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Sternenmeer

Weihnachten woanders
von

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Erinnerungen der Sterne

Die Oma hatte wirklich nichts dagegen, dass die ganze Familie zu Weihnachten vorbei kam. Von der Idee, die Erinnerungen und was Lys in ihrem Garten entdecken würde, auf den Sternen festzuhalten, war sie ebenfalls angetan und half mit wo sie konnte. Auch, wenn das Mädchen es nicht für möglich gehalten hatte, erhielt jeder Stern eine Erinnerung, ein Bild, einen Gedanken, einen Geruch oder einen Geschmack.
 

Die Ankunft an Omas Haus, das so ganz anders aussah als das Zuhause der Familie, blieb in einem Stern. Wie es halb in einem Hügel saß, wie das Dach unter einer Decke Moos hervor lugte. Dass es nicht ganz klar war, wo die Wände anfingen und wo der Hügel aufhörte. Ganz besonders aber behielt der Stern die Weihnachtsdekoration in Erinnerung, die das Haus zierte. Auf dem weichen Schnee rollten Christbaumkugeln herum, die sich anscheinend mächtig damit amüsierten, winzige Schneekugeln nacheinander zu werfen. Die Eiszapfen, die von verschiedenen Vorsprüngen am Hügel oder dem Dach glitzerten, mündeten in kleinen Sternchen, die ihr Licht sanft über alles in ihrer unmittelbaren Umgebung verteilten. Es sah beinahe so aus, als würden diese Lichtlein sich auch in dem Eis spiegeln, in ihm wohnen oder dort eine kleine Familie sitzen haben.

Die Bäume um das Haus waren durch einen eigenen Stern repräsentiert. Sie hatten nicht nur wunderschöne Lichterketten, die sich zwischen den Ästen versteckten, sondern auch eine ganz eigene magische Besonderheit: Wenn man sich zu ihnen wandte, und niemand in der Nähe war, beugten sie sich vor, um zu lauschen. Dann konnte man ihnen ein Geheimnis oder einen Wunsch anvertrauen und sie nickten ernst. Am nächsten Morgen konnte man wieder kommen und der Wunsch war im Schnee versteckt. Leider hielt er jedoch nur für den einen Tag, doch für manche reichte das bereits aus. Besonders Lys und ihre Mama hatten Spaß daran, sich immer neue Sachen auszudenken, während sie bei der Oma waren, und zu sehen, wie die Bäume ihre Worte interpretierten.

Die Wiesen, vollkommen von feinem, glitzerndem Schnee überzogen, boten einem weiteren Stern ein Andenken. Auf ihnen konnte man wunderbar Schlitten fahren. Sobald Lys einmal mit ihrer großen Schwester auf dem Schlitten saß, brauchten sie nur noch zu lenken. Die Fahrt selber um das Haus und den Hügel, manchmal scheinbar sogar auf diesen hinauf, verlief anschließend wie von alleine. Keines der beiden Mädchen musste jemals absteigen, um den Schlitten wieder an einen Abhang zu ziehen. Am Ende des Tages waren beide mit roten Wangen und Ohren durchkühlt, außer Atem aber glücklich. Sie erzählte begeistert, was sie bei der Fahrt alles entdeckt hatten.

Und zu entdecken gab es viel. Die Tiere, die die Oma besaß, waren zwar den ersten Tag scheu und ließen sich kaum blicken. Dann allerdings kamen sie nach und nach zum Vorschein und liebten es genauso wie die Kinder, sich das Fell kraulen zu lassen. Einige davon hatten Farben, die Lys so noch nie an einem lebenden Wesen gesehen hatte. Andere hatten sehr lustige Hörner, die sie auch dazu nutzen konnten, gewaltige Schneeberge in einer Schneeballschlacht zu katapultieren. Weitere konnten gleiten und jedes Kind, das wollte, über die Landschaft tragen. Jedes der Tiere bekam einen eigenen Stern zugedacht, auch wenn manche aus Versehen auf den eines anderen dazu sprangen.

In manchen von Büschen oder hinter Schneewehen verborgenen Geheimverstecken hatte der Weihnachtsmann oder eine andere Geschenke bringende Gestalt offensichtlich kleine Lager angelegt. Niemals ließ sich zwar etwas Großes, ein ganzes Geschenk finden, doch was die Kinder entdecken konnten, waren kleinere Dinge. Süßigkeiten zum Beispiel, getrocknete Früchte überzogen mit Zucker oder auch einfach eine leckere Brause. Manchmal eine hübsche Schleife oder ein Geschenkpapier, das sich wunderbar dazu eignete, das eigene Geschenk, was man noch nicht verpackt hatte, zu umwickeln. Hin und wieder fanden sich auch einfache Spielzeuge, die sich einen Tag hielten und danach wer wusste wohin verschwanden. Ein fantastisches Buch, das Abbildungen voll mit bunten Farben, goldenem Glitzer und silbernen Edelsteinen hatte. Auch schien dieses ganz von alleine seine Geschichten zu erzählen, man musste keinen Erwachsenen darum bitten. Doch wohin es nach dem ersten Tag gegangen war, wusste niemand.

Neben den ganzen eigenständigen Dingen waren auch die Orte faszinierend. In einem Tal mit Hügel konnte man wunderbar Piratenschiff spielen, der eine Stein sah wirklich wie ein Bug aus und der Baum, der dahinter saß, wie der Hauptmast mit Segel. An einer anderen Stelle war ein perfekter Kreis geformt, den die Kinder immer wieder umrundeten, als wären sie kleine Kreisel. Kletterbäume fanden sich zuhauf, sodass sich die Kleinen einen Spaß daraus machten, zu sehen, wie weit sie kamen, ohne den Boden zu berühren. Einmal fanden sie Spuren, die wie die von Schlitten aussahen und dazwischen Hufabdrücke. Keins von den Kindern behauptete, dass es noch an den Weihnachtsmann glaubte, doch nachdem sie den Spuren durch ein Waldstück und einen Hügel hinauf gefolgt waren, waren sie überglücklich, dass sie plötzlich einfach verschwanden. Noch mehr begeisterte sie, dass nichtmal die Erwachsenen, die sonst alles irgendwie grau werden lassen konnten, daran etwas Schlechtes fanden. Es war, als wäre der Ort verzaubert und nachdem sie eine Weile auf dem Hang herum geklettert waren, stellten sie fest, dass sie wunderbar weit davon hüpfen konnten.

Viele Sterne ließen sich also allein mit dem, was Lys draußen entdeckte, füllen. Nach und nach sammelten sich die Erinnerungen in den Papiergestirnen und diejenigen, die nichts beinhalteten, wurden immer weniger. Und das schon allein mit den wunderbaren Sachen, die sich draußen erleben ließen!
 

Zugegeben, von außen sah das Haus der Oma schon faszinierend aus, doch so warm und einladend, wie es von innen wirkte, wollte Lys beinahe gar nicht mehr hinaus. Die Eingangshalle war mit Holz getäfelt, welches das weiche Licht, dessen Quelle Lys beim besten Willen nicht finden konnte, einfing und spielerisch umher warf. Die Mäntel und Schuhe, die dort abgestellt waren, schienen fast von selbst umher zu gehen und immer, wenn jemand das Haus verlassen wollte, bereit zu stehen.

Zum Versteckspiel eignete sich das ganze Haus mit seinen vielen Winkeln und Ecken wunderbar. Man fand jedes Mal, wenn man glaubte, gleich gefunden zu werden, doch noch eine unverhoffte Nische, die einen mit offenen Armen vor gefährlichen Blicken verbarg. Oder man konnte im Zickzack hinter Wänden oder Bildern verborgen dem Verfolger entgehen, wenn man einen Nervenkitzel brauchte. Trotzdem, wenn man mal ins Bad musste oder schnell zum Essen rennen wollte, verlief man sich aus irgendeinem Grund nie.

Und zum Essen zu rennen lohnte sich jedes Mal. Ihre Mama hatte nicht gelogen, als er gesagt hatte, dass es ein Grund war, die Oma zu besuchen. Die Braten, die sie auftischte, die Soßen, Klöße, selbst der Kohl schmeckten alle fantastisch. Dass immer genug da war, verstand sich natürlich beinahe von alleine. Mit dem, was es an, wie die Erwachsenen es so nannten, 'richtigem Essen' gab, konnte Lys endlich verstehen, warum es nicht immer notwendig war, Süßes zu wollen.

Wenn man die Treppe, die in den ersten Stock führte, verließ, befand man sich schon fast im eigenen Gästezimmer. Selbst, dass Lys sich mit ihrer Schwester eins teilen musste, gab dem ganzen keinen Abklang, denn sie fanden viele Möglichkeiten, in ihrem Zimmer Höhlen zu bauen, Kissenschlachten auszutragen oder an den Wänden hinauf in die Decke zu klettern. Abends, wenn die beiden Mädchen müde in ihren Betten lagen, konnten sie Lys' Sternen beim Glimmen zusehen. Ein Zauber hielt sie über ihnen in der Luft und sie erlebten noch einmal die Ereignisse, die sie am Tag in Atem gehalten hatten.

Am heiligen Abend, Weihnachten oder der Yulnacht saß die ganze Familie zusammen. Die Kinder warteten gespannt und neugierig auf ihre Geschenke, manche unruhig, manche vor lauter Aufregung keinen Mucks hinaus bekommend. Selbst die Streiche, die einige spielten, schienen an diesem Abend nicht ganz so viel Biss zu haben wie an anderen Tagen. Als es dann endlich soweit war, flog überall Geschenkpapier umher, es wurden stolz Errungenschaften präsentiert und ausgetauscht, was man wem warum geschenkt hatte. Lys' Papa beobachtete das ganze still lächelnd, bis ihm jemand eins seiner Geschenke in die Hand drückte. Ihre Mama musste hingegen zurück gehalten werden, vor lauter Übermut nicht auch die Pakete, die für jemand ganz anderen bestimmt waren, zu öffnen.
 

So wurde nach und nach jedem Stern eine Erinnerung angehängt, sie bekamen eine Bedeutung, die großen wie die kleinen. Zusammen bildeten sie den Sternenhimmel über einer wunderbaren Zeit, konnten natürlich wie ihre fernen Verwandten nur einen Teil dessen einfangen, was alles wirklich geschehen war. Doch an heißen Sommertagen oder auch im Herbst, wenn die Tage länger wurden, hatte Lys ein Memorium, konnte in ihre Sternenkiste greifen und einen besonderen Moment hervor ziehen. Diese heiterten sie auf, wenn sie traurig war, machten einen schönen Tag noch schöner und gaben faszinierende Annekdoten ab, wenn sie mal eine Geschichte brauchte. Insgesamt waren die Sterne, die ihr erst die Tür versperrt hatten, am Ende eines der schönsten Geschenke, die sie aus der Zeit mitnahm.



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