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Champ Stories

Band 1: Endynalos
von
Koautor:  Flordelis

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Pokémon-Kämpfe sind irgendwie viel einfacher

Nach einem ereignisreichen Tag, an dem sie alle ausgiebig gemeinsam getobt und gespielt hatten, waren sie schließlich erschöpft, aber glücklich, nach Hause zurückgekehrt. Viele gute Dinge waren passiert. So einen Alltag könnte Raelene, sofern es die Arbeit zuließ, von nun an regelmäßig zusammen mit Delion führen, denn sie würde bei ihm einziehen. Das erfüllte sie schon den gesamten Abend über mit Glücksgefühlen. Es würde sie nicht wundern, wenn sie die ganze Zeit mit einem breiten Lächeln im Gesicht herumlief, ohne es selbst zu merken.

In der Wohnung angekommen, hatten sie nur schnell ihre Pokémon aus den Bällen entlassen, weil sie danach planten direkt ins Bett zu gehen. Pichu war nicht einmal aufgewacht, als Delion ihn freiließ, deswegen hatte er ihn nur vorsichtig in sein Bettchen gelegt. Genau das Gleiche tat Raelene auch mit Azurill und Dedenne. Sogar Glurak und Endynalos waren so müde gewesen, dass sie sich direkt auf der Terrasse hingelegt hatten.

Es war ein guter Tag gewesen, mit Fortschritten für Endynalos und einem neuen unbeschwerten Training für Liberlo. Delions rechter Arm konnte auch nur über wenig klagen, wie er Raelene berichtet hatte, und das war hauptsächlich eine noch leichte Schwäche, die er wieder auszugleichen gedachte. Da aber sogar er erledigt war, konnte er es selbst kaum erwarten, endlich ins Bett zu kommen und zu schlafen. Zu schade, dass sie nicht einfach hatten campen können.

Geschwind hatten Delion und Raelene sich jeweils getrennt fertig gemacht. Ausnahmsweise trug sie diesmal ein Nachthemd, weil sie es besonders gemütlich haben wollte und es in Delions Armen auch sowieso warm genug war. Allerdings gab es noch eine weitere Sache, die diesmal – ungeplant – anders war. Als Raelene ins Bett gehen wollte, war Wolly nicht da. Normalerweise lag sie sonst jedes Mal bereits im Schlafzimmer, wenn sie merkte, dass Raelene und Delion kurz davor waren schlafen zu gehen.

Irritiert sah Raelene Delion an. „Mein Flauschball ist nicht da.“

Noch während sie das sagte, verließ sie das Schlafzimmer wieder, um nach Wolly zu suchen.

„Vielleicht schläft sie schon im Wohnzimmer“, rief er ihr nach.

Hinter ihr war ein leises Klatschen zu hören, kaum dass er seinen Satz beendet hatte, was Raelene kurz innehalten ließ. Hatte es sogar Delion aus dem Konzept gebracht, dass Wolly nicht schon im Bett auf sie beide wartete? Statt darüber nachzudenken, setzte sie ihre Suche fort und wurde schnell fündig. Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht, als sie sah, wo Wolly sich gerade aufhielt.

Raelenes Pokémon war an Durengards Seite, beide lagen mittig im Wohnzimmer – sein persönlicher Wachposten, von dem aus er alles im Blick behalten konnte. Durengard warf Raelene einen Blick zu, als würde sich gerade ein Kind für eine bestimmte Aktion vorher die Erlaubnis seiner Eltern einholen. Beschwichtigend hob sie die Hände und verdeutlichte ihm damit, sich nicht daran zu stören, wenn Wolly diesmal lieber bei ihm schlafen wollte. Zumal die Kleine so einen friedlichen und verträumten Gesichtsausdruck hatte, während sie sich an Durengard schmiegte, dass es Raelene nur leid tun würde, diese Zweisamkeit zu stören.

Daher wünschte sie ihnen nur leise eine gute Nacht, ehe sie zu Delion ins Schlafzimmer zurückkehrte. Fragend sah er zu ihr und blieb weiter neben dem Bett stehen, seltsam verloren. Da Raelene noch so vereinnahmt von der Szene eben war, machte sie sich noch keine Gedanken darüber, warum sein Gesicht wieder rot geworden war.

Schmunzelnd deutete sie über ihre Schulter. „Du hattest recht. Sie hat sich an Durengard gekuschelt und schläft.“

Raelene stieß einen gespielt bedrückten Seufzer aus. „Ich glaube, ich habe meinen Flauschball an ihn verloren. Jedenfalls diese Nacht.“

Wirklich betrübt war sie deswegen nicht, sondern freute sich vielmehr für die beiden. Anscheinend verstanden sie sich richtig gut. Außerdem war Wolly bei Durengard auch in den besten Händen, er würde über sie wachen und sie beschützen.

Davon, dass ausgerechnet Durengard und Wolly sich derart gut verstanden, war Delion wohl noch ziemlich überrascht. Wie Raelene freute er sich aber ebenso für ihre Pokémon, wie er ihr mitteilte. Wolly war nun mal einfach zu süß für diese Welt, da konnte nicht mal sein Durengard widerstehen. Außerdem gab es etwas anderes, das Wollys Wechsel des Schlafplatzes mit sich brachte und zumindest Raelene viel mehr in Aufregung versetzte.

„Also schlafen wir heute wohl das erste Mal nur zu zweit!“

Irgendwie hatte Raelene erwartet, er würde sich auch darüber freuen, doch für einen Moment sah er beinahe … etwas panisch aus. Auf jeden Fall nervös. Fahrig strich er sich mit einer Hand über den Kopf und suchte nach den richtigen Worten. Worüber machte er sich solche Sorgen? Erst, als er schließlich lächelte, atmete Raelene innerlich auf.

„Jep, das wird eine echte Premiere.“

„Dann mal ab ins Bett~“, jubelte sie, viel zu enthusiastisch.

Ihre Erschöpfung von den ganzen Spielen mit den Pokémon war auf einmal wie weggeblasen. Eilig huschte Raelene an ihm vorbei und stieg ins Bett. Seltsam wäre es durchaus, nach so langer Zeit plötzlich ohne Wolly zu schlafen, aber sie war ja nicht weit weg. Und ganz alleine musste sie trotzdem nicht schlafen. Delion und Raelene könnten diese Nacht jeweils in den Armen des anderen liegen. Der Gedanke war schon total romantisch.

Lächelnd klopfte sie neben sich auf die noch freie Bettseite. Verdutzt starrte Delion sie einige Sekunden nur tatenlos an, bis er sich tatsächlich neben sie legte. Auf einmal war er wieder so seltsam, wie an diesem einen Tag, als er sich ihren blauen Fleck angesehen hatte. Irgendetwas entging Raelene, sie wusste nur nicht was.

„Okay.“ Auffallend locker tätschelte er ihren Kopf und lachte leise. “Dann sollten wir wohl schlafen.“

Jetzt verstand sie, was los war.

Delion war einfach nur schüchtern.

Dabei hätte sie erwartet, dass er inzwischen ganz gut damit umgehen könnte. Im Grunde war Raelene aber selbst nervös, im positiven Sinne. Bestimmt würden sie sich schnell daran gewöhnen, sobald sie eine Weile lagen. Also schlang sie die Arme um ihn und schmiegte sich an seine Brust. Eine Woge von Sicherheit und Wärme erfasste sie. Allein mit Delion. In einem Bett.

Wenn sie so darüber nachdachte, fing ihr Herz aus Nervosität an zu rasen, schneller als Glurak fliegen könnte. Ohne Wolly war das doch um einiges intimer, wie sie gerade merkte. Kein Wunder, dass Delion sich so seltsam benahm. Ihm musste das schon vorher bewusst gewesen sein.

„G-geht das so?“, stammelte sie unsicher. „Oder wird es sonst zu warm?“

Jedenfalls hatte Raelene schon jetzt das Gefühl, dass sich die wohlige Wärme zu einer knisternden Hitze entwickelte. Es war wie an diesem Morgen, als sie Delion nur in Kates Uniform umarmt hatte. Da hatte sie auch nicht darüber nachgedacht, wie intensiv sich das anfühlen würde.

„Nein“, versicherte Delion ihr rasch. „Es geht schon.“

„Okay.“

Unruhig schloss Raelene die Augen und versuchte seinem Herzschlag zu lauschen – der unfassbar schnell war. Niemals hätte sie gedacht, Delion jemals so nahe zu kommen. Ihr Atem wurde etwas schwerer. Diese Lage versetzte ihre Gefühle doch ziemlich in Aufruhr.

„Der Tag heute war richtig schön“, murmelte sie leise. „Wie jeder Tag mit dir und den Pokémon.“

Raelene kuschelte sich noch mehr an Delion. „Danke, dass ich hierbleiben darf.“

„Danke, dass du bleibst.“ Er drückte sie noch ein wenig enger an sich. „Ich hatte die Befürchtung, es wäre dir zu früh.“

„Lustigerweise habe ich das auch gedacht.“ Sie schmunzelte. „Wir haben beide echt keine Erfahrung in Sachen Beziehungen.“

Irgendwie beruhigte Raelene das sehr. So musste sie sich nicht alleine wie ein unerfahrenes Kind vorkommen. Am besten erzählte sie nie den anderen, wie unsicher sie war. Roy würde sich wohl sonst über sie lustig machen – oder ihr viele peinliche Ratschläge geben und dabei ihre Reaktionen in einer Fotoreihe festhalten.

Eines war auf jeden Fall sicher, weder Delion noch Raelene wollten aufeinander verzichten, nachdem es schon so lange gedauert hatte, bis sie ein Paar geworden waren. Solange sie so fühlten, konnten ihre Entscheidungen nicht falsch sein. Besonders nachts fühlte es sich richtig und gut an, bei ihm zu sein.

Darum versuchte Raelene sich und Delion mit ihren folgenden Worten zu beruhigen: „Also machen wir einfach alles weiter nach Gefühl, würde ich sagen.“

Für sie klang das eigentlich wie ein guter Vorschlag, doch Delion sagte nichts dazu, was sie verunsicherte. Schweigend lauschte sie weiter seinem Herzschlag, der immer noch verriet, dass auch seine Gefühle gerade Achterbahn fuhren. Deshalb ließ sie ihm die Zeit, die er benötigte.

„Aber was, wenn selbst dein Gefühl sich nicht einig ist?“, fragte er schließlich.

Raelene hob den Kopf, um Delion fragend anzusehen. „Inwiefern?“

Inzwischen war ihr Gesicht bestimmt knallrot, aber es machte ihr ihm gegenüber nichts mehr aus. Immerhin musste sie ihre Gefühle nicht mehr verstecken und Delion war bisher stets sehr einfühlsam gewesen. Zumal er ihre Nervosität merklich teilte. Dummerweise sorgte der Blickkontakt offenbar dafür, dass es auch bei ihm noch schlimmer wurde. Zumindest schien sein Gesicht regelrecht zu verglühen.

„Na ja ...“ Er sah ein wenig zur Seite, obwohl er so nur noch die Decke anstarren konnte. „Ich bin mir nicht sicher, ob ich schon weitergehen soll oder nicht.“

Wenn ihr eigenes Gesicht nicht schon so erhitzt wäre, hätte es spätestens jetzt in Flammen gestanden. Delion dachte über den nächsten Schritt nach? Dann begehrte er sie so sehr? Nun fühlte sich ihr Kopf so heiß an, dass sie sich doch etwas schämte. Deshalb vergrub sie das Gesicht lieber wieder in seiner Brust.

„Verstehe ... also, ähm, abgeneigt wäre ich nicht“, erwiderte sie verlegen. „Ich hab sowas nur noch nie gemacht. Vielleicht mache ich nicht alles richtig. Ab wann macht man eigentlich am besten weiter? Mann, Pokémon-Kämpfe sind irgendwie viel einfacher.“

„Ich habe sowas auch noch nie gemacht. Aber ja, Pokémon-Kämpfe sind wesentlich einfacher.“

Es gab bestimmt Personen, bei denen es anders herum war, im Moment beneidete Raelene diese ein wenig. Aber sie konnte schlecht mit ihnen tauschen. Wollte sie eigentlich auch nicht, aber ein wenig mehr Ahnung und Selbstvertrauen wäre schön.

Raelene dachte einen Moment nach. „Wenn unser Gefühl sich nicht entscheiden kann, wie wäre es dann erst mal mit dem Mittelweg?“

Oder könnten sie nicht mehr aufhören, wenn sie erst mal angefangen hatten? Zumindest wäre ihr Gefühl in dem Fall eindeutig. Vielleicht wollte sie Delion aber jetzt auch einfach unbedingt berühren, nachdem er das Thema zur Sprache gebracht hatte ... zum Glück konnte niemand ihre Gedanken lesen. Falls er sich schon die ganze Zeit wegen dieser Sache den Kopf zerbrach, tat es ihr leid, dass sie es nicht von sich aus verstanden hatte, weil sie so naiv war.

„Das wäre vermutlich das Beste.“ Zaghaft strich Delion über ihr Haar. „So könnten wir vielleicht auch sichergehen.“

Mit diesen Worten war es also beschlossen, sie waren sich einig.

Raelene atmete nervös durch. „Okay, dann …“

Schlagartig kam sie sich wieder vor wie ein Kind, das gleich etwas Neues erkunden würde. Es half ihr, dass es Delion garantiert genauso ging wie ihr. Also müsste ihr nichts peinlich sein. Da er schon seinen Mut zusammengenommen und das Thema offen angesprochen hatte, beschloss sie, den Anfang zu machen.

Langsam löste sie sich ein bisschen von ihm und strich behutsam über seinen Arm. Seine Muskelpartien waren deutlich zu spüren, aber trotzdem fühlte es sich nicht hart wie Stahl an, was sie angenehm fand. Als ihre Hand anschließend über seine Brust fuhr, glaubte sie, dass aus ihrer eigenen jede Sekunde ihr Herz ausbrechen würde.

Es war nicht das erste Mal, dass sie einander berührten, aber unter diesen Umständen war es dennoch vollkommen neu und mit ganz anderen Erwartungen sowie Spannung verknüpft. Vorsichtig küsste Delion ihre Stirn – und anschließend folgten sie beide einfach ihren Gefühlen.

 
 

***

 

Als Raelene am nächsten Morgen aufwachte, fühlte sie sich … anders, irgendwie neu. Besser. Auf eine gute Weise. Das war ein schönes Gefühl, wie das Ausschlafen an einem winterlichen Tag. Noch befand sie sich im Halbschlaf, während sie sich an Delion schmiegte und zufrieden seufzte. Sie war vollkommen entspannt und fühlte sich seltsamerweise noch gestärkter als gewöhnlich. So gut wie in dieser Nacht hatte sie noch nie geschlafen.

Beinahe wirkte es so, als hätte die Zeit eine Ewigkeit einfach stillgestanden, damit ihr Glück so lange wie möglich anhalten konnte. Ihre Termine an diesem Tag bekäme sie mit dieser neuen Energie sicher locker hin, obwohl sie sonst keine große Lust darauf hatte. Ob sich Delion auch so erfrischt fühlte?

„Guten Morgen, Liebling~“, flüsterte Delion glücklich, und strich ihr zärtlich durch die Haare.

Er war also auch schon wach. Seine Stimme klang wesentlich heller und klarer, einfach noch viel schöner als sonst. Sanft holte seine Begrüßung Raelene aus ihrem Halbschlaf und zauberten ihr obendrein ein Lächeln ins Gesicht. Zum Glück empfand sie keinerlei Scham, wenn sie an die Nacht zurückdachte. Das wäre schade gewesen. Etwas verlegen war sie dennoch.

„Guten Morgen, mein Champ~.“ Noch waren Raelenes Augen geschlossen und sie streckte sich im Liegen ein wenig. „Ich habe echt wahnsinnig gut geschlafen.“

Wieder küsste Delion ihre Stirn, wie schon in der Nacht. „Ich auch. Ich glaube, so gut habe ich schon ewig nicht mehr geschlafen. Dann sind wir heute wohl beide fit für unsere Aufgaben.“

Raelene stimmten mit einem zuversichtlichen Laut zu. Widerwillig öffnete sie die Augen und blinzelte mehrmals. Wie schön, dass es sich völlig natürlich anfühlte, so neben Delion zu liegen.

Aus dem Wohnzimmer waren schon Geräusche zu hören, die verrieten, dass einige ihrer Pokémon ebenfalls wach waren. In diesem Augenblick erfasste sie plötzlich ein Gedanke, der ihr nun doch ein wenig Schamesröte ins Gesicht trieb.

„Du? ... Glaubst du, die Pokémon haben uns gehört?“

Wie sollte man den Pokémon noch gegenübertreten oder sie gar trainieren, wenn sie mitbekommen hatten, was letzte Nacht hier passiert war? Erst schien der Gedanke auch Delion nicht zu behagen, doch er fing sich unerwartet schnell.

„Also ... sie haben sicher alle ziemlich fest geschlafen.“

Hoffentlich. Obwohl Raelene sich nicht vorstellen konnte, dass eines ihrer Pokémon sie aufziehen würde, selbst wenn sie wirklich etwas gehört hatten, war der Gedanke trotzdem unangenehm. Aber sie bereute es nicht. Absolut nicht.

„Wir werden es wohl herausfinden müssen“, sprach Raelene ihnen Mut zu.

Bevor sie sich von Delion löste, gab sie ihm noch einen Kuss auf die Wange. Anschließend suchte sie ihre Kleidung zusammen, um sich wieder richtig anzuziehen. Delion folgte ihrem Beispiel. Auf jeden Fall sollte sie auch noch duschen, bevor sie später zu ihren Terminen ging. Den Vortritt ließ sie aber erst mal Delion, der früher aufbrechen musste als sie.

„Macht es dir was aus, mir Frühstück zu machen, während ich dusche?“, bat Delion. „Ich muss bald los.“

Verständlich, dass er vorher gerne noch etwas essen wollte. Diese Bitte würde sie ihm daher nicht abschlagen, sondern nickte ihm lächelnd zu.

„Liebend gern~. Ich werde in Champ-Geschwindigkeit ein super Frühstück zaubern!“

Nachdem sie noch den Stoff ihrer Kleidung halbwegs glatt gestrichen hatte, ballte Raelene motiviert die Hände zu Fäusten. In ihr steckte so viel Energie, da bekäme sie das locker hin. Für Delion sowieso. Wenn er schon langweiligen Papierkram erledigen musste, sollte er mit bestmöglicher Laune loslegen können.

Schmunzelnd beobachtete Delion ihren Tatendrang. „Danke, Liebes~.“

Auf seinem Weg ins Badezimmer gab er ihr ebenfalls einen Kuss auf die Wange und verschwand aus ihrem Sichtfeld, um die Dusche hinter sich zu bringen. Derweil strahlte Raelene über das ganze Gesicht, als sie Richtung Wohnzimmer ging. Er nannte sie Liebes, hatte sie dazu eingeladen bei ihm einzuziehen und sie waren letzte Nacht einen Schritt weitergegangen. Inzwischen fühlte sich ihre Beziehung wie etwas an, das wirklich ewig halten würde. Ihr Herz hüpfte genauso fröhlich wie Azurill, als die Kleine direkt in ihre Arme sprang.

„Guten Morgen~. Gut geschlafen?“

Azurill bejahte das sichtlich gut gelaunt. Wolly schlief noch wie ein Stein, dürfte aber in den nächsten Minuten ebenfalls aufwachen. Liberlo schien sich im Trainingsraum auszutoben, wenn sie die Geräusche richtig deutete. Da auch einige andere Pokémon noch im Halbschlaf waren, ging Raelene ohne weitere Worte leise weiter zur Küche, um mit Azurill das Frühstück zu machen.

Etwas später war der Tisch reichlich gedeckt. Sandwiches, Salat, verschiedene Getränke und Joghurt, den jeder mit seinen Lieblings-Beeren mischen könnte, sofern man wollte. Da Azurill ihr so fleißig geholfen hatte, setzte sie die Kleine schon mal vor einem Teller ab, damit sie bereits anfangen konnte zu essen. Am Morgen bestand Raelene nicht zwingend darauf, zuerst alle zu versammeln. Jedes Pokémon sollte so viel schlafen dürfen, wie es wollte, solange sie es nicht übertrieben.

Einige Zeit später bekam Raelene mit, dass Delion nach seiner Dusche durch die Wohnung lief, bestimmt um auch seine eigenen Pokémon zu kontrollieren und sicherzustellen, dass es ihnen gut ging. Bislang machte keiner irgendwelche Anstalten, sie beide wegen irgendetwas aufzuziehen oder anklagend anzusehen, genau genommen benahmen sich die Pokémon genau wie am Tag zuvor.

Die Grolldras drehten sogar kurz ihre Runden um Delion, bis Pichu auf seine Schulter kletterte. Darauf zogen die kleineren Pokémon sich wieder etwas zurück. Laut Delions Bericht starrte Endynalos wieder von der Terrasse aus die umliegenden Gebäude an – vermutlich noch immer irritiert von dieser Architektur – und hatte ihn mit einem Nicken begrüßt, was wohl zu einer Art Ritual zwischen ihnen geworden war.

Am Esstisch betrachtete Delion schließlich zufrieden seufzend das Frühstück. „Das sieht wirklich gut aus~.“

Raelene klatschte begeistert in die Hände. „Sehr gut! Dann wird es dir auch super schmecken~. Na los, bedien dich ruhig.“

Sie nahm bereits selber am Tisch Platz. Delion setzte sich ebenfalls und suchte sich direkt etwas aus. Die Pokémon würden nach und nach auch dazukommen. Liberlo kam bereits aus dem Trainingsraum, sichtlich gut gelaunt, und setzte sich ebenfalls zu ihnen, um zu essen. Wolly hüpfte erst mal munter herum, kaum dass sie aufgewacht war.

„Wenn ich heute mit meinen Terminen fertig bin, komm ich ja zu dir“, erinnerte Raelene Delion. „Dann bringe ich was von der Bäckerei mit. Oder vom Buffet, falls es eines gibt. Gerade bei der Arbeit musst du ordentlich essen~.“

„Oh, ich freue mich schon darauf, wenn du mich besuchen kommst.“

Inzwischen wusste Galar auch, dass sie ein Paar waren, dafür hatte die PR-Abteilung gesorgt, ohne dass sie beide viel hatten tun müssen. Also dürfte es niemanden wundern, wenn sie zum Mittagessen bei ihm vorbeikam. Gut, nach der Sache im Labor hätte auch ohne den entsprechenden Artikel jeder gewusst, dass sie ein Paar waren, aber wenigstens war es nun ganz offiziell.

Katapuldra, Maxax und Intelleon kamen auch zum Frühstück dazu. Pichu kletterte von Delions Schulter auf den Tisch hinab, um sich einige Beeren aus einer Schale zu schnappen.

„Ich wäre auch ziemlich enttäuscht, wenn du dich nicht freuen würdest“, sagte Raelene neckend.

Plötzlich sprang Dedenne wie aus dem Nichts zu ihnen auf den Tisch und machte sich direkt über das Essen her. Raelene lachte herzlich. Sie hatte sich schon ohnehin gefragt warum er so lange gebraucht hatte. Wenn es etwas zu futtern gab, war Dedenne sonst immer einer der ersten.

Nachdem Wolly gefühlt der ganzen Welt einen guten Morgen gewünscht hatte, kam auch sie zum Tisch und mähte Raelene aufgeregt an. Schon wie von selbst füllte sie darauf einen Teller und stellte ihn für Wolly auf den Boden.

„Es ist schön, dass wir das jetzt immer haben werden. Zusammen aufwachen, frühstücken und spätestens nach der Arbeit sehen wir uns wieder. Ich bin froh, dass ich nicht mehr sehnsüchtig Poster von dir anstarren muss.“

„Ja, das finde ich auch.“ Delion lächelte, mit sich und der Welt im reinen. „Sag mir übrigens Bescheid, falls ich deine Poster abnehmen oder lieber in meinem Arbeitszimmer aufhängen sollte. Jetzt, da du auch hier wohnst, sollst du dich ja wohlfühlen und mitbestimmen können, wie wir die Wohnung einrichten.“

Maxax war umsichtig genug, Katapuldra zwei Schalen mit Beeren zu reichen, die der Drachengeist direkt zur Terrasse beförderte, damit Glurak und Endynalos auch etwas vom Frühstück bekamen. Raelene folgte Katapuldra lächelnd mit ihrem Blick. Es war großartig, wie gut die Pokémon aufeinander Acht gaben. Auch wenn da nicht mehr viel Arbeit für die Trainer selbst übrig blieb. Aber wahrscheinlich waren besonders ältere Pokémon auch stolz darauf, auf gewisse Weise unabhängig sein zu können.

Sie wandte sich wieder Delion zu. „Also an sich stören mich die Poster nicht. Ich seh ja immer irgendwo Bilder von mir, ich bin das gewohnt.“

Das klang hoffentlich nicht eingebildet. Bei Delion konnte sie aber sicher sein, von ihm nicht so betrachtet zu werden.

„Aber wir könnten ja nach und nach die Wände lieber mit Fotos von uns zusammen füllen~. Wir müssen nur öfter daran denken welche zu machen, wenn wir was unternehmen.“

Dieser Vorschlag machte Delions Lächeln noch eine Spur herzlicher. „Das klingt wirklich gut~. Dann sollten wir uns das schnell angewöhnen. Jetzt haben wir ja einen wirklich guten Grund~.“

„Genau~. Das gefällt dann sicher auch den Pokémon.“

Azurill quiekte zufrieden, aber wohl eher wegen dem Essen. Sie schien schon satt sein, was Raelene wieder deutlich vor Augen führte, dass sie noch ein Baby war. Zielstrebig hüpfte sie auf Delion zu, landete auf seiner Schulter und hing sich dann in seine Haare. Raelene lachte.

„Erst Wolly, jetzt auch Azurill“, tat sie gekränkt, lächelte aber dabei. „Sogar meine Pokémon haben erkannt, wie großartig ihr seid~.“

„Ach, sie mag nur den Geruch des Shampoos~“, wehrte Delion ab.

Katapuldra kehrte währenddessen zurück. Die Grolldras nutzten die Gelegenheit, als sie an Raelene vorbeikamen, um den kürzesten Weg zu ihr zu wählen. Sie zirpten leise, während sie um Raelene herumschwebten, dann stürzten sie sich in ihr Haar, um sich darin zu verstecken.

„Siehst du? Zwei meiner Pokémon sind absolut begeistert von dir.“

Raelenes Augen funkelten gerührt. „Awww, sie sind sooo süß~!“

Feelinara, die zwischendurch auch zum Tisch gekommen war, stimmte ihr direkt zu. Das Haar von Delion war viel dichter und fluffiger, deshalb dachte Raelene, die Grolldras würden seines bevorzugen, genau wie Azurill jetzt gerade. Vielleicht hatte es aber doch auch noch andere Gründe.

„Dann passt auf, dass ich euch nicht aus Versehen mit in die Dusche nehme.“

„Ach, keine Sorge“, warf Delion ein, „die beiden waren schon oft aus Versehen mit mir unter der Dusche. Das stört sie nicht. Ich glaube sogar, sie lieben das Wasser.“

Zustimmend zirpten die Grolldras aus ihrem Haar heraus, was Delion schmunzeln ließ. „Ich glaube, sie sagen, dass sie dich wirklich toll finden.“

Raelenes Gesicht wurde ein wenig rot und sie winkte verlegen ab, obwohl die Grolldras das gar nicht sehen konnten. Warum waren die beiden nur so unverschämt niedlich?

„Ihr zwei seid viel toller~“, betonte sie, wobei sie vorsichtig über ihr eigenes Haar strich.

Anschließend lächelte sie Delion zu. „Der tollste von allen bist aber natürlich du. Deshalb wollte ich dich fragen, ob du Lust hast, mich und Gorgasonn zu einem besonderen Event zu begleiten. Mir ist nämlich eingefallen, dass bald wieder Vollmond ist.“

„Vollmond?“ Er neigte den Kopf ein wenig und versuchte scheinbar sich zu erinnern, warum das eine Besonderheit darstellte. Wahrscheinlich fiel ihm als Zusammenhang aber nur Schlaflosigkeit ein. „Was macht ihr denn an Vollmond?“

„Bei Vollmond versammeln sich Gorgasonn und machen etwas gaaanz Besonderes~“, sagte Raelene geheimnisvoll. „Das muss man gesehen haben. Wenn ich es beschreibe, kann man es sich nicht mal im Ansatz so schön vorstellen.“

Dank Nio kannte sie inzwischen ein paar Stellen, wo Gorgasonn sich für gewöhnlich in Galar versammelten. Er hatte wirklich einen unglaublich guten Draht zu Geister-Pokémon. Für Raelene waren sie meistens ... unheimlich. Aber es gab Ausnahmen. Katapuldra, die Grolldras und natürlich ihr Gorgasonn liebte sie über alles.

Überrascht hob Delion die Augenbrauen. „Oooh, das wusste ich gar nicht. Da komme ich gern mit~. Das muss ich mir ansehen.“

„Also abgemacht~. Ich würde Gorgasonn dann spätestens morgen gerne von der Ranch holen, damit sie noch Zeit hat, ein wenig deine Pokémon kennenzulernen.“

Mittlerweile machte Raelene sich absolut keine Sorgen mehr, dass ihre Pokémon sich untereinander nicht vertragen könnten, aber gerade Gorgasonn war schüchtern bei Fremden und benötigte eine Weile, um aufzutauen. Bestimmt käme sie aber auf Anhieb mit Katapuldra und den Grolldras zurecht, schon weil sie beide Geist-Typen waren.

„Klar, kein Problem. Machst du das allein oder soll ich dich begleiten?“

„Also, wenn es nach mir geht, hätte ich dich gerne immer überall dabei~. Wenn du Lust hast, verpflichte ich dich also hiermit dazu, mich zu begleiten.“

Sie nahm einen großen Bissen von ihrem Sandwich, das sie sich inzwischen genommen hatte, und kaute gut gelaunt. Wenn sie so nachher zu ihren Terminen ging, fiel ihre PR-Beraterin garantiert vor Freude aus den Socken. Raelene hörte sie schon „Das werden tolle Fotos heute!“ quietschen.

„Ich würde morgen Nachmittag gehen, weil ich davor auch nochmal Termine habe. Sag mir nur einfach, ab wann du Zeit hast.“

„Okay, dann sage ich dir heute Abend Bescheid, sobald ich meine Termine für morgen kenne.“

Nickend sah sie Delion weiterhin lächelnd an. Sie dachte daran, wie viele Seiten sie inzwischen von ihm gesehen hatte, die sie zuvor gar nicht kannte. Wie zufrieden und leicht sie sich fühlte, wenn sie Zeit mit ihm verbrachte. Darum wollte sie ihn so glücklich wie möglich machen. Aus dem Ausflug mit Gorgasonn bei Vollmond könnte sie ein tolles, neues Date machen.

„Du wirst begeistert sein, da bin ich mir sicher~.“ Das sagte sie mit so viel Überzeugung, dass man es ihr nur glauben konnte. „Ach, soll ich dir ein paar Sandwiches für die Arbeit einpacken, falls du zwischendurch schon Hunger bekommst, bevor ich dich in der Pause besuche?“

Vermutlich aß er normalerweise nichts während der Arbeit, was aber daran liegen dürfte, dass er vor dem Genuss ihres Currys kein großer Fan von Essen gewesen war. Sandwiches von Raelene waren da vielleicht schon etwas ganz anderes, weil sie ihm auch schmeckten. Sonst würde er sie nicht so begeistert essen.

„Das wäre großartig“, stimmte er direkt zu. „Aber nur, wenn es dir keine Umstände macht.“

„Überhaupt nicht. Ich mach das gerne~.“

Rasch aß Raelene den letzten Bissen von ihrem eigenen Sandwich, um für Delion noch welche zu machen, die er mitnehmen konnte. Selbst wenn er sie am Ende doch nicht aß, könnte er sie immer noch einem seiner Pokémon geben. Es war also keinesfalls eine Verschwendung.

„Danke, Rae~.“

Verträumt beobachtete Delion sie dabei, wie sie für ihn ein kleines Lunchpaket zusammenstellte, voll und ganz versunken in seinen eigenen Gedanken. Zwar wusste Raelene nicht, was ihm durch den Kopf ging, doch es musste etwas Gutes sein, so verliebt wie er sie anstarrte. Deshalb freute sie sich umso mehr, dass sie von nun an gut für ihn sorgen könnte. Denn wenn Delion gesund und glücklich war, galt das auch für sie – und für all ihre Pokémon.



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