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Herz über Kopf

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Ihr habt es wahrscheinlich schon bemerkt, dass ich meine Geschichten stets ungefähr in der Zeit der Serie spielen lassen. Soll heißen: Internet, Handys und so ein bequemer Kram gibt es bei mir nicht oder spielen zumindest keine Rolle. In diesem Kapitel wird es mal wieder deutlich. Stellt euch so die mittleren 90er Jahre vor (1986+10). Man kann nicht mal eben googeln, wo ein Viktor Uesugi seine (digitalen) Spuren hinterlassen hat und wenn man beim Telefonieren den Platz wechseln wollte, musste man hoffen, dass das schwarze Telefonkabel am Apparat lang genug war. Komplett anzeigen

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Grüße aus Sapporo

Drei Monate später
 

Mit einem erleichterten Aufatmen schließt Elsa die Tür ihres Elternhauses hinter sich. Für einen Moment lehnt sie sich dagegen und schließt die Augen. Endlich zu hause. Hinter ihr, in Osaka, liegen Wochen von nervenaufreibendem Auf und Ab. Harmonische Tage hatten sich abgewechselt mit Zeiten voller Gereiztheit und Ärger. Es geht einfach nie lange gut. Dabei versucht sie wirklich ihr Bestes. Aber in letzter Zeit entdeckt sie Seiten an sich selbst, die sie bisher so an sich gar nicht gekannt hatte. Ein paar Tage bei ihren Eltern sollen die alte Elsa zurückbringen, so hofft sie. Ein paar Tage kein Mario, keine Sarah, keine Erinnerungen.
 

„Du siehst gar nicht gut aus, Elsa.“ Mit mütterlich besorgter Miene stellt Frau Daichi ihrer Tochter eine Tasse Tee vor die Nase und setzt sich anschließend zu ihr an den Küchentisch. „Ist es seit eurem Streit immer noch nicht besser geworden.“

Elsa seufzt. „Wir haben uns nicht gestritten, Mama. Jedenfalls nicht wirklich.“

„Nicht? So hattest du dich damals ausgedrückt.“

„Streit kann man das nicht nennen“, Elsa blickt verlegen zur Seite, „Seit… Seit einigen Monaten ist viel los. Mario ist ständig mit dem Verein beschäftigt. Seine Gedanken kreisen quasi ausschließlich darum.“

„Stimmt, das hat Gregor erzählt. Das Team hat wohl eine schwierige Phase hinter sich. Wenn ich es richtig verstanden habe, waren nicht alle damit einverstanden, dass Mario Kapitän wird, nicht wahr?“

„So in etwa. Der Wechsel kam etwas… abrupt. Das hat die Mannschaft ziemlich durcheinander gebracht. Das war eine harte Zeit für Mario.“

„Und da hatte er natürlich wenig Zeit für seine Freundin“, schmunzelt Frau Daichi und sieht verständnisvoll auf ihre Tochter.

„Hmmm“, macht diese nur, „Und in der wenigen Zeit, in der wir uns gesehen haben, geraten wir ständig aneinander.“

„Redet er etwa nur über Fußball?“

„Das nicht, aber irgendwie geht er mir mit Allem furchtbar auf die Nerven. Es ist nicht so, dass er nicht nett zu mir wäre, Mama. Ich glaube, er gibt sich sogar richtig Mühe, aber trotzdem macht er seit Wochen alles nur falsch.“ Sie seufzt noch einmal laut.

„Nun ja, so eine Verantwortung kann eine Person schon verändern.“

Elsa schaut gedankenverloren in ihre Teetasse. „Ich glaube, es liegt eher an mir“, murmelt sie, „Ich habe das Gefühl, als würde ich ihn ständig mit jemandem vergleichen.“

„Wie lange möchtest du denn bleiben?“, ändert ihre Mutter das Thema.

„Bin mir nicht sicher. Ich muss mal auf andere Gedanken kommen. Ein paar Tage. Ist das in Ordnung?“

„Du bist unsere Tochter, Elsa. Du kannst so lange bleiben, wie du willst. Dies hier ist immer noch dein zuhause.“

„Danke“, murmelt sie wieder in ihre Tasse, während Frau Daichi aufsteht und etwas vom großen Notizbrett nimmt.

„Bevor ich es vergesse: Das hier ist letzte Woche für dich angekommen“, sagt sie und legt ihr eine Postkarte auf den Küchentisch. „Erst dachte ich, es ist nur Werbung, aber dann habe ich gesehen, dass sie von Hand geschrieben ist. Vielleicht kannst du ja etwas damit anfangen.“

Mit gerunzelter Stirn nimmt Elsa die Karte in die Hand. Auf der Vorderseite ist eine hell erleuchtete Stadt unter einem wunderschönen, nächtlichen Sternenhimmel abgebildet. ‚Grüße aus Sapporo‘ steht in verschnörkelter Schrift darunter. Sie dreht die Karte um. In sauberen Zeichen steht dort ihr Name ‚Elsa Daichi‘ und die Adresse ihrer Eltern. Daneben, wo sonst viel Platz für Grüße, Wetter- und Hotelbeschreibungen ist, steht nur eine Reihe Zahlen und ein Haken.

Elsa schaut auf in das ratlose Gesicht ihrer Mutter, dann zurück auf die Karte.

Und dann begreift sie. Ihr Herz schlägt mit einem Mal hart gegen ihre Brust. Sie holt tief Luft. „Kann ich mal telefonieren?“

„Natürlich.“

Aber Elsa hat sich bereits das Telefon von der Kommode im Flur geschnappt, wickelt das lange Kabel ab und verschwindet mit dem Apparat im Büro ihres Vaters. Sie setzt sich auf den Fußboden, den Blick fest auf das Telefon vor sich gerichtet. Mit zitternden Händen nimmt sie den Hörer ab. Es ist kein Wunder, dass ihre Mutter mit den Ziffern auf der Karte nichts anfangen konnte. Es handelt sich nicht um eine normale Telefonnummer, sondern um eine Handynummer. Die sind noch neu und unüblich. Und der Haken unter der Nummer ist kein Haken, sondern ein V. Elsas Lippen zittern. V wie Viktor.

Dies wäre das erste Lebenszeichen, seit er sie vor Monaten zwischen all den tanzenden Schneeflocken zurückgelassen hatte. Den ganzen Winter lang hatte niemand etwas von ihm gehört. Keiner in der Mannschaft weiß, wo er steckt. Selbst Conny, seine Schwester, schüttelt immer nur traurig mit dem Kopf, wenn man sie nach ihrem Bruder fragt. Und nun hält sie diese Postkarte in der Hand. Sie wirkt wie eine Verbindung in eine andere Welt.

Elsa atmet noch einmal tief durch, dann wählt sie die Nummer. Unendliche Sekunden lang hört sie nur den Wählton.

„Hallo?“

Ein Blitz durchfährt ihren Körper, als sie seine Stimme hört.

„Hallo Viktor“, sagt sie leise.

„Elsa? Bist du es?“ Die Verbindung rauscht etwas.

„Ja. Ich habe deine Karte bekommen. Ich bin gerade bei meinen Eltern. Bist du wirklich auf Hokkaido?“

„Ja, bin ich. Elsa, es ist schön deine Stimme zu hören…“
 

Später am Abend liegt Elsa im Bett in ihrem alten Kinderzimmer. Das Telefon steht wieder neben ihr. Sie hat die Decke über den Kopf gezogen und spricht leise in den Telefonhörer.

„Ich vermisse dich so.“

„Elsa, ich bin 1.000 km weit entfernt, ich habe keinen Kontakt mehr zu irgendjemanden aus Osaka oder Wakayama und trotzdem kann ich dich nicht vergessen. Du glaubst nicht, wie oft ich hier Frauen mit kastanienbraunem Pferdeschwanz begegne und jedes Mal denke ich, dass du es bist.“

Sie kichert leise. „Ich kann schon gar nicht mehr in die Unicafeteria gehen. Jedes Mal, wenn ich sie betrete, sehe ich dich dort an der Kaffeemaschine stehen.“

„Bin ich jetzt an einem gehörigen Kaffeedefizit Schuld?“

„Du bist an allen Defiziten Schuld.“ Elsa hebt gespielt tadelnd den Zeigefinger vor den Telefonhörer. „Ich bekomme nichts mehr hin, seit du weg bist.“

„Es tut mir Leid, Elsa. Wenn ich gewusst hätte, wie sehr ich dich vermisse, dann wäre ich nicht gegangen. Ich hätte den Kampf gegen Mario aufgenommen. Koste es, was es wolle.“

„Nein Viktor, du hattest mit allem Recht. Wir hätten alles kaputt gemacht. Für die anderen ebenso.“

„Ist nicht schön, Recht zu haben...“

„Ich wäre jetzt gerne bei dir.“

„Dann würde ich dich nicht mehr gehen lassen.“

„Das müsstest du auch nicht. Ich würde nicht mehr weggehen wollen.“

Viktor seufzt nur. Sie hört das Rascheln seiner Bettdecke durch den Telefonhörer. Wenn sie die Augen schließt, ist es, als würde er neben ihr liegen. Sie erinnert sich wieder an diesen einen Moment, in dem sie gemeinsam unter einer Bettdecke gelegen haben. Eng beieinander, seine Wärme, seine Haut auf ihrer.

„Viktor…“

„Ich wünschte du wärst hier.“

„Ich auch“

Elsa schließt die Augen. Und noch bevor sie die Tragweite ihrer Worte wirklich realisiert, hört sie sich selbst sagen: „Viktor, ich komme zu dir.“

„Was?? Bist du verrückt?“

„Ja, ich bin verrückt. Ich halte es nicht mehr aus ohne dich. Ich komme nach Sapporo.“



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Kommentare zu diesem Kapitel (6)

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Von:  Push
2022-06-06T18:22:13+00:00 06.06.2022 20:22
Na endlich, Rike! Ich hab schon gewartet! 😎
Antwort von:  Centranthusalba
06.06.2022 20:56
Jaja, hat etwas gedauert. Sorry. Mir ist da eine andere Story dazwischen gekommen, die ich erst runterschreiben MUSSTE. Ging nicht anders. (Kommt morgen)
Hat sich die Warterei wenigstens für dich gelohnt?
Antwort von:  Push
07.06.2022 01:41
Jep! Ich fänd ja noch die Jahreszeit interessant, wo das passiert…immerhin schneit es in Hokkaido sehr früh und viel…*hust* Schneeflocken, anyone?
Antwort von:  Centranthusalba
07.06.2022 07:04
Wir sind jetzt im Frühjahr.
Antwort von:  Push
08.06.2022 00:28
Dann liegt da vermutlich echt noch Schnee 😂😂😂
Von:  Tasha88
2022-06-06T18:19:49+00:00 06.06.2022 20:19
Oh man :/ es tut mir schon echt leid. ..Elsa muss es ja echt schlecht gehen ...
Liebeskummer ohne Ende... und dann sind da noch Mario, dem sie ja trotzdem die "heile Welt" vorzuspielen versucht und auch Sarah, der gegenüber sie sich ja auch nichts anmerken darf.
dass ihre Mutter nicht darauf eingeht, dass Elsa Mario mit einem anderen vergleicht fand ich auch interessant - ich hätte nachgebohrt ;p

und dann ist da VIktor. Es scheint ihr sofort besser zu gehen ... und jetzt kommt also das Ende ... das Ende von Elsa und Mario, dafür ein Neustart mit Viktor - aber er wird sie glücklich machen ;)
Antwort von:  Tasha88
06.06.2022 20:26
oh, und ich wollte noch sagen, dass Mario einen schweren Start als Kapitän hatte - eigentlich ist das doch selbstverständlich - ich meine, er ist schließlich damals für Viktor und dem Frieden der Mannschaft zurückgetreten - Viktor hat ihn mehr oder weniger als sein Nachfolger ernannt (was ja keiner sonst mitbekommen hat aber egal) - es tut mir leid ... erst da den Stress, dann versucht er sein bestes für Elsa und weiß noch gar nicht, dass er sie schon verloren hat ...

Sorry, du weißt, er ist mein Liebling >.<
Antwort von:  Centranthusalba
06.06.2022 21:02
Mario hat’s hier halt schwer. Ich gebe mir aber alle Mühe, ihn nicht zu blöd dastehen zu lassen.😊

Puh, gut, dass Elsas Situation gut rübergekommen ist. Ich hatte mir alle möglichen Situationen ausgedacht und doch war nichts gut genug um das direkt darzustellen. Daher so in einer Art „Zusammenfassung“.
Und dass ihre Mutter nicht nachbohrt… sagen wir, sie hat es nicht richtig gehört, weil Elsa das eher zu sich selbst gesagt hat. 😉
Ach die Postkarte… ich glaube, das war wirklich das erste hiervon, bringt mein Herz immer noch zum klopfen 😍

Ach und: wird er. Versprochen. 🤩
Antwort von:  Tasha88
06.06.2022 21:07
ich weiß doch ^^
oh man ... aus so eine kleinen Szene ist so etwas großes entstanden *-*
Von:  Devilvegeta
2022-06-06T16:28:10+00:00 06.06.2022 18:28
Verrückt? Keinesfalls! Verliebt!!!!! :))
Was macht man nicht alles wenn man verliebt ist 😍😍😍
Antwort von:  Centranthusalba
06.06.2022 18:38
Herz über Kopf halt 😉


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