Zum Inhalt der Seite

Land unserer Väter

Magister Magicae 1
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Auf dieses Kapitel freue ich mich schon seit Tagen diebisch. XD
Ich hab beim Schreiben Tränen gelacht und hoffe, ihr mögt es auch. Komplett anzeigen

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Furie

[Moskau, Russland]
 

„Waleri?“

Müde schaute der Genius aus seinem Kreml-Prospekt hoch, dem er die Öffnungszeiten für die Besucher und genauere Lagepläne zu entnehmen hoffte. Vor ihm stand Mischka im Schlafanzug. Verwundert warf Waleri einen Blick auf die Armbanduhr. War es wirklich schon so spät? „He, du bist ja schon umgezogen. Deine Eltern wären begeistert, wenn sie das wüssten.“

„Tja, wer weiß, wann sie mit Inessa aus dem Theater zurückkommen“, entgegnete der Junge nur trocken. Er hatte mal wieder nicht mitgedurft. Aber da war er diesmal nicht böse drüber. Das Theater und allgemein die höhere Kultur interessierten ihn nicht halb so sehr wie beispielsweise der Box-Club. „Ich hab den ganzen Abend Bann-Magie trainiert. Ich bin echt fix und fertig. Ich denke, ich geh jetzt schlafen. Bringst du mich ins Bett?“

„Na klar, Großer. Lass uns gehen.“ Waleri stand schwungvoll vom Sofa auf und packte den Jungen um die Taille.

Mischka quietschte lachend, als Waleri ihn sich wie ein Bündel über die Schulter warf, um ihn die paar Schritte zum Bett hinüber zu tragen. Ganz schön starke Nummer, immerhin war Mischka kein kleines Kind mehr. „Kommst du mit ins Bett?“, kicherte er.

Waleri hielt auf halbem Weg verdutzt inne. „Wie, mit ins Bett!? Du willst, dass ich mich mit zu dir ins Bett lege?“

„Ja!“

„Hast du Entzug, weil deine Jelena nicht in Reichweite ist?“

„Du bist doof.“

„ICH bin doof!? Das hast du nicht umsonst gesagt, du Bengel!“ Waleri drehte sich schnell einige Male um seine Achse, womit er den Jungen auf seiner Schulter mörderisch durchschüttelte.

Die Fliehkraft war übel. Mischka stöhnte theatralisch. Dann lachte er abermals, als Waleri endlich wieder stillstand.

„Soll ich immer noch mit ins Bett kommen?“

„Warum nicht?“

„Tja ... warum eigentlich nicht ...“, murmelte Waleri mit einem belustigten Schmunzeln und vollendete die letzten paar Meter bis zu Mischkas Bett.

„Komm schon!“ Mischka trommelte mit den Fäusten übermütig auf den breiten Rücken, über dem er kopfüber hing. „Ich hab dich doch gern. Und du bist mein Schutzgeist. Warum soll ich dich nachts nicht festhalten dürfen?“, beharrte er.

„Ach, von mir aus. Bis du eingeschlafen bist, kann ich ja noch mit dableiben“, ließ der Genius sich breitschlagen, hievte seinen Schützling von seiner Schulter herunter und ließ ihn mit Schwung ins Bett plumpsen. Das Bettgestell ächzte unter dem Ansturm.

Es war gar nicht so leicht, sich zu zweit in einem Bett zu arrangieren, das eigentlich nur für eine Person ausgelegt war. Zumal Waleri mit seiner mächtigen Bodybuilder-Statur auch nicht gerade wenig Platz für sich alleine brauchte. Mischka kuschelte sich von der Seite eng an und parkte seinen Kopf auf Waleris Schulter. Auf der Suche nach einer bequemen Liegeposition fuhr seine Hand über Waleris Oberkörper. Über den muskelbepackten Brustkasten und die hochtrainierte, hügelige Bauchmuskulatur. Über die blanke Haut, da Waleri kein Oberteil trug und auch die Bettdecke ihnen beiden gerade bloß bis zum Hosenbund reichte. Mischka fragte sich, ob er es auch irgendwann mal schaffen würde, so auszusehen, wenn er nur fleißig genug trainierte. Vermutlich nicht. Waleri war ja kein Mensch. Als Elasmotherium hatte er eine ganz andere Veranlagung zum Aufbau so einer Statur. Er war schon von Natur aus ein Panzer, ohne überdurchschnittlich viel dafür tun zu müssen. Mischka atmete einmal tief durch. Waleri hatte keine bewusst wahrnehmbaren Gerüche an sich, wie er dabei feststellte. Er roch weder nach irgendeinem Deo oder Parfüm, noch nach dem Waschmittel seiner Kleidung, noch nach irgendwelchen körpereigenen Nuancen. Nicht unhygienisch, aber auch nicht direkt pingelig gepflegt. Darauf hatte Waleri noch nie gesteigerten Wert gelegt.

„Darf ich fragen, was los ist?“, hakte Waleri irgendwann nach, nachdem eine angemessene Zeit des Schweigens verstrichen war, sie wieder zur Ruhe kamen und er die Nähe gar nicht mehr so unangenehm fand wie anfangs befürchtet.

„Inwiefern?“

„Nur so. Du hast noch nie gewollt, dass ich mit zu dir ins Bett komme. Nicht mal, als du noch kleiner warst.“

„Das ist nur meine Stimmung im Moment. Edd bringt mir viel über Magie bei. Und je mehr ich darüber lerne, desto bewusster wird mir, wie wichtig du mir tatsächlich bist. Vorher habe ich dich bloß für einen besseren Spielgefährten gehalten. Ich wusste es einfach nicht besser, wozu du da bist. Aber inzwischen habe ich ein klareres Bild davon, was du tatsächlich alles leistest, was die Verbindung zwischen uns tatsächlich bedeutet und welche Erwartungen an deine Stellung als Genius Intimus gestellt werden. Du bist mir dieser Tage einfach wieder total wichtig geworden.“

Waleri nickte leicht vor sich hin. Das verstand er, freute sich auch ein bisschen, wusste aber keine geistreiche Antwort darauf. Also hielt er den Mund. Und als auch Mischka nichts mehr sagte, schloss er zufrieden die Augen. Er war so müde. Er musste aufpassen, nicht versehentlich weg zu dämmern, damit er nachher wieder aus dem Bett verschwinden konnte, wenn Mischka eingeschlafen war.
 

Der spitze Aufschrei einer Frau ließ Waleri hochfahren. Sein erster Gedanke war der Schreck darüber, dass er offensichtlich doch eingeschlafen war. Im Zimmer war es taghell. Jemand hatte die Deckenlampe eingeschalten, zusätzlich zu der kleinen Leselampe am Sofa, die Waleri vorhin hatte brennen lassen. Bevor Waleri sich orientieren und die Lage recht einordnen konnte, folgte dem Schrei eine Handtasche, die dumpf auf ihn herunter donnerte. Waleri gab einen eher protestierenden als schmerzhaften Laut von sich und rieb sich mit dem Handrücken über die Augen. „Oksana, spinnst du?“, brachte er gerade noch heraus, als er in dem gleißenden Licht endlich Mischkas Mutter erkennen konnte, dann traf ihn die Handtasche erneut.

„Geh sofort von meinem Sohn weg!“, zeterte sie.

„Was ist denn los, verdammt nochmal?“, maulte Waleri verständnislos und immer noch nicht ganz wach. Er setzte sich schwerfällig auf und ging dann erstmal vor der Handtasche in Deckung, die schon wieder auf ihn herunter hagelte. Die Tasche hatte nämlich metallene Schnallen, die bei einem guten Treffer durchaus wehtun konnten.

„Schere dich aus dem Bett raus! Auf der Stelle!“

„Bist du jetzt völlig übergeschnappt?“

„Du perverses Schwein! Mein Sohn ist erst 15!“

„Stopp!“ Waleri hob unterbrechend eine Hand, kniff kurz die Augen zu und rechnete eins und eins zusammen. „Du unterstellst mir doch jetzt nicht ernsthaft, ich hätte mich an Mischka vergriffen, nur weil du uns gerade zusammen im Bett erwischt hast, oder!?“

„Geht´s denn noch eindeutiger!?“, keifte Oksana Bogatyrjow. „Du sollst da verschwinden, habe ich gesagt!“

„Bist du eigentlich noch ganz sauber!?“

„Mam‘!“, ging Mischka selber dazwischen, der ebenfalls endlich wach genug war, um zu verstehen, was sich hier abspielte. „Ich habe eine Freundin, ja!? Ich bin doch nicht schwul! Was willst du von uns?“

„Ich will, dass dieser Kerl seine dreckigen Finger von dir ...“

„Waleri hat gar nichts gemacht!“, schrie Mischka seine Mutter fast an.

Boris Bogatyrjow, der bisher wie erstarrt in der Gegend herumgestanden hatte, fasste sich wieder, kam hinzu und nahm seiner Frau die Handtasche weg, bevor sie noch ein viertes Mal damit auf irgendwen eindrosch. „Oksana, krieg dich wieder ein. Was glaubst du denn, was die zwei hier getrieben haben sollen? Reagier nicht über! ... Und du, Waleri, komm schon aus dem Bett raus und lass Mischka schlafen. Los jetzt.“

Mit einem fassungslosen Kopfschütteln und einem gebrummten „Oh Mann ...“ schlug der Genius die Bettdecke zur Seite und kletterte heraus.

„Inessa, mach dich auch bettfertig!“, verteilte der Vater weiter Anweisungen. „Waleri, zieh dir verdammt nochmal was an!“

„Ich BIN angezogen!“

„Du bist oben ohne!“

„Ja und? Ist das bei Männern neuerdings was Anstößiges?“, gab der Hüne trotzig zurück und warf sich mit verschränkten Armen der Länge nach auf´s Sofa. Schmollend sah er zur Zimmerdecke hinauf. Er trug eine lange, säuberlich mit Gürtel verschnallte Armeehose. Es war also nicht so, als ob man an ihm irgendwas vermutet hätte, was nicht jugendfrei war.

„Ich will nicht, dass du vor den Kindern so rumläufst!“

„Du bist ja bloß neidisch auf meine Muskeln, weil du nicht ...“ Waleris Satz wurde abgewürgt, als Boris ihm einen Pullover mitten ins Gesicht warf.

„Anziehen! Ich diskutiere da nicht mit dir rum“, stellte Mischkas Vater bedrohlich ruhig klar. Er hatte eine beherrschtere Art an sich als Oksana, war damit aber nicht weniger eindrucksvoll. Er brachte Waleri fast immer dazu, das zu tun was man ihm sagte. „In deinem blöden Box-Club kannst du mit deiner Mister-Sexy-Statur angeben. Hier nicht. Du hast ja gerade selber gesehen, wozu das führt. Du erregst öffentliches Ärgernis.“

Der Genius verzichtete auf die Frage, seit wann die Wohnung der Bogatyrjows denn öffentlich sei, und setzte sich auf, um sich den Pullover genervt aber tatsächlich protestfrei überzustreifen.

„Papa, hat Waleri wirklich nichts gemacht?“, warf Inessa aus dem Hintergrund ein.

„Sieht es etwa so aus?“, blaffte Mischka sie vom Bett aus an.

„Ja, tut es! Warum ist Mama denn sonst so sauer?“

„Weil sie nicht ganz dicht ist!“, kommentierte Waleri vom Sofa her.

Oksana schnappte nach Luft. „Du gottverdammter, elender ...!!!“

Fertig angekleidet legte Waleri sich auf dem Sofa wieder lang und verschränkte die Arme abermals. „Immerhin: dich scheint mein Körperbau ja zu reizen, wenn du bei meinem Anblick gleich an versaute Sachen denkst, Oksana.“

„Noch ein Wort und ich prügel dich mit dem Nudelholz, du Hund!“

Waleri warf Oksana einen Luftkuss zu, worüber sie sich nur noch mehr aufblies und fast mit ausgefahrenen Fingernägeln auf ihn loszugehen drohte.

„Mam‘, lass ihn in Ruhe!“, schrie Mischka wieder aufgekratzt dazwischen. „Du bist doch diejenige, die Waleri Missbrauch unterstellt!“

„Ruhe! Alle miteinander!“, befahl Mischkas Vater mit militärischer Strenge. Jetzt war es aber wirklich genug. Er verspürte keine Lust, eine hysterische Furie und einen erfahrenen Boxer in einem Handgemenge voneinander zu trennen. „Ihr seid ja nicht zum aushalten.“



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück