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Fremde gehen

von

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Ein Jahr ist vergangen, seitdem Naruto aus meinem Leben komplett verschwunden ist. In diesem Zeitraum ist sehr viel passiert. Mein Leben ändert sich turbulent und ich glaube, die Transformation ist noch lange nicht abgeschlossen. Körperlich geht es mir seitdem irgendwie komisch. Ich habe erhebliche Schlafprobleme und kaum Hunger. Dadurch vergesse ich viel zu häufig zu essen und davon wird mir davon am Ende des Tages unfassbar schlecht. Einmal bin ich deswegen sogar umgekippt. Deswegen muss ich neuerdings relativ strenge Essenszeiten einhalten. Früher war es nicht nötig, jetzt hängt daran mehr oder weniger mein gesamtes Wohlbefinden. Tja, man wird mit der Zeit nur kaputter. Ansonsten kriege neuerdings ich ab und zu schon bei leichten Anstrengungen wie Treppensteigen plötzlich keine Luft. Alles, was darüber hinaus geht, ist dementsprechend noch schlimmer. Wenn das mit dem Essen relativ leicht nachzuvollziehen ist, beunruhigt mich das mit der Atemnot schon ein wenig. Die Arztuntersuchungen ergaben nichts. „Alles gut“, sagen sie immer. Sie loben mich für meinen Essensplan, verschreiben mir fleißig die Schlaftabletten gegen die Schlafstörung und sicherheitshalber einen Asthmaspray gegen die Atemnot. Der hilft übrigens gar nicht. Die Attacken stoppen genauso plötzlich, wie sie entstehen. Und die Schlaftabletten hauen richtig rein. Am nächsten Tag aufzustehen ist echt schwer. Man schmeißt sich aus dem Bett wie nasse Wäsche aus der Waschmaschine. Anschließend ist man den restlichen Tag wie betäubt und auf eine sehr unangenehme Art träge. Man hat das Gefühl, dass sich das Denken dadurch verlangsamt. Man nimmt alles wie durch ein milchiges Glas wahr. Sehr unangenehm. Aber ich muss sie nehmen, sonst komme ich nicht zur Ruhe. Aber mit Tabletten bin ich betäubt. Aber ohne die Tabletten…! Und so weiter. Man kann sich nur falsch entscheiden, was das angeht. Ein Teufelskreis.
 

Ansonsten wendete sich meine Wohnsituation wieder zum positiven. Ich konnte die kleine Projektwohnung Gott sei Dank relativ schnell aufgeben. Jetzt beziehe ich seit ungefähr einem halben Jahr eine wunderschöne 5-Zimmer Maisonette in den letzten Stockwerken eines Hochhauses. Der fantastische Panoramablick fesselt einen wahrlich. Die warmen sommerlichen Abende auf der Dachterrasse sind dadurch besonders angenehm. Daran anknüpft meine neue Familiensituation. Meine Kinder und ich wohnen jetzt endgültig getrennt voneinander, denn zwischen Sakura und mir ist es nun endgültig aus ohne jegliche Aussichten auf ein erneutes Zusammenkommen. Trotzdem sind wir immer noch formell verheiratet. Eine Scheidung ziehen wir erst, nachdem Sarada aus der Schule raus ist. So können wir sicher sein, dass unsere Kinder das gewohnte Umfeld nicht von jetzt auf gleich aufgeben müssen. Menma konnte wie geplant auf die Uni wechseln und Sarada kann wie gehabt ihren Schulabschluss machen. Hoffentlich passt es so für sie. Zumindest bleibt finanziell alles gleich. Wir behalten das gemeinsame Konto und so weiter. Außerdem war ich in den letzten Jahren allgemein nicht mehr so oft da. Deswegen hoffe ich, dass sich für die Kinder so gut wie nichts ändert. Trotzdem fühle ich mich sehr schuldig. Ich will nicht, dass meine Kinder unter der Konsequenzen von dieser Entscheidung leiden. Es war schon richtig so. Unsere Ehe war schon seit Jahren innerlich tot. Sakura hat es genauso empfunden. Dieses Auseinandergehen hat uns gegenseitig erlöst. Uns beiden ist ein riesiger Stein vom Herzen gefallen. Blöd ist nur, dass sich das auf unsere Kinder auswirken kann. Leider kann ich es nicht komplett verhindern. Dafür ist es jetzt leider viel zu spät.
 

Was die Beziehung zu meinen Kindern angeht, änderte sie sich auch. Da ich ja jetzt nicht mehr mit ihnen unter einem Dach wohne, ist es mir noch wichtiger geworden, dass wir uns gegenseitig füreinander Zeit nehmen. Ich will unbedingt, dass sie weiterhin ein fester Bestandteil meines Lebens sind. Sarada sieht es genauso. Komischerweise ist unser Verhältnis seit der Scheidung besser denn je. Sie besucht mich sehr oft in der neuen Wohnung. Ihr Zimmer in der zweiten Etage hat sie sehr enthusiastisch eingerichtet und jetzt ist es wirklich ihre Ecke. Jedes Mal, wenn ich das Zimmer betrete, spüre ich es. Über den Sommer hat sie sogar ein zweimonatiges Praktikum in meiner Firma gemacht, weil sie sich plötzlich für meine Arbeit interessierte. Sie kam in der Abteilung unter, in der ich früher die Leitung hatte. Sie hat dort allen ziemlich gut gefallen. „Uchiha Gene, aber sehr nett“ habe ich einmal bei einem Kaffeeklatsch überhört. Ließ mich schmunzeln. Während des Praktikums wohnte sie bei mir. Es war echt-echt cool. Unser Zusammenleben ähnelte eher einem von zwei Mitbewohnern, als einem vom Eltern und Kind. Morgens würden wir zusammen zur Arbeit fahren, abends würden zusammen rumhängen: kochen, Filme gucken, auf der Terrasse sitzen und dumme Spiele mit den vorbeifahrenden Autos spielen, über Gott und die Welt quatschen, sie würde mich was arbeitsrelevantes fragen und ich würde es ihr sehr gern erklären. Am Wochenende würden wir Sakura besuchen oder sie uns. Sarada hat sogar zwischendurch mit dem Gedanken gespielt, dauerhaft bei mir zu wohnen. Wenn sie möchte, dann fände ich es sehr schön. Ihre ständige Präsenz tat mir eindeutig gut. In diesem Zeitraum verbesserte sich sogar meine Schlafstörung. Wahrscheinlich lag es daran, dass mein Leben mit ihr deutlich ausgeglichener war. Für die eigene Tochter schmeißt man sich gern eine halbe Stunde früher aus dem Bett, um gemeinsam zu frühstücken, oder man macht gern früher Schluss, man kocht mit Freude was Gesundes oder geht sogar abends zusammen noch kurz spazieren. Für sich selbst macht man sowas meistens nicht. Da ist man zu faul für.
 

Mit Menma ist es leider überhaupt nicht so rosig. Seit der Scheidung er will er nichts von mir wissen. Anfangs würde er mit mir nicht mal ein Wort wechseln, wenn wir nebeneinander stünden. Immerhin redet er mit mir jetzt. Wahrscheinlich liegt es daran, dass meine Wohnung doch verlockend zentral liegt. So kann er nämlich nach einer heftigen Feier bei seinem alten Pops pennen, anstatt ins Studentenwohnheim am Stadtrand zu fahren. Meine Kids dürfen ja unangekündigt hier auftauchen und haben dementsprechend einen Ersatzschlüssel. Bis jetzt erscheint mein Sohn hier nur kurz und ausschließlich betrunken. Sobald er durchschläft, geht er einfach ohne sich groß mit mir auszutauschen. Trotzdem freue ich mich, ihn persönlich zu sehen. Seine Updates erfahre ich durch Sakura, wobei er letzter Zeit auch mit ihr nicht wirklich oft redet. Ich mache mir Sorgen um ihn. Sein Feiern empfinde ich mittlerweile als ein Ticken zu häufig. Ich habe aufgegeben, es anzusprechen, denn sonst sinke ich auf seiner Ignorierskala noch tiefer und das würde ich gern vermeiden. Ich bin mittlerweile keine Autorität für ihn. Ihn zivil zu etwas zwingen kann ich nicht. Ich habe lediglich finanzielle Druckmittel. Wenn ich diese einsetze, wird unserer Beziehung dadurch definitiv nicht geholfen. Da habe ich leider keine Kontrolle mehr. Alles, was ich tun kann, ist auf seine Vernunft zu hoffen. Wenn Sakura und ich alles richtig gemacht haben, dann sollte er welche besitzen.
 

Auf noch eine Sache bin ich besonders stolz. Ich habe endlich Narutos Stellenwert in meiner Welt verstanden. Ich habe ausgiebig über seine letzten Worte nachgedacht. Er hatte teilweise recht, was die Drama-Queen betrifft. Teilweise, weil ich nur manchmal so bin. Eigentlich werde ich äußerst selten so. Genauer gesagt, passierte sowas nur zweimal in meinem Leben. Das erste Mal flippte ich vergleichbar dramatisch aus, als ich überhört habe, dass die Harunos mich adoptieren wollten. Ich war damals 16, aber kann mich noch sehr gut an diesen Abend erinnern. Mir wurde so schlecht, dass ich mich übergeben musste. Danach habe ich mich in meinem Zimmer eingesperrt und starrte nur noch einen Punkt an. Meine Schläfen pulsierten schmerzhaft und die ganzen Monster aus meinem Kopf brachen frei. Sie sagten mir sehr viel an dem Abend. Dass ich ein gewaltfreies Zuhause nicht verdienen würde. Dass mein Dasein allen Mitmenschen nur Probleme bereiten würde. Dass ich allen nur zur Last fallen würde. Dass alles um mich herum kaputt ginge. Und dass das vielen Leuten ein unnötiges Leid zufügen würde. Und dass ich deswegen lieber für immer verschwinden sollte. Und was habe ich gemacht? Ich bin nachts abgehauen und zu einem Hochhaus gefahren. Dort hingen wir damals oft mit den Schulfreunden auf dem Dach rum. Ich wollte mir in der Nacht dort ernsthaft das Leben nehmen. Denn die Welt wäre ohne mich besser, wurde mir gesagt. Sakura hat für sowas einen sechsten Sinn. Wenn etwas brennt, spürt sie es. Ich habe bis heute keine Ahnung, wie zum Henker sie mich finden konnte. Jedenfalls konnte sie es mir erfolgreich ausreden. Nachdem die akute Gefahr vorüber war, ist sie selbst richtig schlimm zusammengebrochen. Da hat sie mir heulend erklärt, was für eine dumme Idee es war. Und dass mich umzubringen komplett egoistisch wäre, denn die verbleibenden müssten zwangsläufig mit dem Verlust klarkommen. Und abgesehen davon würden sich alle auf mich freuen und alle würden es gern machen und ich wäre keine Last und so weiter… dieser Moment und die Entwicklung danach haben mein Leben in eine komplett andere Richtung gedreht. Ähnliches passierte mit Naruto. Er tauchte in meinem Leben auf und jetzt ist es nicht mehr dasselbe. Glück, Liebe, Vergnügen, Geborgenheit… all das fällt mir bis heute ziemlich schwer. Ich selbst kann damit relativ schlecht umgehen. Noch komplizierter wird es, wenn jemand anders mir gegenüber solche Gefühle offen zeigt. Meine sichere Umgebung für sowas war immer Sakura. Sie kannte alle meine Macken und sie konnte sie gut handeln. Für eine ganze Weile fand sie diese Macken irgendwie süß. Sie hat oft betont, wie sehr sie meinen klaren Verstand schätzt. Und dadurch, dass sie selbst eher pragmatisch gestrickt ist, haben wir eine ganze Weile ziemlich gut funktioniert. Naruto war da ganz anders. Er hat seine Gefühle mir gegenüber sehr offen gezeigt und das hat mich ein Stück weit überfordert. Und dann kam noch diese peinliche Tatsache hinzu…
 

Ich habe mich halt zum ersten Mal ernsthaft in jemanden verliebt und es überhaupt nicht gecheckt.
 

Ich habe ihm am Trennungsfreitag sogar gesagt, dass ich diese Gefühle überhaupt nicht einordnen kann. Das war ja auch nicht gelogen. Denn das, was wir hatten, war irgendwie einzigartig. Es war rau, eckig und überhaupt nicht nachvollziehbar. Und es hätte mich bestimmt glücklich gemacht. Er hätte mein Ein und Alles werden können. Aber es war so krass überwältigend, dass ich damit nicht fertig werden konnte. Vermutlich weil ich immer noch irgendwo tief drin mich genauso minderwertig fühle, wie damals mit 16. Keine Ahnung, ob sich das jemals ändert. Vermutlich nicht. Manchmal passieren Dinge im Leben, die einen für immer brandmarken, und es lässt sich nicht rückgängig machen. Man trägt es für das restliche Leben mit sich rum. Aber es ist okay. Das macht eben einen aus und das gehört einem genauso, wie die guten Erfahrungen. Man muss damit nur einen geeigneten Umgang lernen. Dann passt es doch, oder?
 

Apropos, Umgang…
 

Ich habe letztens den Uzumaki angerufen. Das war eine dieser langen schlaflosen Nächte, weil ich schon wieder den Schlafmittelentzug durchziehen wollte. Danach habe ich übrigens aufgegeben, es immer wieder zu versuchen. In der Nacht habe ich viel über ihn, uns, unser komisches Miteinander und unsere Trennung nachgedacht. Da hatte ich nochmal dieses ätzende Stechen in der Brust verspürt. In der Nacht waren meine Schuldgefühle ihm gegenüber so extrem, dass ich mich am nächsten Morgen zu einer sehr frühen Stunde bei ihm meldete. Er dachte zunächst, ich wäre betrunken. Im Nachhinein hat mich gewundert, warum er überhaupt ranging und sogar zuhörte. Er ist nach wie vor ein bisschen komisch. Ich habe ihm gesagt, dass ich den Abschluss unserer Geschichte zutiefst unwürdig finde, und dass diese Tatsache mich so extrem plagt, dass ich mich zwangsweise in den Schlaf betäuben muss. Und wenn es ihm nichts ausmachen würde, würde ich mich bei ihm entschuldigen, diesmal aber anständig und nicht „ein wenig zu wenig“. Keine Ahnung, warum er sich dazu überreden lassen hat, aber er kommt in einigen Stunden vorbei und dann wird er mir ein letztes Mal zuhören. Ich bin richtig aufgeregt deswegen. Ich neige dazu, solche Dinge zu vermasseln. Diesmal kann ich es mir überhaupt nicht leisten, denn das Wichtigste muss endlich ordentlich gesagt werden.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Onlyknow3
2021-05-30T12:19:21+00:00 30.05.2021 14:19
Warum schreibt er sich nicht auf was er Naruto sagen möchte, aus reiner vorsicht. Doch das würde ihm Naruto dann wohl nicht abnehmen, was er ihm sagt. Weiter so, freue mich auf das nächste Kapitel.

LG
Onlyknow3
Von:  Scorbion1984
2021-05-29T20:03:28+00:00 29.05.2021 22:03
Bin gespanntxwas bei Ihrem Gespräch rauskommt.
Hoffentlich vermasselt er es nicht wieder.


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