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Zum Jahrestag

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Vorwort zu diesem Kapitel:
Content Warnung: Erwähnung von Tod und Gewalt gegen ein Tier (angedeutet) in der 2. Szene. Komplett anzeigen

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1. (2003)

 

„Oi, Ken! Hör gefälligst auf dich zu verkriechen!“

Er saß auf dem Bett, die Decke leicht um sich und Minomon gewickelt, als sein bester Freund die Tür aufriss und in sein Zimmer gestürzt kam.

Er kniff seine Augen zusammen. Vielleicht geschah ja ein Wunder und er würde unsichtbar werden. Alles, was er wollte, war alleine sein.

„Ignorier mich nicht, Ken. Ich spür doch deutlich, dass etwas los ist.“

Ken wimmerte leicht. Natürlich tat Daisuke das. Aber spürte er denn nicht auch, dass Ken niemanden sehen wollte? Konnten sie ihn denn nicht in Ruhe lassen?

Vielleicht würde Daisuke weggehen, wenn er einfach nicht reagierte.

„Ich weiß, dass du mich hören kannst.“ Geräusche waren zu hören, das Gewicht auf der Matratze verlagerte sich und dann zerrte Daisuke mit voller Kraft an der Decke. Überrascht ließ Ken diese los und blickte seinen besten Freund erschrocken an.

Daisuke kniete vor ihm, das zimtrote Haar leicht feucht vom Schneefall draußen.

„Hab dich gefunden“, verkündete er stolz, so als hätten sie Verstecken gespielt.

„Minomon!“, rief Chibimon und dann hüpfte Kens Digimon von seiner Brust runter zu Daisuke, wo Chibimon saß. Lachend begrüßten sich die beiden Digimon.

„Was willst du, Motomiya?“, fragte Ken und nutzte dabei Daisukes Familiennamen. Dabei nannte er ihn schon seit Wochen nur noch Daisuke, wenn sie unter sich waren.

„Du bist derjenige, der seit Tagen meine Anrufe ignoriert“, entgegnete Daisuke. „Also dachte ich mir, dass ich vorbeikomme, um dich zu sehen.“

„Nun, das hast du ja jetzt gemacht.“

Daisuke rollte seine Augen und zeigte dann auf ihre beiden Digimon.

„Und du willst ernsthaft, dass ich Chibimons und Minomons Herz breche, indem ich die beiden wieder trenne?“

Ken wusste, dass Minomon traurig sein würde, wenn er Daisuke wieder wegschickte.

„Du kannst Chibimon ja hier übernachten lassen und es morgen wieder abholen“, schlug er vor.

Daisuke blinzelte und seufzte dann. „Du lässt mir wirklich keine andere Wahl, oder?“

„Daisuke, was …“, setzte Ken an, doch er kam nicht weit, denn Daisukes Finger stachen ihn plötzlich in die Seite.

Seine Augen weiteten sich vor Schreck, als ihm klar wurde, was Daisuke vorhatte. Panisch sah er sich nach einem Fluchtweg um – doch Daisuke versperrte den Weg zur Leiter und auch sonst gab es keine Möglichkeit, Daisukes Fingern zu entkommen.

„Kitzelattacke!“, rief dieser vergnügt und stürzte sich auf Ken.

Panisch wand sich Ken unter seinem besten Freund, dessen Finger ihn nun an allen möglichen Körperstellen berührten, und presste seine Lippen fest aufeinander. Vielleicht würde Daisuke ja aufhören, wenn er merkte, dass Ken nicht reagierte.

Daisuke war jedoch stur und sah gar nicht ein, aufzugeben.

„Hör. Bitte. Auf“, jammerte Ken.

Daisuke ignorierte ihn jedoch, seine Finger strichen weiter über seine Arme entlang, über seinen Rücken und dann berührten sie versehentlich Kens Nacken.

Ken wurde für einen Moment schwarz vor Augen. Und was, wenn es wieder passierte, wenn sich der Dark Seed wieder aktivierte?

„Hör auf!“, brüllte Ken und stieß Daisuke von sich. Eilig rutschte Ken weg von ihm und presste sich in die Ecke seines Hochbettes, winkelte seine Beine an und vergrub sein Gesicht in seinen Knien vergraben.

„Scheiße, Ken, das wollte ich nicht.“ Daisuke krabbelte näher.

„Geh weg“, wimmerte er leise. „Lass mich alleine, Daisuke, bitte…“

„Ken-chan.“ Minomons Stimme klang besorgt. Das Digimon war wieder zu ihm gekrochen und berührte seinen Partner nun sanft am Bein. „Daisuke will dir doch nur helfen…“

„Minomon, was ist los mit Ken?“, fragte Daisuke verwundert.

Minomon seufzte und Ken wusste, dass es darüber nachdachte, was es nun sagte. Aber es sollte nichts sagen. Wenn Daisuke es wusste, dann würde er sicher gehen.

Wollte er denn nicht, dass Daisuke wieder ging?

„Heute ist der Tag, an dem Ken das zweite Mal in die Digiwelt gereist ist“, gab Minomon schließlich zu.

„Oh.“ Daisuke hatte endlich verstanden.

„Aber du bist nicht mehr der Kaiser, Ken.“

Die Stelle an seinem Nacken, dort wo der Dark Spore in ihn eingedrungen war, kribbelte leicht.

„Hast du Angst, dass es wieder passieren könnte?“

Er zuckte zusammen bei diesen Worten. Verdammt, wieso musste Daisuke ihn auch nur so leicht durchschauen können? Ken hatte ihm nie erzählt, wann genau er als Kaiser in die Digiwelt gereist war. Was Daisuke jetzt wohl dachte, wo er wusste, dass Ken heute vor einem Jahr angefangen hatte, die Digiwelt zu terrorisieren?

„Ken?“ Erneut verlagerte sich das Gewicht der Matratze, als Daisuke sich vor ihm hinsetzte. „Ken, sieh mich an.“

Zögernd blickte Ken auf. Daisuke sah ihn besorgt an, seine Stirn leicht in Falten gelegt. Dann griff er sich an den Kopf und zog sich seine Goggles ab, ehe er sie Ken in die Hand drückte.

Irritiert blickte Ken auf die Brille in seiner Hand. Er wusste, dass sie einst Taichi gehört hatten und dieser sie Daisuke vermacht hatte, als er ihn zum neuen Anführer ernannt hatte.

„Hier!“, sagte Daisuke und drückte Kens Finger, sodass sie sich um die Gläser schlossen. „Du bist nicht mehr der Digimon Kaiser, Ken. Präg dir gut ein, wie sie sich anfühlen. Und wenn du jemals wieder Angst haben solltest, dass der Dark Seed dich wieder zum Kaiser machen könnte, dann denk an meine Goggles, okay? Sie sind ein Versprechen, dass ich dich nicht aufgeben werde. Hikari, Iori, Miyako, Takeru und ich, wir sind für dich da. Ich werde dich immer retten, Ken.“

Daisuke klang so überzeugt, Ken konnte nicht anders, als ihm zu glauben. Er hatte ihn schon einmal gerettet. Seine Finger drückten Daisukes und lächelnd sah er ihn an.

„Danke dir“, flüsterte Ken leise und ließ es dann zu, dass Daisuke ihn in eine Umarmung zog.

 

2. (2005)

„Komme schon!“, rief Daisuke, als es an der Wohnungstür klingelte. Er pfiff laut und kurze Zeit später das hektische Trippeln kleiner Pfoten zu hören war.

Ein kleiner Zwergspitz mit hellbraunem Fell kam in den Flur geeilt.

„Mach Platz!“, befahl Daisuke dem Hund, der sich augenblicklich hinsetzte und aufgeregt mit dem buschigen Schwanz wedelte, während Daisuke die Hundeleine am Halsband befestigte.

„Benimm dich ja, wenn du Ken gleich kennen lernst“, ermahnte er das Tier, dass daraufhin mit einem lauten Bellen antwortete. Daisuke seufzte und wuschelte dem Zwergspitz dann durch das Fell. Als er Ken vor drei Tagen angerufen hatte und ihn für Samstag zu sich nach Hause eingeladen hatte, hatte Daisuke noch nicht gewusst, dass seine Pläne nun eine dritte Person – oder eher einen Hund – beinhalteten.

Und er hoffte wirklich, dass es Ken nicht allzu sehr belasten würde, wenn er erst den Namen des Hundes hörte. Nun ja, aber so süß wie der Kleine war, würde Ken ihn sicherlich schnell ins Herz schließen.

Anders als zumindest ein gewisses Digimon.

„V-mon, willst du mitkommen?“ Daisuke öffnete die Tür zu seinem Zimmer, wo sein Digimon mit dem Rücken zu ihm gewandt auf seinem Bett saß. Es machte keine Anstalten sich zu bewegen.

Daisuke seufzte genervt. V-mons Verhalten war absolut kindisch. Das Digimon war eifersüchtig, denn der Zwergspitz hatte ausgerechnet Daisuke ins Herz geschlossen und als er V-mon das erste Mal gesehen hatte, hatte er das Drachendigimon laut angeknurrt. V-mon war nun überzeugt davon, dass Osamu ihn hasste.

„Ich und Ken gehen Gassi mit Osamu“, erklärte er seinem Digimon und schloss dann die Tür wieder. V-mon würde sich schon wieder einkriegen. Immerhin würde Osamu ja auch nur ein paar Tage bei ihnen bleiben.

Daisuke stopfte sich noch ein paar Leckerlis in die eine Hosentasche und ein paar Hundekotbeutel in die andere und öffnete dann die Tür.

Ken stand draußen vor der Tür, Wormmon in seinen Armen haltend. Ein breites Lächeln breitete sich auf Daisukes Gesicht aus, als er Ken in einem rosafarbigen Poloshirt und grauer Jeans vor sich stehen sah.

„Hey!“ Ein warmes Gefühl breitete sich in Daisukes Magengegend aus, wie immer, wenn er Ken sah. „Du, es gibt da etwas, was ich dir sagen muss…“

Doch ehe Daisuke weiterreden konnte, war der Zwergspitz auch schon auf Ken zugesprungen und sprang vor ihm auf und ab, während er ihn laut anbellte.

„Daisuke, warum ist da ein Hund bei dir?“, fragte Ken verwundert, während Daisuke sich hinkniete, um Osamu hochzuheben.

„Er gehört eigentlich einer älteren Dame, die im Erdgeschoss wohnt“, erklärte Daisuke und schloss dann die Tür hinter sich. „Sie ist gestern gestürzt und wurde ins Krankenhaus gebracht. Und weil ihre Familie zu weit weg wohnt, hat sie meine Eltern gebeten, auf ihren Osamu aufzupassen.“

„Osamu?“ Kens Augen weiteten sich vor Schreck und seine Augen huschten zu dem kleinen Hund, der ihn nun mit großen Augen ansah.

„Sein Name“, entgegnete Daisuke langsam und blickte Ken nervös an. War alles in Ordnung mit ihm? Daisuke wusste, dass sich Ken noch immer die Schuld am Tod seines älteren Bruders gab.

Und so nervig Jun auch war, Daisuke konnte sich nicht vorstellen, wie es sich anfühlen würde, wenn sie auf einmal nicht mehr da wäre.

Vielleicht hätte er Ken doch absagen sollen. Andererseits hatte er seinen besten Freund vermisst – und außerdem wurde Daisuke nicht das Gefühl los, dass Ken ihn brauchte.

„Vielleicht ist es besser, wenn ich wiedergehe?“

Daisuke schüttelte seinen Kopf. „Ken, bitte bleib. Ich habe mich so darauf gefreut, dich heute zu sehen. Was hältst du davon, wenn wir ihn Sammy nennen? Jun ist mit Freundinnen unterwegs und meine Eltern besuchen seine Besitzerin im Krankenhaus, also muss ich auf ihn aufpassen. Und ich hatte bisher noch keine Zeit mit ihm Gassi zu gehen.“

Ken sah Daisuke für mehrere Minuten einfach nur an, bis er schließlich zustimmend nickte. Daisuke fiel ein Stein vom Herzen.

Also verließen sie das Gebäude und gingen zum nächstgelegenen Park. Wie so üblich war es Daisuke, der am meisten redete, während Ken einfach nur zuhörte und hier und da einen kurzen Kommentar einwarf.

Osamu selbst lief vor ihnen her. Daisuke hatte ihm die Leine abgenommen, sobald sie im Park waren. Er bellte aufgeregt, wann immer ein anderer Hund ihnen entgegenkam, blieb jedoch immer bei Daisuke und Ken stehen, scheute Vögel auf, sobald er sie entdeckte und vor allem rannte er immer wieder zu Ken und sah ihn schwanzwedelnd an. Ken blieb jedes Mal stehen, die Schultern angespannt und sah den Zwergspitz ängstlich an.

„Ich glaube, er mag dich“, sagte Daisuke. Sie saßen auf einer Bank und aßen Eis, während sie die vorbeigehenden Passanten beobachteten.

Daisuke hatte Osamu mit Stöckchen werfen ausgepowert. Nun war er erschöpft zu ihnen zurückgekommen und lag neben Ken auf der Bank, blickte ihn neugierig an.

„Heute ist Osamus Todestag“, erklärte Ken plötzlich. In der Ferne bliesen einige Kinder Seifenblasen.

„Warum hast du nichts gesagt?“, fragte Daisuke besorgt. Er hatte ganz vergessen, dass dieser Tag heute war. Toller Freund. „Ist alles … wie geht es dir, Ken?“

Ken zuckte mit den Schultern. „Ich dachte, du könntest mich ablenken“, murmelte er leise. „So wie sonst auch.“

„Aber Sammy erinnert dich zu sehr an deinen Bruder?“

Ken brauchte einige Sekunden, ehe er seinen Kopf schüttelte. „Es war einfach nur überraschend“, murmelte er. „Und ich … was, wenn ich ihn wieder verletze?“

Daisuke runzelte seine Stirn bei diesem Satz. Etwas sagte ihm, dass Ken nicht nur von seinem Bruder sprach.

Daisuke rutschte enger an seinen besten Freund heran und griff nach seiner Hand.

„Ken, du wirst ihm nicht wehtun“, erklärte er ruhig. „Du bist die freundlichste und liebste Person, die ich je kenne, und was Osamu passiert ist, war ein tragischer Unfall. Du. Trägst. Keine. Schuld.“ Daisuke machte nach jedem Wort eine kurze Pause, um seine Aussage zu unterstreichen.

Ken sagte nichts, also hielt Daisuke seine Hand weiter fest. Schließlich ließ Ken ihn los und hielt seine Fingerspitzen vorsichtig vor Osamus Nase.

Osamu schnüffelte an Kens Fingern und dann leckte er mit seiner Zunge an ihnen. Ken seufzte erleichtert.

 

3. (2006)

Ein starker Windstoß kam auf und das kleine Digimon in seinen Händen presste sich gegen Ken, um nicht weggeweht zu werden.

„Du brauchst keine Angst zu haben“, flüsterte Ken dem Yuramon liebevoll zu. „Wormmon und ich beschützen dich.“

Sein Partner saß auf seiner Schulter und beobachtete Ken dabei, wie er das kleine Digimon vorsichtig fütterte.

„Es vertraut dir“, meinte Elecmon. Das Digimon, dass als Wächter auf die neugeborenen Digimon hier im Village of Beginnings aufpasste, kam auf sie zu. In seinen Pfoten hielt es verschiedene Kräuter. Als Daisuke und Ken ins Dorf kamen, hatte Elecmon ihnen erklärt, dass es sich auf die Suche nach ein paar seltenen Heilkräutern machte und die beiden alleine lassen würde.

Ken blickte nervös auf das Yuramon in seinen Händen. Es war geschlüpft, kurz nachdem Elecmon die beiden alleine gelassen hatte. Das letzte Yuramon, dem er hier begegnet war, hatte ihn wütend angegriffen. Und nun hielt er ein anderes Yuramon in seinen Händen, dass sich von ihm füttern ließ und sich an ihn drückte, wenn es Angst hatte.

„Ken-chan?“ Wormmon sah ihn besorgt an. „Du weinst ja.“

„Mach dir keine Sorgen“, meinte Ken. „Das sind Freudentränen.“

„Oh. Okay.“ Wormmon kuschelte sich an ihn und Ken lehnte seinen Kopf gegen das Raupendigimon. Er war glücklich. Hier zu sein bedeutete ihm unendlich viel.

Vorsichtig setzte er das Babydigimon wieder in seine Krippe und sah sich dann um. Es war jetzt das dritte Jahr in Folge, dass er zusammen mit Daisuke zum Village of Beginnings kam und sie Wormmons Wiedergeburt hier feierten.

Es war Daisuke gewesen, der vorgeschlagen hatte, sie besuchten das Dorf, als Ken ihm einmal erzählt hatte, dass heute der Tag war, an dem Wormmon wiedergeboren worden war und Ken sein Herz wiedergefunden hatte. Ken war anfangs unsicher gewesen, ob er wirklich hier willkommen war. Seine Taten als Digimon Kaiser belasteten ihn noch immer und so ganz war er sich nicht sicher, ob er hier wirklich willkommen war. Elecmon war nicht glücklich gewesen, als er und Daisuke das erste Mal zum Village of Beginnings gekommen waren und wahrscheinlich hatte es Ken nur akzeptiert, weil Daisuke bei ihm war und auf ihn aufpassen konnte.

Trotzdem hatte es Ken immer beobachtet, um sicherzugehen, dass dieser nichts anstellte. Heute hatte es die beiden Jungen das erste Mal alleine gelassen, weil es etwas zu erledigen hatte.

Eine Geste, die Ken unglaublich viel bedeutete.

Das Yuramon war indes eingeschlafen und nachdem Ken es noch einige Minuten lang einfach nur beobachtet hatte, ging er zwischen den bunten Digi-Eiern umher, streichelte hier und da ein paar der neugeborenen Digimon.

„Ken!“ Plötzlich wurde etwas auf seinen Kopf gedrückt und dann warfen sich zwei Arme von hinten um ihn. Daisuke drückte sich gegen ihn. Lächelnd lehnte sich Ken gegen Daisuke. „Ich habe ein Geschenk für dich.“

Ken löste sich aus Daisukes Umarmung und drehte sich um, um seinen besten Freund ansehen zu können. Die Sonne strahlte direkt hinter ihm und ihre Strahlen ließen es kurz so aussehen, als würde Daisuke regelrecht leuchten.

Aber Daisuke war schon immer wie die strahlende Sonne gewesen.

„Wow!“ Daisuke sah ihn verblüfft an, seine Wangen wurden rot. „Ken, du siehst wunderschön aus.“

Grashalme kitzelten Kens Stirn und er hob seine Hand, um vorsichtig über seinen Kopf zu streichen. War das ein Blumenkranz auf seinem Kopf?

„Ich und die anderen Babydigimon haben es gemacht“, erzählte Daisuke und wippte dabei aufgeregt auf seinen Fußballen. „Du musst dich unbedingt ansehen, Ken. Es steht dir unglaublich gut.“

„Elecmon, gibt es hier irgendwo einen Spiegel?“, rief er dem Digimon zu.

„Da hinten ist ein kleiner See, wo die Digimon baden“, antwortete Elecmon und zeigte mit dem Arm auf die entsprechende Stelle.

„Perfekt!“ Daisuke zog Ken mit sich, der nichts anderes tun konnte, als ihm zu folgen. Sie erreichten den See in kürzester Zeit und Daisuke deutete einladend auf das Wasser.

Das Wasser war ruhig und neugierig blickte Ken auf sein Spiegelbild. Auf seinem Kopf thronte tatsächlich eine Blumenkrone, die aus mehreren, bunten Blumen zusammengeflochten worden war. Einige der Blumen erkannte er, Kirschblüten, Edelweiss, Rittersterne und Gänseblümchen, in der Mitte eine Gardenie, einige andere Blumen konnte er jedoch nicht zuordnen, wahrscheinlich gehörten sie zur eigenen Flora der Digiwelt.

„Du siehst aus wie ein Blumenprinz“, murmelte Daisuke neben ihm und verhakte ihre Finger miteinander. Kens Herz begann schneller zu klopfen. Er drehte sich um, sodass er Daisuke gegenüberstand.

„Macht dich das dann zu meinem Ritter?“, fragte er neckend.

„Dein Ritter in strahlender Rüstung“, entgegnete Daisuke und sah ihn zärtlich an.

„Danke!“, flüsterte Ken und die Gardenie löste sich aus dem Kranz und segelte langsam nach unten, bis sie auf Daisukes Händen liegen blieb.

 

4. (2007)

Vorsichtig drehte Daisuke den Schlüssel in der Tür um und betrat dann auf Zehenspitzen die Wohnung der Ichijoujis.

„Hallo?“, fragte er vorsichtig und schlüpfte in das Paar Hausschuhe, dass seit Jahren schon ihm gehörte, ehe er den Wohnungsschlüssel wieder in seine Hosentasche schob. Er hatte den Schlüssel jetzt seit knapp zwei Monaten und konnte immer noch nicht glauben, dass Kens Eltern ihm so sehr vertrauten.

Niemand antwortete ihm. Natürlich, Herr Ichijouji war arbeiten und Frau Ichijouji machte einige Erledigungen in der Stadt.

Und sein bester Freund selbst lag schlafend auf der Wohnzimmercouch, eine Wolldecke um ihn gewickelt. Er war blasser als sonst, und das musste bei Ken etwas heißen. Eine Schachtel Taschentücher stand auf Kopfhöhe, daneben eine halb volle Tasse Tee, Hustensaft und verschiedene andere Medikamente. Ein Waschlappen lag auf seiner Stirn und das kurze Haar klebte ihm am Kopf. Minomon ruhte auf seiner Brust. Das Digimon musste sich keine Sorgen machen, von Ken angesteckt zu werden.

„Ernsthaft, was machst du nur für Sachen?“, murmelte Daisuke kopfschüttelnd. Dabei konnte Ken nicht einmal etwas dafür, dass er sich die Grippe eingefangen hatte. Auch wenn es ärgerlich war, dass er ausgerechnet heute krank werden musste.

Daisuke sammelte die Teetasse ein, der Tee war sowieso schon kalt, und wechselte den Waschlappen aus. Auf der Uhr war es kurz vor zwei, wahrscheinlich waren die anderen inzwischen alle bei Miyako angekommen und machten sich bereit für ihren Besuch in der Digiwelt. Um die Balance zwischen der Digiwelt und ihrer Welt nicht noch mehr zu gefährden, hatten sich die auserwählten Kinder entschieden, die Digiwelt nur noch an bestimmten Tagen zu besuchen. Einer dieser Tage war der Tag, an dem er selbst, Iori und Miyako das erste Mal in die Digiwelt gereist waren. Also heute.

Eigentlich hatte Daisuke Ken am Bahnhof abholen sollen, ehe sie dann zu zweit zu Miyako gegangen wären, mit deren Computer sie dieses Jahr in die Digiwelt reisen würden. Doch Ken war nicht aus der U-Bahn gestiegen, mit der er hätte ankommen sollen. Auf Daisukes Nachrichten reagierte er nicht und erst, als er aufs Festnetz der Ichijoujis anrief, erfuhr Daisuke von Kens Mutter, dass ihr Sohn mit einer Grippe im Bett lag.

Für Daisuke war es klar, dass er nach seinem besten Freund sah. Picknick hin oder her. Sicher musste Ken sich miesfühlen, vor allem, weil er Daisuke versprochen hatte, dieses Jahr mitzukommen, nachdem er die letzten Jahre immer abgesagt hatte.

Frau Ichijouji war zunächst nicht begeistert davon, dass Daisuke vorbeikommen wollte. Immerhin könnte er sich anstecken. Daisuke hatte erwidert, dass es ihm egal war und er trotzdem vorbeikommen würde. Am Ende hatte sie aufgegeben und gemeint, dass Ken sich sicherlich freuen würde, ihn zu sehen und außerdem musste sie sowieso noch ein paar Dinge erledigen. Daisuke bat sie noch, ihrem Sohn nichts von seinem Besuch zu verraten, damit er Ken überraschen konnte.

Manchmal fragte sich Daisuke, ob Frau Ichijouji wusste, was er für ihren Sohn empfand. Immerhin war sie es, die ihm den Schlüssel geschenkt hatte und manchmal, wenn er und Ken sich umarmten, schenkte sie ihm ein warmes Lächeln. Oder aber, sie war einfach nur froh, dass ihr Sohn in Daisuke so einen guten Freund gefunden hatte.

Nach dem Telefonat war Daisuke dann alleine zu Miyako geeilt und hatte Chibimon bei ihr untergebracht. Sein Digimon hatte seit Tagen nur noch davon geredet, wie sehr es sich auf den Besuch in der Digiwelt gefreut hatte und Daisuke wollte ihm diese Chance nicht verwehren. Der nächste Besuch würde erst wieder im August stattfinden und Chibimon würde bei Miyako und den anderen gut aufgehoben sein.

Danach hatte sich Daisuke sofort auf den Weg nach Tamachi gemacht und nun stand er in der Küche und bereitete Ken eine Misosuppe zu. Sicher hatten seine Eltern nichts dagegen, wenn er Ken etwas zu Essen kochte.

Knapp eine halbe Stunde später stellte Daisuke eine Schüssel voll mit dampfender Misosuppe und einer Tasse Kamillentee auf dem kleinen Tisch ab und kniete sich dann vor Ken, um ihn vorsichtig zu wecken.

„Aufwachen, Ken“, bat er ihn und schüttelte ihn sanft an der Schulter.

„Hngh… will schlafen“, murmelte Ken stöhnend.

„Du musst was essen“, sprach Daisuke auf ihn ein. Er wusste, wie wenig Appetit man mit der Grippe hatte, seine Mutter, die erst vor kurzem erkrankt war, hatte genauso wenig essen wollen.

„Keinen Hunger“, entgegnete Ken und lehnte sich dann gegen Daisukes Hand. „Hmm… so schön kühl.“

Daisuke kicherte und strich dann sanft über Kens glühende Wange.

„Daisuke?“, fragte Minomon. Das Digimon war aufgewacht und sah ihn nun verwundert an.

„Minomon, was redest du denn da?“, erwiderte Ken. „Daisuke ist nicht hier.“

Grinsend beugte sich Daisuke an Kens Ohr, zog sich den Mundschutz vom Gesicht, damit seine Stimme nicht gedämpft war.

„Buh!“

Ken zuckte zusammen und schlug dann seine Augen auf. Langsam drehte er seinen Kopf und sah Daisuke dann an.

„Ich muss träumen“, entschied er schließlich.

„Kein Traum. Denkst du ernsthaft, ich mache mir einen schönen Tag in der Digiwelt, während du mit vierzig Grad Fieber im Bett liegst? Hier, ich habe dir Suppe gekocht.“

Ken sagte nichts, sondern starrte einfach nur auf die Schüssel, die Daisuke ihm hinhielt. Schließlich seufzte er, setzte sich auf und nahm dann Schüssel und Löffel entgegen.

„Nur, weil du es bist“, murmelte er und Daisuke grinste zufrieden.

 

5. (2009)

„Weißt du, was heute für ein Tag ist?“

Ken blickte auf, als sein fester Freund sich über ihn beugte und ihn mit einem Grinsen ansah. Unter dem Arm hatte er einen Fußball geklemmt.

„Samstag“, entgegnete Ken mit verschränkten Armen. „Oder meinst du etwa der Tag, an dem du mich auf ein Date einlädst, nur um mich dann – “ Er warf einen Blick auf seine Armbanduhr. „– eine Dreiviertelstunde warten zu lassen?“

Ken hatte bereits im Zug gesessen, als die SMS von Daisuke einging, dass er noch etwas Wichtiges zu erledigen hatte und sich deshalb verspäten würde. Da lohnte es sich nicht, umzukehren. Aber das Daisuke ihn tatsächlich fünfundvierzig Minuten würde warten lassen, damit hatte Ken nicht gerechnet.

„Tut mir leid“, meinte Daisuke, aber sein Grinsen verriet Ken, dass es ihm definitiv nicht leidtat. „Aber das war halt der erste Hinweis darauf, was heute für ein Tag ist.“

Ken hob eine Augenbraue.

„Du könntest mir auch einfach sagen, was heute für ein Tag ist.“

„Das würde aber keinen Spaß machen“, erklärte Daisuke und beugte sich dann vor, um Ken zu küssen. „Vertrau mir, Ken-chan. Es wird toll werden.“

Ken errötete und ließ sich dann von Daisuke aufhelfen. Was genau hatte Daisuke geplant? Er hatte ihn letzte Nacht aus dem Bett geklingelt und gefragt, ob sie sich heute treffen könnten und obwohl Ken eigentlich vorgehabt hatte, zu lernen, Daisuke hatte nicht lockergelassen, bis er dem Date schließlich zugesagt hatte.

Sie verließen das Bahnhofsgebäude und schon bald hatte Daisuke seine Finger mit denen von Ken verhakt und sie gingen händchenhaltend die Straße entlang. Ken spürte die skeptischen Blicke vorbeigehender Passanten, doch Daisuke drückte jedes Mal seine Hand und blickte jeden, der sie komisch ansah, herausfordernd an.

„Also, wo wollen wir hin?“, fragte Ken neugierig. „Du willst mir schließlich nicht sagen, dass du für dieses Date nur Fußballspielen in petto hast?“

„Doch. Glaube mir, es ist genau die perfekte Aktivität für dieses Date“, meinte Daisuke grinsend. „Immerhin ist das der zweite Hinweis.“

Ken blickte ihn misstrauisch an. Zu spät kommen und ein Fußballspiel? Etwas in Ken regte sich, dass er dieses Szenario von irgendwoher kannte. Aber so sehr er auch nachdachte, es fiel ihm einfach nicht ein.

„Ich bin sicher, dass du dich dran erinnern wirst“, sagte Daisuke, der genau wusste, wie sehr Ken nun darüber nachdachte.

Sie erreichten schließlich das Fußballfeld und während sie die Stufen hinuntergingen, wurde Ken klar, dass er hier schon einmal gewesen war.

„Ich will, dass du dich heute nicht zurückhältst“, bat Daisuke ihn, während sie sich aufwärmten.

„Daisuke, ich halte mich nie zurück“, entgegnete Ken.

„Sehr gut. Wer zuerst zehn Tore kriegt, wird vom anderen zum Essen eingeladen?“, schlug Daisuke vor.

Ken strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. „Ich dachte, du wärst pleite?“, fragte er nach und schnappte sich dann den Ball, um Richtung Tor zu eilen.

Doch kurz bevor er schießen konnte, hatte Daisuke ihn eingeholt und den Ball wieder an sich genommen. Kurze Zeit später stand es 1:0 für Daisuke.

Nicht, dass es Ken störte. Sein Freund sah unglaublich sexy aus beim Fußballspielen, vielleicht ließ er sich absichtlich zurückfallen, nur um Daisukes breiten Rücken und seine Beine zu bewundern. Und im Gegensatz zu Ken, der in der Mittelschule mit dem Sport aufgehört hatte, spielte Daisuke auch jetzt in der Oberschule noch Fußball.

„Wenn du mich so sehr zum Essen einladen willst, können wir das Ganze auch abblasen“, rief Daisuke ihm herausfordernd zu.

Ken streckte ihm die Zunge entgegen und eilte ihm hinterher. Mit ausgestrecktem Bein warf er sich zwischen Daisuke und den Ball und sorgte schon bald für den Ausgleich.

Sie spielten weiter, bis es schließlich 9:9 für beide stand. Ken hatte den Ball und diesen vor sich her dribbelnd eilte er zum Tor. Daisuke war dicht hinter ihm, aber so leicht würde er es ihm nicht machen. Jetzt wollte er gewinnen.

Er warf einen kurzen Blick über seine Schulter. Daisuke hatte sich zurückfallen lassen. Nun, es war egal, was er plante.

Ken richtete seinen Blick wieder aufs Tor und holte dann mit dem Bein aus.

„Ich liebe dich, Ichijouji Ken!“, rief Daisuke genau in diesem Moment. Kens Fuß rutschte am Ball aus und er stürzte zu Boden. Der Ball rollte über den Rasen und kam dann kurz vor der Torlinie zum Stillstand.

Ehe Ken aufstehen konnte, hatte sich Daisuke auf ihn geworfen und ihn zurück auf den Boden gedrückt.

„Überrascht?“, fragte er grinsend.

Sie waren jetzt seit knapp fünf Monaten zusammen, aber keiner von ihnen hatte zu dem anderen bisher „Ich liebe dich“ gesagt. Ken hatte daran gedacht, aber bisher nicht den Mut aufbringen können, es auszusprechen. Nun blickte er erfreut in das Gesicht seines Freundes. Manchmal konnte er sein Glück noch immer nicht fassen.

Daisuke saß auf ihm, ein Bein zwischen denen von Ken. Sein Blick war weich und doch erwartungsvoll. Ken schluckte nervös.

„Ich liebe dich auch“, murmelte er. Und er meinte es wirklich so. Daisuke war alles für ihn und noch viel mehr.

Daisuke beugte sich zu ihm, sein Blick direkt aufs Ken Lippen. Ken schloss seine Augen und spitzte seine Lippen leicht.

Daisuke legte seinen Mund auf den von Ken, doch ehe dieser den Kuss vertiefen konnte, zog er sich wieder zurück.

„Weißt du jetzt, was heute für ein Tag ist?“, fragte er grinsend.

Daisukes Zuspätkommen. Das Fußballspiel. Daisukes „Ich liebe dich“, dass ihn abgelenkt hatte. Er hatte damit gerechnet, dass Daisuke von rechts angreifen würde. So wie er es schon einmal gemacht hatte.

Ken konnte nicht anders als laut loszulachen. „Ernsthaft?“, fragte er und fuhr dann durch das stachlige Haar seines Freundes. „Ausgerechnet heute? Woher wusstest du überhaupt, was heute für ein Tag ist?“

„Miyako hat ihr altes Tagebuch gefunden und mich angerufen“, erklärte Daisuke und bedeckte Kens Gesicht mit federleichten Küssen. „Weißt du eigentlich wie aufgeregt ich war, dass ich gegen das Wunderkind Ichijouji Ken Fußballspielen durfte?“

Ken verkrampfte leicht. Auch wenn es so lange her war, er dachte noch immer nicht gerne an seine Zeit als Kaiser zurück. Und an dem Tag hatte er nicht nur gegen Daisuke Fußball gespielt, er hatte ihn auch gedemütigt und um das Leben seiner Freunde betteln lassen.

„Ken, sieh mich an!“ Daisukes Stimme drang zu ihm durch. Verwundert blinzelte Ken, er hatte gar nicht gemerkt, dass sich seine Augen mit Tränen gefüllt hatten.

„Ich wollte es dir heute sagen, damit wir beide den Tag von nun an mit etwas Gutem verbinden können“, sagte Daisuke und beugte sich dann vor, um ihn erneut zu küssen. Seine Lippen waren fordernd, verlangend und es kostete Ken all seine Willensstärke sich nicht an Ort und Stelle an Daisuke zu reiben. Aber immerhin waren sie hier in der Öffentlichkeit, auch wenn sie alleine waren.

„Was hältst du davon, wenn wir nach Hause gehen und da weitermachen?“, flüsterte Daisuke, seine Augen dunkel vor Lust.

 

+ 1 (2019)

 

Daisuke zupfte am Ärmel seines Sakkos, den er sich für Yamatos Junggesellenabschied angezogen hatte. Es war kurz nach halb acht. Ken war zu spät.

Ken war doch immer pünktlich. Sein Freund war den ganzen Tag unterwegs, während Daisuke selbst zuhause gewesen war und Miyako mit ihm an der App für seinen Ramen-Karren gearbeitet hatte.

Sein Smartphone vibrierte kurz. Koushiro hatte eine Nachricht in den Gruppenchat geschickt. Sie sollten in der Digiwelt kommen, anscheinend hatte Gennai ihn kontaktiert.

Daisuke schluckte nervös. Ob es etwas damit zu tun hatte, dass sie letztens die Digiwelt nicht betreten konnten? Seit die Tore zur Digiwelt nur noch einmal im Jahr geöffnet wurden und sich ihre Digimon entscheiden mussten, ob sie weiter bei ihrem Partner lebten oder zurück in die Digiwelt kehrten, trafen sie sich jedes Jahr am ersten August in der Digiwelt.

Ken schickte eine kurze Nachricht, dass er unterwegs sei. Also hielt Daisuke sein Digivice vor den Laptop und wurde in die digitale Welt transportiert.

Er landete inmitten eines Meeres aus zahlreichen Blumen. Der Ort kam ihm seltsam vertraut vor.

Staunend ließ Daisuke seinen Blick über das Blumenmeer gleiten. Obwohl es Abend war, strahlten die Blumen in leuchtenden Farben. Rote Tulpen, Gerberas, Vergissmeinnicht, und zahlreiche andere bunte Blumen. Süßlicher Blumenduft lag in der Luft.

Und inmitten dieser Blütenpracht stand Ken in dem Anzug, den er für die Feier gekauft hatte. Ein Dreiteiler, bestehend aus einem weißen Sakko und einer ebenfalls weißen Hose und Anzugweste. Am Kragen war eine rote Rose befestigt und das schwarze Haar lag glatt auf seinem Kopf. Er sah wunderschön aus.

„Ken?“ Daisuke ging auf ihn zu. „Du hast Koushiros Nachricht also auch bekommen? Wenn wir uns beeilen, dann können wir …“

„Daisuke, es ist alles gut“, unterbrach Ken ihn. Daisuke blieb mehrere Schritte vor ihm stehen und runzelte verwundert die Stirn.

„Ken, was ist los?“

Sein Freund ging auf ihn zu.

„Es gab nie ein Problem in der Digiwelt“, gestand er schließlich und beugte sich zu ihm, um ihn sanft zu küssen. „Koushiro-san sollte dich einfach nur hierherlocken.“

Daisuke blickte ihn erstaunt an.

„Und der Junggesellenabschied?“

„War dafür gedacht, um dich in diesen Anzug zu kriegen“, erklärte Ken. Dann richtete er Daisukes Fliege und legte seine Arme um Daisukes Nacken. „Du siehst wunderschön aus.“

Daisuke legte seine Hände an Kens Hüften und sah ihn verliebt an. Sie waren jetzt seit zehn Jahren ein Paar, lebten seit ihrem Abschluss zusammen und trotzdem fühlte sich Daisuke noch immer wie frisch verliebt an manchen Tagen.

„Was genau ist das eigentlich für ein Ort?“, fragte er neugierig, während sein Blick über Kens Gesicht glitt.

„Die Wüste, in der die Basis des Kaisers damals abgestürzt ist“, antwortete Ken. Daisukes Augen weiteten sich erschrocken.

„Du scherzt!“

„Gomamon hat es mir letztes Jahr erzählt“, sagte Ken und Daisukes Herz wurde schwer. Jyous Digimon war eins der wenigen Digimon, dass sich entschieden hatte, in der Digiwelt zu bleiben.

„Daisuke?“ Ken kraulte ihn sanft am Nacken. „Erinnerst du dich daran, wie du mich damals gebeten hattest, dass ich mich bei den anderen entschuldige für all das, was ich als Digimon Kaiser getan habe?“

„Sag nicht, dass war heute gewesen?“

Kens Lächeln verriet ihm, dass er recht hatte.

„Du hattest mich damals das erste Mal als einen deiner Freunde bezeichnet.“ Sanft glitten seine Finger über Daisukes Arme.

„Du wolltest nicht, dass ich dich so nenne“, erinnerte sich Daisuke.

„Ich dachte nicht, dass ich es wert bin, einer deiner Freunde zu sein“, meinte Ken. Daisuke öffnete seinen Mund, um ihm zu widersprechen.

„Nach alldem, was ich getan habe, konntest du trotzdem über all das hinwegsehen und mich fragen, ob ich dein Freund werden will“, Ken schob eine Hand in seine Hosentasche. Daisuke lächelte sanft. Natürlich hatte er das gekonnt. Ken war die freundlichste Person, die er je getroffen hatte. Daran bestand kein Zweifel.

„Ich war ein Monster gewesen, aber du hast mir trotzdem deine Hand hingehalten“, gestand Ken und trat einige Schritte nach hinten. „Ich sah keinen Sinn mehr, wieder Freundschaft zu schließen. Wer würde mich schon als Freund wollen? Aber du hast mich nicht aufgegeben. Du bist mein Licht, Dai-chan. Und ich hoffe sehr, dass deine Antwort jetzt nicht negativ ausfallen wird.“

„Die Antwort auf welche Frage?“, fragte Daisuke nervös und schnappte nach Luft, als Ken vor ihm auf die Knie ging.

„Motomiya Daisuke, willst du mich heiraten?“ Ken hielt ihm die offene Ringschachtel entgegen, in der ein schlichter, silberner Ring steckte.

„Ken!“ Daisuke fiel ebenfalls auf die Knie und nahm das Gesicht seines Partners in beide Hände. „Oh, Ken, mein wundervoller Ken, natürlich will ich dich heiraten.“

Ken blickte ihn mit Tränen in den Augen an. „Wirklich?“

„Aber natürlich. Wie kannst du überhaupt denken, dass ich nicht ja sagen würde?“ Weinend bedeckte er Kens Gesicht mit Küssen.

„Taichi-san hat das Gleiche gemeint.“

„Hast du ihn etwa gefragt, ob du um meine Hand anhalten darfst?“

Ken schüttelte den Kopf. „Als ich von diesem Fleck erfuhr, wusste ich, dass ich dir hier den Antrag machen würde. Aber das hieß auch, dass ich unsere Freunde um Erlaubnis bitten musste, dich hier zu fragen.“

Daisuke starrte seinen Verlobten fassungslos an.

„Sie waren alle einverstanden. Yamatos Junggesellenabschied findet erst nächste Woche statt. Koushiro hatte am Laptop etwas eingestellt, damit sich das Digitor nicht öffnen ließ. Miyako hat dich abgelenkt. Sie waren alle eingeweiht.“

Daisuke konnte sein Glück nicht fassen. Nicht nur, dass Kens Antrag einfach traumhaft gewesen war, all ihre Freunde hatten dafür auf den Besuch in der Digiwelt verzichtet.

„Ken, wir haben die besten Freunde der Welt“, schluchzte Daisuke und vergrub sein Gesicht an Kens Schulter.

„Da ist noch etwas …“, begann Ken zögernd und Daisuke setzte sich wieder auf, sah ihn verwundert an.

„Mimi-san und Miyako-san bestehen auf eine Doppelhochzeit“, erklärte Ken und griff dann nach Daisukes Hand, um den Ring auf seinen Ringfinger zu streifen.

Daisuke blickte auf den silbernen Ring, der nun seine linke Hand schmückte. Zwei kleine Edelsteine, ein Smaragd und ein Saphir, waren nebeneinander eingraviert. Ken würde für den Rest seines Lebens an seiner Seite sein.

Und das war alles, was wichtig war.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Leider ist es in Japan derzeit noch nicht möglich, dass gleichgeschlechtliche Paare heiraten können. Aber das hier ist ja nur Fiktion. :P

Die erwähnten Blumen haben übrigens alle eine Bedeutung, wobei ich anmerken möchte, dass die japanische Blumensprache "Hanakotaba" sich teilweise von unserer Blumensprache unterscheidet. Ich bin bei den meisten Blumen von der japanischen Bedeutung ausgegangen.

Kirschblüten: Freundlichkeit (j)
Edelweiss: Du bist wunderschön (d), Mut (j)
Rittersterne: Ich bin stolz mit dir befreundet zu sein (d), Schüchternheit (j)
Gänseblümchen: Treue, Vertrauen (j)
Gardenie: Heimlich verliebt sein (j)
Tulpen (rot): Ewig währende Liebe (d), Vertrauen (j)
Gerberas: Durch dich wird alles schöner (d)
Vergissmeinnicht: Wahre Liebe (j)
Rose (rot): Romantische Liebe (d) (j) Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: abgemeldet
2020-04-11T09:27:29+00:00 11.04.2020 11:27
Einen wundervollen Ostersamstag wünsche ich dir,
da hast du einen herrlichen One-Shot geschrieben.

Das Thema Blütenmeer hast du zauberhaft dargestellt. Ich liebe Blumen und ihre Bedeutungen, davon kann man viel lernen und lieben. Die Charaktere Ken und Daisuke hast du perfekt eingesetzt. Ihre freundschaftlichen und romantischen Beziehungen waren so frisch und lebendig. Ach~, so ist halt meine Meinung. ;) Vieles konnte ich mir bildlich vorstellen und musste an einigen Stellen schmunzeln und lachen.

„Oi, Ken! Hör gefälligst auf dich zu verkriechen!“ Bei dem ersten Satz konnte ich mir ein Lachen nicht verkneifen.

„Mach dir keine Sorgen“, meinte Ken. „Das sind Freudentränen.“ Da musste ich Awwww machen :3 Dazu ist das Digimonbaby so niedlich ~ Das erinnerte mich an meiner Katze und ich, wo ich auch vor Freude weinte und Anita mich schnurrend ansah. *mein Herz geht auf*

„Motomiya Daisuke, willst du mich heiraten?“ Ich hatte es gewusst XD Die Zeichen davor sprachen dafür! Ich liebe solche Momente, wenn aus Fraunschaft Liebe wird. Das hast du herzhaft beschrieben und ich vergoss sogar dafür eine Träne. Meine beste Freundin ist das Gleiche passiert. Danke für den Moment der Erinnerung :)

Ich danke dir herzlich für den Ostern-One-Shot.
Frohe Ostern wünsche ich dir noch.

LG^^Rhaegal^^


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