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Autumn Blue(s)

von

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Omnia vincit amor - die Liebe besiegt alles

25. Oktober 2019 – Kii-Mountains, südlich von Tokyo

 

Kaum gezügelte Lust prickelte durch meine Adern, als wir das Ryokan wieder betraten. Unser Weg zurück durch die herbstliche Idylle war eine verschwommene Erinnerung an leidenschaftliche Küsse, zärtliche Berührungen und meiner unbändigen Gier danach, meinen Männern noch viel, viel näher sein zu wollen. Ich schwelgte regelrecht in meinem körperlichen Verlangen nach ihnen, das jeden Gedanken an meine Sorgen und Ängste so zielsicher aus meinem Kopf vertrieb, bis nur noch Platz für sie und die tiefen Gefühle war, die ich für sie empfand.

Der kurze Moment, in dem wir uns benehmen mussten, während wir vom Eingangsbereich des Gasthauses zu unserem Zimmer gingen, kam mir wie eine nicht enden wollende Ewigkeit vor, die ich kaum ertragen konnte. Aoi verbarg meine gefesselten Hände so gut es ging hinter seinem Rücken und Uruha ging so nahe hinter mir, dass auch von dort aus keiner der Angestellten meinen nicht ganz so üblichen Zustand würde erkennen können. Kaum waren wir im Zimmer angelangt, spürte ich Uruhas Arme um meine Mitte und Aois Lippen, die mich erneut in einen innigen Kuss verstrickten. Ich schloss die Augen, gab mich hilflos den tiefen Empfindungen hin, die nun mein ganzes Sein in Beschlag nahmen. Wie lange wir uns küssten, konnte ich hinterher nicht mehr sagen, aber ich protestierte leise, als sich Aoi schlussendlich wieder von mir zurückzog und mich anlächelte.

 

„Weißt du, woran mich das hier …“ Er tippte auf den Schal, der noch immer meine Handgelenke fixierte, „… erinnert?“ Ich schüttelte den Kopf und erschauerte, als Uruha erneut hauchzarte Küsse auf der empfindlichen Haut meines Nackens verteilte.

 

„Nicht?“, raunte mein bester Freund und seine Stimme, in der ich ein Echo meiner eigenen Erregung nur zu deutlich hören konnte, jagte mir eine Gänsehaut über den Rücken. „Also ich glaube, ich weiß, worauf Aoi hinaus will.“

 

„Mh.“ Aoi grinste und haschte über meine Schulter hinweg nach Uruhas Lippen, küsste ihn tief und innig. „Du kennst mich einfach viel zu gut, aber ja, ich glaube auch, dass du es weißt. Und, Reita, hast du schon eine Vermutung?“

 

„Glaubst du wirklich, ich kann jetzt noch denken?“, scherzte ich und lehnte mich etwas nach hinten, bis nun ich es war, der Uruhas Hals mit Küssen übersähen konnte. „Aber das macht nichts. Ich will sowieso nicht mehr denken.“ Ich schloss die Augen und seufzte leise. „Macht, dass ich nicht mehr denken muss, okay?“

 

~*~

 

Ein Lächeln schlich sich auf meine Lippen, als ich Finger auf meiner nackten Brust fühlte, die wohl all die Male nachzeichneten, die meine Männer dort hinterlassen hatten. Und tatsächlich, als ich noch immer schwer atmend und blinzelnd die Lider hob, sah ich in Uruhas schönes Gesicht. Seine Augen strahlten mich regelrecht an und die noch immer vorhandene Röte auf seinen Wangen war ein untrüglicher Beweis dafür, was wir bis vor wenigen Minuten hier so alles getrieben hatten. Gut, dass Aoi noch so geistesgegenwärtig gewesen war und das Schild, auf dem in hübscher Kaligrafie ‚Bitte nicht stören‘ geschrieben stand, vor die Schiebetür gestellt hatte. Man musste ja wenigstens den Schein wahren, auch wenn jeder im Ryokan vermutlich wusste, was wir die letzte Zeit über so alles angestellt hatten. Mein bester Freund konnte nicht gerade als leise bezeichnet werden, wenn er sich in seiner Lust verlor und mir war es dank seiner und Aois vereinten Bemühungen nicht viel anders gegangen. Aber gut, wir zahlten immerhin auch gutes Geld für exklusiven Service, worunter sicherlich auch unsere ungestörte Privatsphäre fiel.

Mein Lächeln weitete sich zu einem zufriedenen Grinsen aus, dann stemmte ich mich leicht nach oben, um Uruha einen kleinen Kuss auf die Nasenspitze zu tupfen. Zur Revanche strich er mir meine verschwitzten Ponyfransen aus der Stirn und Aoi, der sich an meine Seite gekuschelt hatte, verstärkte den Halt seines Armes um meine Mitte.

 

„Ich bin fix und alle“, gab ich zu, musste über meine Worte jedoch selbst leise lachen und legte mich wieder zurück auf den weichen Futon.

 

„Och“, machte Uruha und ließ dabei keinen Zweifel, dass sich sein Mitleid für mich doch sehr in Grenzen hielt. „Und da dachte ich, du wolltest es ‚schneller, härter und oh Himmel ja, macht weiter!‘ Oder hab ich mich da verhört, Aoi?“

 

„Nein, ich hab dasselbe gehört.“ Aoi hob kurz den Kopf, zwinkerte mir zu und machte es sich dann wieder so halb auf meiner Brust liegend bequem.

 

„Hey, von mir hört ihr keine Beschwerden.“ Ich streckte mich und spürte meinen Muskeln nach, die sich herrlich gefordert und ausgelaugt anfühlten. „Ich wollte damit nur klarstellen, dass jegliche körperliche Anstrengungen meinerseits auf morgen verschoben werden müssen.“

 

„Damit kann ich leben“, brummte Aoi und hörte sich so an, als wäre er ohnehin kurz davor, einfach einzuschlafen.

 

„Mhmh, ich auch.“ Uruha streckte sich und machte es sich dann an meiner anderen Seite bequem. „Und weißt du jetzt, woran Aoi deine gefesselten Hände erinnert haben?“ Ich zog überlegend die Stirn in Falten und hielt mir mein Handgelenk vor die Augen, auf dem sich hübsche, rote Striemen abzeichneten. Nicht von dem weichen Wollschal, verstand sich, sondern von den deutlich stabileren Seilen, die Uruha in den Tiefen seines Koffers versteckt hatte.

 

„Ich reise immer vorbereitet“, murmelte ich, als mir die Worte meines Schatzes vor so vielen Wochen wieder in den Sinn kamen. „Eure Pläne für die Hochzeitsnacht …“

 

„Durch die uns der Alkohol einen gehörigen Strich gemacht hat. Ganz genau.“ Uruha nickte leise lachend und malte mit dem Zeigefinger wirre Linien auf meine Brust.

 

„Oh Gott“, stöhnte Aoi, „mir tut heute noch der Kopf weh, wenn ich an meinen Kater am nächsten Morgen denke.“

 

„Selbst schuld“, stellte ich nüchtern fest, legte aber eine Hand auf seinen Hinterkopf und kraulte ihm durchs Haar. „Niemand hat dich gezwungen, jedes unserer Trinkspiele gewinnen zu müssen.“

 

„Meine Rede“, pflichtete mir Uruha bei. „Ich sag doch immer, dass dein Ehrgeiz nicht immer gut ist.“

 

Von Aoi war nur ein weiteres Brummen zu hören und grinsend verschränkte ich die Arme hinter dem Kopf, genoss es, so zwischen meinen Männern zu liegen und von ihnen gehalten zu werden. Aber je länger ich dem nun wieder gleichmäßigen Atem der beiden lauschte, desto drückender legte sich die Stille um mich. Ich versuchte an meiner Unbeschwertheit festzuhalten, das Gefühl der Geborgenheit noch länger genießen zu können, aber es rann mir wie Wasser durch die Finger. Ich seufzte und schloss für einen langen Moment die Augen, bevor ich starr auf die hölzerne Zimmerdecke blickte.

 

„Ich bin euch noch eine Erklärung schuldig, denke ich.“ Für einen Augenblick dachte ich, dass meine Liebsten eingeschlafen wären, aber dann spürte ich Uruhas Hand, die begann sanft über meinen Oberkörper zu streicheln und keinen Moment später schob sich Aois Gesicht in mein Blickfeld.

 

„Du bist uns nichts schuldig, Reita. Ich glaub nur, dass es dir guttun würde, wenn du darüber redest, was dich so sehr beschäftigt.“ Er lächelte mich an, wurde aber gleich wieder ernst und eine gewisse Besorgnis stand in seinem Blick. „Du ziehst dich in letzter Zeit immer öfter zurück und wirkst so … traurig, das macht mir Sorgen.“ Ich öffnete den Mund, hatte aber keine Worte auf seine Feststellung parat. „Guck nicht so“, meinte er schmunzelnd, „nur, weil ich dich nicht darauf angesprochen habe, heißt das nicht, dass es mir oder besser gesagt uns nicht aufgefallen ist.“ Ich schluckte, denn ein kleiner, dummer Teil in mir hatte nämlich wirklich angenommen, dass die Beiden mein Verhalten nicht bemerkt hatten oder nicht hatten bemerken wollen. Himmel, jetzt schämte ich mich noch mehr für meine kindischen Anwandlungen.

 

„Es tut mir leid. Verdammt, das ist alles so dumm …“ Ich legte mir die Hände aufs Gesicht und versuchte, mich hinter ihnen vor Aois durchdringendem Blick zu verstecken. Mein Schatz deutete diese Geste richtig – natürlich tat er das – aber statt zu versuchen, mich dazu zu bringen, ihn wieder anzusehen, legte er den Kopf wieder auf meiner Brust ab und ich spürte, wie er die Finger mit denen Uruhas verschränkte.

 

„Gefühle sind nie dumm …“, hörte ich ihn murmeln und hätte beinahe laut gelacht, als er doch nicht wirklich genauso wie meine Mutter reagierte, als ich versucht hatte, ihr zu erklären, was mich so beschäftigte.

 

„Du verbringst eindeutig zu viel Zeit mit meiner Ma.“

 

„Ach ja? Wieso?“

 

„Deine Antwort gerade hätte gut und gerne auch genauso von ihr kommen können.“

 

„Aber es ist die Wahrheit.“

 

„Ja, vielleicht, aber es fühlt sich trotzdem dumm an.“ Wieder seufzte ich und verstummte dann. Es war meinen Liebsten wirklich hoch anzurechnen, dass sie mich nicht zum Reden drängten und einfach nur still darauf warteten, bis ich soweit war. „Ich weiß einfach nicht, ob das mit uns wirklich eine Zukunft hat“, murmelte ich und setzte, erschrocken über die Plumpheit meiner eigenen Worte, nach: „Versteht mich nicht falsch, ich will nicht, dass sich zwischen uns was ändert, ehrlich, aber …“ Von mir und meinem Gestammel selbst genervt, knurrte ich und vergrub die Hände in meinem Schopf. „Seit dem Tag, an dem du mir gesagt hast, dass du Uruha einen Antrag machen willst …“ Wieder fehlten mir die Worte. „Du weißt, dass ich Angst hatte, euch zu verlieren oder irgendwie nicht mehr dazu zu gehören …“

 

Ich hatte die Augen fest geschlossen und zog an meinen Haaren, sodass ich nur spürte, wie sich Aoi neben mir aufrichtete. Gleich darauf küssten weiche Lippen meine Stirn und sanfte Finger legten sich auf meine Hände, lösten ganz vorsichtig meinen verkrampften Griff.

 

„Es tut mir leid, wenn ich dir das Gefühl gegeben habe, dass …“ Aoi sprach leise und als ich zu ihm aufsah, schnürte mir die Besorgnis in seinen Augen regelrecht die Kehle zu.

 

„Sssh.“ Ich schüttelte den Kopf und legte meinen Finger gegen seine Lippen. „Das ist es nicht, ehrlich. Weder du noch Uruha habt mir jemals das Gefühl gegeben, nicht dazuzugehören.“ Jetzt regte sich auch mein bester Freund, aber statt sich ebenfalls über mich zu beugen, drehte er sich nur leicht, bis er das Kinn auf meiner Brust abstützen und zu uns nach oben sehen konnte. Wieder kam mir ein langgezogener Seufzer über die Lippen und ich legte eine Hand auf seinen Schopf, kraulte sanft durch sein weiches Haar und wusste gerade nicht, ob ich ihm damit etwas Gutes tun wollte oder vielmehr mich selbst beruhigen. „Es liegt wirklich nicht an euch, das ist mir über die letzten Monate hinweg mehr als bewusst geworden. Es sind die anderen. Unsere Freunde, irgendwelche Menschen, die ich nicht mal näher kenne, selbst meine Mütter. Alle scheinen irgendwie nur darauf zu warten, dass wir uns trennen, dass ihr merkt, dass ihr mich nicht braucht. Egal, ob ich mit Tora einen trinken gehe, mich mit Ruki oder meiner Mutter unterhalte, irgendwann kommt immer zwangsläufig die Frage danach, ob ich wirklich glücklich bin. Und dann kommen wieder meine Zweifel hoch, dann frag ich mich, ob ich nicht vielleicht doch einer zu viel bin.“ Beschämt wandte ich den Kopf ab und schaute über Uruhas brünetten Schopf hinweg zu einer der mit Papier bespannten Schiebetüren.

 

„Du wirst nie einer zu viel sein“, murmelte Aoi und strich in einer liebevollen Geste mit der Nasenspitze über meine Wange. „Weißt du, als mir Uruha damals von seinen Gefühlen für dich erzählt hat, war das wie ein Schlag ins Gesicht. Ich dachte, ich würde ihn verlieren, weil, was hätte diese Offenbarung schon anderes bedeuten sollen? Wir haben sehr lange geredet, gestritten teilweise, und es tut mir heute noch leid, dass ich Dinge gesagt habe, die nicht wirklich fair waren.“

 

Aois dunkle Augen sahen von mir zu Uruha und seine Finger, die noch immer mit denen meines besten Freundes verschränkt waren, drückten leicht zu. Uruha jedoch lächelte nur und für einen Moment glaubte ich, die stumme Unterhaltung der beiden beinahe hören zu können, ein Teil davon zu sein. Ich wusste, tief in mir, dass Uruha unserem Schatz schon lange verziehen hatte und es diese entschuldigenden Worte in seinen Augen nicht gebraucht hätte. Genauso wie ich mir sicher war, dass Aoi das komplett anders sah und sich vermutlich auch in den nächsten Jahren immer wieder einmal für sein Verhalten von damals entschuldigen würde. Man konnte über meine beiden Männer wirklich sagen, was man wollte, aber im Punkto Sturheit standen sie einander in nichts nach. Ein sanftes Lächeln legte sich auf meine Lippen, das von Aoi erwidert wurde, als sich seine Aufmerksamkeit wieder auf mich richtete.

 

„Was ich damit sagen wollte, ist …“ Er räusperte sich und wo seine Stimme bislang uncharakteristisch dünn geklungen hatte, war sie jetzt wieder fest und selbstsicher, so wie ich sie kannte. „Ich denke, mich haben ähnliche Zweifel geplagt, auch, wenn meine Situation doch eine andere war. Aber glaub mir, auch wenn ich mir anfänglich sicher gewesen bin, dass die Nacht mit dir etwas Einmaliges sein würde, habe ich ziemlich schnell feststellen müssen, dass das nicht funktionieren wird.“ Jetzt grinste er auf mich herab und in meinem Magen schienen plötzlich Hunderte von Schmetterlingen gleichzeitig komplizierte Flugmanöver zu veranstalten. „Ich habe Uruha vor dieser Nacht über alles geliebt und daran hatte sich auch danach nichts geändert … nur, dass immer etwas gefehlt hat, wenn du nicht da warst.“

 

Fuck, wurden meine Augen gerade feucht oder was? Ich traute mich gar nicht zu blinzeln und selbst das Atmen fiel mir schwer, als sich all meine angestauten Gefühle der letzten Monate wie ein Kloß in meinem Hals festsetzten.

 

„Ich …“, krächzte ich, während Aois Worte in meinem Inneren nachhallten. Ich wusste, was Uruha und Aoi für mich empfanden, immerhin hatten wir heute nicht zum ersten Mal in den vergangenen zwei Jahren über uns und unsere Beziehung geredet, aber, wie es uns dreien nach dieser gemeinsamen Halloweennacht ergangen war, hatten wir tatsächlich noch nie angesprochen.

 

Als sich Uruha plötzlich erhob, dachte ich für eine Schrecksekunde, dass er aus dem Zimmer gehen würde, weil ich irgendetwas gesagt oder eben nicht gesagt hatte, was ihn verletzt hatte. Aber er streckte sich nur kurz und ging dann langsam zu seinem Koffer hinüber, aus dem er ein kleines und mir nur allzu bekanntes Buch holte, das in rotes Leder gebunden war. Er betrachtete es kurz, schien eine Entscheidung zu fällen und kam dann wieder auf unser Lager aus Futons, Decken und Kissen zu. Er lächelte mich an, als er bemerkte, dass ich ihm mit Blicken gefolgt war, kniete sich hin und hielt mir das Buch entgegen.

 

„Ich hatte zwar nie vor, dir das zu zeigen, aber ich glaube …“ Er zuckte mit den Schultern, als würde er sich ein bisschen dafür schämen, was dort in seinem Tagebuch geschrieben stand. „Es ist der richtige Zeitpunkt, dass du es liest. Und vielleicht hilft es ja.“

 

Unsicher sah ich erst ihn, dann wieder das Buch an und richtete mich schlussendlich auf, um es in die Hand nehmen zu können. Auch Aoi setzte sich auf, stopfte ein paar Kissen zwischen sich und die Zimmerwand und öffnete dann einladend die Arme. Nur einen kurzen Moment, in dem ich Uruha tief in die Augen sah, zu lesen versuchte, ob er sein Vorhaben wirklich in die Tat umsetzen wollte, zögerte ich, dann lehnte ich mich gegen meinen Schatz und wartete, bis auch mein bester Freund es sich neben mir wieder bequem gemacht hatte.

 

„Zeigst du mir, was genau ich lesen soll?“ Ich war tatsächlich etwas nervös, denn Uruhas Tagebuch war immer ein fast heiliges Objekt für mich gewesen, in dem ich nie, wirklich nie, einfach so gelesen hätte. Aber jetzt, mit seiner Erlaubnis und der direkten Aufforderung dies zu tun, spürte ich, wie eine gewisse Neugierde in mir hochstieg.

 

„Hier“, murmelte er leise, hatte sich über mich gebeugt und das Buch an einer Seite, die mit einem schlichten schwarzen Satinband als Lesezeichen markiert war, aufgeschlagen. „Das habe ich … ach nein, du wirst ja gleich selbst lesen, wann ich das geschrieben hab.“

 

„Und das ist wirklich in Ordnung für dich.“

 

„Ja, wirklich. Sonst würde ich es dir nicht geben, glaub mir.“ Uruha küsste meine Wange, dann spürte ich, wie er einen Arm hinter meinem Rücken hindurchschob und sich dann wieder gegen mich lehnte. „Vielleicht fühlst du dich dann mit deinen Ängsten und Sorgen nicht mehr ganz so allein.“ 

 

~~**~~

 

01. November 2017 – Tokyo

 

Reita,
 

es ist kaum eine Stunde her, seit du gegangen bist und dennoch vermisse ich dich schon. Und Aoi geht es genauso. Er versucht zwar, sich nichts anmerken zu lassen, aber ich sehe doch, wie er dein Nasenband, das du auf dem Wohnzimmertisch vergessen hast, anstarrt, immer wenn er denkt, ich würde es nicht bemerken. Fast, als versuche er, dich allein mit seiner Willenskraft dazuzubringen, wieder zu uns zurückzukommen.

 

Es war eine dumme Idee, dich gehen zu lassen. Es gibt noch zu Vieles, worüber wir reden müssen, worüber wir uns nur gemeinsam klar werden können. Ich bin mir sicher, dass du jetzt in deiner Wohnung sitzt und dir Argument um Argument zurechtlegst, warum das mit uns dreien nicht funktionieren kann. Und alles nur, weil du mich, wie so oft, beschützen willst. Versteh mich nicht falsch, ich wäre vermutlich nicht der Mensch, der ich heute bin, hätte ich mich nicht mein halbes Leben auf dich verlassen können. Hätte ich nicht immer gewusst, dass du zu mir stehst, egal was auch kommen mag und dass du selbst zu nachtschlafender Zeit immer ein offenes Ohr für mich haben würdest. Aber gerade jetzt sind deine Sorgen um mich so unbegründet und ich ertrage den Gedanken kaum, dass du dich nun in deinen Selbstvorwürfen verlierst.

 

Vermutlich weißt du gar nicht, was mir die letzte Nacht bedeutet und wie solltest du auch? Ich habe dir bis gestern schließlich nie von meinen Sehnsüchten erzählt. Nie erwähnt, dass ich, obwohl ich mit Aoi die glücklichsten Jahre meines Lebens verbringen durfte, doch immer das Gefühl hatte, mir würde etwas fehlen. Nein, nicht etwas, jemand. Du.

 

Ich liebe dich Reita, mit allem was ich bin und mit allem, was mich ausmacht.

Die längste Zeit habe ich versucht, diese Gefühle mit unserer tiefen Freundschaft zu begründen, denn wie sollte es auch angehen, dass ich für gleich zwei Menschen nahezu dasselbe empfinde?

Sexuelles Verlangen? Ja, das konnte ich vor mir selbst und auch vor Aoi rechtfertigen, denn jeder Mensch mit Augen im Kopf hätte gesehen, mit welchem Hunger du mich immer angesehen hast. Mit welcher Hitze deine Blicke jeder meiner Bewegungen gefolgt waren, wenn ich mich nach einer Show umzog und von deinen anzüglichen Kommentaren, wenn du dich allein mit deinen Kumpeln glaubtest, brauchen wir erst gar nicht zu reden.

Vielleicht hätte ich behaupten können, dass dein Verhalten mich erst dazu gebracht hatte, dich mit anderen Augen zu sehen. Dass sich mein Interesse an dir erst nach und nach entwickelt hatte und ich mich nun so in meiner Obsession verloren habe, dass ich mir die Gefühle für dich nur einbilde. Und glaub mir, ich habe versucht, mir genau dies einzureden, wieder und wieder und bin dennoch daran gescheitert.

 

Ich weiß nun, dass meine Gefühle für dich echt sind, dass ich Aoi und dich gleichermaßen liebe und in meinem Leben brauche. Jetzt, wo ich einmal spüren durfte, wie es ist, dir körperlich und emotional noch näher zu sein, als ich es als dein bester Freund schon seit Jahren bin, kann ich nicht mehr zurück. Es schmerzt Reita, es tut so unglaublich weh, dich jetzt nicht in meiner Nähe zu wissen.

 

Aoi neben mir macht ein leises Geräusch, dann spüre ich seine Lippen, die eine Träne von meiner Wange küssen, von der ich nicht bemerkt habe, dass sie mir entkommen war. Siehst du, was du mit mir anstellst?

Ich bin froh, dass du diesen Brief nie lesen wirst, weil ich weiß, dass allein dieser Satz dir schon wieder ein schlechtes Gewissen bereiten würde. Du bist so ein herzensguter Mensch,  Reita und ich will dir endlich der Partner sein können, den du verdient hast. Ich will dir all die Nähe, Sicherheit und Geborgenheit zurückgeben, die ich immer in deinen Armen gefunden habe.

 

Aoi lehnt seinen Kopf leise seufzend gegen meine Schulter, nicht, um lesen zu können, was ich schon die ganze Zeit über schreibe, sondern einfach nur der Nähe wegen, die wohl auch er gerade so dringend braucht. Allein, dass er zulässt, dass ich ihn so sehe, dass er seine Schwäche so offen zeigt, ist nur ein weiterer Beweis für mich, dass auch er dich vermisst.

 

Komm zu uns zurück, Reita.

 

Ich habe zwar keine Ahnung, wie so eine Beziehung zu dritt funktioniert und will mir die dummen Kommentare mancher Leute heute noch gar nicht vorstellen müssen, aber eines weiß ich. Wir brauchen dich, Aoi genau wie ich und alles andere werden wir gemeinsam schon hinbekommen.

 

Ich küsse Aois Schläfe, sehe, dass er die Augen geschlossen hat und dein Nasenband gedankenverloren zwischen seinen Fingern hin und her gleiten lässt. 

Ich glaube, ich werde dich anrufen, jetzt gleich. Der Abend ist noch jung und ist es nicht ohnehin schon viel zu lange her, dass wir beide unter Aois Protesten die Küche auf den Kopf gestellt haben, weil wir unser Spezialcurry kochen wollten?

Ich denke schon. Du hast sicher nichts dagegen, nochmal vorbeizukommen und falls doch, weiß ich ja, wo ich dich finden kann. Ein Curry kann ich auch in deiner winzigen Küche zaubern. Ob du sie danach allerdings noch benutzen kannst, kann ich nicht garantieren.

 

Ich liebe dich, Reita, und auch, wenn ich weiß, dass du das hier nie lesen wirst, bin ich froh, mir einfach mal alles von der Seele geschrieben zu haben. Ich weiß jetzt, was ich tun werde und auch, dass es richtig ist, diese Gefühle für dich und Aoi gleichermaßen zu empfinden. Mein Herz ist groß genug für euch beide und ich bin fest entschlossen, dir das auch zu beweisen.

 

~~**~~

 

Zunächst hatte ich den Tagebucheintrag – oder vielmehr den Brief an mich – nur überflogen, so neugierig war ich darauf, was Uruha mir vor Jahren schon hatte mitteilen wollen. Doch jetzt, wo sich meine erste Aufregung gelegt hatte, ließ ich mir Zeit und versuchte mit klopfendem Herzen jedes einzelne der Worte in mich aufzunehmen. Himmel, ich wusste ja schon seit unserer Schulzeit, dass mein bester Freund es verstand, mit Worten umzugehen, aber das hier? Seine Ehrlichkeit, die mir aus jeder Zeile regelrecht entgegensprang, berührte mich auf eine Art und Weise, die ich geschriebenen Worten nie zugetraut hätte. Ich schluckte und ließ meine Blicke noch einmal über einzelne Sätze huschen, die ich vermutlich in meinem Leben nie wieder vergessen würde.

 

… immer das Gefühl hatte, mir würde etwas fehlen.

Nein, nicht etwas, jemand. Du.

 

… für gleich zwei Menschen nahezu dasselbe empfinde?

 

… dass ich Aoi und dich gleichermaßen liebe und in meinem Leben brauche

 

Allein, dass er zulässt, dass ich ihn so sehe, dass er seine Schwäche so offen zeigt, ist nur ein weiterer Beweis für mich, dass auch er dich vermisst.

 

Ich habe zwar keine Ahnung, wie so eine Beziehung zu dritt funktioniert und will mir die dummen Kommentare mancher Leute heute noch gar nicht vorstellen müssen, aber eines weiß ich. Wir brauchen dich, Aoi genau wie ich, und alles andere werden wir gemeinsam schon hinbekommen.

 

es richtig ist, diese Gefühle für dich und Aoi gleichermaßen zu empfinden. Mein Herz ist groß genug für euch beide.

 

Verdammt, meine Augen brannten schon wieder so verräterisch. Warum war ich heute nur so emotional? Tief in meinen Gedanken und den Empfindungen versunken, die Uruhas Worte in mir hervorgerufen hatten, strich ich über die beiden beschriebenen Seiten. Die Handschrift meines besten Freundes war schon immer beneidenswert ordentlich und schön gewesen, aber ich bildete mir ein, dass seine Finger gezittert haben mussten, als er den Brief vor nunmehr fast zwei Jahren verfasst hatte. Ein Gedanke, der mich seltsam melancholisch stimmte.

 

Aoi neben mir machte ein leises Geräusch, das ich nicht wirklich zuordnen konnte, aber als ich den Blick von der Buchseite hob, erkannte ich, dass er über meine Schulter hinweg mitgelesen hatte. Ein Ausdruck zwischen Unglaube und Amüsement lag auf seinen Zügen und als er bemerkte, dass ich ihn ansah, schenkte er mir dieses leicht verlegene Lausbubenlächeln, welches ich so sehr an ihm liebte.

 

„Darum also musstet ihr das Curry unbedingt bei mir kochen, hu? Von wegen, euer Herd hat den Geist aufgegeben“, stellte ich dann etwas aus der Luft gegriffen fest und versuchte meiner Stimme eine Leichtigkeit zu verleihen, die ich gerade absolut nicht spürte. Aber wem wollte ich was vormachen? Uruha gewiss nicht, was mir sein leises Schnauben nur zu deutlich bewies. Er rückte näher an mich heran und küsste meine Stirn, fast wie eine Mutter, die ihr Kind bei einer kleinen Lüge erwischt hatte, aber zu gütig war, um zu tadeln. „Warum hast du damals nicht angerufen? Ich wäre sofort gekommen, das weißt du, oder?“

 

„Ja, weiß ich.“ Uruha nickte und sein Blick wurde sanft, als er seine Hand über die Meine legte. „Ich glaube, ich wollte einfach auf Nummer sicher gehen.“

 

„Ich hab so den Eindruck, dass du mich gerne vor vollendete Tatsachen stellst“, murrte ich spielerisch und erntete ein freches Zwinkern auf diese Feststellung.

 

„Wenn dir das erst jetzt auffällt …“ Er beendete seinen Satz nicht, aber ich wusste auch so haargenau was er meinte. Manchmal konnte ich wirklich ziemlich begriffsstutzig sein und das wurde mir auch jetzt wieder mehr als deutlich bewusst.

 

„Ich fühle mich so dumm“, gab ich zu, senkte den Kopf und schloss beschämt die Augen. „Ich dachte die ganze Zeit wirklich, dass es an mir liegt. Dass ich zu empfindlich bin, was die Meinungen und Erwartungshaltung der anderen angeht. Dabei …“

 

„Hör auf, Reita.“ Ich spürte Aois Lippen an meiner Schläfe, dann seine Finger, die sich unter Uruhas und meine schoben und die Verbindung unserer Hände somit komplett machten. „Es wird vermutlich immer Leute geben, die unsere Art zu leben und zu lieben nicht verstehen können oder wollen und mit ihren Ansichten auch nicht hinterm Berg halten, aber solange wir uns einander sicher sind und wissen, was uns guttut, können uns die Meinungen anderer gestohlen bleiben.“

 

„Und solange du mit uns redest, Rei, finden wir für alles irgendwie eine Lösung.“ Uruha legte seinen Zeigefinger unter mein Kinn und drückte es sanft nach oben, bis er mir wieder ins Gesicht sehen konnte. „Du musst nicht alles mit dir allein ausmachen.“ Ich nickte, weil mir mal wieder die Worte fehlten und meine blöden Gefühle Steine in meinen Magen legten.

 

„Tut mir leid“, flüsterte ich schließlich und fand mich fast augenblicklich in einer festen Umarmung wieder. „Ihr habt recht, mit allem.“ Ich seufzte und schüttelte den Kopf. „Ich hätte wirklich schon viel früher mit euch reden sollen. Ich hatte nur Angst, damit irgendwas kaputtzumachen.“

 

„Dummkopf“, raunte Uruha gegen meinen Schopf und, auch wenn ich es nicht zugeben wollte, als sich auch noch Aois Arme um mich legten, hörte sich mein zittriges Einatmen beinahe wie ein Aufschluchzen an.

 

Für eine ganze Weile konnte ich nichts sagen, traute mich nicht einmal an irgendetwas Konkretes zu denken, schlicht und einfach mal wieder aus der Furcht heraus, ich könnte diesen Augenblick, der mir so unheimlich guttat, zerstören. Und wäre es nach mir gegangen, hätten wir auch den ganzen restlichen Tag genau so verbringen können, auch wenn es zugegeben bestimmt irgendwann unbequem geworden wäre. Aber gerade, als ich leise seufzend mein Gesicht an Uruhas Halsbeuge verbarg, übernahm Aois knurrender Magen die Aufgabe, uns lautstark daran zu erinnern, dass wir heute noch nichts gegessen hatten. Eine Sekunde vielleicht blieb es still, dann fingen wir drei, wie kleine Schuljungen, die etwas ausgeheckt hatten, fast gleichzeitig zu lachen an.

 

„Du bist so herrlich unromantisch, mein Schatz“, kicherte Uruha und löste sich ein Stück weit aus unserer Umarmung, um Aoi vermutlich besser ansehen zu können.

 

„Nicht ich“, meinte dieser im Brustton der Überzeugung und brachte mich nur noch mehr zum Lachen. „Mein Magen ist der Schuldige hier, ich kann nichts dafür.“

 

„Ich wusste schon immer, dass der ein Eigenleben hat.“ Grinsend hob ich den Kopf und schielte über meine Schulter zu Aoi nach hinten. „Wobei ich zugeben muss, dass mir der Meine auch irgendwo in den Kniekehlen hängt. Denkt ihr, wir kriegen noch ein Frühstück?“

 

„Mh.“ Mein bester Freund brummte überlegend. „Ich würde mal sagen, da sie uns bis jetzt noch nicht wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses in hohem Bogen rausgeschmissen haben, stehen unsere Chancen doch recht gut.“

 

Ich schaute erst Uruha, dann Aoi an, bevor ich mich fast ein wenig widerwillig von ihnen löste und aufstand. Suchend ließ ich den Blick durch den Raum schweifen und musste erneut grinsen, als ich unsere Kleidung wild verstreut im ganzen Zimmer entdeckte. Da hatten wir vorhin ja wirklich ganze Arbeit geleistet. Kopfschüttelnd begann ich mich anzuziehen und nachdem sich auch meine Männer hatten aufraffen können, sich von unserem viel zu gemütlichen Lager zu erheben, und schlussendlich auch wieder bekleidet waren, legte ich ihnen lässig meine Arme um die Schultern.

 

„Wisst ihr was?“

 

„Nein“, bekam ich zweistimmig zur Antwort, was mich schon wieder köstlich amüsierte. „Ich muss dieses ‚miteinander reden‘ zwar noch lernen, aber … es hat wirklich gutgetan, ehrlich. Es war dumm von mir, nichts zu sagen, das weiß ich jetzt.“

 

„Unsinn.“ Aoi schnaubte und lehnte seinen Kopf gegen meine Schulter. „Ich bin einfach nur froh, dass du jetzt wieder du bist und nicht dieses traurige Häuflein Elend, das wir vorhin aufgegabelt haben.“

 

„Ganz genau.“ Uruha nickte zustimmend, küsste meine Wange und mogelte sich dann unter meinem Arm hindurch, nur um mich an der Hand zu nehmen und in Richtung Zimmertür zu ziehen. „Nächstes Mal, wenn du den Mund nicht aufbekommst, trete ich dir einfach in deinen süßen Hintern.“ Er grinste mich frech über die Schulter an und schob die Schiebetür auf. „Und jetzt gehen wir was essen, sonst muss ich euch anknabbern und das wollt ihr sicherlich nicht.“

 

~*~

 

Uruha hatte mit seiner Einschätzung das Frühstück betreffend tatsächlich recht behalten. Wir ernteten zwar seltsame Blicke von den Angestellten des Ryokans, die von belustigt bis hin zu verstört reichten, aber das zwar verspätete, aber dafür umso ausgiebigere Frühstück, das wir nach einer kurzen Wartezeit serviert bekamen, hatte unglaublich gut geschmeckt. 

 

Satt und zufrieden hatten wir beschlossen, den Nachmittag in und um die heißen Quellen zu verbringen, was, wie ich feststellen musste, eine unglaublich gute Idee war. Meine Muskulatur schien mir die entspannende Wärme zu danken und eine nicht unangenehme Trägheit ließ meinen Geist sich wie in Watte gepackt anfühlen.

 

„Hach, das ist ein Leben“, seufzte ich zufrieden und zog Uruha an mich, der gerade wieder ins Wasser gestiegen kam. Er antwortete nicht sofort auf meine Feststellung, drehte sich stattdessen in meinen Armen um und legte seine Arme um meinen Hals. Ein laszives lächeln zierte seine vollen Lippen und fachte den Schmetterlingsschwarm in meinem Magen zu neuer Aktivität an.

 

„Und genau dieses Leben können wir noch ganze sechs Tage genießen.“ Seine Worte kamen ihm dunkel und verheißungsvoll über die Lippen, bevor er mich in einen leidenschaftlichen Kuss verstrickte. Sein nackter Leib presste sich nah gegen meinen und trotz der Hitze des Wassers um uns herum rann mir dabei eine dicke Gänsehaut prickelnd über den Rücken. Ich atmete bereits schwerer, als er sich ein Stückchen von mir zurückzog und mir lächelnd ins Gesicht sah.

 

„Mh“, hörte ich Aois Stimme plötzlich hinter uns und wandte den Kopf. „Meine schönen Männer, ich liebe es einfach, euch zuzusehen.“

 

Ich biss mir auf die Unterlippe und spürte, wie mir das Blut in die Wangen stieg. Nach all der Zeit hatte Aois Vorliebe dafür, Uruha und mich zu beobachten, noch immer nicht ihren Reiz verloren.

 

„Komm zu uns ins Wasser, Blue“, bat ich ihn und nun war ich es, der ihm mit Blicken folgte, als er sich in einer fließenden Bewegung den Yukata von den Schultern schob und ihn achtlos zu Boden gleiten ließ. Gleich darauf betrat er mit bedachten Schritten das Becken, wartete einen Moment mit geschlossenen Augen, bis er sich an die Wärme gewöhnt hatte und kam dann zu uns herübergeschwommen.

 

„Und davon, von euch so angesehen zu werden, werde ich vermutlich auch nie genug bekommen.“ Ich grinste Uruha an, der meine Geste erwiderte, während Aoi erst ihm, dann mir einen kurzen Kuss auf die Lippen drückte. „Ich befürchte, diese Flitterwochen werden mich endgültig für die Arbeitswelt verderben.“

 

„Oh ja, mich auch“, pflichtete ihm Uruha bei, während ich mich gegen den Beckenrand sinken ließ und meine beiden Liebsten einfach nur stumm betrachtete. Tausend Dinge gingen mir durch den Kopf, aber anders, als noch am Morgen, lösten diese Gedanken nun kein schlechtes Gefühl in mir aus. Ganz im Gegenteil. Ich fühlte mich wohl, irgendwie angekommen und auch, wenn ich wusste, dass ich noch ziemlich an mir würde arbeiten müssen, um nicht immer alles in mich hineinzufressen, war ich mir nun unumstößlich sicher, dass ich mit Uruha und Aoi immer würde reden können, egal, was mich belastete.

 

„Hey, alles in Ordnung mit dir?“ Die warmen Augen meines besten Freundes tauchten mit einem Mal in meinem Blickfeld auf. „Du bist plötzlich so still.“ Ich lächelte und schüttelte sacht den Kopf.

 

„Ich hab nur gerade überlegt.“ Uruhas rechte Augenbraue wanderte fragend ein Stück nach oben, während dessen Aoi mich nur stumm musterte. „So im Großen und Ganzen war die Hochzeit schon toll, oder?“, redete ich dann weiter, was die Blicke meiner Männer nur noch skeptischer werden ließ. „Ich mein … super leckeres Essen, eine schöne Lokation, Familie und Freunde alle auf einem Haufen … Alkohol in rauen Mengen.“ Ich lachte leise, als Aoi bei dem Wort ‚Alkohol‘ die Lippen verzog. „Und jetzt die Flitterwochen.“

 

„Worauf …“, begann Uruha, „willst du eigentlich hinaus, hu?“

 

„Na ja.“ Jetzt grinste ich offen und breitete lässig die Arme auf dem Beckenrand aus. „Ich meine ja nur, dass wir so etwas in ein paar Jahren doch wiederholen könnten, oder?“

 

Uruhas Mund klappte auf und auch wenn Aoi seine Verwunderung nicht ganz so offen zeigte, konnte ich ihm diese doch an der Nasenspitze ablesen.

 

„Aber … was ist mit deinem pseudo Junggesellendasein?“ Das war so klar, dass diese Frage von meinem besten Freund jetzt kommen musste. Vermutlich hatte er mir diesen Kommentar doch noch nicht so ganz verziehen.

 

„Ach Ducky, das hab ich doch schon damals an den Nagel gehängt, als ich dank eurem kleinen Curryunfall meine Küche renovieren musste.“

 

Wäre ich nicht so nah am Beckenrand gestanden, hätte mich der Schwung, mit dem mir Uruha in die Arme fiel, vermutlich von den Füßen gerissen. So jedoch hob ich nur die Arme und drückte ihn noch fester an mich. Über seine Schulter hinweg erwiderte ich Aois Blick, der, wenn ich mich nicht ganz täuschte, nun ziemlich gerührt wirkte.

 

„Ich hab es damals schon gesagt und ich sage es auch gerne nochmal. Ich würde dich vom Fleck weg heiraten, wenn du mich nur lässt.“ Uruhas Worte, leise in mein Ohr geraunt, ließen mich wohlig erschauern und glücklich schloss ich die Augen, als nun auch Aoi näher rückte und mir über die Wange streichelte.

 

„Ich glaube, Jahre können weder Uruha noch ich darauf warten.“ Ich konnte Aois zufriedenes Lächeln regelrecht aus seiner Stimme hören und hätte in diesem Augenblick beim besten Willen nicht beschreiben können, wie glücklich ich mich fühlte.

 

„Ich liebe euch“, murmelte ich leise und als mir meine Männer ein weiteres Mal zeigten, wie tief auch ihre Gefühle für mich waren, war ich mir endlich ohne jeden Zweifel sicher, dass alles genau so war, wie es sein sollte. Wir gehörten zusammen und es war egal, ob unsere Art, eine Beziehung zu führen, von unserer Umwelt verstanden wurde. Für uns war es so das einzig Richtige.

 

 

~ The End ~



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  QueenLuna
2019-12-19T23:04:42+00:00 20.12.2019 00:04
Hach das positive Gefühl aus dem letzten Kapitel hat sich gleich in diesem hier fortgesetzt, aber wie solls auch anders sein, bei so einer trauten Dreisamkeit <3 Du hast Reitas verlangenden Gemütszustand wieder wunderbar nachvollziehbar beschrieben und auch wie du die - ich nenne es jetzt mal - Spannung zu Reitas später folgenden "Macht, dass ich nicht mehr denken muss" - Zustand aufbaust, ist schon sehr prickelnd. Hach, da will man einfach noch mehr Details lesen, hehe *grins*

Ich liebe auch weiterhin dieses Bild, wie Reita von seinen beiden Männern gehalten wird <3 das ist schon sehr symbolträchtig und echt herzerwärmend schön. Das bleibt kein Platz für Zweifel, Reita!

Du bringst übrigens bei deinen Geschichten immer wieder Sätze, die mir auch danach noch in Erinnerung bleiben und die für mich dann irgendwie diese Geschichte ausmachen. In dieser hier wäre das: "Gefühle sind nie dumm"
Bleib immer wieder an dem Satz hängen.
Ich könnte dir spontan noch zwei Sätze aus zwei anderen deiner FFs nennen, falls du willst, ansonsten hau ich sie bestimmt bei der nächsten Zweitkommentarrunde raus, wenn ich da nicht schon zweimal kommentiert habe und es dann nicht vergesse xD

„Du weißt, dass ich Angst hatte, euch zu verlieren oder irgendwie nicht mehr dazu zu gehören …“ - da hatte ich schon fast Pipi in den Augen. Man spürt wirklich Reitas Zweifel.
Generell hatte ich in dem letzten Part, besonders bei Uruhas Tagebucheintrag wieder mit mir zu kämpfen, weils mich so berührt hat.
Dabei ging mir auch auf, wie Aoi wohl anfangs gelitten haben muss, als Uruha ihm sein Interesse an Reita kundtat und Playtime eigentlich einmalig sein sollte. Oh mann...Will gar nicht wissen, wie es da emotional um die beiden stand. Jetzt leide ich im Nachhinein mit Aoi. Aber sie haben es ja hinbekommen <3 aber wie mir scheint, dreht sich ihre gemeinsame Welt immer irgendwie ein wenig um Uruha, die alte Queen xD

"hörte sich mein zittriges Einatmen beinahe wie ein Aufschluchzen an" - meine Reaktion: ooooh Gott ist das herzallerliebst <3

Auch an den Reaktionen der beiden anderen, bei Reitas Geständnis im Wasserbecken über eine baldige Zweithochzeit, sieht man wie sehr sie einander lieben. Irgendwie hab ich das manchmal vergessen was in dem anderem wirklich vorgeht, weil man ja die ganze Zeit aus Reitas Sicht liest, aber hier finde ich, sieht man diese Gefühle für einander echt toll.

So, was soll ich noch sagen, was ich nicht schon fünfmal erwähnt habe?

Fazit: Es ist eine mega tolle Geschichte, voller unterschiedlicher Gefühle, die in einem (also mir xD) geweckt wurden, von Zweifel, Rührung, noch mehr Zweifel, Kribbeln im Bauch, Zweifel bis hin zum Herzklopfen. Wobei beim zweiten Lesedurchgang die Zweifel nicht mehr ganz so stark waren, wie beim ersten Mal und dennoch war wieder eine wunderbare emotionale Mischung dabei.
Ich liebe diese drei und hoffe sehr, dass du irgendwann nochmal was zu ihnen schreibst <3

Liebste Grüße
Luna :*
Von:  Janine3878
2019-12-07T13:20:30+00:00 07.12.2019 14:20
Schön..... Ich hoffe es war nicht die letzte Story von dir!!!


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