Zum Inhalt der Seite

Sein Blick traf mich wie eine Kugel

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

No.45

Kid sah Killer nur kurz nach, ehe er den Kopf senkte und wieder zu Law sah. Sanft gab er ihm einen Kuss auf den Kopf.

„Bist du wach?“ fragte er leise.

Law nickte nur etwas, ehe er die Augen endlich öffnete. Aber er sah nicht zu Kid, sondern starrte über seine Brust hinweg ins Leere.

„Wer... war dein erstes Mordopfer?“ fragte er leise. „Und wieso?“

Kid hatte mit der Frage nicht gerechnet. Doch er würde sie ihm beantworten.

„Mein... mein Vater!“ sagte er leise.

„Nachdem er meine Mutter getötet hat... habe ich mit meinen eigenen Händen dafür gesorgt, dass er nie wieder jemandem wehtun kann...!“

Law schockierten Kids Worte, obwohl er, zumindest zum Teil, wusste, was sein Vater ihm angetan hatte. Er hob den Kopf und sah ihn an.

„Du... hast ihn selbst umgebracht?“ Er setzte sich etwas auf, griff nach Kids Hand.

„Was... ist damals passiert, Kid... ich will es wissen.“

Natürlich wollte Law es wissen... und wieso sollte er es ihm jetzt noch verschweigen?

„Es... war an meinem 14ten Geburtstag. Ich habe dir ja erzählt, dass wir schon immer Arm waren. Meine Mutter hat zwar wie verrückt gearbeitet, aber mein Vater hat das ohnehin schon wenige Geld größtenteils versoffen. Mum hat heimlich immer ein wenig weggelegt, dass sie mir und Jake zumindest ab und zu eine Freude machen konnte.“

„Jake?“ fragte Law nach, den Namen hatte er noch nie erwähnt. Kid fiel der Fehler auf.

„Achso... Jake ist mein Halbbruder, von dem ich dir erzählt habe... er lebte damals gerade erst zwei Jahre bei uns... Er war bei einem von Vaters Liebschaften entstanden... er war gerade mal acht... seine Mutter ist bei einem Autounfall gestorben und mein Vater war sein einziger, lebender Verwandter. Ich habe mir damals gewünscht, das Jugendamt hätte auch nur einmal einen Blick darauf geworfen, wo sie ihn hingebracht haben... dann wäre ihm so viel Schlimmes erspart geblieben. Ich habe ihn beschützt, so gut ich konnte... er hat nie auch nur einen Schlag von ihm bekommen. Ich... hab alles auf mich genommen, egal was es war... ich wollte nicht, dass ihm das Gleiche passiert, wie mir... und Mum hat ihn aufgenommen, als wäre er ihr eigener Sohn. Jake konnte für all das ja nicht das Geringste!“

Kid machte eine Pause, es strengte ihn an, das sah Law. Aber seine Taten und Worte beeindruckten ihn. In seinem Herzen war Kid so ein guter Mensch...

„Er hat dich sicher bewundert...“ sagte Law sanft. Kid lächelte.

„Ich... glaube schon... aber er hatte so viel Angst... er hatte vorher ein wunderschönes Leben bei seiner Mutter... und dann wurde er in diese Hölle geschickt.“ Kid schmerzte es, wenn er daran zurück dachte... mehr als es seine Wunden taten.

„An meinem Geburtstag war gerade der erste Jahrmarkt in der Stadt. Jake wollte so gerne hin... ich auch... und meine Mutter erfüllte uns diesen Wunsch. Wir hatten nicht genug Geld, um jedes Karussell zu fahren, aber wir bekamen Zuckerwatte, durften Dosen werfen und Riesenrad fahren. Wir hatten unglaublich Spaß und vor allem Jakes Augen strahlten zum ersten Mal seit Jahren wieder.“ Erneut pausierte Kid, lächelte traurig. Die Gedanken an früher wühlten ihn auf.

„Als.. wir heim kamen wartete mein Vater da... Er saß auf dem Sofa und starrte uns nur an. Meine Mum schickte uns hoch, aber ich wollte nicht gehen... Ich hatte Angst um sie. Jake klammerte sich an mich, als mein Vater aufstand und auf meine Mutter zuging. Er fragte sie, was die Scheiße sollte... und dass er keine Kohle mehr für Alk hatte, die hätten wir ja gerade verprasst. Ich weiß nicht mehr, was sie geantwortet hat, aber von einer Sekunde zur nächsten, begann er zu schreien... er ging auf sie los... Meine Mum wich zurück, als er sie das erste Mal schlug, doch der zweite Schlag, traf sie so hart, dass sie stürzte.“

Kids Stimme begann zu zittern, seine Hand ebenso... Law griff danach, um ihm Halt zu geben.

„Sie... sie fiel auf den Glastisch im Wohnzimmer... der Tisch zerbrach unter ihr und sie schlug mit dem Kopf auf die Ecke des Metallgestells...!“ Kid schluckte, sein Atem beschleunigte immer mehr. Die Aufregung war Gift für seinen verletzten Körper, aber Law konnte ihn jetzt nicht mehr stoppen.

„Ich bin zu ihr gerannt... Jake schrie, weinte... doch ich hatte nur Augen für sie... ich kniete mich neben sie, rief ihren Namen... doch sie rührte sich nicht mehr. Sie war sofort tot. Mein Vater stand daneben... ich glaube, er war in dem Moment selbst geschockt über das, was er getan hatte... aber das war mir völlig egal. In mir stieg eine Wut auf, die ich bis dahin noch nie gespürt hatte... ich hatte so unendlich viel Hass auf diesen Mann, der mir irgendwie Kraft verliehen hat. Ich griff einen der Glassplitter... Er schnitt mir ins Fleisch, aber ich spürte keinen Schmerz. Ich spürte nur Wut, als ich auf ihn losging und ihm die Scherbe in den Hals rammte.“

Law erinnerte sich an die Narbe in Kids linker Handinnenfläche. Man sah sie zwar gerade durch den Verband nicht, aber eine neue würde auf dem Handrücken dazu kommen.

„Mein Vater strauchelte... er fiel rückwärts auf den Boden, direkt vor Jake, der sich in eine Ecke gekauert hatte. Er hielt sich die blutende Wunde, rang nach Luft... aber ich konnte nicht stoppen... ich... war in meinem ersten Blutrausch. Ich ging nochmal auf ihn los, beugte mich über ihn und stach zu... immer und immer wieder... ich glaube mein Vater war schon nach dem ersten Stich tot, aber ich hörte nicht auf... bis mich jemand an den Schultern packte und von ihm wegzog.“

Law konnte sich sofort denken, wer das gewesen war.

„Es war Killer... er wollte mich eigentlich nur abholen, um meinen Geburtstag ‚richtig‘ zu feiern, doch er lief in ein Blutbad. Er zog mich von ihm weg, in seine Arme und sprach beruhigend auf mich ein... Ich weiß nicht, wie lange es gedauert hat, aber irgendwann drang wieder das weinen von Jake an meine Ohren. Als mein Bick wieder klar wurde, sah ich ihn in die Ecke gekauert sitzen, weinend und völlig verstört... Als ich auf ihn zugehen wollte, um ihn zu trösten und in den Arm zu nehmen, da... wich er vor mir zurück... er hatte furchtbare Angst vor mir...! Dieses Bild werde ich nie vergessen...“

Kid griff fester in Laws Hand.

„Killer war wohl der einzige, der bei Verstand war. Er zog mich weg von ihm... ich wollte Jake nicht alleine lassen, aber wenn die Polizei kam, würden sie mich festnehmen... Ich hatte schon damals ein langes Vorstrafenregister... mehrfache Körperverletzung, Diebstahl, Brandstiftung... all solche Sachen, wofür ich aber aufgrund meines Alters nie in den Knast musste. Aber wenn jetzt auch noch Mord dazu kam, wusste ich, sie würden mir die Notwehr nicht abnehmen, sondern vielleicht sogar noch den Tod von beiden mir zuschreiben. Also bin ich geflohen... Killer hat mich verarztet und erstmal versteckt... aus den Zeitungen habe ich entnommen, dass sie Jake irgendwann gefunden und in seelische Betreuung gegeben haben... ich denke, er kam danach ins Heim oder in eine Pflegefamilie, aber ich habe ihn nie wieder gesehen. Ich hingegen wurde als mordendes, psychopathisches Kind in den Berichten dargestellt... wenn... wenn auch nur einer gewusst hätte, was ER mir in meinem Leben angetan hat, dann...“ Kid pausierte kurz und seufzte leise. „Aber es interessierte niemanden. Sie sahen nur, was sie sehen wollten. Ich bin ein paar Monate später mit Killers Hilfe nach Japan geflohen, aber... den Blutrausch habe ich nie vergessen... es hatte sich gut angefühlt... mächtig irgendwie. Ich habe niemals bereut, ihn getötet zu haben. Ich habe nur bereut, dass ich es nicht viel früher getan habe, um Mum das Leben zu retten!“

Law hielt Kids Hand noch immer in der seinen... er wusste zwar noch immer nicht, wie er zu seinem ersten Auftragsmord gekommen war, aber... er wusste jetzt, wieso er diesen wohl angenommen hatte.

„Ich habe mich die ganze Zeit gefragt, was einen so... liebenswerten Menschen wie dich, dazu gebracht hat, Menschen für Geld zu töten... aber ich verstehe es jetzt. Du bist nur zu dem geworden, was die Menschen in dir gesehen haben... genau wie ich.“ Sagte er leise und sah auf ihre verschlungenen Hände.

Kid atmete schwer, sah aber dennoch hoch zu Law. Er konnte seinen Blick nicht deuten... hatte ihn die Geschichte seiner Vergangenheit abgeschreckt?

„Aber... Killer hat Unrecht! Deine Vergangenheit hat dich zu dem gemacht, der du heute bist... wir beide können unsere Taten nicht ungeschehen machen, aber... wir können nochmal neu anfangen, wenn wir das wirklich wollen. Vielleicht nicht hier, und vielleicht auch nicht in Amerika, aber... irgendwo gibt es auch für uns einen Ort, an dem wir... einfach leben können... Kid, du... du bist kein schlechter Mensch! Im Gegenteil... du bist ein wunderbarer Mensch! Du hast deinen Bruder beschützt... du hast deine Mutter schützen wollen... und du willst mich und Killer schützen. Du kämpfst für das, was du liebst. Du bist nicht das Monster, als das dich die Medien darstellen... und für mich... bist du der Held in der goldenen Rüstung, der mir zu Hilfe eilte!“ sagte Law sanft und sah in die traurigen, schmerzerfüllten Augen des anderen.

„Law, ich...“ Kid fehlten die richtigen Worte... oder hatte er einfach nur Angst, sie auszusprechen?

„Ich... will mit dir neu anfangen...!“ Es war das, was er sich bisher nicht hatte eingestehen wollen, aber... der gestrige, wunderschöne Abend hatte ihm gezeigt, wie sehr er doch genau das wollte.

Law erstaunten Kids Worte, wo er sich doch genau das noch vor kurzem nicht hatte vorstellen können. Aber zeitgleich machten sie ihn auch unendlich glücklich, denn Law wünschte sich nichts mehr. Er beugte sich zu ihm, küsste ihn nochmal sanft.

„Dann werden wir das... sobald wir hier weg sind!“ hauchte er leise flüsternd.

Kid erwiderte den kurzen Kuss, lächelte danach.

„Okay...!“ hauchte Kid. „Ich... ahh...!“ Er kniff plötzlich die Augen zusammen, eine Welle des Schmerzes kam über ihn und er ließ Laws Hand los, legte sie an seine Rippen.

„Fuck... es wird... wieder schlimmer...!“ keuchte er angestrengt.

Law stand sofort von Bett auf.

„Ich gebe dir nochmal Schmerzmittel...!“ sagte er der gelernte Arzt und ging zum Medikamententisch. Er zog erneut eine Spritze auf, dieses Mal gab er auch, ohne Kids Wissen, etwas Beruhigungsmittel dazu. Nur eine geringe Dosis, aber er war sich sicher, Kid konnte es gebrauchen.

„Schließ die Augen!“ sagte er sanft, bevor er sich umdrehte. Kid tat es, er wollte die Spritze einfach nicht sehen, obwohl er Law mehr als jedem anderen vertraute.

„So, schon fertig...!“ hauchte Law und gab ihm noch einen sanften Kuss, ehe er das medizinische Werkzeug wieder weglegte.

„Du solltest dich jetzt wieder hinlegen... und etwas ausruhen.“

Kid öffnete nach dem Kuss wieder die Augen, sah Law müde an und nickte.

„Ja, ist... vielleicht besser...!“ sagte er leise.

„Okay!“

Law half Kid wieder, sich aufzusetzen, auch wenn das kurzzeitig für ihn wieder schmerzhaft war. Er beeilte sich, die Kissen wieder wegzunehmen und nur das zum Schlafen nochmal aufzuschütteln. Vorsichtig ließ er ihn dann wieder zurück ins Kissen sinken, sodass sein verletzter Freund wieder flach auf dem Rücken lag.

„So okay?“ fragte er sanft, als er sich auch wieder neben ihn sinken ließ. Kid nickte etwas, zog Law in seinen Arm. Er wollte ihn bei sich spüren.

„Ja, es geht schon... ich bin sicher, das Schmerzmittel wirkt bald!“

Law nickte.

„Das wird es...!“ sagte er leise, ohne Kid anzusehen. Er legte seine Hand auf seinen Bauch, streichelte ihn etwas. „Danke, dass du mir das alles erzählt hast... aber... darf ich dir noch eine Frage stellen?“

Kid hatte die Augen bereits geschlossen gehabt, öffnete sie aber nochmal.

„Alles, was du willst!“

Law zögerte kurz, aber wenn nicht jetzt, wann dann?

„War... es auch dein Vater, der dich... missbraucht hat?“

Kid hatte auch mit dieser Frage keineswegs gerechnet... er verkrampfte sich. Aber er hatte Law gesagt, er könne alles Fragen... also musste er auch antworten.

„J-ja...!“ antwortete Kid nur leise. Law spürte seine Anspannung.

„Wie lange... musstest du das ertragen?“ fragte er weiter.

Wieder zögerte Kid, schloss die Augen. Vor seinem inneren Auge sah er die schrecklichen Bilder der Vergangenheit wieder... den ekelhaften Keller, in dem er es meistens getan hatte. Das widerliche Sofa, über das er ihn gelegt hatte... und die Peitsche, mit der er ihn geschlagen hatte.

„Seit... ich neun war... bis zu seinem Tod...!“ sagte er mit zitternder Stimme leise. „L-Law... Ich... ich kann nicht...!“

Kid öffnete wieder die Augen und sah seinen Freund gequält an.

„Ich kann... darüber einfach nicht sprechen...!“

Law sah zu Kid. Das Leid in seinen Augen war kaum zu ertragen. Er strich ihm über die Wange, beugte sich zu ihm und küsste ihn sanft.

„Tut mir Leid... Es tut mir alles so Leid, was du ertragen musstest... Und dass ich gefragt habe! Du musst nie wieder darüber reden, versprochen!“ sagte er sanft. Mehr wollte Law, wenn er ehrlich war, auch gar nicht wissen. Er wusste selbst ganz genau, wie es sich anfühlte. Er war zwar kein Kind mehr gewesen, als der Don sich das erste Mal an ihm vergangen hatte... aber auch er ertrug diese Grausamkeit schon seit Jahren. Er konnte sich in etwa vorstellen, wie es sich für den jungen Kid angefühlt hatte.

„Ruh dich jetzt aus... ich bleibe bei dir!“ hauchte Law sanft.

Kid nickte, schloss wieder die Augen. Doch wirklich Ruhe fanden seine Gedanken nicht... er dachte an früher... wie man sich an ihm vergangen hatte... und dann an Law, der das noch immer ertragen musste.

„Was ist... wenn er kommt?“ fragte er nach zehn Minuten Stille.

„Was meinst du?“ fragte Law und sah wieder in Kids Gesicht, der aber noch immer die Augen geschlossen hatte.

„Wenn... er kommt... und du liegst in meinem Arm, dann... bringt er uns um...!“ Kid sprach langsam, angestrengt... das Beruhigungsmittel schien zu wirken.

„Ich... ich will dich aber nicht alleine lassen, Kid... wenn du mich brauchst, dann...“

„...dann rufe ich dich...!“ beendete Kid den Satz und öffnete doch nochmal die schläfrigen Augen.

„Ich... penn doch eh fast... ich... will dich bei mir, aber... wir wissen nicht, wann er kommt... wenn wir beide einschlafen, dann... wachen wir vielleicht nicht mehr auf... Nur für heute Abend... solltest du vielleicht lieber... rüber gehen...!“

Law setzte sich bereits auf, sah unglücklich runter zu Kid. Er hatte wohl Recht. Aber es fiel ihm so unendlich schwer, ihn jetzt alleine zu lassen. Vor allem, nachdem er ihm seine aufwühlende Vergangenheit erzählt hatte. Er beugte sich nochmal zu ihm runter, küsste ihn zärtlich und strich ihm über die Wange.

„Wenn irgendwas ist, dann... rufst du mich, ja? Dein Handy liegt da auch, ich mache meins auf Laut. Zögere bitte nicht, weil du denkst, ich schlafe, okay? Versprich es mir!“

„Ich... verspreche es... ich rufe dich, wenn ich dich brauche, aber... du kommst auch zu mir, wenn du mich brauchst, okay?“

Law lächelte und nickte etwas, küsste Kid nochmal.

„Versprochen!“ sagte er sanft, ehe er sich löste. Er deckte Kid richtig zu, stellte ihm noch ein frisches Wasser auf den Nachttisch, ehe er ihm noch einen Kuss gab und zur Tür ging.

„Schlaf gut...!“ hauchte er sanft, ehe er den Raum verließ und den verletzten Kid alleine zurück ließ.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück