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Northernwell Abbey

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Ein kurzer Hinweis, wie in der Vorlage ist Kathy eine Leseratte und es hat mir viel Spaß gemacht mir Buchtitel auszudenken, die eine Anspielung zu Sagen, Geschichtentopiks oder Bücher mit Zauberern zu tun haben. Falls es diese Titel tatsächlich geben sollte, so hat sich das rein zufällig ergeben.
Ganz am Ende der Geschichte, werde ich eine Liste der Anspielungen, die in der Geschicht vorkommen machen.
Ich hoffe ihr habt Freude daran. Komplett anzeigen

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Neue Bekanntschaften

Nun also ist es Zeit auf den geheimnisvollen Fremden unserer Geschichte zu treffen, wobei er sich selbst keineswegs als geheimnisvoll ansehen würde.

Der Zufall wollte es, das Henry Tally, welcher ein paar Tage in Bath weilte, den folgenden Abend wählte, um in dieser kurzen Zeit seiner Anwesenheit einen Ball zu seinem abendlichen Vergnügen zu besuchen.

Gerade, weil Henry die Pflicht seinem Vater und seiner Schwester gegenüber den gemeinsamen Bathaufenthalt vorzubereiten sehr ernstnahm, ging er an diesem Abend aus, obwohl er den Abend lieber in Gesellschaft eines guten Buches verbracht hätte.

Nur sein Sinn für Humor ließ Henry Bälle durchstehen, da er als Junggeselle im heiratsfähigen Alter mit dem zwar ein wenig dubiosen Beruf als Buchhändler und Herausgeber einer Zeitschrift über Magie und alles Mögliche andere, wodurch er ein einigermaßen auskömmliches Einkommen aufwies, eine recht annehmbare Partie abgab.

In den Lower Rooms angekommen, führte der Zeremonienmeister ihn einer jungen Dame zu, deren naive Freude über ihren Bathaufenthalt ihn amüsierte. Ihr Äußeres war recht nett anzusehen, aber nicht übertrieben schön. Ihre Kleidung war schlicht, doch elegant und sie hatte auf zu auffälligen Tand verzichtet. Doch, was sein Interesse weckte, war ihre Ausstrahlung. Im Gegensatz zu den anderen jungen Damen der Gesellschaft wirkte sie geerdet und er fühlte in ihrer Nähe an einen Haselhain erinnert. Während des Tanzes, bei dem sie sich als ganz passable Tänzerin erwies, gab es wenig Möglichkeiten sich zu unterhalten, er versuchten, dennoch leichte Konversation mit ihr zu betreiben.

„Wie kommt es eigentlich, dass man hier beim Tanzen weniger ermüdet als üblich?“, wunderte sie sich, mit einem Blick zu einem älteren Paar in ihrer Nähe, welches ohne Weiteres mit den jungen Tänzern mithalten konnte.

„Ah, interessante Frage. Das liegt an den vielen gesundheitsfördernden Symbolen in den Lower Rooms und der Trinkhalle.“ Weiter kam er erst einmal nicht mit seiner Erklärung, der Tanz sie von ihm fortführte. Als sie sich wieder begegneten zeigte sie sich verwundert.

„Ich dachte, die wären den Heilbädern vorbehalten.“

„Nein, dem ist nicht so, schließlich kann es ja nicht angehen, dass sich der Zustand eines Kurbesuchers durch den Besuch der Lower Rooms oder der Trinkhalle verschlechtert.“ Er konnte noch sehen, wie sie ihm einen skeptischen Blick zuwarf, ehe der Tanz sie wieder trennte.

Kurz darauf beim Tee saßen sie am gleichen Tisch und plauderten weiter miteinander. Dabei erfuhr Henry, dass Kathy eine interessierte Leserin der „Relationes Curiosae arcanae et mundanae“ war, die er herausgab, was er vorerst verschwieg. Stattdessen sprachen sie über die Inhalte der Zeitschrift.

Nach einer Weile fiel ihm auf, dass sie noch gar nicht über die Dinge gesprochen hatten, über die er sich sonst mit jungen Damen in Bath unterhielt.

„Mir fällt gerade auf, wie außerordentlich unhöflich ich war, weil ich mich noch gar nicht zu ihrem Aufenthalt in Bath erkundigt habe.“

Leicht irritiert musterte sie ihn und schlug dann vor: „Wollen sie es nachholen?“

„Mit dem größten Vergnügen. Miss Morgan, ist dies ihr erster Aufenthalt in Bath?“

„Äh, ja.“

„Und wie gefällt es ihnen hier?“

„Sehr gut.“

„Waren sie schon im Theater?“

„Ja.“

„Waren sie schon in einem Konzert?“

„Ja.“

„Haben sie schon die erholsame Natur hier genossen?“

„Ja.“

„Wie lange halten sie sich schon in Bath auf, dass sie ein solch volles Programm absolviert haben?“

„Etwas mehr al eine Woche.“

„Wie ungewöhnlich!“, rief er mit übertrieben erstauntem Blick.

„Warum erstaunt es sie so? Ist das nicht üblich?“

„Doch es ist ein völlig normales Programm für Bath, aber Erstaunen lässt sich leichter vortäuschen.“

Sie gab ein leises, jedoch höchst undamenhaftes, amüsiertes Schnauben von sich, welches sie ihm noch einmal sympathischer machte, weil es ihn an seine Schwester erinnerte, wenn er sie neckte.

„Ich fürchte sie werden in ihr Tagebuch schreiben: War in den Lower Rooms in meinem neuen blauen Musselinkleid mit der zarten Spitze. Habe dort einen höchst tölpelhaften, zu sehr von sich eingenommenen Gentleman getroffen, der nichts ernstnehmen konnte. Wobei ich mir eher wünsche, sie würden schreiben: Habe in den Lower Rooms einen eloquenten Gentleman mit einem feinen Sinn für Humor getroffen und mit ihm einen höchst angenehmen Unterhaltung geführt.“

„Und sie möchten, dass ich ihr Aussehen unerwähnt lasse?“

„Ah, sie nehmen es ganz genau, wie ich sehe.“

„Ich würde es ganz genau nehmen, würde ich Tagebuch schreiben.“

„Wie bitte? Sie schreiben kein Tagebuch? Aber wie wollen sie dann ihren Schwestern und Kusinen detailliert von ihrem Bathaufenthalt berichten, ohne Buch über die tausend Kleinigkeiten und Erlebnisse dieses Aufenthalts zu führen?“

Ehe Kathy antworten konnte kam Mrs. Adas zu ihnen und wurde ihm von Kathy vorgestellt. „Ich fürchte die Nadel meiner Brosche hat den Stoff beschädigt, dass hat man davon, wenn man Satin wählt. Kathy wärst du so gut und würdest bitte nachsehen?“ Kathy kam der Bitte nach und bestätigte die Befürchtung. Mrs. Adams seufzte.

„Es ist wirklich ein schöner Satin, aber so leicht zu beschädigen. Finden sie nicht die Farbe von Miss Morgans Kleid bringt ihre Augenfarbe herrlich zur Geltung? Nur leider war sie beratungsresistent, was die Qualität dieses Musselins angeht. Ich schätze nach der ersten Wäsche fängt er an zu flusen.“

„Sie dürften mit beidem Recht haben. Einige Musselinsorten haben diesen Nachteil.“

„Oh, es ist selten einen jungen Herrn mit einem Verständnis für Stoffe anzutreffen.“

„Vielen Dank. Ich habe mir ein wenig Wissen bei den Einkäufen mit meiner Schwester angeeignet. Ist ihnen bewusst, dass das herrliche Schweinfurter Grün ihres Kleides aus einer Arsenverbindung besteht, die die Gesundheit gefährdet?“

„Das ist mir neu, dabei ist es eine so schöne Farbe und es gibt keine Alternativ, wenn man solch ein Grün möchte.“

„Nun, mir ist es lieber zu wissen, dass die giftigen Dämpfe dieser Farbe mein Leben und auch das von Kindern gefährden, insbesondere, wenn es bei Tapeten eingesetzt wird und zwar bevor jemand stirbt“, fuhr Henry fort, der dieses Wissen gerade erst erworben hatte und es obzwar makaber aber faszinieren fand.

„Ist das tatsächlich so?“, wollte Mrs. Adams wissen.

„ja, leider. Ich habe einen Vortrag des Chemikers Henry Carr* besucht, den er vor der Society of Arts hielt. Sein kleiner Neffe starb aufgrund der giftige Ausdünstung seiner Kinderzimmertapete.“

„Wie schrecklich“, murmelte Kathy.

„Ja, es ist schrecklich und leider werden diese Farbstoffe trotzdem noch weiter hergestellt und verwendet.“

„Vielen Dank für die Information, dann werde ich mich von diesem Grün fernhalten beim Stoff kaufen“, beschloss Mrs. Adams.

„Es ist nicht nur Grün, es sind auch noch andere Farbtöne, die ähnliche Inhaltsstoffe haben. Leider fallen mir die genauen Farbbezeichnungen im Moment nicht ein.“

Kathy lächelte ihn an. „Wenn Mr. Carr auch darüber berichtet hat, dürfte es doch in einem seiner wissenschaftlichen Essays erwähnt werden, die er in wissenschaftlichen Zeitschriften veröffentlicht hat.“

„Stimmt, dass ist ein hervorragender Hinweis“, lobte Henry, dem das selbst nicht eingefallen war.

„Dann kann ich das für sie herausfinden, Mrs. Adams.“

„Das wäre äußerst liebenswürdig von dir, Kathy.“

„Wollen wir uns angenehmeren Themen zuwenden“, schlug Henry vor, obwohl er es gewesen war, der mit diesem speziellen Thema angefangen hatte.

„Ja, gerne“, stimmten ihm beide Damen zu.

Den Rest des Abends verbrachten sie in angeregtem Gespräch über alle möglichen Themen, was ihm sehr gefiel, wie er für sich in seiner Unterkunft feststellte.
 

Zu Kathys Enttäuschung traf sie am nächsten Abend nicht auf Mr. Tally, so sehr sie dies auch hoffte und sie Gelegenheiten suchte ihn zu treffen. Sein Name war auch nicht in den Büchern der Trinkhalle. Im Stadtzentrum konnte sie bei einem extra langen Spaziergang auch nicht entdecken. Die Leihbibliothek erwies sich ebenfalls als Flopp und Mrs. Adams ließ sich an diesem Abend nicht dazu herab in die Lower Rooms zu gehen.

Am darauffolgenden Tag, merkte Mrs. Adams beim Dessert des Mittagsessens an, dass der reizende Mr. Tally wohl abgereist zu sein schien und, ob Kathy einem Besuch eines Stoffgeschäftes mit ihr durchführen würde. Kathy, die sich bewusst war, dass sie nur dank der Adams überhaupt in Bath war, stimmte dem Besuch eines Stoffgeschäftes zu.

Nach einigen Stunden mit längeren Diskussionen über das Für und Wider zwischen Leinen, Baumwolle und Wollstoff, verließen sie das Geschäft ohne Neuerwerbung. Auf dem Weg zurück zu ihrer Unterkunft bemerkte eine Dame in Mrs. Adams Alter sie. Die Dame, obwohl in Begleitung ihrer Töchter, näherte sich ihnen mit fragendem Blick. „Könnte es wohl sein, dass sie Mrs. Adams sind?“

„Ja.“, Mrs. Adams überlegte, „Henrietta Thorne, richtig?“

„Genau. Wie erfreulich, jemand Bekanntes hier zu treffen. Ich erinnere mich noch an ihre Hochzeit, das war ein wundervolles Fest, nicht wahr?“

„Ja, das stimmt. Ich hörte, sie haben einen Mr. Throne geheiratet, einen Advokaten.“ So ganz war sich Mrs. Adams nicht über die Profession des Mannes sicher.

„Da haben sie recht. Leider ist mein Mann vor ein paar Jahren verstorben und nun stehe ich allein mit meinen Kindern da, aber meine Ältesten waren mir eine große Stütze.“

„Das glaube ich“, murmelte Mrs. Adams.

„Aber lassen sie mich ihnen vorstellen, dass ist Isabella, meine Älteste, die Schönste der Schwestern. Dies ist Sarah, das Anne und dann wäre da noch mein lieber John, der in Oxford studiert. Er meinte, er käme eventuell mal vorbei. Und wer ist diese junge Dame bei ihnen? Ihre Tochter?“

„Nein, leider Gottes nicht. Kathy Morgan ist die Tochter unseres wunderbaren Nachbarn. Mein Mann schlug vor, dass sie uns begleiten könnte, da sie ja das passende Alter hat.“

Von da ausgehend drehte sich das folgende Gespräch um Mrs. Thornes Kinder, die alle wundervoll in den Augen ihrer Mutter waren und Mrs. Adams flüchtete sich in Beschreibungen ihrer Handarbeiten.

Kathy beobachtete, wie Isabella die Augen rollte. „Mutter übertreibt immer schrecklich“, flüsterte sie Kathy zu. „Aber sag, wie gefällt es dir hier?“ Dass Isabella direkt informell mit ihr umging, fiel Kathy kaum auf.

„Mir gefällt es hier sehr gut.“

„Wirst du die immer gleichen Aktivitäten nicht auch leid? Es ist so viel angenehmer sich die Zeit mit einem Buch zu vertreiben, als sich in der Trinkhalle oder den Lower Rooms zur Schau für heiratswillige Herren zu stellen. Nicht, dass ich damit sagen will, dass ein so entzückendes Geschöpf wie du, dass nicht verdienen würde oder, dass etwas schlecht daran ist sich anhimmeln zu lassen, aber mir sagen Bücher mehr zu.“

Kathy fiel es zu Anfang schwer Isabellas Wortschwall zu folgen, doch nach einer Weile kam er ihr sehr logisch und verständig vor. Sie nickte zustimmend.

„Ach, du glaubst nicht, was für herrlich schaurige Bücher es gibt. Nimm zum Beispiel „Der schwarze Müller oder die außergewöhnlichen Abenteuer des Krabat“**. Es eine so unterhaltsame Geschichte, dass man fast wünschte sie wäre wahr.“

„Ich kenne das Buch nicht.“

„Oh, wie schrecklich, dem muss Abhilfe geschaffen werden. Mrs. Adams, Mutter, erlaubt mir dieses bemitleidenswerte Geschöpf sogleich zur Leihbibliothek zu begleiten!“, forderte Isabella, was die Angesprochenen abgelenkt taten.

In der Leihbibliothek suchte Isabella nicht nur „Der schwarze Müller oder die außergewöhnlichen Abenteuer des Krabat“ heraus, sondern auch noch eine Anzahl anderer ähnlicher Titel.

Da sie sonst keine ähnlich junge Dame in Bath kannte und auch nicht in Fiddlersfield, war Kathy erstaunt sich nun plötzlich im Besitz einer Busenfreundin (Isabellas Worte) wieder zu finden.

Obwohl Isabella sie irritierte, verbrachte sie nun viel Zeit mit ihr, meist vertieft in Gespräche über Bücher und junge Herren. Da Isabella bei Letzterem einen Wissensvorsprung hatte, blieb es an Kathy ihr hauptsächlich zu lauschen, auch dann, wenn Isabella von ihren anderen zahlreichen Freundinnen berichtete. Allerdings wurde Isabella nicht müde zu beteuern, dass keine davon so entzückend und herzallerliebst sei wie Kathy.

Dennoch verwirrte Isabellas Verhalten Kathy, die ellenlange Spekulationen über junge Herren nicht gewöhnt war.

„So, nun erzähl mir alles über deinen Mr. Tally“, forderte sie Isabella urplötzlich bei einem ihrer Spaziergänge zur Leihbibliothek auf.

„Er ist nicht mein Mr. Tally! Ich habe ihn nur einmal getroffen!“

„Aber er hat dein Interesse geweckt, obwohl dir mit deinem Aussehen alle Herren Bath‘ zu Füßen liegen sollten. Also zier dich doch nicht so, beschreib ihn mir!“

Kathy grübelte. Wie sollte sie ihre Begegnung mit Mr. Tally beschreiben, zumal etwas in ihr darauf drang, es nur für sich behalten zu wollen, anstatt ihr Treffen von Isabella aufs gründlichste analysiert zu bekommen.

„Er war freundlich und amüsant“, antwortete sie daher ausweichend.

„Ach, wenn doch ich doch nur einen Mann, wie deinen Mr. Tally finden würde. Keine Sorge, ich nehme ihn dir nicht fort. Aber, wenn ich nur einen einigermaßen akzeptablen Gentleman finden könnte, dann wäre ich so schnell aus der alten Mühle weg, wie du es dir kaum vorstellen kannst.“

„Die alte Mühle?“, erkundigte Kathy sich.

„Ja, der alten, zugigen Mühle, in der wir seit Vaters Tod wohnen. Nun gut, wir wohnen nur im Wohnhaus bei der Mühle, nicht direkt in ihr, aber du kannst dir nicht vorstellen, wie beengt es da ist. Nach Vaters Tod blieb Mutter nur in das Mühlhaus, ihre Mitgift bei der Hochzeit zu ziehen, weil wir uns eine Wohnung in der Stadt nicht leisten konnten. Und sie musste jemanden anstellen, der die Mühle betreibt, kannst du das glauben? Wo Großvater ein Grundbesitzer war! Aber das hat alles Onkel Joe geerbt! Aber du brauchst die keine Sorgen zu machen, die Mühle ist zwar alt, aber ganz anders als die im Buch. Es ist nur eine langweilige, hellgetünchte Getreidemühle und Mutters Angestellter hat keinerlei Ahnung von Magie!“

„Nun, solche Mühlen wie in „Der schwarze Müller“ dürfen recht selten sein, schließlich gibt es tausende normale Getreidemühlen. Und außerdem werden Hexen und Zauberer ja, von den Besitzern der Obhutsbereiche zur Verantwortung gezogen, wenn sie schwarz Magie anwenden.“, erwiderte Kathy pragmatisch.

Isabella mochte von der Magie fasziniert sein, doch noch hatte sie keine Gelegenheit darüber ergeben, über Magie und Magieanwender in der wirklichen Welt zu reden. Eigentlich waren Kathys Beiträge zu den Gesprächen insgesamt eher spärlich gewesen, da Isabella dominierend in der Gesprächsführung war.

„Dabei fällt mir ein, du musst unbedingt „Der verwunschene Jahrmarkt“ lesen und, wenn du das durch hast ist „Spiegel und Schatten“ dran.“

Zu Isabellas großer Enttäuschung fanden sie in der Bibliothek nur eine Ausgabe des „verwunschenen Jahrmarkts“. Bei ihrer Suche fielen ihnen ein paar junge Gentlemen auf, die immer wieder zu ihnen hinüber sahen.

„Wie lästig, uns so zu begaffen! Komm lass uns das Buch nehmen und für dich aus leihen!“, beschloss Isabella für Kathy.

Ihrem Beschluss folgend, verließen sie die Bibliothek mit Kathys neuer Lektüre. Auf der Straße entdeckte Isabella die lästigen Gentlemen und überredete Kathy zu einem Umweg. Dennoch oder vielleicht genau deswegen, eilten sie dann voraus, um zu sehen, ob sie die Gentlemen auf der Hauptstraße wiedersehen würden. Während Isabella sich noch eifrig umschaute, brauste ein Einspänner an ihnen vorbei und bespritzte Isabellas Kleid mit Matsch. „Was für ein Flegel! Solche Rüpel sollte man... aber hallo, das ist ja John!“ Sie fing hektisch zu winken an.

Der Fahrer des Vehikels zügelte etwas von ihnen entfernt sein nebelgraues Pferd, welches nervös tänzelte, als er einem herbeieilenden Diener die Zügel zuwarf.

„Und ich sage dir, schneller hätten wir nicht her gelangen können! Das Pferd ist ein Phänomen! Ich bin meinem Mentor zu großem Dank verpflichtet. Und dann konnte ich die Gig auch noch günstig von Fenley erwerben!“, überschüttete er seinen Begleiter mit einem Wortschwall, wobei er seiner heraneilende Schwester völlig ignorierte.

„Ich widerspreche ja nicht, was die Schnelligkeit deines Pferdes angeht, aber solche Pferde, wie deines sollten mit äußerster Vorsicht und Umsicht behandelt und gelenkt werden.“

„Ach sei kein Spaßverderber! Es ist der beste Gaul, den ich je besessen habe. Es wird mich schon nicht umbringen!“

„Das bleibt abzuwarten“, murmelte Johns Begleiter mit einem nachdenklichen Blick auf das nebelgraue Pferd. Seine Stimme und seine Art zu sprechen halfen Kathy ihren Bruder hinter dem deutlich stämmigeren John Thorne zu erkennen.

„James, wie schön! Aber, was machst du hier?“, rief sie aus und überwand die Distanz in schnellen Schritten.

„Kathy, du… Ach, ja, Mutter schrieb mir, dass du die Adams nach Bath begleitet hast“, begrüßte er sie. Und ließ seinen Worten eine herzliche Umarmung folgen.

„Ist das etwa deine Schwester? Was für ein liebreizendes Geschöpf. Stell‘ mich ihr vor!“

„Kathy, dies ist John Thorne ein Studienkamerad aus Oxford, der mich auf ein paar Tage zu seinem Familienbesuch nach Bath eingeladen hat. John, dies ist Kathy meine älteste Schwester.“

John machte einen übertriebenen Kratzfuß vor Kathy und wies dann auf sein Gefährt. „Ist es nicht herrlich? Das Pferd ist hervorragend, wir haben nur drei Stunden her gebraucht. Und der Wagen erst, äußerst komfortabel! Aber, was erzähle ich ihnen das, sie müssen es unbedingt selbst erleben!“

„Bräuchte ihr Pferd nicht eher eine Pause, nach solch einer langen Strecke?“

„Ach, kein Stück! Der ist noch so frisch wie heute Morgen! Ich weiß wie wir’s machen, wir bringen sie eben zu den Adams! Was halten sie davon?“

„Es ist nur ein paar Schritte zu gehen…“ Doch John fasste sie am Arm und dirigierte sie zu seinem Wagen. Überrumpelt ließ Kathy es geschehen und stieg in den Einspänner. Das Pferd schnaubte und stampfte einmal auf. Kathy war ein wenig unsicher, aber sie glaubte einen Funken von den Hufen hochstieben gesehen zu haben.

„Ich bin einer der besten Wagenlenker, bei dem sie je mitgefahren sind. Wir müssen wirklich eine gemeinsame Ausfahrt machen, dann können sie das besser beurteilen. Vor kurzem habe ich sogar ein durchgehendes Pferd eingefangen, welches fast ein kleines Kind zertrampelt hätte, wenn ich nicht…“

„Hast du nicht“, warf James von hinten ein, doch John schenkte dem keine Beachtung, sondern fuhr fort Kathy seine Heldentaten zu schildern. Wenn man ihm glaubte, hatte er mindestens einen Orden, eher drei oder vier verdient, war aber zu bescheiden, um sie anzunehmen. Kathys Beitrag zu seinen Erzählungen bildeten einsilbige, zustimmende Laute, doch das schien ihn alles zu sein, was er an Ermutigung brauchte.

Vor dem, von den Adams gemieteten Stadthaus, brachte John die Gig ruckartig zum Stehen, so dass Kathy unangenehm durchgeschüttelt wurde. Es war ihr Bruder James, der ihr beim Aussteigen half.

„Werden sie mir die Ehre geben und mir heute Abend in den Lower Rooms den ersten Tanz reservieren?“, fragt John vom Kutschbock herab.

Kathy war zu ungeübt in solchen Situationen, um ihm eine charmante Nichtantwort zu geben, so stotterte sie: „Äh, ja, wenn sie wünschen.“

„Dann bis heute Abend.“ Mit dieser knappen Erwiderung ließ John sie zurück.
 

Der Abend gestaltete sich für Kathy zunächst unbefriedigend. Da auf ihrer Tanzkarte nun Johns Name an oberster Stelle stand, wartete sie auf ihn, schließlich war ihm ihr erster Tanz des Abends versprochen.

Doch als John und die anderen Thornes endlich auftauchten, verzog John sich gleich ins Herrenzimmer ohne Kathy auch nur zu begrüßen. Isabella gesellte sich auch nur kurz zu ihr und Mrs. Adams. Ihr Mitleid mit Kathy über ihren gedankenlosen Bruder hielt nur einige Augenblicke an, ehe sie sich von James auf die Tanzfläche führen ließ, obwohl vorher behauptet hatte Kathy Gesellschaft leisten zu wollen bis ihr Bruder John auftauchen würde.

Zu allem Überfluss entdeckte Kathy auch noch Henry Tally auf der Tanzfläche mit einer ihr unbekannten, jungen Dame. Ihre Enttäuschung hielt nur kurz an, da sie sich erinnerte, dass Henry von seiner Schwester gesprochen hatte und so nahm sie an, es handle sich um diese.

Dennoch war sie es überdrüssig am Rande der Tanzfläche zu sitzen und keine Aufforderung annehmen zu können, da sie nun einmal noch nicht mit John Thorne getanzt hatte.

Als das Musikstück endete, kam Mr. Tally zu ihr. „Guten Abend. Wie schön sie wiederzusehen. Darf ich ihnen meine Schwester Eleanor vorstellen?“

„Guten Abend. Die Freude ist ganz meinerseits. Ich dachte sie wären schon abgereist.“ Sie lächelte die Geschwister an.

„Hattest du etwa vergessen zu erwähnen, dass du nur ein paar Tage in Bath zur Vorbereitung dieser Reise warst?“, neckte Eleanor ihren Bruder. „Er zeigt manchmal das Verhalten eines vergesslichen, alten Professors, trotz seiner jungen Jahre“, fügte sie versöhnlich an Kathy gewandt hinzu, nachdem sie sich vorgestellt worden waren.

„Ich fürchte, ich habe mich dieses Fauxpas wirklich schuldig gemacht. Miss Morgan, darf ich sie zur Entschuldigung zum Tanz führen?“

Kathy zögerte kurz. Sie saß schon seit mehr als einer halben Stunde am Rand der Tanzfläche und hatte mehrere Angebote zu Tanzen ablehnen müssen, weil John Thorne immer noch nicht aufgetaucht war. Kurz entschlossen antwortete sie, obwohl es der Etikette widersprach: „Sehr gerne.“

Henry führte sie auf die Tanzfläche. „Und bereitet ihr Bathaufenthalt ihnen noch immer vergnügen?“, erkundigte er sich mit einem Funkeln in den Augen.

„Oh ja, sehr.“

„Das freut mich. Sie scheinen sich gut mit meiner Schwester zu verstehen.“, fügte er hinzu. Der Tanz trennte sie, was ihr, Zeit gab, sich ihre Antwort zu überlegen.

„Ich würde ihre Schwester gerne näher kennenlernen. Sie scheint sehr nett und humorvoll zu sein.“

„Nun, sie liebt es zumindest Personen, die sie mag zu necken, falls es das ist, was sie mit humorvoll meinen“, gab er zurück. „Sie könnten uns auf einen Spaziergang begleiten, wenn sie die Absicht haben Eleanor näher kennenzulernen.“

„Es wäre mir eine große Freude.“ Wieder führte der Tanz sie für eine Weile auseinander.

„Wäre ihnen Morgen um elf genehm, so dass man sich einen gesunden Appetit fürs Mittagsmahl erlaufen kann? Falls sie keine anderen Verabredungen haben, heißt das.“

„Morgen um elf passt hervorragend und ich bin noch völlig frei in der Gestaltung meines Tages.“

Der Tanz endete. Henry lächelte sie an. „Wunderbar, dann werde ich nun Eleanor von unserer Verabredung unterrichten.“ Mit einer galanten Verbeugung verabschiedete er sich erst einmal von ihr.

Kathy kehrte an ihren Sitzplatz zurück, wo sie nun wieder auf John Throne wartete, der verschollen blieb.

Eleanor kam dagegen, um ihr ein wenig Gesellschaft zu leisten und sie vor dem Spaziergang zu beschnuppern. Wie schon zuvor mit Henry erwies es sich als einfach ein Gespräch mit Eleanor zu führen, welches von einem Thema zum nächsten wanderte und faszinierende Beobachtungen enthielt. Und im Gegensatz zu Isabella teilte Eleanor Kathys Ansicht, dass die Protagonistin von „Der verwunschene Jahrmarkt“ ein wenig gesunder Menschenverstand gut tun würde, obgleich es trotzdem ein spannungsreicher Roman war.

Gerade als Kathy sich erhob, um mit den Adams die Lower Rooms zu verlassen, erschien John doch noch auf der Bildfläche.

„Miss Morgan, ich dachte sie hätten mir einen Tanz reserviert und wie ich hörte, haben sie stattdessen mit einem Fremden getanzt.“

„Mr. Tally ist kein Fremder, wir hatten schon früher das Vergnügen uns miteinander zu unterhalten. Außerdem waren sie den ganzen Abend verschwunden, wie hätte ich da mit ihnen tanzen können. Finden sie es nicht schrecklich unhöflich, sich erst einen Tanz von einer Dame versprechen zu lassen, nur um sie dann Sunden lang warten zu lassen?“

„Wie…“, was auch immer John sagen wollte, er unterbrach sich und seine Miene wechselte von totaler Verwunderung zu falschem Überschwang. Jovial verkündete er: „Nun, aber jetzt bin ich ja hier, um sie zum Tanz zu führen!“

Obwohl Kathy zu Recht einiges an Frust ihm gegenüber aufgebaut hatte, fühlte sie sich veranlasst ihn anzulächeln und etwas Besänftigendes zu sagen, wurde jedoch von Mr. Adams daran gehindert. „Ihre Manieren fallen ihnen etwas zu spät ein junger Mann, da Kathy nun mit uns gehen wird. Ich wünsche ihnen noch einen schönen Abend.“

Um seinen Standpunkt besonders deutlich zu machen, hielt Mr. Adams Kathy bei diesen Worten seinen Arm hin, den sie nahm.

„Noch einen schönen Abend“, murmelte sie verwirrt, warum sie ihren Frust über Johns Verhalten so rasch überwunden hatte, so entging ihr, dass Henry diese kleine Auseinandersetzung mit verfolgt hatte.


Nachwort zu diesem Kapitel:
* Henry Carr hielt 1880 einen Vortrag über Arsen in Farben vor der Society of Arts in London. Siehe: Das Geheimnis der Farben. Eine Kulturgeschichte, Victoria Finlay, 3.Auflg. 2005, S. 300-301.

** Eine erste Fassung der Krabat-Sage wurde zum ersten Mal, um 1848 aufgeschrieben. Es wird vermutet, dass es sich um eine Neuerfindung handelte. Siehe Wikipedea. Komplett anzeigen

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