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Kaibas Erbe

von

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Macht trifft auf Herz, Seele und Freundschaft

Ungeduldig starrte der CEO der Kaiba Corporation auf den Drucker, der sich damit abmühte, sein Meisterwerk zum Leben zu erwecken. Seto hatte gefühlt eine Ewigkeit in dieses Projekt investiert. Der Drang, Yugi endlich zu schlagen, peitschte ihn vorwärts, zwang ihn, über seine Grenzen zu gehen, die zugegebenermaßen weit über denen der restlichen Menschheit lagen. Nur er war in der Position, ein Wesen in Kartenform zu bannen, und es zu kontrollieren, dessen Angriff die Lebenspunkte eines Gegners schlagartig auf null setzen konnte.
 

„Pegasus hat sie gefürchtet.“ Ishizu, genauso wie wie Yugi, Marik und Pegasus schienen diesen Mumpitz zu glauben, dass Duel Monsterkarten von uralten, mystischen Wesen beseelt waren.
 

„Die Designer haben alle Unfälle erlitten.“ Das war wohl schlicht auf Pech und inkompetente Mitarbeiter zurückzuführen. Pegasus war nicht dafür bekannt, in seinen Reihen die Besten der Besten aufzunehmen. Industrial Illusions konnte sich schon lange nicht mehr mit der Kaiba Corporation messen. Außerdem war er nicht wie Pegasus darauf angewiesen, dass Handlanger ein Projekt dieser Größenordnung, dieser Dringlichkeit, ausführten. Er selbst nahm sich die Zeit um ein Unikat zu erschaffen, das eigentlich verloren sein hätte müssen.
 

„Pegasus konnte sie nicht zerstören.“ Kaiba schüttelte den Kopf, so als ob er ein lästiges Insekt verscheuchen wollte. Warum sollte man diese Karten auch zerstören wollen? Hatte nicht er selbst sie problemlos benutzt? Natürlich; wie oft war sein mächtigstes Monster, sein Streiter, sein unbesiegbarer Champion auf dem Duel Monstersfeld erschienen? Wie einfach es war, drei Monster zu opfern, die Karte auf die Disk zu legen, und alles zu vernichten, was ihm im Weg stand? Selbst wenn er diesem Aberglauben aufsaß, so hatte er bewiesen, würdig zu sein, die Götter zu beschwören und sie zu kontrollieren.
 

Was war schon ein Weißer Drache mit Eiskaltem Blick? Natürlich, dieses Monster war sein Herz, seine Seele, alles wofür er stand. Lange Zeit galt die strahlende Echse mit den saphirblauen Augen als das mächtigste Monster in Duel Monsters. Einer war schon eine unaufhaltbare Macht, aber drei? Nur er besaß drei Stück davon, und den Vierten, der ihm gefährlich hätte werden können, den hatte er eliminiert.
 

Kaiba trippelte Ungeduldig auf seinen Oberarmen herum. Ihm ging das alles viel zu langsam. Wahrscheinlich würde er den Entwickler des Druckers, sowie den Softwarehersteller entlassen. Er hätte selbst ein Gerät bauen sollen, doch er war zu sehr damit beschäftigt gewesen, mögliche Fehlerquellen auszumerzen. Sich auch noch um den technischen Part zu kümmern, hätte bedeutet, das Projekt verschieben zu müssen. Sein Schlafhaushalt war auf exakt drei Stunden pro Tag beschränkt gewesen, während Mokuba den Großteil der Geschäfte übernommen hatte. Es war gut, dass er seinen Bruder mittlerweile alleine schalten und walten lassen konnte. Der kleine Kaiba stand dem Großen in Nichts nach. Eine Sorge weniger, die ihn bei seinem großen Projekt behindern hätte können.
 

„Odion hatte die Kopie nicht aufs Feld rufen können.“ Wieder schüttelte der Braunhaarige den Kopf, dieses Mal energischer. Entschlossen wischte er alle Zweifel beiseite. Außerdem hatte Odion den Geflügelten Drachen des Ra beschworen. Die Kopie war einfach nur dilettantisch gemacht worden. Wer war denn Odion überhaupt gewesen? Ein Niemand, genauso wie sein Bruder Marik, oder Ishizu. Wie sehr hatte sie sich auf ihre Milleniumskette verlassen? Hatte sie ihm nicht großmütig prophezeit, er würde verlieren?
 

„Ich bestimme mein Schicksal selbst“, murmelte Kaiba und konnte durch die Glaskuppel bereits Umrandung und Kopf des Monsters sehen. Der große Augenblick rückte näher. Keine Weissagungen, keine Magie, niemand, der ihm ins Gewissen redete. Es gab nur ihn, ihn und seine Arbeit. Genauso mochte er seine Tage. Kein lästiger Papierkram, keine Aasgeier, die sich auf jedes Fitzelchen Dreck stürzten, um es an seine weiße Weste zu werfen. Er war alleine in seinem Büro gewesen und hatte Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt, um an einen Abdruck des Originals zu gelangen. Nur durch gute Kontakte und gehörige Spenden an einige zwielichtige Organisationen war es ihm möglich gewesen, Pegasus die Entwürfe herauszulocken.
 

Dann begann die akribische Arbeit. Zeichnen, formen, verwerfen. Sein Schreibtisch war übersäht mit Skizzen, manche zerknüllt, andere achtlos beiseitegeschoben. Sein Büro glich einem einzigen Schlachtfeld. Das war aber alles egal; er würde dieses Mal nicht scheitern, so wie Pegasus. Warum sollte er auch?
 

„Wer sich mit Zeichentrickfiguren abgibt, der kann natürlich keinen Gott zähmen.“ Dieser Gedanke beunruhigte ihn ein wenig. Er gestand zumindest den Götterkarten zu, sich weit über dem normalen Maß zu bewegen. Hatten sie nicht doch eine Seele? War Pegasus wirklich so unfähig gewesen, und hatte nur Scharlatane und drittklassige Entwickler mit diesem glorreichen Projekt betraut? Die anderen Duel Monsterkarten funktionierten schließlich problemlos.
 

Der Markt war übersättigt mit gut und weniger gut gemachten Kopien. Seto hatte in sein System einige Modifikationen eingebaut, die bestimmte Merkmale prüften und anhand deren Existenz eine Abwägung vorgenommen wurde, ob eine Karte eine Fälschung war oder nicht. Je nachdem, wie diese Prüfung ausfiel (und die Erfolgsquote lag bei 99,9 %), wurde das Hologramm geladen, oder eben nicht.
 

In sich gekehrt nahm er einige Korrekturen vor, die selbst die Maschine mit ihrer beinahe makellosen Genauigkeit nicht hätte erkennen können. Sein Verstand, genauso wie sein Körper, sie beide arbeiteten perfekt miteinander. Niemand konnte diese Symbiose stören, mit Ausnahme einer Person.
 

Vor seinem geistigen Auge schälte sich das Gesicht seines Rivalen aus dem Nichts. Damit war nicht der kleine Yugi Mutou gemeint, der durchaus ein würdiger Nachfolger war, nein, Seto dachte an jemand anderen. Er war größer, seine Züge kantiger, sein Blick strenger als der seiner fleischlichen Hülle. Atem hatte ein Maß an Perfektion erreicht, das sogar jenes von Kaiba überstieg. Nicht Yugi, den er trotz allem schätzte und respektierte, eiferte er nach, sondern dem Pharao.
 

Kein Duellant auf dieser Welt konnte sich mit dem altägyptischen König messen, und der CEO hatte schon alle potentiellen Kandidaten durch. Entweder sie betrogen, oder ihnen fehlte es an der nötigen Raffinesse, der Anmut und der Eleganz, die Atem an den Tag legte. Alleine wie er seine Karten zog, sie hielt, mit ihnen umging, sie aufs Feld rief; alles an Yugis anderem Ich schrie nach Einzigartigkeit. Der Pharao musste nicht betrügen, um ihn in die Schranken zu weisen.
 

Atem konnte sich selbst aus der ausweglosesten Situation herauswinden. Mit Nichts auf der Hand war es ihm möglich eine Kombination zu erschaffen, die selbst die mächtigsten Gegner auf die Knie brachte. Er hatte den Pharao niemals wirklich straucheln gesehen, oder an sich zweifeln. Sein Wille war unbeugsam und er griff nach dem Sieg, weil er wusste, dass er ihn sich nehmen konnte.
 

Der Oberkörper des humanoiden, blauen Riesen zeichnete sich langsam auf der Oberfläche ab. Quälend langsam formte sich das Bildnis von Kaibas mächtigstem Monster. Er würde beide Personen, in die er, fälschlicherweise, wie ihm nun bewusst wurde, sein Vertrauen gesetzt hatte, entlassen. Kein Produkt der Kaiba Corporation durfte von dieser Qualität auf den Markt kommen. Sein Unternehmen stand für Perfektion und Macht, genauso wie seine Person.
 

„Tu es nicht.“ Dieses Mal schreckte Kaiba aus seinen Gedanken. Diese Stimme, er kannte sie. Er würde sie unter Millionen herausfiltern können. Ihre Anmut, ihre Eleganz; sie gehörte zu Atem, ohne jeden Zweifel.
 

Warum sollte er aufhören? Atem war fort. Er war gegangen, in seinem letzten Duell, besiegt vom kleinen Yugi. „Es gibt kein Jenseits“, sagte der CEO laut und konzentrierte sich wieder auf die Arbeit. Vorsichtig justierte er den Laser ein wenig nach und versuchte den Gedanken an Atem, genauso wie die aufkeimende Unruhe in ihm, zu unterdrücken. Er fürchtete sich vor nichts und niemandem, denn er war Seto Kaiba.
 

Aus dem Nichts hatte er die Kaiba Corporation ummodelliert. Aus Waffen und Kriegswerkzeug wurden Spieleartikel und Vergnügungsparks. Domino City war seine Stadt geworden und er hatte die Ketten seines Stiefvaters ganz alleine abgeschüttelt. Technik konnte Magie, sofern so etwas überhaupt existierte, schlagen. Sein messerscharfer Verstand war es gewesen, der Diva in seinem eigenen Duell geschlagen hatte.
 

„Kein Monster, ein Gott.“ Kaiba erschrak bei diesem Gedanken. Er selbst hatte diese Worte benutzt, als er im Duell der Schatten das Unmögliche möglich gemacht hatte. Mit purer Willenskraft hatte er Obelisk den Peiniger auf das Schlachtfeld gerufen. Das Monster hatte sich seinem Willen gebeugt und das Kubusmonster des Gegners einfach zerschmettert. Hatte er damals nicht anerkannt, dass es doch so etwas wie eine Seele, ein Herz der Karten gab?
 

Die Beine des Wesen waren gut sichtbar aufgedruckt worden. Nur noch der Hintergrund, die Magnetstreifen, die unzähligen Fälschungssicherungen und er würde fertig sein. Zum Umkehren war es jetzt zu spät. Der Gedanke, Obelisk wieder in seinem Deck zu haben, berauschte ihn. Ein Faktor, den nicht einmal Yugi in seinen kühnsten Träumen miteinberechnen konnte. Wenn er einen Gott wiederherstellen konnte, dann vielleicht alle drei, und irgendwann auch den Pharao selbst.
 

„Denkst du wirklich, dass er sich dir beugen wird?“ Dieses Mal war er sich sicher, Atems Stimme gehört zu haben. Sein Verstand spielte ihm keinen Streich, er war nicht so übermüdet, als dass er an Wahnvorstellungen litt.
 

„Natürlich wird er das, wie schon so oft, in der Vergangenheit.“ Mit wem sprach Seto überhaupt? Hier war niemand; er war alleine, und nur die Geräusche des Druckers vermochten die drückende Stille zu durchbrechen, die in seinem Büro herrschte. Warum musste er sich überhaupt rechtfertigen?
 

„Die Götter beugen sich niemandem.“ Allmählich ging ihm dieser Wahnsinn gehörig auf den Geist. War er doch so übermüdet, als dass er glaubte, Atems Stimme zu hören? War sein Wunsch, sich ein letztes Mal mit dem Pharao zu messen so groß, dass er Teile von ihm in seinen Geist projizierte, wie ein kleines Kind, dass den Verlust eines Haustieres nicht verwinden konnte?
 

„Hast du nichts aus der Vergangenheit gelernt?“ Natürlich hatte er aus der Vergangenheit gelernt. Er war nicht mehr das selbstsüchtige, egozentrische Monster von damals. Seto hatte sich verändert, zum Positiven. Er würde niemals wirklich der Gesellschaft anderer Menschen nachhängen, genauso wie er auch nicht vorhatte, sein Streben nach Macht aufzugeben oder seine Geschäftspraktiken zu ändern. Dennoch würde er heute andere Mittel und Wege suchen, um an sein Ziel zu kommen. Außerdem genoss er es, fair und ehrlich seine Gegner zu bezwingen, und sie nicht mit schmutzigen Tricks an den Rand des Abgrunds zu drängen.
 

„Du weigerst dich zu glauben, obwohl du gesehen hast, warum?“ Was für eine lächerliche Frage. Er hatte gesehen, die ganzen Wunder und Mysterien, die Milleniumsgegenstände, sogar seine Vergangenheit, war selbst dorthin gereist, und doch war er selbst es gewesen, der sich über diese Kräfte gestellt hatte. Sein Bestreben die Götterkarten zu erlangen hatte überhaupt erst das Battle City Turnier ins Leben gerufen. Seine Technik hatte es ihm ermöglicht, das Originalspiel aus dem uralten Ägypten zu adaptieren, zu verändern und noch zu verbessern. Sein Name, genauso wie seine Firma standen an der Spitze, und niemand konnte ihm diesen Posten mehr streitig machen.
 

„Ich dachte, du hättest gelernt, dass es Realitäten gibt, die fernab deiner Welt existieren.“ Auch das hatte er akzeptiert, und doch konnte er es logisch belegen. Paralleluniversen, das Mysterium der Zeit, vielleicht auch einfach der Zufall, alles Komponenten, die in einen Strudel einflossen, der sich am Ende mit kalter Logik wieder entkräften ließ. All diese Phänomene mochten existieren, und doch hatte er sich deutlich über ihnen platziert. Außerdem: Was war schon die Vergangenheit, genauso wie die Gegenwart? Die Vergangenheit konnte man nicht mehr ändern. Er hatte viele Dinge in seinem Leben getan, die er bereute, doch er trauerte ihnen nicht nach. Seto versank nicht in Selbstmitleid sondern akzeptierte mittlerweile die wenigen Fehler, die er hatte und versuchte sie auszumerzen. Er lebte im Hier und Jetzt, und selbst das war nur ein kurzes, flüchtiges Abbild des Großen und Ganzen, das am Ende wieder in die Vergangenheit rutschte.
 

Mit einem leisen Piepen verkündete die Maschine, dass sie endlich fertig war. Automatisch öffnete sich der Glasdeckel und gab die Duel Monsters Karte frei, nach der sich sein Herz so sehr verzehrte. Dort lag er, Obelisk der Peiniger, sein unbesiegbarer Held. Sein Angriff konnte sich ins Unendliche steigern und er war beinahe unzerstörbar; würdig, in seinem Deck einen festen Platz zu finden. Nicht einmal seine geliebten Bestien, fusioniert zu einem der stärksten Monster in der Geschichte von Duel Monsters, konnten es mit ihm aufnehmen.
 

Kaiba streckte seine Hand aus, wollte seine Kreation berühren, und doch, er zögerte. Warum konnte er nicht zugreifen, sich nehmen, was ihm gehörte? Die Karte glich dem Original in jeglicher Hinsicht. Sie war perfekt. Der Mund, die Flügel, die Maserungen an den Fäusten, sogar der kalte, leblose Blick – das war seine Karte, sein Monster, sein Obelisk der Peiniger.
 

Der CEO ballte die Hand zur Faust. Seine Gedanken glitten zu Atem. Wo war er gerade? Konnte es sein, dass er sich einen Weg aus dem Jenseits gebahnt hatte, um ihn vor einer Dummheit zu bewahren? Hatte sich der Pharao wirklich durch die Dunkelheit der Dimensionen gekämpft, für ihn? War es nicht das, was er eigentlich wollte, ihn wiederzusehen?
 

„Ich bestimme mein Schicksal selbst.“ Diese Worte hatte er einst gegenüber Ishizu ausgesprochen und Obelisk den Peiniger geopfert, um seinen Weißen Drachen aufs Feld zu rufen. Seine Instinkte, seine Vergangenheit, beides hatte ihn dazu verleitet das Richtige zu tun. Wollte er nicht unabhängig und frei sein? Begab er sich nicht wieder in einen Klammergriff, wenn er diese Karte seinem Deck hinzufügte?
 

Kopfschüttelnd griff Kaiba nach seinem Smartphone und wählte eine Nummer. Dass es bereits drei Uhr morgens war kümmerte ihn nicht. Man hatte wach zu sein, wenn er anrief. Einige knappe Worte und die Aussicht auf einen Scheck mit seinem Namen drauf erzielten immer die gewünschte Wirkung, wie auch heute. Der CEO beendete das Gespräch und legte das Smartphone wieder auf seinen Schreibtisch. Sein Blick wanderte zum Drucker, der noch immer, wie eine schützende Hülle, Obelisk den Peiniger beherbergte.
 

Seto ging um den Tisch herum und tippte den Code ein, der die Schublade mit seinem Deck öffnete. Zielstrebig holte er seine Karten heraus, fächerte sie auf, und zog die Weißen Drachen hervor. Alle drei Karten legte er um den Drucker herum, sodass sie ihn in einem Dreieck einschlossen. In der Mitte ruhte, gebettet auf edler Höhe, das Göttermonster. Dort lagen sie nun, sein Herz, seine Seele, und unbegrenzte Macht.
 

„Es gibt nur einen Menschen, der würdig ist, einen Gott zu führen, und nur er vermag, dass er sich seinem Willen beugt.“ Kaiba sprach mit sich selbst, doch das störte ihn nicht. Es war eine Erkenntnis, die er gerade erlangt hatte. Hieß es nicht, dass ein Pharao nach seinem Tod zu einem Gott wurde? Glaubten die Ägypter nicht daran, dass ihr König der Abkömmling eines Gottes war?
 

Seto erinnerte sich an sein Duell mit Diva. Nicht er hatte Obelisk beschworen, sondern Atem. Nicht er hatte den Willen des Monsters gebeugt, sondern der Pharao. Nur mit seiner Hilfe war es ihm möglich gewesen, den Göttlichen Soldaten zu rufen, ihn zu kontrollieren, und Diva dorthin zu schicken, wo er hingehörte.
 

„Du brauchst ihn nicht.“ Unweigerlich musste Kaiba lächeln. Ein seltener Moment, den nur wenige Menschen hatten genießen dürfen. Nein, er brauchte ihn nicht, und Obelisk gehörte ihm auch nicht. Der Gott gehörte zu Atem, genauso wie Slifer der Himmelsdrache und der Geflügelte Drache des Ra. Nachdenklich betrachtete er seine Weißen Drachen.
 

Er hatte seine drei Monster zu einer mächtigeren Variante kombinieren können, dann konnte das Atem wahrscheinlich auch. Der Pharao war in der Lage ein Monster zu erschaffen, das zu ihm passte. Wie konnte er nur so einfältig sein und glauben, dass er in der Position war, Atem diese Option zu verwehren? Vielleicht vermochte er Obelisk nicht ohne den Willen des Pharao zu beherrschen, zumindest nicht mehr nach dem zeremoniellen Duell, doch er konnte sich eine Strategie überlegen, um selbst die Fusion der drei Göttermonster zu besiegen.
 

Der CEO legte den Kopf in den Nacken und schloss die Augen. Erst jetzt merkte er, wie sehr die letzten Wochen an seinen Kräften zehrten. Er sehnte sich nach einem Bett. Nur noch wenige Minuten trennten ihn von der ersehnten Ruhe. Die nächsten Tage würde er kürzer treten, entspannen und sich dann mit frischem Elan auf das nächste Duell mit Yugi vorbereiten. Dieses Mal würde er ihn schlagen, ganz ohne Obelisk den Peiniger.
 

Das leise Surren der Klingel der Lobby ließ ihn die Augen wieder öffnen. Er räumte den Drucker mitsamt der Götterkarte in einen Karton, verschnürte diesen sorgfältig und verstaute seine Drachen wieder sorgfältig. Hastig setzte er seinen Namen unter den Scheck und trug eine großzügige Summe ein. Mit einem Druck auf sein Bürotelefon rief er jemanden vom Wachdienst herein, der das Paket und den Scheck nach unten brachte.
 

„Ich bin stolz auf dich.“ Als Seto wieder alleine war, konnte er diesen einen Satz vernehmen, der ihm mehr bedeutete, als das Triumvirat der göttlichen Bestien in Händen zu halten. Kein Sieg, kein Geschäft, nicht einmal sein Bruder hätten sein Herz mehr zum Beben bringen können als diese fünf Worte. Sie berührten ihn, und er hatte das Gefühl, das Richtige getan zu haben. Nicht, dass Seto Kaiba sich von Gefühlen hätte leiten lassen, doch in diesem Falle war er gewillt, eine Ausnahme zu machen.
 

„Auf dass wir uns eines Tages wiedersehen, Pharao.“ Der CEO hauchte die Worte in die Stille, die sein Büro durchzog. Ein letztes Mal starrte er auf die Zeichnungen und Skizzen, die ihn so viel Zeit und Energie gekostet hatten. Ein Stück Papier, Pappe, vergänglich, im Vergleich zu einem wahren Gott. Müde griff der Braunhaarige nach seinem Mantel, schnappte sich sein Smartphone und schaltete im Hinausgehen das Licht ab.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Yuugii
2019-08-08T13:25:08+00:00 08.08.2019 15:25
Hach, endlich habe ich Zeit zum Lesen! (☆▽☆)


Der Schreibstil ist flüssig, spannend und reißt einen sofort mit und ich finde insbesondere die Wahl der Perspektive klasse. Aus Kaibas Sicht zu schreiben ist unglaublich schwierig, vor allem wenn man ihn mit all seinen Schwächen und Widersprüchen zu fassen kriegen will. Und genau das ist dir hier sehr gut gelungen. Das hier ist Kaiba. Der Kaiba, den man aus dem Manga und dem Anime kennt. Selbstsüchtig, größenwahnsinnig, distanziert, aber vor allem eines: konsequent. Was er beginnt, wird auch zu Ende gebracht. Bei ihm heißt es stets, alles oder nichts und wenn er einen Gedanken hat, verfolgt er ihn bis zum Ende.


Die Art, wie du ihn hier beschreibst und wie vernarrt er in seinen Rivalen ist, ist grandios. Man merkt einfach, wie sehr Kaiba seinen Rivalen verehrt. Sein innerer Drang einen Weg zu finden, ihn zu besiegen und selbst einen Gott zurückzubringen, nur um dann demütig zu erkennen, dass Atem der wahre Träger der Sangenshin ist und er einen anderen Weg finden muss, um seine Anerkennung zu kriegen. Der letzte Absatz zeigt so deutlich, worum es ihm wirklich geht: Atems Aufmerksamkeit. Er will, dass Atem sieht, wie großartig er ist und dass sie sich ebenbürtig sind, weil er diesen als Maß aller Dinge ansieht.


>>Sein Schlafhaushalt war auf exakt drei Stunden pro Tag beschränkt gewesen, während Mokuba den Großteil der Geschäfte übernommen hatte.<<


DAS. ヾ(*´∀`*)ノ
Einfach dieser Satz passt perfekt zu ihm! Kaiba ist selbstzerstörerisch, wenn es darum geht, ein Ziel zu verfolgen und diesen Wahn seinerseits hast du so schön beschrieben. Ich bin immer angetan davon, wenn in Fanfiktions erwähnt wird, dass Kaiba sehr wenig schläft und dennoch zu solchen Höchstleistungen imstande ist, weil es ihn einerseits so übermenschlich macht, aber auch zeigt, dass er auf Messers Schneide wandelt und man nie weiß, wann sich dieser Wahn rächt.


>>Atem hatte ein Maß an Perfektion erreicht, das sogar jenes von Kaiba überstieg. Nicht Yugi, den er trotz allem schätzte und respektierte, eiferte er nach, sondern dem Pharao.<<


Wenn Kaiba zugibt, dass Atem ihm überlegen ist – das bereitet mit Gänsehaut! ˚✧₊⁎( ˘ω˘ )⁎⁺˳✧༚
Es gibt nichts und niemanden, dem Kaiba wirklich Interesse gegenüber zeigt, doch Atem vergöttert er geradezu und das hast du einfach richtig schön eingebracht. Und ich bin ehrlich erleichtert. Viel zu oft kommt es vor, dass der kleine Yuugi gerade von Prideshippern als „unwürdiger“ Rivale verkannt wird und man ihm nicht zutraut, Kaibas Interesse zu wecken, obgleich Kaiba diesen sehr wohl schätzt. Dieser Nebensatz macht mich super froh. Kaiba sieht Atem als wahren Rivalen an, aber er verkennt Yuugi nicht und sieht dessen Potential.


>>Alleine wie er seine Karten zog, sie hielt, mit ihnen umging, sie aufs Feld rief; alles an Yugis anderem Ich schrie nach Einzigartigkeit.<<


Wie sehr er ihn beobachtet und genau hinschaut und sich jede Handbewegung merkt und sie als edel und anmutig bezeichnet, während alle anderen seiner Blicke nicht würdig sind. Es hat etwas leicht Poetisches an sich. All seine Gedanken sind beherrscht von Atem. Er ist ihm mit Leib und Seele verfallen und merkt es selbst nicht einmal. (¬‿¬)


Ich muss ehrlich gestehen, dass ich zwischendurch Pausen machen musste. Ich bin ein großer Fan von diesen überirdischen Begegnungen, vor allem wenn Atems Seele die Verbindung zu Kaiba sucht. Die Tatsache, dass das hier nach DSOD spielt, reizt mich sehr, da ich Interesse an verschiedenen Zeitlinien (Alternative Timelines) habe, da die Frage Was wäre wenn...? ein spannendes Konzept ist, das viele Möglichkeiten gibt. Jedes Mal wenn Atem zu ihm spricht, wankt sein Entschluss und es steht außer Frage, nur Atem schafft es, diesen Mann aus der Balance zu werfen.


>>Seto versank nicht in Selbstmitleid sondern akzeptierte mittlerweile die wenigen Fehler, die er hatte und versuchte sie auszumerzen.<<


Ganz schön heuchlerisch von ihm. ( ͝סּ ͜ʖ͡סּ)
Er versucht sich mit aller Macht davon zu überzeugen, dass er seine Schwächen akzeptiert und im gleichen Atemzug sucht er nach einem Weg diese zu überwinden, um die Perfektion zu erreichen, die er von sich selbst erwartet. Er widerspricht sich selbst und sucht weiterhin nach Rechtfertigungen, weil er zu schwach ist, um zu akzeptieren, dass die Fehler der Vergangenheit ihn arg belasten. Dieser Satz lässt so viele Interpretationen zu und zeigt wie größenwahnsinnig und kaputt er eigentlich ist. Das einzige, das seine Seele heilen kann, ist die Anerkennung des Mannes, den er als Perfektion ansieht. Da stellt sich mir die Frage... wie würde Kaiba reagieren, würde er merken, dass auch Atem Fehler, Ängste und Schwächen hat und er diesen bisher nur von einer Seite kennengelernt hat? Würde es ihm leichter fallen, seine eigenen Schwächen zu akzeptieren oder würde er in ein tiefes Loch fallen. Hm. (ಢ⊱ಢ 。)


>>Man hatte wach zu sein, wenn er anrief. Einige knappe Worte und die Aussicht auf einen Scheck mit seinem Namen drauf erzielten immer die gewünschte Wirkung, wie auch heute.<<


Das erinnert mich an die Stelle im Film, wo Kaiba meint, dass Menschen ihre Probleme mit Geld lösen. Einerseits kritisiert er dies und doch tut er genau dasselbe. Er ist sich im Klaren, dass er menschlich handelt und doch will er sich in einer Position wägen, die ihm eine bestimmte Übermacht verleiht und distanziert sich. Es ist erschreckend, wie widersprüchlich er handelt, wie sehr er nach Logik strebt und doch nur beweist, wie schwach er ist und wie sehr er sich von anderen Personen prägen lässt. ( *๑•̀д•́๑)」


„Auf dass wir uns eines Tages wiedersehen, Pharao.“


Ist das der Moment, wo er entschließt, dass er bereit ist, die Dimensionen zu überwinden und ihm zu folgen? So'n kleiner Hint zum Film, um das Ganze gut zu gliedern und zeitlich einsortieren zu können. Sowas mag ich immer! Und dann nennt er ihn auch noch Pharao. 。゚✶ฺ.ヽ(*´∀`*)ノ.✶゚ฺ。

Es war ein großes Vergnügen deine Fanfiktion zu lesen! ヾ(◍’౪`◍)ノ゙♡

Danke, dass du sie mit uns teilst! ♥


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