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Oh Tannenbaum

von

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Romantik für Anfänger

„Damit kommst du zu mir?“, runzelte Seth die Stirn. „Von Romantik habe ich keine Ahnung. Hast du in meiner Ehe mit deiner Mutter nicht aufgepasst?“

„Die Hoffnung stirbt zu Letzt!“, brummte Seto vor sich hin. Leider hatte sein Vater Recht mit dem was er sagte. Wieso fragte er ihn überhaupt? Er musste wirklich verzweifelt sein, wenn er nach einem so dünnen Strohhalm griff.
 

„Wenn ich aus dem Nähkästchen plaudern soll…“ Seth fiel es nicht leicht über Gefühle zu sprechen, aber wenn sein Sohn ihn schon um Hilfe bat, wollte er ihn nicht enttäuschen. „Für romantische Stimmung sorgt meistens Yasuo. Er kocht zum Beispiel.“

„Aha, und was?“ Kochen sollte also romantisch sein?

Seth wurde verlegen. „Vor ein paar Tagen hat er ein tolles Essen gekocht, Kerzen auf den Tisch gestellt und leise Musik lief im Hintergrund. Wir haben uns lange unterhalten, über alles Mögliche. Das machen wir oft.“, fing Seth an zu schwärmen. „Dann…“ Was tat man nicht alles für seinen Sohn. „Zum Nachtisch hat er kleine Kuchen in Herzform auf den Tisch gezaubert, die…“ Musste er ausgerechnet mit Seto darüber reden? Mit Yasuo konnte er das ohne Probleme, aber mit seinem Sohn? „Da war ganz viel Sahne drauf und ich bin auf den Gedanken gekommen, was man alles damit anstellen kann. Mit Sahne kann man wirklich viel machen und…“

„Du willst mir jetzt nicht erzählen, dass du ihn flachgelegt hast?“

„Ähm…doch! Das war romantisch, weil es spontan kam…von mir.“
 

Seto rieb sich das Nasenbein. „Das hilft mir nicht. Atemu will nicht von mir ins Bett gezogen werden, sondern etwas romantisches erleben.“

Seth überlegte mit vielen Falten auf der Stirn weiter. „Fragen wir das Internet!“

Bevor Seto etwas erwidern konnte stand sein Vater auf und ging in sein kleines Büro, welches an das Wohnzimmer angrenzte. Dort setzte er sich an den Schreibtisch und schaltete den Computer an.
 

Seto setze sich interessiert daneben. Kurze Zeit später waren beide Kaibas in die Weiten des Internets vertieft und klickten alles an, was ihnen sinnvoll erschien.

Sie bemerkten nicht, wie Yasuo ins Zimmer kam und den beiden über die Schultern schaute. „Romantik für Anfänger!“, las er laut vor und schaute den verdutzen Seth glücklich an. „Willst du mich etwa überraschen? Wow, diese Jahreszeit ist voller Wunder. Dabei ist das überhaupt nicht dein Ding. Ich kann es kaum erwarten.“ Er gab dem geschockten Seth einen sanften Kuss auf die Wange und verließ fröhlich das Zimmer.
 

Seto beugte sich ein Stück nach vorn und wedelte mit der Hand vor dem Gesicht seines Vaters herum. „Alles okay?“

Ganz langsam drehte Seth seinen Kopf nach rechts und schaute in Seto’s blaue Augen, die seinen so ähnlich waren. „Wie konntest du mir das antun?“

„Bitte was?“ Seto glaubte im falschen Film zu sein, als sein Vater aufsprang und unruhig durchs Zimmer tigerte. „Jetzt erwartet Yasuo etwas Romantisches von mir! Darin bin ich eine Niete. Was soll ich denn jetzt machen?“
 

„Willkommen im Club.“, brummte Seto vor sich hin. „Lass uns einfach weitersuchen. Wie wäre es mit einem Forum? Da tummeln sich unzählige Idioten mit romantischen Ideen. Yasuo springt bestimmt auf alles an was du machst und Atemu wird sich mit dem zufrieden geben müssen, was ich ihm präsentiere.“

„Das ist doch keine Präsentation eines… Vergiss es, bleibt mir sowieso nichts anderes übrig. Dank dir hänge ich mit drin.“ Konzentriert suchten die Kaibas weiter und verwarfen eine Idee nach der anderen. Die einen waren vom Aufwand zu groß, die anderen erschienen den beiden zu blödsinnig. „Wer kommt denn auf die Idee hundert Luftballons aufzupusten, nur um sie über eine kitschige Torte fliegen zu lassen.“, ließ Seth seinen Ärger raus.

„Oder das hier.“, war Seto nicht besser gelaunt. „Ein vornehmes Restaurant in dem die Kellner ein peinliches Lied trällern.“

„Schlimmer geht es nicht.“, pflichtete Seth bei. „Schau dir das an. Hundert rote Rosen. Wenn die alle verwelken muss man das ganze Grünzeug wegwerfen.“

Seto nickte mit finsterem Gesicht. „Wenn schon Blumen, dann nur ein kleiner Strauß. Der lässt sich leichter entsorgen.“
 

*
 

In der Zwischenzeit hatte sich Yasuo ins Schlafzimmer zurückgezogen und blätterte seinen Terminkalender durch. Fieberhaft suchte er nach dem Tag, der für Seth so wichtig war. Bisher tappte er im dunkeln und Seth ließ sich nicht aus der Reserve locken. „Ich habe mir nichts dazu notiert. Wir waren letztes Jahr noch nicht zusammen, woher soll ich also wissen welchen Tag er meint?“ Was für ein Tag konnte es nur sein? Gestern hatte er Seth noch mit etwas anderem ablenken können, aber ewig ließ er sich nicht hinhalten. „Ich weiß das er schon im letzten Jahr in mich verliebt war und ich keinen Plan davon hatte.“ Wenigstens war Seth fürs erste beschäftigt. Die Aufgabe etwas romantisches zu machen, würde ihn für mindestens einen Tag ablenken. Etwas Besseres konnte ihm nicht passieren. „In Romantik stehst du halt auf den Schlauch, mein lieber Seth.“
 

*
 

„Wie wäre es denn damit?“, schlug Seth vor.

Seto wurde aufmerksam. „Das könnte funktionieren, aber…ist das nicht zu wenig?“

„Papperlapapp, das ist genau das richtige für uns. Lass uns sofort das Unkraut kaufen gehen.“

„Das nennt sich Mistelzweig.“
 

*
 

Egal wie oft Atemu sich seinen Weihnachtsbaum ansah, er wurde nicht besser. „Hoffentlich sieht er mit der neuen Lichterkette besser aus.“ Schon den halben Tag vibrierte sein Smartphone und genau das war auch der Grund für seine miese Laune. Einer nach dem anderen sagte ab, weil sie entweder beruflich eingebunden waren, oder über Weihnachten verreisten. „Ich sollte Zigfried Bescheid sagen das die Feier nicht stattfindet.“ Geknickt schlurfte Atemu zur Haustür und ging einige Stockwerke nach unten.

Dort klopfte er an die Tür und nach kurzer Wartezeit öffnete sie sich. „Guten Tag, Atemu! Was verschafft mir die Ehre?“, grüßte Zigfried und bat seinen unerwarteten Gast hinein.

„Ich will nicht lange stören.“

„Du störst mich doch nicht.“ Sofort ging Zigfried in die Küche und bereitete zwei warme Getränke zu.

Mit einem Tablett in der Hand kam er nach kurzer Zeit wieder und stellte es auf den Tisch. „Was führt dich zu mir? So wie du schaust, scheinen es keine erfreulichen Nachrichten zu sein.“

Dankbar nahm Atemu seinen Tee entgegen. „Meine Feier wird nicht stattfinden. Die meisten haben abgesagt und ich möchte euch nicht die Zeit stehlen.“

Zigfried winkte ab. „Shiro und ich würden uns dennoch geehrt fühlen. Dann verbringen wir eine Feier im kleinen Kreis. Es braucht nicht viele Leute um sich zu amüsieren.“ Zigfried hielt inne und schaute in seinen grünen Tee. „Weißt du… Ich mag es nicht unter vielen Menschen zu sein und ich bin offen gestanden erleichtert. Ich Feier lieber mit dir, Seto und euren Vätern. Das ist doch viel netter und man kann sich ungestört unterhalten.“

„Dann lass uns das machen. Es wird bestimmt eine schöne Feier.“ Es waren nur wenige Worte, aber sie reichten aus damit Atemu sich besser fühlte. Von dieser Seite hatte er das vorher nicht gesehen und nun flammte die Freude wieder in ihm hoch, doch noch eine kleine Party veranstalten zu können.
 

Beide zuckten zusammen, als sich plötzlich die Tür öffnete und ein wutschnaubender Shirotani hineinstürmte. „Diese gottverdammten Idioten.“, fing er an zu fluchen während er sich von seinem Mantel befreite.
 

„Shiro Schatz“, zeigte sich Zigfried besorgt. „Warum bist du so aufgewühlt?“

„Seine Kekse kamen nicht an.“, schlussfolgerte Atemu und traf ins Schwarze.
 

„Die haben sich der Reihe nach über mich beschwert.“, fing Shirotani an zu erzählen und setze sich mit verschränkten Armen neben seinen Freund auf die Couch. „Einer hat sich sogar übergeben, dieses Weichei.“
 

„Die waren eklig, auch wenn ich es nicht gerne zugebe.“ Zigfried’s Kekse schmeckten hingegen köstlich, die Atemu sich gerade zu Gemüte führte. Waren sie etwa mit Anis?
 

„Ich habe dir davon abgeraten, aber du wolltest nicht hören.“, fing Zigfried an seinen Freund zu tadeln.

„Ich wollte nur meine Ruhe.“, maulte Shirotani stock beleidigt. „Der Chef hat total überzogen reagiert und mich für heute nach Hause geschickt. Ich soll über mein Verhalten nachdenken und mich morgen bei allen entschuldigen.“, äffte er seinen Chef nach. „Ich bin doch nicht im Kindergarten.“

„Wenn du dich nicht entschuldigen möchtest ist das deine Entscheidung.“
 

Atemu war erstaunt wie gelassen Zigfried das nahm. Allerdings schien Shirotani das Ganze nicht so locker zu sehen, denn er sprang auf und lief aufgebracht hin und her.

„Ich entschuldige mich nicht bei diesen Idioten.“

„Brauchst du auch nicht, mein Schatz.“

„Wie können die es wagen mich zu verpetzen?“

Zigfried schlug gelassen die Beine übereinander, während er seinen Tee trank. „Sie haben sich nicht getraut es dir persönlich mitzuteilen. Allein deine Ausstrahlung ist Grund genug dir aus dem Weg zu gehen.“

„Feige sind sie auch. Passt zu diesen verlogenen petzen.“

„Selbst, wenn du dich entschuldigst, werden sie in Zukunft mehr Respekt vor dir haben.“, überlegte Zigfried gespielt. „Du hast dieses Spiel eindeutig gewonnen.“

Shirotani nickte eifrig. „So sehe ich das auch. Ab morgen weht ein anderer Wind.“
 

Atemu lehnte sich ein Stück zu Zigfried rüber und flüsterte ihm leise zu. „Hast du ihn gerade dazu gebracht sich zu entschuldigen?“

„Aber natürlich.“, zwinkerte Zigfried. „Man muss nur sein Ego kitzeln und ihm im richtigen Moment zustimmen. Morgen sieht die Welt wieder besser für ihn aus.“
 

Lächelnd trank Atemu seinen Tee. So gelassen wie Zigfried wäre er auch gerne. Allein die Ruhe, die er ausstrahlte beruhigte einen. So ging es Shirotani offenbar auch. Mit einer Tasse Tee setze er sich wieder und fragte seinen Freund nach seinem Tag. Das Thema war wohl vom Tisch und eine entspannt Unterhaltung begann.
 

*
 

Nie wieder würde Seto während der Weihnachtszeit einkaufen gehen. Wie Tiere stürzten die Leute sich auf die Angebote und eine Frau riss ihm sogar ein Päckchen aus der Hand. „Ich möchte gleich meinen Kaffee trinken und…“ Kaum hatte Seto die Tür aufgeschlossen schaute Atemu ihn mit einer Lichterkette in den Händen auffordernd an. „Ernsthaft?“

„Wir wollten sie doch austauschen!“

„Wollten wir das?“ Warum konnte er das denn nicht alleine machen?
 

„Warst du einkaufen?“ Atemu deutete auf die weihnachtliche Papiertüte, die Seto neben der Couch abstellte. „Ja… so kann man das sagen.“ Das war eine Schlammschlacht sondergleichen.

„Hast du etwas Romantisches ergattern können?“, fingen Atemu’s Augen an zu strahlen. „Du hast dir echt etwas einfallen lassen?“

„Hoffentlich…“ Seto war sich nicht mehr so sicher, was sein Gestrüpp anging. Die Erwartungen, die Atemu an ihn stellte schienen doch höher zu sein als er vermutete.

„Ich freue mich drauf. Wann willst du es mir zeigen?“

„Ähm…bald. Lass dich überraschen.“

„Gern.“

Seto schaute nachdenklich auf seine Papiertüte. Diese Idee schien doch nicht das wahre zu sein.
 

„Lass uns bitte die Lichterkette anbringen. Sie hat im Gegensatz zu der Alten verschiedene Effekte. Ich bin gespannt wie sie am Baum aussieht.“
 

Aufwerten würde es die zerrupfte Tanne ganz bestimmt nicht. Warum musste er mithelfen? Irgendwas musste er verbrochen haben, um das zu verdienen. „Dann lass uns anfangen, Atemu.“, damit wir schnell fertig werden.

Wieder einmal fügte sich Seto seinem Schicksal und machte sich daran den Baumschmuck abzunehmen. Mit jeder Berührung rieselte ein Schwall grüner Tannennadeln auf den schönen blauen Teppich.

„Du musst vorsichtiger sein.“, mahnte Atemu über die Fahrlässigkeit seines Freundes.

„Ich hab sie kaum berührt.“

„Mach einfach langsamer.“

Na toll, auf diese Weise dauerte es noch länger. Innerlich zählte Seto von hundert abwärts, sonst würde er noch durchdrehen.
 

„Unglaublich wie viele Kugeln und Figuren auf so einen Baum passen, oder?“

„Das ist in der Tat unglaublich.“ Endlos viele, um genau zu sein. „Hast du die Lichterkette einmal eingeschaltet?“

Atemu nickte eifrig. „Zweimal passiert mir nicht der gleiche Fehler.“

„Da bin ich mir bei dir nicht so sicher.“, lachte Seto, was Atemu gekonnt ignorierte.
 

Nach zwei endlosen Stunden hatten sie es vollbracht. Der Baum stand fertig geschmückt und erleuchtet in ihrem Wohnzimmer, aber die Freude darüber blieb bei beiden aus.

Die meisten Nadeln lagen auf dem Boden und hinterließen kahle Zweige.

„Er sieht merkwürdig aus.“, stellte Atemu fest.

„Vielleicht sollten wir mehr Lametta kaufen.“, überlegte Seto. „Oder einen neuen Baum.“

„Ich will nicht noch einmal schleppen.“, winkte Atemu ab. „Außerdem möchte ich nicht ein viertes Mal schmücken müssen.“
 

„Wie du meinst.“ Dann blieb ihm nichts anderes übrig, als mit dieser Tanne zu leben. Bis keine einzige Nadel mehr dranhing. Spätestens Neujahr würde sie im hohen Bogen über die Balkonbrüstung fliegen. Dann hieß es auf nimmer wiedersehen.
 

„Ich habe dir noch nicht gedankt.“
 

Verwundert schaute Seto seinen Freund an. „Wofür denn?“

„Naja…du hast mit mir drei Mal den Tannenbaum geschmückt, der mit jedem Mal schlimmer aussah. Das hätte nicht jeder gemacht.“ Verlegen schaute Atemu in diese blauen Augen, die er so sehr liebte. „Diese beiden Tage werde ich nie mehr vergessen, denn sie haben mir gezeigt, wie sehr du mich liebst. Auch wenn ich dich viele Nerven gekostet habe, werde ich mich gern zurückerinnern.“

Sprachlos, aber glücklich nahm Seto ihn in die Arme und warf einen verstohlenen Blick zu seiner Tüte, an deren Inhalt er immer mehr zweifelte.

„Seto? Lass uns noch viele dieser schönen Erinnerungen schaffen.“ Atemu löste sich ein Stück und schlang seine Arme um Seto’s Hals. Sanft fing er an die heißen Lippen zu küssen, die gerne auf dieses Spiel eingingen. Normalerweise übernahm Seto die Führung, doch Atemu ließ ihm keine Chance. Er knabberte, leckte leidenschaftlich über seine Lippen. Erkundete neugierig seine Mundhöhle und zog ihn immer fester an sich heran.

Für Seto war dies Belohnung genug. Die Wellen, die Atemu durch seinen Körper jagte fühlten sich unglaublich gut an. „Wenn du nicht aufhörst...“

„Ich weiß“, nuschelte Atemu und sah seinen Freund mit verschleiertem Blick an. „Worauf wartest du?“
 

*
 

Auch Seth hatte sich einen Tannenbaum gekauft, in der Hoffnung er würde seinen Mistelzweig aufwerten. Geschmückt hatte er ihn noch nicht, denn zunächst wollte er sein Unkraut aufhängen. Er platzierte es über der Terassentür, um zu schauen ob es passte. „Das fällt kaum auf. Darüber freut er sich bestimmt nicht.“ Betrübt machte Seth sich an den Christbaumschmuck und fing an seine Tanne zu dekorieren.
 

„Du fängst ohne mich an?“, platze es aus Yasuo empört raus, als er durch die Haustür schritt.
 

Erschrocken wirbelte Seth herum. „Du bist zu früh.“

„Eher zu spät. Wir wollten doch zusammen schmücken. Ich weiß doch wie wichtig dir das ist.“ Yasuo packte seine Taschen zur Seite und zog sich Jacke und Schuhe aus.

„Schon, aber…“

„Was aber? Ich helfe dir.“ Yasuo sah sich die Tanne von oben bis unten an. „Die geht ja fast bis zur Decke. Wird unser Baumschmuck denn reichen?“

„…ich weiß es nicht.“

„Wenn er nicht reicht, kaufen wir noch welchen dazu. Oh, du hast sogar eine blaue Girlande geholt.“ Mit Blick in den Karton stellte Yasuo fest, dass Seth ihre Auslage an Baumschmuck erweitert hatte. „Unsere Tanne wird also mit blauen und weißen Kugeln geschmückt sein. Ah, ein paar silberne sind auch dabei.“
 

Seth stutze kurz als Yasuo aufsprang und in einem der Schränke herumkramte um einen Fotoapparat zu holen. „Lass uns Erinnerungen festhalten. Das ist unser erstes Weihnachtsfest und das möchte ich in Erinnerung behalten.“

Seth senkte den Kopf. „Eigentlich ist es das zweite.“

Zuerst wollte Yasuo nicht darauf eingehen, doch dann entschied er sich um. „Wir haben uns letztes Jahr nur kurz gesehen, weil du da noch mit deiner Frau zusammen warst und wir waren zu diesem Zeitpunkt noch nicht zusammen.“

„Schon…aber…“

Yasuo fuhr unbeirrt fort. „Du wolltest mich an einen bestimmten Tag erinnern, aber leider weiß ich nicht welchen du meinst. Ich komme einfach nicht drauf.“

„Dann sag ich es dir.“ Seth war nicht böse deswegen, denn es war wirklich nur ein kurzer, aber wichtiger Moment für ihn.
 

~Ein Jahr zuvor an Heiligabend ~
 

Ausgerechnet an so einem Tag regnete es in strömen, obwohl der Wetterbericht Schnee angekündigt hatte. Klatschnass kam Seth am Wohnhaus seines Sohnes an. Das kurze Stück vom Auto bis hierher hatte genügt um ihn bis auf die Haut zu durchnässen.

Selbst seine Geschenke für Seto und Atemu hatten in ihrer Plastiktüte etwas abbekommen.

Am Hauseingang versuchte Seth sich sein Gesicht zu trocknen, was in Anbetracht seiner nassen Ärmel sinnlos war.

Seufzend klingelte er bei Seto und Atemu. Als keiner öffnete versuchte er es vier weitere Male. „Sind sie nicht zuhause?“ Seth’s Blick fuhr ein Klingelschild höher, auf dem der Name Katsuro stand. Dort wohnte Yasuo und allein dieser Gedanke ließ sein Herz höher schlagen.

Er schaute auf seine Tüte, worin sich seine Geschenke befanden. Die perfekte Ausrede. Entschlossen klingelte er dort und tatsächlich öffnete sich die Haustür.
 

Kaum war er oben angekommen schlug ihm das Herz bis zum Hals. Nicht aus Angst, sondern vor Freude. Ein kurzer Moment, nur einen Augenblick mit dem Menschen Zeit zu verbringen, der so viel für ihn bedeutete. Für ein paar Minuten die Realität ausblenden, die ihn gnadenlos gefangen hielt.

Er war verheiratet, zuhause wartete seine Frau Yumi auf ihn und sein Sohn Mokuba. Es war nicht richtig jemand anderen zu lieben und noch dazu einen Mann. Deshalb schloss er diese Gefühle so fest es ging in sich ein, damit niemand sie bemerkte.

Dennoch konnte er es kaum erwarten Yasuo zu sehen, der bereits an der Tür stand und ihn mit großen Augen anstarrte.

„Um Himmels Willen, was ist passiert? Du bist klitschnass.“
 

Seth lächelte schief als Yasuo ihn in seine Wohnung zog und schnell ein Handtuch holte.

„Willst du duschen? Ich gebe dir ein paar Klamotten von mir, sonst wird du krank.“

„Danke, ich habe nicht mit einem so heftigen Regenschauer gerechnet. Sind Seto und Atemu nicht zuhause?“ Er klang neutral, vielleicht sogar gelangweilt. Hauptsache niemand bemerkte seine innere Zerrissenheit.
 

Yasuo zeigte sich verwundert. „Sie sind ausgegangen. Hatten sie dir das nicht erzählt?“

„Oh, das habe ich vor lauter Arbeit anscheinend vergessen.“ Gott, schlug sein Herz laut. Ein einfaches Gespräch brachte ihn schon ins Schwanken.
 

„Du hast wohl zu viel gearbeitet. Wenn du willst kannst du hier auf sie warten. Ich mach dir einen heißen Tee, der wärmt dich auf. Du kannst dich in der Zwischenzeit umziehen.“

„Danke.“ Warum konnte er diesen Mann nicht haben? Ihre Beziehung zueinander war lediglich von freundschaftlicher Natur. Yasuo zeigte keinerlei Interesse an ihm und er selbst verhielt sich so neutral wie möglich.
 

„Ich hoffe du magst Ingwertee.“, kam Yasuo mit zwei Tassen ins Wohnzimmer. „Der beugt Erkältungen vor.“ Er stellte die Tassen auf dem Wohnzimmertisch ab und beäugte Seth kritisch. „Du hast dich nicht umgezogen? Brauchst du Hilfe?“

„Ich schaff das schon.“ Wie gerne würde er ja sagen.

„Soll ich rausgehen?“

„Nicht nötig.“ Schüchtern war Seth nicht. Seine Gedanken waren von ganz anderer, unanständiger Natur, doch Yasuo sprang nicht darauf an, egal wie viele Kleidungsstücke auch fielen. Teilnahmslos saß sein Objekt der Begierde in seinem Sessel und schaute in sein Handy.

Schmerzlich wurde ihm bewusst, dass das nur ein Wunschtraum bleiben würde. Er war verheiratet und Yasuo zeigte kein Interesse an Männern. Viele unüberwindbare Hürden, die er nur in seiner Vorstellung erklimmen konnte.
 

„Ist wirklich alles okay bei dir?“ Mit gerunzelter Stirn sah Yasuo Seth an, der halb angezogen vor ihm stand und auf den geliehenen Pullover in seinen Händen starrte.

„J-ja, ich habe nur überlegt wie ich Seto und Atemu die Geschenke geben soll, wenn ich sie heute nicht mehr antreffe.“

„Ich kann das für dich erledigen.“, bot Yasuo sich an. „Da fällt mir etwas ein.“

Seth folgte Yasuo mit seinem Blick, der kurz in seinem Büro verschwand und mit einem kleinen Päckchen zurückkam.

„Es ist vielleicht etwas kitschig, aber ich musste sofort an dich denken als ich es sah.“

Lange sah Seth das kleine rote Päckchen an, welches sich für ihn wie ein Geschenk des Himmels anfühlte. „Ich habe leider nichts für dich.“ Seth könnte sich Ohrfeigen. Er hatte gestern noch ein passendes Geschenk in den Händen gehalten, aber diese Idee verworfen, damit er keinen falschen Eindruck vermittelte.
 

„Das macht nichts. Los, mach es auf.“

Seth spürte Yasuo’s neugierigen Blick auf sich ruhen. Diesen kurzen Moment, der eine wunderschöne Ewigkeit andauerte, wollte er nie wieder vergessen. Es fühlte sich fast so an, als wären sie ein Paar. Besonders da Yasuo sich dicht neben ihn setze und erwartungsvoll in sein Gesicht schaute.
 

„Gefällt er dir?“, wollte Yasuo wissen.
 

„Ein Schlüsselanhänger? In Form eines weißen Drachen?“ Ratlos schaute Seth in Yasuo’s Rotbraune Augen. „Ich erinnere dich an einen Drachen?“

Hastig nickte Yasuo. „Du bist stark und passt nicht nur auf mich, sondern auch auf unsere Söhne auf. Genau dies symbolisiert dieser Drache für mich.“

Dieser scheußliche Tag wurde durch ein strahlendes Licht erhellt. „Ich werde ihn in Ehren halten.“
 

~Rückblende Ende~
 

Zunächst stand Yasuo stumm da und schaute auf den kleinen Schlüsselanhänger, den Seth fest in seiner Hand hielt. „Eigentlich sollte dich diese Erinnerung glücklich machen, aber dein Gesicht sagt etwas anderes, Seth.“

Seth schüttelte den Kopf. „Ich muss nur daran denken, was gewesen wäre, wenn ich dir früher meine Gefühle gestanden hätte.“

„Das wäre eine turbulente Weihnachtszeit geworden.“, überlegte Yasuo. „Du solltest nicht zu sehr in der Vergangenheit leben, wenn sie dich nur unnötig belastet.“ Yasuo schnappte sich eine weiße Kugel, in dessen Glanz er sich spiegeln konnte. „Lass uns den Baum schmücken damit du auf andere Gedanken kommst.“
 

Es gab keinen Grund an früher zu denken, das sah Seth ein. Er war glücklich und sein Leben verlief so, wie er es sich immer gewünscht hatte. Seine Frau hatte einen anderen, noch bevor sie sich trennten. Für beide war die Scheidung das beste gewesen und beide konnten von sich behaupten endlich ihr wahres Glück gefunden zu haben.
 

„Ist das ein Mistelzweig?“, runzelte Yasuo die Stirn, weil er den Platz über der Terrassentür etwas merkwürdig fand.
 

Seth schluckte leer. „Ähm…j-ja…das ist einer. Ein kleiner grüner Mistelzweig, den man kaum sieht.“

„Warum küsst du mich dann nicht?“, empörte sich Yasuo halb im Ernst.

„Musst du nicht drunter stehen?“ Was redete er denn da? Als ob sie es so genau nehmen würden. Dafür ließ er sogar den kleinen Anhänger fallen, der lautlos auf den Teppich fiel.

Hingebungsvoll küsste er seinen Yasuo. „Ich liebe dich.“, nuschelte Seth gegen seine Lippen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Duchess
2021-12-05T19:29:11+00:00 05.12.2021 20:29
Awwwwwwwwwwwwwwwwwwwwwwwwwmmmmmm
Das ist so unfassbar niedlich!
So richtig schön kitschig, auch wenn mir Atemu schon wieder leid tut. Was fällt diesem blöden Baum auch ein alle seine Nadeln ab zu werfen?

Und gerade diese Szene wo unsere beiden Kaibas versuchen romantisch zu sein und sich Yasuo auch noch so freut, dass Seth versucht sich zu bemühen... Awwweeem herzallerliebst!

Und mir gefällt Zigfried gerade unglaublich gut in seiner Rolle.
Ich mag den Kerl hier in der Story
Antwort von:  DonnaHayley
05.12.2021 22:42
Ich gebe dir Recht, kitschig ist die Geschichte. XDDD
Mit dem Baum hat Atemu sich keinen Gefallen getan. Irgendwo hat er sich das selbst gemacht. ^^°

Ich hatte großen Spaß diese Szene zu schreiben. :D
Hier kann ich die Charaktere in ihrem ganz entspannten privaten Umfeld schreiben, ohne irgendeinen Bösewicht im Hintergrund. ;)

Das du Zigfried in meiner Geschichte magst freut mich. :D
Durch eine andere Autorin hab ich mich in diesen Charakter verguckt und musste ihn mit reinschreiben.

Wie schön das du auch diese Geschichte von mir liest. :DDD


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