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Between Love and Friendship

Zwischen Liebe und Freundschaft
von

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Kapitel 09 - Gedanken

Ihre Schritte waren sanft, als sie an ihren Briefkasten ging und ihre Post herausholte. Sie hatte sich erst vor ein paar Tagen umgemeldet und trotz dessen war ihre Fach voll von Briefen und einem gelben Zettel.
 

„Welche Etage?“, hörte sie Genzos Stimme fragen.
 

Sie wandte sich nicht zu ihm um, da sie die einzelne Briefe nur oberflächlich durchschaute, als sie ihm antwortete.
 

„Siebter Stock.“, murmelte sie, als sie gerade einen Brief umdrehte, um den Absender zu lesen, „Gibt kein Fahrstuhl, falls du fragen willst.“, lächelte sie dann doch, als sie den Namen ihrer Mutter als Absender erkannte.
 

„Hätte mich auch schwer gewundert.“
 

Sie kommentierte seinen letzten Satz nicht, schloss das Brieffach und ohne weiteres Wort ging sie die Treppe hoch, während der Schwarzhaarige ihr folgte.

Auf dem letzten Abschnitt ergriff sie allerdings dann doch das Wort.
 

„Wunder dich nicht, es ist nicht aufgeräumt.“
 

„Keine Sorge, du warst schon immer chaotisch.“
 

„Das Genie beherrscht das Chaos.“, grinste sie, als sie ihre Wohnungstür erreichte.
 

Lena schloss diese auf und stellte ihre Sporttasche im Türrahmen ab, als sie kurz noch erwähnte, dass sie eben nur ein Paket bei der Nachbarin abholen müsste. Bevor sie sich zur nächsten Etage begab, sah sie noch wie Genzo in der Tür stehen blieb und auf sie zu warten schien. Es würde ihr nichts ausmachen, wenn er ihre Wohnung komplett betreten würde. Sie hatte schließlich keine Geheimnisse. Aber sie respektierte auch seine gut erzogene Manieren.
 

Lena hatte die letzten Stufen doppelt genommen und klingelte an der ersten Wohnungstür links neben ihr. Es dauerte eine Weile, als eine ältere Frau im gestandenen Alter ihr die Tür öffnete.
 

Sie wollte schon ansetzen, als die Frau sie unterbrach.
 

„Das Paket... ich hab es hier.“, sagte sie sie, bückte sich kurz zum Boden, hinter der Tür, und überreichte es der Blonden, „Kam kurz vor der Mittagsruhe.“
 

„Danke, für's annehmen, Gabi.“
 

„Nicht dafür. Ich bin sowieso die ganze Zeit zu Hause.“, lächelte sie.
 

„Ich werd' mich trotzdem revanchieren.“, sagte Lena und verabschiedete sich von ihrer Nachbarin, die ihr lächelnd zu nickte, bevor sie die Tür wieder schloss.
 

Sie eilte die Treppen zurück auf ihre Etage und immer noch stand Genzo im Türrahmen.
 

„Was hast du bestellt?“, fragte er neugierig und sah auf das mittelgroße Paket.
 

Lena nahm ihre Sporttasche und klemmte das Paket unter ihren linken Arm.
 

„Ach... der Rechner. Ich glaub die Wasserkühlung ist defekt. Es gluckert dauernd so merkwürdig, als hätte ich ein Aquarium.“, lachte sie, „Ich hab nur neue Lüfter bestellt.“
 

Sie stellte sich an die Wohnungsrauminnenseite und ließ Genzo eintreten, während sie hinter ihm die Tür schloss.
 

Die Wohnung war alles andere als groß. Der Flur war zwar breit, aber lang war er nicht. Rechts waren zwei Türen, sowie links ebenso. Gegenüber der Eingangstür stand eine kleine Kommode und eine Garderobe, an der sie ihre Jacke aufhing und die Tasche neben dem Schrank auf den Boden abstellte. Das Paket nahm sie mit, sowie die Briefe, als sie sich zu ihrem Schlafzimmer wandte. Jedoch noch einmal kurz zu Genzo sah.
 

„Ich stell das eben nur ab, dann mach ich dir einen Kaffee. Wohnzimmer ist dort.“, sagte sie zu ihm und deutete auf die zweite Tür rechts, „Und wunder dich wirklich nicht.“, setzte sie hinten dran, bevor sie die Tür links nahm und in ihr Zimmer ging.
 

Er sagte wieder, dass er wusste, wie sie war, was sie noch zum Lächeln brachte. Lena wusste auch, wie sie war. Eine Chaotin, ganz gewiss. Allein wenn sie jetzt in ihrem Zimmer stand, war auch hier das Chaos perfekt. Mal abgesehen von den vielen Kartons, die immer noch unaufgeräumt in den Ecken standen. Sie hatte sich dagegen entschieden, groß auszupacken. Schließlich wollte sie sich noch woanders umsehen, nach einer Wohnung. Hier bleiben wollte sie nicht.
 

Sie ging zügig an ihrem Bett vorbei und an einen kleinen Raumtrenner, der dahinter ihr Schreibtisch offenbarte. Der Rechner stand auf dem Tisch. Daneben zwei Monitore, einer 24 Zoll, der Hauptmonitor und daneben ein 22 Zoll, sowie die teure Razer Tastatur, die auf einem übergroßen Mousepad lag, welches fast den gesamten Tisch überdeckte.
 

Die Blonde legte das Paket auf den Tisch neben ihrer Maus ab und die Briefe rechts an den Rand. Zuvor musste sie zwar ein paar leere Schokoladenpackungen und Gummibärentüten aus dem Weg räumen, aber das war alles noch im Rahmen. Sie knabberte kurz an ihrer Unterlippe, als sie zu den leeren Kaffeebechern griff und ebenso den anderen Müll einsammelte.

Ihre Zockernächte arten auch immer so aus.
 

Sie wollte gerade den Rückzug antreten, als sie abermals das Gluckern des Rechners vernahm. Er war nur im Standby-Modus. Komplett ausgeschaltet hatte sie den Pc sicherlich schon gute zwei Wochen nicht mehr. Doch solange es nicht ganz vom Netz war, würde das System auch weiterhin im Hintergrund arbeiten.
 

Sie sollte wirklich nicht mehr lange warten mit dem Austauschen, doch der Gedanke, dass Genzo in ihrem Wohnzimmer war, ließen ihre Gedanken weiterschweifen.
 

„Später.“, murmelte Lena und verließ ihr Zimmer dann doch, bevor sie in die Küche ging und die Kaffeemaschine einschaltete. Bevor sie zwei Tassen aus einem Schrank nahm und sie auf die Vorrichtung stellte, warf sie noch den Restmüll in einen Abfalleimer. Kurz füllte sie Wasser nach und drückte dann auf die Taste mit den zwei Tassen. Sie ließ die Maschine ihre Arbeit verrichten.
 

Eigentlich wollte sie direkt die Lüfter einbauen, sobald sie heute vom Training kam, damit sie das aus ihrem Kopf hatte. Aber da hatte auch noch nicht Genzo ihren Weg gekreuzt. In der Zeit, in der sie am überlegen war, piepte die Kaffeemaschine und sie nahm die zwei Tassen herunter. Kurz aus dem Kühlschrank holte Lena die Milch heraus und fügte ihrem Kaffee einen Schluck hinzu, bevor sie den Beutel zurück ins Kühlfach stellte. Ihre Hand griff danach zu einer kleinen Schüssel und sie nahm zwei Würfel Zucker aus diesem, um das Süßungsmittel ebenso in ihre Tasse fallen zu lassen. Kurz noch einen Kaffeelöffel dazu und sie nahm beide Tassen in die Hände.
 

Zielsicher steuerte sie das Wohnzimmer an. Schon beim eintreten sah sie Genzo an einem Fenster stehen. Er hatte die Hände in den Hosentaschen und sah hinaus. Als sie die Tassen auf einem kleinen Glastisch abstellte, bemerkte er dies und wandte sich zu ihr um.
 

„Als du sagtest, bei dir sei nicht aufgeräumt, hab ich nicht daran gedacht, dass hier überall Kisten rumstehen.“
 

„Ich sagte doch, dass hier ist nur für den Übergang. Ich hab nicht vor mich häuslich einzurichten.“, sagte sie und deutete auf den Kaffee, „Schwarz, richtig?“
 

„Immer noch.“, lächelte er sanft zurück, „Kaffee kann nur gut ohne alles schmecken. Wie du den mit Milch und Zucker versauen kannst, werde ich wohl nie verstehen.“
 

„Jedem das seine.“, räusperte sie sich nur und nahm auf der kleinen Couch platz, wobei er sich direkt neben sie setzte.
 

Er nahm sofort die Tasse in die Hand, doch hielt sie einige Sekunden vor sein Gesicht, bevor er doch wieder absetzte.
 

„Wenn du magst, kann ich mich ein bisschen für dich umhören.“, sagte er dann und sie sah verwirrt zu ihm auf, „Wegen einer Wohnung, meine ich.“
 

„Ach nee, ich finde irgendwann schon was. Solange geht das hier auch.“
 

„Du weißt aber schon, dass das hier nicht gerade Hamburgs ruhigstes Viertel ist?“
 

„Passt schon.“
 

Sie hörte ihn seufzen und dann nahm er endlich einen Schluck aus seiner Kaffeetasse. Als er wieder absetzte, begann er das Thema von Neuem und Lena fühlte sich alles andere als Wohl dabei. Er hatte ja auch Recht. In dem Bezirk, in dem sie zurzeit wohnte war die Kriminalitätsrate ziemlich hoch und schön war es hier dreimal nicht.
 

„Wirklich, Genzo. Ich komm schon klar.“
 

„Wie du meinst.“, sagte er, „Aber ich halt trotzdem die Augen und Ohren offen.“
 

Jetzt seufze sie. Sollte er doch machen was er wollte. Das tat er sowieso, wenn sie so recht überlegte. Gott, wie gut sie ihn doch kannte. Das machte ihr zu schaffen. Es sollte völlig normal sein, aber das war es nicht. Nicht seitdem sie in den Wochen viel Zeit mit ihren Gedanken allein verbracht hatte. Sie hatte versucht sich abzulenken, aber schnell wurde ihr klar, dass das nicht machbar war. Sie fühlte sich hin und hergerissen.
 

„Hast du was von ihm gehört?“
 

Seine Stimme war leise und die Frage die er stellte, war vorsichtig. Als ob er lange mit sich gehadert hatte, überhaupt danach zu fragen. Ihr wäre es lieber gewesen, er hätte das gar nicht zur Sprache gebracht. Das letzte an das sie je wieder denken wollte, war dieser blonde Egoist.
 

„Wenn du damit meinst, ob die Terroranrufe aufgehört haben, dann ja.“, sagte sie und klang dabei mehr als gereizt.
 

„Terroranrufe?“, fragte er direkt hinterher und sie hätte sich selbst eine scheuern können für ihr großes Plappermaul, „Welche Anrufe?“
 

Sie hatte in den Wochen kaum Kontakt zu ihm gehabt und hatte ihm natürlich dadurch auch nichts erzählen können. Ein kleiner Teil in ihr, wollte das auch nicht zu sehr nach außen tragen. Lena seufzte. Jetzt konnte sie es auch erzählen.
 

„In... ehm... den ersten Wochen hat er mich damit ständig genervt.“, sagte sie kleinlaut, „Zu unmöglichen Zeiten rief er an. Erst als ich komplett umgezogen bin, hörte es auf.“
 

„Was wollte er denn damit erreichen?“
 

„Keine Ahnung, Genzo! Ich weiß nicht, was in seinem kranken Kopf vor sich geht und ich will es auch nicht wissen. Soll er bleiben, wo der Pfeffer wächst. Geht mich nichts mehr an.“
 

„Hab nichts davon mitbekommen...“, hörte sie ihn murmeln.
 

Auch wenn das Thema für sie gegessen war, weckte es ihre Neugier, wie sich Karl in seiner Gegenwart verhielt. Das schoss ihr öfters durch den Kopf, wenn sie ehrlich zu sich selbst war. Dass es nicht einfach für den Schwarzhaarigen war, konnte sie nur erahnen.
 

„Wie... wie ist es denn so im Verein?“
 

„Wie meinst du?“, fragte er nach, doch schien ihre Frage zugleich verstanden zu haben, „Ach, das...“, seufzte er und nahm einen erneuten Schluck seines Kaffees, „Er ignoriert mich, wo er kann. Beim Training ist es noch human, aber das Spiel gegen Werder Bremen haben wir deswegen voll in den Sand gesetzt.“
 

„Ihr habt verloren?“, kam es erstaunt von ihr.
 

„Ja... zwei zu eins. Er hat meine Zurufe einfach ignoriert und sein eigenes Ding durchgezogen und deswegen... hab ich die Tore kassiert. Ein normales Zusammenspiel ist kaum mehr möglich.“
 

Genau das hatte sie geahnt. Sicherlich versuchte Genzo, berufliches und privates zu trennen, was Karl offenbar nicht konnte. Nicht wenn er Genzo für all das Übel verantwortlich machte. Auch wenn er dafür keine Schuld traf. Ganz gewiss nicht.
 

„Hab mich fast schon dran gewöhnt.“, lächelte er dann und sie sah ihn kurz bemitleidend an.
 

Lena tat es leid, dass er so zwischen die Fronten geraten war. Dabei war es nur die Schuld ihres Exfreundes. Aber bis er das einsah, würde eher Himmel und Hölle gleichermaßen zufrieren. Er war schließlich nicht nur ein Egoist, sondern ein riesen Trottel, mit zu viel Geld auf dem Konto. - Wie sagte man so schön? Geld verdirbt den Charakter und das traf auf Karlheinz Schneider voll und ganz zu. Vielleicht war er ein Fußballgenie. Aber menschlich betrachtet, ein ganz schön großes Arschloch.
 

Sie schüttelte gedanklich den Kopf, bevor sie ihre Tasse wieder auf den Glastisch abstellte. Ihr wurde in diesem Moment klar, dass nicht nur sie unter all den Geschehnissen zu leiden hatte, sondern auch er. Wenn auch Genzo es nicht zu sehr auszumachen schien. Mit diesen miesen Kopfkino musste einfach Schluss sein, entschied sie. Ablenkung, war das Stichwort. Etwas was sie beide brauchten. Ganz dringend und zwar jetzt.
 

Abrupt stand sie auf und wandte sich zu ihm um.
 

„Hast du... was dagegen wenn ich doch schnell die Wasserkühlung rausmache?“
 

„Klar, ich wollte mich dir auch nicht aufdrängen. Du hast schließlich den engeren Zeitplan.“, sagte er und es hörte sich an, als wollte er gehen.
 

„Du drängst dich nicht auf.“, sagte sie etwas zu schnell.
 

Hoffentlich bemerkte er es nicht so eindringlich, wie ihr gerade selbst. Sie wollte gewiss nicht, dass er dachte, sie würde ihn jetzt rausschmeißen wollen, also... lächelte sie, während er zu ihr aufsah.
 

„Ich bräuchte da deine Hilfe.“
 

„Hilfe? Ich kenn mich überhaupt nicht mit dem ganzen Computerkram aus, Lena...“, kam aus aus seinem Mund, „Bin schon froh, wenn ich meinen Laptop hoch- und runterfahren kann.“
 

„Musst du auch nicht.“, antwortete sie und musste doch ein wenig schmunzeln, über seine kleinen Fachkenntnisse, „Aber der Rechner ist echt schwer geworden und ich brauch Platz für mein Vorhaben. Wenn ich Pech habe, muss ich das ganze Teil auseinandernehmen, also... wäre es praktisch, wenn ich das hier mache.“, sagte sie und deutete auf den Wohnzimmerboden.
 

„Verstehe...“, grinste er und stand ebenso auf, „Du brauchst einen Packesel.“
 

„Nur ein bisschen.“, gestand sie.
 

Sie sah ihn grinsend nicken, bevor er ihr den Vortritt ließ, was sie als Zustimmung ansah. So ging sie voraus und er folgte ihr. Eigentlich wollte sie ihn nicht in ihr Schlafzimmer führen. Das brachte sie wieder auf ganz andere Ideen. Sie schluckte den Gedanken hinunter.
 

Eben noch dachte sie an Ablenkung und schon wieder konnte sie es nicht aufhalten Genzo weitere Gedanken zu schenken. Das müsste wirklich langsam aufhören. Er war ihr wichtig geworden in all den Jahren, ja. Aber sie wollte die besondere Freundschaft zu ihm nicht aufs Spiel setzen.
 

„Ich nehm ihn nur kurz vom Netz.“, sagte sie dann und verbann ihre Gedanken erneut, als sie das Zimmer betrat und er immer noch hinter ihr ging.
 

In dem Moment, als sie den Pc aus dem Standby-Modus holte, vernahm sie ein erneutes Gluckern. Es war echt nötig, dass sie mal ins Innere schaute. Wer wusste schon, was sich dort in der Zeit schon verselbstständigt hatte?
 

„Goldfische, oder doch eher Piranhas?“, hörte sie ihn fragen, als sie ihr Passwort eingab.
 

„Ich sag ja, ich hab ein Aquarium.“, murmelte sie und sah zu ihm.
 

Doch sein Blick galt nicht ihr. Viel mehr dem matten, schwarzen Gehäuse, welches nun im Inneren, in Regenbogenfarben auf und ab leuchtete.
 

„Gibt's nicht auch Regenbogenfische? Das würde hierzu passen.“
 

Sie konnte nicht anders, als über seine Aussage leise zu lachen. Bei ihr konnte es nicht bunt genug sein und leuchten musste es allemal. Ihr Rechner war schon ein kleines, persönliches Highlight, wenn sie das mal so anmerken dürfte.
 

„Wie hältst du das Geblinke nur aus... da würde ich Augenkrebs kriegen.“
 

„Beim Zocken krieg ich nie was mit.“, sagte sie schulterzuckend, „Das Plexiglas ist eh auf der anderen Seite. Es stört also überhaupt nicht.“
 

„Gibt es überhaupt etwas da drin, was nicht blinkt oder leuchtet?“, stellte er die nächste Frage.
 

„Die Ram-Riegel.“, sagte sie geistesabwesend und klickte mit der rechten Maustaste auf das Windows-Symbol und wählte von der Auswahlliste, die ihr nun angezeigt wurde, das Herunterfahren, „Aber das werd' ich auch noch ändern.“, grinste sie und spürte direkt Genzos Blick auf sich.
 

„Was ändern?“
 

„Die Ram-Riegel. Ich wollte sowieso von 16 Gigabyte auf 32 upgraden und da gibt’s zum Beispiel die von Corsair. Die haben eine RGB-Funktion.“
 

„Wieso sagt mir mein Verstand, dass der größere Arbeitsspeicher nur ein Vorwand ist?“
 

„Weiß nicht, was du meinst.“, kam es leise von ihr und doch musste sie grinsen.
 

Nicht nur sie kannte Genzo ziemlich gut, andersherum war er nicht benachteiligt. Na gut, dass sie ein Faible für RGB-Computerteile hatte, das war nun wirklich nichts Neues und etwas, was man ziemlich schnell herausfinden konnte. Dafür musste man nicht sieben Jahrelang befreundet sein.
 

„Die Tastatur hast du doch auch nur, weil sie leuchtet, wie als wäre sie in ein Farbtopf gefallen.“
 

„Das stimmt nicht.“, verteidigte sie sich, „Ich kann nichts anfangen mit zu hohen Tastaturanschlägen. Dafür hab ich viel zu zierliche Finger und zweitens ist die von Razer. Da kriegt man nur schwer eine, ohne Chroma-Keys.“
 

„Ausrede.“
 

„Wirklich!“
 

In dem Moment fuhr der Computer komplett hinunter und das Leuchten erlosch mit einem Mal. Lena schob ihren Stuhl zur Seite und nahm die Maus in die Hand. Ging das Kabel von diesem ab entlang, so dass sie den richtigen USB aus dem hinteren Teil des Rechners zog.
 

„Das... war die Maus, dann müsste das der Lautsprecher sein, Headset...“, sagte sie zu sich und zog ein Kabel nach dem anderen heraus, „Controller, erster und zweiter Monitor, Lan-Kabel und das Netzwerk.“, sagte sie und zog noch weitere Anschlüsse heraus, bis der Rechner völlig frei lag.
 

„Alles ab gestöpselt?“
 

„Jep. Du kannst.“
 

Ohne ein weiteres Wort hob Genzo das Gehäuse an und trat vom Schreibtisch einen Schritt beiseite.
 

„Gott, Lena... du hast nicht übertrieben. Was wiegt das alles? Eine Tonne?!“
 

„Übertreib mal nicht... vielleicht etwas über zehn Kilo. Das was wirklich in Gewicht fällt wird das Mainboard und die Grafikkarte sein. Und eventuell die Wasserkühlung, aber danach wird der Pc eh leichter sein.“
 

„Da kann ich ja das Krafttraining morgen ausfallen lassen.“, scherzte er und am liebsten hätte sie ihn jetzt gerne einfach geschubst.
 

Aber da er ihren Rechner immer noch auf den Armen hatte, verkniff sie es sich.
 

„Quatsch nicht so viel, bring ihn rüber.“
 

„Aye, aye.“
 

„Und wehe du lässt ihn fallen, oder eckst irgendwo damit an!“
 

„Ich pass schon auf...“, hörte sie ihn noch sagen, bevor er im Flur verschwand.
 

Sie seufzte, als sie kurz darüber nachdachte hinterher zu gehen, um auch zu kontrollieren, ob er nirgendswo einen Kratzer hinterließ. Was ihren Pc anging, da war sie schon recht penibel und übervorsichtig. Wobei sie mit ihrem Headset eher schlampiger umging.
 

Sie sah auf den Schreibtisch und nahm sich die Kopfhörer zur Hand. Der feine Riss an der rechten Seite, oberhalb der Over-Ears war kaum zu sehen, aber sie wusste. Würde das Teil ein weiteres Mal vom Tisch rutschen, weil sie mal wieder zu abrupt aufstehen würde und das Kabel sich in der Höhenverstellung ihres Gamingsstuhl verfing, würde es endgültig brechen.

Das wäre dann das vierte Headset dieses Jahres, welches das Zeitliche segnete.
 

Mittlerweile glaubte sie sogar, dass ihr Verbrauch an Pc-Zubehör teurer war, als wenn sie Hardware kaufte. Controller waren ebenso extrem schnell kaputt. Nicht, weil sie diese zu viel benutzte, sondern viel eher, weil sie oft quer durchs Zimmer flogen, wenn das Ding mal wieder nicht das tat, was man wollte. Oder Mäuse... Gott. Zum Glück hatte sie nie auf überteuerte Gamingmäuse gesetzt. Ihr reichte eine Maus, mit minimal zwei Daumentasten aus und wenn man die DPI leicht per Knopfdruck direkt an der Mausoberfläche verstellen konnte. Sie brauchte dafür keine extra Software, oder Gewichte an der Maus, wie es sonst bei Gamingmäuse oft der Standard war.
 

Sie seufzte und nahm dann die Briefe in die Hand, welches am rechten Rand lag und überflog die Absender. Den Brief ihrer Mutter legte sie zur Seite. Den würde sie später aufmachen. Dafür war jetzt keine Zeit und Nerven dazu hatte sie gerade auch nicht.

Sie hatte ihr geschrieben und ihr ihre neue Adresse mitgeteilt. Natürlich hatte sie auch erklärt, wieso sie nun woanders wohnte und mit Sicherheit würde ihre Mum das Thema ihrer Exbeziehung aufgreifen. Alle Mütter waren nun mal neugierig und wollten alles wissen. Wie. Wo. Was. Wann.
 

Ein anderer Brief war von ihrer Bank. Auch wenn Karl und sie keine gemeinsamen Konten besaßen, war sie sich bewusst, dass er ihre Pin vom Girokonto wusste. Also hatte sie eine neue Karte beantragt und die Alte sperren lassen. Nicht, dass sie glaubte, dass er da wirklich drangehen würde. Immerhin brauchte er dafür auch noch die Karte. Aber mit der Tan-Nummer könnte er viel Mist anstellen. Nur um es ihr heimzuzahlen, dass sie ja so dreist war, ihn den Fußballkaiser zu verlassen, wegen einer läppischen Affäre.

Sie schnaufte und klopfte sich gedanklich auf die Schulter. Sie hatte wirklich an alles gedacht.
 

Vom Fühlen her, war hier also die neue Karte drin. Der neue Pin würde dann die nächsten Tage separat kommen. Sie legte den Brief ebenso ungeöffnet auf den Brief ihrer Mutter und schaute zum nächsten Absender, der sie stocken ließ.
 

Ihr Puls raste auf einmal. Sie sah den Absenderort. München. Anna hatte ihr geschrieben. Etwas was sie nicht mehr gedacht hätte, dass es noch passieren würde. Sie hatte ihr angeboten, dass sie das mit Karl klären würde. Für sie und hatte ihr ihre Nummer gegeben. Als sie umgezogen war, hatte sie ihr ihre Adresse per SMS zukommen lassen. Falls ihr mal danach wäre, sich den Frust von der Seele zu schreiben, hatte sie dazugeschrieben.
 

Und jetzt... Monate später tat sie es tatsächlich.
 

„Hab ihn mitten im Raum abgestellt...“, kam es rufend von Genzo und sie drehte sich nur kurz zur Tür.
 

„Komm gleich!“, rief sie zurück und riss zügig den Brief auf.
 

Keine Ahnung, wieso sie den Brief ihrer Mutter verschlossen ließ, während sie Annas Brief jetzt lesen wollte. Immerhin würde es über das selbe Thema gehen.

Sie überflog ihre Zeilen zwar, aber wissentlich. Sie schrieb viel von ihren Gedanken und um ihre Ängste. Irgendetwas schien mit dem Kind nicht zu stimmen. Zumindest wollte man das abklären, was in Anna natürlich Panik auslöste.
 

Auch wenn die Umstände komplett verkorkst waren. Immerhin war Anna die Ex-Affäre von Karl gewesen und hatte sie schwanger sitzen gelassen. Sie war sauer und enttäuscht gewesen, von ihm. Anna traf da keine Schuld, eher tat es ihr leid, dass sie in dieser Situation war.
 

Am Ende ihres Briefes bat sie Lena dann noch um einen Gefallen. Flüsternd las sie für sich die Zeilen vor.
 

„Ich weiß, dass ist viel verlangt und ich könnte verstehen, wenn du ablehnst. Aber kannst du nicht nächste Woche nach München und mich zum Spezialisten begleiten? Ich meine, ich kann auch alleine, muss ich ja im Endeffekt, aber es wäre schön, wenn man jemanden an der Seite hat, der einem die Nervosität nimmt.
 

Das ist alles so komplett bescheuert, ich weiß. Ich weiß einfach nicht, wen ich sonst fragen sollte. Ich hab doch sonst keinen.“
 

Lena atmete schwer und schluckte hart. Das kam überraschend. Ja, sie hatte ihr Hilfe angeboten, aber dass es jetzt so aussehen sollte, ließ sie das ganze doch Revue passieren. War es gut, ihr so nah zu sein? Könnte sie wirklich, ihr die Stütze sein, die sie brauchte? Klar, Anna war in einer schwierigen Lage und sie kannte ein bisschen etwas über ihr, doch sehr einsames Leben. Aber... würde sie selbst das so einfach wegstecken können?
 

Darüber zu hören, dass Karl mehr als einmal sie betrogen hatte, war schwer gewesen. Aber mit der Zeit hatte sie damit abgeschlossen. Der Kerl konnte ihr den Buckel runterrutschen. Er war ihr mittlerweile komplett egal geworden. Aber... mit seinen Fehltritten direkt konfrontiert werden, indem sie vielleicht das ungeborene Kind im Ultraschall sah... sie wusste ehrlich nicht, was das in ihr auslösen könnte.
 

Eigentlich wollte sie mit dem Thema doch einfach nur endlich abschließen. Neu anfangen.
 

„Hast du was zum Aufwischen?“, kam es hinter ihr.
 

Doch Lena war soweit in ihren Gedanken versunken, dass sie den jungen Mann hinter ihr im Türrahmen gar nicht richtig wahrnahm. Sie nahm ebenso nicht wahr, wie ihr Besuch sich ihr annäherte.
 

„Oder ist dein Pc immun gegen Kaffee?“
 

„Was?!“, keuchte sie, als sie nur die Worte Pc und Kaffee hörte.
 

Abrupt faltete sie den Brief zusammen, als sie Genzo so nah neben sich bemerkte.
 

„Was hast du getan?!“
 

„Entspann dich. War ein Witz.“, grinste er dann verschmilzt, doch Lena wollte ihm so gerne den Hals umdrehen.
 

„Darüber macht man keine Scherze, Genzo!“, zischte sie und schubste ihn nun doch endlich, „Ich hab fast einen Herzinfarkt erlitten!“
 

„So sahst du auch schon vorher aus.“, kommentierte er und sie sah ihn dann doch verwirrt an, „Der Brief... von wem ist der? Du siehst aus, als wärst du einem Geist begegnet.“
 

„Eh...“, stotterte sie.
 

Fuck. Sie knüllte Annas Brief noch weiter zusammen und hoffte inständig, er hatte kein Wort davon aufgeschnappt. Immerhin fiel Karls Name öfters und bis auf sie und Maya wusste auch schließlich keiner davon. Was auch definitiv so bleiben sollte.
 

„Ehm...“, räusperte sie sich dann, „Nichts. Schon gut.“
 

„Du kannst mit mir reden, wenn... es etwas gibt, worüber du dir Sorgen machst. Das weißt du, oder?“, fragte er und klang dabei so einfühlsam, sodass ihr Herz noch lauter unter ihrer Haut pochte.
 

Würde es hier nicht um Karls Ex-Affäre gehen, hätte sie ihm in diesem Moment gerne so viele Dinge erzählt, die sie belastete seit der Trennung. Aber das hatte nichts mit dem Brief zutun, viel mehr... mit ihm. Und das war etwas, was sie ihm nie sagen könnte.
 

„Es ist wirklich nichts.“, schluckte sie dann und stopfte den nun kleinen zerknüllten Brief in ihre Hosentasche, bevor sie zum Paket griff, in dem die Lüfter womöglich waren.
 

Noch einmal räusperte sie sich und wollte an ihm vorbei, das Zimmer verlassen und sich endlich auf das Ausbauen der Wasserkühlung konzentrieren, als er sie am Arm aufhielt.
 

„Lena...“
 

Aus einem Impuls heraus, riss sie sich von ihm los.
 

„Es geht dich nichts an, okay!“, fuhr sie ihn plötzlich an und erschrak fast selbst, über ihren Ausraster, „Sorry... das... wollte ich nicht so laut sagen.“, entschuldigte sie sich prompt.
 

„Schon... okay. Bestimmt Maya und Frauenkram, ich versteh schon.“
 

Sie seufzte beruhigt. Er hatte wohl wirklich nichts vom Brief gelesen. Ihr fiel ein Stein vom Herzen.
 

„Wie auch immer...“, murmelte sie, „Kommst du?“
 

„Ehm... ja... kann ich noch einen Kaffee haben?“
 

„Kannst ihn auch selber machen.“, kommentierte sie, während sie durch den Flur ging und zur Tür der Küche nickte, „Ich bin jetzt erst einmal out of Order.“
 

Er ging an ihr zügig vorbei, schnappte sich seine Tasse und war kaum an ihr vorbei, da sah sie ihn noch im Augenwinkel grinsen, bevor er kommentarlos in der Küche verschwand.
 

Wieder seufzte Lena. Es war purer Wahnsinn gewesen, Annas Brief zu öffnen, während Genzo in nahen Umgebung war. Das hätte auch deutlich schief gehen können.
 

Auf jeden fall würde sie Anna morgen mal anrufen. Zurückschreiben kam nicht in Frage. Sie würde nie die richtigen Worte finden, da war telefonieren zumindest für sie einfacher. Eine Antwort auf ihre Bitte hatte sie noch keine. Sie würde später weiter darüber nachdenken. Wenn Genzo weg war und sie das Übel namens Pc überarbeitet hatte.
 

Sie setzte sich vor ihren Pc auf den Boden und griff zu einer Schublade links von ihr, unterhalb eines Sideboards. Daraus nahm sie einen kleinen Kreuzschlitzschraubenzieher hervor und setzte diesen an der ersten Schraube an.
 

„Na dann wollen wir mal sehen, was das Problem ist.“


Nachwort zu diesem Kapitel:
A/N: Normalerweise schreibe ich so ungern Randkommentare, aber hier ist es gerade angebracht, wie ich finde.
Ich habe lange gebraucht für das Kapitel, obwohl es dafür sicherlich viele Ausreden gab. Ich sag da nur Corona. Die letzten Monate waren nicht einfach. Gerade, wenn man einen 9-jährigen die Schule ersetzen muss und man von der Schule nur einen Arschtritt bekommt, vom allerfeinsten. Sicher. Ich glaube, so geht es jedem der Kinder hat, oder der gerade Schwierigkeiten hat mit Arbeit von zu Hause aus, oder gar nicht mehr weiß, wie er an Geld kommen soll. Fühle ich voll.

Aber da war auch noch die Sache, dass ich an so vielen Geschichten schreibe, die hier noch gar nicht online sind und an die ich hier und da mal weiterschreibe. Einfach so für mich, um abschalten zu können. Um den ganzen Mist nur für ein paar Stunden zu vergessen und den Kopf mal für was anderes zu benutzen.

Letzendlich, schrieb ich heute an diesem Kapitel weiter. 6 Monate ist's her, dass ich hier geupdated habe. Ich kann euch nicht sagen, wie lange das nächste Kapitel brauchen wird. Ich sag einfach mal nichts dazu. Es kommt, wann es kommt! ;)

Ich hoffe alle, die diese Story noch verfolgen ein stressfreies 2021 und bleibt mir alle schön gesund!
Kopf hoch, keiner ist damit allein <3
Eure Katie :3
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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Centranthusalba
2021-02-27T17:37:35+00:00 27.02.2021 18:37
Hallo Katie,
Ich finds toll, dass du dich nach 6 Monaten wieder dran gesetzt hast. Wäre auch zu Schade um die Geschichte.
Ein bisschen merkt man es dem Kapitel auch an, dass du erst wieder reinkommen musstest. Aber nicht so schlimm, bin gespannt, wo du mit den beiden noch hin willst. 😄
Würde mich auch freuen mehr über das Spannungsfeld zwischen ‚richtigem‘ Sport und E-Sport zu lesen, immerhin sind das die beiden Welten, in denen sie sich bewegen.
In dem Sinne: bitte mach weiter so.
LG
Rike
Antwort von: KatieBell
28.02.2021 02:13
Hi Rike =)

Vielen dank für deine lieben Worte. Ich fände es auch schade, wenn ich das hier nicht zu Ende bringen würde.
Ich habe ich dem halben Jahr so oft das Dokument aufgeschlagen, mich reingelesen, zwei-drei Sätze geschrieben und es dann doch wieder geschlossen XD
Irgendwie kam ich nicht rein... wie du es ja auch "leider" bemerkt hast.

Aber in der Woche... hatte ich ein paar zündende Ideen für den weiteren Verlauf und seitdem läufts recht gut :)
Ich wusste schon seit dem ersten Kapitel, wo ich hin wollte, ich wusste nur nicht, wie ich da hin komme. Das war so das Hauptproblem.

Zum Thema mit "richtigen Sport" & "E-Sport", um das ganze ein bisschen Vorweg zu nehmen:
Da ich meistens aus Lenas Sicht schreibe, wird der E-Sport mehr im Fokus stehen, aber auch nicht als Hauptbestandteil der Geschichte. Kleines bisschen wird der Fußball auch eine kleinere Randnotiz sein. Obwohl vielleicht sollte ich mir das noch offen lassen. Bis dahin hab ich ja noch Zeit :P

Jedenfalls, danke für dein Review, ich bin schon am nächsten Kapitel dran, fast fertig. Man wird also nicht nochmal 6 Monate warten müssen =D

Liebe Grüße
Katie :3


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