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Bissspuren

von

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Böses Erwachen. (Laws POV)

Es gibt die unterschiedlichsten Menschen auf der Welt und so verschieden die Menschen, so verschieden sind auch ihre Gewohnheiten. Sie geben uns eine gewisse Konstanz im Leben, eine Geradlinigkeit und Ordnung.
 

Dass sich von einem Tag auf den nächsten meine persönliche Ordnung komplett auf den Kopf stellen soll, ahne ich nicht, denn noch schlafe ich tief.
 

Es ist schon ungewöhnlich, dass ich so rasch einschlafen konnte. Und ich hätte auch weitergeschlafen, hätte mich nicht auf einmal etwas grob im Gesicht getroffen.

Ein schlaftrunkenes Knurren verlässt dumpf meine Lippen, als ich mir den Störfaktor wirsch aus dem Gesicht schiebe. Mein Körper ist durchaus bereit es dabei zu belassen und einfach die seltene Gelegenheit auf wirklich erholsamen Schlaf zu nutzen. Die tiefen und gleichmäßigen Atemzüge neben mir lullen mich förmlich ein.
 

Moment mal...?!
 

Von einer Sekunde zur nächsten bin ich hellwach, öffne meine Augen und sehe durch die nächtliche Finsternis die Siluette eines Mannes, der mir so nahe ist, dass sein deutlich alkoholisierter Atem mein Gesicht leicht streift. Sein Haar sieht durchwühlt aus und es könnte seine kräftige Hand sein, die ich mir soeben aus dem Gesicht geschoben habe und die nun zwischen uns liegt. In der Luft hängt außer seiner Fahne der Geruch von Eisen.
 

Mich beschleicht eine dunkle Vorahnung, in wessen Gesellschaft ich mich gerade befinden könnte und dass auch ich viel zu tief ins Glas geschaut haben muss. Und eigentlich wundert es mich nicht im Geringsten, dass Derjenige meine Situation und die damit einhergehende Schwäche für sich zu nutzen wusste. Erlaubt er sich gerade einen dummen Scherz mit mir?

Ähnlich sehen würde es ihm allemal.
 

Mein Blick schweift von der Gestalt neben mir ab und so langsam und so lautlos wie nur möglich richte ich mich im Bett auf. Und während ich möglichst leise die Decke anhebe, stelle ich zu meinem Entsetzen fest, dass ich keinerlei Kleidung an mir trage. Und so halte ich zumindest für diesen Moment inne und versuche im Eilverfahren meine Gedanken zu ordnen.
 

Unweigerlich betrachte ich nochmal -so gut es eben durch die Dunkelheit geht- den schlafenden Mann neben mir.

Was genau ist bloß passiert? Weswegen fällt es mir so schwer, die Ereignisse, die mich in diese Situation brachten, zu rekonstruieren? Wo genau befinde ich mich eigentlich gerade? Etwa auf seinem Schiff? ...Bin ich in seiner Kajüte?
 

Ein tiefes Brummen reißt mich aus meinen Gedanken und als der Mann neben mir seinen Kopf ein wenig aus dem Kissen dreht, bleiben keine Zweifel mehr, denn ich erkenne nun deutlich und eigentlich weniger überraschend Eustass Kid persönlich, der im gleichen Moment schlafenderweise die Decke ein wenig höher zieht.

Doch eine andere Erkenntnis trifft mich viel härter. Ich befinde mich aktuell nackt neben ihm in einem Bett.
 

Ich muss fort, denn mit Sicherheit möchte ich mir das Szenario nicht geben, wenn dieser Typ wieder aufwacht.

So klettere ich mit so viel Vorsicht wie möglich über ihn hinweg und stolpere beinahe bei meinem ersten Bodenkontakt über etwas, was sich zu meinem Glück als Kleidung herausstellt.

Und es handelt sich hierbei nicht nur um meine Kleidung, sodass ich davon ausgehe, dass Eustass ebenfalls nackt ist. Um Himmels Willen! Was war denn los?!

Dass ich so Einiges getrunken haben muss, habe ich bereits durch meine mangelhafte Koordination bemerkt. Gewöhlich hält sich mein Alkoholkonsum in überschaubaren Grenzen und genau jetzt könnte ich mich selbst dafür ohrfeigen, dass ich wohl dieses Mal eine Ausnahme gemacht haben muss.
 

Hektisch taste ich nach meiner Kleidung und habe zum Glück schnell meine Hose samt Unterwäsche gefunden und schlüpfe hinein. Bald habe ich auch meinen Pullover und ziehe mir diesen über den Kopf und steige als nächstes in meinen linken Schuh. Während dessen werfe ich immer wieder prüfende Blicke in Richtung des anderen Kapitäns, um sicherzustellen, dass dieser weiterhin brav seinen Rausch ausschläft und bloß nicht aufwacht, bevor ich das Weite gesucht habe.
 

Gerade als ich das rechte Gegenstück anziehen möchte, merke ich im letzten Moment einen leichten Widerstand an meinem Fuß und kann keine Sekunde später den hellen Klang von Glas hören, das auf die Holzdielen schlägt.

Unbewusst halte ich die Luft an und halte angespannt inne. Mein Herz schlägt merkbar hart gegen meine Brust, während das umgestoßene Objekt fröhlich über den Boden kullert.
 

Gleichzeitig kommt auch Regung in Eustass, sodass nicht mehr dazu komme, meinen zweiten Schuh anzuziehen, sondern nurnoch zusehe, dass ich so schnell wie nur möglich hier raus komme.
 

Eilig husche ich durch die Tür und finde mich auf einem spärlich beleutetem Gang wieder, dessen Lichtquelle eine einzelne Öllampe an dessen Ende darstellt. Ein leise geflüstertes „Shambles“ genügt, um meinen Standort mit dem des kleinen Lichts zu tauschen. Dann ziehe ich mir endlich meinen Schuh an und stehe als nächstes auf dem Deck der Kid-Piraten, wo mir ein rauer Wind ins Gesicht schlägt. Es ist eine kühle Nacht.
 

Zu meiner Erleichterung kann ich hier promt Niemanden entdecken, der es für nötig hält, das Schiff nachts zu bewachen und kann mich so unbemerkt davonstehlen.
 

***
 

Zugegebenermaßen dauert es einen Augenblick, bis ich mich orientieren kann, stelle dann aber zu meiner Erleichterung fest, dass ich es nicht weit haben würde, bis ich mein Schiff erreiche und so bin ich nach knapp einer halben Stunde an Deck meines U-Boots, auf dem mir Penguin heiter zuwinkt und als nächstes auf mich zukommt. Zumindest bis er in seiner Bewegung einfriert. Doch ich ignoriere seinen irritierten Blick. Im Gegensatz zu Eustass’ Trinkergemeinschaft wissen meine Männer, dass ich es unter keinen Umständen dulde, das Schiff nachts unbewacht zu lassen.
 

Da ich gerade aber wirklich nichts sehnlicher als meine Ruhe möchte, hebe ich nur knapp angebunden zur Begrüßung meinen Arm und verschwinde dann ohne den etwas verstört dreinblickenden Penguin weitere Beachtung zu schenken, unter Deck. Irgendwie geht das gerade auch an mir vorbei, denn ich habe ganz andere Sorgen. Zum Beispiel, dass auch nach meinem eher unfreiwilligem nächtlichen Spaziergang immer noch so viele ungeklärte Fragen in meinem Kopf nach Antworten suchen.
 

Als ich die Tür zu meiner Kajüte öffne, brennt in dieser unerwarteterweise Licht und zwei große, dunkle und nasse Augen treffen direkt auf meine.
 

"Captain, ich konnte nicht schlafen, weil ich nicht wusste, wo du bist“, erklärt mir mein Bär, noch bevor ich überhaupt die Tür schließen oder gar fragen kann, warum er hier ungefragterweise vor meinem Bett rumlungert.
 

Und gerade als ich die Tür geschlossen habe und sagen will, dass er hier nichts verloren hat und ich jetzt Ruhe brauche, schneidet mir mein bester Freund das Wort ab.

"Law, was ist dir passiert?!“, fragt er mich nun mit einem unverständlich schockiertem Ausdruck, so ähnlich wie der, den ich eben auch schon bei Penguin sah und bei diesem einfach abtat. Abgesehen davon spricht mich Bepo mit meinem Vornamen an. -Wie ungewöhnlich.
 

Verständnislos blicken ihm meine grauen Augen entgegen, der Rest meines Gesichts zeigt aber keine Regung. Ich schüttle nur fahrig den Kopf und trete weiter in den Raum ein. Unter strikter Beobachtung durch zwei dunkle Knopfaugen ziehe ich mir zuerst die Schuhe aus und stelle diese neben die Tür.
 

Bei jeder einzelnen meiner Bewegungen spüre ich die Blicke meines Vizen auf mir haften, bis ich mich wieder direkt zu ihm drehe, tief durchatme, erneut zum Sprechen ansetze, als er mir erneut zuvorkommt.
 

"Du siehst wirklich nicht gut aus. Soll ich mich um dich kümmern? Und wo ist dein Hut?“, wird er nun deutlicher und bewegt sich im selben Moment schon besorgt auf mich zu.
 

Die anderen Worte ausblendend, friere ich kurz in meiner Bewegung ein. Verflucht!! Ich habe meinen Hut...
 

Doch weiter komme ich mit meinen Gedanken nicht, da mein Blick als nächstes in den Spiegel fällt.
 

Das Bild, was sich mir bietet, wirkt auf mich selbst eigenartig fremd und ich halte für einen Moment inne, blende sogar Bepos Anwesenheit aus, der genauso wie ich in seinen Bewegungen erstarrt und zu ahnen scheint, dass ich gerade nicht bei mir selbst bin.
 

Langsam erwache ich aus meiner Starre und schreite wie in Trance langsam etwas näher auf den Spiegel zu, hebe langsam meine rechte Hand und lege behutsam meine kühlen Finger an meinen Hals.
 

Ich kann nicht sagen, wie lange ich in dieser Position verharrt habe, aber in dem Augenblick, in dem Bepo merkbar scheu einen Schritt auf mich zugehen möchte, erhebe ich das erste Mal das Wort.
 

"Bepo, ich möchte alleine sein und ich will außerdem unter keinen Umständen gestört werden“, höre ich meine Stimme etwas kratzig die Stille zwischen uns brechen. Mein Augenmerk richtet sich in der Spiegelung auf Bepo. Ich kann es ihm ansehen. Er will mich SO nicht alleine lassen. Doch da es mir fern liegt, hier irgendwelche Diskussionen zu führen, ergänze ich leise, aber unmissverständlich: "Das ist ein Befehl.“
 

Nicht ohne noch einmal einen betrübten Blick in meine Richtung zu werfen, tappst mein Bär langsam und mit nach unten hängendem Kopf aus meiner Kajüte und in genau diesem Moment, in dem die Tür endlich ins Schloss fällt, fällt augenblicklich meine Fassade.
 

Mein Spiegelbild zeigt mir pechschwarzes, zerwühltes Haar, das mir unordentlich ins Gesicht fällt. Die Schatten unter meinen Augen sind für meine Verhältnisse vollkommen normal, der fiebrige Glanz in meinen Augen allerdings nicht. Ich muss gesoffen haben wie ein Loch.

Eine ganze Weile tue ich nichts weiter, als mir selbst in die Augen zu starren.
 

Einen tiefen Atemzug später betrachte ich deutliche dunkelblau verfärbte Stellen, die mir geradezu von meiner Haut hervorstechen, genauso wie eine Spur von verschmiertem Rot und fahre mit meinem Zeigefinger sachte darüber. Den Kragen meines Pullovers verschiebe ich mit einer bösen Vorahnung etwas, sodass ich mein Schlüsselbein betrachten kann und bei dem Anblick, der sich mir dadurch bietet, verlässt ein angefressenes Knurren meine Kehle. Der elende Bastard hat mich gebissen. Und zeitgleich zieht in mir ein Sturm auf, aus den unterschiedlichsten Gefühlen, die ich nicht zuordnen kann und die eigentlich absolut paradox sind.
 

Für einen Moment schließe ich meine Augen, atme erneut tief durch und versuche mein inneres Chaos zu ordnen. Das muss ein verdammter Alptraum sein.
 

Erst als ich meinen Pullover mit einer ruckartigen Bewegung über meinen Kopf gezogen habe, wage ich es, meine Augen wieder zu öffnen. Der Anblick, der sich mir nun auf meinem Oberkörper bietet, komplettiert das skurrile Bild.
 

Hier und da zieren mal mehr, mal weniger stark ausgeprägte Hämatome meine Haut und seitlich an meinem Becken entlang stechen fast animalische Kratzspuren rot hervor. Prüfend drehe ich mich vor dem Spiegel und bin tatsächlich weniger überrascht, als sich diese Kratzspuren auch auf Teilen meines unteren Rückens fortsetzen.
 

Mit einem letzten „Tzz“ wende ich mich schließlich mit gereiztem Blick gänzlich vom Spiegelbild ab, als könne es etwas für meine aktuelle Verfassung und verschwinde ins Bad. Ein Kleidungsstück nach dem anderen landet auf dem Weg dorthin auf dem Fußboden, so ganz entgegen meiner üblichen Gewohnheiten. Doch das soll das geringere Übel sein, im Gegensatz zu den Dingen, die ich mir in den vergangenen zwölf Stunden sonst geleistet habe. -Bin ich wahnsinnig geworden?!
 

***
 

Geduscht fand ich schlussendlich meinen Weg in die Laken. Meine Kajüte ist wieder aufgeräumt, als ich das Licht lösche, doch in mir herrscht das Chaos.
 

Das letzte, was ich vernehmen kann, bevor der Schlaf mich endlich holt, ist mein schmerzender Kopf, ekelhafte Übelkeit und mein kräftig schlagendes Herz.
 

***

Der ungebetene Gast. (Kids POV)

Eine durchzechte Nacht ist für Niemanden auf dem Schiff etwas Unbekanntes, keiner von uns kippt nach einem Gläschen Schnaps schon aus den Latschen. Man kann gut und gerne behaupten, wir sind eine äußerst trinkfeste Mannschaft. Doch nun kommt das 'Aber'. Trinkfest hin oder her, diesmal habe selbst ich es dezent übertrieben und die Betonung liegt auf 'dezent'!
 

Außerdem musste ich gestehen, die letzten Stunden betreffend hatte mein Plan anders ausgesehen. Man konnte mir vieles nachsagen, aber nicht den Vorsatz mich hinzusetzen und aus Langeweile irgendjemanden abzufüllen. Daran würde ich zu schnell die Lust verlieren.
 

Was konnte ich denn dafür, wenn der Kerl nichts vertrug? Das stand Niemandem in großen Lettern auf der Stirn geschrieben! Außerdem war er erwachsen und konnte selbst entscheiden, wann genug war. Man hätte auf meine Sticheleien ja nicht eingehen brauchen. Das Glas hatte er sich selbst an die Lippen geführt und das Feuerwasser hinunter gekippt.
 

Genauso gut hätte er mir an den Kopf knallen können, dass ein Trinkspiel eine schwachsinnige Idee wäre, aber so etwas zu mir passen würde. So viel zu dem Thema, ich hatte es dezent übertrieben. Wieso sonst sollte ich auf die Idee kommen, ausgerechnet mit Trafalgar Law meine Bar zu plündern?
 

Wir konnten uns eigentlich noch nie ausstehen, aber für mich und meine Crew hatte es einen Grund zu Feiern gegeben! Damit nähere ich mich langsam auch der Erklärung, was der andere Käpt'n auf meinem Schiff, in meiner Kajüte und in meinem Bett zu suchen hatte.
 

***
 

Vor unseren Halt an dieser Insel hatten meine Männer und ich einen Heidenspaß gehabt, was für ein Gemetzel. -Einfach herrlich! So etwas konnte mir tatsächlich den Tag versüßen, meine schlechte Laune war schnell passé, egal dass wir dabei selbst etwas abbekommen hatten, -besonders der schiffseigene Quacksalber.
 

In meinen Augen war das Alles nicht sonderlich schlimm. Was einen nicht umbrachte, machte einen nur härter. Aber Killer war da anderer Meinung gewesen und hat so das Schiff verlassen.
 

Wir kannten uns gut und lange genug, dass er sich denken konnte wie begeistert ich von dieser Aktion war, mir irgendeinen daher gelaufenen Kurpfuscher aufs Schiff zu schleppen. Er tat es trotzdem. Killer war der einzige aus der Crew, auf den ich irgendwie hörte. Das lag wohl nicht zuletzt daran, dass sich der Kerl nicht scheute, mir kräftig in den Arsch zu treten.
 

Und was machte er? -Schleppte mir den anderen Käpt'n aufs Schiff! Hätte ich es nicht dem Rest meiner Crew gleich getan und mir keine Flasche aus der Bar geschnappt, ich hätte alle beide hochkant wieder von Bord geworfen.

Noch immer würde Killer mir Rede und Antwort stehen müssen, was ihn da geritten hatte, ausgerechnet Trafalgar Law anzuschleppen. Und mit ‚Zufall genutzt, wenn man schon auf der gleichen Insel Halt macht und sich über den Weg läuft’, braucht er mir nicht kommen!
 

Trotz des Alkohols, der sich langsam aber sicher bemerkbar gemacht hatte, entkam meiner Kehle ein unzufriedenes Knurren, während ich unserem 'Gast' freundlicherweise ein Glas Whisky in die Hand drückte und mich danach auf die nächste Sitzgelegenheit fallen ließ.
 

Als mein Blick zum gefühlt fünften Mal auf das unberührte Glas gefallen war, bildete sich ohne mein bewusstes Zutun ein spöttisches Grinsen auf meinen Lippen. Meine Mundwinkel zuckten ganz von alleine in die Höhe, genau wie die Sticheleien wie von selbst meinen Mund verließen.
 

„Was ist los, Trafalgar? So etwas Gutes bekommst du so schnell nicht noch einmal vorgesetzt.“

Er hatte daraufhin nur seinen Kopf kaum merklich schief gelegt.
 

„Angst, dass ich dich vergiften könnte? Das wäre zu langweilig.“

Seine Reaktion darauf? -Bloß ein herablassendes Hochziehen seiner Augenbraue.
 

„Oder verträgst du nichts und kippst mir nach dem kleinen Gläschen schon vom Stuhl?“

Das brachte mir mal zumindest ein Schnauben ein. Ach, fast vergaß ich das entnervte Augenrollen.
 

Vielleicht war es auch mein darauf folgendes dunkles, rauchiges Lachen, was ihn dazu veranlasst hatte, endlich dieses scheiß Glas zu nehmen und zu trinken.
 

Eigentlich war mir der Grund egal, ich hätte so oder so meinen Spaß gehabt und letztendlich hatten wir die Flasche gemeinsam geköpft, auch wenn der Großteil auf mein Konto ging.
 

An allem was danach in meiner Kajüte passierte, gebe ich den Unmengen an Alkohol die Schuld. Irgendwie jedenfalls.

Würde man mich Fragen, was ich von Trafalgar hielte, wäre die Antwort einfach. -Nichts. Ich mochte den Kerl einfach nicht.
 

Aber umso länger das paar bernsteinfarbener Augen auf ihm lag, schlich sich der Gedanke in meinen Kopf, dass die Person mir gegenüber nicht ganz uninteressant war. Trotz dessen, dass ich ihn nicht ausstehen konnte, wie ich fürs Protokoll nochmal erwähnen möchte.
 

***
 

Es geschieht nur selten, dass ich wegen einem Geräusch in meiner Kajüte aufwache. Es ist halt keiner so lebensmüde und traut sich zu uns aufs Schiff, egal ob meine Männer Nachtwache halten oder nicht. Selbst im Halbschlaf könnte ich der Person, die es doch wagen sollte, versichern, nicht mit heiler Haut davon zu kommen.
 

Wenn mich das über den Boden rollende Glas nicht aufgeweckt hätte, dann hätte es spätestens die Tür getan, die soeben zurück ins Schloss gefallen ist.
 

Zu dieser sehe ich mit einem halb geöffneten Auge herüber, den Kopf jedoch entspannt weiter auf dem Kissen gebettet.

Es braucht einen kurzen Augenblick, doch dann fällt mir wieder ein, wer da eben regelrecht geflohen ist. Achso, Trafalgar ist also niemand, der zum Frühstück bleibt. Was für eine nette Information. So muss ich mich wenigstens morgen Früh nicht mit ihm herumschlagen, wobei ich nur zu gerne sein Gesicht gesehen hätte.
 

Sich in meinem Bett wiederzufinden. Splitterfasernackt. Die Kleidung kreuz und quer über den Boden verteilt. Und nicht nur das...
 

Mit einem wachsenden dreckigen Grinsen auf den Lippen, drehe ich mich auf die linke Seite, vergrabe mein Gesicht im Kissen und schließe zufrieden meine Augen. Das jedoch nicht ohne ein leises raues Lachen. Ich hatte nichts gegen das Szenario, nachdem Trafalgar zu tief ins Glas gesehen hatte, doch der sieht das wahrscheinlich anders. Aber kümmert es mich? -Nein.
 

Selbst wenn er sich nicht mehr ganz zusammenreimen könnte, was für einen Spaß wir doch hatten, ganz ohne uns dabei gegenseitig die Köpfe einzuschlagen, -ein Blick in den Spiegel sollte reichen, um in ihm den Wunsch aufkeimen zu lassen, mir den Hals umzudrehen. Alleine der Gedanke an Trafalgars mögliche Reaktion amüsiert mich königlich.
 

Die weiche warme Haut seiner Halsbeuge war auch zu verlockend. Wer hätte da widerstehen können? Dann gab es eben mittendrin die eine oder andere Bisstelle. Ich bin eben nicht für mein gefühlvolles und sanftes Wesen bekannt.

Vielleicht entdecke man ja noch mehr als das, groß darauf geachtet habe ich nicht. Vielmehr sind mir andere Bilder in Erinnerung geblieben, die ab jetzt nur mir gehören.
 

Und im Augenblick muss ich sagen, ist mir herzlich egal, was der andere Käpt'n treibt. Ich für meinen Teil werde jetzt weiter schlafen. Schließlich genieße ich den Vorteil, nicht erst zu meinem Schiff zurück laufen zu müssen.
 

***
 

Das nächste Mal als ich die Augen aufschlage, ist es schon hell. Deswegen ziehe ich mir auch verschlafen knurrend die Decke über den Kopf. Der Alkohol ist dann doch nicht ganz spurlos an mir vorbeigegangen und ich hoffe, dass ich nicht der Einzige bin, der mit einem dumpfen Pochen hinter der Stirn aufgewacht ist.
 

Ein, zwei Minuten bleibe ich noch in meinem Bett liegen, richte mich dann aber auf und schwinge die Beine über die Bettkante. Nachdem ich mich ausgiebig gestreckt habe, fahre ich mir mit der Hand übers Gesicht und lasse dann meine müden Augen über den Boden wandern, auf dem noch immer meine Kleidung achtlos verstreut liegt. Wieder zucken meine Mundwinkel amüsiert in die Höhe, ehe ein Klopfen an der Tür meine Aufmerksamkeit auf sich zieht.
 

„Kid, schwing deinen Arsch aus dem Bett. Katerfrühstück.“, dringt Killers Stimme durch die dunkle Holztüre, gefolgt von Schritten, die sich den Gang von meiner Kajüte fort bewegen. So etwas kann sich auch nur dieser Kerl leisten, ohne gleich mit dem Schlimmsten rechnen zu müssen.
 

Schließlich erhebe ich mich, ziehe meine Hose an und entdecke dabei den Übeltäter, der mich vor ein paar Stunden geweckt hat. Das Glas war nicht zersprungen, es hatte offenbar nur seinen Spaß dabei gehabt, einmal halb durch meine Kajüte zu kullern.

Einen Moment lang drehe ich das Glas in meiner Hand und betrachte es, stelle es dann aber kopfschüttelnd auf dem Tisch zu meiner rechten ab und suche meine Boots zusammen. Was ich dabei jedoch halb versteckt unter dem Tisch finde, an dem Trafalgar und ich zuletzt getrunken haben, bringt mich zum lachen.
 

„Na sieh einer an. Der hatte es wohl eiliger als ich dachte, um hier weg zu kommen.“, spreche ich grinsend zu mir selbst, während ich mich aufrichte und einen nur allzu gut bekannten Hut unter dem Tisch hervorzaubere.
 

Den würde der Gute wohl vermissen, aber einen Teufel würde ich tun und ihm das Teil hinterher tragen. Wenn er seinen Hut wieder haben will, dann darf er sich schon selbst hier her bequemen.
 

Mit einer Schulter zuckend, werfe ich das Teil aufs Bett und fahre mir mit den Fingern durch mein ungebändigtes Haar, egal das dies vergebene Mühe ist. Diese rote Haarpracht machte was es wollte, eben wie dessen Besitzer.
 

Für meine Crew überraschend gut gelaunt, geselle ich mich zu ihnen und merke dabei, wie Heat einen kurzen Blick hinter mich riskiert, sich dann aber seinem Teller wieder zuwendet.

Achso. Man hat also bemerkt, dass unser ‚hoher Besuch’ nicht so schnell verschwunden war.
 

Dann merke ich auch Killers abwartenden Blick auf mir ruhen.

„Ist anscheinend nicht der Typ für ein gemeinsames Frühstück danach.“ Nur zu deutlich ist Belustigung aus meinen Worten herauszuhören. Es ist nicht so, als würde hier irgendwer einen Hehl daraus machen, wenn sich mal eine flüchtige Bekanntschaft aufs Schiff verirrt. Nur handelt es sich dabei für gewöhnlich nicht um andere Piratenkapitäne. Erst recht nicht um diesen Piratenkapitän.

Nein, das ist mal wirklich etwas Neues.
 

***

Der Wahrheit ein Stück näher. (Laws POV)

Schlaftrunken und desorientiert suchen meine Augen am nächsten Morgen den Wecker. 14:21 Uhr. Verdammt...

Mich nur langsam aufrichtend und absolut nicht bereit für Irgendwas treibt mich mein Pflichtgefühl aus dem Bett.

Und auch nach einigen Minuten auf der Bettkante ist weder meine Laune erheblich gestiegen, noch meine Motivation auf jegliche Aktivität.
 

Trotzdem stehe ich auf und auf meinem Weg ins angrenzende Bad fällt mir eine kleine Papiertüte ins Auge.

Ach ja, -gestern war ich ja in der Stadt, um auf dem Markt einzukaufen. Allerdings nicht etwa alleine oder auch in Begleitung von Bepo. Nein...
 

Woran ich mich nämlich zu meinem Leidwesen im Gegensatz zu allem anderen natürlich hervorragend erinnern kann, ist dass mein Allianzpartner ein bekanntermaßen distanzloses Wesen hat und mir gefühlt über die halbe Insel gefolgt ist, auf der ich die ein oder andere Besorgung tätigen wollte.
 

Selbsterklärend bin ich zu fast nichts gekommen. Das wusste Luffy auf wundersame Art und Weise am laufenden Band durch irgendwelche unnötigen Aktionen zu vereiteln. Und ich kann mich auch gut an meine nervliche Verfassung erinnern, in der mich schließlich der Vize der Kid-Piraten erwischte.
 

„Hey Trafalgar!“
 

Der Typ hatte mir auch gerade noch zu meinem Glück gefehlt. In meiner Weltanschauung ist er die Ruhe vor dem Sturm. Wo der auftaucht, ist Stress eher früher als später vorprogrammiert.
 

Er sah uns quer über den Marktplatz und kam mit schnellen Schritten direkt auf uns zu, sodass ich das Weitergehen einstellte und auch Luffy neben mir Halt machte. Mein angepisster Blick sagte wohl alles, als er mir letztendlich gegenüberstand. Ganz anders als mein Allianzpartner, der neben mir gut aufgelegt ein riesiges Eis in sich reingestopft hatte. Ich selbst habe es ihm ausgegeben, ein moderater Preis für einen Moment Sendepause.
 

„Trafalgar, ich möchte nur mit dir sprechen. Ich habe ein Anliegen und bin wirklich nicht auf Stress aus“, eröffnete mir der blonde Maskenmann eher vorsichtig. Gut für ihn, dass er meinen Ausdruck zu deuten wusste.

Es ist auch nicht so, als hätten wir uns das erste Mal gegenübergestanden. Bei Weitem nicht.

Der ’große’ Eustass Captain Kid und seine Freakshow waren mir von zahlreichen Aufeinandertreffen wohlbekannt.
 

Wäre es ein anderes seiner Crewmitglieder gewesen, hätte ich dem sicherlich kein Gehör geschenkt. In meinen Augen war der Massakersoldat Killer so etwas wie der Aufseher in dieser Irrenanstalt.
 

„Ja, ich höre...?“

Inzwischen weiß ich es besser. Ich hätte gehen sollen. Allerdings habe ich genau das nicht getan. Nein, stattdessen hatte ich mein Gegenüber abwartend gemustert.

Killers Gesichtsausdruck konnte ich zwar nicht sehen, jedoch verriet mir die Art, wie er kurz inne gehalten hatte, dass er nicht unbedingt damit rechnete, dass ich mich so schnell auf diese Unterhaltung einlassen würde. Es war offensichtlich, dass er kurz mit sich selbst gerungen hatte.
 

Hatte Eustass ihn etwa nicht geschickt? Wie interessant.
 

„Wir haben Verletzte an Board. Unser Schiffsarzt ist k.o. Wärst du dazu bereit, dir die Verwundeten anzusehen und zu behandeln, wenn das notwendig ist?“, schilderte er die Situation kurz und bündig, ganz die Art, die ich zu schätzen weiß.
 

Allerdings wurde mir jetzt auch klar, woher der Wind wehte und weshalb man sich erst dazu hatte durchringen müssen, mich das zu fragen. Das Ganze hörte sich viel zu vernünftig an, als dass es eine Anordnung seines Kapitäns sein könnte. Im Gegenteil. Der hatte seinen Vizen mit zweifelloser Sicherheit nicht in die Stadt geschickt, um einen Arzt aufzutreiben. Gewiss hielt es jemand wie Eustass Kid für ein Eingestehen von Schwäche, Kränkung des Stolzes oder unmännlich, jemanden um Hilfe zu bitten.
 

Erstmal habe ich garnichts erwidert, sondern zog nur eine Augenbraue in die Höhe, den Blick nicht von meinem Gegenüber abwendend.

Innerlich hatte ich die Situation abgewogen. Aber umso mehr ich darüber nachdachte, desto mehr konnte ich dem Ganzen abgewinnen. Kurz zuckte einer meiner Mundwinkel amüsiert nach oben. Der Typ vor mir musste echt verzweifelt sein.
 

Letztendlich richtete ich das Wort an meinen Begleiter und so hatte ich ihm die Tüte mit den unvollständigen Besorgungen in die Hand gedrückt. Der hatte jedoch nur verdutzt seinen Kopf schief gelegt und mich mit einem seiner geistesleeren Blicke bedacht.

„Mugiwara-ya, bring du bitte schonmal die Sachen an Board meines Schiffes. Gib sie einfach Bepo. Machst du das?“
 

Augenblicklich war es wieder da. Dieses allgegenwärtige strahlende Grinsen. Ich nahm mal an, dass der Grund dafür die Überzeugung gewesen ist, was für ein gutherziger Mensch doch in mir schlummerte, weil ich dazu bereit war, die Kid-Piraten zusammenzuflicken, wo es doch sonst niemand getan hätte.
 

Als ich dann mit Killer mitgegangen bin, konnte ich ihm dann doch anmerken, dass er wohl so seine Zweifel hatte, ob das tatsächlich eine seiner besten Ideen gewesen ist. Doch das kümmerte mich nicht.

Für meinen Teil konnte ich so mehrere Fliegen mit einer Klappe schlagen. Luffy hatte wirklich meine Nerven strapaziert, ja. Doch mir war im Endeffekt klar, dass es dies niemals mit der Absicht tat, mich bewusst zu provozieren und ja, ich gebe es zu. Ich schätze ihn auch.

Das mochten wohl auch Gründe dafür sein, weswegen ich so einige Albernheiten einfach immer und immer wieder hinnehmen würde. Jedoch war der wohl ausschlaggebendste Grund, dass jeglicher Widerstand bei ihm absolut zwecklos ist und es mich am Ende nur noch mehr aufregen würde, gegen eine immerzu gut gelaunte Wand anzudiskutieren.

Monkey D. Luffy ist vollkommen immun gegen meine schlechte Laune. -Und eben den bin ich in diesem Moment losgeworden.
 

So ergab sich mir jetzt die Gelegenheit, all meinen über den Tag angesammelten Frust bei Eustass loszuwerden. Der war zweifelsohne für soetwas empfänglich und sein angefressenes Gesicht zu sehen bei der Tatsache, dass sein eigener Vize ausgerechnet mich mit auf seinen Seelenverkäufer schleppen würde, um seine lädierte Mannschaft zu verarzten, könnte meinen Tag dann doch um einiges aufwerten. So war das jedenfalls ursprünglich geplant.
 

Nachdem wir relativ zügig das fremde Schiff erreicht hatten, führte mich Killer zunächst zu dem besagten Schiffsarzt, dem ich eine gebrochene Schulter repositionierte und diverse kleinere und größere Wunden nähte.

Die gesamte Prozedur spielte sich selbstverständlich unter Killers wachsamen Augen ab. Es hätte mich auch sehr gewundert, wenn nicht. Danach behandelte ich noch zwei weitere mäßig- bis schwerverletzte Crewmitglieder.

Dabei ist mir natürlich nicht entgangen, wie sehr das medizinische Equipment nach einer Überholung schrie. Wohlbemerkt, das Equipment, das es hier überhaupt gab. Darüber konnte ich nur den Kopf schütteln.

Daran kann ich mich noch gut erinnern und ich weiß auch noch, was als nächstes folgte.
 

Mein blonder Beobachter atmete schwer durch, ehe er mich auf den Gang rausbedeutete.

„Kid hat es auch erwischt. Der hat ziemlich stark die Seite entlang geblutet. Kannst dir sicher denken, dass er nicht gerade begeistert sein wird... Mir ist klar, was du von Kid hältst und ich rechne es dir hoch an, dass du bedingungslos mitgegangen bist. Bitte behandle ihn noch. Ich verspreche dir, dass ich dir einen Gefallen erwidere. Ebenso bedingungslos.“

Und so ein Gefallen konnte in unserer Welt viel wert sein.
 

Killer ist vor einer schweren Holztür stehen geblieben, hinter der ein Gewirr aus Stimmen und klirrenden Gläsern dumpf hervortraten. Kurz hat er vor der Tür halt gemacht, drehte sich dann nochmal zu mir um, seufzte schwer und trat dann mit mir im Schlepptau hinein. Hier war ich also. In der Höhle des Löwen.
 

Mein Blick hatte einmal quer den Raum durchmessen. Gleichzeitig zog ich mit meinem Gastauftritt in Eustass Kids hauseigener Spelunke die Blicke aller Anwesenden auf mich, während mein Augenmerk auf dem Kapitän dieses Schiffes lag. Wo sonst hätte er es sich bequem machen sollen, wenn nicht in der Mitte des Raumes?

Auf eben jenen Kapitän ist der Maskierte auch promt zugegangen und redete kurz auf ihn ein. Worum es da ging, konnte man sich ja schnell zusammenreimen.
 

Bald darauf drehte er sich wieder in meine Richtung und bedeutete mir mit einer Handbewegung nun näherzukommen.

Meiner Erwartung entsprechend, hatte Eustass auch alles andere als glücklich über meinen Besuch ausgesehen.

Aber dennoch hielt ihn das nicht davon ab mir ein Glas in die Hand zu drücken. Dem Geruch nach zu urteilen ein Glas voll mit Whisky, das ich als nächstes auf dem Platz gegenüber dem anderen Kapitän abgestellt habe. Widerwillig hatte ich den Stuhl zurückgezogen und Platz genommen.
 

Mein Blick richtete sich auf mein Gegenüber und eigentlich hätte mir auch klar sein sollen, dass genau dieser Jemand, der abwechselnd mich und das Glas vor mir anvisiert hatte, nicht im Traum auf die Idee gekömmen wäre, so ganz ohne Drama einfach meine Behandlung über sich ergehen zu lassen oder überhaupt irgendwelche Anstalten in diese Richtung zu machen.

Sowas Bescheuertes. Möglicherweise war ein Schluck Whisky für den Moment doch die bessere Alternative als jetzt und hier einen Streit anzuzetteln. Man beachte nur all die Blicke seiner abgerichteten 'Wachhunde'.
 

Mir war in dem Moment wirklich nicht bewusst, wohin mich das noch führen sollte und das war innerhalb meiner Erinnerungen dann auch so ziemlich die letzte Sequenz, die ich noch vollkommen lückenlos nachvollziehen kann und die für mich irgendeinen Sinn ergibt.
 

***
 

Der wohlbekannte Geruch des Desinfektionsmittels steigt unmittelbar in meine Nase, als ich zunächst die Bisswunde an meinem Schlüsselbein und anschließend die doch überraschend tiefen Kratzer an meinem Becken behandle. Gewiss besteht absolut kein Interesse daran, dauerhafte Spuren dieser Nacht an meiner Haut mit mir herumzutragen. Also habe ich mich nach meinem morgendlichen Waschritual vor den Spiegel gestellt, mir Handschuhe übergestriffen und tunke den nun den Tupfer immer wieder in die sterile Flüssigkeit ein.
 

Schließlich fahre ich seicht mit dem Zeigefinger Eustass’ Bissspuren entlang, folge mit meinen grauen Augen jedem Millimeter meiner lädierten Haut. Es brennt. Doch nicht etwa unter meinem Finger, sondern tief in mir. Ein Gefühl, das ich nicht so recht zuordnen kann und das Stück für Stück mehr Raum fordert, umso länger mein Blick auf den Spuren der letzten Nacht liegen.

Also schließe ich die Augen, in der Hoffnung, dass diese Unruhe in mir vorübergeht. Jedoch...
 

***
 

...sehe ich im Zwielicht Eustass’ Siluette, die sich sicher durch den mir unbekannten Raum bewegt, bis er stehen bleibt und sich mir nach dem vertrauten Geräusch eines aufflackernden Streichholzes offenbart, wo er mich hingeführt hat.

Mein Gegenüber steht an einem massiven Schreibtisch, über den er sich beugt, um die Öllampe auf einem hohen Regalbrett abzustellen. Auf der mit Tintenflecken bespickten Tischplatte liegen kreuz und quer allerhand Stifte, so etwas wie ein Logbuch und einige Skizzen, die ich von meinem Standort aus nur schemenhaft erkennen kann. In der Ecke steht ein Sessel, den man durch ein riesiges Durcheinander aus unzähligen Kleidungsstücken und verschiedenen Waffen kaum als solchen identifizieren kann und an der anderen Wand steht ein Bett, auf das mein Gastgeber nun seinen schweren Mantel wirft.
 

„Setz dich, Doktor“, grinst er mir entgegen und deutet mir hinüber zur Couch, die direkt unter einem Bullauge platziert ist. Vor ihr steht ein kleiner hölzener Tisch, auf den Eustass nun sein Glas abstellt.
 

„Von wegen ‚Behandlungszimmer’, verlässt es mürrisch meine Lippen und doch ziehe ich die Tür zu, deren Klinke ich die ganze Zeit über in der Hand behalten habe und bewege mich dann langsamen Schrittes auf den anderen Piraten zu. Jetzt wo er seinen Mantel ausgezogen hatte, wandert mein Blick wie durch magische Anziehungskraft auf seine großflächige Wunde, die sich einmal von seinem seitlichen Brustkorb bis knapp über seinen Beckenknochen erstreckt.
 

„Hm, Killer hat nicht untertrieben“, sage ich mehr zu mir selbst und verfolge interessiert dem Wundverlauf und beuge mich etwas vor, nachdem ich neben Eustass stehen geblieben bin.

Ich richte mich wieder auf, sehe direkt in hellbraune Augen, die mir wachsam entgegen blitzen. „Jetzt lass mich das behandeln.“
 

„Bist du immer so pflichtbewusst, Doktor? Dein ewiges Vernünftigsein ist echt unerträglich.“ Eustass verdreht offensiv die Augen, geht rüber zur Couch und lässt sich schwerfällig und laut seufzend auf diese fallen.

„Wann willst du mal zur Abwechslung Spaß haben?“
 

„Vielleicht sehen wir die Welt einfach aus zu unterschiedlichen Augen. Ich bin gerne Arzt. Die Medizin macht mir Spaß“, lautete meine schlichte Antwort. Dass ich mich überhaupt auf so eine Unterhaltung einlasse, hatte ich wohl dem Whisky zu verdanken.
 

Doch irgendwas änderte sich an Eustass’ Haltung. Normal wäre jetzt irgendein unqualifizierter Kommentar aus seiner Richtung oder ein unangemessener Spruch unter die Gürtellinie. Stattdessen verlässt aber ein so unerwartet entwaffnendes leises Lachen seine Lippen. „Du hast echt seltsame Hobbies, Trafalgar.“

Damit hatte er wahrscheinlich gar nicht mal so Unrecht.
 

Vorerst habe ich also tatsächlich aufgegeben und mich mit meinem halbvollen Glas zu ihm gesetzt. So oder so würde ihn seine Behandlung erwarten. Selbstredend ohne Betäubung, das machte das Alles ja erst spannend. Es reizte mich schon, ich gebe es ja zu. Doch man sollte es sich ja denken können. Der Name Chirurg des Todes ist bestimmt kein Ausdruck der Nächstenliebe. Vielmehr unterstreicht er meinen leichten Hang zum Sadismus.

„Du hast ja keine Ahnung wie seltsam, Eustass-ya“...
 

***
 

Ein lautes Geräusch an Deck reißt mich unvermittelt aus meiner Gedankenflut. Der unmittelbare Blick auf die Uhr verrät mir, wie spät es in der Zwischenzeit schon geworden ist. Ich nehme mir im Vorbeigehen einen Pullover, ziehe ihn mir beim Verlassen des Badezimmers über und befinde es für das beste, heute auch mal nach einem Schal zu greifen. Bloß der automatisierte Griff nach meinem Hut geht ins Leere. Fluchend greife ich nach meinem Nodachi , verlasse ich meine Kajüte und schlage den Weg nach Draußen ein.
 

Später würde ich noch genügend Zeit haben, mir über all die Ereignisse der letzten Nacht den Kopf zu zerbrechen.
 

Hätte mir Jemand gesagt, dass Eustass Kid und ich eines Tages gemeinschaftlich in seiner Kajüte abhängen würden und über Gott und die Welt redeten, hätte ich diesem Jemand Unzurechnungsfähigkeit diagnostiziert.

Zu meiner Schande ändert es aber nichts an den Tatsachen. Irgendwie hatte ich mich wohl gefühlt bei ihm.

Der Morgen danach. (Kids POV)

Kaum nachdem ich mich am Tisch niedergelassen hatte, stellt man mir auch schon im Vorbeigehen besagtes 'Katerfrühstück' unter die Nase. Katerfrühstück... was ich nicht lache.

Diese Bezeichnung ist einfach nur ein kleiner Seitenhieb von Killer, wenn ich es in seinen Augen wieder einmal übertrieben habe.
 

Aber hey, mir geht es soweit gut. Ich kann mich prächtig auf den Beinen halten, mich hat es auf dem Weg hier her nicht auf die Schnauze gehauen und einen Eimer brauche ich auch nicht. Dieses dumpfe Pochen hinter meiner Stirn ist nicht der Rede Wert. Außerdem war ich allgemein schon immer hart im Nehmen. Sollte ich mich mal hinstellen und von Schmerzen sprechen, wäre ein anderer daran schon längst verreckt.
 

„Was hast du dir eigentlich dabei gedacht, mir ausgerechnet Trafalgar aufs Schiff zu holen?“

Aus dem Augenwinkel sehe ich zu meiner Rechten, wo Killer sitzt und sich bislang noch in Schweigen hüllt. Sicher hat er schon vermutet, dass ich ihn früher oder später deswegen zusammenfalte. Zumindest verbal.
 

„Du erinnerst dich? Ich war schon dagegen, dass du überhaupt so einen wurstfingrigen Quacksalber anschleppst. Und was machst du?! Du bringst ausgerechnet diesen Kerl! Das darf ich mir jetzt sicher ewig anhören. Am Ende bildet der sich noch ein, dass ich ihm etwas schuldig bin.“

Ein Knurren verlässt meine Kehle bei diesem Gedanken. Das schmeckte mir nicht. Ganz und gar nicht.

„Nur über meine Leiche.“ Diesmal rollt ein leiseres Brummen über meine Lippen, während ich mich dem Essen zuwende. „Komm’ bloß nicht noch einmal auf so eine beschissene Idee, dann fliegt ihr beide hochkant ins Meer.“
 

Killer, der bis eben geschwiegen und sich geduldig mein Maulen angehört hatte, schüttelt darüber nur den Kopf.

Und ich kann mir schon denken, was als nächstes kommen würde.

Obwohl er zu meiner Mannschaft gehört und nicht weniger brutal oder kaltblütig ist wie ich, war er schon immer so etwas wie meine Vernunft. Nur saß er nicht mit Heiligenschein auf meiner Schulter und flüsterte mir ins Ohr.
 

Meine Vernunft steht neben mir, verpasst mir Kopfnüsse oder auch mal einen kräftigen Tritt in den Arsch, wenn es sein muss und machte ansonsten sein Ding. Mit besten Absichten für die Crew und deren Käpt'n.
 

„Du weißt genauso gut wie ich, dass unser Arzt k.o war und selbst medizinische Versorgung gebraucht hat. Sonst hätten wir uns bald einen Neuen suchen können, Kid. Dich hatte diesmal auch jemand zusammenflicken müssen. Mit Aussitzen wärst du nicht weit gekommen.“

Der Kerl ist wie immer die Ruhe in Person während er spricht, auch wenn ich ihm auf seine letzten Worte nur einen finsteren Blick zuwerfe. Und als ich bereits den Mund öffne, um ihm etwas entgegenzubringen, ist Killer schneller: „Und ich denke, so unrecht ist dir Trafalgars Anwesenheit gar nicht gewesen. Ihr scheint euch noch bestens amüsiert zu haben und wir brauchen uns keine Sorgen darum machen, dass uns der Käpt'n verreckt.“
 

Touché.

Meinen Spaß habe ich tatsächlich noch gehabt, egal dass ich mir niemals gedacht hätte, dieses Wort mit dem anderen Käpt'n jemals in Verbindung zu bringen.

Vielleicht wäre er mir sogar sympathischer, wenn er keiner dieser verfluchten Weißkittel wäre. Ich hasste Ärzte einfach.

Es hatte nichts mit falschem Stolz zu tun, auf Hilfe angewiesen zu sein oder dass jemand etwas konnte, wovon ich keinen Schimmer habe.
 

Mein Problem liegt darin, sich in die Hände von jemandem zu begeben, dieser Person zu vertrauen. Jedes mal steigt in mir das Gefühl hoch, ausgeliefert zu sein. Nicht die Kontrolle zu haben. Nicht zu wissen, ob alles mit rechten Dingen zugeht oder nicht. Menschen sind auf so vielen Ebenen grausam. Da bilde ich keine seltene Ausnahme. Auch wenn man zu gerne immer mit dem Finger nur auf mich zeigt.
 

Bislang sprang ich noch immer spätestens nach einer Minute von der Liege und ging stiften. Egal, dass ich das ein oder andere Mal eine nette Blutspur hinter mir hergezogen habe und man mir nachwischen musste.

Und bis jetzt war auch Alles so gut wie von alleine wieder verheilt. Unser Schiffspfuscher... Schiffsarzt~ wusste von Minute Eins an, bei mir gibt es nur das Sparprogramm.

Die Mindestanzahl von Stichen -sollten diese von Nöten sein-, schnell einen Verband drum gewickelt. -Das war es.

Zu mehr kam der Gute nie. Es sei denn, mich hatte es so übel erwischt, dass ich vollends weggetreten bin und es nicht mitbekommen hatte.

Zum Glück Aller, wie ich sagen muss.
 

„Das wäre auch ohne Trafalgar verheilt. Wie bis jetzt auch Alles.“

Und das meine ich toternst. Keiner der anderen Anwesenden traut sich, auch nur einen Ton dazu zu sagen. Will ich ihnen auch nicht raten, sich einzumischen und sich am Ende noch auf Killers Seite zu schlagen. Es sind nicht alle so lebensmüde. Oder besser gesagt: Nicht jeder konnte sich die Rechte meines Vizen herausnehmen.
 

„Trotzdem brauchst du nicht nochmal daran denken, ihn hier anzuschleppen.“ Aus dem Augenwinkel sehe ich nur ein resignierendes Kopfschütteln und höre ein leises Seufzen unter der Maske.
 

Wir wissen es beide. Killer würde es wieder tun, sollte er der Meinung sein, dass es das Richtige ist. Auch wissen wir beide, dass ich ihm dafür am liebsten den Hals umdrehen würde, aber es letzten Endes doch nicht tat.
 

Nach dem Frühstück erhebe ich mich kommentarlos und entferne mich mit finsteren Blicken vom Tisch. Auf Gesellschaft habe ich gerade absolut keine Lust.

Das erkennen auch meine Männer und suchen eilig das Weite. Wer keinen Ärger will, der musste lernen, mir aus dem Weg zu gehen. Meine Launen waren auch nicht wirklich schwer zu deuten.
 

Schwerfällig lasse ich mich auf das Sofa in der Ecke des Gemeinschaftsraumes nieder, bette den Kopf auf einem der Kissen und ziehe ein Bein hoch auf die Polster, das andere verbleibt am Boden.

Den Blick richte ich einen Moment lang, so gut es geht, auf meine medizinisch versorgte Seite, wende ihn aber schnell mit gerümpfter Nase ab und sehe hinauf an die Decke.
 

Ich hatte mich tatsächlich von diesem Quacksalber behandeln lassen...

Nicht ein Knurren hatte ich von mir hören lassen. Eigentlich lasse ich so etwas nicht mit mir machen, nicht eine Minute!

Bevor wir die Flasche Whisky gemeinsam geleert hatten, war ich der felsenfesten Meinung, mir nicht mehr als einen Verband anlegen zu lassen. Einfach nur deswegen, weil ich ohne den Alles ansauen würde und so prickelnd fand ich es dann doch nicht, in einem Bett zu pennen, das voller Blut war.
 

Noch immer habe ich den Geruch von Antiseptikum nicht ganz aus der Nase bekommen. Allerdings bin ich mir nicht ganz sicher, ob es nur von der verarzteten Stelle ausgeht, oder ich generell noch etwas von Trafalgars 'Parfüm' mit mir herumschleppe.
 

Es ist mir gestern nicht zum ersten Mal aufgefallen. Der Kerl zog schon immer einen Hauch von Desinfektionsmittel mit sich. Wahrscheinlich reagiere ich deswegen gerne etwas allergisch auf ihn. Ich war nicht gerade der Freund von Ärzten, aber das erwähne ich ja nicht zum ersten Mal.

Wobei ich den Geruch vergangene Nacht nicht so zum Kotzen fand, wie es sonst der Fall war. Aber letzte Nacht war so Einiges anders gewesen.
 

~“Sei schön lieb, ja?“~, hallt plötzlich sein düsteres Flüstern in meinem Kopf wieder. Er hatte langsam den Druck auf meine Brust gelöst, seine Hand gehoben und mir vorsichtig seinen Zeigefinger an die Lippen gelegt. Ich sah in seine grauen Augen... Und tatsächlich blieben mir jegliche Kommentare auf der Zunge liegen. Schlagartig änderte sich die Stimmung. War da eben noch die Geräuschkulisse unserer nicht wirklich ernsthaften Rangelei, weil der pflichtbewusste Doktor einfach nicht kleinbei gegeben hatte und ich natürlich nicht im Traum daran dachte, das wirklich mit mir machen zu lassen.

Der Punkt ging an Trafalgar.
 

Wie er es bewerkstelligt hatte, mich rücklings auf die Bretter meines Schreibtisches zu befördern, ist mir aber noch immer schleierhaft. Und eigentlich hätte ich ihn alleine für diesen rotzfrechen Satz einfach so ins Meer werfen sollen. Aber ich habe nichts Dergleichen getan.
 

Ich bin 'lieb' gewesen. Ich war...brav. Gebissen hatte ich erst viel später und genau dieser Gedanke lässt einen kurzen Augenblick lang meine Mundwinkel nach oben zucken... Doch dann fällt mir wieder ein, weswegen ich liegen geblieben bin.
 

Trafalgars Gesichtsausdruck.
 

Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich ihn noch nie so eingehend beobachtet, wie ich es vor Stunden getan hatte. In genau diesem Moment war ich gefesselt von seinem Anblick.

Er zog alleine durch die Art, wie er mich angesehen hatte, unweigerlich mein Interesse auf sich. Ich bin artig liegen geblieben. Das schaffte bisher noch Niemand.
 

Faszination? Kann man das so nennen? Oder besser, kann ich das so nennen?

Egal, damit will ich gar nicht erst anfangen, bei dem Gedanken stellen sich mir die Nackenhärchen auf und es schüttelt mich fast.
 

„Wie du weißt, hat mich ~dein Vize~ darum gebeten, dich zu behandeln. Offenbar ist er nämlich der Annahme, dass du noch zu retten bist“, stichelte Trafalgar nicht das erste Mal an diesem Abend mit der Tatsache, dass meine Leute ganz offensichtlich vergessen haben, wer hier das sagen hat.

Und weil der Doktor das so witzig fand, blitzten mir kurz seine schneeweißen Eckzähne entgegen. Denn er hatte gegrinst. Ein ganz netter Anblick, der mir ohne all den Whisky sicherlich verwährt geblieben wäre.
 

Allem Anschein nach hatte der Wunderdoktor außerdem auch noch ein Talent fürs Gedankenlesen. Warum sonst hätte er mich direkt danach fragen sollen: „Denkst du wirklich es war deine klügste Idee, gerade Denjenigen, der deine Verletzungen versorgen soll, mit Alkohol abzufüllen, Eustass-ya?“
 

Ein Einwand, der mich zunächst missmutig meine Brauen zusammenziehen ließ. Naja, zumindest bis ich schnaubend und irgendwie gleichgültig mit den Schultern gezuckt habe.

Es war ja nicht so, als hätte Trafalgar alleine gesoffen. Wir hatten Quatern gespielt und irgendwie war der Doktor darin gar nicht mal so schlecht. Und das Gesöff hatte ganze Arbeit geleistet. Denn für den Moment konnte ich mich mit meiner Situation ganz gut abfinden.
 

Und die Behandlung war auszuhalten gewesen. Ich hatte schon schlimmere Schmerzen empfunden. Das hatte mich nicht mal ein Zucken mit der Wimper gekostet. Aber zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich Trafalgar wirklich so etwas wie Vertrauen entgegengebracht hatte. -Ausgerechnet diesem Kerl!
 

Ich hatte ihn in Ruhe arbeiten lassen und mich erst bewegt, nachdem er fertig gewesen ist. Zuerst wollte ich darauf bestehen, bei dem, was er da machte, zuzusehen. Doch ich blieb weiterhin still und hatte mich kampflos damit zufrieden gegeben, statt der Behandlung ihn zu beobachten. Jede kleine Regung hatte ich verfolgt. So konzentriert hatte ich ihn bis dato nicht erlebt und jetzt komme ich nochmal auf den Punkt von vorhin zurück.

Seine Art hatte mich irgendwie fasziniert.

Eine Bezeichnung, die niemals meine Lippen verlassen würde! Verdammt, bloß nicht!
 

Ich hatte mich nur so lange ruhig verhalten, bis das letzte Pflaster benutzt worden ist, er vom Stuhl aufgestanden war und seine Handschuhe auszog.

Danach stand ich auf. Auf Trafalgar ruhten ab diesem Punkt die Augen eines Raubtiers. Zielstrebig bin ich auf ihn zugegangen und drückte ihn wenig liebevoll mit einem Scheppern gegen die nächste Wand.
 

Was mich letztendlich dazu bewegt hatte, ihn zu küssen, kann ich jetzt nicht mehr genau sagen.

Aber ich wollte es in diesem Moment... so sehr.

Und wenn ich Eines gelernt hatte, dann war es nicht danach zu fragen, sondern es mir einfach zu nehmen.
 

Wahrscheinlich war es ein Zusammenspiel mehrerer Faktoren und zum Glück hatte er mitgemacht. So würde ich mir von ihm bei unserem nächsten Treffen wohl keinen Schwachsinn anhören müssen.

Wenn doch, dann würde ich ihn liebend gerne an weitere Details erinnern, welche ihm wohl etwas weniger gefallen dürften.
 

***
 

Irgendwann bequemt sich dann Killer zu mir. Auch andere aus der Crew schließen sich bald an, setzen sich zu uns. Es wird sich ausgelassen unterhalten.
 

Um mich zu besänftigen, da man ja meine Ruhe störte, stellt man mir kommentarlos ein befülltes Glas hin, ganz egal dass ich erst letzte Nacht ein wenig zu tief ins Glas gesehen hatte. Aber wer waren sie auch, um mir etwas vorzuschreiben? Meine Mutter?

Man sorgte hier vielmehr dafür, dass ich nicht eine Sekunde auf dem Trockenen saß.
 

Schließlich wird es mir hier zu bunt und auch das dumpfe Pochen hinter meiner Stirn ist zurückgekehrt. Daran könnte der erneute Alkoholkonsum sicher nicht ganz unschuldig sein. Murrend und nicht gerade gut gelaunt, hiefe ich mich von der Couch hoch und kassiere dabei einen auffälligen Seitenblick von Killer, der mich aber gerade nicht weiter interessiert.
 

Auf dem Weg zur Tür hebe ich den Arm, wobei meine goldenen Armreifen für meinen Geschmack viel zu laut klimpern. Ich verziehe leise knurrend das Gesicht und fasse ich mir flüchtig an die linke Schläfe.

Eine Dusche sollte mir dabei helfen können, den Geruch von Antiseptikum aus der Nase zu bekommen und den Kopf frei zu kriegen.
 

***

Der Besuch des Doktors. (Killers POV)

Es besteht ein großer Unterschied darin, Jemanden zu kennen oder Jemanden wirklich zu verstehen.
 

Bei Kid ist das so eine Sache für sich.
 

Bei seinen Launen könnte man annehmen, es gibt in seiner Welt nur Schwarz oder Weiß.

Denn er macht auch wirklich kein Geheimnis daraus, ob er gut oder schlecht drauf ist, wann man sich ihm gefahrlos nähern kann und wann man ihm besser aus dem Weg gehen sollte. Dazwischen scheint es auf den ersten Blick Nichts zu geben.

Und die Übergänge sind fließend, seine Stimmungswechsel oft unberechenbar.

Wer ihm jemals begegnet ist, kennt mit Sicherheit keine launischere Person als ihn.

Mit seiner rauen Art schüchtert er erfolgreich die Menschen in seinem Umfeld ein. Das schließt selbst seine eigene Crew nicht aus.

Gerade weil sie Kid kennen, wissen sie es besser, ihn nicht zu verärgern. Unser Käpt’n ist niemand, der für seine Güte bekannt wäre. Nein. Kid kann gnadenlos sein.

Und mit diesem Wissen halten unsere Leute brav Abstand, sollte in seinem Blick das kleinste Anzeichen eines Unwetters aufziehen. Es könnte ja ein Sturm aufziehen. Und das will man nicht erleben.
 

Es gibt da aber eine seltene Sorte Menschen, die in Kids Weltordnung einen besonderen Status genießen. Von dieser seltenen Spezies lässt er sich so Einiges mehr gefallen, während er bei anderen schon längst ausgerastet wäre.

In diesen auserwählten Kreis zähle auch ich.
 

Wir kennen uns lange und ziemlich gut. Diese Bindung basiert auf gegenseitigem Respekt und aufrichtiger Anerkennung.

Ich verstehe Kid.
 

Irgendwo hatte ich zwar meine begründeten Zweifel hinsichtlich meiner Entscheidung, den anderen Käpt’n aus der Stadt aufzugabeln. Trotzdem tat ich es.
 

Es gibt Dinge auf der Welt, die man einfach nicht hinterfragt. Zum Beispiel die Ebene, auf der sich mein bester Freund und Trafalgar Law verstehen.

Denn nicht nur ich habe meinen Status bei Kid.

Aus unerklärlichen Gründen genießt der verrückte Doktor diesen nämlich auch.

Für all die Sprüche, die er Kid im Laufe der Zeit schon reingedrückt hatte, hätten andere schon viel Blut gelassen.

Deshalb hat es mich auch nicht unbedingt verwundert, dass Trafalgars Anwesenheit auf unserem Schiff kurioserweise geduldet wurde. –Wenn auch zunächst zähneknirschend.
 

***
 

„Du bist wahnsinnig geworden...oder?“, hatte mir Wire zugeraunt, als ich mich nach einer kurzen Unterredung mit Kid auf dem Barhocker neben ihm niedergelassen hatte. Aus dem Augenwinkel konnte ich beobachten, wie auch Heat skeptisch seinen Kopf schief gelegt hatte, bevor er ebenfalls interessiert hinüber sah, was der Käpt’n denn nun mit dem Neuankömmling veranstalten würde.
 

„Der Käpt’n braucht einen Arzt. Trafalgar ist Arzt“, lautete meine schlichte Antwort. Ende der Durchsage.

Mir ist schon vor dem Betreten der Schiffsbar völlig klar gewesen, dass ein Elfmeter für diese Entscheidung folgen würde. Doch damit konnte ich mich besser abfinden, als wenn am Ende eine hässlich infizierte Wunde meinen besten Freund dahinraffen würde.
 

Zur Überraschung aller anderen Anwesenden ist es bis auf die üblichen Sticheleien am Tisch in der Mitte friedlich geblieben, sodass sich, bis auf meine wachsamen Augen, jeder wieder seinem eigenen Kram gewidmet hatte.
 

***
 

Wer sich auf ein Trinkspiel mit Eustass Kid einließ, der wusste es wahrscheinlich nicht besser. Und eigentlich hätte ich dem Doktor nach zwei Whisky dann doch noch genug Zurechnungsfähigkeit zugemutet, um entschieden Nein zu sagen. Das tat er aber nicht.
 

So hatte Kid lautstark sein Glas in die Mitte des abgerockten Holztisches gestellt, eingeschenkt und dann eine 100-Berry-Münze aus seiner Hosentasche gekramt.

„Komm, lass’ uns Quatern!“
 

Quatern...?“ Das despektierliche Hochziehen seiner Augenbraue war man von dem ehemaligen Samurai ja durchaus gewohnt.
 

„Du musst die Münze auf den Tisch werfen. Titscht sie von da aus ins Glas, trinke ich es auf ex. Fällt die Münze auf den Tisch, passiert gar nix. Fällt sie auf den Boden, trinkst du das auf ex. Wir werfen im Wechsel.“
 

„Ganz schön stumpfsinnig. Passt zu dir, Eustass-ya.“
 

In vielen Fällen wäre jetzt ein Todesurteil gefallen. Allerdings hatte es Kid in diesem Falle bei einem dunklen Lachen belassen und Trafalgar die Münze provokant ins Gesicht geschnippst.
 

***
 

Umso später die Stunde und feucht fröhlicher die Stimmung, desto lauter wurde es. So war es immer.

Und auch ich hatte mich dem ein oder anderen Drink gewidmet, sodass ich nicht mitbekommen hatte, was dazu führte, dass Kid und Trafalgar irgendwann die geleerte Flasche zurückgelassen hatten und mit den Gläsern in der Hand sichtlich angetrunken durch die Tür verschwunden sind.
 

***
 

Die Art, wie Kid sich von der Couch hochrappelt, kann man wohl gut und gerne als schwerfällig bezeichnen. Mein Augenmerk ist ausschließlich auf ihn gerichtet, wartend auf ein Zeichen, das mir bedeutet, mit ihm mitzukommen. Doch das bleibt aus. Dabei hätte ich ihn in einem ruhigen Moment schon fragen wollen, was genau in ihn gefahren ist, ausgerechnet Trafalgar Law zu vögeln.

Doch so wie gestern Nacht sehe ich auch jetzt die schwere Holztür zuschlagen, durch die Kid gerade verschwand.
 

***



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Kommentare zu dieser Fanfic (3)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Katsumi-Youko
2022-01-28T14:47:35+00:00 28.01.2022 15:47
Hey ho...
Zwei Jahre sind eine sehr lange Zeit, deswegen meine Frage, planst du noch weiter zu schreiben?
Ich würde gern wissen wie es weiter geht?

Gruß Youko
Von:  KaffeeFee
2020-04-25T19:48:12+00:00 25.04.2020 21:48
Interessante Sichtweisen ;)

Kid ist genial getroffen! Wie er die Nacht Revue passieren lässt... ich hatte die ganze Zeit ein Grinsen im Gesicht.
Auch Killer's Sicht gefällt mir sehr gut. Ich finde es immer interessant, auch mal die Sicht eines Dritten zu lesen.

Ich würde mich freuen, wenn es weiter geht. Hast mich so ein bisschen angefixt xD
bis dahin, koffeinhaltige Grüße, die KaffeeFee
Von:  Katsumi-Youko
2020-01-01T17:26:26+00:00 01.01.2020 18:26
Nice... Ja den Gedanken von killer kann ich verstehen... Alles in allem sehr lustig geschrieben... Freu mich auf mehr... Das kann nur gut werden, bei der Vorarbeit...

Lg Youko


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