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Begegnungen

von

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Kapitel 4
 

Oh Mann, was hatte ich mir eigentlich gedacht? Gesellige Runde? Wenn jemand eh schon kaum mit anderen sprach, was wollte der dann in einer geselligen Runde?

Geräuschvoll landete meine Stirn auf dem Tisch. Ich hätte echt vorher nachdenken sollen.

„Ey, Kaoru, du aschst auf den Boden.“

Träge hob ich meinen Kopf und blickte in Dais grienendes Gesicht. Tja, der hatte gut lachen, er hatte heute ja vermutlich nicht einen treuen Stammkunden vergrault. Wobei ich einfach hoffte, dass Kyo mir meinen Überfall nicht übel nahm und trotzdem wieder vorbeikommen würde.

Langsam richtete ich mich auf und beförderte meine fast aufgerauchte Zigarette in den Aschenbecher auf dem Tisch.

„Soll ich noch eine Runde Bier bestellen?“

Kurz kam mir die Erinnerung an unsere letzten Barbesuche, die jedes Mal mit Kopfschmerzen für mich endeten. Allerdings – ach, was soll‘s. Über den richtigen Alkoholkonsum konnte ich auch ein anderes Mal nachdenken.

„Ja, bitte ein großes für mich.“
 

Als ich wenig später an meinem kalten Bier nippte, versuchte ich immer noch meinen Ärger über mich selbst zu verdrängen. Ich konnte es jetzt sowieso nicht mehr ändern. So wandte ich mich stattdessen an Dai, der gerade grinsend und mit funkelnden Augen auf dem Handy herumtippte.

„Und wie läuft es eigentlich mit… Wie hieß sie noch? Die von der Galerie eben.“

Den Blick, den Dai mir zuwarf, hätte man durchaus als empört bezeichnen können und brachte mich wiederum zum Grinsen.

„Yuki? Mensch, Kao, hörst du mir eigentlich zu?“, maulte er beleidigt. „Das hab ich dir letztens erzählt.“

Das mit dem Nicht-Zuhören hatten mir diverse Exfreundinnen schon an den Kopf geworfen. So zuckte ich einfach mit den Schultern und schmunzelte ihn weiter an, was Dai ein theatralisches Augenrollen entlockte. Was konnte ich denn dafür, wenn alle immer so viel erzählten? Konnte mir schließlich nicht alles merken. Wobei schweigende und mürrische Menschen es mir auch nicht leichter machten.
 

Seufzend lehnte Dai sich zurück und ließ kurz den Blick schweifen, ehe er mich wieder ansah.

„Es hat nicht gepasst, aber…“ Ein vielsagendes Grinsen machte sich auf seinem Gesicht breit. „... dafür habe ich letztens im Café die Nummer von der hübschen Bedienung bekommen.“

Diesmal verdrehte ich die Augen, wobei ich mir ein leises Lachen nicht verkneifen konnte. War ja klar.

„Na dann, ran an die Frau.“

„Bin schon dabei.“

Ich konnte gar nicht so schnell reagieren, wie ich Dais leuchtendes Handydisplay vor der Nase hatte, auf dem das Bild einer jungen, schwarzhaarigen Frau zu sehen war.

„Ähm, ja, hübsch.“

Wäre mir vielleicht ein wenig zu gewöhnlich und langweilig, aber ich war hier nicht der Gefragte. Grinsend packte Dai das Handy wieder weg und lehnte sich über den Tisch zu mir.

„Wir wollen uns nächste Woche treffen. Bin echt gespannt, aber sie wirkt bisher echt nett. Vielleicht sollte ich sie auch mal mitbringen… in unsere gesellige Runde.“

Bei diesen Worten lachte er erneut laut auf. Und er lachte mich definitiv aus. Aber ich konnte ihm nicht böse sein. Vorhin hatte er mich bereits fast fünf Minuten lang ausgelacht, als ich von meinem Tag berichtet hatte. Scheinbar schien ihn der Gedanke an die „gesellige Runde“ sehr zu amüsieren. Bei mir stellte sich jetzt wenigstens ein Lächeln ein, wenn auch nur ein müdes und resigniertes. Ja, nächstes Mal sollte ich wirklich drüber nachdenken, wie ich etwas formulierte. Aber wer den Schaden hatte und so weiter.

Dass die berühmte gesellige Runde für gewöhnlich – bis auf einige Ausnahmen – nur aus Dai und mir bestand, konnte Kyo nun nicht sofort ahnen. Außerdem hätte ich auch abgelehnt, wenn mich ein mehr oder weniger Unbekannter plötzlich auf ein Bier eingeladen hätte.
 

„Nun mach dir doch nicht so nen Kopf.“

Fast schon mitleidig sah mich Dai an. Er wusste einfach, dass ich solche Situationen zu gerne zerdachte.

„Ist doch nichts passiert. Und so wie du ihn bisher beschrieben hast, könnte ich mir sogar vorstellen, dass ihn das gar nicht weiter interessiert hat, sobald er bei euch raus war.“ Wahrscheinlich stimmte das sogar.

„Und du weißt doch: Aller guter Dinge sind drei.“

Verwirrt sah ich ihn an, ehe ich anfing zu lachen. Was dieser Spruch sollte, wusste ich zwar nicht, denn wenn Dai die Aufeinandertreffen meinte, hatten Kyo und ich diese Anzahl schon längst überschritten. Aber egal. Es war halt Dai und da kam immer mal etwas Unpassendes. Grinsend griff ich nach meinem Glas und trank einen großen Schluck.
 

*
 

Dennoch sollte er indirekt recht behalten.
 

Angewidert huschte ich einige Tage später durch die Eingangstür des Supermarkts und schloss schnell den Schirm hinter mir, ehe er noch anderen auf den Kopf tropfte. Was für ein Wetter. Ich hatte das Gefühl, komplett durchweicht zu sein, Schirm hin oder her. Und mir war kalt, obwohl es Sommer war, und ich in bester Jammer-Stimmung. Irgendwie wollte es die Woche einfach nicht so recht laufen. Erst vermieste mir das Wetter jedes Gassigehen und ich durfte beim Nachhausekommen immer die Wohnung wischen, da meine liebste Hundedame natürlich nicht warten konnte, bis ich sie abgetrocknet hatte. Zum anderen war mir gestern erst siedend heiß eingefallen, dass der Geburtstag meiner Mutter schon übermorgen war und ich noch dringend ein Geschenk brauchte, um nicht als absolut miserabler Sohn dazustehen, wenn ich am Wochenende zum Anstandsbesuch vorbeikäme. Glücklicherweise gab es aber direkt neben diesem Supermarkt einen recht umfangreichen 100Yen Shop. Somit war wenigstens eins meiner Probleme geklärt. Der letzte Grund, der mir die Laune verhagelte, war aber komplett meine Schuld und ließ mich immer unruhiger werden, sobald ich arbeiten war.

Kyo war seither nicht mehr im Laden gewesen. Gut, es waren ja auch erst wenige Tage vergangen und er hatte sicher auch besseres zu tun, als sein ganzes Geld für Musik auszugeben. Dennoch. Das ungute Gefühl, unserer immer besser werdende Bekanntschaft einen Knacks verpasst zu haben, blieb. Irgendwie kam das Bedürfnis in mir auf, mich entschuldigen zu müssen, was allerdings ziemlicher Quatsch war. Ich hatte nichts Schlimmes gefragt, doch irgendwie konnte ich Kyo diesbezüglich sehr schlecht einschätzen. Schwierige Sache.
 

In Gedanken vor mich hin brütend, schlängelte ich mich durch die Gänge. Es nervte mich selbst, dass ich mir darüber den Kopf zerbrach. Es gab Wichtigeres – Einkaufen beispielsweise. Schnell trat ich zur Seite, um eine Oma an mir vorbeizulassen. Es gelang mir dabei sogar etwas wie ein nachsichtiges Lächeln zu zeigen, als sie ihren Wagen vor sich hinmurmelnd an mir vorbeischob – nicht ohne dabei ihren Blick kritisch über meine tätowierten Arme gleiten zu lassen. Doch was interessierte es mich? Zügig trat ich in den nächsten Gang, auf der Suche nach Kikis Lieblingsfutter. Die verwöhnte Dame hatte mich heute früh mit Ignoranz gestraft, nachdem ich sie überzeugen wollte, ein Mal die günstigere Sorte auszuprobieren. In solchen Momenten wurde ich den Verdacht nicht los, dass an ihr eine Katze verloren gegangen war. Und nur deshalb stand ich hier und durfte wieder tief in die Brieftasche greifen, um es der Dame recht zu machen.

Seufzend hockte ich mich vor das Regal. Wenigstens sie sollte nicht auf mich sauer sein.
 

Plötzlich wurde mein Blick von etwas anderem angezogen als dem Hundefutter. Schwarz-weiß glänzende Boots standen unmittelbar neben mir. Das wäre kein Grund gewesen, auf sie zu achten, wenn nicht hier und da kleine bunte Bilder mit Monster-ähnlichen Geschöpfen darauf abgebildet wären. Und diese kamen mir sehr bekannt vor. Wie in Zeitlupe ließ ich meine Augen langsam nach oben zu dem Besitzer dieses außergewöhnlichen Schuhpaars wandern.

Obwohl ich es bereits geahnt hatte, konnte ich nur mit Mühe ein Zusammenzucken unterdrückten, als ich dem durchdringenden Blick begegnete, der auf mir ruhte. Kyo. Mir rutschte das Herz augenblicklich in die Hose. Mist, darauf war ich heute nicht vorbereitet gewesen.

Es schienen Minuten zu vergehen, in denen wir uns einfach schweigend anstarrten. Ich konnte seinen Gesichtsausdruck nicht deuten – irgendetwas zwischen kühl und abweisend. Erfreut schien er jedenfalls nicht zu sein. Und mir war es beinahe unangenehm, in seine dunklen Augen zu schauen.

Schließlich löste ich mich aus meiner Starre und erhob mich mühsam aus der Hocke. Eine ungewohnte Nervosität ergriff mich, als ich mich räusperte und damit unser Schweigen brach.

„Hey.“

Einen Moment lang passierte nichts und ich hatte schon Angst, er würde sich ohne ein Wort zu sagen, umdrehen und gehen. Doch dann veränderte sich sein Blick, verlor an Härte.

„Hey.“

Fast hätte ich aus Erleichterung heraus mit „Was für ein Wetter heute!“ geantwortet – wie es sich für den Meister des Smalltalks gehörte. Doch stattdessen sagte ich: „Tolle Schuhe. Unikate?“

Wenn ihn meine Frage überraschte, so versteckte er es gut. Ich glaubte, sogar ein kleines Schmunzeln in seinem Mundwinkel zu erkennen.

„Danke. Hab sie selbst designt.“

Da war sie nun: Meine offizielle Bestätigung, dass er wohl damals doch nicht nur Besucher bei der Ausstellung gewesen war.

„Echt cool“, bekräftigte ich meine vorherige Aussage noch einmal.

Wieder schwieg Kyo, ließ seinen Blick nur kurz nach unten zu meinen Händen wandern, die immer noch diverse Dosen umklammerten. Schließlich sah er mich prüfend an.

„Man könnte es glatt als unheimlich bezeichnen, wie häufig wir uns in letzter Zeit begegnen. Und vorher nie“, fügte er leise hinzu.

Dass ich verblüfft war, war eine Untertreibung. Ich wusste gar nicht, was ich sagen sollte. Kyo führte freiwillig Smalltalk mit mir? Oder so etwas in der Art. Jedenfalls waren das mehr Wörter am Stück gewesen als jemals zuvor. Und dann kam er gleich mit einer indirekten Frage zu meiner Person. Den leicht vorwurfsvollen Unterton ignorierte ich einfach, denn noch mehr hineininterpretieren wollte ich nicht.

„Kann sein. Bin erst vor wenigen Monaten hergezogen, vermutlich deshalb.“

„Ach so.“

Diesmal war das Lächeln offensichtlicher, wenn auch eine Spur zynischer. Mit einem Mal wandte er sich ab. Nach einigen Schritten blieb er stehen und warf mir über die Schulter einen schnellen Blick zu.

„Dann bis demnächst, Kaoru.“

Damit verschwand er zwischen den Regalen und ließ mich mit offenem Mund zurück.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Hi ^^
Da das letzte Kapitel so kurz war und nicht viel darin passierte, dachte ich, ich lade noch ein weiteres Kapitel hoch (auch auf Wunsch einer einzelnen Dame ^^;). Ich hoffe, es hat gefallen. Ich mags ganz gerne, weil Kyo auch mal etwas mehr Platz füllt.
Liebe Grüße
Luna
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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  yamo-chan
2020-11-28T08:18:12+00:00 28.11.2020 09:18
Ich bin nicht so schnell XD
Habe mich eben sehr gefreut, gleich zwei Kapitel vorzufinden. :)

Kyo scheint ja langsam aufzutauen.
Könnte mir vorstellen, dass es ihm eigentlich schon gefallen hat, eingeladen zu werden, auch wenn er natürlich um gesellige Runden einen Bogen macht.
Aber Kao hat damit mal sein Interesse signalisiert.

So süß <3
Antwort von:  QueenLuna
28.11.2020 15:00
Haha musst du doch auch nicht ^^ freu mich einfach, dass du es liest und dass es dir gefällt. <3

Tja wer weiß schon genau wie Kyo tickt *lach* Er braucht nur ein bisschen um aufzutauen ^^ mal sehen wie er sich macht

Liebe Grüße
Luna
Von:  totchi1312
2020-11-27T17:31:17+00:00 27.11.2020 18:31
Und schon wieder fertig mit lesen ;) hach ich finde die zwei so putzig...so wie kaoru könnte ich sein. Das wäre echt voll ich. Hoffentlich geht es bald wieder weiter. Ich bin ganz gespannt

Liebe Grüße
Antwort von:  QueenLuna
27.11.2020 18:34
kanns nur wieder sagen: verdammt bist du schnell xD vielen lieben Dank ^^
haha ja sind wir nicht alle ein bisschen Kaoru xD? ist schon putzig


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