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Freunde und so

von

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Es klingt die Glocke, Stühle rücken,

munter tratschend, schreiend, lachend,

fleißig Pläne fürs Wochenende machend,

während Andere noch die Pausenbrote zücken.
 

Ich schließe mich den Massen an, die aus dem Zimmer drängen,

ein dickes Buch unter dem Arm und einen Apfel in der Hand.

Ein Grüppchen Teenager steht im Gang an der Wand,

jeden einzelnen davon überrage ich um Längen.
 

Ich stelle mich dazu. In zweiter Reihe.

Sie scherzen und lachen und machen Witze,

fragen mich, ob ich immer alleine sitze

und ob ich meiner Banknachbarin das verzeihe.
 

Es ärgert mich, doch trotzdem grinse ich.

Sage: „Selbst Schuld, wenn sie so viel durch Schwänzen verpasst“

„Stimmt es, dass du ihr dein Englischbuch geliehen hast?“

Missmutig nicke ich und verfluche mich dafür innerlich
 

Dann beginnt das alltägliche Spiel:

„Du, sag mal, hast du Mathe geschafft?

Ich hab´s probiert, aber echt nicht gerafft.

Kann ich es abschreiben? Ist ja nicht viel…“
 

Mit glückseligem Lächeln betrachten sie mich.

Der leere Stuhl ist plötzlich mehrfach besetzt

und meine soziale Ader wird sehr hoch geschätzt,

während Zahl um Zahl kopiert wird, fein säuberlich.
 

Kaum betritt die Lehrkraft den Raum,

verflüchtigen sich die -zumindest für Mathe-

besten Freunde, die ich hier hatte,

So schnell, man glaubt es kaum.
 

Die Nacht war zu kurz, das Buch viel zu lang.

Geflüchtet in Fantasiewelten in denen Ritter die Drachen nicht bedrängten,

sondern lernten hinter Fassaden zu blicken und Freundschaft schenkten.

In jedem Ende liegt doch ein neuer Anfang…
 

Ein mühsamer Versuch das Gähnen zu unterdrücken.

Von hinten tippt mich jemand an, schiebt mir einen kleinen Zettel zu.

„Maike“, steht dort. Nicht für mich. Ich reiche ihn weiter in aller Ruh´

und setze Wort für Wort in den Text mit den klaffenden Lücken.
 

Tausende Zettel und keiner für mich.

„Vielleicht suche ich mir einen Job bei der Post, füttere Wachhunde

und verteile Briefchen bis zum Schlag meiner letzten Stunde“,

tönt in mir eine bittere Stimme gedanklich.
 

Stundenwechsel, wenigstens das.

Meine Gedanken wandern von Deutsch zu Geschichte,

von Lückentexten zum Bundesverfassungsgerichte

und diversen Familiendramas.
 

Dramas hab´ ich selbst zur Genüge

seit meine Eltern sich tagein tagaus nur noch schreiend unterhielten

und ich mich zum –ach, wer weiß schon wievielten

Male fragte, wie ich reinpasse in dieses Gefüge.
 

„Tolles Mäppchen hast du da“,

stellt Maxi fest und gibt es weiter an Sarah.

Die sagt das auch und wirft es zu Clara.

„Stimmt, so eins will ich auch, oh ja!“
 

„Ach Blödsinn, meins ist viel schöner“,

ruft Lukas und wirft es zu Rosi. Doch die kann nicht fangen,

woraufhin es sich öffnet und ein paar Münzen raus sprangen.

„Prima, davon holen wir uns mittags ´nen Döner.“
 

„Ach, Leute. Bitte, lasst den Quatsch“,

bitte ich lachend, denn sie machen ja nur Scherze.

Es sind nur Kinder, jede Drohung eine Nebelkerze,

denke ich. Als nächstes ist mein Pausenbrot Matsch.
 

„Ich war das nicht, der da war es“,

schuldigt einer den anderen an bis alle lachen.

Genervt greife ich nach meinen herumfliegenden Sachen,

doch sie finden das lustig, finden ich mache Stress.
 

„Jetzt lasst das, das ist nicht mehr witzig!“

„Lasst das“, „nicht witzig“, äffen sie mich nach

und plötzlich bin ich in der Tratze und mach

mich zum Affen und das Spiel wird hitzig.
 

Nun hat auch noch jemand meinen Regenschirm gefunden,

so einen tollen faltbaren Knirps, in leuchtend rot.

„Wo gab´s denn so ein hässliches Teil im Angebot?“,

wird kommentiert und meine Sachen drehen weiter ihre Runden.
 

Inzwischen bin ich den Tränen näher als jemals zuvor,

schlucke sie krampfhaft herunter, damit niemand sie sieht.

Mit Schwung fliegt der Schirm und ehe Max es sieht, entzieht

Sich der Schirm seinem Griff und fliegt hoch empor.
 

Er knallt gegen die Decke und danach auf eine Tischkante.

Die Tür geht auf und meine Geschichtslehrerin komm herein,

alle huschen auf ihre Plätze und ich finde sie einfach nur gemein.

Alleine beginne ich mein Zeug einzusammeln, die einzige Konstante.
 

Manchmal ist es schlimmer, manchmal weniger

Und alles beginnt immer im Spaß.

Und dann verliert irgendwer sein Maß.

Und ich fühle mich immer armseliger.
 

An manchen Tagen sind es wirklich gute Freunde

Mit denen man tatsächlich gut reden kann.

Und an Tagen wie heute spüre ich es dann:

Das, was Freunde ausmachte. Das Versäumte…
 

Auf dem Nachhauseweg versinke ich in trüben Gedanken,

auch die Wolken sind trüb und schon komme ich vom Regen in die Trauf´.

Doch der Schirm ist verbogen -keine Chance-, ich krieg ihn nicht auf

Und ich finde nur mäßig Schutz unter den lichten Efeuranken.
 

Der Regen hat sich heimlich mit meinen Tränen gemischt,

weil die Welt gerade so furchtbar ungerecht ist.

Und während sich das alles wie Säure durch mich frisst,

hat meine Mama Zuhause das Mittagessen aufgetischt.
 

„Na, mein Schatz, wie war die Schule?“

„Alles wie immer. Ganz gut. Und bei dir?“

Hier Zuhause bin ich der unverletzliche Fakir.

Hier Zuhause bin ich nicht die Uncoole…
 

Ich habe die Schnauze voll!

Heute werde ich mit der Vertrauenslehrerin sprechen

Und ich hoffe sie kann die böse Routine brechen.

Ich schaffe das. Jawohl!
 

Nun stehe ich vor ihr, das Herz in der Hose.

Soll ich es tatsächlich wagen?

Soll ich es ihr wirklich sagen?

Noch vorhin waren die Bedenken machtlose…
 

In Gedanken war das so leicht, jetzt fehlen die Worte.

Was soll ich ihr sagen und vor allem wie?

Mach ich es falsch, bin ich die Petze und werde nie

Richtige Freunde finde an diesem trostlosen Orte…
 

Über was will ich mich denn beschweren?

Dass die Anderen mit mir reden, mir Aufmerksamkeit schenken?

Wenn ich das sage, wird sie sich ihren Teil denken.

Ich will nur, dass sie mit dem Blödsinn aufhören.
 

„Wenn ich dir zuhören soll, musst du was sagen wollen.“

Verschämt blicke ich auf meine Schuhe.

„Ich will doch nur meine Ruhe“,

bricht es heiser aus mir und bittere Tränen rollen.
 

Der Damm ist gebrochen, ich erzähl´ es lautstark:

„Eigentlich sind sie meine Freunde. Ich will nicht petzen und nicht die Böse sein,

aber sie nehmen meine Sachen weg und ich fühle mich dann so allein.

Schon ein paar Mal, nicht schlimm, aber gestern wurd´s mir zu arg.“
 

„Es ist gar nicht albern und hat nichts zu tun mit Bemitleidung“,

sagt sie und nimmt mich in den Arm.

Auf einmal fühle ich mich geborgen und warm,

Ich bin mir sicher, es war eine gute Entscheidung.
 

„Ist es dir recht, wenn wir alle mal miteinander reden?

Vielleicht ist ihnen gar nicht bewusst

Wie sehr du darunter leiden musst.“

Ich nicke, selbstbewusst werde ich die Konfrontation antreten.
 

„Oh“, sagen sie beschämt.

„Das wussten wir nicht“ und „das tut uns echt leid“.

Wir lächeln und geben uns die Hände auf eine bessere Zeit.

„Es wäre toll, wenn ihr euch netter benähmt.“
 

Ein neuer Schultag, ein neuer Versuch.

Hoffnungsfroh trete ich ins Klassenzimmer,

frei nach dem Motto „schlimmer geht immer“

und zur Not habe ich für die Pause noch ein Buch.
 

Ich sitze an meinem Tisch, mein Mäppchen vor mir,

meinen neuen Schirm in meiner Tasche und meine Brotbox auch.

Selten war es so ruhig hier.

Und trotzdem hab´ ich ein ungutes Gefühl im Bauch.
 

Es gongt zur ersten Pause und ich bin immer noch Luft.

„Katha? Alex? Leonie? Chris?“, spreche ich sie jeden einzeln an.

„Hallo?“, frage ich erstickt und tief im Herzen wird es mir bang,

während es hämmert und jammert und nach Erlösung ruft.
 

Doch niemand dreht sich um,

niemand sieht mich an.

Kein Blick jetzt und kein Blick dann.

Und stumm schreit mein Herz: „Warum?!“
 

Bin ich so schlecht?

Bin ich so verkehrt?

Wer bin ich, dass ihr mich Einsamkeit lehrt?

Für alles, was euch zu blöd ist, war ich euch recht…
 

Vorbei ist die zweite Reihe,

euer Kreis öffnet sich für mich nicht mehr.

Mein Selbstmitleid ist ein Meer

Und ihr darin die Haie.
 

Die Hoffnung stirbt schneller als die Pausen vergehen,

ziellos wandere ich jeden Tag durch das Haus.

Jede freie Minute dehnt sich wie Kaugummi aus,

niemals verweilen, niemand soll mich so sehen.
 

Nicht weinen.

Nicht weinen.

Nicht weinen.

Nicht heulen, hörst du?!
 

Überlebe die nächsten vier Jahre hier

und dich kann nichts auf der Welt mehr zerstören.

Dies beginne ich mir jeden Morgen zu schwören

Und es wird zu meinem Überlebenselixier.



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