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Meines Bruders bester Freund

von

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Als ich das nächste Mal meine Augen öffne frage ich mich, seit wann mein Bett so groß ist. Und mein Zimmer so ungewöhnlich hell? Ich drehe mich auf den Rücken (bin passionierter Bauchschläfer) und starre an die Decke. Da hängt eine Ventilatorlampe. Echt cool, so was will ich später auch haben.

 

Warm ist es trotzdem, weshalb ich erstmal die Decke von mir runter strampeln muss.

Wo ist denn mein Tshirt?

 

Verwirrt setze ich mich auf und stelle fest, dass ich nur meine Shorts trage. Meine Klamotten... wo sind die?! Ich schaue mich um und der Hammer trifft meinen Schädel irgendwie unvorbereitet.

 

Ich bin bei Noah.

 

In seinem Wohnzimmer.

 

Auf der Couch.

 

Und ich trage nur meine Unterwäsche und... ach du Heiliger, ich muss ganz schnell ins Badezimmer! Wieso bin ich fast nackt?! Ich habe... was ist gestern passiert?

 

Ich habe Maxi im Horizon geküsst.

 

Dann bin ich abgehauen und...

 

So, wie Menschen über Nahtoderfahrungen berichten, zieht der vergangene Abend an mir vorbei wie ein Film. Ach du großer Gott. Beim Allmächtigen. Oh Gott!

 

Ich habe Noah geküsst. Schon wieder. Und... Noah hat mich auch geküsst?!

 

Der Gedanke daran lässt mein Gesicht heiß werden. Von meinem Schoß will ich gar nicht erst anfangen. Scheiße, das ist verflucht unangenehm. Und noch peinlicher ist ja wohl die Tatsache, dass ich gestern eingeschlafen bin?! So was passiert doch nur in irgendwelchen Büchern. Wie kann ich bitte nach einem Kuss mit Noah – MIT NOAH – einfach so einschlafen?! Ich muss ja völlig weg gewesen sein wenn ich noch nicht mal mitgekriegt habe, dass er mich scheinbar ausgezogen hat. Oh Mann, ich hätte zu gerne irgendeine Erinnerung seiner Hände auf meiner Haut... ob er mich wohl... äh, attraktiv findet?

 

Ich lasse diesen Gedanken ganz schnell wieder fallen und greife nach meinem Handy, das neben meinen Schlüsseln auf dem Couchtisch liegt. Scheiße, der Akku ist leer. Ich schaue mich um, finde jedoch keine Uhr. Grr! Jeder hat doch wohl eine Uhr im Wohnzimmer hängen, oder?!

Vorsichtig stehe ich auf und bete, dass es hier irgendwas gibt womit ich die Peinlichkeit zwischen meinen Beinen verstecken kann. Nichts. Außer die riesige Decke, in die ich mich aus Hitzegründen allerdings nicht einwickeln möchte. Ich schleiche zur geschlossenen Wohnzimmertür und lausche.

 

Nichts.

 

Ganz vorsichtig öffne ich die Tür und denke noch, dass die super geölt ist, weil sie keinen Laut von sich gibt. Mein Kopf schiebt sich durch den Spalt. Der Flur liegt halbdunkel da, ich höre kein einziges Geräusch. Keine Dusche, kein Küchengeklimper. Wo sind meine Klamotten?!

 

Von meiner Position aus kann ich die Haustür links sehen, mir schräg gegenüber befindet sich eine halb offene Tür, weiter rechts runter ist noch eine Tür – die ist geschlossen. Links von mir befindet sich auch eine Tür, durch die ein kleiner Lichtkegel auf den Boden fällt.

Auf Zehenspitzen schleiche ich auf die halboffene Tür schräg gegenüber zu und bemerke weiße Fließen. Oh Gott sei Dank, das Badezimmer!

 

Schnell schlüpfe ich hinein, bin erleichtert bis in den Tod und schließe ab. Danke Noah, dass man dein Bad abschließen kann!

Aufmerksam schaue ich mich um. Er hat eine große walk-in Dusche mit Regenduschkopf. Oh wow. Ich muss mir direkt vorstellen... nein, besser nicht. Also, doch, aber... erstmal brauche ich ein Handtuch. Das finde ich in einem Schrank. Auch das Bad hat ein Farbkonzept in grau-grün wie sein Sofa, mal abgesehen von den durchgehend weißen Fließen. Meine Klamotten sehe ich hier aber auch nirgends.

 

Egal.

Ich schäle mich aus meiner Shorts, renne quasi in die Dusche, stelle das Wasser an und kann meine Hand gar nicht so schnell bewegen wie ich kommen will. Das muss man sich doch mal auf der Zunge zergehen lassen. Ich stehe in Noahs unverschämt großen Dusche und hole mir einen runter. Es braucht nur wenige Gedanken an meinen Schwarm bevor ich komme und mir auf die Unterlippe beißen muss. Das war verdammt nötig.

Muss erstmal tief durchatmen bis sich mein Körper beruhigt hat. Erst dann schaffe ich es, mich zu waschen und benutze Noahs Produkte, die in einer Wandeinlassung zu finden sind. Das ich nach ihm riechen werde jagt mir eine kleine Gänsehaut über den Körper. Der Duft nach Zitrusfrüchten wirkt bei den Temperaturen wirklich erfrischend. Muss mir auch direkt die Haare waschen, damit ich auch ja von Kopf bis Fuß nach Noah rieche. Hoffentlich fange ich nicht an, an mir selber zu riechen...

 

Nachdem ich sicher sein kann, dass alle verräterischen Spuren restlos beseitigt sind, stelle ich das Wasser aus, ziehe das Wasser von der Glaswand mit dem Scheibenwischer ab und trockne mich mit dem Handtuch ab. Das ist im Übrigen dunkelgrau. Hätte Noah gar nicht zugetraut, dass der so ein durchdachtes Farbkonzept hat. Andererseits... was weiß ich schon von ihm?! Auf jeden Fall ist er sehr ordentlich und sauber, das ist mir schon gestern Abend aufgefallen. Seine Wohnung sieht bisher aus wie aus einem Katalog abfotografiert.

 

Angenehm ist es zwar nicht, aber ich kann nur meine Shorts von gestern anziehen. Immerhin sind da keine Flecken drin...

Das Tuch hänge ich über eine Halterung, öffne das Badezimmerfenster zum Lüften und wage mich dann nach draußen. Küchengeräusche dringen an meine Ohren und ich finde, dass ich noch nicht bereit bin, Noah zu sehen. Dabei will ich ihn so gerne sehen. Oh weia, wie peinlich ist das bitte, wenn er mich nur in Shorts sieht?! Das er das gestern Abend / Nacht ja eh schon gesehen hat, versuche ich mal auszublenden. Da bin ich immerhin scheinbar bewusstlos gewesen, wenn ich wirklich gar nichts mehr davon weiß. Vielleicht waren da ja auch K.O. Tropfen in dem Tee?

 

Tief durchatmend folge ich den Geräuschen und dem herrlichen Duft, bis ich in der... grau-roten Küche stehe. Ha! Sein Farbkonzept ist durchbrochen! Darüber kann ich allerdings nicht lange nachdenken, denn am Herd steht eine Lichtgestalt.

Ich rieche Pancakes.

Ich will Noah heiraten.

 

Er dreht den Kopf zu mir, den Pfannenwender in der einen, den Griff der Pfanne in der anderen Hand. Wie er da so steht, gibt er den perfekten Hausmann ab. Ein Lächeln huscht über seine Lippen.

 

„Guten Morgen! Hast du gut geschlafen?“

 

Das ist eine gute Frage. Tatsächlich fühle ich mich ziemlich erholt und seltsam entspannt. Wann habe ich mich das letzte Mal so gefühlt? Also, abgesehen von all den Gedanken, die mir sofort in den Kopf schießen. Zum Beispiel, ob Noah gerade wirklich seinen Blick über meinen Körper hat wandern lassen oder ob ich mir das nur eingebildet habe?! Ich verschränke die Arme vor meiner Brust und nicke zaghaft. Glaube nicht, dass ich gerade einen Ton raus bringe. Noah lacht nur leise, während er die Pancakes wendet.

 

„Entschuldige, ich habe deine Sachen gewaschen. Die sind auf dem Balkon, müssten eigentlich schon trocken sein.“

 

Er wedelt mit dem Pfannenwender in Richtung besagten Balkons, der von der Küche abgeht. Nicht gerade sehr groß, aber ein Tisch mit zwei Stühlen und ein Wäscheständer passen drauf. Da hängen meine Jeans, mein Tshirt und meine Socken. Noah selbst trägt nur eine Shorts und ein Tshirt und mir fällt auf, dass er – wie Hannah es wohl formulieren würde – einen absoluten Knackarsch hat. Mir wird ein bisschen schwindelig, als ich seine langen, nackten Beine sehe. Der blonde Flaum macht mich wahnsinnig. Seit wann stehe ich auf Körperbehaarung?! Naja, Noah ist eben ein Mann... meine Körperbehaarung lässt eher zu wünschen übrig.

Ich schiebe mich vorsichtig an Noah vorbei, denn im Gegensatz zum Wohnzimmer ist die Küche eher klein. Sie besteht nur aus einem kleinen, hohen Tisch mit zwei Barstühlen, einer Küchenzeile und einem Regal mit diversen Körben, dessen Inhalt ich nur erahnen kann. Sieht jedenfalls alles sehr organisiert aus.

Als ich die Tür zum Balkon öffne, schlägt mir direkt eine Wärmefront um die Ohren. Ich will wieder duschen gehen. Aber erstmal ziehe ich mich an, Socken und Jeans zuerst. Das Tshirt ziehe ich mir über, während ich gerade wieder rein gehe und... wendet Noah gerade ganz schnell den Kopf wieder ab oder habe ich mir das auch eingebildet? Vielleicht bilde ich mir ja auch nur ein, dass Noah mich eventuell beobachten könnte... nach gestern Abend.

 

„Ähm... ich sollte bald gehen...“, melde ich mich endlich zu Wort und streiche mein Tshirt etwas glatt. Noah schnalzt nur mit der Zunge und deutet auf den Tisch.

 

„Quatsch. Erst wirst du was frühstücken. Trinkst du Kaffee?“

 

Er drapiert die Pancakes auf zwei Teller und garniert sie mit frischen Beeren und Ahornsirup. Also, meinetwegen kann er immer für mich Frühstück machen. Hätte ich kein Problem mit. Grr, wenn Bastian bei ihm übernachtet kriegt der bestimmt immer so was tolles vor die Nase gesetzt. Bloß nicht grün werden, Konstantin...

 

„Nee... hast du Cappuccino da?“

 

„Klar.“

 

Noah schmeißt den Wasserkocher an und ich versuche ein bisschen zu helfen, indem ich die Teller auf den Tisch stelle. Besteck... wird ja wohl in der Schublade sein, oder? Auf gut Glück ziehe ich die größte Schublade raus und BINGO, ich finde alles, was wir brauchen. Es fühlt sich etwas seltsam an, so selbstverständlich in Noahs Küche herum zu hantieren, aber ihn scheint das gar nicht zu stören. Er kramt zwei Tassen aus einem der Hängeschränke hervor, kippt etwas Cappuccino Pulver rein und stellt sie auf den Tisch. Zwei Gläser und Orangensaft in einer Karaffe folgen. Schon komisch, dass man Orangensaft immer erkennt, ohne davon probieren zu müssen.

 

Weil ich sonst nichts mehr mit mir anzufangen weiß, setze ich mich auf einen der Stühle und warte auf Noah, der das kochende Wasser schließlich in unsere Tassen füllt. Anschließend sitzt er mir gegenüber und lächelt mich an.

 

„Das Rezept haben mir die Kids aus der Wohngruppe gegeben. Wenn es also nicht schmeckt, ist es nicht meine Schuld.“, grinst er mich beinahe frech an und zwinkert mir zu. Mir ist nach dahinschmelzen. Weil ich aber nichts sagen kann, ohne mich zum Vollidioten zu machen, fange ich an, meinen super leckeren Pancake zu... verschlingen. Mensch, ich hab echt Hunger, wie mir auffällt. So ein Sonntagsfrühstück tut wirklich gut und das ich es mit Noah verbringen kann ist noch viel, viel besser.

 

Wenn man mal davon absieht, dass wir eigentlich einen ziemlichen Elefanten in dieser kleinen Küche stehen haben. Noah verhält sich wie immer: freundlich, aufmerksam, höflich distanziert und doch gibt er mir das Gefühl, irgendwie dazu zugehören. Wozu auch immer.

 

Was ist denn das jetzt mit uns? Denkt er darüber auch nach? Also, über den Kuss. Weil er mich ja durchaus geküsst hat, das ging nicht nur von mir aus, um das nochmal fest zuhalten. Warum hat er das eigentlich gemacht? Die Gunst der Stunde genutzt, mal wieder jemanden zu küssen? Aus Versehen? Weil er mich trösten wollte? Oder... könnte es sein, dass er mich vielleicht auch... mag?

 

Ich spüre, wie mein Gesicht bei diesen Gedankengängen warm wird und trinke direkt ausgiebig von meinem Cappuccino. Es ist Karamell-Krokant! Mein absoluter Favorit. Keine Frage: Noah liebt mich! Bilde ich mir jedenfalls ein. Hoffe ich verzweifelt.

 

Wir frühstücken schweigend, was mir nur zum Teil unangenehm ist. Ich bemühe mich, Noah nicht anzuschauen, was ich gleichzeitig aber auch furchtbar unhöflich finde. Allerdings weiß ich nicht, was ich sagen oder tun soll. Das wir über gestern Abend reden müssen, liegt auf der Hand. Ich muss auf jeden Fall darüber reden. Und Noah sollte das auch, immerhin hat er ja doch eine gewisse Verantwortung, oder? Nicht, dass ich das irgendwie auf ihn abwälzen möchte, aber... er kann ja nicht einfach so tun, als wäre nichts gewesen, oder? Andererseits... wenn wir jetzt darüber reden, wie geht es dann weiter? Zu irgendeinem Ergebnis müssen wir ja kommen und ich möchte mich eigentlich nicht mit einem Korb zufrieden geben müssen. Oh Mann. Irgendwie hat diese ganze Sache mit Noah in meinem Kopf noch so viel positiver geklungen. Eigentlich habe ich mir quasi schon ausgemalt, dass wir eines lieben Tages Hand in Hand über den Weihnachtsmarkt spazieren werden, uns beim Filme gucken aneinander kuscheln und so... und dann nicht zu Ende schauen, weil wir anderweitig miteinander beschäftigt sind.

 

Jetzt wird mir bewusst, dass diese Vorstellung zerplatzen kann wie eine Seifenblase. Und es liegt nicht an mir, sondern an Noah. Vielleicht habe ich mir das ja auch alles viel zu einfach vorgestellt? Für mich hat es immer nur Noah gegeben. Ich kann mir gar keinen anderen als meinen (ersten) Freund vorstellen. Und eigentlich möchte ich auch bis in alle Ewigkeiten mit ihm zusammen bleiben, aber an diesen Punkt müssen wir überhaupt erst einmal kommen.

 

Das scheint jedoch nicht sehr bald zu sein, denn nach dem Frühstück räumen wir gemeinsam seine Spülmaschine ein, die anderen Sachen weg und Noah verabschiedet sich gerade ins Bad, weil er schnell duschen geht. Ich solle es mir doch im Wohnzimmer gemütlich machen. Ich weiß ja nicht, wie ich es mir gemütlich machen soll, wenn ich daran denken muss, dass Noah nackt in der Dusche steht. Ich meine, ist ja logisch, dass er nackt ist, aber... puh. Ganz schön anstrengend, ein verliebter Teenager zu sein.

 

Im Wohnzimmer fällt mir auf, dass die Bettdecke, Kissen und das Laken weg sind. Alles sieht aus, als hätte ich nie hier geschlafen. Ein bisschen drückt mir das ja schon auf den Schuh, aber das will ich mal ignorieren. Stattdessen stelle ich mich an das riesige Fenster und genieße den Ausblick. Ich kann einen Kirchturm sehen, den Fluss, die Stadt. Schön wohnt er hier, stelle ich fest. Wenn man hier den Sonnenauf- oder Untergang anschaut, sieht die Stadt bestimmt mega schön aus, nicht nur grau und schwarz und trist.

 

Ich muss mit Noah reden. Unbedingt. Trotzdem kriege ich erstmal einen Schreck, als der irgendwann im Türrahmen steht. Habe gar nicht bemerkt, dass er schon wieder da ist! Das ging ja wirklich schnell.

 

„Bist du soweit?“, erkundigt er sich und strubbelt sich mit beiden Händen etwas durch das noch feuchte Haar. Wahnsinn, ist der schön. Er trägt eine knapp knielange Jeansshorts und ein einfaches Tshirt mit V-Ausschnitt. Am linken Handgelenk hat er eine recht große, schwarze Uhr.

 

„Noah, wir müssen reden.“, stelle ich klar und fühle mich ein bisschen idiotisch, weil wir an zwei völlig unterschiedlichen Enden des Wohnzimmers stehen. Größer kann der Sicherheitsabstand wohl nicht mehr sein. Vorsichtig suche ich nach Anzeichen von... keine Ahnung, Abneigung, Unwohlsein, Verärgerung oder dergleichen in Noahs Gesicht. Er sieht mich jedoch nur völlig... normal an.

 

„Worüber denn?“

 

Bilde ich mir das ein, oder ist der wirklich verwirrt? Muss ihm wohl auf die Sprünge helfen. Mutig verringere ich den Abstand zwischen uns und bleibe vor ihm stehen. Er riecht nach mir. Also, er riecht nach sich selbst, aber wir riechen gleich... Mann, ich will mich in seine Arme schmeißen. Es kostet mich einiges an Überwindung, um ihm in die Augen zu sehen.

 

„Über gestern Abend?“, schlage ich vielleicht ein klein bisschen gereizt vor und bin doch etwas erschrocken, als mir Noahs harter Ausdruck in den Augen auffällt.

 

„Da gibt es nichts zu reden. Ich habe Bastian geschrieben, dass wir auf dem Weg sind, also sollten wir jetzt los.“

 

Will der mich verarschen?

 

Ich stehe meinen Teenager und bleibe stur stehen.

 

„Wir haben uns geküsst.“

 

„Was ein Fehler war.“

 

„Ich bin in dich verliebt.“

 

Hoppla, seit wann geht mir das denn so einfach über die Lippen?

 

Warum habe ich das die letzten vier Jahre nicht auf die Kette gekriegt? Naja gut, wegen Frank. Aber ich hatte inzwischen ja oft genug die Gelegenheit gehabt. Jetzt, wo es raus ist, fühle ich mich seltsam erleichtert. Als wäre eine viel zu schwere Last endlich von mir abgefallen.

 

Noah sieht ein wenig geschockt aus, wenn ich sein Gesicht richtig deute? Keine Ahnung.

 

„Konstantin, dir ist doch klar, dass das nicht geht, oder?“

 

Der will mich verarschen, oder wieso redet der mit mir wie mit einem Kind?!

 

„Wieso hast du mich dann geküsst?“

 

Das scheint eine sehr gute Frage zu sein, denn er antwortet nicht.

 

„Wir sollten jetzt los.“, weicht er aus und will gehen, ich halte ihn am Arm zurück. Sieht ein bisschen lächerlich aus, weil ich so viel kleiner bin als er. Er schaut zwar auf meine Hand an seinem Arm, macht aber keine Anstalten, diesen Kontakt zu unterbinden.

 

„Lass mich jetzt nicht einfach hier stehen, Noah! Hast du denn gar nichts dazu zu sagen?“

 

Ups, meine Stimme überschlägt sich ein bisschen. Mann, das läuft aber auch alles nicht so, wie ich das gerne hätte. Oder wie es in irgendwelchen Büchern so läuft. Ob ich Hannah zur Rede stellen sollte? Ich merke mir das für später mal vor.

 

„Du bist siebzehn und der kleine Bruder meines besten Freundes. Was muss ich dazu noch sagen?“

 

Ich wusste es! Es ist wegen Bastian. Das Alter kann man ja noch ignorieren, weil es legal wäre, schließlich würde er mich zu nichts zwingen und ich bin mir völlig im Klaren darüber, was zwischen und laufen wird. Also, hoffentlich laufen wird.

 

Allerdings weiß ich auch nicht so wirklich, was ich von ihm hören will. Eine Liebeserklärung ist wohl etwas zu viel verlangt, oder?

 

„Wäre es anders, wäre ich achtzehn?“

 

Noah verdreht die Augen und schüttelt nun doch meine Hand ab.

 

„Diese Diskussion ist beendet. Wir gehen jetzt.“

 

Noah stiefelt von dannen, ich schnappe mir mein Handy und die Schlüssel und folge Noah hinaus auf den Flur. Wir schlüpfen in unsere Schuhe, Noah öffnet mir die Tür und lässt mich vorgehen. Als er abgeschlossen hat drückt er auf den Knopf für den Aufzug. Die Fahrt im Aufzug nach unten verbringen wir schweigend, wir würdigen uns keines Blickes. Vielleicht hätte ich einfach meine Klappe halten sollen. Vielleicht hätte ich meine Gefühle für Noah einfach ignorieren und lieber was mit Maxi anfangen sollen. Der ist immerhin nur zwei Jahre älter und nicht der beste Freund meines Bruders. Passt doch alles, oder?!

 

Draußen trifft mich fast der Schlag, als wir die Straße lang laufen und scheinbar nach Noahs Auto suchen. Mann, ist das heiß. Das ist mir oben in seiner Wohnung noch nicht aufgefallen. Da ist es nämlich verhältnismäßig kühl. Steigt Hitze nicht eigentlich nach oben? Muss Noah bei Gelegenheit mal fragen, ob der irgendeinen Geheimtrick hat. Aber so verkrampft wie das zwischen uns ist, werden wir die nächste Zeit wohl nicht miteinander reden.

 

Sein Auto steht etwas weiter weg von seiner Wohnung im Schatten eines Wohnhauses, wir steigen ein, schnallen uns an, Noah fährt los. Dieses Mal sitze ich ganz bewusst vorne, wirklich genießen kann ich es aber nicht. Wenn ich Hannah erzähle, dass ich Noah endlich meine Liebe gestanden habe, wird sie doch erwarten, dass nun alles total schön und toll und meine Geschichte damit vorbei ist, oder? Ich muss wohl arg geistig umnächtigt gewesen sein, wenn ich etwas ähnliches geglaubt habe. Meine Panik ist reiner Selbstschutz gewesen: ein Teil in mir hat wohl geahnt, dass es so ausgehen wird.

 

Denn sind wir doch mal ehrlich: Noah würde sich niemals mit mir einlassen. Der hat mich als Baby auf'm Arm gehalten. Er ist bei meiner Einschulung in der Grundschule dabei gewesen. Im Familienurlaub am Gardasee hat er mir einen Splitter aus dem Fuß gezogen, weil ich meinem Vater – trotz dessen er Arzt ist – nicht getraut habe. Bastian hat damals gesagt, man solle mir den Fuß direkt abhacken. Er war also auch nicht in Frage gekommen und meine Mama kann leider kein Blut sehen.

 

Vielleicht sind Noah und ich ja auch einfach nicht füreinander bestimmt? Nicht, dass ich an so einen Krams glaube, aber wenn es nach ihm geht, kann ich mir das mit uns ja wohl aus dem Kopf schlagen, oder?

 

Mies gelaunt starre ich aus dem Fenster und wünsche mir, dass der scheiß blaue Himmel grau und schwarz wird, sich die blöde Sonne verpisst und es Sturzbäche regnet. Aber wie immer läuft es ja nicht so, wie ich das gerne hätte, was ich sagenhaft unfair finde.

 

Genauso unfair wie die Tatsache, dass wir schließlich in der Einfahrt zu unserem Haus hinter dem Auto meiner Eltern halten. Noah schnallt sich ab und scheint schon aussteigen zu wollen, ich bleibe sitzen. Ich kann da jetzt nicht rein gehen. Erstens, was soll ich sagen, wieso ich bei Noah gewesen bin? Das Horizon ist nicht mal in seiner Nähe. Zweitens, was soll ich sagen, wieso ich jetzt nicht mehr normal mit Noah umgehen kann?

 

Ich muss mir die Augen reiben und sie einen Moment schließen. Mir ist das gerade alles zu viel. Neben mir höre ich Noah tief durchatmen, er bleibt ebenfalls sitzen. Sein Auto ist nicht unbedingt klein, aber auch nicht sehr groß, so ein gutes Mittelding, aber es kommt mir vor, als wären wir uns einerseits zu nah und andererseits zu weit voneinander entfernt. Das macht überhaupt keinen Sinn, wie mir im Nachhinein auffällt.

 

„Hör mal, Konstantin...“

 

Wenn der noch einmal heute meinen Namen sagt, raste ich aus!

 

„Ich habs verstanden, okay? Lass es einfach sein. Was sagen wir wieso ich bei dir war?“

 

„Hannah hat dich ins Spirit mitgeschleppt?“, schlägt Noah vor und ich schüttle mal schnell den Kopf.

 

„Hannah liegt flach. Aber Maxi war ja dabei, also hat Maxi mich ins Spirit geschleppt, ich habe ein bisschen über den Durst getrunken und konnte nicht mehr nach Hause, weshalb ich zu dir gegangen bin. Das heißt, ich kriege für die nächsten tausend Jahre Hausarrest und Bastian liegt mir in den Ohren, was ich bei dir zu suchen habe.“

 

Bilde ich es mir nur ein, oder sieht Noah bei Erwähnung von Maxi etwas angepisst aus? Muss wohl die Hitze sein, die vernebelt mir schon völlig das Hirn.

 

„Wenn du jemanden zum Reden brauchst...“

 

„... dann komme ich ganz bestimmt zu dem Mann, den ich liebe, der mich aber nicht liebt, weil ich der kleine Bruder seines besten Freundes bin, aber küssen ist okay? Klar. Jederzeit.“

 

Ich hab die Faxen dicke, schnalle mich ab, steige aus und ignoriere Noah, der mir folgt. Als ich die Haustür aufschließe, strecken alle die Köpfe aus der Küche in den Flur. In unserem Flur hängt übrigens eine Uhr – es ist fast zwölf am Mittag. Wie lange habe ich eigentlich gepennt? Und wie lange bin ich bei Noah gewesen?

 

Egal.

 

„Hallo.“, murre ich und renne auf mein Zimmer, ohne noch irgendwas zu sagen. Kann Noah mal zusehen, wie er das jetzt glatt bügelt, der Arsch!

 

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Ich finde die Schule zwar nicht scheiße, aber ich bin zum ersten Mal richtig froh im Matheunterricht zu sitzen anstatt daheim in meinem Zimmer.

 

Als Noah mich am Sonntag nach Hause gebracht hat, hat er wohl noch kurz mit meinen Eltern und Bastian gesprochen, dann habe ich ihn wegfahren sehen. Mein Vater hat keine zwei Sekunden später mein Zimmer gestürmt und ziemlich böse mit mir geschimpft. Was mir denn einfallen würde, mich so voll laufen zu lassen und dann auch noch bei Noah aufzutauchen. Ich habe mich ja noch bemüht, mich zu entschuldigen und alles, aber davon wollte Paps nichts hören. Der ist völlig ausgetickt und hat mir einen Vortrag über mein mangelndes Verantwortungsbewusstsein mir selbst und anderen gegenüber gehalten. Vielleicht gibt es ja auch irgendwas anderes, was ihn gestört hat, denn er wollte gar nicht mehr aufhören und hat plötzlich tausend Gründe gefunden, wieso er mich zur Schnecke machen kann. Mein Zimmer sei ein Saustall – naja, ich bin nicht mega ordentlich, aber wenigstens verschimmelt kein Pausenbrot irgendwo hinter meinem Schreibtisch – ständig würde ich weg gehen, immer irgendwo anders pennen, die Schule vernachlässigen und hoffen, dass mich mein Klaviergeklimper (ja, das hat er so gesagt) schon irgendwie retten wird.

 

Nicht, dass wir uns falsch verstehen: ich habe ein sehr gutes Verhältnis zu meinen Eltern, sie sind nicht übertrieben streng, ich habe eigentlich durchaus viele Freiheiten. Trotzdem setzen sie mir Grenzen und Konsequenzen, wenn es nötig ist. Und vermutlich ist das am Sonntag nötig gewesen. Jedenfalls habe ich jetzt einen Monat Hausarrest und bevor nicht alle Hausaufgaben und eine Stunde lernen am Tag erledigt sind, darf ich nicht auf meinem Flügel spielen. Ich finde ja, dass ist ganz schön übertrieben für eine Sache, die ja so gar nicht passiert ist... und selbst wenn es so wäre, es ist ja nichts dramatisches gewesen. Naja, sagen wir mal... Paps hat ausgesehen, als würde er mich am liebsten erdrosseln, als auch nur ein einziges Wort von mir zu hören.

 

Nachdem er dann mit seiner Standpauke fertig war, kam wenig später Bastian in ein Zimmer gepoltert und stellte mich zur Rede. Was diese Aktion denn sollte und ob ich nicht ganz bei Trost gewesen wäre, einfach so bei Noah aufzutauchen. Kurz war ich versucht gewesen zu fragen, ob er eifersüchtig sei, habe aber klugerweise meinen Mund gehalten. Bastian, der mir auch noch einen rein würgt, hatte mir gerade noch gefehlt. So eine scheiß Aktion solle ich mich nicht nochmal wagen, Noah hätte genug um die Ohren und kann einen kleinen Teenager, der ihm die Wohnung vollkotzt, nicht gebrauchen. Dann ist er gegangen und hat die Tür zugeknallt. Mich hat das ja in eine kleine Lebenskrise gestürzt, denn... hat Noah genug um die Ohren? Ich meine, seine Arbeit in dieser Jugendwohngruppe ist sicherlich nicht gerade ein Ponyhof, oder? Da geht es um Jugendliche, die mal abgehauen sind, Drogen genommen haben, psychische Probleme haben und so was und jetzt wieder langsam an ein eigenständiges, eingegliedertes Leben herangeführt werden. Manchmal hat er auch vierundzwanzig Stunden Schichten und das ist bestimmt mega anstrengend. Aber eigentlich wirkt er trotzdem immer recht entspannt? Andererseits... wir reden ja auch nie über seine Arbeit. Das er mir so was nicht erzählt ist ja irgendwie logisch. Das sind immerhin Kids in meinem Alter. Ein bisschen befremdlich ist das schon, wenn ich ehrlich bin.

 

Auch wenn ein einmonatiger Hausarrest etwas übertrieben ist, bin ich doch eigentlich ganz froh, wenn ich in der Schule bin. Da denke ich nämlich nicht so viel über Noah nach, weil ich aufpassen muss, dass ich nichts Wichtiges verpasse. Mir fällt es ein bisschen schwer, mich zu konzentrieren. Das geht jetzt schon seit einer Woche so und ich muss mir wirklich jeden verdammten Mist aufschreiben, weil ich dem Unterricht sonst nicht folgen kann. Hannah kann mir leider auch nicht helfen – die hat nämlich eine richtig fiese Sommergrippe entwickelt und ist zum Bazillenmutterschiff mutiert. Naja, wenigstens laufe ich nicht Gefahr, mich bei ihr anzustecken. Jetzt auch noch Stoff in der Schule zu verpassen kann ich mir echt nicht leisten.

 

Im Übrigen habe ich mit Maxi geredet.

 

Das war direkt am Montag nach dem Wochenende, an dem wir uns geküsst haben. Habe mich bei ihm entschuldigt und die Sache erklärt. Und ihm alles erzählt. Das ich unglücklich verliebt bin, dass es eine komplizierte Situation ist... naja, dann habe ich ihm auch das erzählt. Maxi weiß jetzt über Noah und Bastian Bescheid. Er hat ganz in Ruhe zugehört und mich dann in den Arm genommen. Das ist mir, zugegeben, etwas unangenehm gewesen, aber irgendwie hat es auch gut getan? Und weil ich mich ihm ja nun schon geöffnet hatte, habe ich ihm auch gesagt, dass ich ihm keine Hoffnungen machen wollte und alles und ich deswegen nicht so begeistert gewesen bin, dass Hannah ihn auch ins Horizon eingeladen hatte.

 

„Du dachtest, ich sei in dich verknallt?“, hat er mich amüsiert gefragt und ich bin mir ziemlich dämlich vorgekommen, wenn ich ehrlich bin.

 

„Konstantin, du bist echt süß und ich sage nicht nein, wenn du mich das nächste Mal küssen solltest, aber... mit Liebe hat das nichts zu tun.“

 

Tja... was soll man dazu noch sagen?! Jedenfalls ist zwischen uns alles cool und weil Hannah ja mit Abwesenheit glänzt, hängen wir viel miteinander in der Schule rum. Maxi ist wahnsinnig witzig, total locker und auch, wenn wir nicht viele Gemeinsamkeiten haben, genieße ich doch ein bisschen die Zeit mit ihm. Dann denke ich nämlich nicht so viel an Noah, was ja ohnehin noch früh genug kommt.

 

Der hat sich seitdem nicht mehr bei uns blicken lassen. Also, soll heißen: er und Bastian haben sich entweder bei ihm oder irgendwo in der Stadt zum Abendessen oder weiß der Teufel was getroffen. Ich weiß immer noch nicht, was ich jetzt tun soll. Noah hat mir ja sehr unmissverständlich klar gemacht, dass... ja, was eigentlich? Er hat ja nicht gesagt, dass das mit uns nichts wird, oder? Gut, er hat gesagt, dass ich ja auch einsehen muss, dass das zwischen uns nicht geht. Und er hat natürlich auf unsere Beziehung zueinander und mein Alter angespielt, was mir ja ohnehin klar gewesen ist. Aber er hat nicht gesagt, dass da niemals nie was zwischen uns laufen wird. Und, das müssen wir nochmal festhalten: er hat mir seine Zunge ja wohl zuerst in den Hals gesteckt. Nachdem ich ihn geküsst habe, ja. Zwar hat er am nächsten Morgen direkt gesagt, dass es ein Fehler war, aber... aus manchen Fehlern, finde ich, muss man ja nicht unbedingt lernen. Sondern sie einfach nur wiederholen.

 

Naja, in Mathe besser nicht...

 

Als die Schule aus ist, latsche ich mit Maxi gemütlich durch den Haupteingang nach draußen. Es ist immer noch kochend heiß und eine Abkühlung nicht in Sicht. Hitzewelle in Deutschland. Ich hasse jeden, der dieses Wetter genießen kann.

 

„Darfst du eigentlich auch keinen Besuch empfangen während du Hausarrest hast?“, fragt Maxi plötzlich und tippt auf seinem Handy rum. Irgendwann latscht der noch gegen einen Laternenmast.

 

„Nein. Keine Ahnung. Schließt das eine das andere nicht sowieso aus?“

 

„Und wenn ich dir Mathe erkläre?“

 

Maxi wippt mit den Augenbrauen und leckt sich die Lippen, als er sein Handy endlich weg steckt. Mir wird etwas unwohl, auch wenn ich sein freundschaftliches flirten nicht so schlimm finde. Damit hat er nämlich kurz nach unserem klärenden Gespräch angefangen und... naja, mich stört es nicht und irgendwann hab ich angefangen, mitzuspielen. Vielleicht nicht unbedingt das Richtige, aber es tut irgendwie gut, so völlig ausgelassen mit einem anderen Jungen umzugehen. So was habe ich ja sonst nur mit Hannah, aber wir flirten nicht mal aus Spaß miteinander.

 

„Da würde mein Dad sicherlich dabei stehen und Beifall klatschen.“

 

„Wenn du mal Abwechslung brauchst, komme ich gerne.“

 

Maxi grinst so ekelhaft dreckig, dass ich ein kleines bisschen rot werde. Während wir uns nämlich in der vergangenen Woche ausgesprochen und besser kennen gelernt haben ist mir klar geworden: Maxi hatte schon Sex. Mit anderen Jungs. In zwei Beziehungen ist er schon gewesen, auch wenn die längere von beiden nur etwas über ein Jahr gehalten hat. Jetzt ist er seit fast zwei Jahren Single, was mich zugegeben ein bisschen geschockt hat weil... puh, der hat ja ganz schön früh... ich meine, der ist jünger als ich gewesen!

 

Jedenfalls macht es mich irgendwie wahnsinnig nervös zu wissen, dass Maxi schon Sex hatte. Das wird ja auch irgendwann auf mich zukommen, oder? Also, jedenfalls hoffe ich das. Hoffentlich mit Noah.

 

„Du hast nicht zufällig einen guten Rat, wie ich Noah für mich gewinnen kann?“, lenke ich schnell vom Thema ab und schreibe die tägliche Nachricht in die Whats App Familiengruppe, dass die Schule aus ist und ich auf dem Heimweg bin. Noch so eine Sache, die Paps angeordnet hat – damit ich ja auch ja nicht auf den Gedanken komme, irgendwohin zu verschwinden. Drei Kreuze, wenn dieser blöde Monat endlich rum ist...

 

„Hm... also ich würde ihn wohl eifersüchtig machen.“

 

„Na, aber er empfindet ja angeblich nichts für mich. Beziehungsweise, er sieht mich noch nicht so, wie er soll. Ich weiß nicht, wie ich ihn dazu kriege.“

 

„Zeig ihm halt, was ihm entgeht. Er ist doch oft bei euch, oder?“

 

„Ja, schon, aber die letzte Woche war er nicht da.“

 

„Irgendwann taucht er schon wieder auf. Und dann legst du dich nackt in den Garten und sonnst dich.“

 

„Ich leg mich doch nicht nackt in den Garten, wo meine Eltern und Bastian rum turnen!“

 

Ein bisschen entsetzt schaue ich ihn ja schon an, als wir an der Straße stehen bleiben. Maxi muss wie Hannah auch mit dem Bus fahren, ich muss über die Straße und durch die Wohnviertel zu unserem Haus laufen. Maxi lacht leise.

 

„Na, dann halt in Badehose. Also, klassische Form. Die sind gar nicht so scheiße, wie alle immer denken.“

 

Meine Birne glüht und das nicht vor Hitze!

 

„Äh... mal sehen. Danke für deinen... Vorschlag.“

 

„Jederzeit, Konstantin, jederzeit. Also, wir sehen uns morgen?“

 

„Klar. Bis morgen.“

 

„Und wenn du wegen Mathe Hilfe brauchst... sag Bescheid, okay?“

 

„Mach ich. Danke.“

 

Maxi umarmt mich kurz, dann geht er zur Bushaltestelle und ich mache mich auf den Heimweg. Dabei muss ich über das, was Maxi gesagt hat, gründlich nachdenken. So ganz Unrecht hat er ja nicht. Wenn Noah mich eben noch nicht im rechten Licht sieht, sollte ich vielleicht dafür sorgen, dass er es tut?! Andererseits fühle ich mich schon ein bisschen schlecht, wenn ich mich so zwanghaft präsentieren muss... das bin schließlich nicht ich, aber ein bisschen für Appetit sorgen ist ja nicht so schlimm, oder?

 

Na, ich muss das ja nicht sofort in die Tat umsetzen. Kann mir ja auch erstmal Gedanken darüber machen, wie ich auf normalem Weg Noahs Interesse wecken kann. Irgendwas muss schließlich da sein, wenn er mich von sich aus küsst. Und seine kurzen, heimlichen Blicke sind mir ja auch aufgefallen.

 

Daheim geht es zu, wie die ganze letzte Woche auch schon: ich zeige Papa meine gesamten Hausaufgaben. Das der daheim ist, ist eh die Krönung. Er arbeitet nämlich diesen Hausarrest-Monat kürzer, damit er auch ja alles kontrollieren kann. Ich habe es aufgegeben, zu meckern. Als ich nämlich letzte Woche nur mal ganz kurz angemerkt habe, dass es schon ein bisschen übertrieben ist was er da tut, kam er mir direkt mit dem Solange du deine Füße unter meinen Tisch stellst Spruch an, was ich nicht nur sagenhaft peinlich, sondern auch völlig überzogen fand. Immer noch finde. Ich glaube, Paps ist echt böse auf mich. Von Mama kriege ich kein Mitleid, die ist nämlich auch nicht gut auf mich zu sprechen und scheinbar wahnsinnig enttäuscht. Naja und von Bastian muss ich ja nicht erst anfangen, oder?!

 

Ich verbringe also die nächsten zwei Stunden mit Geschichte, Mathe und Englisch, zeige anschließend meine Hausaufgaben vor, darf Mathe zweimal korrigieren, kriege ein paar Aufgaben von Papa, löse diese immerhin ganz gut und dann darf ich endlich zu Abend essen. Es ist fast sechs, als es an der Tür klingelt. Von oben brüllt Bastian, dass mal jemand die Tür aufmachen soll. Ich ahne schreckliches, aber meine Beine tragen mich schneller zur Tür als ich denken kann.

 

Natürlich weiß ich längst, dass es Noah ist, noch bevor ich die Tür geöffnet habe.

 

Trotzdem setzt mein Herz aus, als er wirklich vor mir steht und... Mann, der sieht so unverschämt gut aus... ich will ihm augenblicklich um den Hals fallen. Mir wird ganz schwächlich, wenn ich seine langen, trainierten Beine sehe.

 

„Hi Konstantin.“, lächelt er mich an, als wäre nie etwas zwischen uns vorgefallen und lässt sich einfach selbst rein. Er wuschelt mir nicht durchs Haar. Ich kann nur völlig blöde die Tür schließen und ihn beobachten, wie er ganz entspannt die Schuhe auszieht und Dad in der Küche begrüßt. Bastian poltert die Treppen runter und begrüßt Noah mit einer für die beiden völlig normalen, typischen Umarmung. Ich möchte schreien. Ich möchte Bastian sein. Erst jetzt fällt mir auf, dass Noah einen Rucksack dabei hat. Den hat er immer dabei wenn er... oh Gott, der wird doch wohl nicht hier pennen?! Es ist mitten in der Woche! Muss der nicht arbeiten? Bastian muss morgen auf jeden Fall arbeiten und kann sich ja wohl auch kaum erlauben, einen langen Abend oder gar eine lange Nacht mit Noah zu verbringen.

 

Leider bin ich zu doof um nachzufragen was Sache ist. Es macht mich fertig, die beiden zu sehen. Bastian erzählt Noah gerade irgendwas Witziges weshalb Noah herzlich lacht und Bastian einen amüsierten Blick schenkt. Der klopft ihm nun selber lachend auf die Schulter, schiebt seine Hand in seinen Rücken und führt ihn ins Wohnzimmer. Mir wird schlecht. Die benehmen sich, als...

 

… okay, Konstantin, jetzt nur nicht völlig bescheuert werden. Ja, Bastian und Noah stehen sich nah, aber Bastian ist so hetero, der würde niemals nie was mit einem anderen Mann anfangen. Und Noah würde ja niemals nie was mit Bastian anfangen.

 

Oder?

 

Oh Gott, was, wenn Noah sich in Bastian verknallt hat?! Mein Hirn schustert sich gerade wohl alles zusammen, weshalb ich mal lieber auf mein Zimmer renne und das fröhlich-ausgelassene Geplauder der beiden versuche auszublenden. Weil ich es nicht mehr aushalte, rufe ich Hannah an.

 

„Ja?“, röchelt es heiser und es tut mir augenblicklich leid, dass ich sie angerufen habe. Die Arme.

 

„Hannah, ich bins.“

 

„Das ist mir auch klar. Was gibt’s denn?“

 

„Glaubst du, Noah ist in Bastian verliebt?“

 

„Ach du scheiße, wie kommst du denn darauf?“

 

Hannah hat mich wohl auf Lautsprecher, weil ich meine eigene Stimme seltsam schallend höre. Außerdem putzt Hannah sich scheinbar gerade die Nase, denn ich höre sie trompeten wie einen verdammten Elefant.

 

„Die sind so ekelhaft vertraut miteinander und Noah strahlt ihn an wie die scheiß Sonne.“

 

„Naja, dass die beiden so vertraut miteinander sind liegt sicherlich daran, dass sie sich kennen, seit sie drei sind“, mutmaßt Hannah und hustet zwischendrin wirklich nicht sehr schön, „und sie haben seither mehr Zeit miteinander als ohne einander verbracht. Bastian war der erste, der erfuhr, dass Noah schwul ist und der erste, der erfuhr, dass Frank fremdgevögelt hat. Die beiden kennen sich in und auswendig und haben viele gemeinsame Themen. Klar, dass die zusammen Witze machen, lachen und die Zeit mit dem anderen genießen. Aber Liebe ist das nicht.“

 

Ich komme mir plötzlich völlig bescheuert vor.

 

„Wie geht es dir denn inzwischen?“

 

„Minimal besser. Diese Woche bleibe ich aber noch daheim. Montag komme ich dann wieder.“

 

Heute ist Dienstag. Mann, das ist noch so lange, bis ich Hannah endlich wiedersehe. Ich vermisse sie schmerzlich.

 

„Ich vermisse dich.“

 

„Ich dich auch, Konsti. Ist bei dir alles in Ordnung?“

 

„Ja... irgendwie halt.“

 

„Das wird schon. Du musst einfach nur geduldig sein. Du, mein Bad ist fertig. Wir schreiben uns, ja?“

 

Die geht baden? Ich fange sofort das schwitzen an.

 

„Okay. Sorry für meinen Schwachsinn.“

 

„Ich liebe deinen Schwachsinn.“

 

„Na, wenigstens eine...“

 

„Bis dann!“

 

Wir legen auf und ich raufe mir die Haare. Manchmal bin ich echt ein Idiot. Andererseits, so ganz abwegig ist das ja nicht, oder? Ich weiß nicht wann Noah Bastian erzählt hat das er schwul ist, aber das er es schon vor Frank wusste liegt ja auf der Hand. Ob Noah wohl jemals in Bastian verliebt gewesen ist? Wenn man sich so nah steht... und Bastian ist, also abgesehen davon, dass er mein Bruder ist, ein echt toller Typ. Vielleicht ein bisschen impulsiv, aber so im Großen und Ganzen...

 

Vermutlich habe ich aber auch einfach nur den totalen Schwachsinn. Wäre ja nichts Neues.

 

Ich schnappe mir eine frische Shorts und mein Schlafshirt, dann gehe ich duschen und denke darüber nach, was ich jetzt machen soll. Während ich meine Zähne putze denke ich über Maxis Worte nach und überlege, ob ich das Tshirt nicht ausziehen soll während ich mir ganz scheinheilig eine Flasche Wasser aus der Küche holen und Noah dabei ganz zufällig über den Weg laufen werde. Besser nicht, wenn Bastian und Paps hier rum springen...

 

Nach unten gehe ich trotzdem, weil ich zumindest mal gucken kann, was die so machen. Und gute Nacht sagen kann ich ja auch, bevor ich mich auf mein Zimmer verkrieche und... keine Ahnung was mache. Vorher zupfe ich aber noch ein bisschen an der Shorts rum und schiebe meine Hand unter mein Tshirt, während ich betont lässig ins Wohnzimmer latsche und herzhaft gähne. Das mein Tshirt etwas hoch rutscht und meinen flachen Bauch preisgibt, geschieht natürlich auch rein zufällig.

 

Noah und Bastian sitzen auf'm Sofa und haben zwischen sich ein paar Fotos und Papiere ausgelegt. Beide schauen auf, als ich rein gelatscht komme. Wo Noah hinguckt, kann ich nicht sagen, weil ich es vermeide, ihn anzuschauen.

 

„Ist was?“, fragt Bastian und sieht aus, als hätte er die Tür am liebsten abschließen wollen. Ich störe, das ist mir sofort klar.

 

„Nee, wollte nur schauen, was ihr macht. Störe ich?“

 

„Wir arbeiten und ja, du störst.“

 

Mensch, kann Noah vielleicht auch mal was sagen? Der schweigt jedoch, aber ich spüre seinen Blick auf mir.

 

„Okay... ähm, ich wollte ein bisschen spielen. Wird euch das auch stören?“

 

Das ist zwar gelogen, aber immerhin kann ich so auf demselben Stockwerk sein...

 

„Auf keinen Fall.“, schaltet sich plötzlich Noah ein und als ich es wage, ihn anzusehen, lächelt er mich an, als wäre nie etwas zwischen uns gewesen. Mir wird warm ums Herz und ich lasse sofort meine Hand wieder zum Vorschein kommen.

 

„Aber bloß kein Bach“, stöhnt Bastian genervt und verdreht die Augen, „oder Beethoven.“

 

Weil mir darauf auch nichts mehr einfällt und ja alles gesagt ist... verschwinde ich, lasse die Wohnzimmertür auf und verziehe mich ins Musikzimmer. Die Tür schließe ich zwar, mein Spiel wird man aber trotzdem hören. Würde man auch durch zwei geschlossene Türen, aber... vielleicht möchte ich Noah ja ein klitzekleines bisschen mit meinem hervorragenden Spiel ablenken.

 

Als ich mich setze weiß ich nur leider nicht, was ich spielen soll. Ich denke noch darüber nach, ob ich ein bisschen an diesem Stück für Noah herum probieren soll, aber da habe ich ja nicht mal eine einzige Note und wenn er auch noch anwesend ist, möchte ich da lieber nicht dran herum experimentieren. Also fange ich erstmal mit ein paar leichten Übungen für meine Finger an, spiele von tief nach hoch und umgekehrt, lasse meine Finger über das weiß und schwarz gleiten, bis ich irgendwann ein bisschen Mozart, Bellini, Brahms und Chopin einfließen lasse. Dann gehe ich ein paar Künstler durch, mit denen mich Hannah belagert hat... HIM, London after Midnight, The Cure, Muse, Depeche Mode. Ein paar Stücke aus Filme setze ich auch noch hinterher, dann starre ich einfach nur auf die Tasten und weiß nicht wohin mit mir.

 

Wie haben es eigentlich die großen Künstler geschafft, so wunderbare Stücke zu schreiben? Und wieso fühle ich mich, als würde da in mir ein riesiges Loch klaffen, das ich niemals füllen kann? Lustlos klimper ich ein wenig vor mich hin, ohne wirklich irgendwas zu spielen. Seit der Sache mit Noah habe ich das Gefühl, dass mir irgendwas abhanden gekommen ist. Meine Leidenschaft? Nein, nicht wirklich. Ich liebe es zu spielen und wenn ich mich nicht täglich hinsetze habe ich das Gefühl, dass mir irgendwas fehlt. Dann kribbeln meine Hände und ich werde unruhig.

 

Als es draußen schließlich dunkler wird und ich Schwierigkeiten habe mich zu konzentrieren, lösche ich das Licht und verlasse das Musikzimmer Richtung Küche, wo ich mir noch ein Glas Wasser gönne. Aus dem Wohnzimmer höre ich noch immer die leisen Stimmen meines Bruders und meines Schwarms. Ich versuche ein wenig zu lauschen, kann aber keine Einzelheiten heraushören. Dafür kriege ich eine Eins-A-Herzattacke, als meine Mutter plötzlich in die Küche geschneit kommt und ebenso erschrocken ist wie ich. Sie lacht und wedelt sich mit der Hand etwas Luft zu.

 

„Herrje, hast du mich erschreckt.“, lächelt sie und hat wohl die gleiche Idee wie ich, noch etwas Wasser zu trinken.

 

„Sorry.“

 

„Ist bei dir alles gut?“

 

„Wieso?“

 

„Dein Spiel klingt so verkrampft.“

 

Ich senke den Blick. Mir ist das gar nicht aufgefallen. Aber vielleicht ist es ja auch das, was mich beim Spielen so unglücklich macht und einfach nicht erfüllt?

 

„Mir geht gerade viel durch den Kopf.“, gestehe ich leise und überlege, ob ich mit ihr reden soll. Ich könnte ihr sagen, dass ich verliebt bin – in einen Jungen. Wäre ja erstmal völlig egal, wer es ist. Dann hätte ich zumindest schon mal die halbe Katze aus dem Sack gelassen.

 

„Möchtest du darüber reden?“

 

Einen Moment bin ich hin und her gerissen, dann schüttle ich meinen Kopf.

 

„Nein. Ich gehe jetzt schlafen. Gute Nacht.“

 

Bevor ich gehe, hält meine Mama mich fest und sieht mich einfach nur an. Dann zieht sie mich in ihre Arme und hält mich einfach nur ganz fest während sie mir einen Kuss auf die Stirn drückt.

 

„Du weißt, dass du jederzeit mit mir reden kannst wenn dich etwas bedrückt, ja?“

 

„Klar. Danke.“

 

Ich gebe ihr einen Kuss auf die Wange, dann laufe ich die Treppen nach oben in mein Zimmer. Ich checke nochmal meine Nachrichten am Handy, dann knipse ich das große Licht aus und das kleine auf meinem Nachtschrank an als ich mich aufs Bett schmeiße. Ich hätte Noah eine gute Nacht wünschen sollen, aber alleine der Gedanke daran, dass er da unten mit Bastian sitzt, macht mich halb wahnsinnig. Ich will bei ihm sitzen. Ich will vertraut mit ihm die Köpfe zusammen stecken, über Insider-Witze mit ihm lachen, ihn zwischendurch ganz selbstverständlich berühren. Bastian boxt Noah manchmal kumpelhaft gegen die Schultern oder piekst ihn in die Seite.

 

Das ist alles so unfair. Und ein bisschen bin ich wütend auf Noah, weil der ja wohl irgendwas an mir finden muss, weil er mich andernfalls nicht geküsst hätte, oder? Ich meine, ich kann ja verstehen, dass es für ihn keine optimale Situation wäre, aber mir würde es doch nicht viel anders ergehen? Und es ist ja auch nicht so, als würden wir es direkt allen unter die Nase reiben müssen. Ein Versteckspiel ist natürlich auch nicht die optimale Lösung.

 

Seufzend knipse ich das Licht aus und drehe mich auf den Bauch, mein Kissen umklammernd. Und während ich hier so liege, nehme ich mir ganz fest vor, Noahs fester Freund zu werden.

 

Hoffentlich noch in diesem Leben.

 

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Hannah ist wieder da!!

 

Ich glaube, ich habe mich noch nie so sehr gefreut meine beste Freundin zu sehen wie heute. Noch vor der Schule sind wir uns in die Arme gefallen und viel hätte nicht gefehlt und wir hätten uns ewige Liebe geschworen. Hat jedenfalls Maxi gemeint, der wenig später dazu stieß und sich fast tot gelacht hat. In der ersten Pause habe ich sie erstmal über alles ausführlich aufklären und ihr jedes Detail erzählen müssen. Mir ist das, zugegeben, ein bisschen peinlich gewesen. Vor allem die Aktion mit Maxi, die sie doch etwas entsetzt aufgenommen hat. Ich bin dann aber auch direkt zu dem Teil mit Noah gekommen, musste alles weitere aber auf die nächste Pause verschieben, in der dann auch Maxi dazu stieß... das war auch ziemlich peinlich.

 

Hannah ist glaube ich ein wenig skeptisch, weil Maxi nun alles weiß und sich auch an mehr oder weniger klugen Ratschlägen versucht. Leider ist Maxi weniger der Typ, der vorsichtig an bestimmte Dinge heran geht, sondern findet, dass ich jetzt einfach in die Offensive gehen muss. Noah schwach machen muss, in Verlegenheit bringen und alles andere ergibt sich dann schon. Hannah teilt seine Meinung nicht so sehr, stimmt aber dahingehend zu, dass ich ihm quasi kleine Krümel hier und da hin streuen soll. Wie Hänsel und Gretel, die dann aber ins Pfefferkuchenhaus finden. Mein Pfefferkuchenhaus wird Noah sein, der dann am Ende den ganzen Keks anstatt nur Krümel kriegt.

 

Peinlich wird es in der großen Mittagspause, als Hannah vom perfekten ersten Mal anfängt. Das ich keine Lust habe, mein – noch – nicht vorhandenes Liebesleben so ausführlich zu besprechen, hat sie gekonnt ignoriert. Maxi auch, der mir direkt jegliche Illusionen über das erste Mal genommen hat. Das ist nämlich nie perfekt und bei Jungs oder Männern sowieso nochmal eine ganz andere Geschichte. Hannah stimmt dem mehr oder weniger zu, weil ein paar ihrer Freundinnen auch fleißig berichtet haben, dass sie den Jungs meistens zeigen und erklären mussten, was sie wo und wie zu tun hatten. Das sind Informationen gewesen, die ich nun wirklich nicht haben muss. Mit halbwegs trockenem Humor kann ich wenigstens noch feststellen, dass Noah ja schließlich weiß, was er macht, denn der hat immerhin mit Frank geschlafen. Maxi findet, dass ich mich nicht darauf ausruhen soll, dass Noah das Ruder in die Hand nimmt – immerhin will ich ihm ja auch was Gutes tun.

 

Das Gerede über Sex und alles, was dazu gehört, macht mich so im Nachhinein wahnsinnig nervös. Und das leider nicht sehr positiv. Mir ist bewusst, dass es sicherlich weh tun wird, ich meine... ein Schwanz hat im Arsch eines anderen ja nun mal nichts zu suchen. Und ich bin ja auch noch völlig unerfahren und weiß überhaupt nicht, wie und ob ich mich überhaupt genug entspannen kann, damit es auch für Noah schön wird. Der soll immerhin nicht das Gefühl haben, ein Brett zu vögeln. Hat Maxi gesagt.

 

Hannah ist sich auch sicher, dass Noah irgendwas für mich empfinden muss, wenn er mich schon küsst. Soll heißen: irgendwas muss ja wohl da sein. Keiner von uns schätzt Noah so ein, dass er in dem Moment... äh, geil gewesen ist. Und ausgenutzt hat er ja auch nichts. Er ist einfach nur wahnsinnig lieb und zärtlich gewesen und das kurze nicht-Gespräch am nächsten Morgen... naja, im Grunde hat er nicht gesagt, dass er nicht gerne etwas mit mir am laufen hätte, oder? Er hat nur betont, dass es nicht geht, aber nicht, dass er es nicht will. Vielleicht braucht er also nur einen aufmunternden Schubser in die richtige Richtung.

 

Leider habe ich ja noch ein paar Wochen Hausarrest und keine Ahnung, wie ich Noah dazu kriegen soll, Zeit mit mir alleine zu verbringen. Der muss immerhin unter der Woche arbeiten und wenn er bei uns ist, hängt er mit Bastian rum. Und am Wochenende kann ich ja nicht raus. Wenn ich zu lange warte, hat er unseren Kuss bestimmt schon vergessen. Maxi hat vorgeschlagen, einfach einen Tag zu schwänzen und bei ihm aufzukreuzen, aber das kann ich halt nicht. Schließlich arbeitet er ja und ich weiß leider nicht wo. Und selbst wenn – auf keinen Fall würde ich bei ihm auf der Arbeit auftauchen. Das kann ich nicht bringen, immerhin könnte das für ihn ganz schnell problematisch werden. Glaube ich. Ich meine, wieso sollte ein Teenager dort auftauchen und nach Noah verlangen, hm?!

 

Im Sportunterricht denke ich noch, dass ich ja einen Spaziergang mit Oskar machen könnte – dafür darf ich nämlich raus, wenn auch nur bis in den Park und nicht weiter weg. Wie lange ich letztlich bleibe ist mehr oder weniger egal, aber wenn ich auffällig lange weg bleibe... auf noch mehr Hausarrest habe ich halt auch keinen Bock. Eine Dreiviertelstunde ist ok, aber in einer Dreiviertelstunde bin ich nicht bei Noah gewesen und wieder zurück daheim.

 

Wenigstens ist Sport in den letzten beiden Stunden, denn wenn ich mich nach meinem Geschwitze noch in einen sticken Klassenraum setzen müsste, würde ich wohl komplett dem Wahnsinn anheim fallen.

 

Während ich also mit Hannah und Maxi zur Bushaltestelle latsche und gerade die Schule-ist-aus-Nachricht schreibe, packt Hannah mich plötzlich am Arm und stiert mich mit großen Augen an. Ich lasse vor Schreck beinahe mein Handy fallen und gebe ein peinliches Quietschen von mir. Maxi lacht schallend.

 

„Na klar“, ruft Hannah aus und schlägt sich mit der anderen Hand gegen die Stirn, „du rufst ihn einfach an! Dann könnt ihr euch nach der Schule verabreden.“

 

Maxi schaut von der anderen Seite – ich laufe in der Mitte – zu Hannah rüber und nickt heftig.

 

„Das wir da nicht eher drauf gekommen sind!“

 

„Der wird sich niemals mit mir treffen...“, versuche ich den beiden diesen Gedanken ganz schnell wieder auszutreiben... und mir nicht genug Zeit zu geben, zu intensiv darüber nachzudenken.

 

„Ach papperlapapp. Sag ihm halt einfach, dass du noch Klärungsbedarf hast.“

 

Maxi nickt zustimmend: „Ihm wird es ja auch wichtig sein, diese Sache mit dir zu klären. Und selbst wenn er dich ablehnt, immerhin steht diese ganze Sache dann nicht mehr zwischen euch.“

 

Tja, so einfach ist das wohl. Ich mag aber gar nicht darüber nachdenken was passiert, wenn er mir wirklich klipp und klar signalisiert, dass er nichts mit mir anfangen wird. Ich habe mir nie Gedanken über andere Jungs gemacht. Meine Gefühle für Noah gehören irgendwie zu mir, sind Teil von mir. Kann mir gar nicht vorstellen, jemand anderen zu lieben. Noah nicht mehr zu lieben.

 

An der Bushaltestelle drückt Hannah mich ganz fest.

 

„Das wird schon, Konsti. In ein paar Wochen wirst du uns in den Ohren liegen, dass du gar nicht genug von Noah bekommst.“

 

Das wäre schön, leider kann ich nicht so recht dran glauben.

 

„Falls du dich nicht traust, Kondome und Gleitmittel zu kaufen, ich hab genug da.“, bietet Maxi so lapidar und locker an, dass ich große Mühe habe, nicht vor lauter Schreck rot zu werden. So was kann der mir doch nicht sagen!!

 

„Danke euch beiden...“

 

„Jederzeit.“, nicken meine beiden Freunde einstimmig, dann verschwinden sie in denselben Bus, als dieser endlich angerollt kommt und ich mich schnell nach Hause verziehen kann um zu duschen. Das darf ich wenigstens noch machen, bevor der übliche Schulkramdrill wieder los geht... Abendessen darf ich dann auch, aber mehr als einen Salat mit Putenbruststreifen kriege ich nicht runter. Es ist einfach viel zu heiß.

 

Bastian ist noch nicht da, als ich mit Zähne putzen fertig bin und mir Noahs Nummer vom Haustelefon in mein Handy einspeichere. Hätte ja gerne seine Handynummer, aber die muss ich mal irgendwann von ihm kriegen. So im Nachhinein ist die Idee nämlich doch nicht so schlecht gewesen. Wenn ich nicht zu ihm kann, dann muss er eben zu mir kommen!

 

Trotzdem muss ich mich auf mein Bett setzen, als ich dann endlich Noahs Nummer wähle, weil mir andernfalls sonst die Beine wegsacken würden. Der Salat in meinem Magen tanzt gerade Polka.

 

Irgendwann meldet sich die schönste Stimme im ganzen Universum.

 

„Faber?“

 

Oh Mann... ich will durch die Telefonleitung direkt in seine Arme klettern.

 

„Noah, ich bins... Konstantin.“

 

Bilde ich es mir nur ein, oder atmet der gerade wirklich ein bisschen angestrengt?

 

„Was gibt’s denn?“, fragt er einen Moment später und ich weiß nicht so recht, wie ich seine Stimme deuten soll. Er klingt freundlich wie immer, aber... ich weiß nicht, irgendwas ist anders. Und ich nehme allen Mut zusammen.

 

„Können wir uns treffen? Im Park bei uns? Ich... Noah, ich muss mit dir reden, bitte.“

 

Am anderem Ende der Leitung höre ich Noah seufzen. Ich kann mir vorstellen, wie er sich gerade die Schläfen massiert, das Telefon zwischen Schulter und Ohr geklemmt, die Augen geschlossen...

 

„Konstantin...“

 

Was auch immer er sagen will, ich grätsche ihm mal lieber dazwischen!

 

„Bitte. Ich muss noch mit Oskar raus und... ich fand unser Gespräch neulich nicht sehr befriedigend.“

 

Eine Weile ist es still und ich denke schon, er hat aufgelegt?! Dann höre ich seine Stimme.

 

„Okay. Ich bin in etwa zwanzig Minuten da.“

 

„Danke! Ähm... wir treffen uns an der Eiche, okay?“

 

„Ich werde dich nicht unter einem Baum in der Abendsonne küssen, falls du darauf hinaus willst.“

 

„Also auf den Gedanken bist jetzt aber du gekommen!“

 

Ehrlich, daran habe ich wirklich nicht gedacht!

 

Noah lacht – und ich mag dahin schmelzen.

 

„Bis gleich, Konstantin.“

 

Tut, tut, tut... der hat einfach aufgelegt. Oh Mann, ich muss mein Handy erstmal ganz fest an meine Brust drücken und kann mein Glück kaum fassen. Noah kommt wirklich! Also, in den Park. Noah ist mit mir verabredet! Ich schreibe Hannah und Maxi, dann krame ich in meinem Schrank rum. Wenn schon, denn schon!

 

Auch wenn es mir total widerstrebt, krame ich eine lange schwarze Jeans hervor, die Hannah für mich ausgesucht hat, als wir vor Monaten mal shoppen waren. Die sitzt verboten tief und eng und während ich ein bisschen rum hüpfe, um den Knopf zu schließen, denke ich noch, dass ich doch lebensmüde sein muss. Noah soll ja was zum Gucken haben geht es mir durch den Kopf während ich mir ein schlichtes Tshirt raussuche. Danach flitze ich mit Handy und Schlüssel die Treppen runter, pfeife nach Oskar, schlüpfe in meine Sandalen, rufe Paps zu, dass wir Gassi gehen und klinke die Leine ein. Dann sehe ich zu, dass ich mich auf zum Park mache, zu dem ich ja schließlich auch erstmal hinlaufen muss.

 

Auf dem Weg dahin überlege ich, was ich Noah denn nun sagen soll. Von meiner Liebe weiß er ja jetzt. Ob ich ihm einfach alles erzähle? Das ich kaputt gehe, wenn er da ist und trotzdem so weit weg? Das ich abends im Bett an ihn denke? In der Schule, beim Einkaufen, beim Spazieren gehen mit Oskar... jede verdammte Sekunde? Das ich ein verdammtes Klavierstück für ihn schreibe? Naja, versuche zu schreiben. Das mir sein Kuss so wahnsinnig, wahnsinnig viel bedeutet hat? Das es mir jetzt noch viel schlechter geht als vorher?

 

Vielleicht sollte ich ja aber auch versuchen herauszufinden, wie er das ganze sieht. Ihm versichern, dass es okay ist, sollte er tatsächlich Gefühle für mich haben? Vielleicht fühlt er sich ja auch schlecht, wenn er... naja, Zuneigung zu mir verspürt? In Hinsicht auf Bastian kann ich das ja auch irgendwie verstehen, aber sind wir doch mal ehrlich: gegen Liebe kann man nichts machen. Auch wenn es eine ungünstige Konstellation ist.

 

Und dann ist da ja immer noch die Sache mit dem Kuss. Das war keine zwei-Sekunden Sache. Also, keine Ahnung wie lange wir uns geküsst haben, aber das hat er ja wohl ganz bewusst gemacht. Ich spüre noch immer seine Hand in meinem Nacken, seine Arme um mich, seine Zunge in meinem Mund... ich sollte besser nicht darüber nachdenken, die scheiß Jeans eignet sich nicht sonderlich gut für peinliche Zwischenfälle.

 

Im Park ist es zwar nicht leer, aber es hängen auch nicht mehr so viele Leute rum. Oskar liebt die Welt und die Wiese im speziellen, andernfalls würde der sich da nicht rum wälzen wie ein Schweinchen im Matsch. Dabei verheddert der Depp sich natürlich in der Leine, was bei ihm ein jaulen auslöst und bei mir leises meckern. Der stand ja auch nicht gerade ganz vorne, als der Herr die Intelligenz verteilte.

 

Die Eiche ist der Dreh- und Angelpunkt des Parks, weil sie in der Mitte der Anlage steht. Ich glaube sie ist so alt wie die Welt: groß, verdreht, stämmig, tausend Äste und jetzt im Sommer natürlich in aller Pracht am blühen. Um Noah ein bisschen zu ärgern, stelle ich mich direkt unter den Baum an den Stamm – Oskar setzt sich ganz brav neben mich und schaut abwechselnd zu mir hoch oder in der Gegend herum. Ich stehe bestimmt da, als würde ich auf mein Date warten – oder als hätte man mich im Regen stehen gelassen. Ein bisschen muss ich grinsen: das wird Noah bestimmt gefallen. Vielleicht sollte ich ihn einfach etwas necken. Das wird aber sicher nicht lange anhalten, so nervös wie ich bei ihm immer werde.

 

Das Noah sich nähert merke ich auch erst, als Oskar wie doof aufspringt und an der Leine zerrt und mir dabei fast den Arm ausreißt. Fröhlich vor sich hin kläffen tut er auch, bis Noah vor uns stehen bleibt und der Nervensäge das Köpfchen krault. Mein Größenwahn von zuvor ist wie weg geblasen. Warum sieht Noah so verdammt gut aus? Weiß nicht, ob er etwas ähnliches wie ich gedacht hat, aber seine Jeans ist auch nicht gerade weit geschnitten. Generell, wie mir so im Nachhinein auffällt, ist seine Kleidung figurbetont. Klar, der kann es sich ja auch leisten, trainiert und athletisch wie er ist. Und wieso nicht zeigen, was man hat? Auf seinem Kopf sitzt eine schwarze Ray-Ban mit extra großen Gläsern. Ich muss an Puk die Stubenfliege denken.

 

„Hey Konstantin.“, begrüßt er mich und ich kriege eine Gänsehaut, als er meinen Namen sagt. Keine Ahnung, irgendwie mag ich es, meinen Namen aus seinem Mund zu hören – obwohl es mich neulich noch gestört hat, weil ich mir vorkam wie ein kleines Kind.

 

Als ich mich endlich traue, ihn richtig anzusehen, fällt mir sein warmes Lächeln auf und seine Augen blicken so gutmütig drein das ich schon denke, dass er mich gleich küssen wird.

 

„Hi Noah,“ krächze ich mit trockener Kehle und muss mich räuspern, was mir wahnsinnig peinlich ist, „danke, dass du gekommen bist.“

 

Also, hierher gekommen. Oh Gott... ich bin so dämlich. Diesen Schwachsinn hält man ja im Kopf nicht aus! Und wieso muss Noah so nah bei mir stehen? Naja, ich glaube, es ist ein ganz normaler Abstand, aber... mir kommt es so nah vor.

 

„Sollen wir ein Stück laufen?“

 

„Nee, ich kann nicht laufen.“, gebe ich ein bisschen beschämt zu und spiele mit Oskars Leine, der neugierig auf meine Hände starrt. Könnte ja ein Leckerchen für ihn drin sein. Ernsthaft, meine Beine haben sich in Pudding verwandelt.

 

„Dann setzen wir uns doch.“

 

Noah setzt sich auf die Wiese und ich... ich tue es ihm gleich, ihm gegenüber, Oskars Leine locker in meiner rechten Hand haltend während ich mir mit der anderen durchs Haar streiche. Ein paar mal, weil ich nicht weiß, was ich sonst mit ihr anstellen soll.

 

Verdammt, wo ist mein Vorhaben, mit Noah zu reden, denn plötzlich hin?! Warum macht der mich so nervös, warum ist mein Kopf wie leer gefegt, warum kann ich nicht mit ihm reden wie mit einem normalen Menschen, waruuum!! Argh, mich macht das so rasend. Bin doch sonst nicht auf den Mund gefallen. Mann, wie peinlich das ist. Vielleicht hat Noah recht, wenn er mich als den kleinen Bruder abstempelt... immerhin bin ich das ja auch. Zwischen uns liegen halt einfach mal fast zehn Jahre Altersunterschied. Das lässt sich nicht so einfach wegzaubern. Vor allem wohl nicht in Momenten wie diesen.

 

Ich atme tief durch, dann schaue ich Noah in die Augen und weiß, was ich will.

 

„Ich liebe dich.“

 

Da. Es ist raus. Und es fühlt sich richtig an. Auch wenn mein Herz einen Marathon rast, es tut so verdammt gut, es endlich sagen zu können. Kein schlechtes Gewissen zu haben, weil der Schwarm eigentlich in einer glücklichen Beziehung und es falsch ist, so für jemanden zu empfinden, der vergeben ist. Aber das ist er ja jetzt nicht mehr.

 

Noah schweigt eine ganze Weile und sieht mich einfach nur an... ich kann leider nicht sagen, wie?! Er ist aufmerksam und sein Gesicht wirkt sehr entspannt, aber was er gerade denkt? Keine Ahnung. Dann seufzt er leise.

 

„Manchmal verwechselt man eine Schwärmerei schon mal mit Liebe...“, fängt er an, doch das will ich mir jetzt überhaupt nicht geben.

 

„Ich bin in dich verknallt seit ich dreizehn bin“, fahre ich ihm über den Mund und ernte tatsächlich einen überraschten Blick, „und ein halbes Jahr später brichst du Idiot mir das Herz.“

 

„Konstantin...“

 

Ich halte meine freie Hand hoch und... keine Ahnung, irgendwie bin ich sauer?! All der Frust der letzten vier Jahre kommt in mir hoch.

 

„Es war so verdammt schwer, dich mit Frank zu sehen. Weil er dich einerseits glücklich gemacht hat und das alles war, was ich wollte, andererseits, weil er dich glücklich gemacht hat und nicht ich. Und dann geht der Vollidiot hin und vögelt mit irgendwem anders, obwohl er den besten Freund hat, den man sich nur wünschen kann aber eigentlich war ich auch froh, weil ich dich ja nun von mir überzeugen kann und dann küsst du mich auch noch und...“

 

„Wow, Konstantin, halt sofort den Mund. Ich hab schon bei Frank aufgehört zuzuhören.“

 

Ist das dem sein scheiß Ernst?! Ich schütte ihm hier mein Herz aus, teile ihm meine Gefühle für ihn mit und er hört mir nicht einmal richtig zu?! Fassungslos starre ich ihn an und überlege, ob Oskar ihn wohl anfallen würde, wenn ich ihm einen entsprechenden Befehl gäbe? Vermutlich würde er ihm aber nur das hübsche Gesicht abschlecken anstatt zu zerbeißen. Zu nichts zu gebrauchen, dieser Hund.

 

„Du nimmst mich nicht ernst.“, stelle ich nüchtern und... ja, doch, enttäuscht fest. Ich meine, so kenne ich Noah nicht?! Was ist denn plötzlich mit dem los? Wo ist mein perfekter, wunderbarer Noah hin, der mir durchs Haar wuschelt, der mich lieb anlächelt, in den ich mich verknallt habe?!

 

„Das tue ich sehr wohl. Sieh mal, deine Gefühle für mich sind echt... lieb und ich fühle mich geschmeichelt. Aber dir muss doch klar sein, dass zwischen uns nichts laufen kann.“

 

Meine Gefühle für ihn sind lieb? Langsam werde ich echt sauer. Irgendwie habe ich mir das alles anders vorgestellt. Allerdings... weiß ich nicht genau, wie?

 

„Warum hast du mich dann geküsst?! Mann, Noah, das war kein Bussi auf die Wange, du hast mir die Zunge in den Mund gesteckt. Du hast das gewollt, genauso wie ich!“, herrsche ich ihn vielleicht eine Spur zu heftig an, denn neben uns zuckt Oskar zusammen und legt die Ohren nach hinten.

 

Darauf sagen tut Noah nichts.

 

Seine Lippen sind eine einzige gerade, schmale Linie und die dunklen Augenbrauen hat er vielleicht ein bisschen verärgert zusammen gezogen. Dabei hat er gar keinen Grund verärgert zu sein! Wir starren uns beide einfach nur an, er vielleicht etwas wütend, ich trotzig und enttäuscht. Eigentlich wäre es doch, wenn wir in einem Buch leben würden, der Moment, in dem er mir sagt, dass er auch Gefühle für mich hat. Oder mich zumindest... interessant findet. Oder er würde alles leugnen, aber ich würde trotzdem merken, dass da irgendetwas ist, was er mir nicht sagt und... ist da irgendwas, was er mir nicht sagt? Ich meine, er schweigt sich ja wirklich einen dran lang... oh Gott, ist es das?!

 

„Ich weiß nicht, was du von mir hören willst.“, zuckt er schließlich die Schultern und ich überlege, wenn Oskar schon keine Hilfe ist, ob ich ihm das Gesicht zerbeißen soll. Naja, eigentlich will ich es zerknutschen. Mann... ich will Noah küssen, dass es weh tut.

 

„Irgendwas sinnvolles?“, schlage ich vor und schiebe Oskars Kopf weg, der meinem Gesicht zu nahe kommt. Hundeatem kann ich jetzt nicht gebrauchen, herzlichen Dank!

 

„Hör zu. Ich habe keine Gefühle für dich“, bricht Noah mir das Herz und obwohl ich am liebsten sofort reißaus nehmen würde, muss ich ihm trotzdem zuhören, „und zwischen uns beiden wird nichts laufen. Der Kuss war... süß und in dem Moment richtig, aber nichtsdestotrotz ein Fehler. Konstantin, ich könnte Bastian nie wieder in die Augen sehen.“

 

Irgendwie... erzählt er mir da ja nichts Neues. Und wenn ich ehrlich bin habe ich genau damit gerechnet, wie ich nüchtern feststellen muss. Wieso habe ich mir auch eingebildet, dass trotz allem irgendwas zwischen uns laufen könnte? Im Endeffekt bin ich der Dumme und Noah hat die scheiß Aufgabe, mich abzuweisen. Kann ihn ja schließlich nicht zwingen, mich zu lieben. Das ist mir klar, aber... kampflos aufgeben will ich auch nicht. Und wenn er den Kuss trotzdem als richtig – zumindest für den Moment – bezeichnet, heißt das ja nicht, dass es später nicht noch richtiger werden kann. Oh Mann, ich bin mir schon selbst peinlich. Dass ich so hinter jemanden her renne, der mir einen derart deutlichen Korb gibt...

 

Ich stehe ohne was zu sagen auf, klopfe mir ein bisschen die Jeans ab und will gerade los gehen, als Noah ebenfalls aufsteht und mich am Arm packt.

 

„Hey...“, fängt er an, doch ich reiße mich los. Dieses Mal merke ich, dass die Tränen kommen und es ist mir egal, als ich Noah, diesen blöden Idioten, böse anschaue.

 

„Fass mich nicht an! Fass mich nie wieder an, du Arsch!“, schreie ich wütend und zerre einen ziemlich geschockten und leise winselnden Oskar hinter mir her. Ich denke noch, dass es jetzt die Chance für Noah wäre, alles richtig zu machen, mir nach zu laufen und zuzugeben, dass er Gefühle für mich hat oder was auch immer, doch nichts dergleichen passiert. Stattdessen liege ich eine halbe Stunde später heulend im Bett, Oskar sitzt ratlos vor meinem Bett und hat den Kopf schief gelegt.

 

Na, das lief ja blendend.



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Kommentare zu diesem Kapitel (6)

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Von:  Onlyknow3
2018-09-28T21:23:57+00:00 28.09.2018 23:23
Cooles Kapitel, super Story. Mir tut Konstantin hier echt leid.
Ob es was bringen würde diesen Eifersüchtig zu machen?
Konstantin hat ja jetzt freie Bahn, da Noah ihn abgelehnt hat.
Weiter so, freue mich auf das nächste Kapitel.

LG
Onlyknow3
Antwort von:  eulenkueki
29.09.2018 06:53
Hmm, eifersüchtig machen wäre natürlich auch eine Idee gewesen. Ich hatte sogar kurz darüber nachgedacht, aber überlegt, ob das überhaupt zu Konstantin passen würde. Und mich später dann dagegen entschieden. ;)
Danke für dein liebes Feedback!
Von: abgemeldet
2018-09-02T14:10:53+00:00 02.09.2018 16:10
Ich stehe in Noahs unverschämt großen Dusche und hole mir einen runter.

Es ist Karamell-Krokant! Mein absoluter Favorit. Keine Frage: Noah liebt mich! Bilde ich mir jedenfalls ein. Hoffe ich verzweifelt.

Hitzewelle in Deutschland. Ich hasse jeden, der dieses Wetter genießen kann.

Und dann legst du dich nackt in den Garten und sonnst dich.“

Ist das dem sein scheiß Ernst?!

-> meine Lieblingszitate dieses Kapitels xDD

Tja, in diesem Kapitel ist ja echt eine ganze Menge auf einmal zusammengekommen... Erst die Hoffnungen, die Konstantin sich (zurecht, wie ich finde) machen durfte, dann die eigentlich schon erwartete Abweisung... Ich kann Konstis Gefühlswirrungen und seinen Zorn und seine Enttäuschung sehr gut nachvollziehen.
Da hilft es leider auch nicht unbedingt weiter, zwei Freunde zu haben, die einem zwar nur helfen wollen, aber auf die Offensive setzen. So lieb die Beiden es zwar meinen, aber wirken wird es wohl kaum, wenn Noah schon so eindeutig klar macht, dass das nichts wird. Oder?
Und die zweite Option mit Maxi fällt auch ins Wasser... Aber ich find es echt gut, dass die Beiden wohl doch irgendwie Freunde geworden sind. Ob vielleicht doch noch was zwischen den Beiden laufen wird? Der Prolog lässt schließlich alle Optionen offen... Bin echt gespannt, auf wen es da hinauslaufen wird!
Also, echt Klasse Kapitel ;)
Antwort von:  eulenkueki
02.09.2018 18:44
Es freut mich, dass du Lieblingszitate finden konntest! Tatsächlich musste ich mal wieder selber lachen - was ich oft genug mache, während ich da so vor mich hin tippere. :D

Vielen Dank für dein Kompliment! Es freut mich sehr, dass es dir gefällt. Ich drücke Konsti jedenfalls fest die Daumen, dass Noah mal endlich klar in der Birne wird und die Vorteile sieht, sich einen jungen, süßen Freund anzulachen. ;) (Wo auch immer die nun liegen würden... da gibts bestimmt Vorteile, aber so spontan fällt mir da auch nichts ein xD)
Antwort von: abgemeldet
02.09.2018 21:03
Aber immer doch, ich steh total auf deine locker-flockige Schreibweise ;D Und ich kenn das von mir selbst: Manchmal liest man nochmal über sein Kapitel und findet sich selbst ultrascheiße, solche Formulierungen ersonnen und ersponnen zu haben xD kleiner Tipp: Ich lese es dann laut vor mich hin. Das steigert den Amüsanzfaktor nochmal ungemein :P

Das ist allerdings ein berechtigter Einwand... Wo wären bei Konsti die Vorteile in einer Beziehung??? So knackig scheint er jetzt nicht gerade zu sein, wie er sich zumindest anstellt... An Lebenserfahrung mangelt es leider auch. Dann hat er manchmal ja schon seine Tage... ABER: Er kann ganz toll Klavier spielen (und so hoffentlich Noahs Herz erobern!) und liebt den wirklich lanjährig aus tiefstem Herzen und würde alles für ihn tun. Das sind doch schon mal schlagkräftige Argumente - wenn Noah das nicht zu würdigen weiß, weiß ich auch nicht weiter ;___;
Antwort von:  eulenkueki
03.09.2018 19:36
Ich find das super, dass du meine Schreibweise magst - das ist nämlich, glaube ich, meine Stärke. Ich kann leider total nicht ernst schreiben und schon gar nicht aus dritter Person. Das fühlt sich dann ganz fremd und gestelzt. Außerdem liegt mir die Ich-Perspektive und das jugendliche viel mehr. auch wenn ich selber ja schon voll aus dieser Phase raus bin... glaube ich zumindest. xD

Wir müssen Konsti einfach seinen jugendlichen Schwachsinn zugestehen und beten, dass es besser wird. Er wird ja auch sicherlich an der ganzen Sache und den Dingen, die da noch kommen, wachsen. Er muss ja auch Erfahrungen machen und die sind in der Pubertät / bei einem Heranwachsenden ja auch immer so ein Fall für sich. Da liegen so viele Stöcke und Steine rum. ;) Aber, ja: seine Liebe zu Noah ist ein sehr ausschlaggebender Punkt!
Antwort von: abgemeldet
03.09.2018 20:47
Ich fühle so was von mit dir bezüglich der ersten und dritten Person... Also, dritte Person kann auch echt klasse sein, aber es muss eben sehr gut geschrieben sein und passt eben nicht für jedes Thema. Ich kann mir das gar nicht wirklich vorstellen, Konsti aus der dritten Person geschildert zu lesen o.O Es passt einfach so viel besser, wenn man seine Gedanken aus erster Hand erfährt xD

Ach, ich habe Hoffnung, dass Konsti aus der ganzen Aktion lernen und bestimmt ein ganzes Eck erwachsener daraus hervorgehen wird. Und sind wir mal ehrlich: Waren wir mit siebzehn nicht alle so schlimm? Ich werfe ihm da nichts vor, sondern amüsiere mich vielmehr göttlich über die Probleme, die man damals noch hatte ^^; Da erscheint es doch sehr passend, dass er sich Noah als so erwachsenes Vorbild nimmt - hätte ich bestimmt auch getan :)
Von:  Maginisha
2018-08-31T11:30:45+00:00 31.08.2018 13:30
Oh man, was ein Schlamassel. Ich weiß gar nicht, was Konstatin mehr verdient hat. Dass man ihn in den Arm nimmt oder dass man ihn mal richtig schüttelt. Denn Noah hat ja Recht. Ich stelle mir das gerade vor, wie er sich fühlen muss. Klar war das in der Situation nett und da kann man sich schon mal zu etwas verleiten lassen. Ich meine, er mag Konstantin ja auch. Aber eben nicht so. (Ich ignoriere hier jetzt mal sämtliche Hinweise auf den Prolog. *hust*) Und er hat als Erwachsener natürlich schon einen etwas anderen Blickwinkel auf das Ganze. Ich weiß auch nicht, ob Hannah und Maxi so wirklich gute Ratgeber in dieser Situation sind. Vielleicht sollten sie lieber versuchen, jemand anderen für Konstatin zu finden. Hat eine Freundin in einer ähnlichen Situation mal mit mir gemacht und das hat bestens funktioniert. ^_~

Ich find´s auf jeden Fall klasse, wie realistisch du das Ganze darstellst. Das wird auf jeden Fall eine ganz schöne Aufgabe, das gut und sinnvoll weiter zu führen, denke ich. Ich bin gespannt, was mich noch erwartet und freue mich schon auf das neue Kapitel. :)
Antwort von:  eulenkueki
31.08.2018 17:35
XD Ja, also manchmal bin ich auch so, dass ich den armen Konstantin nur bitch-slappen möchte xD Wir führen es mal auf sein Alter zurück... und die Post-Pubertät.

Vielen Dank für das liebe Kompliment! Ich bin mal gespannt, wie das nächste Kapitel ankommen wird. Ich habe eigentlich einen Plan, wie viele Kapitel ich haben möchte bis Schluss ist, nur deshalb muss ja auch das Tempo etwas angezogen werden... der Anfang war ja doch etwas langatmig so im Nachhinein. Na, auf jeden Fall gehts jetzt so richtig los! ;)
Von:  JeanneDark
2018-08-31T07:16:16+00:00 31.08.2018 09:16
Der arme Konstantin :(
Ich fiebere die ganze Zeit mit Konstantin mit obwohl der Prolog ja schon gezeigt hat wie es ausgeht. Aber sobald ich mich in diese Zeilen vertiefe ist das Wissen vergessen.
>~< ich will unbedingt mehr lesen.
Mal überlegt diese Story bei nem Verlag wie Cursed Side einzureichen? ;3
Antwort von:  eulenkueki
31.08.2018 11:45
Haha ja irgendwie fiebert man dann ja doch mit, auch wenn der Prolog ja schon alles sagt xD Aber dahin zu kommen ist ja auch erstmal ein Akt in mehreren Teilen.

Und nein, das habe ich nicht. Ich bin mir relativ sicher, dass ich nicht veröffentlichen.möchte da ich meine Skills dafür nicht als ausgereift betrachte. Es soll weiterhin ein Hobby bleiben und ich mag mich nicht unter Druck setzen. ;)


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