verachtete? Merlin, sie musste ihren Kopf gegen das massive Holz legen und die Augen schließen, um besser nachdenken zu können. Hinzu kam, dass er ihr bereits zwei Mal das Leben gerettet hatte. Wieso hatte er das getan, wenn er sie doch gar nicht leiden konnte? Himmel nochmal, er zerstörte immer mehr das perfekte Abbild, was sie von ihm hatte – von einem egoistischen, selbstsüchtigen, narzisstischen Misanthrop. Menschen mit diesen Eigenschaften hätten Hermine niemals aus der Schlucht gezogen. Niemals würden solche Charakteristika mit dem Handeln konform gehen. Zumal Malfoy sich selbst in Gefahr gebracht hatte. Selbstlos hatte er sich vor Hermine gestellt, nachdem Pansy den Cruciatus-Fluch auf sie feuerte. War es der Situation geschuldet, dass er sich dazu verpflichtet fühlte, weil Harry ihm ebenfalls zwei Mal das Leben gerettet hatte, während der Schlacht in Hogwarts? Ja, das musste es sein, denn etwas anderes erwartete sie von Malfoy gar nicht. Nie käme sie auf den abstrusen Gedanken, dass Malfoy sie mögen würde.

 

Aber sie wusste – entgegen seiner Meinung –, dass er sich verändert hatte. Er selbst wollte das nie hören, aber es war so. Die Anzeichen konnten nicht eindeutiger sein. Malfoy, ein Mann, der zuvor ein Arschloch war, bewegte sich immer mehr in die Richtung, ein guter Mensch zu werden. Zumindest ein Teil von ihm, da sie sich sicher war, dass er seine Art nie ganz ablegen würde. Das musste er auch nicht, da ihn das auszeichnete, oder? Würde sie ihn nicht kennen und ihn unvoreingenommen kennenlernen, Hermine würde ihm wohl auch verfallen – sofern ihre Zensuren ihr nie wichtig gewesen wären. Und das war der Unterschied zu anderen Frauen, denen sie es nicht verübeln konnte, Malfoy auf den Leim gegangen zu sein. Aber Hermine kannte ihn schließlich und ihre Noten waren immer an erster Stelle. Nichtsdestominder, sie kannte nun beide Seiten von ihm. Sie kannte sowohl seine hässliche, als auch seine schöne Seite. Auch war sie eine der wenigen, die ihn gar nicht mehr so sehr hasste und sie wüsste gerne, wieso er so geworden war. Was hatte dazu geführt, dass Malfoy der Mensch war, der er heute war?

 

In ihren Gedanken versunken, schritt sie langsam zur großen Badewanne. Sie beugte sich vorsichtig über den Marmor und drehte die Wasserhähne auf. Danach würde sie sich in eine warme Decke einwickeln und hoffen, dass dieser schreckliche Tag schnell vorüberziehen würde. Heute war nämlich kein schöner Tag. Ganz und gar nicht. Erst dieses Katz- und Mausspiel mit Narzissa, danach die prekäre Situation mit Malfoy in der Bibliothek und nun das Aufeinandertreffen mit Pansy...

 

 

 
 

~*~

 

 

Den Ellenbogen am Türrahmen abstützend, stemmte Blaise die andere Hand in seine Hüfte. „Wow, das war anstrengend. Ich verstehe mittlerweile ganz gut, wieso du Pansy nie leiden konntest.“ Kurz sah er zur Tür, durch die Granger verschwunden war, ehe er zu Draco zurück sah.

 

Auch er blickte zur Tür, selbst als er von Blaise angesprochen wurde. „Blitzmerker, aber bedauerlich, dass es dir erst jetzt aufgefallen ist“, informierte er ihn verärgert und drehte sich nun doch zu seinem Freund um. Wo hatte der Junge die ganzen Jahre gelebt, dass ihm Pansys Art erst jetzt negativ aufgefallen war? Ihre damalige Häuserkameradin und Dracos zeitweilige Affäre war immer so gewesen. Immer gereizt und zum Kotzen.

 

„Hey, besser spät als nie. Aber weißt du was?“

 

„Was?“, murmelte Draco, der inzwischen wieder zur Tür gesehen hatte.

 

„In dir steckt etwas verdammt Gutes“, eröffnete Blaise ihm, während er seinen Kopf in die Handinnenfläche legte, die nach wie vor durch den angelehnten Ellenbogen am Türrahmen eine hervorrage Stütze bot.

 

„Ist das so?“, antwortete er repressiv, ehe er seinen Körper gänzlich zu Blaise drehte, um ihn abwartend anzusehen. Draco war nämlich gespannt, mit welchen idiotischen Attributen er ihn nun beschreiben würde.

 

Genervt blähten sich Blaises Wangen. Was war der Kerl anstrengend. Wieso sah es jeder, abgesehen von Draco selbst? Mit Sicherheit war es auch einem dummen Huhn wie Pansy aufgefallen, dass Draco sich veränderte. „Och, ja. Es sieht jedenfalls danach aus“, winkte er belanglos ab. „Ich meine, wieso hättest du dich sonst vor Granger stellen sollen, wenn so rein gar nichts Gutes in dir steckt?“ Der blonde Affe tat etwas barmherziges und sah es nicht – wollte es vermutlich auch nicht sehen, weil er es mit Schwäche in Verbindung bringen würde.

 

„Weil ich keine Lust auf eine Meldung im Ministerium hätte, wenn Granger ins St.Mungo eingeliefert worden wäre. Und sie wäre dorthin gekommen, wenn Pansy -“

 

„Sieh es doch einfach ein, dass in dir ein guter Kern schlummert. Ich für meinen Teil bin jedenfalls froh, dass dein Vater scheinbar doch nicht das letzte Quäntchen Menschlichkeit aus dir geprügelt hat. Das wird dir noch zugute kommen. Ich bin sogar der Überzeugung, dass du sehr einfühlsam warst, als du Granger zu ihrem Zimmer getragen hast.“

 

Was für ein wunderbares Attribut – einfühlsam. Das war nicht das erste Mal, dass er Granger getragen hatte, aber Draco hütete seine vorlaute Zunge wie ein Ei, das ausgebrütet wurde – damit er bloß nicht auf die dumme Idee kam, Blaise auch über diesen Unfall aufzuklären. „Wie meinst du das?“, wollte er stirnrunzelnd wissen und wieso erwähnte jeder immer seinen Vater? Sein Vater war tot. Lucius war nicht mehr hier. Lucius hatte sich aus allem fein säuberlich herausgezogen und konnte jeder Strafe entgehen. Sein toller Vater hatte ihn und Narzissa alleine gelassen. Glimpflich und mit vielen Galleonen hatte er Draco alleine gelassen.

 

„Du bist echt schwer von Begriff, was? Ich will dir sagen, dass du eine menschliche Seite hast, aber das willst du nicht sehen, richtig?“ Parallel legte er einen Arm um Dracos Schulter und es war ihm egal, ob der feine Herr das wollte oder nicht. Blaise tat es einfach. „Du hast Granger -“

 

„Nicht“, stoppte Draco ihn augenrollend. „Sag es nicht, Blaise. Ich will es nicht hören.“

 

Blaise dachte gar nicht daran, sondern sprach unverblümt weiter: „Du hast Granger und mich gerettet. Bei Pansys Treffsicherheit weiß man ja nie, wen sie wirklich getroffen hätte, oder? Sie ist ja so treffsicher, wie du ein Halbblut bist – nämlich gar nicht.“

 

„Blaise“, begann er niedergeschlagen, während er den Arm seines besten Freundes von seiner Schulter entfernte, „nur weil ich einem wie dir“, lächelte er anzüglich, „geholfen habe, heißt das nicht, dass ich dich mag oder eine menschliche Seite habe. Eine, die dazu noch so verborgen sein soll. Schon mal darüber nachgedacht, Philosoph zu werden oder dich mit der Relativitätstheorie zu befassen?“

 

„Du hast auch Granger gerettet“, beharrte Blaise. Diesen Umstand wollte Draco offensichtlich verdrängen. Aber er wäre nicht Blaise, wenn er Draco nicht – kollegial wie er war – daran erinnern würde. „Und seit wann interessierst du dich für Muggelberufe? Wer bist du, und was hast du mit dem Arschloch Malfoy gemacht?“ Kurz pausierte er und fuhr fort: „Was das mit der Relativitätstheorie betrifft. Nun, die befasst sich doch ausschließlich mit dem Wesen der Gravitation, was uns wieder zu der Anziehung bringt, die Granger auf dich ausübt.“

 

„Du nennst mich Arschloch?“, fragte Draco lachend.

 

„Die Wahrheit darf doch gesagt werden. Wenn nicht ich das tue, wer sonst?“, schmunzelte der dunkelhäutige Junge. Ihm war sofort aufgefallen, dass Draco nicht auf die Passage mit Granger einging. „Und wieso lenkst du schon wieder ab?“

 

Oh, ich sage Draco andauernd die Wahrheit. Mich kann er nämlich nicht ignorieren, weil man sein Inneres nicht verdrängen kann, nicht wahr, Draco?“

 

Wie schlagfertig die ätzende Stimme wieder war. Heute gab sie wirklich alles. Nichts, aber auch gar nichts ließ die Stimme aus. Ohne Rücksicht auf Verluste, drosch sie immer wieder auf Draco ein.

 

Ohne Rücksicht auf Verluste? Du wirfst mir mangelnde Empathie vor, Draco? Ja? Dabei bin ich doch genauso, wie du einst warst.“

 

War? Ha, er war nicht anders geworden. Er war nach wie vor derselbe. Nichts hatte sich geändert, außer dass Granger mit ihm zusammen im selben Haus lebte und er ihr zwei Mal das Leben gerettet hatte.

 

In der Bibliothek hattest du wenigstens die Erkenntnis gewonnen, dass man die Augen vor der Wahrheit nicht verschließen soll, hinsichtlich Grangers Aussehen. Das war ein Fortschritt. Wieso diesen Fortschritt nicht ausweiten?“

 

„Blaise, ich lenke nicht ab. Du missverstehst das.“ Wenn er die Stimme ignorierte, würde alles gut werden. Ja.

 

„Natürlich. Die Gravitation wird es letzten Endes richten, nicht?“, teilte Blaise ihm mit und verschränkte gönnerhaft die Arme vor seiner Brust. „Was hat dich eigentlich dazu getrieben, mit mir zu reden? Mein gutes Aussehen wird es nicht gewesen sein, oder?“

 

„Nichts“, antwortete Draco nachdenklich. Er wollte Blaise nicht erzählen, dass Granger ihn unbewusst zu dem Schritt getrieben hatte. Dass er all das ihrer Mimik und ihrer Ausstrahlung verdankte, sich endlich halbwegs öffnen zu können. Dass sie es war, die ihm zeigte, dass es sich lohnte, wenn man sich alles von der Seele sprach. Allein ihre Reaktion war es. Sie zeigte immerzu ihre Freude – schon in der Bibliothek.

 

„Aha. Gar nichts?“

 

„Nein, nichts.“

 

„Man, das alles war haarscharf. Granger sieht aus wie ein Wrack“, offenbarte Blaise die unaussprechliche Wahrheit.

 

„In Wracks sind trotzdem immer noch die begehrtesten Schätze, oder nicht?“

 

„Ich hoffe es, Draco“, erwiderte er ernst. „Wirklich, ich hoffe es.“

 

Auch er war niedergeschlagen, weswegen er auch nur den Kopf schüttelte und sich im Anschluss zur Tür wandte. Draco wollte nicht länger als nötig hier bleiben. Granger wäre gewiss auch froh, wenn sie nachher aus dem Bad käme und niemanden mehr in ihrem Zimmer vorfinden würde. Diesen Gefallen würde er ihr tun, auch wenn ihn das störte. Eigentlich wäre er gerne noch hier geblieben. Er hätte sich gerne auf ihr Bett gesetzt und auf sie gewartet, was er natürlich für sich behielt. Wer wusste schon, welche Schlüsse Blaise daraus wieder zog. Nachdem sie sich stillschweigend darauf geeinigt hatten, das Zimmer zu verlassen, sah der junge Malfoy noch einmal zur Badezimmertür. Er dachte daran, was sie dahinter wohl gerade anstellte. Wie sie sich aus ihren nassen Sachen schälte, um ihren zierlichen Körper später in weiche Kleidung zu stülpen. Merlin, bei dem Gedanken lief es ihm kalt den Rücken runter.

 

Mit schnellen Schritten ging er voraus. Gemeinsam schlenderten sie durch die Flure und immer mehr überkam Draco das Bedürfnis, zu Lucius' Portrait zu gehen, weil er unaufhörlich an Blaises Satz denken musste – bezüglich seiner Freude, dass Lucius nicht alles Gute aus ihm geprügelt hatte. Und wieso hatte sein Vater es überhaupt getan – ihn geschlagen? Was trieb ihn dazu? Zum wohl ersten Mal dachte er ernsthaft über die Absichten seines Vaters nach. Lag es tatsächlich nur an der Loyalität gegenüber des dunklen Lords? Wollte er Draco zu Gunsten des dunklen Lords formen? Aber wieso hatte sich jenes Verhalten nicht geändert, als der dunkle Lord von Potter – als dieser nichts weiter als ein Kleinkind war – zum ersten Mal gestürzt wurde? Warum hatte Lucius sich nicht geändert, verdammt? Ahnte er, dass der Tyrann auferstehen würde? Aber was brachte es ihm letztendlich? Schließlich hatte Blaise recht. Lucius und Bellatrix hatten ihn komplett versaut. Selbst Granger hatte recht, als sie ihm vorwarf, mit den falschen Idealen genährt worden zu sein.

 

„Übrigens“, murmelte Draco nach mehreren Gehminuten, „gut für dich, dass du in eine andere Richtung geschaut hast, als Granger dir ihre Hand entgegenstreckte.“

 

„Draco, ich bitte dich. Granger ist sehr hübsch, aber -“

 

„Vorsicht, Blaise“, knurrte Draco mit erhobenem Finger. Er wollte sich nicht wieder anhören, dass Granger hübsch war. Er wusste das.

 

„Hey“, kicherte Blaise, bevor er beide Hände von hinten auf Dracos Schulter platzierte und seinen Kopf darüber beugte. „Noch ein bisschen mehr und deine Eifersucht lässt sich nicht mehr so leicht verbergen, Kumpel. Gut, dass ich es bin, dem du sie so offensichtlich zeigst. Erstaunlich, dass Granger noch nichts bemerkt hat“, stichelte er lachend weiter und nahm seine Hände von Dracos bebenden Schultern. „Oder hat sie etwas bemerkt?“, fragte er immer noch lachend.

 

„Keine Ahnung, was du alles siehst.“

 

„Ich sehe die Realität, Draco.“

 

Schön, Blaise wollte weiterhin ein Arsch sein. „Sie hat nichts gemerkt, wie auch?“

 

„Stimmt“, bestätigte Dracos bester Freund hämisch. „Du verhältst dich ja auch wie ein Idiot – ihr gegenüber. Meine Sorge ist unbegründet – sie wird gar nichts merken.“

 

„Wie kaltschnäuzig du wieder bist, obwohl du eben so bleich werden konntest, wie es eben möglich war.“

 

„Tja, ich bin eben talentiert oder kannst du auch so dunkel werden, wie ich es bin?“, lachte Blaise auf, bevor er wieder einen ernsten Gesichtsausdruck annahm. „Aber sag mal, glaubst du, Pansy geht zu Weasley?“ Die Heiterkeit war verschwunden, nachdem er den Ernst der Lage wieder erkannt hatte.

 

„Ehrlich? Is' mir scheißegal, wenn sie zu Weasley geht“, polterte der Angesprochene, der der Versuchung widerstehen musste, mit der geballten Faust gegen die Wand zu schlagen. Heute wollte er von Pansy gar nichts mehr hören, denn ihr Verhalten heute, schlug dem Fass den Boden aus. Noch besser wäre es, er würde nie wieder etwas von ihr hören, aber das bezweifelte er.

 

„Es sollte dir aber nicht egal sein“, forderte sein Begleiter.

 

„Nein, es sollte mir nicht egal sein, aber es wird sich auch nichts ändern, wenn ich mich deswegen jetzt verrückt mache. Passieren wird sowieso nichts oder glaubst du, Weasley würde Pansy irgendetwas glauben?“ Kurz hielt er inne und schaute zu Blaise, dem die Antwort offenbar nicht ausreichte. „Was? Weasley weiß, dass Granger hier ist, aber etwas ausrichten kann auch er nicht. Der Trottel weiß, dass er nicht einfach durch die Pforten spazieren kann. Mach dir also keine Gedanken, Blaise.“

 

„Ich mache mir aber Gedanken.“

 

„Unnötige, Blaise.“

 

„Na schön, aber du weißt, dass ich immer hinter dir stehen werde, oder?“ Er drehte Draco zu sich und sah seinem besten Freund in die Augen. „Oder?“

 

„Ja, das weiß ich, und ich denke, das ist es auch, was ich an dir schätze“, offenbarte Draco. Denn dem war so. Er schätzte Blaise als Freund, obwohl er erst sehr spät begriffen hatte, dass sein bester Freund nur das Beste für Draco wollte.

 

„Gut.“

 

„Du findest den Kamin, oder?“ fragte er unnötigerweise. Natürlich würde Blaise den Weg finden. Immerhin kam er seit Kindertagen zu ihm. Sie kannten sich schon so lange, dass es Draco schon schwer fiel, zu lokalisieren, seit wann sie sich genau kannten.

 

„Sicher, aber -“ Blaise ließ den Satz unbeendet, da Draco bereits abgewunken hatte und um die nächste Ecke gebogen war. Merlin, verrückt. Seit Granger hier war, passierten unvorhergesehene Dinge. Aber solange es Draco gut tat, würde Blaise sich nicht beschweren...

 

Auch Draco machte sich seine Gedanken. Vieles hatte sich hier schon in den Hallen von Malfoy Manor zugetragen. Der dunkle Lord hatte sich nach Dracos sechstem Schuljahr vollständig in das Haus seines Vaters einquartiert und zusätzlich versucht, Dracos Familie systematisch zu zerstören – durch Tyrannei und Unterdrückung. Bei jeder lächerlichen Versammlung demonstrierte der dunkle Lord seinen Anhängern, was für eine verkommene Sippschaft die Malfoys doch waren. Immer wieder führte er Lucius, Draco, Narzissa und Bellatrix vor. Oh ja, selbst vor seiner treusten Anhängerin, die ihn vergötterte, machte er nicht Halt. Bellatrix war oft das Opfer seiner Demütigungen, angesichts der Tatsache, dass die dritte black'sche Schwester einen Muggel namens Ted Tonks geheiratet hatte. Wie abstoßend der dunkle Lord doch in Wirklichkeit war... Wieso sah sein Vater das nicht? Wie konnte Lucius, der so viel Wert auf alles legte, so weit fallen? Wie entstand überhaupt dieser Kontakt zum dunklen Lord?

 

All dem wollte Draco plötzlich auf den Grund gehen. Seine Schritte wurden immer schneller, während er sich vage daran erinnerte, dass Granger diejenige war, die wahre Qualen erlitten hatte in all den Jahren – viele durch ihn selbst, was ihn schmerzte. Er konnte den Schmerz fühlen, den er Granger seelisch zugefügt hatte, aber er konnte nichts mehr daran ändern. Warum schätzte er nicht früher ihre Intelligenz? Weil sie ein Schlammblut war? Oder lag der Ursprung im Neid? Lag es an Lucius' Hetzjagd? Immer gieriger nach Antworten, ließ er zahllose Flure hinter sich, bis er sich in dem Flur befand, der ihm hoffentlich Antworten lieferte. Draco wollte endlich verstehen und begreifen. Er wollte anfangen, mit der Vergangenheit abzuschließen – sie nicht mehr verdrängen, sondern verarbeiten. Und je näher er dem Punkt kam, der ihm helfen sollte, umso langsamer wurden seine Schritte. Der junge Malfoy näherte sich unaufhaltsam einem Portrait, an dem er zuletzt vorbeigegangen war, als er Granger eines der vielen Zimmer gezeigt hatte. Bedächtig und doch darauf hoffend, dass die Aussprache in weiter Ferne lag, kam er an, doch er konnte sich nicht überwinden, das Wort an Lucius' Portrait zu richten...

 

Vor ihm – eingebettet in einen goldenen, verzierten Rahmen – war er. Lucius. Und er war – wie zu erwarten – in seinem Rahmen, aber das war er immer. Er wechselte die Rahmen nicht, spazierte nicht herum und unterhielt sich auch mit niemandem.

 

Bis jetzt.

 

„Draco“, murrte die dunkle Stimme nach fünf Minuten, „wie lange willst du mich ansehen?“

 

Mit zusammengekniffenen Augen fixierte er das Abbild seines verstorbenen Vaters. Draco sah ihm direkt in die Augen – in dieselben schiefergrauen Augen, wie die von Draco. Sie waren so grau, dass die Malfoys gelernt hatten, mithilfe eines einzigen Blickes inmitten ihrer Iriden einen Tornado los wüten zu lassen. Daneben umrundeten Lucius' weizenblonde Haare das Gesamtbild, welche ihm selbst nach dem Tod als Portrait anmutig über den Schultern lagen. In seiner linken Hand hielt er – wie zu Lebzeiten – seinen Gehstock, wovon man nur den Schlangenkopf erkannte.

 

„Lucius, ich -“ Draco sah augenblicklich die Missbilligung in den markanten Zügen seines Vaters. Davon ließ der malfoy'sche Sprössling sich jedoch nicht einschüchtern. „Ich will wissen, wieso wir so geworden sind? Wie konnte es so weit kommen?“

 

„Hinterfragt du das wegen deinem Gast?“

 

„Nein.“ Sein Vater war schon immer clever. Kühl und distanziert auch – Eigenschaften, die Draco von ihm geerbt hatte. Um seiner Aussage mehr Überzeugung zu verleihen, steckte er simultan beide Hände in die Hosentaschen. Zwar hatte sein Vater ihn durchschaut, aber Draco versuchte dennoch, die Maskerade aufrecht zu erhalten, wenngleich er wusste, dass jede weitere Lüge zwecklos war. Lucius kannte die Wahrheit, er ließ sich nicht so leicht in die Irre führen. Getreu dem Motto: Einen Gescheiten musste man überzeugen, einen Dummen überreden. „Beantwortest du mir trotzdem die Frage, oder willst du dich wieder aus der Affäre ziehen?“

 

„Was willst du von mir hören, Draco?“

 

„Zur Abwechslung mal die verdammte Wahrheit. Wieso hast du nichts getan und uns stattdessen schutzlos ausgeliefert?“ Der jüngere der beiden Malfoys fühlte sich wie ein kleiner Junge, den man im meterhohen Schnee zurückgelassen hatte. „Waren Narzissa und ich dir so wenig wert?“

 

„Nein“, schnaufte Lucius. „Deine Mutter und du – ihr wart das Größte, das ich je besaß. Ihr wart und seid mir wertvoller als jede Galleone, die sich in unseren Verliesen in Gringotts stapelt.“

 

„Lächerlich“, knurrte Draco, der inzwischen die Arme vor der Brust verschränkte und angewidert zur Seite sah. Reden konnte sein Vater schon immer. Darin war er Weltklasse.

 

„Junge, du -“

 

„Spar dir die Ausreden, Lucius. Erspar sie dir und vor allem mir, ich bin es leid.“

 

„Draco, ich war jung. Jung und naiv. Ich war ein Mann, der von einer Welt träumte, von der der dunkle Lord uns allen vorgeschwärmt hatte – von einer freien Welt. Merlin, ich wollte auch ein Stück vom Kuchen“, gestand das Portrait wehmütig. „Schlussendlich konnte ich diesem machiavellischen Saatgut, das der dunkle Lord säte, nicht mehr widerstehen.“

 

„Das ist der Grund? Du hast deine Seele verkauft, weil du ein Stück vom Kuchen wolltest?“ Ihm kam es eher vor, als wollte sein Vater damals die ganze Bäckerei, statt des Kuchens. „Tja, der Zweck heiligt nun mal nicht alle Mittel.“ Er verstand wohl richtig. Weil sein Vater machtgierig geworden war, musste er darunter leiden? Lucius nahm jegliche Konsequenzen in Kauf, weil er glaubte, für einen guten Zweck zu handeln – der zumal nur in den Augen eines Todessers ein guter Zweck war – und dafür sogar fragwürdige Mittel eingesetzt hatte?

 

Merlin, wie scheinheilig das alles doch war. Aber nicht Lucius' Bigotterie enttäuschte Draco. Nein. Es war die Gleichgültigkeit seiner Familie gegenüber.

 

„Du kanntest die Zeiten damals nicht. Es waren dunkle Zeiten, über die du nicht urteilen kannst. Im Gegensatz zu dir, wurde ich anders erzogen. Ich -“

 

„Anders erzogen, ja? Vielleicht hast du ja eine Erziehung genossen, die eines Kindes würdig war – im Gegensatz zu mir.“

 

Lucius ignorierte den Einwand. Ändern konnte er es sowieso nicht mehr. „Unter Reinblütern war es nun mal üblich, dass alles, was nicht von Reinblütern stammte, unwürdig war. Aus dem Grund habe ich mich für die dunkle Seite entschieden.“

 

„Das glaubst du doch selbst nicht.“ Unmöglich konnte sein Vater das ernst meinen. „Wenn du damals schon wusstest wie falsch es war... Wieso hast du es bei mir dann nicht besser gemacht, Lucius? Gott verdammt, wieso hast du und Bellatrix mich so versaut, Dad? Warum?“ Es waren böse Vorwürfe, die Draco erhob, aber sie beruhten auf Tatsachen. „Wieso warst du nicht stark genug, es besser zu machen?“

 

„Ich wollte nur dein Bestes.“ Lucius' graue Augen erstarrten, nachdem sein Sohn ihn Dad genannt hatte. Immerzu hatte er ihn Vater oder Lucius genannt. Draco hatte immer davon abgesehen, den liebevollen Kosenamen zu verwenden.

 

„Scheiße, nein. Das wolltest du nicht. Ein Dad lässt seinen Sohn niemals im Stich.“ Mit voller Wucht schlug Dracos Faust neben das Portrait. So fest, dass der Rahmen wackelte. Anschließend lehnte er sich mit dem Rücken gegen die gegenüberliegende Wand. „Du hast Narzissa und mich alleine gelassen. Du hast mich eine Kindheit durchleben lassen, die ich nicht einmal Potter wünsche.“ Die Situation würde nicht besser werden, aber es tat dem jungen Malfoy gut, endlich die angestaute Wut herauszulassen und sie dem Menschen entgegen zu schmettern, der verantwortlich für Dracos damaligen Weg gewesen war. „Du hast mich mit deinen Hetzparolen zu einem emotionslosen Eisklotz herangezüchtet. Und jetzt schlagen Gefühle auf mich ein, Emotionen und Trauer, mit denen ich gar nicht umgehen kann, weil ich all das nicht kenne.“ Merlin, er spürte die immer kleiner werdende Diskrepanz zwischen sich und Granger. Gerne würde er mit ihr darüber sprechen. Immer mehr wollte er ihre Nähe. Sie... Sie war wie ein verdammter Magnet.

 

„Ich weiß, dass ich nicht stark genug war.“ Lucius' hochmütiges Antlitz veränderte sich in Demut. Ein Portrait konnte eigentlich keine Gefühle ausdrücken. Sie wurden ohne jegliche Emotion gezeichnet, aber Lucius' Portrait schien anders zu sein. „Ich war dumm und habe mich der falschen Seite hingegeben, aber du, mein Junge, du wirst stark genug sein, dein Leben neu aufzubauen – ohne mich. Und du wirst Fehler machen, aber die Fehler, die ich begangen habe, wirst du nicht wiederholen, weil du es besser weißt“, ergänzte er traurig und doch mit Stolz in der Stimme, da er wusste, wie gut sein Sohn im Grunde war. Er selbst wusste, dass er unzählige Fehler im Bezug auf Draco gemacht hatte, daher wusste er umso besser, dass sein Junge alles besser machen würde.

 

„Was ein Schwachsinn.“ Hörte sein Vater ihm überhaupt zu? Offenbar nicht.

 

„Ich mochte deine Mutter zu meiner Schulzeit im Übrigen auch nicht, weißt du?“, fügte er nach wenigen Sekunden zusammenhanglos hinzu.

 

„Was soll das werden, Lucius? Vergleichst du mich und Granger etwa mit dir und Narzissa?“ Das Gespräch nahm eine völlig andere Richtung ein. Erstaunlich, dass sein Vater seine gute Kinderstube nicht vergaß und es schien das erste Gespräch zwischen Vater und Sohn zu sein, das gesittet verlief – ohne Geschrei, ohne Wut im Bauch. Hinzu kam Lucius' Spürsinn, obwohl er doch nur ein Portrait war... Lucius hatte Draco durchschaut. Er wusste, das hinter all dem Granger steckte. Das Mädchen, das ihn zum Nachdenken animierte. Vermutlich wäre ihm auch dieses Mal keine glaubhafte Lüge über die Lippen gekommen, das wusste Draco. Zudem überraschte es ihn, dass sein Vater die Wut – die sein Sohn in sich trug – widerstandslos über sich ergehen ließ, aber was blieb dem Portrait auch übrig? „Vergiss es. Das, was zwischen mir und Granger ist, ist völlig anders“, gab er seinem Vater zu verstehen, obzwar er gerade zugab, dass er womöglich mehr für Granger übrig hatte. In seinem Kopf schien etwas zu entstehen, dessen Ausmaße er gar nicht einschätzen konnte und ohne sein Zutun immer größere Kreise zu ziehen schien.

 

„Findest du? Nun, sie ist das Gegenteil von uns, Draco.“
 

„Was?“

 

„Dieses Mädchen... Sie wird dir aus dem Loch helfen, in welches ich dich habe fallen lassen. Vielleicht hat sie dir sogar schon geholfen, ich weiß es nicht.“ Nachdenklich wanderte seine Hand in seinen Nacken.

 

„Was ist los? Du rastest gar nicht aus.“

 

„Sollte ich?“, wollte Lucius belustigt wissen, der froh gewesen war, dass die Stimmung sich scheinbar lockerte. „Ändern kann ich es ja auch gar nicht. Ich will es auch nicht. Außerdem ist Miss Granger eine recht interessante und sehr intelligente Persönlichkeit, nicht?“ Gut machen konnte Lucius nichts mehr, aber er könnte sich wenigstens darüber freuen, dass sein Sohn nicht mehr alleine war. Alleine in diesem Haus, wo sein Hass auf Lucius weiter wachsen konnte. „Guck nicht so skeptisch, Draco. Ich habe das schon gemerkt, als ich sie – zu Anfang eures zweiten Schuljahres damals – das erste Mal gesehen habe. Du erinnerst dich? Bei Flourish & Blotts, als ich... die Auseinandersetzung mit Arthur Weasley hatte.“

 

„Ich erinnere mich, ja.“

 

„Gut, ich denke, Miss Granger wird dein Leben bereichern. Langweilig wird es mir ihr sicher nicht, wenn man den Gerüchten der Portraits Glauben schenken darf.“

 

Er spielte auf die vielen Zwischenfälle an, seit Granger auf Malfoy Manor lebte. Aber konnte man das mit Bereicherung vergleichen? Es war alles andere als spaßig und selbst die Portraits wussten scheinbar bestens Bescheid. „Das ist ja alles schön, wie du das siehst. Narzissa sieht das alles etwas anders.“

 

„Ich weiß. Ich rede mit deiner Mutter öfter als mit dir.“ Seine Frau hatte in ihrem Domizil ebenfalls einen Rahmen für Lucius, den er oft aufgesucht hatte. Es war Draco lediglich nie aufgefallen, dass Lucius das eine oder andere Mal nicht in seinem Rahmen war. Aber woher auch? Sein Sohn mied den Gang, in dem sein Portrait hing. „Die Erziehung deiner Mutter war bedeutend härter. Ihr wird es schwer fallen, zu akzeptieren, dass ihr einziges Kind erwachsen wird. Du solltest ihr Zeit geben.“

 

Fast hätte Draco laut gelacht. Narzissa sorgte sich nicht um andere. „Versuch nicht, der falschen Erziehung die Schuld zuzuweisen. Irgendwann ist jeder für sich selbst verantwortlich.“ So wie auch Draco für seine Entscheidung verantwortlich war, Granger hier einzusperren.

 

„Du weißt, was sie getan hat, nachdem -“

 

„Weiß ich. Aber eine gute Tat reicht nicht aus, um alles wieder gut zu machen.“ Seine Mutter hatte mit Snape vor Beginn des sechsten Schuljahres einen unbrechbaren Schwur geleistet. Etwas, wovon er dachte, wozu seine Mutter nie im Stande gewesen wäre.

 

„Ich wäre froh, es wäre alles anders gekommen, mein Junge. Es tut mir leid, dass ich dich all dem ausgesetzt habe“, offenbarte Lucius mit gesenktem Haupt. „Auch wenn du mir nicht glaubst, aber es ist so. Ich habe dir nie die Vaterliebe zukommen lassen, die du verdient hättest, aber ich dachte damals, es... es wäre der richtige Weg. Ich war der Überzeugung, dass du weniger Enttäuschungen ertragen wirst, wenn du... so bist, wie du jetzt bist.“ Vertraut lächelte er ihm zu, nachdem er den Kopf hob und Draco ansah. „Ich war auf Hogwarts, weil deine Mutter und ich dich gesucht haben. Unsere erste Priorität bestand darin, dich zu finden, Draco.“

 

Das war also Lucius' Erbe? Seinen Sohn zu versauen, und jenes Verhalten mit einer Entschuldigung auszubügeln? Nett, aber dass sein Vater sich tatsächlich für etwas entschuldigte, setzte all dem doch die Krone auf. Dem sonst so stolzen Draco Malfoy wurde speiübel. Mit der linken Hand fuhr er sich schweißgebadet durch die blonden Haare, um sich abzulenken. Antworten bekam er auch nicht wirklich, aber wie konnte er es einem Portrait auch verdenken? Diese Aussprache hätte vor Lucius' Tod stattfinden müssen, aber es war zu spät gewesen. Es war auch nur eine einzige Entschuldigung, für all die Schandtaten die Lucius begangen hatte, aber das war wohl auch der höchste Grad an Gefühlen, die sein Vater aufbringen konnte. Zumindest gab er zu, in der Erziehung alles falsch gemacht zu haben, was man falsch machen konnte. Demzufolge war Draco nicht alleine schuld, dass er so war, wie er eben war. Und damit konnte man arbeiten – zusammen mit Granger. Mit ihr würde er den Anfang wagen.

 

Wie wäre er wohl geworden, wenn er unter anderen Umständen aufgewachsen wäre? Wären er und Granger ein Paar gewesen?
 

„Aber Hallo. Draco, was sind das denn für Gedanken? Akzeptierst du also, dass du etwas für Hermine Granger empfindest?“

 

Standhaft sah er zu Lucius – die Stimme ignorierend. Das erste Mal, dass ihm aufgefallen war, dass Granger schön war, war auf der Weihnachtsfeier in ihrem vierten Schuljahr. Er wusste noch ganz genau, wie hübsch sie in ihrem fliederfarbenen Kleid ausgesehen hatte. Wie schön ihre zusammengebundenen Haare ihre Rücken hinab fielen – ähnlich wie heute. Nur damals hatte er sich verflucht, dass es ihm aufgefallen war. Er wollte damals gar nicht denken, dass Granger wunderschön geworden war. Aber das war nicht das letzte Mal. Das zweite Mal ertappte er sich im sechsten Schuljahr dabei. In dem Schuljahr, in dem alles seinen Lauf nahm und es ihm immer schlechter ging. Und dann war da Granger. Das Mädchen, das unerreichbar und doch so nah für ihn gewesen war. Sie gab ihm Kraft, sie war Symbol dafür, dass alles gut werden könnte. Ihm fiel auch ihre Weiblichkeit auf, wonach er viel präziser auf sie achtete. Er nahm sowohl ihre, als auch seine Umwelt komprimierter wahr – wie sie sich bewegte, wie ihren Augen glänzten, wenn sie die nächste Seite ihres Buches umgeblättert hatte, wie viel Spaß sie einfach im Leben hatte.

 

„Draco?“, entkam es Lucius, nachdem sein Sohn schweigsam geblieben war.

 

„Schon gut, Dad“, flüsterte Draco, doch bevor er sich wegdrehte, berührte er noch einmal Lucius' Rahmen. Er würde jetzt – mit einem gefüllten Kopf und so vielen Fragen – ins Bett steigen und darauf hoffen, wenn er morgen aufstand, dass sein Kopf leer und befreit wäre. Im Anschluss ließ er völlig konfus das Portrait seines Vaters zurück, wodurch ihm nicht auffallen konnte, wie Lucius' Mundwinkel nach unten sanken. Hoffentlich erwartete sein Vater jetzt nicht, dass Draco ihm – bezüglich seiner Entschuldigung – Tribut zollte? Schmunzelnd, hinsichtlich dieses Gedanken, fuhr er seinen Weg Richtung Schlafzimmer fort.

Nachts ist es schön, an das Licht zu glauben

- Kapitel zwanzig -

 

 

 

Hermine hatte sich gleich viel besser gefühlt, nachdem ihr Körper in dem heißen Wasser versunken war. Der umliegende Schaum roch fantastisch. Zum Ende hatte sie nur noch den blauen Wasserstrahl laufen lassen, um den Duft von Lavendel später auf ihrer Haut riechen zu können. Zusätzlich beruhigte das warme Wasser ihre Muskeln, aber auch ihren ziependen Rücken. Er tat unheimlich weh, aber sie war froh, dass Pansy – trotz ganzer Arbeit – ihr keinen Knochen gebrochen hatte. Wie groß musste der Hass sein, dass sie Hermine solche erheblichen Schmerzen zugefügt hatte? Sie würde blaue Flecken davontragen, wenn nicht schon welche da waren. Sehen konnte sie jedenfalls noch keine.

 

Hätte sie doch nur ihren Zauberstab gehabt. Merlin, sie hätte sich wehren und durchsetzen können, Pansy notfalls in ein anderes Jahrtausend hexen können, aber so musste sie alles über sich ergehen lassen. Langsam, um ihren Rücken nicht allzu sehr zu strapazieren, lehnte sie ihn gegen den Wannenrand, doch jede kleinste Berührung bereitete ihr Schmerzen. Auch ihre Beine taten unglaublich weh. Um dem entgegenzuwirken, tauchte sie einmal kurz ab und genoss die Stille, ehe sie wieder die Oberfläche durchbrach und ihre Haare zu einem Dutt zusammenband. Abschließend legte sie ihren Nacken auf den Rand und schloss sie Augen.

 

Vor ihrem geistigen Auge erschien Malfoy. Wieder sah sie, wie er seine Hände ausbreitete und den Cruciatus-Fluch abwehrte. Er beherrschte Magie, von der Hermine nicht mal zu träumen wagte, da sie wusste, dass das weit über ihre Grenzen ging, aber Malfoy konnte es. Wie stark war er wirklich? Unheimlich stark musste er sein. Andernfalls hätte er niemals diesen Zauber zustande bringen können. Nicht einmal Voldemort – und davon war sie mehr als überzeugt – hätte jemals diese Art von Magie erlernen können. Demnach musste Malfoy ein großartiger Zauberer sein. Ja, das gestand sie sich ein, denn wäre er das nicht, hätte er sich, Zabini und Hermine nicht vor Pansys Wahn retten können. Aber wer konnte ihm diese Magie nur beigebracht haben? Todesser führten doch die dunklen Künste aus und wehrten sie nicht ab, oder? Bekam er Hilfe oder war Malfoy mächtig genug, sich derartige Zauber selbst beizubringen? Aber wie hätte er sich so etwas selbst beibringen können? Über solch komplizierte Magie existierten doch kaum Bücher.

 

Dann war da noch die Ohrfeige. Sowohl die, die sie ihm im dritten Schuljahr, als auch die, die sie ihm in der Bibliothek verpasst hatte. Und darüber hinaus war er es gewesen, der sich schützend vor sie gestellt hatte, um einen unverzeihlichen Fluch abzuwehren, bevor er Pansy des Hauses verwiesen hatte. Dabei war sie es doch immer gewesen, die an Malfoys Zipfel gehangen hatte. Für Hermine war es ein Paradoxon, da sie stets der Meinung war, dass Pansy zu Malfoys Freundeskreis gehörte – wie Crabbe und Goyle auch. Währenddessen ließ sie zwei ihrer Finger fahrig über ihre Lippen gleiten. Es war so, als fühlte sie dadurch noch immer seine Lippen auf ihren. Es war unbeschreiblich gewesen.

 

Wenn sie in diesem Moment bei Ginny auf dem Bett sitzen würde, würde sie womöglich sagen, wie einzigartig und individuell der Kuss gewesen war. Auch wenn Ginny es nicht verstehen würde... Hermine würde bei der Wahrheit bleiben und ihr schildern, wie es zu dem Kuss gekommen war. Schließlich war Ginny ihre beste Freundin. In Wirklichkeit war der Kuss aber weitaus mehr als nur einzigartig. Er fühlte sich perfekt an und das, obwohl schon mehrere Stunden vergangen waren und Hermine wieder bei Sinnen war. Trotzdem... er fühlte sich selbst nach einiger Zeit nicht falsch an.

 

Aber wäre es richtig gewesen, mit ihm zu schlafen? Das Schlimme war, dass sie sich bereit gefühlt hätte, mit Malfoy zu schlafen. Zumindest glaubte sie, dass es darauf hinausgelaufen wäre, wenn Malfoy nicht alles gestoppt hätte.

 

„Ist das zu fassen?“, flüsterte Hermine, die ihren Dutt unabsichtlich löste, weil ihre Hand unaufhörlich durch ihre Haare glitt. Lag es vielleicht an seinem Aussehen, dass sie mit ihm geschlafen hätte, oder waren das bloß Ausreden? Ausreden dafür, dass sie mit ihm schlafen wollte, weil... weil sie es mit Malfoy genossen hätte, obwohl sein Gefühlsreichtum selbst für einen Teelöffel noch zu klein gewesen wäre? Ach, wäre doch Ginny nur hier bei ihr. Sie würden jetzt vermutlich lachend auf Hermines Bett sitzen, ehe Ginny auf die glorreiche Idee käme, eine Pro und Contra-Liste zu erstellen. Ginny würde mit Sicherheit ganz viele Contra-Punkte aufschreiben. Und genau so eine Liste wäre hilfreich, damit sie endlich diese verrückten Gedanken an Malfoy los wurde und wieder erkannte, was für ein Arsch er doch war.

 

Oh, und wie würden Harry und Ron toben, wenn sie es wüssten? Aber sie wussten es nicht, weil das zudem auch Themen waren, die partout nicht dafür geschaffen waren, um mit Männern darüber zu sprechen. Hinzu kam ihre Rationalität, die ihr vorwarf, dass es nicht an Malfoys Aussehen lag. Zusätzlich machte sie sich auch bewusst, dass sie gar nicht mehr abhauen wollte, doch wollte sie nicht zulassen, dass sich diese Gedanken manifestieren. Sie müsste sich ansonsten eingestehen, dass... dass sie Malfoy mochte.

 

Grundgütiger, die gebildeten Dampfschwaden im Bad benebelten offensichtlich ihr Denkvermögen. Die Isolation, herbeigeführt durch das Haus, das zu verhindern wusste, dass Hermine abhauen konnte, erschuf den Rest – dass Hermine nicht mehr klar denken konnte. Zwar war das Baden angenehm, erfrischend und linderte die Schmerzen, aber bevor sie noch den Verstand verlor und tatsächlich glaubte, Malfoy zu mögen, würde sie lieber freiwillig dieses wunderschöne Bad verlassen. Es lag ja vielleicht im Bereich des Möglichen, dass sie Malfoy gern hatte, aber mehr war da nicht, oder? Jedenfalls nicht von ihrer Seite, oder? Und von Malfoys Seite erst recht nicht. Nein, der würde sich eher aus dem Astronomieturm stürzen, als etwas für Hermine übrig zu haben.

 

Eifrig schnappte sie sich eines der weißen Handtücher und stieg aus der Wanne. Hastig wickelte sie den weichen Stoff um ihren nun erwärmten, nassen und doch geschundenen Körper, bevor sie begann, jede Stelle – mit äußerster Vorsichtig – trocken zu reiben. Darauffolgend ging sie zu ihrem Schrank, der Dank Malfoys Großzügigkeit prall gefüllt war. Nachdenklich neigte sie den Kopf zur Seite und überlegte, was sie anziehen sollte und sie fühlte sich wohl zum ersten Mal, wie eines dieser Mädchen, die alles hatten – abgesehen von Freiheit. Aber ohne weiter darüber zu grübeln, griff sie nach dem grauen Shirt, das ganz oben lag und ihr eindeutig zu lang war. Es reichte sogar bis unter ihren Hintern, wie sie bemerkte, nachdem sie das Shirt über ihren Kopf gezogen hatte. Irritiert zog sie an dem Rundhals und hielt sich den Stoff an die Nase.

 

Hatten die Elfen etwa einen Fehler gemacht und ein Shirt von Malfoy in ihren Schrank einsortiert? Denn die anderen Kleidungsstücke passten ihr anstandslos. Allerdings konnte sie es den Elfen nicht übel nehmen, da sie wusste, unter welchem Druck sie täglich standen und immer darauf bedacht waren, alles zu Malfoys Zufriedenheit zu erledigen. Es war demnach nur eine Frage der Zeit, bis mal ein Fehler passierte – kein gravierender. Aber es musste Malfoys Shirt sein. Die Größe könnte ihm passen, während sie den Duft inhalierte und es kam ihr wirklich so vor, als würde der Stoff nach ihm riechen... Es war ein angenehmer, zugleich betörender Duft gewesen.

 

„Blödmann“, kicherte Hermine. „Riechen tust du also auch noch gut.“ Nur in das Shirt gehüllt, schnappte sie sich noch Unterwäsche und ging anschließend zur Balkontür, die sie öffnete. Über Nacht würde sie die Tür offen lassen und den Geräuschen der Natur lauschen. Die kühle Brise würde Hermine und ihren warmen Körper zurück auf Normaltemperatur bringen. Ferner ging sie wieder zurück, schlug die Decke zur Seite und kroch übermüdet in ihr Bett hinein und es würde bestimmt nicht lange dauern, bis sie in den wohl verdienten Schlaf fiel – nach den heutigen Strapazen wäre es kein Wunder und sie war sich sicher, ihr Körper würde die einkehrende Ruhe dankend annehmen. Zumindest für heute Nacht.

 

 

 

 
 

~*~

 

 

 

Keine Ahnung wieso, aber Draco fühlte sich, als hätte er mehrere Bourbons und verschiedenartige Cocktails durcheinander gesoffen. Von Butterbier fühlte er sich nie so... seltsam. Torkelnd, aber nicht betrunken, erreichte er sein Schlafzimmer. Murrend stieß er die Tür auf und trottete zum Kamin. Zu diesem Aufeinandertreffen zwischen Pansy und Granger konnte es nur kommen, weil Pansy die Losung kannte. Ja, das Miststück kannte sie, weil sie zu seinem Bekanntenkreis gehörte und sie sich zuvor immer angekündigt hatte, wenn sie zu Besuch kam oder, um es korrekt auszudrücken, wenn Draco das Verlangen nach Sex hatte.

 

Um jedoch genau solche Szenarien wie eben zu vermeiden, würde er die Losung jetzt ändern. Nur er würde sie kennen. Nicht Narzissa, nicht Pansy, einfach niemand. Allerdings würde das Haus seine Mutter nach wie vor als eine Malfoy erkennen. Somit könnte sie weiterhin problemlos nach Malfoy Manor kommen. Es sei denn, Draco würde es verbieten, was er prompt tun würde. Es war einfach praktischer, wenn man bestimmen konnte, wer überhaupt ins Haus kommen durfte – selbst wenn es engste Familienangehörige waren. Folglich sah er in den Kamin und bemerkte die noch leicht glühende Asche, weshalb Draco davon ausging, dass Blaise von hier nach Hause gefloht war. Dafür hätte er ihn lynchen müssen. Blaise wusste genau, dass er es nicht ausstehen konnte, wenn man unbefugt sein Zimmer betrat. Aber wieso regte er sich überhaupt noch auf? Hier schien ja sowieso jeder das zu machen, wozu derjenige Lust hatte. Die Eine spazierte frohlockend in sein Zimmer, trotz Dracos ausdrücklichem Verbot, die Andere erschien ohne Dracos Erlaubnis in seinem Haus und griff Granger an und der Andere stolzierte wie ein König durch seinen Schlafzimmerkamin, während seine Mutter alles für sich alleine beanspruchte und so tat, als gehörte alles ihr – dabei stand ihr gar nichts zu. Tja, besser konnte es doch nicht laufen, was?

 

Kopfschüttelnd griff er nach der Schale und lies etwas Flohpulver in den Kamin rieseln. Das verbrannte Holz begann zu knistern und ein Drache mit leeren Augen erschien. Abwartend beäugte das Tier seinen Gebieter, während die lange Zunge ab und zu durch die spitzen Zähne glitt.

 

„Lord Draco Lucius Malfoy“, knurrte Draco, der dem Blick des Drachen standhielt. Früher hatte er sich immer vor dem Untier gefürchtet und sich hinter seinem Vater versteckt.

 

„Wohin führt Euer Weg, Meister?“, wollte der Drache ehrfürchtig wissen.

 

„Nirgendwo. Ich möchte die Losung ändern“, entgegnete er und ließ den Blick nicht abschweifen. Nach wie vor starrte er in diesen Augen, die so schwarz waren, dass man die eigene Hand – die Draco inzwischen in die Hosentaschen gesteckt hatte – nicht erkennen würde.

 

„Wie lautet die alte Losung, Meister?“, züngelte das Geschöpf, das aus Flammen geformt war.

 

Merlin, er hätte platzen können. Der Drache hatte ihn doch erkannt und fragte anschließend wie die alte Losung lautete? Selbst Vielsaft-Trank konnte den Drachen nicht täuschen – wozu also dieser Scheiß? Wieso musste es immer der komplizierte Weg sein? Aber um nicht noch eine Diskussion mit einem nicht existierenden Drachen loszutreten, fügte Draco sich.

 

„Die alte Losung ist Lord Draco Lucius Malfoy.“ Er hatte erst eben die Losung genannt, aber Draco hinterfragte schon gar nichts mehr in dem Haus. Es war halt so.

 

„Und wie lautet die neue Losung, Meister?“, schnalzte der Drache züngelnd.

 

Selbst dieses Meister ging ihm gehörig auf die Nerven. Seine Hand lag unruhig auf dem Kaminsims, während die andere Hand weiter in der Hosentasche vergraben blieb. Er würde gleich die Fassung verlieren, wenn er sich weiterhin diesem Spektakel hingeben müsste. Aber die Mühen würden sich lohnen. Sobald er die Losung geändert hätte, wäre er mit Granger abgeschottet und alleine...

 

Alleine...

 

Nur sie beide wären auf Malfoy Manor – abgesehen von den Hauselfen. Der Wurm in Dracos Innerem wurde wieder aktiv bei dem Gedanken, der förmlich im Dreieck sprang. Aber auch Draco selbst fand den Gedanken – mit ihr alleine zu sein – ziemlich nett. Sie wären ungestört, wenn... etwas unvorhergesehen passieren würde.

 

„Hermine Jean Malfoy“, entkam es ihm unüberlegt.

 

„Hermine -“

 

„Nein, warte“, entfuhr es ihm hastig. Glücklicherweise war der Draco so weit entwickelt, dass er dem Malfoy-Erben folgen konnte und andere Dinge verstand. Ferner schlug er sich die flache Hand gegen die Stirn. Wo war er bitte mit seinen Gedanken? Hermine Jean Malfoy?

 

Wirklich?

 

Woher wusste er überhaupt, dass ihr zweiter Vorname Jean war?

 

Alles klar, Malfoy. Du kannst es nicht länger leugnen. Jetzt, nach dieser Aussage, schon gar nicht mehr“, provozierte die Stimme in fröhlicher Manier. So, als ob sie es von Anfang an gewusst hätte.

 

„Die neue Losung lautet: Hermine Jean Granger“, verbesserte er sich und ärgerte sich, dass dieser Fauxpas wieder ein gefundenes Fressen für die Stimme war. Was dachte er sich nur dabei? „Das war ein harmloser Ausrutscher, Draco. Nichts weiter. Niemand hat es gehört – alles ist gut“, sprach er zu sich selbst.

 

„Sehr wohl, Meister. Die neue Losung lautet: Hermine Jean Granger.“

 

„Himmel nochmal!“, schnappte Draco, dessen Hände bereits in seinen Haaren verschwunden waren. „Hör endlich auf, nach jedem Satz Meister zu sagen. Hörst du?“ Jetzt zog er sogar schon an seinen wasserstoffblonden Haaren. „Wie hat Lucius das nur all die Jahre mit dir ausgehalten?“ Eine Antwort erwartete er nicht, da er sich umdrehte und nur noch ins Bett wollte. Das heute war alles zu viel. Zu viel für ihn. Zu viel für Granger. Erst dieses offenkundige Gespräch mit Blaise, das an seinen Nerven zerrte und dann das Fiasko mit Pansy. Das Gespräch mit Lucius bezog er gar nicht mit ein, weil das eine ganz eigene Kategorie verdienen würde. Aber jetzt war er schon so weit getrieben worden, einen Drachen anzubrüllen, der nicht der Wirklichkeit entsprach. Ein Zeichen, dass er schleunigst ins Bett gehörte.

 

Vor kurzem hatte er noch Weasley einen Pantoffelhelden genannt. Nun war er selbst kurz davor, zu genau einem solchen Pantoffelhelden zu mutieren.

 

Ohne weitere Umweg lief er zu seinem Bett. Davor knöpfte er sich noch die schwarze Hose und das dazugehörige Hemd auf. Seinen Blazer legte er zusammengefaltet über einen Stuhl, der neben dem Tisch stand, den er vor Tagen umwarf, als er Granger erwischt hatte. Aber egal. Völlig egal. In Boxershort bekleidet, ließ er sich auf seine Bettwäsche fallen. Mit der rechten Hand griff er nach der Decke, die er schläfrig über seinen Körper warf und so schnell wie er ausgezogen und in die Decke eingewickelt war, so schnell war Draco auch eingeschlafen.

 

 

 

 
 

~*~

 

 

 

 

Mitten in der Nacht schlug Hermine urplötzlich ihre Augen auf. Seit dem Krieg und vor allem seit ihrer Knechtschaft waren ihre Sinne überempfindlich. Hinzu kam der leichte Schlaf, den Hermine plagte. Aber noch nie war es seit ihrer Anwesenheit so extrem gewesen, dass sie nachts panisch, aufgelöst und zitternd aufgewacht war. Wie von Sinnen saß sie kerzengerade im Bett und sie wusste, ihr Rücken würde sich morgen dafür rächen und sie mit gemeinen Schmerzen plagen. Nichtsdestotrotz wanderte ihr Kopf von der einen zur anderen Richtung. Sie war sich sicher, Geräusche vernommen zu haben. Wieso sollte sie sonst aufschrecken? Zwar hörte man nachts – wenn alles ruhig war – viel mehr als tagsüber, aber doch nicht so intensiv, oder? Als sie ein kleines Mädchen war, hatte sie immer die Bettdecke über ihren Kopf geworfen, weil sie glaubte, dass das Monster – das sie unter ihrem Bett vermutete – sie so nicht sehen würde. Ja, sie war überzeugt gewesen, das perfekte Versteck zu haben. Heute lachte sie über dieses kläglich naive Versteck, aber in ihrer Kindheit war es die beste Zuflucht gewesen.

 

Allerdings war ihr nicht nach Lachen zumute. Sie hatte Angst. Angst, dass Pansy wieder irgendwo stand und nur darauf wartete, sie wieder anzugreifen. Um Rache an ihr zu nehmen, weil Draco sie aus dem Haus geworfen hatte – wegen Hermine. Das Zusammentreffen mit Pansy hatte sie traumatisiert. Auch wurde ihr von Pansy die alleinige Schuld zugeschoben, dessen war sich Hermine auch bewusst. Sie konnte es fühlen und auch in Pansys hasserfüllten Augen sehen. So sah man nur jemanden an, den man abgrundtief hasste. Und genau das empfand Pansy für Hermine – Hass. Aber man gab dem Störenfried immer die Schuld, wenn man die rosa Brille auf der Nase hatte.

 

Es war mitten in der Nacht, stellte Hermine mit einem Blick auf ihre Armbanduhr fest, die auf ihrem Nachttisch lag. Es war bereits zwei Uhr. Malfoy würde auch schlafen, oder? Sie kannte seinen Schlafrhythmus nicht, aber mit Sicherheit würde er schon schlafen. Das war Hermine in dem Moment aber egal. Schnell schlüpfte sie aus ihrem Bett und ging zu den Gardinen, die sich unter den Windstößen aufbäumten. Draußen tobte der kalte unruhig und sie glaubte, dass daher ihr Aufschrecken rührte. Eilig schloss sie die Balkontür und zog die Gardinen zu, ehedem sie einen Entschluss fasste – zu groß war ihre Angst.

 

Ganz leise schlich sie zur Tür. Behutsam griff sie nach dem Knauf und presste ihr Ohr gegen das Holz. Wenn jemand vor der Tür lauerte, könnte sie es vielleicht hören. Und... Und wenn man sie angreifen würde, würde sie – herbeigeführt durch den Aufprall eines möglichen Zaubers – auch Malfoy aufwecken. Vorsichtig und mit vollem Körpereinsatz, öffnete sie langsam die Tür und schielte mit ihrem halben Gesicht hinaus in den dunklen Flur. Niemand war zu sehen oder zu hören, was ein gutes Zeichen war. Des Weiteren beschloss Hermine, dass sie zu ihrem Ziel rennen und bloß nicht an jeder Biegung inne halten würde. Denn wenn sie jemand attackierte, würde sie wie ein Reh, das vor dem Jäger flüchtete, Zick-Zack-Linien laufen. Das würde einem möglichen Angreifer alles erschweren.

 

Ein letztes Mal atmete sie ein. „Bei drei, Hermine.“ Sie atmete aus. „Eins.“ Einatmen. „Zwei.“ Ausatmen. „Und drei!“ Blitzschnell riss sie die Tür auf und sprintete los. Sie verdankte es ihrem eidetischen Gedächtnis, dass sie den Weg direkt im ersten Anlauf richtig einschlug. Nach weiteren angstvollen zwei Minuten, in denen sie wie eine Verrückte gerannt war, stand sie nun unschlüssig vor ihrem Ziel. Nun, immerhin war sie jetzt hier. Wenn jemand hinter ihr her wäre, hätte die Aktion nichts gebracht, wenn sie jetzt einen Rückzieher machen würde. Dann hätte sie nämlich auch in ihrem Zimmer bleiben können, wenn sie nicht durch diese verdammte Tür ging.

 

Noch einmal ließ sie ihren Kopf in beide Richtungen schwenken, um sich zu vergewissern, dass niemand hier war und noch ehe sie erleichtert ausatmen konnte, war auch schon wieder ihre Rationalität auf dem Vormarsch, um ihr vorzuhalten, dass sie gar keine Angst mehr hatte, sondern hier vor der Tür sein wollte.

 

Dem ungeachtet, schnaufte Hermine noch einmal. „Los jetzt, Hermine. Du kannst jetzt nicht nochmal zurückgehen.“ Sie sah an der Tür empor, sprach sich ein letztes Mal Mut zu und ließ ihre zitternde Hand auf die Türklinke fallen...

Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]


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Tja, das war Kapitel eins - es ging ziemlich rabiat los, wa? :> Komplett anzeigen
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Ich weiiiiß... Alles sehr, sehr düster :( Komplett anzeigen
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Ich denke, wir wissen bereits, wer der Muggel-Zahnarzt aus London ist, oder? ^^ Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Ich weiß, alles geht hier zu Anfang noch sehr schnell. Aber das ist Absicht. Ich wollte die Vorgeschichte drin haben, ehe es zur Sache geht und Hermine und Draco sich... nun... öfter über den Weg laufen. Aber wie sagt man so schön? Gut Ding will Weile haben :) Komplett anzeigen
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Ja... Malfoy ist grausam. Er ist schwer cholerisch geworden, aber er scheint mit der Trauer nicht umgehen zu können, die ihn nach und nach in ein Monster verwandelt :< Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Aber Hallo ^^ Was ist denn da mit Draco los? xD

Am Anfang noch so garstig und kaum ist er mit seinen... äh... lüsternen Gedanken alleine, kommt der verletzliche Draco aus ihm raus ;) Wie amüsant. Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Öhm... ok? :D Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Hallöchen :)

Habt ihr die Feiertage gut rumgekriegt? Ich bin froh, dass die Tage vorbei sind. Ehrlich. Worüber ich mich nicht so freue, ist, dass ich nächste Woche Donnerstag wieder arbeiten gehen muss - so schnell sind vier Wochen Urlaub verflogen :> Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Ich werde mich gleich an Kapitel fünfzehn setzen, damit wir nochmal etwas in Gang kommen, ihr Lieben ;) Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Huch, was ist denn da passiert? :P
Da konnte sich der werte Herr wohl nicht mehr im Zaum halten :D Aber... es ist noch zu früh. Noch. Kann sich ja alles ändern, aber der Weg scheint geebnet :D

Und wer stehtn da plötzlich vor Hermine? :O Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Jap, es war Pansy. Ihr habt das hoffentlich nicht geahnt ;) Weiterhin hoffe ich, dass ich in Pansy alles Böse hineinprojizieren konnte. Ich hab ihr echt die Pest an den Hals gewünscht. Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Ein sehr kurzes Kapitel, ich weiß, aber es dient lediglich zur Überbrückung zum spannenden Kapitel einundzwanzig, das uns bald erwarten wird. Ihr wisst bestimmt, vor wessen Tür Hermine steht? :D

Übrigens sind mein Mann und ich heute seit 14 Jahren zusammen :> Komplett anzeigen

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Kommentare zu dieser Fanfic (54)
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Von:  EngelNyria
2019-12-05T18:34:33+00:00 05.12.2019 19:34
Weiterschreiben! Egal wie alt die Geschichte schon ist. Zu schön um sie einfach unbeendet zu lassen!
Von:  EngelNyria
2019-12-03T17:55:28+00:00 03.12.2019 18:55
Dann hopps la hopps weiterschreiben.
Von:  EngelNyria
2019-12-03T17:41:19+00:00 03.12.2019 18:41
Verdammt gut geschrieben. Aber diese Parallelen zwischen die schöne und das biest und deiner ff sind nicht zu übersehen. ist das Absicht oder hast du den film nur zu oft gesehen?
Antwort von:  Dracos-Princess
03.12.2019 18:43
Hallo :)

Das freut mich, dass dir die Geschichte gefällt. Dabei ist das letzte Update schon so lange her :/ und die Geschichte ist so alt...

Ja, das ist pure Absicht. Cold wind blows ist eine Adaption zu „Die Schöne und das Biest“ :)
Von:  dark-cherry-blossom
2019-11-13T16:52:55+00:00 13.11.2019 17:52
Guten Abend Dracos-Princess,

du hast es, neben zwei weiteren Autoren, geschafft mich zu einem Fan von Dramione werden zu lassen. Leider bin ich erst im Juli auf deine beiden FF saufmerksam geworden, sonst hätte ich sie bereits früher gelesen. Dabei muss ich zugeben, dass ich diese nun ein weiteres mal ausgekostet habe.

Du hast einen recht angenehmen Schreibstil, der weder redundant noch oberflächlich wirkt. Ich wollte immer mehr haben, mehr wissen, wie es sich weiter zwischen den beiden entwickelt, aber auch mit den anderen Charakteren. Insbesondere deine Interpretation von Blaise ist recht interessant, da er ganz anders, als in den Büchern und Filmen ist, obwohl er auch da unterschiedlich, wenngleich in zwei Richtungen, dargestellt wurde. Narzissa und Lucius sind faszinierend. Deine Darbietung mitsamt der sprachlichen Attitüde ist einzigartig. Das schafft nicht jeder.

Dein Spannungsaufbau ist gut gelungen, und du machst es natürlich noch spannender, da wir die Geschichte nicht sofort durchlesen können. So bleibt uns mehr Raum für Spekulationen.

In Kapitel 19 sind mir einige Rechtschreibfehler aufgefallen, die allerdings nicht den Lesefluss stören.

Liebe Grüße
dark-cherry-blossom

PS: Glückwunsch nachträglich, nach fast zwei Monaten :)
Antwort von:  Dracos-Princess
16.11.2019 14:35
Hallo :)

Wow, also das nenne ich mal ein Kompliment. Hab lieben Dank dafür... Ich habe mir deinen Kommentar jetzt mehrmals durchgelesen und ich weiß leider immer noch nicht so recht, wie ich mich bedanken kann für die lieben Worte.

Auch für dein Lob bzgl des Schreibstil bedanke ich mich. Ich nutze - und mir war das am Anfang gar nicht so bewusst - oft Synonyme, die sich hoffentlich aus dem Kontext heraus ergeben und es freut mich, dass du den Stil nicht als oberflächlich, gar redundant empfindest. Was die Charaktere angeht: Absolut. Blaise habe ich anders dargestellt als in den Büchern, weil ich in Blaise irgendwie nie jemanden sah, der böswillig ist. Keine Ahnung, ich finde seinen Charakter recht interessant und ich glaube, dass Draco einfach einen Freund braucht, der zu ihm steht und genau das sehe ich in Blaise. Eigentlich bin ich eine "Autorin", die den Charakteren ihre Facetten lassen will (ich hoffe, das gelingt mir bei den Hauptdarstellern?!) Da es aber recht wenig wissenswertes über Blaise gab, hab ich mir die Freiheit erlaubt, in ihm Dracos ruhenden Pol zu projizieren.

Tatsächlich? Uff, vielen Dank, dass du mich darauf aufmerksam machst. Ich finde es schrecklich, wenn sich zu viele Fehler einschleichen und bin daher umso glücklicher, wenn die Leser einen darauf aufmerksam machen. Zur Zeit hängt auch ein wenig meine Tastatur (nein, das soll keine Ausrede sein, hihi, aber ist wirklich so :O) Und ich finde es sehr gut, dass du das tust. Ich animiere meine Leser immer dazu, zu kritisieren - sofern Kritik sachlich bleibt. Nur so lernt man. Ich werde mir Kapitel 19 noch einmal durchlesen und sollte es wieder zu Fehlern kommen; bitte... Bitte schreib mir!

Hab ein schönes Wochenende :) *wink
Von:  BlackAmathia
2019-09-18T08:02:15+00:00 18.09.2019 10:02
Ja das Zimmer ist eindeutig =)
Uhh~ ich bin wirklich gespannt, wie er reagieren wird!
Bestimmt macht er sich Sorgen und vielleicht passiert jetzt mal etwas...naja intimes =)

Auch von mir Glückwunsch ^^
Bei mir sind es erst 3 1/2 Jahre ^^"
Von:  sama-chan
2019-09-15T18:00:24+00:00 15.09.2019 20:00
Natüüüüüürlich wissen wir, welches Zimmer das ist.
Viel Spannender sind jedoch die Fragen: Wie wird der Zimmerinhaber reagieren und was oder wer ist es, dass Hermine so in Angst und Schrecken versetzt? 😁
Freu mich schon auf das nächste Kapitel und bin gespannt, was du uns da wieder offenbarst! 😍

PS: Herzlichen Glückwunsch zum 14jährigen Jubiläum! 🍾
Von:  sama-chan
2019-09-15T17:48:04+00:00 15.09.2019 19:48
Oh Gott ich liebe deine FFs! Dein Schreibstil, die Charakterbeschreibungen, die Gedankengänge! Ich schmelze dahin! 😍
Und ich bin überglücklich, dass du deine FFs fortsetzt. Zwischenzeitlich hatte ich echt Angst, dass es ein appruptes Ende finden würde.
Und jetzt auf zum nächsten Kapitel! 😍
Antwort von:  Dracos-Princess
15.09.2019 20:06
Ach, du Liebe :>

Ich kann dir gar nicht oft genug danken. Du schreibst mir immer so liebe Zeilen - kann das gar nicht richtig würdigen. Und deine Lobgesänge erst - sie sind wunderbar.

Natürlich! Es wird kein abruptes Ende geben. Die Geschichte wird beendet! Ich mag es selbst nicht, wenn Geschichten unbeendet hinterlassen werden, was auch ein Grund war, dass ich kaum noch FFs lese (natürlich spielt der Zeitfaktor auch ne Rolle.) Aber ich sage es ganz deutlich: Cold wind blows wird beendet :)
Von:  BijouOMG
2019-09-15T07:12:18+00:00 15.09.2019 09:12
Awww. Ich bin ja eher eine stille Leserein, aber das Kapitel war einfach krass! Und ich muss ja gestehen, dass ich mich freue das Pansy damit nicht durchgekommen ist. Ich bin gespannt, was Hermine genau tun wird, wenn sie wieder bei vollem Bewusstsein ist und welche Gedanken sie bezüglich Draco hat. ♥
Die Beiden gehören einfach zu meinen Lieblingspaar. Mach weiter so! :)
Von:  Salada
2019-09-12T09:53:08+00:00 12.09.2019 11:53
Oh du bist wohl richtig im Schreibwahn was;)
Und ich bin jetzt mal so frei und sag, dass du Pansy nie leiden konntest xD
Freut mich so schnell wieder das nächste Kapitel zu entdecken. Ich liebe es:)

Vor allem weil wirklich viel passiert ist und Darco sich wohl allmählich endlich eingesteht, dass er mehr für den Lockenschopf übrig hat als gedacht.
Bis zum nächsten Mal.
Salada
Von:  BlackAmathia
2019-09-12T08:25:08+00:00 12.09.2019 10:25
o.O" WHAT?! Ich bin total überrascht...Pansy! Und so brutal...meine Güte...
Dracos Leistung hat mich aber auch überrascht. Ohne Zauberstab einen so mächtigen Zauber zu blocken. Krass ^^

@sama-chan Da bin ich auch gespannt, wobei - hätte sie ihren Zauberstab oder wäre nicht eingesperrt... *unschuldig pfeif*
Antwort von:  sama-chan
19.09.2019 18:09
@BlackAmathia
Oh ja da hast du Recht! XD *in pfeifen einstimm*


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