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Stroboskoplicht

von

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Zweifel

Zweifel

 

Zeitliche Einordnung: Kurz nach Neujahr. Jonas hat zwei von Eriks engsten Freunden beim gemeinsamen Theaterbesuch kennengelernt und ihm seine Gefühle gestanden. Eriks Entscheidung steht noch aus.

 

Zweifel

Nicht jetzt! Ohne hinzusehen, schaltete Erik sein penetrant klingelndes Handy auf stumm. Er hatte eine Stunde Zeit, um den letzten Korrekturgang seiner Hausarbeit zu beenden, bevor er zur Arbeit ins Tix aufbrach. Das Gespräch konnte warten. (Zumal exakt drei Personen existierten, deren Anruf er für wahrscheinlich hielt und aktuell wollte er mit keiner davon sprechen.)

Etwa zehn Sekunden nachdem sein Handy Ruhe gab, klingelte sein Festnetztelefon. Damit reduzierte sich die Zahl der Verdächtigen auf zwei, mit dramatischer Tendenz zu einem speziellen Kandidaten. Ergeben seufzend erhob sich Erik. Wenn seine Vermutung stimmte, konnte er sich genauso gut gleich geschlagen geben.

Er trottete aus dem Büro zur Kommode im Gang, auf der die Ladestation seines Telefons stand. Wenigstens musste er nicht länger fürchten, Jonas‘ Stimme am anderen Ende der Leitung zu hören; dieser kannte Eriks Festnetznummer nicht. Seine Tante schon, allerdings zog sie es in der Regel vor, eine passiv-aggressive Nachricht auf seiner Mailbox zu hinterlassen. Blieb also noch …

„Hey, Marco.“

„Ciao. Wie läufts?“

„Ah, eigentlich sitze ich gerade an einer Hausarbeit.“

„Wann musst du abgeben?“

„Mitte nächster Woche.“

„Dann hast du ja noch jede Menge Zeit, mit deinem Lieblingsitaliener zu quatschen.“

Erik wusste, wann er verloren hatte. „Selbstverständlich.“

„Bevor ich es vergesse: Ich soll dir schöne Grüße von Drago ausrichten.“

„Danke, sag ihm ebenfalls schöne Grüße.“

„Wenn wir gerade schon beim Thema sind, richtest du außerdem Jonas aus, dass wir uns echt gefreut haben, ihn kennenzulernen.“

„Ah …“ Zielsicher hatte Marco das eine Thema gefunden, vor dem sich Erik die letzten Tage mehr oder minder erfolgreich drückte. „Sicher. Mache ich gerne.“

„Ist das so?“, hakte Marco ein. „Du klingst nämlich nicht, als würdest du es gerne machen.“ Nach einer Pause, die Erik nicht zum Widerspruch nutzte, fragte er: „Was ist los?“

„Jonas und ich sehen uns gerade nicht wirklich.“

„Was? Wieso?“

„Wir, ah … Es ist kompliziert.“

„Ach so, na dann interessiert mich natürlich nicht mehr, was bei euch los ist. Erik! Spuck‘s aus!“

Erik spuckte. Er erzählte von dem Abend, an dem er Jonas eng umschlungen mit einem anderen im Club gesehen hatte, von ihrem Streit und Jonas‘ Liebesgeständnis. Zu ihrem Gespräch im Café und seinem – bis heute unerfüllten – Versprechen, über eine Beziehung nachzudenken und sich zu melden, kam er nicht. Marco unterbrach ihn an der Stelle, an der Jonas aus seiner Wohnung geflüchtet war.

„Porco dio, Erik! Was stimmt denn nicht mit dir?“

„Schrei mich nicht an!“, zischte Erik zurück. Das Letzte, was er brauchte, waren Marcos Vorwürfe zusätzlich zu denen, die er sich ohnehin machte.

„Ich schreie dich nicht an! Du würdest es merken, wenn ich dich anschreie, weil ich das nie zuvor getan habe, aber ich schwöre, ich war auch niemals so versucht wie jetzt!“ Im Hintergrund erklang eine Stimme, die Erik als Dragos erkannte. „Erik benimmt sich wie ein Blödmann und ich erlaube mir, ihn darauf hinzuweisen.“ Marco machte sich nicht die Mühe, das Mikrofon für seine Erklärung abzudecken.

„Ich benehme mich nicht wie ein Blödmann!“, verteidigte sich Erik, sobald sich Drago davon hatte überzeugen lassen, ins Wohnzimmer zurückzukehren.

„Ach nein? Also hast du das Küken nicht allein in die Nacht gejagt, kurz nachdem es dir seine Liebe gestanden hat?“

„Verknalltheit, nicht Liebe, und nein habe ich nicht. Was du wüsstest, wenn ich zur Abwechslung mal ausreden dürfte!“ Großartig, nun schrie Erik. Er seufzte. „Tut mir leid. Die letzten Tage waren … nicht gut.“

„Mir tut’s auch leid“, erwiderte Marco nach ein paar Sekunden. „Ich war zu sehr auf das Liebesgeständnis fokussiert. Du sagst, er hat einen anderen geküsst?“

„Mhm.“

„Cazzo. Hätte ich ihm nicht zugetraut, ehrlich gesagt. Man kann den Leuten halt doch immer nur vor die Stirn schauen.“

„Die Sache ist … Ich kann ihm kaum einen Vorwurf daraus machen. Das einzige Mal, dass das Thema Exklusivität bei uns aufkam, war ganz am Anfang, als ich ihm sehr deutlich gemacht habe, dass ich keinerlei Interesse an etwas Festem habe. Mein, ah, Verhalten im Duo muss ihn in dieser Annahme bestätigt haben.“

„Redest du von dem Abend, an dem wir alle da waren? Was hast du angestellt?“

„Ich wiederhole: Das wüsstest du, wenn du mich hättest ausreden lassen.“

„Ist ja gut. Dann erzähl fertig.“

Also berichtete Erik von seiner Unterhaltung mit Tyler, die Jonas als Flirt interpretiert hatte, seiner Aufholjagd zur U-Bahn, der darauffolgenden Aussprache und seinem Versprechen, über eine Chance für ihn und Jonas nachzudenken.

„Schöne Scheiße“, brummte Marco, nachdem Eriks Redefluss abgeflaut war. „Und du hast dich bisher nicht bei ihm gemeldet?“

„Ich wusste nicht, was ich ihm sagen soll.“

„Naja, was willst du ihm denn sagen?“

Erik gab auf, sich gegen seine Kommode zu stützen und sank auf den Boden. Dieses Gespräch kostete ihn genug Kraft, er wollte keine zusätzliche aufbringen, um sich aufrecht zu halten. „Dass ich es gerne versuchen würde.“

„Und warum sagst du ihm nicht genau das?“

„Weil es nicht so einfach ist. Marco, er ist so jung. Und ich bin so–“

„Wenn du jetzt kompliziert sagst“, unterbrach Marco ihn, „setze ich mich ins Auto, fahre nach Berlin und trete dir gegens Schienbein.“

„Aber es stimmt, oder nicht?“ Erik wusste nicht, ob er Marcos Widerspruch oder Bestätigung wollte. „Ich bin schwierig. Viel schwieriger, als Jonas sich vermutlich vorstellen kann und vielleicht möchte.“

„Erik, jetzt hör mir mal gut zu.“ Marco schaffte es, nach jener Mischung aus strikter Gouvernante und verständnisvollem Elternteil zu klingen, die Erik immer an seine ehemalige Therapeutin erinnerte. „Du bist nicht schwieriger als andere Menschen.“ Er ignorierte das ungläubige Schnauben, das ihm entgegenschallte. „Du bist clever und lieb und empathisch. Weißt du, was dich von vielen Menschen unterscheidet? Du kennst deine Schwächen. Das macht dich nicht komplizierter als andere, es sorgt nur dafür, dass du denkst, es wäre so.“

„Ich kenne meine Schwächen so genau, weil sie mich beinahe in den Abgrund gerissen hätten“, erwiderte Erik. „Einen Teil meines Umfelds mit dazu. Dich eingeschlossen.“

„Stopp. Unsere Beziehung hat aus vielen Gründen nicht funktioniert, aber weder war das deine Schuld – es war niemandes Schuld – noch hast du mir in irgendeiner Weise geschadet. Ich bin froh um unsere gemeinsame Zeit und wäre dir wirklich dankbar, wenn du deinen Kopf davon abhalten könntest, dir das Gegenteil einzureden. Warum kocht das gerade überhaupt wieder so hoch? Wir führen diese Diskussion ja nicht zum ersten Mal, aber ich dachte, allmählich wäre sie abgehakt. Warum plötzlich wieder diese extreme Unsicherheit?“

Tja. Warum nur? „Ich habe Angst.“ Da, die Katze war aus dem Sack. „Was, wenn ich ‚Ja‘ zu Jonas sage und es nicht funktioniert? Was, wenn ich ihn verletze? Was, wenn …“ Erik zog die Knie an die Brust und lehnte seine Stirn dagegen. „Was, wenn er mir das Herz bricht?“

„Oh, Erik.“ Drei Silben voller Mitgefühl.

Schweigen breitete sich zwischen ihnen aus. Kein unangenehmes, sondern die Art Schweigen, die Erik signalisierte, dass Marco ihm zuhörte, wann immer er sich bereit fühlte, erneut das Wort zu ergreifen.

„Ich habe nicht die Kraft, wieder jemanden zu verlieren, der mir so viel bedeutet“, flüsterte er nach einer Weile.

„Hast du denn die Kraft, ewig allein zu bleiben?“

„Bisher hat das ganz gut geklappt.“

„Bisher hattest du auch niemanden, der dich in Versuchung geführt hat, etwas daran zu ändern.“

„Woher willst du das wissen?“

„Weil in all den Jahren, die Drago und ich dich jetzt in Berlin besuchen kommen, Jonas der erste ist, den du uns vorgestellt hast.“

„Ist er“, gab Erik zu. Er rieb sich über die Augen. „Ich wünschte, ich hätte den Mut, mich einfach darauf einzulassen.“

„Was hält dich auf?“, fragte Marco. „Schon klar, deine Verlustängste, aber ich meine jetzt mal ganz konkret. Welche ganz realen Hindernisse siehst du für eine Beziehung?“

„Das hatten wir doch schon.“

„Okay, er ist also jung. Daran gibt es nichts zu rütteln. Hat dich nicht davon abgehalten, Sex mit ihm zu haben.“

„Offensichtlich nicht, nein.“ Marcos Feststellung schmerzte mehr, als sie sollte, denn sie stimmte ja. Dennoch hätte Erik einen solchen Vorwurf nicht von seinem langjährigen Freund erwartet und der Drang, sich zu verteidigen, gewann. „Jonas ist jung, aber er ist kein Kind. Er arbeitet, studiert und organisiert seinen eigenen Haushalt. Ich kenne eine Menge Leute, die wesentlich älter und trotzdem weniger erwachsen sind als er.“

„Du würdest also sagen, er ist in der Lage, informierte Entscheidungen zu treffen?“

„Natürlich ist er das! Andernfalls hätte ich ihn niemals angerührt.“

„Was war dann doch gleich dein Problem mit seinem Alter?“

Unfreiwillig lachte Erik. „Wie fies, mir so die Worte im Mund zu verdrehen.“

„Nicht fies, nötig“, verbesserte Marco ihn. „Damit du mal aus deinem Gedankenkreisel rauskommst. Womit ich nicht sagen will, dass deine Zweifel komplett unberechtigt sind, aber … Tu dir und Jonas den Gefallen, ihn nicht zu unterschätzen, hm?“

In Eriks Innerem ziepte etwas, wie das Jucken einer Wunde, die ganz allmählich zu heilen begann. Diese Argumente nicht ausschließlich in seinem Kopf zu hören, als ständiges Streitgespräch zwischen dem hoffnungsvollen und dem verängstigten Teil seines Gehirns, sondern von einem Menschen, dem er vertraute, tat unendlich gut.

„Was noch?“, fragte Marco. „Abgesehen vom Alter, was lässt dich noch zweifeln, ob die Sache zwischen euch funktioniert?“

„Jonas ist nicht geoutet.“ Es fühlte sich wie Verrat an, ein für Jonas so sensibles Thema hinter dessen Rücken aufzugreifen, doch wenn es jemanden gab, mit dem Erik darüber sprechen konnte, dann Marco.

Dieser reagierte anders, als erwartet. „Ich weiß. Hat er mir erzählt.“

„Ah, das war mir nicht klar.“

„Ich schätze, ihr hattet in letzter Zeit andere Themen.“

„Stimmt wohl.“

„Aber wir haben nur darüber gesprochen, dass seine Eltern nichts wissen. Sonst auch niemand?“

„Doch, seine Exfreundin und seit Weihnachten eine seiner Schwestern. Ah, und ich meine, er hat mal eine Kommilitonin erwähnt.“

„Das war’s?“

„Zumindest nach meinem Wissensstand.“

Marco stieß einen langen Pfiff aus. „Schwierig. Erklärt aber endlich, warum du im Theater so auffällig Abstand gehalten hast.“

„War das so deutlich?“

„Für mich? Klaro. Wusste er, worauf er sich einlässt, als er mit uns ins Duo gekommen ist?“

„Mhm. Ich hatte ihm vorgeschlagen, dass wir woanders hingehen können.“

„Aber er wollte nicht?“, hakte Marco nach. „Spricht eher dafür, dass er einfach noch ein wenig Zeit braucht, finde ich.“

„So hatte ich ihn auch eingeschätzt.“ Dennoch erleichterte es Erik, seine Vermutung bestätigt zu hören.

„Bist du bereit, diesen Weg mit ihm zu gehen? Das ist … oft härter, als man sich anfänglich vorstellt.“

Erik wusste, dass Marco aus Erfahrung sprach. „Ich nehme an, Dragos Familie weiß weiterhin nichts von euch?“

„Nah, und allmählich akzeptiere ich, dass sich daran auch nichts mehr ändern wird. Er hat da ja eigentlich immer mit offenen Karten gespielt und mir früh klargemacht, wie er darüber denkt. Ich wollte es ihm nur nicht glauben.“ Marco sprach locker, nach eineinhalb Jahren Beziehung und weiteren sieben Jahren enger Freundschaft, hörte Erik den darunterliegenden Schmerz jedoch mühelos heraus. „Nachdem seine Familie ohnehin in Serbien lebt, ist es ja auch nicht so, als hätte das im Alltag merkliche Konsequenzen für unsere Beziehung. Wir müssen uns nicht verstecken, das ist das Wichtigste. Wie er damit umgeht, seiner Familie Halbwahrheiten aufzutischen, ist seine Sache.“

„Wünschst du dir trotzdem, dass es anders wäre?“

„Ständig“, gab Marco zu. „Aber dann fällt mir wieder ein, dass wir nicht in einer perfekten Welt leben. Angenommen, er erzählt es ihnen mir zuliebe. Was, wenn sie genauso reagieren wie meine eigene Familie? Mit dieser Schuld möchte ich nicht leben.“

„Verstehe ich gut.“

„Du hast meine Frage noch nicht beantwortet.“

„Ob es in Ordnung für mich ist, wenn Jonas mehr Zeit für sein Coming-Out braucht?“

„Sì.“

„Bisher habe ich keine Erfahrungen damit gemacht, eine Beziehung geheim halten zu müssen. Ich denke aber, solange ein Ende absehbar ist, kann ich damit umgehen.“

„Sogar dann, wenn wir hier über Monate oder Jahre sprechen?“

Das ‚Selbstverständlich‘ lag zu prompt auf Eriks Zunge, um wirklich echt zu sein. Blind starrte er zwischen seinen gegen die Brust gezogenen Beinen hindurch, tief in Gedanken versunken. Nach einem schmerzhaften Eingeständnis reichte es nur für ein: „Hoffentlich.“

„Das ist etwas, worüber du gut nachdenken solltest“, riet Marco ungewohnt ernsthaft. „Es ist nicht fair Jonas gegenüber, ihm erst zu versprechen, ihm Zeit zu geben und dann vielleicht doch nach ein paar Monaten immer mehr Druck auf ihn auszuüben, es schnell durchzuziehen. Genauso wenig ist es dir gegenüber fair, zu erwarten, eure Beziehung ewig zu verheimlichen. Das finde ich viel problematischer als sein Alter und ihr solltet auf jeden Fall darüber sprechen.“

„Ich denke, du hast recht.“

„Klaro, habe ich das.“ Das charmante Grinsen kehrte in Marcos Stimme zurück. „Solltest du doch allmählich gewohnt sein.“

Auf Eriks Gesicht stahl sich ebenfalls ein schmales Lächeln. „Ich weiß auch nicht, wie ich das immer vergessen kann.“

„Ist okay, ich erinnere dich dann schon daran.“

Langsam löste sich Erik aus seiner verknoteten Position. Er streckte seine langen Beine aus, lehnte sich mit dem Rücken gegen die Kommode und legte den Kopf in den Nacken. Allein, den Blick nach oben, statt nach unten zu richten, schien seine Gedankenströme in positivere Bahnen zu lenken. „Danke. Fürs Anrufen und Zuhören, meine ich. Hat gut getan, mal über alles reden zu können.“

„Ist doch selbstverständlich. Ich bin immer für dich da.“

Auch dann, falls die Sache mit Jonas schiefgeht und ich dich vom Boden aufkratzen muss. Marco sprach den Satz nicht laut aus, doch er schwang gut hörbar in seinen Worten mit. Erik war froh darum. „Danke.“

„Hast du gerade schon gesagt.“

„Die Dopplung hast du dir verdient. Morgen rufe ich Jonas an, ich habe ihn schon viel zu lange hängenlassen.“

„Klingt, als stünde deine Entscheidung schon fest.“

„Ganz ehrlich? Ich denke, das tut sie, seit ich ihm neulich hinterhergerannt bin. Ich hatte nur nicht den Mut, zu ihr zu stehen.“

„Ha! Na, dann mal viel Glück. Und Erik?“

„Hm?“

„Du kannst mich immer anrufen, das weißt du, ja?“

„Danke. Zum dritten Mal. Ich melde mich bald, egal, wie es ausgeht.“

„Tu das. So, allmählich muss ich mit Kochen anfangen. Ich kann Dragos Magenknurren bis hierher hören.“

Erik schmunzelte. „Dann halte ich dich nicht länger auf. Mach’s gut.“

„Stopp! Eine Sache müssen wir noch klären!“

„Was denn?“, fragte Erik misstrauisch.

„Würdest du Jonas bitte endlich stecken, dass wir beiden mal zusammen waren? Er hat mich neulich gefragt, wie wir uns kennengelernt haben und ich hätte mir beinahe die Zunge verknotet, bei dem Versuch, dieses winzige Detail unerwähnt zu lassen, ohne ihn offen anzulügen.“

„Ah, das hättest du nicht tun müssen. Jonas ist dick mit seiner Exfreundin befreundet, also versteht er unsere Situation sicher gut.“

„Bestimmt tut er das.“ Der Sarkasmus triefte. „Deshalb hast du es ihm auch gleich offen und ehrlich erzählt.“

„Ich habe einfach nicht daran gedacht, dass das ein Problem für ihn sein könnte“, verteidigte sich Erik. „Denke ich übrigens immer noch nicht. Außerdem ist mein erster Gedanke, wenn ich dich jemandem vorstelle, schon lange nicht mehr ‚mein Ex‘, sondern ‚mein bester Freund‘!“

„… cazzo, Erik. Du weißt genau, dass ich dir nicht böse sein kann, wenn du sowas nettes sagst“, grummelte Marco. „Deshalb lege ich jetzt auch wirklich auf. Bevor du dich noch weiter einschleimst.“

„Als hätte ich dafür nicht alle Zeit der Welt. Mach’s gut, Marco. Wir hören uns.“

„Ich drücke dir beide Daumen.“

Das Gespräch endete und Erik rappelte sich auf, um sein Telefon zurück in die Ladestation zu stellen. Morgen würde er also Jonas anrufen und ihn um ein Date bitten. Bei dieser Vorstellung lieferte sich sein Herzschlag einen Wettlauf mit seinem Atem und er schloss die Augen, um zur Ruhe zu finden.

Anstelle des gewohnten Bildes, das er in solchen Situationen zur Entspannung heraufbeschwor – ein Strand bei Sonnenuntergang, feiner, von der Sonne aufgeheizter Sand zwischen seinen Zehen, das zarte Plätschern von Wellen zu Beginn der Flut und der mineralische Duft nach Meerwasser – hörte er Jonas‘ Lachen an seinem Ohr und spürte Finger, die zärtlich durch sein Haar kämmten.

Er hatte Angst. Angst vor der Verletzlichkeit, die Gefühle mich sich brachten. Angst, dass einer von ihnen auf ihre gemeinsame Zeit zurückblicken und Reue empfinden würde. Angst, erneut in ein Loch zu stürzen, das ihn dieses Mal vielleicht für immer gefangen hielt.

Doch noch mehr fürchtete er sich davor, sich so sehr von dieser Angst kontrollieren zu lassen, dass er sich nie wieder erlaubte zu lieben. Erik entschied, den Zweifeln keine zusätzliche Zeit zu bieten, auf fruchtbaren Boden zu fallen. Das Dröhnen seines Herzschlags in den Ohren, wählte er Jonas‘ Nummer.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Endlich gibt es hier mal wieder ein neues Kapitel :)
Falls ihr gerne mehr über Eriks und Marcos Beziehung lesen würdet und wissen wollt, wie ihre Freundschaft entstanden ist, dann werft gerne einen Blick auf „Wolken mit Tomatensoße“, falls ihr das noch nicht getan habt. Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Kerstin-san
2021-05-15T17:45:42+00:00 15.05.2021 19:45
Hallo,
 
ich mag Einblicke in Eriks Gedankenwelt immer gerne und die Dynamik zwischen ihm und Marco hat mich hier echt zum Schmunzeln gebracht. Erik, der nur widerwillig ans Telefon geht, weil er genau weiß, dass Marco nicht locker lassen wird, wohingegen Marco kein Blatt vor den Mund nimmt und Erik mit Rat und Tat zur Seite steht und sich von dessen Griesgrämigkeit nicht beeindrucken lässt.
 
Mir gefiel auch, dass sowohl Erik als auch Marco zwischendurch mal etwas lauter werden, sich dann aber beide jeweils zurücknehmen, um den anderen mal bis zum Ende reden zu lassen. Ich kann Marco hier nur mal wieder Respekt zollen. Es ist ja offensichtlich, dass er in seiner Rolle als bester Freund schon mehr als einmal versucht hat Eriks Minderwertigkeitsgefühle und generelle Zweifel zu lindern und ihn aufzubauen. Ich kann mir vorstellen, dass das nicht einfach ist und auch von Marco sehr viel Geduld erfordert. Er ist echt so eine gute Seele, wobei man auch ganz klar merkt, dass ihn die Geheimniskrämerei, die Drago vor dessen Familie betreibt, auch belastet. Ich finde, dass es realistisch ist, ihn nicht nur als den Gute-Laune-Kerl darzustellen, sondern auch als jemanden, der auch sein Päckchen zu tragen hat.
Gleichzeitig gefiel mir wiederum, dass Erik seinem besten Freund gegenüber so offen mit seinen Ängsten und Sorgen ist, weil er genau weiß, dass er sich auf Marco und dessen ehrliche Meinung verlassen kann.
 
Und btw: Tausend Dank, dass du meinen Wunsch aufgegriffen hast, dass Gespräch darzustellen, als Marco Erik gegenüber durchblicken lässt, wie blöd er es findet, dass der Jonas nicht gesagt hat, dass Marco sein Ex ist.^^
 
Dann noch zu meiner Lieblingspassage:
„Wir, ah … Es ist kompliziert.“
„Ach so, na dann interessiert mich natürlich nicht mehr, was bei euch los ist. [...]“ Haha, ich kann nicht mehr xD
 
Liebe Grüße
Kerstin
Antwort von:  Noxxyde
17.05.2021 21:49
Hey :)

aaah, von dir kam der Wunsch damals! Ich wusste noch, dass jemand ihn geäußert hatte, aber nicht mehr, wer. Ist das auch geklärt :D

Ich mag die Dynamik der beiden auch total, vor allem die Vertrautheit zwischen ihnen, obwohl sie sehr verschiedene Persönlichkeiten sind. Gerade Erik, der einerseits unglaublich genervt von Marcos Art ist, einfach nicht locker zu lassen, und gleichzeitig irgendwie genau drauf baut. In Marco hat er einen Freund gefunden, mit dem er wirklich offen sprechen kann und weiß durchaus, wie wertvoll das ist (gibt es nur nicht immer zu :D).

Aber wie du schon sagst, auch Marco hat sein Päckchen zu tragen und es ist mir wichtig, das auch regelmäßig zu zeigen. Dennoch genießt er es natürlich unheimlich, seinem Freund helfen zu können.

Vielen Dank für deine lieben Worte :)

LG Noxxy


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