Zum Inhalt der Seite

Vogelfrei

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Der Lohn

Enji wusste nicht, welches Gefühl in diesem Moment überwog – Verzweiflung, Trauer…Wut? Auf Kido? Natsuo? Sich selbst? Da waren so viele verschiedene Emotionen in ihm, dass er kaum noch Luft bekam. Der Gedanke, noch ein Kind verloren zu haben, verursachte einen unvergleichlichen Schmerz in ihm. Er lähmte ihn regelrecht, sodass er froh war, als Toshinori ihm sein Kind abnahm…denn er selbst wäre nicht fähig gewesen, auch nur ein Wort des Trosts von sich zu geben. Dafür stand er selbst zu sehr unter Schock.

„Oi! Was ist das denn für eine Trauerstimmung hier?“

Erst, als er die unverkennbare Stimme des Dämons vernahm…mit dem gewohnten Anflug von Heiterkeit und Spott…kam Leben in ihn. Die Harpyie. Richtig. Sie mussten die Harpyie töten. Sicher würde er sich besser fühlen, wenn er dieses abscheuliche Monstrum tötete. Der Hass schwelte in ihm wie ein neu entfachtes Feuer…verdrängte die erbärmlichen Gefühle, die ihn fesselten. Er würde sich besser fühlen, wenn er die Welt von dieser dämonischen Plage befreit hatte…egal, wie er ihn vom Himmel holen musste.

„Du wagst es…über den Tod meines Sohnes zu scherzen, du widerliche, abscheuliche Miss-“

Er hielt in seinem Wutausbruch inne, als er den regungslosen kleinen Körper in den Armen des Dämons erkannte. Shouto. Das Gesicht aschfahl, seine Kleidung mit Blut besudelt und…atmete er? Keiner rührte sich, alle sahen sie zu dem Dämon, der bei seiner Beschimpfung den Kopf schief gelegt hatte und nun trotzig wirkte.

„Tse…ihr Menschen habt es echt nicht so mit Dankbarkeit, was? Meine Güte…er lebt noch. Seht ihr ihn nicht atmen? Nein? Hier! So!“, plapperte der blonde Jüngling drauf los. „Seht ihr?“

Er packte den Jungen unter den Armen und schwenkte ihn hin und her, sodass dessen Kopf vor- und zurückschnappte – wie bei einer Puppe. Was beängstigend war – vor allem so weit oben über dem Boden. Nicht nur Enji blieb bei dem Anblick die Luft weg, auch Toshinori hörte er aufkeuchen.

„Dämon! Ich meine…Hawks…bitte…schüttle ihn nicht so durch und…du verletzt ihn, glaube ich, mit deinen Krallen…“

Der Dämon blinzelte verwirrt, ehe er bemerkte, dass sich seine Klauen in die Seiten Shoutos gebohrt hatten. Dieses verdammte Vieh würde ihn noch aufschlitzen…

„Ups…das tut mir jetzt wirklich leid“, kam es überraschend reumütig von dem Vogel und er nahm ihn wieder auf den Arm wie zuvor. „Auch die anderen Wunden…das war keine Absicht! Ich schwör’s! Aber mit den Klauen kann man schwer zupacken, ohne was anzukratzen, wisst ihr? Wobei ihr froh sein solltet! Wäre ich nicht zur Stelle gewesen und hätte ihn aufgefangen, wäre er auf dem Boden geplatzt wie ein überreifer Kürbis! Ui, das wäre ne Sauerei gewesen…und wenn ihr mal gehört hättet, wie der mir ins Ohr geschrien hat! Getreten und geschlagen wurde ich für meinen Einsatz! Da schuldet ihr mir jetzt aber wirklich so einen leckeren Eintopf, wie den, den ihr gestern hattet…meine Fresse, da war ich vielleicht neidisch…“

Stille legte sich über den Abhang, während sie den Dämon allesamt mit einer Mischung aus Verwirrung und Entsetzen ansahen. Sogar Natsuo hatte aufgehört zu schluchzen und starrte die Harpyie mit offenem Mund an.
 

„…Ihr seid uns hierher gefolgt und habt uns die ganze Zeit beobachtet?“, entkam es Aizawa ungläubig.

Der Dämon wackelte grinsend mit seinen buschigen Augenbrauen.

„Was soll ich sagen? Ich habe einen Narren an euch gefressen, wenn ihr versteht? Konnte ja keiner ahnen, dass ich hier auch noch spontan den Lebensretter spielen muss. Ihr habt echt Glück, dass ich euch niemals in dieses riesige Menschendorf gefolgt wäre – da hab ich lieber nach den Kinderchen geschaut. Süße Wonneproppen, nebenbei bemerkt~!“

Enji spürte Kidos Blick in seine Richtung, so als wartete er auf einen Befehl von ihm, doch die Wahrheit war, dass er gerade selbst überfordert war. Sie konnten den Dämon nicht angreifen, wenn dieser seinen Sohn in den Fängen hielt – davon abgesehen, dass nur Aizawa seinen Bogen mit sich trug. Aber wenn Shouto doch noch in die Tiefe stürzte, weil sie den Dämon provozierten…nein. Das Risiko war zu groß, sodass er sich selbst zur Ruhe mahnte.

„Genug der Albernheiten!“, grollte er gereizt. „Was willst du für mein Kind, Dämon? Sprich.“

Eben jener runzelte die Stirn.

„Du bist echt nicht gut im Zuhören, was? Eintopf! Den leckeren mit Wildschwein! Da ist mir richtig das Wasser im Mund zusammengelaufen…“, schwärmte der Jüngling und seufzte leise. „Und ich würde es bevorzugen, ihn einfach irgendwohin gestellt zu bekommen. Ohne List und Tücke. Immerhin bin ich so nett, dir deinen Sohn fast unversehrt zurückzugeben…wie hast du ihn noch gerufen? Shouto?“

Enjis Kiefer malmten geräuschvoll, während er um seine Beherrschung rang. Er nickte auf die Frage hin bloß, doch als der Dämon ihn nur abwartend ansah, atmete er besonders tief durch.

„…du kriegst deinen verdammten Eintopf, wenn ich mein Kind zurückbekomme. Einen ganzen Bottich meinetwegen. Darauf…hast du mein Wort…auch wenn ich dich lieber vom Himmel schießen würde. Jetzt gib mir Shouto!“

Der Dämon musterte ihn einmal von oben bis unten, ehe er zu seinem bewusstlosen Sohn herunterblickte. Sein Herz raste bei dem Gedanken daran, dass es sich das Monstrum anders überlegen könnte. Allerdings erfasste sein scharfer Blick dann Natsuo, der mit verheultem Gesicht still zugehört hatte.

„Ihr geht jetzt alle einen Schritt zurück. Aizawa wird seinen Bogen schön ablegen…und der Knirps da – ja, genau, du! Natsu-kun, richtig?“

Der Dämon lächelte seinen Sohn freundlich an, welcher hart schluckte, dann aber tapfer nickte – trotzdem dieses Untier einfach seinen Spitznamen gebrauchte.

„Du kommst an den Abhang…nicht zu weit natürlich. Wir wollen ja nicht, dass wieder einer fällt, hm?“

Er zwinkerte dem Jungen zu, was erneut die Wut in Enji schürte.

„Das wird er nicht tun! Er bleibt hier und du übergibst mir meinen Sohn!“, grollte er warnend, woraufhin der Dämon eine Braue hob.

„Ich kann Shouto-kun auch loslassen…“, meinte er gedehnt und löste langsam eine Kralle nach der anderen.
 

„Nein!!“, schrie Natsuo auf und schlug Toshinoris Hände weg, um sich an ihnen vorbeizudrängen. „Bitte tu ihm nichts! Bitte nicht! Ich…ich komme zu dir! Und…die anderen…werden wegbleiben. Ich verspreche es! Bitte lass ihn nicht fallen…bitte nicht…“

Die Harpyie hielt in der Bewegung inne, musterte seinen älteren Sohn ein paar Sekunden. Schließlich lächelte er wieder so freundlich und nickte dann.

„Du bist echt ein tapferer Junge, Natsu-kun. Keine Sorge…ich will ihm ja gar nichts antun. Sonst hätte ich ihn ja gar nicht erst gerettet. Das wäre ja Unsinn, hm? Sobald dein Vater und die anderen da ein paar Meter hinter dir stehen, gebe ich ihn dir. Ich bin ja schließlich ein lieber Dämon!“

Natsuo schluckte hart, warf ihnen aber einen eindringlichen Blick über die Schulter zu. Aizawa schmiss kommentarlos Bogen und Köcher ins Gras, machte sich daran, die geforderte Distanz zwischen sie zu bringen. Auch Kido und Toshinori gehorchten, sodass Enji nichts anderes übrig blieb, als dasselbe zu tun.

„…tu einem der beiden was und ich-“

„Jaja, schon kapiert. Deine Rache wird fürchterlich sein, du wirst mich töten…ich kenn das alles schon. Nun mal bisschen zackig auf eure Plätze – der Kurze hier kann jederzeit wach werden und wenn er wieder so ein Geschrei macht, lass ich ihn noch aus Versehen fallen.“

Er schnalzte mit der Zunge, fand das wohl noch witzig – im Gegensatz zu allen anderen. Angespannt beobachtete er, wie Natsuo näher kam, woraufhin auch der Dämon ihre Distanz verringerte. Er landete auf dem Abhang, faltete die Flügel auf seinem Rücken zusammen und beugte sich zu dem Jungen herunter. Vorsichtig übergab er ihm seinen Bruder, wuschelte Natsuo einmal durch die weißen Haare.

„Das nächste Mal musst du ihn retten, klar? Ich kann ja nicht immer da sein. Bin ja kein Held wie dein Vater“, meinte er zwinkernd und winkte Enji zu allem Überfluss auch noch dreist zu.

Enji ballte die Fäuste, hätte gerade alles für seine Armbrust getan; was sich dieses Federvieh hier erdreistete. Und überhaupt, warum hatte es seinen Sohn gerettet? Für Eintopf? Da steckte doch zweifellos mehr dahinter. Das wäre ja sonst…er fand nicht einmal passende Worte dafür.

Sein Sohn sah den Dämon an, dann seinen Bruder…und wieder den Dämon. Anscheinend wusste er nicht recht, was er sagen sollte, nickte dann verstehend.

„Mach ich…“, nuschelte er und die Harpyie lächelte.

„Guter Junge!“, rief er euphorisch, ehe er zu ihnen herüber schaute. „Einer von euch stellt mir den Eintopf genau hierhin, da, wo Natsu-kun steht. Einen ganzen Bottich, ja? Wie von dem grimmigen Rotschopf versprochen…“

Er zeigte dazu dreist auf ihn und zwinkerte ihm zu, woraufhin Enji spürte, wie die Wut erneut in ihm aufloderte. Dieser verdammte Vogel…er würde diesen schon noch zur Strecke bringen. Nur nicht heute…nicht, nachdem er Shouto gerettet hatte. Für…Eintopf.
 

„Den sollst du haben – denke aber nicht, dass mich das das nächste Mal davon abhält, dich vom Himmel zu holen!“, grollte er laut genug, was den Dämon zum Lachen brachte.

„Aww~“, gurrte dieser verzückt. „Noch nie hat mir jemand zauberhaftere Worte zugezwitschert…du bist ja ein richtiger Süßholzraspler, Rotschopf~! Traut man dir gar nicht zu, hehe…“

Enji starrte ihn an, wobei sein Gesicht zu brennen begann – er wollte gar nicht wissen, wie die anderen schauten, mied deren Blicke konsequent. Was zur Hölle sagte der abscheuliche Vogel da?! Das war doch gar nicht…

„Schweig still, du Schandmaul!“, zischte er diesen an, woraufhin der Dämon gackernd mit den Flügeln schlug, sich vom Boden abstieß.

„Schon gut…war doch nur ein kleiner Scherz! Meine Güte, sind wir aber empfindlich…“, meinte er amüsiert und ließ den Blick einmal über alle Anwesenden schweifen. „Ich freu mich aufs Abendessen~! Bis dann! Man sieht sich~!“

Und mit diesen Worten verschwand er mit kräftigen Flügelschlägen aus ihrem Sichtfeld. Enji fühlte sich für einige Sekunden wie gelähmt, hatte noch immer nicht verarbeitet, was hier soeben passiert war. Ein Dämon hatte sein Kind gerettet. Für Eintopf. Das glaubte ihm doch niemand – mit Ausnahme derjenigen, die hier bei ihm standen…er hielt inne, sah zu seinen Söhnen.

Rasch eilte er auf diese zu, kniete sich neben Natsuo, der den bewusstlosen Shouto hielt. Enji fiel ein Stein vom Herzen, als er dessen Atem vernahm – er lebte. Er war fast unversehrt und…lebte. Gott sei Dank…

„Oi…“

Enji blickte zu Natsuo, welcher auf seinen Bruder hinunter sah.

„…warum hat der Dämon ihn gerettet?“, hörte er ihn leise fragen. „Gibt es…auch gute Dämonen?“

Für wenige Sekunden wusste Enji keine Antwort darauf. Der Dämon, so ungehobelt und dreist er auch war, hatte sein Kind vor einem tödlichen Sturz bewahrt…er konnte es nicht einordnen. Alles in ihm weigerte sich, der Kreatur eine gute Seite zuzugestehen, sodass er abfällig schnaubte.

„Ich weiß nicht, was im Kopf eines Monsters vor sich geht, Natsuo…und ich will es auch nicht wissen. Sie sind hinterlistig und gefährlich, also denk nicht weiter darüber nach.“

Er sah, wie sein Sohn die Unterlippe vorschob, wohl nicht damit einverstanden war. Wenigstens hielt er einen Kommentar zurück, sodass Enji ihm einfach nur Shouto aus dem Arm nahm. Pure Erleichterung erfasste ihn dabei und er drückte sein Kind an seine Brust, schloss für einen Moment die brennenden Augen. Nicht auszudenken, wenn er noch eines verloren hätte…

Der Gedanke an Touya, welcher schon seit drei Jahren wie vom Erdboden verschwunden war, schnürte ihm den Hals zu. Nein. So etwas durfte nie wieder geschehen…und vielleicht hatte Toshinori Recht damit, dass er öfter hier sein musste. Wäre er es heute nicht gewesen, wäre auch der Dämon nicht erschienen und Shouto gestorben. Was auch immer der Grund war…das Vieh hatte seinen Sohn gerettet. Nicht, dass er deswegen seine Deckung vernachlässigen würde.
 

„Herr…es tut mir so leid“, kam es von einem leichenblassen Kido. „Es…das ist alles meine Schuld und wenn Ihr…egal, welche Konsequenzen es hat, ich werde sie ertragen.“

Enji musterte ihn einen langen Moment, ehe er laut ausatmete, um seinem Ärger Luft zu machen. Er kannte Kido und Onima seit Jahren und sie waren ihm immer loyal gewesen. Gute Männer, auch wenn das heute nicht hätte passieren dürfen.

„Ja. Es ist wirklich deine Schuld…und nochmal werde ich solch ein Versagen nicht dulden, verstanden?“, knurrte er, woraufhin Kido zusammenzuckte.

„Ja, Herr, ich…eh…nochmal?“

„Geh mir für heute aus den Augen. In Zukunft erwarte ich Besseres von dir!“, ranzte er den anderen Mann an, dessen Augen sich vor unverkennbarer Erleichterung mit Tränen füllten.

Auch das noch.

„Ja…ja, Herr, verzeiht, ich…natürlich! Ich werde Euch nicht wieder enttäuschen! Danke…ich danke Euch!“, würgte er gerührt hervor, ehe er sich schluchzend davonstahl.

Innerlich den Kopf schüttelnd sah er ihm nach, bis er Toshinoris und Aizawas Blicke auf sich spürte. Er funkelte die beiden an.

„Was?“, schnappte er aggressiv, woraufhin Toshinori lächelte.

„Das war nett von dir.“

„Hmpf…neue Leute zu suchen, erfordert mehr Aufwand, als mir lieb ist. Davon abgesehen…hättet ihr nicht weglaufen dürfen“, meinte er an Natsuo gewandt.

Dieser kaute auf seiner Lippe, schien aber nicht widersprechen zu wollen. Vielleicht fürchtete er, dass er ihn und Shouto anschrie, wenn er das tat. Enji konnte es ihm nicht verübeln, wenn er bedachte, wie oft er die Kinder schon wegen weniger angebrüllt hatte. Er war ein mieser Vater.

„Hn…ich bin jedenfalls froh, dass es euch gut geht“, brummte er daher etwas versöhnlicher und legte ihm kurz die Hand auf den weißen Schopf.

Natsuo sah irritiert und misstrauisch zu ihm auf, wehrte sich aber nicht gegen die Hand.

„…mh“, machte er bloß ausweichend, woraufhin Enji seufzte und die Hand wegnahm.

„Dein Bein sollte sich zuhause jemand ansehen…kannst du laufen oder soll ich dich tragen?“

„Geht schon“, nuschelte Natsuo, der wohl zu stolz war, um Hilfe anzunehmen.

Vermutlich weil er es war, der diese anbot, aber gut. Damit musste er wohl klar kommen. Er warf einen Blick zu Aizawa, der Bogen und Köcher wieder aufsammelte und diese schulterte, dann wieder zu ihnen stieß. So selten es auch vorkam…Enji war froh, wenn sie zuhause waren.
 

Zumindest schien Shouto von dem, was passiert war, nicht nachhaltig verstört zu sein. Er weinte nicht mal mehr, schien eher verwirrt zu sein, nachdem er wieder zu sich gekommen war. Als Natsuo ihm beschrieb, was passiert war, lauschte er ihm mit großen Augen und offenem Mund. Enji sparte es sich, den Jungen auszuschimpfen, und beließ es bei einem kurzen Tadel, der wohl auch ausreichte, um ihm bewusst zu machen, wie gefährlich sein Handeln gewesen war.

Nun…und wenn das nicht fruchtete, gab es da immer noch Rei, die nach der Geschichte vollkommen aufgelöst war und Shouto weinend an ihre Brust drückte. Das würde sicherlich für ein schlechtes Gewissen sorgen, so laut, wie seine Frau schluchzte. Bei dem Anblick wurde ihm flau im Magen, erinnerte es ihn doch an den Vorfall mit Touya…und einige andere Dinge, die zwischen ihnen passiert waren. Dinge, die zerbrochen und nicht mehr zu reparieren waren. Das hatte er mittlerweile begriffen, weswegen er nicht mal den Versuch unternahm, Rei irgendwie zu trösten.

Er wandte sich ab und verschwand Richtung Küche, um bei den Bediensteten den Eintopf in Auftrag zu geben – Kido sollte diesen später am Abend an den Abhang stellen. Dann war der Vogel zufrieden und er war diesem nichts mehr schuldig. Wobei er sich in der gleichen Sekunde fragte, wie Eintopf das Leben seines Sohnes aufwiegen sollte. Besser, er verschwendete keine Gedanken mehr daran.
 

In der Nacht fiel es ihm schwer, Schlaf zu finden, denn er kam einfach nicht zur Ruhe. Nicht, dass es je einfach gewesen war. Nicht in diesem Haus. Selbst früher nicht, als seine Eltern noch gelebt hatten. Es gab immer eine Art von Druck, die einen belastete. Einige Zeit lang war Toshinori seine Nemesis gewesen, die er zu bezwingen versucht hatte – vergeblich. Mittlerweile hatte er sich zwar nicht damit abgefunden, aber arrangiert. Sie konnten auch Rivalen im Guten sein, schließlich war der Blonde einer der wenigen, die ihn ernsthaft forderten…und zudem war er ehrlich. Wenn man so wohlhabend aufwuchs, wie es bei Enji der Fall gewesen war, kamen die Speichellecker ganz von allein, um ihren Vorteil rauszuschlagen. Toshinori war ein Straßenjunge gewesen, bevor er von mächtigen Leuten aufgenommen worden war – das hatte wohl seinen Charakter geformt.

Anfangs hatte er diesen Tölpel dafür gehasst, dass er ihm ebenbürtig war, obwohl er erst seit Kurzem Rang und Namen gehabt hatte. Er hatte dessen Talent nicht anerkennen wollen…denn es ging mit der Missbilligung seiner Eltern vonstatten. Versagen war inakzeptabel. Einer seiner Grundsätze, die ihn geformt hatten…und die er selbst jetzt nur schwer ablegen konnte. Vielleicht wäre Touya nicht weggelaufen, wenn er seine eigene Erziehung nicht auf seine Kinder projiziert hätte…

Enji seufzte genervt und drehte sich auf die andere Seite, starrte auf die Papierwand, durch die das Mondlicht schien. Dann schlug er die Decke zurück, erhob sich von seinem Futon – wenn er nicht schlafen konnte, würde er eben so lange im Onsen sitzen, bis sein Körper von der Wärme eingelullt war. Vielleicht würde er danach endlich schlafen können.

Ein Stich durchfuhr ihn, als er an Reis Schlafzimmer vorbeiging – vermutlich schlief Shouto wieder bei ihr im Bett. Etwas, das er anfangs zu unterbinden versucht hatte, da er den Jungen nicht verweichlichen wollte. Dieser sollte kein Muttersöhnchen werden. Zumal er vor einigen Jahren noch die Nähe zu seinem Weib gesucht hatte – vergeblich. Nach Shoutos Geburt hatte sich das gänzlich erledigt.

Gut, sie hatten auch davor nicht häufig miteinander geschlafen. Wozu auch? Er hatte vier Kinder mit Rei gezeugt und auch, wenn Touya davongelaufen war, hatte er noch zwei weitere Erben. Seine Blutlinie würde nicht so schnell untergehen, damit hatte er die Erwartungen erfüllt.

Enji entkleidete sich und wusch sich mit kaltem Wasser, um sich zu reinigen, ehe er rüber zum steinernen Becken ging, aus dem der Dampf aufstieg. Mit einem leisen Seufzen ließ er sich hineinsinken und lehnte sich entspannt zurück, während er den Blick gen Nachthimmel schweifen ließ.

Hätte man ihn gefragt, woran es lag, dass Rei und ihn praktisch nichts verband, dass sie einander mieden…er hätte es nicht aussprechen können. Es war zu viel passiert, als dass sie das noch hätten gerade biegen können. Dabei hatte er ihr damals nicht wehtun wollen…er hatte doch auch nicht gewusst, wie sowas funktionierte. Das hatte er erst später bei den Huren gelernt, die er noch heute lieber aufsuchte als seine Frau.

Wie erleichtert er damals gewesen war, als sich herausgestellt hatte, dass seine Zukünftige hübsch und klug war. Mit Blumen hatte er sie umworben, ihr den Hof gemacht…so, wie es die Etikette verlangte. Einige Male hatte sie ihn sogar angelächelt, doch ihre grauen Augen waren stets mit Traurigkeit gefüllt gewesen. Er hatte sie mit 17 geehelicht, sie war 14 gewesen…und die Hochzeitsnacht war das Schrecklichste gewesen, was ihm in seinem Leben je passiert war. Wie eine Porzellanpuppe hatte sie dort gelegen, sich nicht bewegt…nur ausgeharrt, bis er fertig gewesen war. Danach hatte sie begonnen, sich vor ihm zurückzuziehen. Oft hatte sie nachts neben ihm im Bett leise geweint und…er hatte es irgendwann nicht mehr ertragen. Verdammt…er hatte keine Ahnung von Frauen gehabt.

Rei war schwanger gewesen und er auf Missionen geschickt worden, um seinem Namen Ehre zu machen und seine Pflicht zu erfüllen. Er war bei keiner Geburt anwesend gewesen, abgesehen von Shoutos, was mehr Zufall gewesen war. Vielleicht wäre alles anders geworden, wenn es nicht schon am Anfang so schrecklich schief gelaufen wäre. Aber das war es…und nun konnte er nicht mehr machen, als den Schaden zu begrenzen.

Enji schloss für einen Moment die Augen, während er voller Bitterkeit an seine vergangenen Fehler dachte…
 

Anscheinend war er für eine Weile weggedöst, bestimmt nur ein paar Minuten, doch es reichte aus, um ihm kurzzeitig die Orientierung zu nehmen. Er war wohl im Sitzen weggedämmert, den Kopf in den Nacken gelegt und sein Körper in sich zusammengesackt. Von dem heißen Wasser war ihm ganz schwindelig, sodass er einen Moment brauchte, um sich zu sammeln. Er richtete sich wieder auf, fuhr sich einmal mit der großen Hand durch das vom Dampf nasse Gesicht und blinzelte.

Unweigerlich erstarrte er, als er in zwei bernsteinfarbene Augen sah, die ihn ein wenig verdutzt anblickten.

„…“

„…“

„Ups…ich dachte irgendwie, du schläfst länger…“

Der Dämon grinste ihn schief an, während er dort, ihm gegenüber, auf dem Beckenrand saß und seine langen Vogelbeine im Onsen baumeln ließ. Seine dreckigen, mit Krallen besetzten Füße, die er sicherlich nicht vorher gereinigt hatte und…Enji sprang ruckartig auf.

„Was fällt dir e-“, wollte er losbrüllen, doch der Schwindel ließ ihn taumeln und seine Stimme heiser klingen.

„Oi, nicht so hektisch, Großer! Schön langsam, ja? Nicht, dass du dich noch ins Wasser übergibst. Wäre ja echt schade drum…und übrigens würde ich hier nicht so rumbrüllen. Du weckst noch deine Kinderchen…“

Er schüttelte tadelnd den Kopf und wedelte mit seiner Klaue herum, während er einfach dort am Beckenrand sitzen blieb. Vertraute das Vieh darauf, dass er ihm so dankbar war, dass er es nicht töten wollte? Das war sicher nicht der Fall...nur hatte er keine Waffe in Reichweite. Verdammt. Warum hatten seine Wachen den Dämon nicht bemerkt? Mit diesen Flügeln und der Größe…das Mistvieh war viel zu schnell, wie er nicht zum ersten Mal bemerkte.

„…schrei und ich schlitz dir hier und jetzt die Bauchdecke auf“, meinte der Vogel plötzlich mit einer so ernsten Miene, dass es ihn schauderte. „Setz dich, Mensch.“

Die unmenschlichen Pupillen wurden noch schlitzförmiger, erinnerten mehr denn je an ein Raubtier, das auf seine Beute lauerte. Reißzähne blitzten hervor, als der Dämon bis über beide Ohren grinste…und Enji setzte sich mit finsterem Blick. Er würde sich nicht kampflos ergeben, wenn ihn das Monstrum hier reißen wollte. Es wäre zwar aussichtslos, gegen es mit bloßen Händen zu kämpfen, aber…

Er hielt inne, als der Dämon in gackerndes Gelächter verfiel, wobei seine Miene wieder menschlicher wurde.

„Oh Mann…du hättest mal dein Gesicht eben sehen sollen! Ich meine…ich weiß ja, dass ich den bösen Dämon drauf habe, aber…dass das selbst bei dir funktioniert…ich hatte dich für so einen abgebrühten Kerl gehalten, der sich niemandem ergibt. Haha…oha…wenn Blicke töten könnten, was?“

Enji fühlte den Zorn in sich aufsteigen – und den Drang, diesen dreisten Vogel zu ertränken. Dann war das eben nur ein Spiel für diesen gewesen? Die Drohung? Er hatte noch nie ein Wesen getroffen, ob Mensch oder Dämon, das so undurchsichtig wie dieser war.

„Wer sagt etwas von sich ergeben, Dämon?“, knurrte er und funkelte ihn an. „Ich stürze mich nur nicht unbewaffnet und kopflos auf eine Kreatur wie dich. Deine Klauen könnten mich in der Tat aufschlitzen…“

„Da hast du allerdings Recht – auch wenn du mich verwunderst. Bisher hielt ich dich eher für den kopflosen Typen, der zu viel Temperament hat.“

Dabei zwinkerte ihm der Dämon auch noch unverschämt zu, während er weiterhin gelassen mit den Beinen in seinem Onsen hing und dies genoss. Das war wirklich eine bodenlose Frechheit…und vielleicht verharrte er deswegen ohne jegliche Anstalten im Wasser. Der Dämon war dermaßen schnell, dass er fliehen würde, sobald er nach den Wachen rief. Oder aber er machte seine Drohung am Ende doch noch wahr.

Was ging nur im Kopf eines solchen Wesens vor…was bezweckte es hiermit? Offenbar war der Vogel ja durchaus zu logischem Denken fähig, wenn man bedachte, wie er sie bisher an der Nase herumgeführt hatte. Dessen niederer Drang, zu jagen und zu fressen, schien mäßiger ausgeprägt, schließlich hatte es sie bislang nicht angegriffen. Im Gegenteil…
 

„Oje, wenn du es bezwecken könntest, würde ich jetzt wohl in Flammen aufgehen, was?“, scherzte der Dämon munter weiter und hob eine seiner Klauen aus dem Wasser, zeigte mit einem…krallenbesetzten Zeh auf ihn. „Dabei solltest du mir doch wirklich dankbar sein! Immerhin habe ich deinen Sohnemann gerettet!“

Enjis Kiefer malmte geräuschvoll.

„…und du hattest deinen Eintopf.“

Der Dämon ließ seine Klauen wieder ins Onsen sinken, seufzte dabei langgezogen.

„Oh komm schon! Als ob der das Leben deines Kindes aufwiegt…nein, nein, das kauf ich dir nicht ab. Du scheinst zwar eher der strenge Vater zu sein, aber ich hab gespürt, dass deine Panik heute am Abhang nicht gespielt war. Du liebst die drei Kleinen, hm?“, plapperte die Harpyie von Neuem los und wackelte dabei mit den buschigen Augenbrauen. „Kann ich dir nicht verdenken. Mann, ich wünschte wirklich, ich hätte auch Eltern, denen ich wichtig bin…da wird man ganz melancholisch.“

Dabei legte er eine Klauenhand an sein Kinn, rieb sich den gestutzten Bart, während er nachdenklich vor sich hinblickte. Was war das hier für ein Theater? Warum erzählte er ihm solche Dinge? Enji verstand dieses Federvieh einfach nicht. Er machte einen auf menschlich, schien sie zu verfolgen; spielte er bloß gern mit seiner Beute?

„Als ob deine Art dazu fähig wäre…“, brummte er dunkel, woraufhin der Dämon den Kopf auf die Seite legte und ihn musterte.

„Wozu? Ihren Nachwuchs liebevoll aufzuziehen? Nun, ich gebe zu…ich weiß dies nicht aus erster Hand, aber irgendwoher müssen ja auch wir kommen, hm? Einige von uns legen Eier und brüten diese aus, andere gebären wie ihr Menschen. Manche werden nach der Geburt gefressen, andere aufgezogen, bis sie stark genug sind…“

Enji verzog das Gesicht bei dem Gedanken daran, wie dieser schleimige Wurm, der ihn vergiftet hatte, aus einem Ei kroch. Ekelhaft.

„…warum erzählst du mir das?“, knurrte er nur, woraufhin der andere mit den Schultern zuckte.

„Ich bin ein gesprächiges, soziales Vögelchen – nur leider wollen die meisten Menschen nicht mit mir reden. Warum nicht die Gelegenheit nutzen? Nun, wo du mir so wehrlos ausgeliefert bist, haha…also, weiter im Text – willst du irgendwas über mich wissen, ja? Stell ruhig Fragen! Ich tausche mich wahnsinnig gern aus!“

Das konnte nur ein schlechter Witz sein. Was stimmte nicht mit dem Vieh…
 

„Deine Schwachstelle.“

Anscheinend hatte der Vogel nicht damit gerechnet, denn er stutzte sichtlich, blinzelte ihn an. Sein Mund schloss sich wortlos, während er nicht zu wissen schien, was er darauf antworten sollte. Sekunden vergingen. Dann zuckten die Mundwinkel des anderen nach oben und ein amüsiertes Funkeln trat in seine bernsteinfarbenen Augen.

„Ja, das wäre wohl eine Information, die dir gefallen würde, hm?“, meinte er und paddelte wieder ein bisschen mit seinen Füßen im Wasser herum. „Ganz schön fies von dir, mich immer noch töten zu wollen, nachdem ich…hach, was soll’s.“

Er machte eine wegwerfende Handbewegung mit der Klaue und seufzte theatralisch.

„Weißt du…die Wahrheit ist…ich bin unbesiegbar! Jawohl! Nicht totzukriegen, also auch keine Schwachstelle. Enttäuscht?“

Und dabei lächelte er ihn so zuckersüß an, dass Enji schlecht wurde. Außerdem musste dies eine aalglatte Lüge sein. Nun, er hatte darauf keine ehrliche Antwort erwartet. Man konnte über den Dämon ja sagen, was man wollte, aber intelligent war er.

„Unbesiegbar, huh?“, gab er gleichgültig und damit auch provokant zurück. „Wohl kaum, so oft, wie du vor uns geflohen bist. Wärst du dazu nicht in der Lage…hätten wir uns längst deinen Kopf geholt.“

Scheinbar hatte er den Stolz der Kreatur verletzt, denn diese sah ihn entrüstet an.

„Bitte? Das glaubst du doch selbst nicht, Mensch! Wenn ich nicht so nachsichtig mit euch wäre, würdet ihr unter der Erde verwesen! Ihr habt eure Waffen…aber ohne die…nun, man sieht, wie du mir gerade ausgeliefert bist.“

„Glaub mir, Dämon, ich verlasse mich nicht nur auf meine Waffen. Deine Krallen sind gefährlich…aber nimmt man sie dir, bleibt bloß ein schmächtiger Jüngling übrig.“

„Oh, du unterschätzt meine Kraft…“, gab der Dämon mit einem Grinsen zurück. „Und davon abgesehen...ändern reine Spekulationen nichts an den Tatsachen. Ich habe Klauen und du nicht.“

„Wir haben schon ganz andere Dämonen bezwungen. Dagegen bist du ein kleiner Fisch.“

Das stimmte sogar, wenn er an einige Monstrositäten dachte, die Toshinori und er erlegt hatten. Viel größer, viel mehr Zähne…so wie der Wurm letztens, wenn auch ohne nennenswerte Intelligenz oder Beweglichkeit. Die menschenähnlichen Dämonen, die waren es, die einem gefährlich werden konnten, schon aufgrund ihres täuschenden Aussehens…aber das musste er dem Vogel ja nicht auf die Nase binden.

„Und dennoch jagt ihr mir vergeblich nach, hm? Deine Provokation wirkt bei mir nicht, Rotschopf. Tut mir ja leid, aber ich hab dann doch lieber Köpfchen als eine abscheuliche Fratze oder Gift im Körper – und eigentlich ist es das, was du am meisten fürchtest, nicht wahr? Dass ich einen auf nett mache und dir oder deinen Freunden dann die Eingeweide rausreiße. Oder noch schlimmer…deiner Familie. Auch wenn ich nicht weiß, ob du wirklich an deinem Weibchen hängst. Es ist doch bei Menschen nicht üblich, in getrennten Zimmern zu schlafen?“

Enji wusste bei dieser unverschämten Frage zunächst nicht, was er dazu sagen sollte. Was fiel diesem gefiederten Monster ein?! Leider hatte er genau ins Schwarze getroffen – zumal das auch noch bedeutete, dass er ihnen wirklich nachgestellt hatte.

Der Dämon schien sich seines wunden Punktes entweder nicht bewusst zu sein oder er wollte ihn zusätzlich provozieren, denn er legte nachdenklich die Klaue ans Kinn, strich über seinen gestutzten Bart.

„Zumal ich sie ja dann noch viel einfacher töten könnte, wenn du sie allein lässt – eh, nicht, dass ich das vorhätte, keine Sorge! Ich sag ja, ich fresse keine Menschen. Also ich meinte eigentlich damit, dass man sein Weibchen und den Nachwuchs beschützen sollte. Dämonen halten es jedenfalls so – abgesehen von denen, die ihre Weibchen töten. Wobei es ja auch solche gibt, die ihre Männchen fressen. Wirklich gruselig, wenn man so drüber nachdenkt. Mh…jedenfalls habe ich bei deinem Weibchen Tränen gerochen. Ich glaube, es geht ihr nicht so gut. Da solltest du dich vielleicht mal drum kümmern?“

Enji ballte unter Wasser die Fäuste, fühlte die heiße Wut in sich brodeln, während der Vogel weiterplapperte. Nein. Das war keine Unwissenheit, oder? Und selbst wenn, hatte dieser darüber nicht zu urteilen. Was fiel diesem Vieh ein?!

„Ich weiß ja nicht viel über menschliche Belange und so, aber vielleicht machst du ihr Geschenke? Vielleicht lächelt sie dann mal wieder?“

Enji konnte und wollte sich nicht länger beherrschen. Zu groß waren Zorn und Schuldgefühle, welche er sonst immer ganz gut verdrängen konnte. Gerade war dies nicht der Fall.

„Halt den Mund!“, zischte er und konnte sich nur schwer beherrschen, nicht zu brüllen. „Das geht dich Ausgeburt der Hölle überhaupt nichts an! Und natürlich befürchte ich, dass du einen von uns früher oder später tötest! Einem wie dir zu vertrauen, ist glatter Selbstmord! Da kannst du dich noch so menschlich aufführen, du bist nicht wie wir! Also rede nicht von meiner Familie!! Wage es nicht, dich ihnen je wieder zu nähern oder einem von uns nachzustellen!! Und jetzt verschwinde, ehe ich das Risiko in Kauf nehme und dir mit bloßen Händen den Hals umdrehe!!“

Zum Ende hin war er doch lauter geworden und tatsächlich hatte dies einen Effekt auf den Dämon. Sein Grinsen fiel, der Blick veränderte sich, verlor die Heiterkeit und…ja, das war Bitterkeit. Eine Bitterkeit, die er selbst oft fühlte, dem anderen aber nicht zugestehen wollte. Niemals.

„Schon verstanden“, hörte er den Dämon ungewohnt knapp sagen, ehe er die Beine aus dem Wasser schwang und sich erhob. „Mein Fehler. Ich vergesse ständig, wie undankbar und verbohrt eure Art ist. Nun, immerhin konnte ich ein bisschen das Onsen genießen. Das war die Rettung deines Sohnes wohl wert.“

Er spreizte die roten Flügel, sodass sie noch größer wirkten, jedoch hatte Enji nicht das Gefühl, dass dies eine Drohung darstellen sollte. Auch, wenn er es nicht wahrhaben wollte, so wirkte der Dämon niedergeschlagen. So, als würden ihn seine Worte…verletzen? Dabei hatten diese Wesen keine Gefühle. Sie kannten nur Instinkt und Trieb.

„Bevor deine Männer von deinem Geschrei angelockt werden und das hier eskaliert, hau ich wirklich lieber ab“, riss ihn der Dämon aus den Gedanken und erhob sich mit einigen Flügelschlägen in die Luft. „Man sieht sich. Oder so.“

Und bevor Enji antworten konnte, war er am Nachthimmel verschwunden. Es machte die Situation nicht unbedingt weniger seltsam. Vor allem, da Enji nun das unangenehme Gefühl bekam, dass er einen Fehler begangen hatte. Dabei hatte er das nicht. Kein bisschen. Er war im Recht…und er wusste wirklich nicht, warum es sich nicht auch so anfühlte. So eine Scheiße…



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (1)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von: Lichtregen
2021-03-11T20:48:49+00:00 11.03.2021 21:48
Huhu!
Das Kapitel ist eines meiner liebsten bisher. Es hat genau die richtige Mischung aus Action bzw. Post-Action, Charakterisierung, Humor und natürlich SexyEnji. XD Aber der Reihe nach.
Enji hat mir in dem Kapitel am besten gefallen. Seine ehrlichen Gefühle in Anbetracht des vermeintlichen Todes seines Sohnes... dann der Wechsel zu Hass und Wut, als Hawks, dreist, wie er ist, herumshakert und mit den Leidenden spielt. Wie er seine Krallen langsam löste, oh Mann... Man möchte ihm einfach nur durch die Haare wuscheln, weil er es doch nur gut meint. Nur die Umsetzung (für die er wegen seiner Krallen ja nichts kann) war halt nicht so toll. Aber besser ein paar Kratzer als Matsche...
Enji ist ja schon ein wenig undankbar, dass er ihm später im Onsen immer noch an den Kragen will, obwohl das Leben von Shouto mit einem Eintopf wirklich nicht aufzuwiegen ist.
Hawks im flirty Modus hat Enji auch ganz schön aus der Bahn geworfen. Kommt ja nicht alle Tage vor oder nie, dass man ihn einen Süßholzraspler nennt.
Dass Enji nicht der Herzloseste ist, hat er ja auch gezeigt, als er seinen Leibwächter nicht gefeuert hat. Was ja selbst Toshi, der an der Gute in Enji glaubt, überrascht hat.
Und endlich erfährt man schließlich auch aus erster Hand, was wirklich zwischen Enji und Rei passiert ist. Ist echt nicht einfach und da ist wohl nichts mehr zu retten. Immerhin ist es aber nicht gänzlich Enjis Schuld in der Hinsicht, dass er sie misshandelt hätte. Das war halt damals so, dass die Mädchen so früh verheiratet und Mütter wurden. Das sehe ich jetzt nicht als Enjis Versagen, sondern eher das der Gesellschaft. Gepaart mit Reis ohnehin schon schlechter geistiger Verfassung, was ihr dann noch den Rest gegeben hat. Okay, ein liebevollster Ehemann, der auch zuhause gewesen wäre, hätte ihr bestimmt besser getan. Aber dass Kindererziehung und das Haus in Schuss Halten reine Frauensache war, ist ja oft noch heute so, also früher umso mehr.
Meine Lieblingsszene war natürlich die, wo Hawks wie ein Spanner am Beckenrand hockt und Enji anstarrt und dann noch kackendreist zugibt, dass er ihn beobachtet hat und es gerne noch länger getan hätte. XD Ganz zu schweigen davon, dass er seine dreckigen Krallen mit Sicherheit nicht gewaschen hat, bevor er sie ins Becken getaucht hat. XD Da würde ich auch ausrasten.
Und wie Hawks dann den bösen Dämon mimt... das hätte ich ihm an Enjis Stelle auch sofort abgekauft.
Hawks tat mir auch echt leid, als er so melancholisch meinte, er hätte auch gerne Liebende Eltern. Bis Enji ihm dann noch den finalen Stoß versetzt (also nicht so einen, du verstehst ;D) und nach seiner Schwachstelle fragt. Da hat mein Herz geblutet. Enji, du unsensibler Holzkopf!!
Immerhin kann Hawks auch austeilen, als er Enji auf sein eisiges Verhältnis zu Rei anspricht, auch wenn es eher unbeabsichtigt ist, dass er hier einen wunden Nerv trifft. Jedenfalls darf sich Enji erst mal ein paar Ratschläge und das von einem Dämon anhören. XD
Kein Wunder, dass Enji da zurückschlägt, und zwar unter der Gürtellinie, indem er Hawks an den Kopf wirft, dass er niemals menschlich genug sein wird, um gleiche Gefühle haben zu können.
Gerade die Szene im Onsen, wo sich Hawks und Enji mal nur zu zweit unterhalten oder eher bedrohen und fertig machen konnten, hat mir gut gefallen. Das war so auch (davon abgesehen, dass ein Enji im Onsen immer eine gute Wahl ist) eine gute Situation, um ein Gespräch aufzubauen, ohne dass Enji gleich wieder seine Waffen abfeuert. XD
Und deinen dreisten Hawks liebe ich sowieso. :)
:-*
Dein Alibert


Zurück