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Meines Bruders bester Freund

von

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Prolog

„Seid ihr beide eigentlich völlig bescheuert?!“

 

Tja.

 

Wenn man in flagranti erwischt wird hat man, glaube ich, ein paar verschiedene Möglichkeiten.

 

Auf das schwarze Loch warten, das sich hoffentlich bald auftut und in dem man bis zum Sankt Nimmerleinstag versinken kann. Einen coolen Spruch bringen. Ärgerlich anmerken, dass man ja wohl anklopfen könnte, bevor man in ein Zimmer rein platzt, das nicht das eigene ist.

 

Es gäbe so viele Möglichkeiten.

 

Leider ist mein Hirn zu so einer Leistung gerade nicht fähig.

 

Mein Freund scheinbar auch nicht, denn der schiebt mich ziemlich rabiat von sich. Er sieht wahnsinnig erschrocken aus. Seine Lippen öffnen und schließen sich, doch kein Ton kommt heraus. Ein bisschen scheiße finde ich das schon – er ist immerhin der Ältere, der Erwachsene. Müsste er nicht das Ruder in die Hand nehmen?

 

Immer muss ich alles machen.

 

Dabei hat alles so völlig harmlos angefangen...

 

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Ich bin in Noah verknallt seit ich dreizehn bin.

 

Also, eigentlich bin ich schon immer in Noah verknallt, nur wusste ich mit vier, fünf Jahren natürlich noch nichts von der Liebe. Immer wenn Noah zu Besuch war, hat er mit mir gespielt, mir durchs Haar gewuschelt. Hat den Ball gekickt, wenn ich danach gefragt habe. Als Teenager hat man sicherlich besseres zu tun, als mit einem Kleinkind zu spielen, aber Noah hat das nie was ausgemacht. Er ist immer freundlich gewesen, hat sich Zeit für mich genommen – obwohl ich gestehe, dass ich sicherlich eine Nervensäge war. Mein Bruder, Bastian, ist davon noch heute felsenfest überzeugt.

 

Jedenfalls hat es in meinem Leben kaum einen Tag gegeben, an dem ich Noah nicht gesehen habe.

Im Sommer, wenn meine Eltern ihre Grillparties schmeißen, ist Noah Stammgast. In den Schulferien hat er oft ein oder zwei Wochen bei uns verbracht. Wir sind sogar schon mal zusammen in Familienurlaub gefahren, an den Gardasee. Da bin ich neun gewesen. Glaube ich.

 

Noah ist quasi adoptiert und gehört zur Familie.

 

Zu seinen eigenen Eltern hat er nämlich nie einen guten Draht gehabt.

Die waren in seiner Kindheit schon immer mega streng gewesen und haben sich nie viel um ihren Sohn gekümmert. Egal was er getan oder erreicht hatte, es war nie gut genug gewesen. Ich glaube er war oft traurig, aber meistens war ich noch zu jung um zu verstehen, wieso Noah manchmal so abwesend gewirkt hat. Wieso er manchmal ganz alleine mit Bastian reden wollte – so leise, dass ich nicht mal durchs lauschen rauskriegen konnte, was die so wichtiges besprechen.

 

Heute weiß ich, dass seinen Eltern ihre Berufe wichtiger waren als die elterliche Zuneigung zu ihrem Sohn. Solange er gute Noten mit nach Hause brachte und es keinen Grund für Klagen gab, war alles in Ordnung. Erfolgreich im Fußballverein, Abitur mit Bestnote bestanden, Jurastudium begonnen.

 

Jurastudium auf halber Strecke abgebrochen und stattdessen ein Pädagogikstudium angefangen.

Seine Eltern setzten ihn daraufhin vor die Tür. Noah hatte sich eine WG gesucht, nebenbei in einer Bar angefangen zu arbeiten und so seinen Lebensunterhalt bestritten. Ich glaube, es war manchmal ziemlich schwer für ihn, aber Genaueres habe ich nie mitgekriegt. Inzwischen arbeitet er in einer Jugend Wohngruppe und soweit ich das beurteilen kann, macht es ihm Spaß. Arbeitet immerhin schon fast zwei Jahre dort.

 

Ich war gerade dreizehn geworden und seit einiger Zeit ein bisschen verwirrt.

 

In der Schule haben sich die Jungs langsam für die Mädels interessiert. Die Mädels fanden die Jungs plötzlich auch interessanter als zuvor. Als ich einige Wochen zuvor mit Laura Anstandshalber rum geknutscht hatte – man muss ja Erfahrungen sammeln – fand ich das allerdings nur bedingt geil. Ich meine, jemanden küssen ist grundsätzlich eine ganz nette Sache. Aber weder fand ich Laura nett, noch die Tatsache, dass sie ein Mädchen war. Es war mir auch egal, dass sie eine der hübscheren Mädels aus der Klasse war. Und sie hatte schon ein klein wenig Busen. Die anderen Jungs hatten oft von ihr gesprochen und ich weiß noch, dass ich mich damals irgendwie cool gefühlt hatte, weil ich sie zuerst hatte küssen können. Naja. War halt nicht so geil wie es sich zuvor noch in meinem Kopf abgespielt hatte.

 

Als ich dann nach der Schule nach Hause kam, war Noah zu Besuch.

 

Es war Sommer und Bastian und er hatten sich im Garten im Pool abgekühlt bevor sie es sich auf den Sonnenliegen gemütlich gemacht hatten. Ich hatte eigentlich nur Hallo sagen wollen, aber als ich im Türrahmen der Terrasse gestanden bin, waren meine Knie seltsam quabbelig geworden. Mein Mund staubtrocken.

 

Noah war wahnsinnig schön.

 

Seine honigblonden Haare waren feucht vom Poolwasser, er hatte sie mit einem Tuch halbwegs trocken gerubbelt weshalb sie von allen Seiten abstanden. Anbetungswürdig. Seine Haut glich einem Karamellbonbon. Er hatte die Arme hinter seinem Kopf verschränkt, die Augen geschlossen. Die Sonne schien ihm auf den nackten Oberkörper und ließ vereinzelte Wassertropfen glitzern. Ich konnte sein Sixpack sehen und den schmalen, dunklen Schatten an Haar, der sich unterhalb seiner Badeshorts fortsetzte. DAS konnte ich zwar nicht sehen, aber ich wusste es. Seine Brust hingegen war haarlos und seine Achseln getrimmt. Mir war nach kaputt gehen.

 

Mein Herz bollerte in meiner Brust, in meinem Bauch flogen Kamikaze-Schmetterlinge umher und in meiner Sommershorts... au kacke. Es wurde gefährlich eng.

 

„Ey Giftzwerg, hast du nicht Klavierunterricht?“

 

Mein Bruder hatte mich bemerkt und seine Sonnenbrille auf den Kopf geschoben. Ich konnte noch sehen, dass Noah sich auf die Ellbogen aufstützte, dann war ich auf mein Zimmer gerannt.

 

Ab da war mir klar gewesen: Brüste fand ich nicht so geil. Schwänze hingegen schon. Also, jedenfalls Noahs, den ich zu dem Zeitpunkt zwar noch nicht kannte, ihn mir aber oft genug vorstellte. Und wann immer ich es nicht mehr aushalten konnte – und zum Spaß für zwischendurch – hatte ich beim onanieren an Noah gedacht. Das war am Anfang mega schwer, weil mein Körper einfach völlig verrückt spielte, wann immer Noah in meiner Nähe war. Und weil er ein fast täglicher Gast bei uns war, war das ein einziger Spießrutenlauf.

 

Ein halbes Jahr nach meinem dreizehnten Geburtstag brach Noah mir unbeabsichtigt das Herz.

 

Er hatte einen Freund.

 

Noah war schwul – und die nächsten vier Jahre die Hölle. Sein Freund, Frank, war echt nett. Jedenfalls so lange, bis er ihn betrogen und Noah mit ihm Schluss gemacht hatte. Das war vor ein paar Monaten, ich glaube drei. Vielleicht auch vier.

 

Seitdem ist Noah Single und ich der Meinung, dass ich endlich Nägel mit Köpfen machen muss.

 

Klingt soweit nicht weiter schlimm, oder?

 

Tja.

 

Noah ist der beste Freund meines Bruders.

 

Noah ist sechsundzwanzig, ich gerade siebzehn geworden.

 

Ich bin seit vier Jahren – bewusst – in den schwulen besten Freund meines Bruders verknallt, fast zehn Jahre jünger, gehe noch zur Schule und möchte endlich einen Freund haben.

 

Möchte Noah haben.

 

Und ich habe keinen Peil, wie ich das anstellen soll.

 



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Von:  Onlyknow3
2018-09-28T11:33:43+00:00 28.09.2018 13:33
Super Prolog, bin auf den rest gespannt.

LG
Onlyknow3
Antwort von:  eulenkueki
28.09.2018 16:16
Danke für das Lob!
Ich hoffe du hast auch weiterhin Freude daran.
Von:  Maginisha
2018-08-08T16:44:10+00:00 08.08.2018 18:44
Hey, der lockere Schreibstil gefällt mir, das Thema auch. Bin gespannt, was du daraus machst und lese mal weiter mit. :)
Antwort von:  eulenkueki
13.08.2018 11:40
Vielen Dank dir! Bin immer etwas unsicher, wie der "jugendliche Mundsprache"-Stil ankommt und umso mehr beruhigt, dass es positiv aufgenommen wird.
Von: abgemeldet
2018-08-08T12:44:47+00:00 08.08.2018 14:44
Ach du Schande, was für ein Schlamassel... Klingt aber sehr vielversprechend, was du dir da ausgedacht hast, bin schon sehr gespannt, wie es weitergeht.
Ich mag deinen Schreibstil, dir gelingt es sehr gut, auf trockene Art einen subtilen Humor durchscheinen zu lassen. Nur weiter so! :)
Antwort von:  eulenkueki
13.08.2018 11:38
Danke dir! Ich war ein bisschen unsicher, wie das Thema ankommt, aber ich mag das "Schlamassel" wirklich gerne und bin selber ganz gespannt, wie es verlaufen wird ;)
Von:  Phoenix-of-Darkness
2018-08-08T11:01:59+00:00 08.08.2018 13:01
So super geschrieben.
Ich bin gespannt wie es weiter geht und mir gefällt die Art wie du schreibst sehr.
Antwort von:  eulenkueki
13.08.2018 11:36
Vielen lieben Dank dir!
Es freut mich, dass dir mein Schreibstil gefällt - der ist zuweilen in dieser Art ja doch eher speziell, weshalb es mich umso mehr freut, dass er gut ankommt. <3


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