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Land unserer Väter

Magister Magicae 1
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
So, ihr Lieben, das war´s erstmal wieder von meiner Seite. Mein Vorsprung ist aufgebraucht und mein Urlaub zu Ende. Jetzt kann es wieder ein wenig dauern, bis ich zum Weiterschreiben komme. Habt eine schöne Zeit bis dahin. ^_^ Komplett anzeigen

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Freund

[Moskau, Russland]
 

„Waleri!“, grüßte der Berg von einem Mann fröhlich.

„Yarupolk, wie geht´s? Alles fit?“, gab Waleri gespielt cool zurück.

Sie trafen sich heute allesamt auf dem obersten Deck eines Parkhauses mitten in der Stadt, um Mischkas Eltern nicht zu ärgern. Schon schlimm genug, dass sie Waleri in ihrer Wohnung dulden mussten. Yarupolk wollten sie ihnen nicht auch noch zumuten.

Yarupolk trug seine blonden Haare heute offen. Sie waren vermutlich mit Haarspray nach hinten toupiert, um den beidseitigen Undercut offen sichtbar zu lassen. Er steckte in einer schweren Lederjacke, die ihn reichlich plump aussehen ließ. Er schaute auf die große Decke, die auf dem Boden ausgebreitet worden war, und auf die vier Brotbüchsen. „Machen wir hier ein Picknick?“

„Wir hielten das für eine lustige Idee“, warf Mischka ein. Er schob sich schon das erste Stück Schnitzelstreifen in den Mund.

„Danke, dass du auf Mischka aufpasst, solange ich weg bin. Ganz alleine lassen kann ich ihn leider nicht“, meinte Waleri.

„Kein Problem. Es kommt immer mal vor, dass Schutzgeister ihre Schützlinge kurz in der Obhut anderer Genii lassen, weil sie selber einfach mal verhindert sind. Da ist ja nichts dabei. Da bist du nicht der erste und nicht der einzige.“

Waleri legte Yarupolk eine Hand ins Genick und zog ihn mit Kraft in eine männliche Umarmung. „Rede mit ihm nicht über unsere Machenschaften, sonst war es vielleicht das letzte Mal, dass wir Geschäfte machen konnten. Er weiß bis heute nichts davon“, raunte er dem Bergtroll so leise ins Ohr, dass Mischka es nicht hörte. Dann ließ er Yarupolk wieder los und legt lauter nach: „Pass gut auf Mischka auf. Ich vertraue dir. Bis später.“

„Wann bist du wieder da?“

„In ein, zwei Stunden vielleicht.“

Yarupolk nickte einverstanden.

Mischka, der bereits auf der Picknick-Decke saß, winkte seinem Schutzgeist hinterher, als der davonspazierte. Dann sank er rücklings in die Waagerechte, machte sich auf dem Rücken lang, verschränkte die Hände hinter dem Kopf und schaute in die Wolken hinauf. Er wirkte zufrieden, auch wenn er die größer werdende Entfernung zu seinem Schutzgeist unangenehm spürte und ihn förmlich sofort zu vermissen begann.

Yarupolk setzte sich im Schneidersitz zu ihm und angelte sich ebenfalls etwas zu Essen aus einer der Brotdosen. „Wo geht Waleri denn überhaupt hin?“, wollte er wissen.

„Wahrscheinlich geht er das ‚Opal‘ unsicher machen“, lächelte Mischka.

Yarupolk runzelte ungläubig die Stirn. Er wusste sehr wohl, dass es sich dabei um einen Puff handelte, auch wenn er selbst es noch nie nötig gehabt hatte, in einem solchen zu verkehren. Er bekam seine Frauen wo anders her. „DAFÜR lässt er dich alleine? Ich hoffe doch, das bleibt ein Einzelfall.“

„Bestimmt nicht. Es kann in Zukunft immer mal vorkommen, dass Waleri mich irgendwo abläd, um alleine draußen rumzuziehen.“

„Findest du das in Ordnung?“

„Ach, klar!“, meinte der Junge unbekümmert. „Ich hab´s ihm ja selber vorgeschlagen. Das ist mir hundertmal lieber als wenn er einer Unfreiwilligen zu Leibe rückt. Waleri braucht mal einen Moment Abstand von mir und Jelena.“

„Hab ich gemerkt“, murmelte Yarupolk in sich hinein. Er fasste es einfach mal positiv auf, dass Waleri ihm so wichtig zu sein schien, dass er ihm solche großzügigen Freiheiten einräumte. „Also!“, wechselte er dann euphorisch das Thema, griff wieder in eine Brotbüchse und stopfte sich eine Handvoll Weintrauben ins Gesicht. „Was wollen wir anstellen, solange wir alleine sind? Wollen wir eine Runde boxen, ja?“

Mischka drehte ihm das Gesicht zu. „Ich bin ja nicht irre. Ich sehe doch im Box-Club, wie du Waleri immer verdrischst. Und der ist ein Elasmotherium. So viel wie der halte ich nicht aus. Du sollst mich beschützen, solange Waleri weg ist, und mich nicht gleich selber umbringen, wenn es niemand anderes tut!“
 

Waleri musste schmunzeln, als er zwei Stunden später zurückkam und die beiden wie erhofft dort vorfand, wo er sie zurückgelassen hatte. Mischka schlug gerade mit voller Kraft in Yarupolks Gesicht. Yarupolk schüttelte den Kopf, zeigte auf einen Punkt an seinem Kiefer, indem er sich dagegen tippte, und hielt Mischka seinen breiten Unterkiefer erneut einladend hin. Mischka holte aus und rammte seine blanke Faust auf die bezeichnete Stelle. Dann schüttelte er die Hand fluchend aus, weil er sich selbst mehr wehgetan hatte als ihm. Yarupolk lachte, von dem Treffer absolut unbeeindruckt.

Mischka schaute herum und grinste breit, als er Waleri bemerkte. „Hey, wieder da?“

Waleri nickte leicht, wie er da die letzten Meter mit den Händen in den Hosentaschen ohne Eile über das Parkdeck geschlendert kam. Er war die Ruhe selbst. Mischka spürte über die mentale Verbindung eine innere Ausgeglichenheit, die er an seinem Genius Intimus seit Jahren nicht mehr erlebt hatte. Der Ausflug allein hatte ihm echt gutgetan, wie ein Kurzurlaub. Diese Entspanntheit und Gelöstheit seines Schutzgeistes, allein schon seine plötzlich viel weicheren Augen und seine entkrampften Gesichtszüge, steckten Mischka regelrecht an.

„Du hattest Spaß“, bemerkte der Junge vergnügt.

„Allerdings. ... Und ihr? Ihr trainiert, wie ich sehe?“

„Yarupolk wollte mir gerade eine neue Technik beibringen. Aber ich stelle mich dafür zu blöd an.“

„Nein, tust du nicht. Bei jedem anderen Gegner würde der Schlag schon wirken. Der Kerl hat einfach bloß einen Schädel aus Eisen.“

„Ja.“ Mischka schaute auf seine leicht aufgeplatzten Knöchel. „Eigentlich wollte ich ja gar nicht mit Yarupolk trainieren.“

„Vladimir hätte das sicher auch nicht lustig gefunden, so ganz ohne Schutzausrüstung. Ihr tragt ja keine Boxhandschuhe und gar nichts. Komm, wir sollten langsam los. Wir sind verabredet.“

„Ist gut.“ Mischka kniete sich auf die Decke und raffte die Brotdosen zusammen. Er und Waleri mussten sich nicht darüber austauschen, ob beim jeweils anderen irgendwas passiert war. Als Magi und Genius Intimus wussten sie das auch so. „Yarupolk, willst du die restliche Rote Beete haben?“, bot Mischka an und hielt dem Bergtroll auffordernd eine der Büchsen hin.
 

Waleri und Mischka kamen in die schmierige, verrauchte Kneipe, in der sie Ruppert zum ersten Mal begegnet waren. Inzwischen war es zur festen Gewohnheit geworden, sich jeden Montag und Donnerstag hier zu treffen. Natürlich hatte Mischka seinen Eltern nichts von seinen neuen Bekannten erzählt, oder davon, dass er von einem davon in der Magie unterrichtet wurde. Der Engländer saß bereits an einem Tisch im hinteren Teil der Kneipe, als sie ankamen. Edd war bei ihm, aber von Urnue fehlte mal wieder jede Spur. Um genau zu sein, hatten Mischka und Waleri den italienischen Jungen seit ihrem ersten Treffen nie wieder zu Gesicht bekommen.

„Hey“, grüßte Waleri, als er sich auf einen Stuhl fallen ließ. „Wo ist dein Genius Intimus? Bist du schon wieder nur mit Edd als Schutz unterwegs?“

„Urnue ist da, keine Bange“, lächelte Ruppert sorglos. Das sagte er immer, wenn man ihn fragte, ging aber nie näher darauf ein.

„Kann er sich unsichtbar machen?“, wollte Mischka von der Seite wissen.

„Er ist hier“, betonte Ruppert nochmals und machte mit seinem Tonfall klar, dass er keine Erklärung dazu abgeben würde. Urnue konnte auf die Astralebene wechseln, wo Menschen und die allermeisten anderen Genii ihn nicht wahrnehmen konnten. Ruppert hatte inzwischen beschlossen, dass sich Urnue grundsätzlich auf der Astralebene aufzuhalten hatte, wenn sie außer Haus gingen. Jeder würde Edd für Rupperts Schutzgeist halten und sich im Zweifelsfall mit ihm beschäftigen, falls es zu einem Angriff kam. Damit, dass noch ein zweiter Genius versteckt um Ruppert herumschwirrte, rechnete sicher niemand. Und es hatte den angenehmen Nebeneffekt, dass sich Ruppert nicht mit dem „kleinen Kind“ beschäftigen musste. Urnue war für ihn quasi nicht existent, solange er auf der Astralebene war. „Ich bin mit meinem vierten Bruchstück einen Schritt weitergekommen. If I´m right, befindet sich das verflixte Teil irgendwo im Kreml“, erzählte er munter drauf los. Sein Russisch hatte sich in den wenigen Wochen bereits extrem verbessert, nun wo er quasi 24 Stunden am Tag Russisch reden musste. Zur Not warf er englische Wörter mit ein, wo ihm die Vokabeln fehlten, und hoffte auf das Verständnis der beiden Russen. „Aber es scheint gut durch Zauber geschützt zu sein, damit man es nicht so just like that findet. Könnt ihr mich da reinbringen? Man kommt doch als Besucher in den Kreml rein, oder?“

„Lässt sich sicher einrichten“, überlegte Waleri ohne übertriebene Emotionen. Er hatte weder Angst, die Regierungsanlage zu betreten, noch freute er sich übermäßig darauf. Es war ihm ziemlich egal. Allerdings war der Kreml gewaltig und umfasste dutzende großer Gebäude. Da drin standen Kirchen, Museen, Archive, Verwaltungen, Schatzkammern, Kongressgebäude und sogar Wohnhäuser. Und in viele davon durfte man nicht rein. Andere, insbesondere die unterirdischen Tunnel, waren sogar schon teilweise eingestürzt oder zugeschüttet und wegen der Einsturzgefahr nicht mehr begehbar. Es gab nur einen begrenzten, öffentlich zugänglichen Teil. Und man wurde auf Schritt und Tritt von Wachpersonal begleitet. Die Suche würde problematisch werden, wenn Ruppert sein Ziel nicht ein bisschen genauer kannte. „Was hat es denn mit diesem ‚Bruchstück‘ so richtig auf sich, das du suchst? Muss ja ein mächtig wichtiges Ding sein, wenn es wirklich im Kreml aufbewahrt und so gut geschützt wird.“

Edd nickte. „Es ist ein starkes, magisches Artefakt“, begann er zu erzählen. Er hatte sich über die Jahre mit dem Schmuckstück mehr als vertraut gemacht um keine bösen Überraschungen damit zu erleben. „Es hat einer chinesischen Magierin gehört. Zur Zeit der Streitenden Reiche, als China noch nicht geeint war und sich noch unzählige Fürsten um die Herrschaft über das chinesische Gebiet geprügelt haben, hatte so ziemlich jeder Fürstenhof einen oder mehrere Hof-Magier, die in Schlachten helfen mussten, böse Zauber abgewehrt haben und ihre Fürsten schützen sollten. Einer dieser chinesischen Höfe hatte eine ganz besonders mächtige Magierin, die der Legende nach alle anderen übertrumpfte und ihre Gegner nur so hinwegfegte. Es heißt, ihre gewaltige Macht hätte auf dieser Halskette basiert, nach der wir gerade suchen. Sie bestand aus fünf Teilen, die aneinander gefädelt eng wie ein Halsband um den Kehlkopf lagen. Jedes dieser fünf Teile barg die Macht eines der fünf Elemente in sich.“

„Aber es gibt doch nur vier Elemente! Feuer, Wasser, Erde und Luft!“, warf Mischka neunmalklug von der Seite ein.

Edd lächelte. „In China gibt es fünf. Statt der Luft haben sie Holz und Metall als Elemente. Nachdem die Magierin endlich von fünf anderen Fürsten mit vereinter Kraft besiegt worden war, haben diese fünf Fürsten die fünf Bruchstücke der Halskette unter sich aufgeteilt. Seither ist die Kette verloren. Man findet tatsächlich noch Erzählungen von kleinen Klans, die in ihrer Magie jeweils ein bestimmtes Element ganz besonders gut beherrscht haben. Das ist wohl dem Einfluss des jeweiligen Bruchstücks geschuldet, das sie in ihrem Besitz hatten. Aber mehr als das ist nicht mehr über den Verbleib der Kette bekannt. Sicher wurden die Teile über die Jahrhunderte gestohlen, verschenkt oder als Handelsware verkauft. Die Klans gibt es heute alle nicht mehr. Jedenfalls heißt es, wenn man alle fünf Bruchstücke dieses Halsbandes wieder zusammenfügt, wird man unbesiegbar.“

Ruppert gab von der Seite einen fragenden Laut von sich, weil er dem russischen Gespräch scheinbar nicht mehr folgen konnte. Edd fasste kurz auf Englisch nochmal zusammen, was er gerade erzählt hatte. „Tut mir leid, Rupperts Russisch ist noch nicht so gut wie meins. Als Greif lerne ich viel schneller“, erklärte er dann. „Ich denke jedenfalls, dass die Legende Quatsch ist“, nahm er die ursprüngliche Unterhaltung mit Waleri wieder auf. „Schon, weil das Schmuckstück so alt ist, dass jegliche Magie darin inzwischen verflogen sein dürfte. Und Legenden übertreiben sowieso immer maßlos.“

„Oh, für die damalige Zeit war das sicher ganz großes Kino, was dieses Halsband alles bewirken konnte“, warf Waleri scherzend ein.

„Es ist uralte Magie, die heute gar nicht mehr praktiziert wird“, meinte Ruppert. „Magie entwickelt sich über die Jahrhunderte weiter, genauso wie wir Menschen. Alles in allem sollte der Klunker nowadays also ziemlich ungefährlich sein.“

„Und warum sucht ihr dann so hartnäckig danach?“, wollte Waleri wissen.

„Wegen eines Auftrags. Ein Kunde von mir will die Bruchstücke haben. Er ist Professor für Geschichte an einer Universität, also gehe ich mal davon aus, dass seine ... äh ...“ Er suchte eine Weile vergeblich nach Worten, dann wandte er sich wieder mit ein paar Sätzen auf Englisch an Edd.

„Ruppert geht davon aus, dass die Motive dieses Kunden rein archäologischer Natur sind. Ruppert selber hat kein Interesse daran“, übersetzte der Genius für ihn. „Er wird nur gut dafür bezahlt, sie zu suchen.“

Ruppert grinste wehleidig. „Allerdings hatte ich nicht gedacht, dass es so mühselig werden würde. Meine Hellseherei ist mir keine so große Hilfe wie ich angenommen habe. Ich muss so nah wie möglich an die Quelle.“

„Wahrscheinlich werden wir in den nächsten Tagen häufiger in den Kreml müssen“, kündigte Edd an.

„Wahrscheinlich werden euch dann die Wachleute aus dem Verkehr ziehen“, entgegnete Waleri trocken.

„Wieso?“

„Wegen unerhörter Neugier“, mischte sich Mischka von der Seite ein. Das konnte sogar er den beiden Fremden erklären. „Ihr kennt Russland schlecht, wie mir scheint. Der Kreml ist eine Regierungs-Festung. Da drin werden die Personalien aller Besucher aufgenommen. Wie wollt ihr denen erklären, dass eure Namen jeden Tag auf den Listen auftauchen? Die glauben euch nie, dass ihr bloß Touristen seid. Und ich schätze, ihr seid auch nichts anderes, was die interessieren würde. Man wird euch für Spione halten.“

Edd atmete schockiert durch und lehnte sich zurück, als wolle er Abstand gewinnen. „In Russland will ich lieber nicht für einen Spion gehalten werden.“

„Kluge Entscheidung“, grinste Mischka frech. „Sonst würde man wohl nie wieder von dir hören.“

Edd nickte verstehend und winkte den Jungen dann zu sich herüber. „Komm, wir setzen uns an einen anderen Tisch. Lass die beiden über die Geschäfte reden. Ich bring dir inzwischen noch ein bisschen Bann-Magie bei.“



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